Second Thoughts von Milu- (Numbers Series No II) ================================================================================ Kapitel 1: Numbers Series No II ------------------------------- Musiktipp: Christina Perri - Human https://www.youtube.com/watch?v=2X43XF8247E (https://www.youtube.com/watch?v=2X43XF8247E)           Second Thoughts   Numbers Series No II Die Grenzen verschwimmen…     „Hast du endlich etwas herausbekommen?“   Mit einem verächtlichen Schnauben hob er eine Augenbraue in die Richtung seines Gesprächspartners, den er bloß der Zigarette wegen in der Dunkelheit ausmachen konnte. Lässig lehnte er sich gegen den schwarzen Porsche auf dem verlassenen Parkplatz außerhalb Tokios und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „Du kannst froh sein, dass sie eine Freundschaft zulässt, schließlich bin ich ein Fremder für sie gewesen, der sie im Flugzeug mehr oder weniger überfallen hat. Natürlich erzählt sie mir nichts von Akai.“   Hätte er sich nicht im Laufe der Jahre an den eiskalten, stechenden Blick Gins gewöhnt, wäre ihm glatt ein Schauer über den Rücken gelaufen. So aber blieb er reglos stehen und erwiderte den Blick, ohne dabei zu blinzeln. Man konnte nie wissen, was genau der erbarmungslose Mann bereits als nächstes plante. Nicht einmal seine folgenden Worte hatte Bourbon vorhersehen können: „Dann baue eine Beziehung zu ihr auf. Gewinne ihr Vertrauen und finde alles heraus, was sie über Akai weiß.“ Noch bevor sich Bourbon von der Motorhaube abgestoßen und den Mund geöffnet hatte, um zu protestieren, war Gin an ihn herangetreten. Wenige Zentimeter trennten sie voneinander und Amuro konnte den Lauf einer Waffe auf seiner Brust spüren.   „Wenn du nicht bald Ergebnisse lieferst, werden wir sie uns vornehmen. Du weißt, dass wir nicht zimperlich sein werden.“ Die Waffe verschwand und Gin begann, in seinen Porsche einzusteigen. Bevor er die Tür schloss, raunte er dem schweigsamen Mann noch zu: „Eins noch: Wenn du dich nochmal gegen meinen Wagen lehnst, reiße ich dir persönlich die Beine aus, verstanden?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, startete er den Motor und verschwand vom Parkplatz. Keine Minute später war das Licht der Scheinwerfer verschwunden und mit einem tiefen Seufzen fuhr Bourbon sich durch die blonden Haare. Langsamen Schrittes wandte er sich dem Geländer zu, von dem aus man Tokio überblicken und den nächtlichen Anblick der Stadt genießen konnte.   Er hatte keine andere Wahl. Egal wie er es drehte und wendete, der Forderung Gins nachzugeben war vermutlich das Beste. Würde er sich weigern, bedeutete das nicht nur das Ende für Masumi, sondern würde auch seiner Karriere mehr als schädlich sein. Er hätte nicht die geringste Chance mehr, in den nächsten Jahren höher und seinem Ziel einen Schritt näher zu kommen. Mit einem weiteren Seufzen, das seine starke Abneigung über diese Wendung zeigte, zog er sein Handy hervor und suchte eine Nummer heraus. Er würde ihr mehr als weh tun, soviel war gewiss, gerade so kurze Zeit nach dem Ableben ihres Bruders wäre ein weiterer Verlust und Vertrauensbruch unverzeihlich. Doch die Tatsache, dass es sich bei ihr um Akais Schwester, dem ehemaligen Mitglied des verhassten FBI handelte, besänftigte ihn ein wenig. Er musste Prioritäten setzen und ihre Gefühle hatte er zu ignorieren. Nur so würde er die Mission erfolgreich abschließen können… eines Tages.   „Hey Masumi, ich bin’s, Amuro. Ich weiß es ist ganz schön kurzfristig, aber hast du morgen schon etwas vor?“           Pünktlich um 13 Uhr betrat Amuro in lässiger Freizeitkleidung den Freizeitpark, steckte sein Portemonnaie wieder weg und warf einen suchenden Blick durch die Menge. Von Masumi war nichts zu sehen. Das kurze Klingeln seines Handys kündigte eine Nachricht an und verwundert stellte er fest, dass die SMS von ihr war. Hinter dir. ;) M.   