インディゴ von Monyong (Ranmaru x Ai) ================================================================================ Kapitel 1: Floozie ------------------ Ranmaru stieg von seinem Motorrad und parkte es im Hinterhof eines Hotels, bevor er sich mit einem genervten Blick auf den Weg zum Eingang machte. Schon seit den letzten Tagen war seine Stimmung auf dem Nullpunkt angelangt, denn die Arbeit nervte ihn so wie schon lange nicht mehr. Reiji nervte. Camus nervte und ganz besonders nervend waren Shining und die Jungs von Starish, wegen denen Quartet Night auf der Stelle zu treten schien. Dieses Gefühl ließ ihn selbst heute an seinem freien Tag nicht los und das, obwohl er eigentlich ausspannen wollte. Vor wenigen Wochen hatte er in einem Internetprotal ein interessantes Bild gefunden. Ein hübsches, junges Mädchen mit cyanfarbenen Zöpfen und Augen, in denen man sich verlieren konnte. Wenn man einen Sinn für Romantik hatte und den hatte Ranmaru eigentlich nicht. Er kannte weder ihren Namen, noch ihr richtiges Alter, denn das alles war vollkommen uninteressant. Es war ihm auch egal, dass sie käuflich war, geschweige denn für was für einen Preis. Die Hauptsache war es, dass er das bekam, was er wollte und normalerweise war er nicht sehr wählerisch. Ran nahm sich das, was er bekam. Bis auf diese eine Ausnahme hier und jetzt, wo er sich dieses Mädchen ganz bewusst nach diesem auffallenden Äußeren ausgesucht hatte. Als er die Eingangstüren des Hotels erreichte, blieb er stehen, um sich noch schnell eine Zigarette zwischen die Lippen zu stecken, wobei er durch die großen Fensterscheiben ins Innere der Lobby hineinblickte. ‚Indigo‘ fiel ihm mit ihrer Haarfarbe, sowie der niedlichen Schuluniform sofort auf. Sie saß in einem der großen Ledersessel und starrte auf ihr Handy. Entweder chattete sie mit anderen Typen, wie ihm, oder aber… sie unterhielt sich mit ihren Freundinnen aus der Schule über den letzten Test. Spätestens jetzt hoffte Ranmaru, dass sie doch das passende Alter hatte, denn wegen so einem Scheiß wollte er keine schlechten Schlagzeilen machen. Zumal es ihm auch nur indirekt… um diese eine Sache ging. Nachdem er den Zigarettenstummel zur Seite schnippte, ging er durch die Glastüren ins Hotel, wo er die hübsche Frau an der Rezeption ansteuerte, um einzuchecken und ausnahmsweise hatte er dieses Mal kein Stundenhotel gewählt. Vermutlich war der Respekt vor schlechter Publicity zu groß und vielleicht wollte er sich doch ein bisschen Zeit nehmen? Während die Hotelangestellte schließlich nach der Zimmerkarte suchte, blickte Ran nach hinten, damit er Indigo erneut beobachten konnte. Selbst aus dieser Entfernung und von der Seite betrachtet sah sie aus wie Ai. Diese Ähnlichkeit war nicht nur erstaunlich, sondern auch der eigentliche Grund, wieso er sich mit ihr treffen wollte. Sein Bandkollege war aber auch süß. Nur leider war es eben ein Bandkollege. Leider… weshalb er sich jetzt mit diesem Mädchen begnügte. Kaum hatte er die Karte zum Zimmer erhalten, machte er kehrt und ging direkt zu seinem Date herüber. Bisher hatte die Kleine zwar nicht die leiseste Ahnung, wie er aussah, aber scheinbar wusste sie, schon dass er ihr Kunde war. Sie stand ganz automatisch auf, als er nah genug herangetreten war und hob ihren Blick vom Handy, woraufhin ihr Lächeln im Gesicht erfror. „Was? Bist du enttäuscht, dass ich kein alter Sack bin?“, bemerkte Ranmaru daraufhin ganz offen und zeigte er die Zimmerkarte, bevor er zum Aufzug nickte, damit sie sich endlich auf das Zimmer begaben, aber Indigo rührte sich kein Stück. Stattdessen wurde er nur mit einem unergründlichen Blick angestarrt. Eine Mischung aus Irritation, Verwunderung und noch… etwas anderem? Der Grauhaarige dachte zu verstehen. „Achso? Du dachtest wir gehen nur zusammen Essen? Ich brauche keine Escortdame, ich brauch was anderes, undzwar im Bett.“ Er hatte keine Probleme es anzusprechen. Warum auch? Hauptsache er sprach leise genug, damit es niemand der anderen Gäste mitbekommen konnte. „Du bist doch alt genug?“, fragte er vorher aber doch etwas skeptisch, denn diese naive Reaktion war schon fast ein bisschen lachhaft. Zu seiner eigenen Verwunderung nickte Indigo allerdings stumm, weshalb er ohne weiter Nachzudenken nach ihrem Arm griff und sie hinter sich herziehen wollte. Er war nur ungewollt grob. Immerhin hatte sich genug Anspannung angestaut, um ungeduldig zu werden. Als er dabei allerdings hörte, wie seine Begleitung hinter ihm hörbar nach Luft schnappte, hielt er auf halben Wege an. „…brauchst du mein etwa Geld nicht? Oder passt dir mein Gesicht nicht?