The Human Weakness von _Micawber_ ================================================================================ Kapitel 1: the worst mistakes... -------------------------------- POV Hizumi ~~~ Ich rannte. Rannte hinaus in die kalte Nacht. Meine Augen weit nach dir geöffnet, aber ich konnte dich nirgendwo finden. Panisch rief ich deinen Namen in den Regen, der auf meine nackte Haut prasselte. Die Tränen auf meinen Wangen vermischten sich mit dem kalten Nass und vielen zu Boden. Was hatte ich dir nur angetan! Wie konnte ich dem schönsten Menschen den diese Welt besaß nur so weh tun! Einem Menschen, der ein so großes Herz und eine so reine Seele besaß wie du! Du warst der letzte, dem ich diesen Schmerz jemals gewünscht hätte. Und jetzt hatte ich ihn dir zugefügt. Ich! Ich rannte weiter die dunkle Straße entlang, ständig deinen Namen rufend. Wo warst du nur hin gegangen? Ich wurde langsamer. Es zeriss mich innerlich, dein verletztes Gesicht, als du uns sahst. All das Vertrauen, dass du in mich hattest. Die Liebe, die du mir gabst. Und ich hatte das alles kaputt gemacht! Gäbe es etwas, das ich mir jetzt wünschen durfte, dann war es sicher, dass du mich langsam und elendig sterben liest. Dass du mir all den Schmerz zufügst, den ich dir in nur dieser einen Nacht zufügte. Ich sah mich noch ein einziges Mal nach dir um. Der Regen war stärker geworden, ganz so, als würde der Himmel weinen, da ich einen seiner Engel verletzt hatte. Ein letztes Mal rief ich deinen Namen. Aber bis auf das Rauschen des strömenden Regens blieb alles ruhig. Ich gab auf, hoffe nur, dass dir nichts passiert war, obwohl ich mich nicht mehr berechtigt fühlte, mir Sorgen um dich machen zu können. Als ich mich zum Gehen umdrehte, sah ich dich allerdings auf einer Bank sitzen. Ich lief zu dir, froh darüber, dass dir nichts passiert war und sprach dich vorsichtig an. „Karyu..." Kapitel 2: painful feelings... ------------------------------ POV Karyu~ Vertrauen. Was war das Wort Vertrauen für jemanden wie Hizumi? Ich konnte nicht fassen, dass ich mich so sehr in ihm getäuscht hatte. Was hatte ich ihm nur angetan, dass er sich so an mir rächen musste? War ich ihm nicht mehr gut genug, dass er sich mit anderen vergnügte, wenn ich nicht da war? Oder wollte er mir einfach nur zeigen, dass unsere Beziehung für ihn keinen Sinn mehr hatte? Doch warum auf diese Weise? Es gab hunderte anderer Wege, einem Menschen zu sagen, dass sein Herz nun jemand anderem gehörte. Aber er hatte ausgerechnet diesen gewählt. Durchnässt setzte ich mich auf eine Bank, die durch einen Baum etwas vor dem starken Regen geschützt war. Vielleicht war dieser ein Zeichen, dass es nun wirklich vorbei war mit Hizumi. Der Person, die ich in den letzten Jahren so sehr in mein Herz geschlossen und geliebt hatte. Ja, er war der erste, den ich jemals so liebte. Und ich war dabei, mich auf ein gemeinsames Leben mit ihm einzustellen. Doch jetzt platzten meine Vorstellungen und Träume wie Seifenblasen. Ich hob kurz unmerklich den Kopf, war der Meinung, jemanden meinen Namen rufen zu hören. Aber wahrscheinlich war es bloß Einbildung oder die Hoffnung, dass es jemand tat. Dass ich für jemanden tatsächlich so wichtig war, dass er bei so einem Wetter raus ging, um mich zu suchen. Ich senkte den Kopf wieder, meine nassen Haare fielen mir ins Gesicht, aber ich hatte nicht den Drang nach Hause zu gehen. Wo sollte ich auch hin? Mein Zuhause war bei Hizumi gewesen. Am liebsten würde ich einfach einschlafen und nie wieder aufwachen. Zu sehr tat der Gedanke daran weh, bereits ersetzt worden zu sein. Völlig gleich von wem. „Karyu..." Ich erstarrte. Wie ein Stich ins Herz war es, tatsächlich Hizumi's Stimme hinter mir zu hören. Er war mir gefolgt. Aber warum? Konnte es ihm nicht egal sein, wohin ich gegangen war? Schließlich hatte er sein Herz an jemand anderen verschenkt und mir meins zertreten vor die Füße geworfen. Ich stand auf, wollte einfach weg von ihm. Ihn nicht sehen und nichts von ihm hören, doch seine leise Stimme hielt mich davon ab, einfach zu gehen. Zu sehr verlangte ich nach einer Antwort auf die Frage, warum. „Karyu, bitte geh nicht! Hör mir zu, ich bitte dich!" Ohne ein Wort zu verlieren setzte ich mich wieder. Er tat es mir gleich, hielt jedoch Abstand zu mir. Seine Distanzierung verletzte mich noch mehr; ich fühlte mich einfach nur schlecht und schuldig für alles, was passiert war. „Ich... ich möchte dir nichts vorreden, was nicht stimmt. Und wenn ich sagen würde, dass es nicht so war wie es aussah, dann wäre das eine Lüge. Aber du musst mir glauben, egal was passiert ist, ich liebe dich! Ich weiß was du jetzt denkst und du musst auch gar nichts sagen. Ich will einfach nur, dass du weißt, dass ich meine Zukunft