Abrupt wandte er sich um, versuchte sie in der Menge auf dem großen Platz auszumachen, als sein Blick auf den Brunnen in der Mitte fiel. Dort saß sie, mit kurzer Jeanshose und überschlagenen Beinen, während sie ihm lachend zuwinkte. Obwohl er immer noch an Gins Worte denken musste und somit an die Gefahr, in der sie unbewusst schwebte, konnte er sich ein feines Lächeln nicht verkneifen. Ihre faszinierende Art weckte eine ungewohnte Vorfreude in ihm, als er auf dem Weg zu Masumi ihre Erscheinung näher betrachtete. Passend zu der kurzen Hose hatte sie ein blau-weiß gestreiftes Top angezogen. Ihre Jacke, die sie offensichtlich für die Fahrt auf ihrem Motorrad angehabt hatte, lag auf ihrem Schoß, während sie verspielt mit ihren Fuß wippte, der in einem schlichten Turnschuh steckte. Die sommerlichen Temperaturen an diesem Sonntag hatten keine dickere Kleidung zugelassen. Obwohl Masumi sich weder mädchenhaft anzog noch großartig aufstylte, konnte Amuro nicht abstreiten, dass sie eine attraktive junge Frau war.   Vielleicht lag es an ihren glänzenden, grünen Augen, dessen Farbe je nach Licht einen anderen Ton annahm? Oder war vielmehr ihr umwerfendes Lachen dafür verantwortlich, da die natürliche Farbe ihrer Lippen so viel schöner war als die ihm bisher untergekommenen, mit Lippenstift verfälschten? Nein, es war ihr Charakter und ihre eigensinnige, sture, aber liebevolle Art, ganz sicher. So wie sie die Dinge anging, besonders wenn es sich um einen Fall handelte, zog ihn immer wieder in den Bann. Als ihm bewusst wurde, was genau ihm gerade für Gedanken durch den Kopf gingen, blieb er peinlich berührt stehen. Noch bevor er sich über sich selbst wundern konnte, erhob sich Masumi von ihrem Platz, der nur wenige Meter von Amuro entfernt war.   „Was hat dir die Sprache verschlagen, mein Lieber?“, fragte sie belustigt und schien nicht dahinter zu kommen, worüber er gerade nachgedacht hatte. Sein Glück. Lachend winkte er ab, fragte sie nach ihrem bisherigen Wochenende und bot ihr seinen rechten Arm an. Während sie sich wie selbstverständlich bei ihm einhakte, begann sie ihm von einem Fall zu erzählen, der sich offenbar gestern Nachmittag ereignet hatte. Gemütlich schlenderten sie durch den Park, probierten einige Attraktion aus und keiner von beiden wäre darauf gekommen, dass es sich um mehr als ein freundschaftliches Beisammensein handelte. Wäre da nicht Gins Auftrag, der Bourbon partout nicht aus dem Kopf gehen wollte.   Nachdem sie gemütlich gegessen hatten und die Sonne kurz davor war, unterzugehen, suchten sie letztendlich das Riesenrad auf. Amuro hatte darauf bestanden. Möglicherweise konnte er die traute Zweisamkeit zwischen ihnen so vertiefen… außerdem war er nicht abgeneigt, etwas Zeit mit ihr alleine verbringen zu können, abseits der Öffentlichkeit und den neugierigen Augen der Organisation. Wenn er seine vorherige Reaktion bei seiner Ankunft richtig deutete, würde ihm der Auftrag vielleicht sogar leichter fallen, als zunächst gedacht. Die Folgen, die diese Tatsache mit sich bringen würde, wären jedoch um einiges verheerender. „Kommst du?“, riss ihn Masumi lächelnd aus den Gedanken und zog ihn zu der nächsten freien Gondel. Sobald sie saßen und das Rad sich erneut in Bewegung setzte, streckte sich die junge Frau, bevor sie sich entspannt zurücklehnte und einen neugierigen Blick aus dem Fenster warf. Noch waren sie nicht hoch genug und die Geschwindigkeit war sehr langsam, um die untergehende Sonne hinter den Gebäuden sehen zu können.   „Danke für deinen Anruf und die Einladung gestern. Der Tag hat sich wirklich bezahlt gemacht“, begann Masumi schließlich erneut ein ungezwungenes Gespräch, als sie sich wieder Amuro zuwandte, der ihr gegenüber saß. Mit einem koketten Grinsen legte er seine Arme auf die Sitzlehne und fragte sie schmunzelnd: „Je daran gezweifelt?