“, raunte er ihr leise entgegen und plötzlich gab sie nach, weshalb sie gemeinsam den Fahrstuhl betraten. Da hatte er scheinbar noch einmal Glück gehabt. Für einen kurzen Augenblick hatte sich Ranmaru schon wieder bei seinem Motorrad stehen sehen und eine Abfuhr war etwas, das ihm natürlich überhaupt nicht passte. Auch wenn es nur eine Käufliche war; da war der männliche Stolz einfach viel zu groß, um abgewiesen zu werden. Andererseits war sein Feingefühl aber auch viel zu klein, sodass er sich ein Mädchen einfach nicht um den Finger wickeln konnte. Es war ein weiterer Grund, wieso er diese Art von Bekanntschaften vorzog. Das und weil es einerseits auf Dauer günstiger war als eine feste Freundin und es andererseits nicht mit seiner Arbeit kollidierte. Zumindest solange er sich nicht für ein Klatschblatt ablichten ließ, doch da passte er auf. Im Zimmer angekommen warf er seine Bikerschuhe unachtsam zur Seite und trat schon zum Bett, nur blieb seine Begleitung etwas verkrampft im kleinen Zimmerflure stehen. Sie machte keine Anstalten näher zu kommen. „Jetzt sei nicht so schüchtern!“, brummte Ran genervt, wobei er ihr schon wieder entgegenging, um erneut nach dem Arm zu greifen. Diesmal zog er sie aber direkt an sich, schlang seine Arme um den schmalen Körper und erkundete ohne Umwege ihren Hintern, womit er ihr ein kleines Keuchen entlockte. „H-hnng.“ Ihre Stimme ließ ihn kurz überlegen, sofern das in seinem Zustand überhaupt noch richtig möglich war und als er zu ihr herunter schielte, sah er wie ihre Wangen hochrot leuchteten. Mit einem Grinsen legte er ihr eine Hand ans Kinn, damit er sie dazu bewegen konnte ihn anzuschauen, aber sie zierte sich. „Nein!“ Auch wenn es nur ein kurzes Wort gewesen war, so kam ihm diese Stimme doch sehr bekannt vor. Fast schon… vertraut? „Nein? Machst du jetzt doch einen Rückzieher?“, grummelte er gereizt und legte er die Hände nun auf die Schultern. Vielleicht war er nicht der Netteste und einige Leute würden ihn auch als Arsch bezeichnen, aber ein Mädchen ins Bett zu zwingen… das tat er dann doch nicht, weshalb er Indigo von sich schob. Bloß anstatt von einem verschüchterten Gesicht angeguckt zu werden, wurde sein Blick fast schon ausdruckslos erwidert. Das war doch… Langsam wanderten seine Augen über ihren Körper und erst jetzt sah er es. Die Person vor ihm war kein Mädchen. Das war… „Ai...?“ Ai drehte seinen Kopf zur Seite, damit er es wohl nicht länger tragen musste, wie er von seinem Gegenüber angestarrt wurde. Danach folgte eine fast endlose Pause… bis der Größere sich einfach wieder seine Begleitung schnappte, indem er ihn näher an sich zog. „Was?“, entkam es dem Kleineren überrascht. Der Türkishaarige konnte diese Reaktion nicht verstehen und begann sich gegen die ungewollte Nähe zu sträuben, indem er ihm abwehrend die Hände auf die Brust legte, um ihn von sich zu drücken, aber Ranmaru war nun doch sichtlich amüsiert. Er hatte ein Mädchen gebucht, das aussah wie sein Bandkollege und letztendlich bekam er Ai persönlich? Da wollte er sich dann doch etwas mehr Mühe geben, denn sonst war er nie mit dem anderen alleine. Sonst gab es immer jemanden, der herumschwirrte, oder die Arbeit war so intensiv, dass er sich auf gar keine anderen Dinge mehr konzentrieren konnte und privat hatten sie eh nichts miteinander zutun. Man ging sich eher aus dem Weg. Nun erklärte es sich aber immerhin, wieso er in der Lobby bereits die Probleme hatte zu zweit auf dieses Zimmer zu gehen… und wenn der Kleine schon einmal hier war? Dann wollte er auch mehr. Es war wie ein Sechser im Lotto. „Jetzt stell dich doch nicht so an! Du bist immerhin freiwillig mit mir auf’s Zimmer gegangen, hm?“, wollte er den anderen deshalb überzeugen und auf einmal hielt dieser in seinen Bewegungen inne, bevor er Ran mit großen Augen anblickte. „Du brauchst es gar nicht abzustreiten… ich hab dich längst erkannt! Deshalb hast du mich vorhin also so angestarrt! Hätte ja nicht gedacht, dass du so auf mich abfährst und gleich mit mir ins Bett willst. Wieso hast du vorher nie was gesagt?" Grinsend beobachtete der Größere, wie Ai seinen Kopf senkte. „Hallo. Ranmaru.“ Es hatte eh keinen Zweck gehabt, wenn sich der andere herausreden würde, aber dämlich war es trotzdem gewesen, denn er hätte vorher auch einfach gehen können. Stattdessen war er ihm allerdings gefolgt. „Ich hätte eher nicht gedacht, du DU auf sowas stehst. Dir ist es wohl egal mit wem du ins Bett gehst?“, erwiderte Ai auf einmal überraschend direkt, sodass Ranmaru kurz stutzen musste, „Und… bilde dir nichts ein. Du zahlst doch wie jeder andere. Also gib mir das Geld und ich schlafe mit dir.