Iramon - Die Katze des Königs von Glutaro (Eine Pokemon Geschichte von Kanto) ================================================================================ Kapitel 7 --------- >>>Neru<<< "Das ist ja eine Mühle." Neru hielt sich die Hand über die Augen und schirmte sie so von dem Fahrtwind ab. Es war zu gefährlich geworden, länger als unbedingt nötig bei Professor Eich zu bleiben. Dementsprechend hatte der Professor ihnen ein altes Versteck auf einer Landkarte gezeigt und ihnen gleichzeitig zwei Tauboss zur Verfügung gestellt. Der Flug hatte sich mehr in die Länge gezogen als erwartet, da die Iramon, und dabei vorallem Texomon, immer wieder Gegner in der Ferne ausgemacht hatten. Suchtruppen Gringos, die vorallem mit großen Ibitak unterwegs waren und dementsprechend nicht an die Geschwindigkeit von den Tauboss herankamen. Evoli hatte der Flugwind weniger gefallen und so hatte sie sich tief in die Falten von Nerus Jacke zurückgezogen und linste nur ab und an heraus, um nachzufragen, wie lange sie denn wohl noch unterwegs sein würden. "Du könntest auch nach Feinden Ausschau halten", hatte Neru ihr nur einmal geraten, doch Evoli hatte diese Bemerkung nur mit einem Schwanzzucken, das er an seinem Bauch gespürt hatte, abgetan und erwidert: "Fliegen ist halt nichts für mich!" und dabei war es geblieben. Nidoran schien auch nicht sonderlich glücklich über den langen Flug zu sein, wobei er das Fliegen doch von Kramurx gewöhnt sein müsste. Taubsi und Texomon hingegen genossen das Fliegen. Texomon saß breitbeinig vor Nerina auf dem Hals des Tauboss und an seinem gut gelaunten Gesicht konnte man nur zu deutlich ablesen, dass er das Gefühl von Freiheit zutiefst genoss und wenn Tauboss über ein Luftloch flog, war es Texomons unterdrückter Freudenschrei, der die allgemeine Angst überschallte. "Eine Mühle", fragte Evoli verschlafen und hob wieder mal den Kopf aus den Falten der Jacke. "Ja", erwiderte Neru aufgeregt, "Schau! Da vorne kann man sie schon sehen." "Och, die ist ja noch weit weg", erwiderte Evoli, doch ihre Ohren stellten sich langsam auf. Offenbar war sie doch ein wenig interessierter, als sie zugeben wollte. Wenige Minuten später gingen die Tauboss auf der Lichtung vor der Mühle nieder. Sie befanden sich nun in einem kleinen, grünen Tal, das sich zu einem See hin öffnete. Ein kleiner Bach schlängelte sich träge dahin und trieb das große Mühlrad an, das so verfallen aussah, als könne jede weitere Drehung es auseinanderfallen lassen. "Na, das nenn ich mal ein cooles Versteck", erklärte Ella, während sie immernoch ein wenig verstimmt von Tauboss Rücken stieg. Sie hatten mit Mehrheit und gegen Ellas Willen beschlossen, dass es zu gefährlich war, sie auf Kramurx reiten zu lassen. Immerhin gab es im ganzen Land kein anderes Kramurx, das so groß war. Neru hatte im Stillen die Vermutung, dass eine gute Portion Tauboss darin steckte, doch das ließ er Ella lieber nicht hören, immerhin war sie richtig stolz auf ihr Unlichtpokemon. Neru konnte ihr diesen Stolz nicht verübeln. Auch er war stolz auf sein schnelles Aquana und sein starkes Folipurba. Doch hatte er in den letzten Wochen gelernt, dass Stärke einfach nicht alles war. Während er sich in dem Tal umsah, dachte er mit einem leisen Schauer daran zurück, wie furchtbar es gewesen war, als Evoli nicht mehr ihre normale Gestalt annehmen konnte, wie traurig sie ausgesehen hatte, und er musste sich eingestehen, dass er die Nächte ohne sie auf keinen Fall genossen hatte. Das Tal selbst jedoch gab keinen Grund für Schauer, es sei denn, man erschauere vor der Schönheit. Saftige Weiden und grüne Bäume ragten an den Seiten des Baches auf und Blumen blühten auf den großen Weiden rund um die Mühle. Es war ein schöner Ort, kaum zu glauben, dass sie sich hier verstecken und nicht einfach nur Urlaub machen sollten. "Ist sie nicht wunderschön?", stieß auch Nerina aus und Neru folgte ihrem Blick hinüber zu der alten Mühle. Sie war komplett aus Holz gebaut und an ihrer Seite drehte sich das große Mühlrad langsam und majestätisch. Sie sah zwar alt, aber immernoch gut in Schuss aus und Neru war sich beinahe sicher, dass man sie immernoch zum Mahlen von Getreide verwenden konnte. "Hey! Da ist ein Bach! Wer hat Lust auf Schwimmen?", fragte Texomon gutgelaunt. 