mit dir verbringen will! Dass ich mit ihm geschlafen habe, das war ein riesen Fehler und wenn ich ehrlich bin, weiß ich selbst nicht genau, warum ich das getan habe. Karyu ich... ich liebe dich. Und ich wollte nur, dass du das weißt." Enttäuscht lehnte ich mich zurück. Das war also seine Erklärung dafür, dass er mir fremd gegangen war? Ich sah auf in den Himmel, es hatte aufgehört zu regnen. Aus irgendeinem Grund interessierte es mich plötzlich, mit wem er mich betrogen hatte. Es würde die Situation nicht einfacher machen, das wusste ich wohl, aber schlimmer konnte es auch nicht mehr werden. „Wer war es?", fragte ich heiser. Es schien, als überraschte ihn diese Frage, da er regelrecht zusammenfuhr. „Karyu... das tut doch nicht zur Sache. Lass uns doch bitte einfach nach Hause gehen und dann sehen wir weiter, ok?" „Tz...", entfuhr es mir hämisch, währen ich aufstand und zu ihm herunter sah, „so einfach stellst du dir das also vor? Warum sagst du es mir denn nicht, hm? War es jemand, den ich auch kenne? Sag schon, kenne ich ihn?" „Karyu, bitte..." „Nein Hizumi! Du hast deine Chance gehabt. Und weißt du was? Mir ist es egal, wer es war. Ich wünsche euch viel Glück zusammen! Ich übernachte bei Tsukasa und morgen komme ich meine Sachen holen. Schönen Abend noch!" Ich ging, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen. Es fraß mich innerlich auf, ihn dort einfach so sitzen zu lassen, aber was tat der Gedanke mit ihm, mich einfach so betrogen zu haben und das alles dann vergessen zu wollen? Einige Straßen weiter lehnte ich mich erschöpft an eine Laterne und wählte mit zitternden Fingern Tsukasa's Nummer an. „Natürlich kannst du hier schlafen! Komm erstmal her und dann erzählst du uns alles." +++ Vor Tsukasa's Wohnung angekommen, machte sich ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen breit. War es eine gute Idee, Tsukasa und Zero von Hizumi's Seitensprung zu erzählen? Immerhin waren die beiden ein glückliches Paar und ganz nebenbei spielten wir noch in derselben Band, von der ich nicht mal wusste, ob ich noch länger dabei sein würde. Unser Schlagzeuger empfing mich freundlich und bat mir gleich einen Tee an, als ich mich auf seine Couch setzte. „Danke, gern." Ich erzählte den beiden, die mich mit besorgen Blicken musterten, schweren Herzens was passiert war und fühlte mich danach noch schlechter. Schließlich schlug mein Herz noch immer für Hizumi, auch, wenn ich im Moment verletzt war und er mein Vertrauen sehr missbraucht hatte, waren noch Gefühle für ihn da. „Was willst du denn jetzt machen? Ich mein, wir sehen uns jeden Tag bei der Arbeit und für immer kannst du ja auch nicht hier bleiben." Ich sah Zero ratlos an. Die Situation überforderte mich selbst. Hizumi hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen und ich fühlte mich, als müsse ich das Laufen neu lernen. In meinem Kopf herrschte ein einziges Durcheinander und vor lauter Verzweifelung begann ich zu weinen. Ich wollte ihnen nicht zeigen, dass ich jetzt im Moment schwach war, aber ich hatte keine andere Wahl. Kapitel 3: the inner death... ----------------------------- POV Karyu Nach einer schlaflosen Nacht kam ich mir am nächsten Morgen vor, als hätte mir ein Elefant vor den Kopf getreten. Dazu kamen Rückenschmerzen, da Tsukasa's und Zero's Couch nicht gerade bequem war. Ich setzte mich auf und sah auf die Uhr. Halb sechs. Ein kurzer Blick in das Schlafzimmer der beiden, das genau gegenüber lag, verriet mir, dass sie noch schliefen. Mir zuliebe hatten sie die Tür über Nacht offen gelassen. Gedankenverloren sah ich sie an, wie sie dort lagen. Zero vorn und Tsukasa's Arm schützend um ihn gelegt. Ich beneidete die beiden. Ihre Liebe zerstörte so schnell nichts. Ich fühlte mich einsam in diesem Moment, wollte über irgendetwas reden. Instinktiv griff ich nach meinem Handy, öffnete den Messenger und wählte Hizumi's Namen aus. Er hatte mich verletzt. Und auch, wenn ich mit ungutem Gefühl und unendlicher Traurigkeit und Enttäuschung an ihn dachte, so dachte ich auch darüber nach, was er wohl gerade tat. Hatte er auch nicht schlafen können oder lag er seelenruhig in seinem Bett und hatte bereits wieder alles vergessen? Schon jetzt war ich den Kampf zwischen meinem Kopf und meinem Herzen leid. Er hatte mich betrogen, ja. Und ich sollte ihm nicht verzeihen. Ich sollte ihn abweisen und einfach ein neues Leben beginnen. Aber da waren noch Gefühle. Auch, wenn ich wusste, dass er mit jemand anderem im Bett gewesen war. +++ Gut drei Stunden später saß ich bereits in Tsukasa's Wagen auf dem Weg zum Studio, nachdem wir beim Frühstück noch einmal über alles geredet hatten. Ich war nervös. Was würde wohl passieren? Würde Hizumi überhaupt kommen? Und wie stand es um