“ Damit hatte er nun nicht gerechnet. Die Tatsache, dass es dem anderen irgendwie egal schien und er lediglich Geld von ihm wollte, irritierte den Grauhaarigen kurz und er musste sich ganz kurz daran erinnern, dass es sicher nicht die beste Idee war mit einem Bandkollegen das Bett zu teilen. Dennoch konnte er es kaum abwarten, weshalb sein Grinsen breiter wurde, als er seine Geldbörse hervorholte, um dem anderen einige Scheine in den Ausschnitt der rosafarbenen Strickjacke zu stecken, von wo dieser es ein bisschen zögerlich an sich nahm. Ai lächelte kurz. „Eigentlich hatte ich an ein bisschen mehr gedacht.“ Einen kurzen Augenblick musterte Ranmaru das Geld, welches ihm fast schon desinteressiert von dem anderen abgezählt wurde. Dann öffnete er seine Geldbörse erneut und verdoppelte den Preis. Vielleicht war das gegen seinen Stolz, aber zahlen musste er so oder so, zumal… es doch eine einmalige Gelegenheit war. Wer interessierte sich da auch schon für die Beweggründe des Kleinen? Hauptsache… die Dienstleistung stimmte. Kapitel 2: Absence ------------------ Während Ranmaru seine Gürtelschnalle schloss, fiel sein Blick zur Badezimmertür. Ai war frisch geduscht und trug nun auch wieder die Schuluniform, doch obwohl sie soeben miteinander geschlafen hatten, wirkte er so desinteressiert wie immer. Es war auf jeden Fall ein Grund, um angespannt mit den Zähnen zu knirschen, denn der Kleine machte sich noch nicht einmal die Mühe ihm eine Bestätigung zu geben. „…weil du ja… ganz okay im Bett bist, können wir das etwas öfter machen, hm?“, merkte er deshalb an, wobei er nach seinem Shirt griff, es über seinen Kopf zog und als er es gerichtet hatte, bemerkte er, wie er von Ai angestarrt wurde. „Okay? Wenn du mehr willst, war es wohl besser als nur… okay?! Aber… kannst du dir das denn überhaupt leisten?“ Obwohl die Stimme des anderen sehr ruhig klang, so konnte er diesen bissigen Unterton durchaus heraushören, weshalb er sich natürlich sofort ärgerte. Seine finanzielle Situation sah trotz der Musik, die sie zusammen machten, nicht sehr gut aus, allerdings ging das auch niemanden etwas an und es war schon etwas verwundernd, wieso ausgerechnet Ai davon wusste. „Du kannst mir ja einen Freundschaftsrabatt geben?“, brummte er angespannt zurück und fuhr sich durchs Haar, sah dabei aber nur, wie sein Bandkollege dünn lächelte. „Ich wüsste nicht, warum ausgerechnet wir Freunde sein sollten.“ Das war typisch Quartet Night. Außer der nervigen, überschwänglichen Art von Reiji hatten die anderen nicht viel füreinander übrig und das Interesse, was Ranmaru für den Türkishaarigen hatte, fiel wohl sowieso aus dem Rahmen. Als sich Ai schließlich die Schuhe anzog und im Begriff war zu gehen, ging Ran schnell auf ihm zu, um nach seiner Schulter zu greifen und ihn somit aufzuhalten. „Was denkst du tust du hier überhaupt? Mit Typen ins Bett gehen? Für Geld? Wenn das rauskommt…!“, wollte er predigen, wurde daraufhin aber nur sehr verständnislos angeschaut. Der Kleinere schlug seine Hand zur Seite, woraufhin er nur mit den Kopf schüttelte. „Und du? Was ist mit dir? Diese Vorwürfe muss ich mir nicht anhören. Nicht von jemanden, der sich alles nimmt, was bei Drei nicht auf den Bäumen ist. Scheinst dir ja öfter jemanden zu kaufen? Außerdem wird es schon nicht rauskommen. Ich passe auf.“ Ranmaru wusste selber, dass sein kleines Hobby nicht das Beste war. Dennoch… gefiel es ihm nicht, das Wohl der Band noch von einer weiteren Person gefährdet zu sehen. Denn wenn das rauskommen sollte, so war Quartet Night um einiges stärker belastet, als mit der Schlagzeile, die er füllen würde. Da war ihm das Geld doch viel zu wichtig. Zumal er mit einer Abfuhr nur ganz schlecht umgehen konnte und kaum wollte Ai weitergehen, packte er sich dessen Schulter erneut. „Was denn? Machst du das bei den Mädels auch immer? Kann schon verstehen, dass die immer nur einmal mit dir in’s Bett steigen und du dir eine Neue suchen musst, wenn du so anhänglich bist!“ Auch wenn Ai immer noch recht monoton klang, begann er schwach zu grinsen, weshalb Ranmarus Laune nur noch weiter absank. Es war kaum zu glauben, dass das überhaupt möglich war, immerhin hatte er sich vor nur wenigen Minuten noch richtig gut gefühlt und jetzt… konnte er sich einfach nur über den anderen ärgern. „Halt die Klappe und sag mir lieber, wann wir uns das nächste Mal treffen können!