Schicksalsfäden von Nakuj (Jeder verdient eine zweite Chance (Uchiha-center)) ================================================================================ Kapitel 16: Zeit ---------------- Sie hätte jeden, absolut jeden, in diese Situation mit hineinziehen können, in dieses Fragezeichen in seinem Kopf, jeden anderen, und er hätte es hingenommen. Er hätte es akzeptiert, sich dieser Herausforderung gestellt. Natürlich hätte es Itachi auch dann nicht gefallen, entführt zu werden, gemeinsam mit seinen Eltern, doch bestimmt gab es Gründe, die das Tun dieser Frau rechtfertigen mussten. Ansonsten hätte sie sich die Mühe, sie hier zu versammeln, gar nicht erst zu machen brauchen. Sie hatte ihn während einer Mission aufgespürt, was bei weitem kein leichtes Unterfangen gewesen sein konnte, erst recht nicht, da niemand außer dem Hokage, seinen Eltern und ihm selbst wusste, wo genau er gewesen war. Aber Sasuke hatte ihr nichts getan. Er konnte ihr gar nichts getan haben! Er war doch noch ein Kind! Was fiel ihr eigentlich ein, seinen Bruder in diese Angelegenheit mit hineinzuziehen?! Itachi musste die Zähne zusammenbeißen, um die Frau vor ihm nicht anzuschreien. Er stierte sie an und hoffte, dass sie die Wut, die er für sie empfand, spüren konnte. Seine Eltern waren dicht hinter ihm. Mikoto wirkte fassungslos. Wahrscheinlich hatte sie wie er darauf gehofft, Sasuke wäre in Sicherheit und hätte nichts zu befürchten. So naiv diese Vorstellung auch gewesen sein mag, etwas anderes hatten sie beide gar nicht in Erwägung ziehen wollen. Doch gab es da diesen Teil in Itachi, der realistisch genug geblieben war, um es besser zu wissen. Es gab keinen Grund, dieser Frau zu vertrauen und ihr, bei was auch immer, zu helfen. Keinen Grund außer Sasuke oder wohl vielmehr seinem Leben. Er war das perfekte Druckmittel, ihrer aller Schwäche. Sie liebten ihn und das nutze man nun aus. Eine dreckige und billige Taktik, aber gerade deshalb so wirkungsvoll. Er wusste genau, dass man Sasuke lebend brauchte, weswegen er zumindest ein wenig beruhigt war. Vielleicht würde er einige kleinere Verletzungen haben, schlimmstenfalls Knochenbrüche, aber alles, was darüber hinausging, wäre mehr als nur kontraproduktiv für das, was hier noch passieren würde. Was auch immer das sein sollte. Nun hieß es wachsam sein. Damit konnten sie ihm am besten helfen. Halte durch, Sasuke. Itachi beäugte ihre Umgebung schon seitdem sie die Dunkelheit ihrer Zelle verlassen hatten und versuchte, das Wandgestein zuzuordnen. Allein die Farbe reichte oftmals schon aus, um sich ein ungefähres Bild über die Beschaffenheit des Bodens zu machen und somit auch über die Vegetation, die im Umkreis heimisch war. Leider kannte er sich darin aber nur bedingt aus und außerdem war es in diesem Fall nicht eindeutig erkenntlich, sodass er nicht wagte, sich vorschnell auf etwas zu versteifen. Somit konnte er bedauerlicherweise auch nicht rückschließen, in welchem Land sie sich derzeit aufhielten. Itachi wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen waren. Vielleicht befanden sie sogar schon am anderen Ende der fünf großen Ninjareiche. „Wo sind wir hier?“, fragte er in die Stille hinein. Sie benötigten möglichst viele Informationen, sowohl über ihren Aufenthaltsort als auch über ihre Entführer. Es war sehr unwahrscheinlich, dass man ihnen auch nur Kleinigkeiten verraten würde, aber mit jedem Satz, den sie jetzt miteinander sprachen, stieg ihre Möglichkeit auf eine erfolgreiche Flucht. Entgegen seiner Erwartungen fiel die Antwort jedoch sehr präzise aus. „In einem Unterschlupf Orochimarus.“ Sie drehte sich nicht um, ging einfach weiter, als sie diese Bombe platzen ließ. Itachi schaffte es gerade noch, die Überraschung aus seinen Zügen zu verbannen. Hatte er das eben richtig verstanden? Ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. „Dieser Teil wurde bereits vor vielen Jahren aufgegeben. Ich habe ihn durch Zufall entdeckt“, fuhr die Frau fort. Sie schien keinerlei Bedenken dabei zu haben, ihnen das anzuvertrauen. Verständlich, immerhin waren diese Verstecke so ziemlich überall und das war Itachi in diesem Moment nur zu gut bewusst. Diese Information half ihnen nur bedingt weiter und verkomplizierte die Situation sogar noch. Es mussten zahlreiche Fallen versteckt sein, die sie bei einer Flucht behindern würden. War das eine Warnung? Ahnte sie, womit er mit seiner Frage hinaus gewollt hatte? Die Frau führte sie noch eine ganze Weile lang durch diese höhlenartigen Gänge. Alle paar Meter waren Fackeln an den Wänden angebracht und erhellten ihren Weg. Wasser tropfte, Schatten und Licht wechselten tanzend ihre Plätze und das Geräusch ihrer Schritte brach sich an dem Stein, hallte an ihre Ohren und verdrängte die Lautlosigkeit aus ihren Köpfen. Jeder war für sich in Gedanken versunken. Manche mochten ihre Sorgen teilen, doch hatten sie auch Ängste, die nur für sie selbst bestimmt waren. Irgendwie war wohl jedem von ihnen klar, dass bald schon nichts mehr so sein würde, wie es einst gewesen war. Woher diese Erkenntnis kam, wusste keiner von ihnen. Vielleicht war es die Situation, die es ihnen glauben machen wollte, vielleicht war es etwas, das nicht auf Tatsachen beruhte und sich einzig und allein auf Ahnungen stützte, auf Visionen, die jedem Mensch von Zeit zu Zeit im Traum begegnen. Aber letztendlich ist das auch gar nicht wichtig. Irgendwann kamen sie an ihr Ziel. Es war kein Ziel im eigentlichen Sinne, keine Linie, die es zu übertreten galt, auch kein Kreuz, das die richtige Stelle markierte. Der Ort war nicht anders als andere auch, hatte nichts Besonderes an sich und doch sollte er allen Beteiligten auf ewig in Erinnerung bleiben – im Guten wie im Schlechten. Ein Bushin löste sich auf, Rauch waberte für einen Augenblick über dem Geschehen und verdeckte, was niemand so recht glauben wollte. Sie hatten einander bereits aus der Entfernung gesehen und doch konnte das nicht die Wirkung des Moments schmälern oder gar zunichtemachen. Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall. Mit jedem Meter, den der Weg länger zu werden schien, mit jedem Schritt, jedem Atemzug wurde ihnen eine Tatsache mehr und mehr bewusst. Was genau hier vor sich ging, konnte niemand in Worte fassen, doch tief in ihren Herzen, da spürten sie, dass es Wahrheit war, dass kein Genjutsu, kein Traum hinter alledem steckte. Ganz tief drinnen, da wussten sie, dass der junge Mann, der ihnen mittlerweile gegenüberstand, Sasuke war und Sasuke wusste, dass er diesmal nicht belogen worden war – so unfassbar das auch schien. Sie sahen sich an, die Augen weit aufgerissen, die Münder geöffnet. Die Vertrautheit zwischen ihnen hatte sich nicht verflüchtigt, über all die Jahre nicht. Sie war immer noch da. Sie hatten Probleme gehabt, Neid war zwischen ihnen gestanden, Geheimnisse, die es nun galt, voreinander offenzulegen. Sie würden erst wieder lernen müssen, was es heißt, eine Familie zu sein. Zeit ist ein seltsames Konstrukt. Sie macht keine Kompromisse, ist herzlos und kalt. Sie kennt kein Erbarmen. Der Sekundenzeiger kriecht, fliegt voran, die Sandkörner rieseln durch das Stundenglas, unaufhaltsam, stetig und sie werden diese Tätigkeit auch bis in alle Ewigkeit weiter fortführen. Der Mensch weiß das. Er hat es schon immer gewusst. Und doch standen sich in diesem Moment Vergangenheit und Gegenwart gegenüber, veränderten die Zukunft, ließen sie zerbersten mit aller Härte, die sie aufbringen konnten – einzig und allein dadurch, dass sie einander trafen – und ließen eine neue, vielleicht sogar bessere, entstehen. Entgegen aller Normen und Gesetze schien es, als hätte die Zeit eine Ausnahme gemacht, hätte Mitleid empfunden und zum ersten Mal in ihrem langen, ewigen Leben Milde walten lassen. Eine einzelne Träne löste sich, ein großer Schritt wurde nach vorne gemacht. Das Wasser tropfte, die Menschen atmeten. Ansonsten war es still. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)