die Zukunft der Band? War ich noch länger in der Lage mit Hizumi in derselben Band zu spielen? Der Gedanke daran überforderte mich wieder einmal aber ich hatte nicht mehr viel Zeit zum Nachdenken, denn wir waren angekommen. Hizumi war bereits da, sein Wagen stand vor der Tür. Ich schluckte laut und hatte das Gefühl, mein Magen würde sich umdrehen. Niemand konnte sich denken, welche Angst ich hatte, ihm wieder unter die Augen zu treten. Welche Worte würden fallen und war ich in der Lage, mit ihm zu diskutieren? „Karyu? ... Ganz ruhig, ok? Du schaffst das. Geh du erstmal vor, wir warten noch eine Weile." Tsukasa streichelte, gespielt lächelnd und aufmunternd meine Schulter, Zero stand bloß daneben und starrte auf den Boden. Damit hatte ich nicht gerechnet, hatte mich bereits in der Sicherheit gewogen, dass die beiden ja bei mir waren. Aber vielleicht war es wirklich besser so. Schwer atmend ging ich die Treppe rauf, mein Herz hämmerte wie verrückt gegen meine Brust. Alles um mich herum verschwamm, mein Fokus lag auf der Tür, die ich im nächsten Moment leise öffnete. Hizumi saß auf der Couch, hatte mich scheinbar nicht gehört. Er hatte das Gesicht in seinen Händen vergraben und saß wie ein Häufchen Elend da. Fast hätte er mir leid getan, wenn da nicht diese Sache gewesen wäre. Ich hustete gespielt, weswegen er leicht zusammenfuhr und mich entsetzt ansah und sofort aufsprang. „Karyu! Ich... ich hatte nicht erwartet, dass du herkommst." Ich schloss die Tür, bedeutete ihm, sich wieder zu setzen. „Ehrlich gesagt habe ich die ganze Nacht über nichts anderes nachgedacht. Du kannst dich bei Tsukasa und Zero bedanken." Aus irgendeinem Grund kam eine ungeheuerliche Wut in mir hoch, aber mit ihr immer die Enttäuschung. Ich wollte ihm alles vorwerfen, was er getan hatte, aber ich wollte die Sache nicht schlimmer machen, als sie es ohnehin schon war. Mich räuspernd, setzte ich mich auf einen Sessel ihm gegenüber und sah ihn erwartungsvoll an. „Karyu bitte... lass uns über alles reden. Ich weiß, ich habe einen riesigen Fehler gemacht, aber... wenn wir mal ehrlich sind... machen wir nicht alle irgendwann diesen einen großen Fehler? Und kommt danach nicht alles wieder so, wie es vorher war?" Ein hämisches Lachen entfuhr mir, obwohl mir eigentlich zum Weinen war. „Das ist also deine Ansicht von allem? Ein bisschen Reue hier, ein wenig um Nachsicht bitten da und alles ist wieder ok? Hizumi, du hast mich verletzt! Du hast mich mit jemand anderem betrogen, was denkst du, was du mir damit angetan hast? Denkst du, dass es bei mir bloß ein Gefühl von Traurigkeit geweckt hat und du dieses Gefühl mit nicht mal ernst gemeinten Worten wieder verbannen kannst? Du hast mir mein Herz gebrochen! Du warst der erste, dem ich jemals so vertraut habe!" Tränen rannen meine Wangen herunter. Tränen, die ich eigentlich versucht hatte zurück zu halten, nur damit er sie nicht sah. Er sollte nicht denken, dass ich schwach und auf ihn angewiesen war. Ich konnte auch ohne ihn leben, aber wenn ich ehrlich zu mir selbst war, viel es mir schwer, mich mit dem Gedanken an ein Leben ohne ihn anzufreunden. „Und das weiß ich auch zu schätzen...!" „Nein! Das weißt du nicht, sonst hättest du nicht mit wem anders gevögelt!" In mir kochte es. Auch wenn die Worte hart waren, so waren sie an der richtigen Stelle gesagt worden. Und sie weckten erneut die Neugier in mir, wer sein Geliebter gewesen war. Ich verwandelte meine Gedanken in Worte, aber er sah mich nur von unten herab an. „Karyu... es ist doch völlig egal wer es war. Ich möchte nicht, dass du dich noch weiter mit diesem Gedanken quälst. Können wir es nicht einfach so stehen lassen?" Was?! Ich glaubte mich verhört zu haben. Hizumi wollte allen Ernstes abtun, was er getan hatte und es bei seiner Erklärung belassen? Sauer und verletzt stand ich auf und verließ den Raum. In diesem Moment wurde mir klar, wovor ich immer die größte Angst gehabt hatte. Ich konnte mit diesem Menschen einfach nicht weiter in einer Band zusammen sein. So sehr ich es auch wollte, der Band zu liebe, es ging einfach nicht. Die Realität schlug mir mit voller Wucht ins Gesicht und ich stand einfach nur weinend da. Meine Beine sackten unter mir zusammen, ich fiel auf die harten Fliesen und fühlte, wie mein Herz langsam noch weiter zerriss. Schmerzlich flüsterte ich mir selbst die Worte zu, die ich nicht mal in meinen Träumen zu sagen wagte: Das war das Ende von D'espairsRay. Unaufhörlich liefen die Tränen meine Wangen herunter und tropften auf den kalten Boden. Mein Ein und Alles, für das ich so lange gekämpft hatte, in dem so viel Arbeit steckte; es ging einfach kaputt. Wie eine Tasse, die herunter fiel und in tausend Teile zersprang. Ich fühlte, wie jemand mich