“ Einen Moment lang grinste Ai weiter vor sich hin, dann änderte sich sein Blick allerdings und er begann schließlich eher bitterlich zu lächeln, nur Ranmaru achtete nicht darauf. Für ihn zählte nur, dass er das bekam, was er wollte und er bekam es, zumindest solange wie sein Geld dafür noch ausreichte, nur konnte er schon nach der fünften Woche die Dienste von ‚Indigo‘ nicht mehr bezahlen und aus diesem Grund wollte sich Ai auch nicht mehr weiter mit ihm treffen, wodurch er ihn nach wie vor nur noch bei der gemeinsamen Arbeit traf. Damit war ihr kleines Techtelmechtel vorerst beendet. Zumindest bis… „Hm~ Wo bleibt denn AiAi?“ Nervend begann Reiji in ihrem gemeinsamen Arbeitszimmer umher zu hibbeln, während sein Blick abwechselnd zu Ranmaru, dann zu Camus und wieder zurück glitt. Allerdings wusste niemand, was mit ihrem Bandküken geschehen war. Ai hatte sich weder abgemeldet, noch mitgeteilt, dass er später kam, aber Ran konnte sich schon lebhaft ausmalen, was passiert sein könnte. Der Nebenjob des anderen schien sich wohl doch auf seine eigentliche Arbeit auszuwirken und das nervte den Grauhaarigen, der nach einiger Zeit einfach aufstand, weil er gehen wollte. „Hu? RanRan, wo willst du denn hin?“ Hastig kam ihm Reiji nachgeeilt. Vermutlich wollte er ihn zum bleiben bewegen, doch darauf hatte er keine Lust. Camus saß schließlich auch nur untätig an ihrem Meetingtisch, trank Tee und las dabei die Tageszeitung. Es gab überhaupt keinen Grund hier weiter tatenlos herumzusitzen, da wollte er lieber in seiner Wohnung an einem Song arbeiten. Und zwar alleine. Denn das war immer noch produktiver, als weiter hier zu warten. „Ich gehe!“, antwortete er deshalb auf die Frage des anderen, dem er schnell die Tür vor der Nase zuschlug, ehe er Richtung Ausgang eilte. Sein Motorrad hatte er vor ihrer Agentur abgestellt und kaum erreichte er dieses, setzte er sich seinen Helm auf und schlug den Heimweg ein. Obwohl der nervige Reiji längst abgehangen war, schlängelte sich Ranmaru hastig durch den Stadtverkehr, bevor er über den Highway raste, um schnellstmöglich nach Hause zu kommen, denn der Himmel war mit tiefgrauen Wolken verhangen und verhieß nichts Gutes. Wohlmöglich war das drohende Gewitter ein Vorgeschmack auf das, was ihn morgen bei Shining erwartete, nur war ihm das egal. Noch bevor Ranmaru seine Abfahrt nahm ging das Unwetter los. Ein regelrechter Wolkenbruch ergoss sich über die Gegend und in kürzester Zeit stand das Wasser hoch auf dem Asphalt, sodass er schließlich vollkommen durchnässt an seinem Wohnblock ankam. Aber er war nicht der Einzige, der bei diesem Wetter draußen war. Auf der untersten Treppenstufe hockte eine zierliche Gestalt. Mit tiefgesenkten Kopf und die Knie nah an den Körper gezogen, saß dort Indigo mitten im Regen, als würde ‚sie‘ auf etwas warten. „Hm? Was machst du denn hier?“ Genervt schritt Ranmaru näher an Ai heran. Er hatte also tatsächlich Recht gehabt. Indigo schien also tatsächlich wichtiger, als Quartet Night zu sein? Da er keine Antwort bekam, war der Größere schon kurz davor einfach weiterzugehen, um Ai einfach auf der Treppe sitzen zu lassen, doch im letzten Moment überlegte er es sich anders und blieb stehen, woraufhin er den anderen musterte. „…wenn du da so sitzt, kann man dein Höschen sehen!“, stellte er fest, auch wenn es ihn nicht störte. Bloß zeigte der andere damit zumindest eine kleine Reaktion, indem er kurz zusammenzuckte, bevor er die Position seiner Beine änderte und langsam den zerknitterten Rock der Schuluniform glatt strich. Ais Blick blieb dabei allerdings gesenkt und so langsam wurde Ranmarus Geduld auf eine harte Probe gestellt. „Ich dachte, du willst nur gegen Geld mit mir ins Bett?! Ich hab momentan nichts mehr, also zieh ab!“, schnauzte er in einem angespannten Tonfall, erstarrte dann jedoch, als Ai den Kopf anhob und er von zwei glasigen Augen angeschaut wurde. Die türkisenen Haare klebten in seinem nassen Gesicht, ebenso war das Make Up verschmiert, aber obwohl es schon seit geraumer Zeit regnete, wusste Ran, dass das nicht der Grund für dieses Auftreten war. Ais Oberlippe war an einer Stelle aufgeplatzt und sein linkes Jochbein schien angeschwollen. Der Kleine saß weinend vor seiner Wohnung? Mit sowas konnte Ranmaru überhaupt nicht umgehen, weshalb er schnell seinen Blick abwendete. Er war keine gefühlvolle Person, die sich um andere kümmern konnte. Deshalb gab es keinen Grund, wieso irgendjemand mit Problemen zu ihm gehen würde. Und trotzdem… konnte er Ai in diesem Zustand und mit diesen Klamotten schlecht wegschicken, zumal sie auch Bandkollegen waren. Vielleicht war Ran aber auch einfach nicht ‚Arsch‘ genug, um unberührt weiterzugehen und ihn alleine zurückzulassen. Immerhin hätte er in den letzten Tagen noch einiges in Bewegung gesetzt, um denn anderen zu sich nach Hause und vor allem in sein Bett zu bekommen. „Willst du dich erkälten? ...weil du da so rumsitzt?