Schicksalsfäden von Nakuj (Jeder verdient eine zweite Chance (Uchiha-center)) ================================================================================ Kapitel 23: Vollmond -------------------- Sie glitzern im Mondlicht, wie Perlen, die hinabfielen, sich von einer Kette gelöst hatten; Die zerschnitten wurde, zerrissen, nicht mehr war, als ein bloßer Faden. Ihre Tränen wirkten wie ein Schatz, Diamanten, so unsagbar kostbar. Sie wurden aufgesaugt von dem Pulli, den sie trug. Sie wirkte regelrecht leblos, abgesehen davon, dass sie weinte. Regungslos saß sie da, am Boden, am Grunde der ernüchternden Tatsachen. Die Eiche reckte sich hinter ihr zum Himmel empor, schien ihn berühren zu wollen, mit ihren Ästen nach den Sternen zu greifen, die sie ja doch nie würde fangen können. Sie war ein Träumer, nicht mehr und nicht weniger. Aber was, wenn sie sich dessen bewusst würde? Was, wenn sich alles ausbreiten würde, die ganze Wahrheit enthüllen, ins nicht existente Gesicht geworfen. Würde sie weitermachen? Yuna fühlte eine große Leere in sich. Wie ein klaffendes Loch erschien ihr Herz. Der Boden bröckelte, alles Schöne verschwand. Und sie, sie fiel. In unendliche Tiefen stürzte sie hinab, schreiend, kreischend, in ihrem Kopf. Äußerlich war sie einfach nur still. Sie selbst war zum Zentrum des Universums geworden, zu dem Fixpunkt, den die Sterne umrundeten; Eine schwarze Sonne, die alles in Dunkelheit hüllt und alles Leben sterben lässt. Sie war der Untergang, der Tod persönlich, brachte Unglück und Leid über die Menschen. Sie war allein, auf ewig verdammt. Ihre Mutter – tot. Ihr Nii-chan – tot. Die anderen Uchiha – tot. Einzig und allein ihr Nii-san blieb ihr noch, allerdings war auch er bereits einmal gestorben. Sie presste es fest an sich, das Papier, das ihr Nii-chan ihr hinterlassen hatte. Er hatte es unter ihre Decke gesteckt, hatte gewusst, dass sie es finden würde. Vielleicht war er ja gar nicht so dumm, wie sie immer geglaubt hatte. Was, wenn sie es war, die die Wahrheit nicht gesehen hatte, wegen ihrer Dummheit, wegen ihres Unwissens. Die ganze Zeit über war sie der Vollidiot gewesen. Der Brief in ihren Händen war bereits ganz zerknittert, aber das war nicht wichtig. Die Worte waren es, die wichtig waren, nicht das Schriftstück selbst. Deshalb merkte sie sich, was da geschrieben stand. Sie lernte es auswendig, damit sie keinen einzigen Buchstaben jemals wieder vergessen würde. Schon beim ersten Mal Lesen hatten sie sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sie lernte sie trotzdem. Vergib mir. Die Schrift war nicht sonderlich gut leserlich, krakelig, ein wenig verwackelt vielleicht. Diese beiden Worte, egal wie unschön sie auch aussahen, hatten einen Schauer des Entsetzens durch ihren Körper gejagt. Er sprach, schrieb, von Vergebung, von Reue. Den Rest des Textes hatte sie mehr überflogen als wirklich gelesen. Er schrieb davon, wie er sie gerettet hatte, vor ihrem Nii-san, dem tollen Obito, dem, den sie immer so sehr geliebt hatte. Er tat es in einer bedrückenden Art und Weise, keineswegs sarkastisch, sondern in vollem Ernst. Nie hatte Yuna sich Gedanken darüber gemacht. Wie hatte er es geschafft, sie unversehrt aus Konoha raus zu schaffen? Wie war es ihm gelungen, diese Nacht lebend zu überstehen? Obito hatte sie nicht einfach so gehen lassen, natürlich nicht. Eigentlich hätte ihr das klar sein müssen, aber allein es zu denken, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Er hatte sie tatsächlich töten wollen. Alles lag klar vor ihr, Schwarz auf Weiß. Alles schilderte er ihr, ihr Nii-chan, ließ nichts davon aus. Aber es kümmerte sie nicht. Das, was sie kümmerte, waren diese ersten beiden Worte, mit denen er diesen Brief, diesen Abschiedsbrief begonnen hatte. Sie war diejenige, die ihn um Vergebung bitten sollte. Er hatte nichts falsch gemacht. Aber sie... Wie dumm kann ein einzelner Mensch überhaupt sein? Fasziniert verfolgten seine Augen den Flug der Vögel über ihm. So hoch oben glitten sie durch