an der Schulter berührte und immer wieder meinen Namen rief. Aufwachen? Wofür? Ich wollte schlafen, für immer und ewig, nicht zurück in die kalte und harte Realität, die dem Boden glich auf dem ich lag. Wenn es etwas gab, dass ich mir jetzt wünschen durfte, dann war es mein Tod. Denn er konnte nicht schlimmer sein, als mein Herz, dass langsam zerriss, während es zusah, wie meine Band auseinander ging. Kapitel 4: slowly healing wounds... ----------------------------------- Langsam fand ich wieder in die Realität zurück. Tsukasa und Zero hatten mich auf die Couch in unserem Aufenthaltsraum gelegt und mir einen kalten Lappen auf die Stirn gelegt. Vorsichtig richtete ich mich auf, wischte mir die Tränen aus den Augen, um besser sehen zu können. Es war niemand da. Allerdings hörte ich gedämpft Stimmen im Nebenraum. „... du hättest dir doch ausmalen können, was das für Auswirkungen hat! Du hättest ihn sehen sollen, er lag da draußen auf der Treppe wie ein Wrack! Dass er die Band verlassen will ist ja wohl mehr als verständlich und noch dazu ist es deine Schuld! Fremdgehen, sowas unmenschliches!" Tsukasa's Worte gingen tief. Ich wusste nicht, wie ich mich jemals mit dem Ende meiner Band auseinandersetzen sollte. Sie war doch alles, was ich noch besessen hatte. Hizumi's Seitensprung würde ich wohl verkraften können, obwohl der Gedanke daran mich sehr verletzte. Aber nichts war schlimmer als die Gewissheit, ein eigenes, jahrelang aufgebautes Projekt auf einen Schlag zu verlieren. „Tsukasa ich wollte es nicht! Es war seine Schuld! Er stand einfach so vor meiner Tür und wollte mit mir auf seine neue Plattenfirma anstoßen. Er dachte ich wäre single und ich war mir in diesem Moment nicht im Klaren, was das für Auswirkungen haben könnte! Ich liebe Karyu und es ist so furchtbar schrecklich für mich ihn so leiden zu sehen!" „Das hättest du dir vorher überlegen sollen. Dann wäre jetzt alles gut." Hizumi's Worte machten mich in diesem Moment so schwach, dass ich ihm am liebsten um den Hals gefallen wäre und ihm verziehen hätte. Aber mein Gewissen ließ das nicht zu. Schließlich hatte er mir gegenüber nicht ein bisschen Reue gezeigt, im Gegenteil, er wollte alles so schnell wie möglich vergessen. Aber das war nicht meine Art. Und schließlich wusste ich auch immer noch nicht, wer mich in dieser Nacht ersetzt hatte. Ich konnte ihm einfach nicht verzeihen. „Ach nichts wäre gut! Sei doch mal ehrlich zu dir selbst, die Band hat in letzter Zeit nur Müll produziert! Und ihr habt Karyu alle eingeredet, es sei gut, was er da geschrieben hat! Und ich musste mit ziehen, damit für ihn der Eindruck entstand, dass seine Band die beste in der Gegend sei! Verdammt noch mal, nein! Das ist sie nicht!" Was... Was sagte er da? War das wirklich sein Ernst? Mir stockte der Atem. Ich war nicht mehr fähig zu atmen. Mein Körper wurde schwer und zog mich zurück auf die Couch. „Das ist nicht wahr! Wag es nicht noch einmal, so über D'espairsRay zu reden!" Es wurde still im Studio. Ich war ein Versager. Nichts weiter als ein schlechter Gitarrist, der für seine eigenen Werke und seine Band gelebt hatte. Mein Kopf hatte Tsukasa's Worte gekonnt überspielt, wiederholte immer nur das Gesagte Hizumi's. Ich schloss langsam die Augen und fühlte, wie sie sich mit Tränen füllten. Jetzt war es mir egal, ob mich jemand weinen sah. Sollten sie doch sehen, dass ich getroffen war und endlich am Boden lag. Das, worauf sie allen Anscheins nach gewartet hatten. „Ich denke es ist für alle das Beste, wenn die Band sich einer Pause unterzieht. Damit wir alle überlegen können, wo wir stehen und wie es weiter geht. In dieser Zeit nehmen wir Karyu auf. Es muss sich ja jemand um ihn kümmern." „Moment, immernoch ist Karyu der Bandleader. Das heißt, er hat zu entscheiden, was passiert!" „So wie du ebend gerade über ihn geredet hast, dürfte es dir ja wohl nichts ausmachen, wenn ich jetzt mal für ihn spreche, oder?" Ich wusste nicht mehr wo mir der Kopf stand. Warum war Hizumi plötzlich so gehässig? Und warum fragte mich niemand, was ich wollte? War ich ihnen tatsächlich so unwichtig, wie ich mich gerade fühlte? Wenig später ging die Tür auf. Der Streit zwischen Tsukasa und Hizumi wurde kurzzeitig lauter, bis die Tür wieder ins Schloss fiel und Zero sich zu mir setzte. Sein bemitleidender Blick ließ mich etwas besser fühlen. „Tut mir leid, dass alles so gekommen ist." Er rückte näher, während ich mich aufsetzte und nahm mich dann in den Arm. „Vielleicht hast du mitbekommen, was Tsukasa gesagt hat. Wir sollten eine Pause machen. Was hältst du davon? Hm?" Er ließ von mir ab und legte seine Hand vorsichtig auf meinen Oberschenkel. Ich wusste nicht, wann das letzte Mal jemand so liebevoll zu mir war. „Ja... ja