“, presste er deshalb mit größter Müh hervor, wobei er für einen kurzen Augenblick zurück zu dem anderen schielte. Ais Augen waren größer geworden und sofort mied er wieder dessen Blick, während er sich zu ihm herunterbeugte, um nach seinen Arm zu greifen und ihn etwas grob zurück auf die Beine zu zerren. „Komm mit.“ Es war wie in dem Hotel, wo er Indigo das erste Mal getroffen hatte, nur diesmal folgte der andere freiwillig ohne weitere Aufforderungen. Trotzdem ließ er Ai erst los, nachdem sie in seiner Wohnung angekommen waren und die Tür hinter ihnen versperrt war. „Willst du duschen? Du bist völlig durchnässt. Ich kann dir auch trockene Sachen geben.“, bot er an, ohne dabei auf den Grund einzugehen, warum Ai zu ihm gekommen war. Obwohl es doch offensichtlich war. Ranmaru wartete auch nicht auf eine Antwort, sondern verschwand aus dem Flur, um wahllos eine Shorts und ein Shirt für seinen ‚Gast‘ aus dem Kleiderschrank zu ziehen. Damit ging er zurück zu dem anderen, der zitternd und vor Nässe triefend im Eingangsbereich wartete. „Das Bad ist da drüben.“ Er packte sich Ais Schulter, damit er ihn in die richtige Richtung schieben und ihn vor der Dusche platzieren konnte. Diese Apathie war einfach nicht zum aushalten, weshalb er auch ganz froh war, als die Badezimmertür endlich verschlossen und der Kleine somit vorerst aus seinem Blickfeld verschwunden war. Mit einem Handtuch unterm Arm ging er ins Wohnzimmer, welches gleichzeitig als Schlafzimmer benutzt wurde und begann sich auszuziehen und abzutrocknen. Jetzt war Ai zwar hier bei ihm, aber diese Sache gefiel ihm ganz und gar nicht. Zumal er ihn so wohl noch nicht einmal ins Bett bekommen konnte. Kapitel 3: Troubleshooter ------------------------- Mit einem trockenem T-Shirt und einem Handtuch über seinen Kopf gelegt saß Ranmaru auf der Bettkante, während sowohl auf der Matratze, als auch auf dem Fußboden mehrere beschriftete und auch leere Notenblätter verstreut lagen. Seine Bassgitarre hielt er locker umschlossen und zupfte an den Saiten, wobei er immer wieder einige Noten auf einem der Zettel niederschrieb. Immerhin hing er doch zu stark an der Musik, als dass er einfach aus ihrer Agentur flüchten konnte ohne dabei nicht zumindest ein bisschen für sich selbst zu machen. Andererseits war das nicht der einzige Grund. Nachdem die Badezimmertür mit einem leisen Geräusch zurück ins Schloss gedrückt wurde, lauschte er einen Moment lang dem Getappse, welches von den nackten Füßen seines Gastes kam und obwohl Ai schließlich neben ihm am Bett stand, blickte er nicht zu ihm auf, sondern notierte erst noch die letzten Noten, die er gespielt hatte, bevor er sie noch vergaß. „Du arbeitest?!“ Ais Stimme war wie immer ruhig und kühl und es schien, dass er sich wieder gefangen hatte. Zumindest wirkte er nicht mehr wie vorher, was Ranmaru innerlich immerhin aufatmen ließ. „Ja? Warum auch nicht?“, antwortete er fast schon mit einer Gegenfrage, legte dabei die Bassgitarre zur Seite und schaute nun endlich zu dem Kleineren, der wie regungslos am Bett stand. Vielleicht war das zwischen ihnen schon vorher nicht mehr die rein berufliche Beziehung gewesen, aber spätestens nach diesem Anblick, den er da draußen vor seiner Wohnung geboten bekommen hatte, war es nun doch eindeutig anders. „Willst du was essen?“, fragte Ranmaru leise seufzend. Natürlich hatte er kein Mitleid mit dem anderen. Er tat ihm sicher nicht Leid, weil Ai dafür selber verantwortlich war, nur… wäre es auch gelogen, wenn er behauptete, der andere wäre ihm egal. Aus gutem Grund hatte er Indigo immer wieder treffen wollen. „Eigentlich nicht.“ Während der Grauhaarige aufstand, um in die Küchenecke zu verschwinden, hockte sich Ai langsam hin und griff nach den beschrifteten Notenblättern, die er nach und nach musterte und obwohl sein Bandkollege nichts essen wollte, öffnete Ranmaru den Kühlschrank, aus dem er einige Zutaten herausnahm. „Nicht schlecht.