“ Lachend schüttelte sie den Kopf und verdrehte ihre Augen, ehe sie erwiderte: „Klar, ich wusste ja nicht, ob du plötzlich wieder einer wildfremden Frau hinterher steigst!“ – „Musst du mich immer noch damit aufziehen?“, fragte er eine Spur genervt, konnte das Grinsen dabei allerdings nicht ablegen. Bei jedem bisherigen Treffen, egal ob es sich um einen Ausflug oder einen belanglosen Kaffee gehandelt hatte, war sie irgendwie darauf zu sprechen gekommen. „Klar, bis an dein Lebensende werde ich dich damit verfolgen“, triezte sie ihn weiter und beugte sich dabei etwas vor. „So lang willst du es mit mir aushalten?“, fragte er sie mit einem schiefen Lächeln und der ungewollte, nachdenkliche Ausdruck in seinen Augen zwang sie zu einer ernsteren und wahren Antwort. „Ich sehe keinen Grund, warum ich das nicht sollte.“   Ich kann dir unendlich viele nennen, warum du dich besser von mir fernhalten solltest. Natürlich konnte er ihr das nicht sagen, aber etwas anderes wollte ihm nicht über die Lippen kommen. So schwieg er lieber und wandte seinen Blick ab, um den rotgefärbten Himmel zu betrachte. „Was beschäftigt dich, Amuro?“ Masumi ließ nicht locker und als er aus dem Augenwinkel zurück zu ihr sah, hatte sie sich weiter vorgebeugt, ihre Arme auf ihre Knie gestützt und ihre Kopf auf die Handflächen gelegt. Ihr durchdringender Blick war auf ihn geheftet und ließ ihn nicht los, als sie fortfuhr. „Gestern beim Telefonat klangst du auch schon so angespannt. Ist irgendetwas auf der Arbeit passiert? Oder bei den Moris?“ Ihre Stimme nahm einen eindringlicheren Tonfall an und ihm war klar, dass ihre Sorge sich nicht ausschließlich um ihn drehte. „Nichts“, erwiderte er trotz ihrer offensichtlichen Skepsis, „Mach dir keine Sorgen. Der Anblick stimmt mich bloß etwas nachdenklich.“   Mit hochgezogener Augenbraue verharrte sie weitere Sekunden in ihrer Position, ehe sie sich mit einem Seufzen wieder aufrichtete und vorerst das Thema fallen ließ. Er wollte nicht darüber sprechen, was auch immer ihn beschäftigte. „Wenn du das sagst… Wann wirst du die Woche bei-“ Abrupt brach sie ab, während ihre Augen sich weiteten und auf einen roten, aufsteigenden Ballon fixiert waren, der gerade die Gondel passierte. „Masumi…?“ Erst nachdem Amuro sich besorgt von der Sitzlehne gelöst hatte, fiel ihm das fliegende Objekt auf. Die junge Detektivin jedoch reagierte nicht mehr auf ihn. „Masumi? Was hast du?“   „Masumi? Was hast du denn?“ Staunend blickte das kleine Mädchen aus dem Fenster, nachdem sie das Gespräch mit ihrem Bruder unterbrochen hatte und auf den Sitz geklettert war. „Schau mal, Shuu-nii! Ein Luftballon!“ Verwundert folgte Shuichi ihrem ausgestreckten Zeigefinger, ehe er den einige Meter entfernten, roten Ballon erblickte. Schmunzelnd sah er auf seine faszinierte kleine Schwester hinab, ehe er sich zu ihr vorbeugte und sie fragte: „Willst du nachher auch einen?“ Das Strahlen ihrer Augen hätte nicht größer sein können…   „Hey, Masumi, alles in Ordnung?“ Sie zuckte zusammen, als Amuro eine Hand auf ihre Wange legte und mit dem Daumen über eine Stelle unter ihrem Auge strich. Verwundert sah sie auf den vor ihr hockenden Mann, dessen Besorgnis um sie in der gerunzelten Stirn wiederzuerkennen war. „Ja, es ist nichts…“, wisperte sie leise und wunderte sich über den brüchigen Klang ihrer Stimme, als Amuro den Kopf schüttelte. „Warum weinst du dann?“ Verwundert zuckte sie zurück und blickte in die Glasscheibe, in der sie ihr eigenes Spiegelbild sehen konnte. Tatsächlich zog sich eine feine, glitzernde Spur über ihre Wange. Die andere musste Amuro eben weggewischt haben. „Es ist nichts“, versuchte sie ihm mit halbwegs sicherer Stimme zu versichern, „Ich habe mich bloß an etwas erinnert.