ich denke... dass es der Band gut tun wird. Ich denke auch, dass wir in dieser Zeit anderen Projekten nachgehen sollten. Vielleicht etwas neues erschaffen... weißt du... damit sich nicht alles zu sehr um D'espairsRay dreht." Ich konnte nicht glauben, dass ich das sagte, aber zum ersten Mal in meinem ganzen Leben hörte ich darauf, was mein Herz für richtig hielt. Und es sagte mir, vorerst an anderen Projekten teilzunehmen, um einfach zu erkennen, welchen Stellenwert D'espairsRay für alle Beteiligten noch hatte. Zwar tat der Gedanke an eine Pause weh, aber zum ersten Mal seit zwei Tagen hatte ich wieder Hoffnung, dass alles vielleicht doch noch gut ausgehen würde. Obwohl die Hoffnung ein minimal kleines Licht am Ende eines scheinbar unendlichen Tunnels war. Lächelnd nahm ich Zero noch einmal in den Arm, bevor ich vor Erschöpfung auf der Couch und über dem lauten Streit nebenan einschlief. Kapitel 5: new chapters... -------------------------- Bereits zwei Wochen später bekam ich Post von Kirito, Sänger der Band Angelo. Er suchte zwei talentierte, schnell lernende Gitarristen, die seine Band perfekt abrunden konnten. Ungewollt kamen mir Hizumi's Worte wieder in den Sinn. Nur Müll produziert. Nicht die besten in der Gegend. Schwer seufzend betrachtete ich den Brief in meiner Hand, las den zweiten Absatz und staunte nicht schlecht als ich sah, was der mir unbekannte Sänger da über mich schrieb. 'Auf einigen eurer Konzerte habe ich dein einmaliges Talent bewundern können und es wäre mir und den anderen eine große Ehre, zusammen mit dir arbeiten zu dürfen." Er war also auf unseren Konzerten gewesen? Und er war der Meinung, ich hätte ein einmaliges Talent? Wieder einmal stand ich zwischen den Stühlen. Ich war mir nicht sicher, ob ich dieser Aufgabe gewachsen war. Etwas völlig neues zu erfinden, wo doch das alte noch zu hundert Prozent in meinem Kopf war. Konnte ich ihm gerecht werden? Schließlich hatte ich keinerlei Ahnung, wer diese Band war. Vielleicht hatte Hizumi Recht gehabt damit, dass ich immer der Meinung war, wir seien die besten der Gegend gewesen. Ich hatte nichts anderes an mich ran gelassen, sondern mich bloß auf meine eigene Band konzentriert. Und vielleicht war genau das das Problem gewesen, warum ich nichts mehr zustande bekommen hatte. Ich sollte etwas neues beginnen. Etwas, auf das ich mich zu tausend Prozent konzentrieren sollte, obwohl es nicht mir gehörte. Aber... konnte ich das? „Was hast du denn da?" Ich fuhr ein wenig zusammen, als ich plötzlich Zero's Stimme hinter mir hörte, hatte mich mit der neuen Wohnsituation noch nicht wirklich angefreundet. „Ach... nur ein Jobangebot." „Nur? Das ist doch toll! Wer schreibt denn?" Ich reichte ihm den Zettel und ließ mich unentschlossen auf die Couch fallen. Zero ging die Zeilen mit einem Lächeln durch, das immer breiter wurde und mir zum Schluss sogar etwas Angst machte. „Also wenn du das nicht annimmst, dann weiß ich auch nicht. Das ist doch super! Schau mal, er kennt dich und weiß, welche Qualitäten du hast. Das ist doch ein Vorteil für beide." „Für ihn vielleicht... nicht für mich, weil ich ihn nicht mal ansatzweise kenne." „Ach komm schon, du schaffst das! Ich glaube fest an dich! Ruf ihn einfach an und frag nach, wann er Zeit hat, sich mit dir zu treffen. Und wer weiß... vielleicht wird ja mehr draus, als bloß eine berufliche Beziehung?" Augenzwinkernd verschwand er aus dem Wohnzimmer. Nein, also auf eine Beziehung dieser Art hatte ich nun wirklich noch keine Lust. Schließlich hing mir die letzte noch in den Knochen. Der Gedanke an Hizumi bereitete mir zwar nicht mehr so viel Schmerz, da ich ihn zwei Wochen nicht gesehen hatte. Aber er weckte die Sehnsucht in mir. Das Verlangen, ihn einfach wieder im Arm zu halten und seine Nähe zu genießen. Aber da waren auch die Worte und Taten von ihm, die ich ihm, so sehr ich es auch wollte einfach nicht verzeihen konnte. Aber was sollten all diese Gedanken? Ändern konnte ich es sowieso nicht mehr. Ich sollte meine Kraft nicht mehr dafür verbrauchen, sondern endlich nach vorn sehen und diesen Kirito anrufen. +++ Acht Stunden später fand ich mich schließlich in einem Restaurant wieder, wo ich auf ihn wartete. Gespannt beobachtete ich die Tür, fragte mich bei jedem der hereinkam, ob er wohl Kirito war. Nach gefühlten hundert Leuten gab ich es allerdings auf und ließ ihn mich suchen. Nach einer halben Stunde, ich war schon fast am Tisch eingeschlafen, sprach mich dann schließlich jemand an. Ich rechnete zuerst mit der Bedienung, da ich schon fast mit dem Kopf auf dem Tisch lag und es sicher aussah, als sei ich betrunken. Aber als ich aufsah, blickte ich in das wohl schönste Gesicht, das ich seit Hizumi's gesehen hatte. Meine Kinnlade klappte