die Lüfte, fern von Ängsten und Sorgen. Etwas, das ihn mit Neid erfüllte. Gerne wäre er ihnen gefolgt, unwissend, wohin es ihn verschlagen würde, ohne Ahnung, was der nächste Tag ihm bringen würde. Sasuke genoss diesen Moment. Saft umgab ihn das Rauschen der Blätter, das leise Rascheln der Tiere im Unterholz. Der Stein, auf dem er saß, war warm von der Sonne, gesprenkelte Schatten zeichneten verworrene Muster auf seiner Oberfläche. Er stützte sich ab mit den Händen, streckte den Rücken durch und erlaubte es sich, dieses eine Mal, allen Gram von sich zu schieben, weit weg, in die hintersten Ecken seines Selbst, und einfach nur zu entspannen. Mit geschlossenen Augen atmete er durch, roch das Laub, die Kühle der Herbstluft. Immer wieder erschienen Bilder in seinen Gedanken, unbewusst, einzelne Szenen von den letzten Stunden und Tagen, wechselten sich ab mit Dingen, die schon viel länger zurücklagen. Nicht alle waren schon – die wenigsten, um ehrlich zu sein – aber das kam nicht sonderlich überraschend. Sein Leben war geprägt von Leid, Trauer und dieser immerwährenden Wut, die ihn in die Seite piekte, erinnerte an das, was er eigentlich hatte vergessen wollen. Er akzeptierte es, denn ändert konnte er diesen Umstand ohnehin nicht. Als Yuna ihre Geschichte erzählt hatte, im Beisein seiner Eltern, seines Bruders und natürlich seiner Wenigkeit, gerade seiner Wenigkeit, da war alles auf einmal über ihm eingestürzt. Das Gebäude, das aus seinen Erinnerungen aufgebaut war und sich seit Jahren schon über ihm auftürmte – es hatte Risse bekommen, hatte zu schwanken angefangen und war dann, schlussendlich, in sich zusammengefallen. Die Trümmer hatten ihn unter sich begraben, ihm die Luft zum Atmen geraubt. Alles auf einmal hatte seiner Aufmerksamkeit bedurft, seiner Wut, seiner Mordlust. Es war einfach zu viel gewesen. Jetzt, wo er seiner Vergangenheit kurzfristig entkommen war, da spürte er nichts. Er hatte keine Emotionen mehr übrig, keine schlechten zumindest. Er hatte sie aufgebraucht, zu sehr beansprucht, weswegen sie ihn momentan in Ruhe ließen. Auch sie schienen hie und da eine Pause zu brauchen. „Tse!“, machte er. Er fühlte sich gut, eigentlich. Dass dieser Zustand nicht lange andauern würde, verfliegen, wie die Vögel, die längst aus seinem Blickfeld verschwunden waren, das wusste er. Dennoch fand er es sinnvoller, diesen Moment zu genießen, diesen Augenblick der geistigen Klarheit, als ihn mit sinnlosen Grübeleien zu vergeuden. Die Sonne war gerade dabei unterzugehen. Ihre letzten Strahlen schienen zwischen den Bäumen hindurch, blendeten ihn leicht, jetzt, wo seine Lider wieder geöffnet waren. Er hielt die Hand vor und besah ein weiteres Mal den mittlerweile rot gefärbten Himmel. Er wartete solange, bis es dunkel geworden war, ehe er sie wieder sinken ließ. Die ersten Sterne schimmerten am Firmament, der Mond erstrahlte in ganzer Pracht. Vollmond. Wie so oft in jenen Nächten erinnerte er sich zurück, an seinen Bruder, wie er dastand, weinend, an seine Eltern, die leblos am Boden lagen, und auch an sich selbst, wie er damals im Regen stand, den Kopf nach oben gereckt, das Schicksal anrufend und nach dem Sinn fragend. Diesmal fühlte er keine Wut, nur unendliche Trauer und auch diesen Funken Hoffnung, wenn er an das dachte, was auf ihn wartete. Seine Familie würde warten auf ihn und vielleicht würde er endlich in der Lage sein, zu glauben. Vielleicht würde er die Wahrheit in ihren Augen sehen, sie spüren, wenn er es endlich wagte, sie zu berühren, ohne, dass sie sich in Luft auflösten. Vielleicht war das Leben gar nicht so schlecht, wie er immer gedacht hatte. Und vielleicht, nur vielleicht, würde er endlich mit der Vergangenheit abschließen können. Er wünschte sich, dass es so war. Ein letztes Mal sah er hinauf, ehe er sich von dem Felsen abstieß und im Schatten der Bäume verschwand. Was er nicht wusste: Er war nicht der einzige, der sich dort im Schutze der Dunkelheit verbarg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)