“ Natürlich tat er es ihr nicht gleich, zog sich nicht zurück und akzeptierte ihre Antwort. Stattdessen setzte er sich neben sie, beugte sich vor, um sie sehen zu können und fragte mit leiser Stimme: „An was genau?“   Natürlich wollte sie ihm nichts erzählen. Nicht von Shuichi, nicht von seinem Tod und nicht von den Erinnerungen, die sie täglich um den Verstand zu bringen drohten. Doch die so sorgsam aufgebaute Maske bröckelte, als er unerwartet nach ihrer Hand griff und sie fest drückte. Als sie in seinen vertrauensvollen Blick aufschaute und merkte, dass er sie nicht weiter drängte, gab sie schließlich nach. Zunächst erzählte sie ihm nur von Shuichi, keine brisanten Details, aber genug um ihrem Freund zu zeigen, dass ihr großer Bruder ihr viel bedeutet hatte. Irgendwann war sie mit verbitterter Stimme auf die Nachricht zu sprechen gekommen, die ihre Welt zerstört hatte. Die Behörden hatten nicht mit ihr reden wollen, gaben ihr ungenaue Angaben und wiesen sie immer wieder ab – die Frustration darüber war deutlich herauszuhören. Schließlich stoppte sie. Alles was sie erzählen konnte war erzählt, die anderen Dinge, die sie Amuro verschwieg, wusste er bereits. Vermutlich sogar mehr als sie selbst.   Immer wieder hatte der blonde Mann neben ihr versucht, ihr Trost zu spenden. Nicht durch Worte - tatsächlich hatte er sie kein einziges Mal unterbrochen - denn viel mehr mit Gesten. Vorsichtig hatte er seinen Arm um ihre Schultern gelegt, ihr über den Rücken gestrichen und ihre Hand gehalten. Vielleicht waren weitere Tränen dadurch ausgeblieben. Möglicherweise auch, weil sie nicht schwach vor ihm erscheinen wollte. Nein, so einen Ausrutscher erlaubte sie sich sonst bloß in ihrem Hotelzimmer, wenn die Rollos vor die Fenster gezogen waren und sie sich den Gedanken an ihren toten Bruder hingeben konnte.   „Es tut mir leid.“ Amuros Stimme zog sie wieder in die Realität zurück. Während er seinen Arm von ihren Schultern nahm und ihre Hand losließ, schenkte er ihr ein feines Lächeln. „Einen Bruder zu verlieren ist sicher schwer, aber du bist nicht allein, Kleines.“ Anstatt sich wegen des Spitznamens zu beschweren, der nur bedingt zu ihr passte, lachte sie leise auf und schüttelte ihren Kopf. „Hat gut getan das einmal loszuwerden, denke ich.“ Erneut blickte sie zu ihm auf, doch ihr Vorhaben, sich für seine Aufmerksamkeit zu bedanken, wurde im Keim erstickt. Auf einmal war er ihr viel näher als zuvor, das Lächeln war von seinen Lippen verschwunden und der plötzliche Lichtwechsel, als die Sonne hinter den Gebäuden verschwand, raubte ihr für einen Moment die Orientierung.   Amuro nutzte den Moment schamlos aus, überbrückte die wenigen Zentimeter und legte seine Lippen auf die der perplexen Masumi. Zunächst lähmte sie der Schock, doch als er vorsichtig seine Lippen bewegte und den Kuss vertiefen wollte, spürte sie, wie ihre Gegenwehr sich in Luft auflöste. Die emotionale Berg- und Talfahrt hatte sie ausgelaugt und jegliche Nähe war ihr willkommen, um das klaffende Loch in ihrem Inneren zumindest vorerst schließen zu können. Außerdem… gefiel es ihr. Zaghaft erwiderte sie den Kuss, ihre Muskeln entspannten sich und ihre Augen schließend, gab sie sich seiner Berührung hin.   Mit klopfendem Herzen legte er seine Hand auf ihre Wange, zog sie näher zu sich, als ihre Gegenwehr schwand und es ihr gleichtuend, schloss er die Augen. Es war intensiver, als erwartet. Einnehmender. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als sie bereitwillig den Kuss vertiefte und unbewusst eine Hand auf seine verdeckte Brust legte. Und für einen kurzen Augenblick waren die schwarzmalerischen Gedanken an Gin und dessen Auftrag in Vergessenheit geraten… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)