ungewollt nach unten und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Entschuldigung, dass ich zu spät bin. Habe ich dich erschreckt?" Er lächelte mich an, aber ich war so perplex, dass ich bloß ein plumpes, nicht mal ernst gemeintes 'Ja' heraus brachte. „Das tut mir leid. Naja, ich bin immer etwas... energisch. Kirito, freut mich!" Er reichte mir die Hand und ich erlangte langsam meine Fassung zurück. „Ka-karyu... mich auch." Er setzte sich mir gegenüber und sah mich besorgt an. „Alles ok bei dir? Du siehst so blass aus." „Ja, alles ok. Ich bin nur etwas müde. Es ist ja schon halb neun." Ich musste mich zusammenreißen. Irgendwie hatte ich ihn mir anders vorgestellt. Blond und mindestens zehn Zentimeter größer. Seine Kleidung entsprach auch überhaupt nicht dem, was ich erwartet hatte. Er trug ein weißes Shirt, darüber eine Lederjacke und dazu eine schwarze Jeans. Mehr gab es zu seinem Outfit auch gar nicht zu sagen, bis auf seine dünne Goldkette, auf die ebenfalls goldene Buchstaben gesteckt waren, die wohl seinen Namen ergeben sollten. Allerdings fehlte das 'K', sodass ich nur 'irito' lesen konnte. Gleich machte ich ihn auf das Fehlen des Buchstabens aufmerksam. „Oh ja, blöde Buchstaben. Fallen immer ab, wenn ich die Kette ablege. Naja, ich werd mir wohl einen neuen kaufen müssen. Aber jetzt erstmal zu dir. Wie sieht es aus? Hast du Lust, uns beizutreten? Kohta, Takeo und ich würden uns wahnsinnig freuen." ... Der Abend endete damit, dass ich einen neuen Job und ziemliche Magenschmerzen hatte. Vielleicht wäre etwas essen, anstatt nur Bier zu trinken angebrachter gewesen, aber ändern ließ es sich jetzt sowieso nicht mehr. Ich verabschiedete mich, mehr oder weniger verständlich von Kirito und wankte benommen zu Zero's und Tsukasa's Wohnung. Dort angekommen lehnte ich mich erst einmal an die Haustür, die aber sofort nachgab, da die beiden sie wohl für mich offen gelassen hatten. Ich fiel mit ihr ins Haus und landete auf dem kalten Steinboden im Flur. „Aua", lallte ich belustigt und robbte im Schneckentempo ins Wohnzimmer, wo sich zuerst einmal mein Mageninhalt entleerte, der ja sowieso nur aus Bier bestand. Nur wenig später hörte ich Zero nach mir rufen. Eigentlich wünschte ich mir, dass er nicht runterkam, damit er die Sauerei auf dem hellen Teppich nicht sah. Aber es war zu spät. „Oh nein, Karyu! Du solltest dir einen neuen Job besorgen und dich nicht sinnlos volllaufen lassen." Ich beobachtete ihn vom Boden aus, wie er sich einige Küchentücher nahm und auf mich zu kam. „Schagen wir escho... ichh habe beideschgemacht...." „Ja, das sehe ich. Tsukasa! Ich brauche hier mal Hilfe!" „Schag mal...", begann ich, als ich Zero's Kleidung genauer betrachtete, „hattet ihr etwa.... Ssex?" Empört starrte er mich an, schnürte dann seinen Kimono zu und begann, das Bier auf dem Boden zu beseitigen. „Schag schon... ischag es auch keinem weiter..." „Tsukasa!!! Wo bleibst du denn?!" Lachend drehte ich mich auf den Rücken. Die Decke drehte sich mit mir und endlich kam Tsukasa die Treppe herunter. Alles was er trug war eine Unterhose. „Was ist denn hier los?" „Ja... ihr hattet Sex... haha... isch wusste esch gleich..." Belustigt sah ich den beiden zu, wie sie meine Schweinerei beseitigten. Als sie mich dann allerdings auf die Couch hieven wollten, wurde es ungemütlich. Alles drehte sich vor meinen Augen und ich hörte ihre Stimmen nur gedämpft. Wie ein kleines Kind schlug ich um mich. Nein, mich sollte keiner anfassen. Wer weiß, was die beiden vorher in der Hand hatten. Bei diesem Gedanken wurde mir gleich wieder übel, aber ich entschloss mich, mich besser nicht noch einmal zu übergeben. Als ich endlich auf dem Sofa lag, bekam ich nur noch mit, wie Zero Tsukasa etwas zuflüsterte. Danach schlief ich seelenruhig ein. Kapitel 6: our destiny... ------------------------- Ich konnte von Glück reden, dass ich am nächsten Tag noch nicht hatte arbeiten müssen. Mein Schädel brummte und das, obwohl ich nur Bier getrunken hatte. Vielleicht war ich einfach nicht trinkfest gewesen. Gut, es hatte mich ja auch niemand dazu aufgefordert, so viel zu trinken, aber was sollte es. Leise, um Zero und Tsukasa nicht zu wecken, verließ ich das Haus, um Brötchen zu holen. Als Wiedergutmachung könnte man sagen. Leider kannte ich mich in dieser Gegend hier nicht besonders gut aus, weshalb sich mein kleiner Gang zum Bäcker als doch nicht so klein erwies. Zugegeben, ich hatte mich komplett verlaufen. Und das, obwohl ich hier in Tokyo lebte. Okay, Tokyo war groß, und hier war ich noch nie gewesen. „Karyu?" Ich drehte mich um. Mein Herz begann zu hüpfen, als ich plötzlich Hizumi ins Gesicht sah. Ehrlich gesagt wusste ich nicht recht, was ich sagen sollte. Immerhin hatten wir