“, wurde der Song, an den er bis gerade noch gearbeitet hatte, derweil von dem Kleineren gelobt, sodass er in seiner Bewegung kurz inne hielt und einen Blick zurück Richtung Bett warf. Vielleicht waren es nur einige Noten, aber selbst dafür ein Kompliment und auch noch ausgerechnet von dem Kleineren zu bekommen…? Das war untypisch. Für einen Moment beobachtete Ranmaru, wie sich Ai seine Notenmappe nahm, um noch weitere Lieder von ihm durchzugehen. Aber er sagte nichts dazu, sondern wandte sich zurück zum Herd, wo er mit dem Kochen begann und als er schließlich fertig war, servierte er die Kleinigkeiten auf einen Teller, den er gleichzeitig mit einem gefüllten Futternapf ins Wohnzimmer trug. Das Essen stellte er kommentarlos auf dem kleinen Wohnzimmertischchen ab und als er sah, dass der andere seinen Kopf hob, drehte er sich einfach schweigend um. Den kleinen Napf stellte er nach draußen auf seinen Balkon, wo er regelmäßig seine Katzen fütterte und kaum war er durch die Balkontür zurück ins Wohnzimmer getreten, sah er wie sich Ai mit einem fast schon erwartungsvollen Blick an den Tisch gesetzt hatte. Er starrte das Essen regelrecht an, aber ohne darauf einzugehen setzte sich Ran ihm gegenüber und zog den Teller mit einem dünnen Grinsen in seine eigene Richtung. „Du wolltest doch nichts.“, erklärte er, wobei er bereits nach dem Besteck griff, als wäre es ihm egal, dass Ai sein Gesicht kurz verzog. Das leise Magenknurren des anderen überhörte er ebenfalls und schob sich nur eine Portion des Essens mit voller Genugtuung in den Mund, während der Kleine sichtlich getroffen zur Seite blickte. „Richtig. Ich wollte nichts essen.“, bestätigte Ai trotzig, wobei sein Blick schließlich zu dem großen Balkonfenster glitt, sodass Ran ihm folgte. Draußen regnete es immer noch in Strömen und mittlerweile saß eine kleine, durchnässte Katze vor der Fensterscheibe, die sie bettelnd mit ihrer Pfote betatschte, um so um Einlass zu bitten. „…wie du willst.“, brummte der Grauhaarige auf einmal, ließ die Gabel sinken. Daraufhin schob er den Teller zurück zu Ai, weil er keinen Moment später aufstand und die Balkontür öffnete. Mit einer unvorsichtigen Bewegung ergriff er die Katze, die laut miauend protestierte, sich aber schließlich von ihm in die Wohnung tragen ließ, bevor sie schließlich in Rans Handtuch gewickelt auf dessen Schoß abgetrocknet wurde. Fassungslos starrte Ai zu ihnen herüber. „Du kannst ja… manchmal doch nett sein?“, entkam es dem Jüngeren urplötzlich, was ihm kurz darauf wohl unangenehm war und deshalb Ranmarus Blick auswich. Doch der Große brummte nur erneut leise auf. Es war nicht nur das zweite Kompliment, was er von seinem Bandkollegen erhielt, es war auch noch um einiges ungewöhnlicher als das Vorherige und hätte ‚Indigo‘ nicht eben noch weinend vor seinem Wohnblock gesessen, würde er etwas darauf erwidern, aber… letztlich zuckte er nur unbeeindruckt mit den Schultern. „Manchmal. Vielleicht.“ Knapp antwortend musterte er erst Ai, der immer noch darauf bedacht war, ihn nicht anzuschauen, danach den halbleeren Teller, den der andere trotz Hunger wohl immer noch nicht anrühren wollte. Er verstand nicht, was dieses Verhalten sollte; wieso der Kleine überhaupt hier zu ihm gekommen war, wenn er ja scheinbar doch nicht mit ihm reden wollte. Andererseits wusste Ranmaru, dass Ai noch nie viel von sich gegeben hatte und wenn, dann waren es zickige Bemerkungen, die mit seiner monotonen Stimme nur noch nervender waren. Dazu kam außerdem, dass er selbst weder viel, noch gerne sprach und ebenso wenig gut zuhören konnte. Wartete sein Gegenüber wirklich auf den ersten Schritt des Großen, so würde dieser niemals kommen. Obwohl von Rans Seite aus weiterhin nichts kam und auch Ai nur schweigend dasaß, reagierte die Katze auf einmal sehr heftig, indem sie aus dem Schoß aufsprang, sich von dem Handtuch befreite und schließlich mitten auf dem Wohnzimmertisch landete, um neugierig an dem Essen zu schnuppern. Doch noch immer reagierte keiner der beiden anderen. Erst als sie ihre Pfote in die Sauce drückte, kam ein genervtes Schnauben von Ranmaru, der den kleinen Tiger vom Tisch nehmen wollte, aber Ai war schneller gewesen, indem er sie im Nacken packte und anhob, ehe er sie etwas ausdruckslos anschaute. „Ist das wirklich deine?“, wollte er nun wissen. Scheinbar empfand er es doch zu ungewöhnlich, dass sich jemand wie Ran ein Haustier hielt. „Nein, die ist mir vor einiger Zeit nur zugelaufen.“, antwortete dieser darauf mit einem Seufzen, bevor er sich daran machte, den Teller, sowie das Besteck abzuräumen und zurück in die Küche zu bringen. Auf halbem Wege blieb er allerdings stehen, um kurz zurück zum Tisch zu gucken. „Sie saß auf einmal vor meiner Balkontür. So wie du vorhin.