uns gut drei Wochen nicht gesehen. „Hizumi... du hier?" „Ja. Ich hab meinen Laden hier. Mich überrascht eher, dich hier zu treffen." Cool griff er in seine Tasche und holte einen goldenen Schlüssel aus ihr hervor, ohne seine Augen von mir zu lassen. „Eh... eigentlich wollte ich nur zum Bäcker und dann wieder zurück zu Zero und Tsukasa. Aber ich finde den Weg nicht mehr." Er bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen und steuerte direkt auf einen kleinen, dunklen Laden zu. Ich sah mich um und stellte fest, dass ich zum ersten Mal sein neues Projekt, Umbrella, sah. „Der Laden ist noch nicht fertig, wir sind noch in der Renovierungsphase. In gut einem Monat wird er auf gemacht." Es folgte eine lange Redepause in der ich mich im Laden umsah. Er war nicht wirklich gut beleuchtet. Einzig die Eingangstür warf ein wenig Sonnenlicht in den dunklen Raum. „Naja, dort hinten kommen einige Shirts hin und hier vorn die anderen Sachen. Du weißt schon, Tassen und so weiter... und hier die Kasse." Ich nickte still und starrte bedrückt in eine Ecke. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mit Hizumi hier allein war. Irgendwie war mir die Sache unangenehm. Mein Gehirn schlug vor zu gehen, obwohl mein Herz gern noch geblieben wäre. „Naja, ich muss dann auch wieder gehen. Aber wirklich, toller Laden. Bin mir sicher du ziehst ihn groß auf." Mit einem Lächeln ging ich an ihm vorbei zur Tür, doch er hielt mich zurück. „Karyu. Was passiert ist... das tut mir sehr leid. Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich immer noch liebe. Und dass ich dich vermisse. Naja, was ich sagen will... jetzt, wo ich dich schon mal gesehen habe. Wie wäre es, wenn du heute Abend um sechs zu mir kommst, nur so, um ein wenig zu reden. Wo ich wohne weißt du ja hoffentlich noch. Ich würde mich sehr freuen." Erneut nickte ich lediglich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und öffnete die Ladentür. „Ich überlege es mir", sagte ich im Gehen. +++ Nachdem ich eine ältere Dame nach der Straße gefragt hatte, in der Zero und Tsukasa wohnten, war ich um zehn auch endlich bei ihnen angekommen. Natürlich hatten sie bereits gefrühstückt. Mir war es auch auf irgendeine Art und Weise vollkommen egal, dass ich den ganzen Weg mehr oder weniger umsonst gelaufen war, denn eigentlich war er doch nicht so umsonst gewesen. Ich konnte den ganzen Tag lang an nichts anderes als Hizumi's Einladung denken. Ob es wohl Schicksal war, dass ich ihn dort getroffen hatte, weil ich mich verlaufen hatte? Aber was wollte mir das Schicksal damit sagen? Sollte ich Hizumi besuchen, damit alles wieder gut wurde und wir wieder zusammen kamen? Oder sollte ich ihm absagen und endgültig mit ihm abschließen? Innerlich fragte ich mich, was von beiden mir lieber war und ich entschied mich klar für das erste. Auch, wenn er mich verletzt hatte. Er war immernoch Hizumi, auch nach allem, was er gesagt und getan hatte. Und wie sagte meine Mutter früher immer? Wer nicht verzeihen kann, der bestraft sich selbst damit. +++ Ich fand mich also genau um sechs vor Hizumi's Haustür wieder, mit einer Flasche Wein in der einen und einem kleinen Strauß Rosen in der anderen Hand. In meinem Kopf hatte sich bereits seit vorhin wieder der Gedanke festgesetzt, dass heute Abend alles gut werden und er wieder mit mir zusammen sein würde. Nervös klingelte ich und wartete, mir auf die Lippe beißend, bis das komisch surrende Geräusch der Tür erklang. Da ich keine Hand frei hatte, stieß ich sie mit dem Fuß auf, was einen ungewollt lauten Knall erzeugte. Von oben hörte ich schon seine Stimme durch das Treppenhaus hallen. „Karyu? Bist du das? Alles ok bei dir?" „Ja... ja alles gut." Ich kam ihm zitternd Stufe für Stufe näher und fühlte bereits wieder das Kribbeln in meinem Bauch, dass ich damals hatte, als wir uns zum ersten Mal sahen. Als ich endlich vor ihm stand, was es jedoch auf einmal weg. Vielleicht war es bloß die Aufregung. Oder ich hatte einen großen Fehler gemacht, hier her zu kommen. „Oh, du hast Blumen und Wein mitgebracht? Das wär doch gar nicht nötig gewesen." Zwinkernd führte er mich ins Haus. Alles war noch immer so wie ich es vor einigen Wochen verlassen hatte. Nichts, gar nichts hatte sich verändert. „Möchtest du was essen? Ich hab Yakisoba da." Ich nickte vorsichtig. „Hört sich gut an." Während er in der Küche stand und das Essen kochte, sah ich mich ein wenig um. Es war, als hätte Hizumi nichts verändert, weil er ganz genau wusste, dass ich zurück kommen würde. In Gedanken spazierte ich durch den Flur. Das Erinnerungsfoto, das wir vor drei Jahren in Deutschland geschossen hatten; es stand noch immer auf dem Schuhschrank. Meine Jacke, die ich vergessen hatte mitzunehmen; sie hing noch genau so ander Garderobe wie ich sie vor einigen Wochen dort hin gehängt hatte. Er hatte wirklich nichts angerührt. „Kommst du essen?" Lächelnd senkte ich den Kopf. Er liebte mich also noch immer. „Ja." +++ Bis hier her war der Abend ruhig verlaufen. Wir hatten über Gott und die Welt geredet, aber es kam mir vor, als redeten wir an einem ganz bestimmten Thema, das uns beide brennend interessierte, vorbei. Nach einigen Gläsern Wein kippte die Stimmung allerdings so plötzlich in etwas, das ich gar nicht definieren konnte. Hizumi beugte sich über den Tisch und sah mir tief in die Augen. Ich war verunsichert. Was sollte das werden? „Karyu... ich liebe dich." Er nahm meinen Kopf in beide Hände und zog ihn näher zu sich. Gleich darauf spürte ich seine weichen warmen Lippen auf meinen. Ich war so perplex, dass ich den Kuss erwiderte, ohne eigentlich zu wissen, was wir gerade taten. In einen tiefen Kuss verwickelt, der immer inniger wurde, bahnten wir uns einen Weg ins Schlafzimmer. Ich war nervös, mein Herz schlug gegen meine Brust, als wollte es mir sagen, dass ich das Richtige tat. Hizumi stieß mich sanft aufs Bett und griff nach meinem Gürtel. Wortlos öffnete er meine Hose und ich spürte bald darauf, wie er mich in sich aufnahm, ohne, dass ich es eigentlich wollte. Reflexartig griff ich nach dem Bettlaken, schrie aber wenig später vor Schmerzen auf. „AU!" Hizumi hielt inne. „Was ist los?! Hab ich dir weh getan?" „Nein! Nein... irgendetwas ist unter dem Laken. Irgendwas kleines und hartes." Ich wischte mir einmal durch die Handfläche und stand auf, um nachzusehen, was sich da gerade in meine Hand gebohrt hatte. Vorsichtig zog ich das Bettlaken hoch, neben mir Hizumi, der mir dabei zusah. „Was sollte denn da drunter sein?" Als ich das Bettlaken in der Hand hatte, viel etwas kleines, goldenes vor meine Füße. Zuerst erkannte ich nicht, was es war. Als ich es jedoch aufhob, stockte mir der Atem. Es war das kleine 'K' das an Kirito's Kette gefehlt hatte. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, konnte nicht fassen, dass ich nun selbst herausfinden musste, wer Hizumi's Liebhaber in der Nacht, in der ich ihn verlassen hatte, gewesen war. Wenig später spürte ich seine Hand auf meinem Rücken, die mich langsam streichelte. „Ich wollte es dir nicht sagen, Karyu. Aber das ist für dich. Ich habe es gekauft, weil ich dir zeigen wollte, wie sehr ich dich liebe und dass ich für immer mit dir zusammen sein will. Ich will es bei mir behalten, damit ich den Anfangsbuchstaben deines Namens überall mit hinnehmen kann und dich damit immer bei mir habe." Das war zu viel. Jetzt begann er tatsächlich noch, mich anzulügen?! Wie lange wollte er mich noch an der Nase herum führen? Er liebte mich nicht, denn wenn man jemanden liebte, dann tat man so etwas nicht. Ich war am Boden zerstört, dass er auch an diesem Abend hier bloß auf Sex aus gewesen war. Bevor ich ihm allerdings verriet, dass mir bereits alles klar war, wollte ich seine abenteuerliche Geschichte noch weiter hören. Gespielt gerührt von seinem 'Liebesgeständnis' lächelte ich ihn an, obwohl ich ihn am liebsten einfach nur umgebracht hätte. „Oh Hizumi, das ist so süß von dir. Aber warum liegt das kleine Ding unter dem Bettlaken?" Er dachte nach. In mir kochte es, aber ich musste mich zusammen reißen. Nur, um einfach noch sicherer zu sein, dass Hizumi ein verlogenes Arschloch war. „Naja, ich wollte, dass du es auf diese Art und Weise heraus bekommst. Das ist doch viel romantischer, als hätte ich es dir einfach so gezeigt." Er beugte sich über mich und wollte mich küssen, aber ich stieß ihn weg und stand auf. Zögernd drückte ich ihm das kleine K in die Hand und ging dann zur Tür. „Wenn du dich das nächste Mal mit Kirito triffst, dann kannst du ihm ja sicher sagen, dass ich gern darauf verzichte, mit ihm zu arbeiten. Guten Abend." Verletzt, aber doch auf eine Art und Weise froh verließ ich seine Wohnung. Zugegeben, es tat mir schon etwas leid, ihn dort einfach so sitzen zu lassen. Allerdings hatte er nicht einmal gezögert, mich anzulügen, mich zu hintergehen. Den Menschen, den er zwei Jahre lang wirklich geliebt hatte. Wie hatte er es geschafft, sich nach bloß einer Nacht mit Kirito so zu verändern. Hätte er mir nicht einfach sagen können, dass ich für ihn nicht mehr interessant war und er eine Beziehung mit Kirito aufbauen wollte? Das hätte mich sicher nicht so sehr verletzt wie das, was er mir jetzt angetan hatte. Ich ging hinaus in die dunkle Nacht und als wäre es Schicksal, begann es zu regnen. Alles war jetzt genau so wie vor einigen Wochen, als ich Hizumi zum ersten Mal verlassen hatte. Nur eines war anders. Diesmal folgte er mir nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)