“ Kaum war sein Kommentar beendet, weiteten sich Ais Augen für einen Moment. Die Lippen des Kleineren öffneten sich und zitterten leicht, doch schien er nichts darauf zu erwidern. Entweder, weil er nichts zu sagen wusste, oder es nicht konnte, denn die Katze begann auf einmal zu zappeln. Sie riss sich los und sprang zurück auf die Tischplatte, wo sie damit begann die mit Sauce verschmierte Pfote wieder sauber zu lecken. Derweil saß Ai immer noch regungslos am Tisch, senkte kurz danach aber seinen Kopf und blickte betrübt auf die eigenen Hände, die er langsam in seinem Schoß faltete, worüber sich Ranmaru nur noch mehr wunderte. Dieser Gesichtsausruck war ihm bei dem anderen neu. Deshalb überkam ihn das Gefühl, als würde der Türkishaarige jeden Moment etwas sagen wollen, doch letztlich passierte doch nichts, sodass er seinen Weg ebenfalls schweigend fortsetzte. In der Küche entsorgte er das Essen. Er stellte den leeren Teller in die Spüle und als er sich umdrehte, erschrak er heftig, da Ai plötzlich hinter ihm stand. Mit zu Fäusten geballten Händen stand er ihm gegenüber, wich seinem Blick weiterhin aus und presste die Lippen fest aufeinander. Mittlerweile nervte es ihn fast schon. „Was ist?“, fuhr er ihn deswegen unbeabsichtigt harsch an, woraufhin die stoische Fassade des anderen vollkommen in sich zusammenklappte. Ai brach ungehemmt vor seinen Augen in Tränen aus und Ranmaru befürchtete schon jetzt, dass es da einige Dinge gab, die er vielleicht doch gar nicht wissen wollte. Kapitel 4: Help --------------- Abwartend schaute Ranmaru immer noch zu Ai, der beide Hände über seinen eigenen Mund presste. Er schien den heftigen Tränenausbruch mit voller Mühe unter Kontrolle bringen zu wollen, aber es war schier unmöglich. Auch wenn er stumm weinte, dieser Anblick war fremd und es war offensichtlich, dass man so schnell keine Antwort von ihm erwarten konnte. Seufzend kratzte sich Ran deshalb am Hinterkopf. Es war weder seine Absicht gewesen seinen Gegenüber anzufahren, noch hatte er so eine Reaktion gewollt. Diese Art hatte ihn lediglich ungeduldig gemacht und er hätte nicht so grob reagieren dürfen. "Hey. Hey.", versuchte er ihn daher zu beruhigen, indem er sich dazu durchrang ihm vorsichtig eine Hand auf den Kopf zu legen, woraufhin Ai zusammenzuckte. Dessen ganzer Körper bebte förmlich unter seiner Hand. Er zitterte, während heiße Sturzbäche über seinen Wangen flossen, sodass es Ranmaru nun wirklich Leid tat und obwohl er sich nicht sicher war, so zwang er es sich dennoch hervor. "Was ist denn los?" Einen Moment lang geschah nichts, weshalb er schon wieder spürte, wie das angespannte Gefühl überzukochen drohte. Doch dann schluchzte Ai auf einmal auf, ehe er eine seiner Hände nach ihm ausstreckte, um sich damit an seinem Oberteil festzukrallen. Von dem sonst so unterkühlten Verhalten des anderen war nichts mehr übrig. Es glich eher der puren Verzweiflung. "D-du..." Ais Stimme klang brüchig und dünn, während er hastig nach Atemluft schnappte. Seine andere Hand klammerte sich derweil ebenfalls in seinem T-Shirt fest, doch da er danach nicht weitersprach, verstand es Ranmaru vollkommen falsch. Natürlich bezog er es auf sich selbst. "Ich?", wiederholte er, wobei er sich verspannte und seine Hand wieder zurückzog, "Was ist? Warum bist du hier?" Vielleicht mochte es unverkennbar sein, was geschehen sein musste, allerdings wollte er es, wenn überhaupt, erklärt bekommen. Wenn Ai schon weinend vor ihm stand, sollte er ihm auch den Grund dafür nennen. "Du bist der Einzige, der davon weiß." Kaum waren diese Worte ausgesprochen, lehnte sich sein Gegenüber ein Stück weit nach vorne, wodurch er die Distanz überwand, die zwischen ihnen herrschte, um sich schließlich schwer atmend anzulehnen. Auch diese Geste war verwundernd. Auf einmal schien Ai so schrecklich verwundbar. Es war ein ganz anderer Eindruck als der, den er damals das erste Mal im Hotel gemacht hatte. "Du bist der Einzige, der..." Kopfschüttelnd drückte er die Stirn gegen seine Brust, während er mit irgendetwas kämpfen musste und erst, als Ranmaru die Hände auf die Schultern des Kleineren legte, kam es über dessen Lippen. "Hilf mir. Bitte.", hauchte dieser kaum hörbar, aber es war deutlich genug, dass Ran in seiner Bewegung inne hielt und kurz nach unten auf den türkisen Haarschopf blickte. Das war sicherlich das Letzte, was er hören wollte. Eigentlich wollte er Ai von sich schieben, doch stattdessen blieben seine Hände dort auf den zierlichen Schultern liegen. "Dich zwingt also jemand dazu?", schlussfolgerte er rücksichtslos. Immerhin blieb gar nichts anderes übrig. Obwohl er keine Reaktion erhielt, sprach er schließlich einfach weiter. "Indigo ist mehr als nur dein kleiner Nebenjob? Wieso?" Das alles ergab keinen Sinn. Mit ihrer gemeinsamen Musik verdienten sie gut. Zumindest gut genug, dass selbst Ranmaru nicht nur die Schulden seiner Eltern bewältigen, sondern auch noch einigermaßen davon leben konnte. Natürlich blieb dabei einiges auf der Strecke, aber im Grunde konnte er sich nicht beschweren. Im Vergleich zu den anderen hatte er außerdem immer gedacht der Einzige zu sein, der in finanziellen Problemen steckte und von Ai hatte er sowas nicht erwartet. Andererseits hätte er von Anfang misstrauisch werden müssen. Es passte ebenso wenig zusammen, dass jemand wie Ai seinen Körper aus purem Verlangen nach Spaß verkaufte und, wenn er nun darüber nachdachte, war es sogar lächerlich, so gedacht zu haben. Nicht jeder war so wie er selbst. "Das... ist kompliziert." Die Antwort klang immer noch schrecklich leise. Zumal es nicht so schien, als würde sein kleiner Gast tatsächlich über dieses Thema reden wollen. Stattdessen ging es um ein ganz anderes Problem. "Aber... das ist erst einmal egal... du siehst doch, wie ich aussehe. Wir haben nächste Woche einen Termin. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll." Ais angeschwollene Gesichtshälfte war unübersehbar. Auch wenn er sich mittlerweile das Blut aus dem Gesicht gewaschen hatte, seine Verletzungen waren offensichtlich und würden sich nicht überschminken lassen. Daran hatte Ran bisher noch gar nicht gedacht. "Du bist wegen diesem einen Interview zu mir gekommen?", brummte er ihm entgegen, wobei er seine Hände auf einmal doch wieder zurückzog. Die Situation passte ihm nicht. Es war genau das eingetreten, was er im Hotel befürchtet hatte, bloß war ihm erst jetzt aufgefallen, in welcher Situation er und der Rest ihrer Band waren. "Von wegen du passt auf!", stieß er zudem etwas abfällig hervor, woraufhin Ai sichtlich zusammenzuckte. Dessen Tränen waren zwar langsam versiegt, aber er reagierte immer noch viel sensibler. "In erster Linie, ja.", wisperte er, während er nach und nach zu dem kühlen Unterton in seiner Stimme zurückfand, "Hilfst du... mir nun oder...?" "Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, oder?", fiel Ranmaru ihm sofort ins Wort, wobei er seine Hände zähneknirschend in die Seiten stemmte. Ihre Musik war nicht nur für ihn das Wichtigste. Sie alle zehrten davon und spätestens jetzt würde er selbst sein eigenes Verhalten noch einmal überdenken müssen. Die negative Presse, die auf sie warten würde, sollte Ais Geheimnis oder auch seine eigenen Vorlieben an die Öffentlichkeit geraten, das wollte er sich gar nicht erst vorstellen. Dazu kam, ihm aber auch noch ein ganz anderer äußerst attraktiver Gedanke. Mit einem Grinsen beobachtete er den erleichterten Gesichtsausdruck seines Gegenübers. "Als Gegenleistung kannst du dann ja mal öfter mit mir ins Bett, hm?", schlug er ungehemmt vor, woraufhin er leicht schockiert angeschaut wurde. Zuerst glaubte Ran, es würden wieder Tränen fließen, aber es kam ganz anders. "Du bist so ein Arsch." Für einen kurzen Moment stutzte Ranmaru. Er war sich nicht sicher, ob er sich nur verguckt hatte, aber zu dem bedrückten Blick mischte sich ein seltsames Lächeln auf Ais Lippen, der letztlich seinen Kopf zur Seite wegdrehte, langsam durchatmete und anschließend wieder reserviert zu ihm zurückschaute. "Na, so schlimm bin ich doch gar nicht!", raunte er ihm entgegen, während er seine Finger zurück in Ais weiches Haar vergrub. Er mochte das Bandküken, auch wenn er es offen niemals zugeben würde und wenn ihre gemeinsame Musik auf dem Spiel stand, dann würde er sich eben zurückhalten, inem er keine dummen Ideen mehr auslebte. "Immerhin helfe ich dir. Für Quartet Night." "Ja, für Quartet Night. Etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet." Obwohl Ai seine letzten Worte nur leise vor sich hinflüsterte und sich Ranmaru bereits zurück zur Spüle gedreht hatte, so konnte er sie verstehen. Es war ihm aber nur Recht. "Sobald der Regen nachlässt, fahr ich dich ins nächste Krankenhaus.", erklärte er und räumte dabei den letzten Rest des Geschirrs zurück in einen Wandschrank. "Muss das sein? Was soll ich den Ärzten sagen? Außerdem ist das keine gute Idee. Wenn uns jemand erkennen sollte, dann macht das die Sache nicht besser. Ich habe nur diese Schuluniform dabei." Als Ai widersprach, blickte Ran hastig zurück. Er konnte nicht beschreiben, wie sehr ihm das missfiel, aber leider musste er sich eingestehen, dass es Sinn ergab. "Ich habe keine starken Schmerzen mehr. Ich glaube, es ist nichts gebrochen, vielleicht gebe ich Shining Bescheid, dass ich krank bin und du könntest mir dann die Sachen vorbeibringen, die ihr in den nächsten Tagen erarbeitet? Aber..." Anstatt weiter zu sprechen hob Ai seine Hände und hielt sich am eigenen Shirt fest, ehe er sich stockend fortsetzte. "...darf ich vielleicht bei dir bleiben?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)