'War ja klar', erwiderte Evoli verschnupft in Nerus Gedanken. Neru verkniff sich ein Schmunzeln. Evoli hatte da nicht ganz unrecht. Wenn Texomon irgendwo Wasser sah, war er einfach nicht mehr zu halten. Seine verspielte Art hatte schon auf dem Weg vom Gefängnis-Coup zurück nach Hause eine große Rolle bei Aquanas Training gespielt, doch war es kaum zu glauben, dass aus dem so verspielten Texomon plötzlich ein riesiges Seeungeheuer werden konnte, das einen ganzen Hafen in Schutt und Asche legen und dabei dutzende von Pokemon bekämpfen konnte. Mit einem erneuten, leichten Erschauern erinnerte sich Neru zurück an die Fernseh-Spezials, die zu Arkanis Ehren auf allen Kanälen abgespielt wurden und in denen ein riesiges Feuer-Hundepokemon sowie eine ganze Schar Hundemon die Hauptrolle spielten und die Anhänger von Team Rocket aus Marmoria hinaustrieben. Auch in der Feuerprüfung hatte Texomon sich hervorragend geschlagen und seine Schwester nur leicht angesengt, aber dennoch heil, wieder zurückgebracht und auch Neru danach noch aus der Gefangenschaft von Rita und Augusto befreit. Mit einem leichten Schuldgefühl wurde Neru nun klar, dass er Texomon noch gar nicht dafür gedankt hatte. Er war einfach zu sehr von Folipurbas Problem abgelenkt gewesen, um sich ausführlicher mit dem kleinen, blauen Drachen zu beschäftigen. Nachdem keiner der Anderen große Lust zeigte, mit Texomon schwimmen zu gehen, und dieser schon ein wenig frustriert allein den Weg unternehmen wollte, rief Neru: "Warte! Ich komme mit. Ein kleines Erfrischungsbad kann doch nicht schaden!", erwiderte er auf Nerinas verdutzten Blick hin. "Wenn ihr beiden Eiszapfen fertig seid, könnt ihr ja nachkommen", entgegnete Ella, die sich schon mit Sipho, Nidoran und Taubsi auf den Fersen in Richtung des Eingangs der alten Mühle aufmachte. Nerina stand einen Moment unentschlossen in der Landschaft herum, bis sie sich ebenfalls einen inneren Ruck zu geben schien und ihnen hinab zum Bach folgte. Zögerlich steckte Neru einen Zeh in das Wasser. Es war wirklich eiskalt und er überlegte, ob er wohl mit Texomon, der schon fröhlich im Wasser herumplanschte, auch vom Land aus reden konnte, als ihn von hinten ein kräftiger Schubs traf und er über Evolis Rücken - Komisch, dachte er noch bei sich, war sie nicht eben noch bei Ella? - mit einem leisen Aufschrei ins eiskalte Wasser fiel. "Na, bist du jetzt erfrischt?", fragte Nerina ihren Bruder mit einem schalkhaften Lächeln und Evolis Ohren und Schwanz waren hoch erhoben und sie keckerte belustigt. "Na wartet", rief Neru. "Texomon!", rief er dem kleinen Drachen zu, "Könntest du mir mal deine Aquaknarre leihen? Ich muss mich kurz revanchieren." "Iiih!" Eilig sprangen Nerina und Evoli ein paar Schritte zurück, während Neru versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, wie kalt das Wasser war, und eine kleine Wasserschlacht mit Texomon auszufechten begann. Doch irgendwann wurde es auch Neru zu kalt. Nerina und Evoli hatten sich in die Mühle zurückgezogen, um ihre Kleider oder ihr nasses Fell zu trocknen, und die Kindsköpfe, wie sie es sagten, würden bestimmt bald nachkommen. Bibbernd zog er eine letzte Bahn, wobei Texomon ihn fragend ansah. Dann schien ihm ein Licht aufzugehen und er tauchte ab. Blubberblasen stiegen rund um Neru auf und wohlige Wärme begann, sich in seinen Zehenspitzen auszubreiten, bis das heiße Wasser auch den Rest seines Körpers erreichte. "Wow! Texomon, du bist echt super praktisch!", gratulierte ihm Neru, als Texomons prustender Kopf wieder neben ihm zum Vorschein kam. "Und ich bin dir zu Dank verpflichtet", sprach Neru nun das schwierige Thema an. Texomon legte skeptisch den Kopf schief. "Komm schon", erwiderte er dann, "Das Bisschen Glut ist doch kein Problem." Neru lachte auf. "Nein, nein", meinte er dann wieder ernst, "Das meinte ich nicht. Ich danke dir, dass du auf meine Schwester so gut aufgepasst hast. Du hast sie heil aus dieser Flammenglut herausgebracht und auch in Marmoria hast du super gekämpft." Texomon sah aus, als wisse er für einen Moment nicht, was er sagen sollte. Ernst sah er Neru in die Augen, doch Neru hatte das Gefühl, dass seine Schuppen ein wenig bleicher waren, als noch Momente zuvor. "Ich tu für Nerina, was ich kann", erklärte Texomon dann zurückhaltend. "Sie bedeutet mir sehr viel", sagte er dann mit ganz leiser Stimme. Neru nickte. "Mir auch", erklärte er, "Deswegen bin ich dir ja so dankbar." "Nerina war die Erste, die mich einfach so mochte, wie ich war", erklärte Texomon, "Deswegen war ich auch so enttäuscht, als ich glaubte, sie wollte nur ein Glutexo haben." Neru sah ihn mit großen Augen an und auch Texomon schien von sich selbst überrascht zu sein, so viel von sich preisgegeben zu haben. "Sie mag dich mehr, als alles Andere", erwiderte nun Neru, "Und sie ist es wert, dass man auf sie aufpasst." Texomon nickte ernst, damit tauchte Neru ab, um noch einmal das herrliche, warme Wasser zu genießen, und zog sich dann aus dem Wasser. "Ich glaube, wir sollten uns beeilen", rief er Texomon über die Schulter zu, "Sonst kommen wir noch zu spät zum Essen." "Essen?", fragte Texomon und sprang mit einem langen Satz aus dem Wasser, "Das dürfen wir auf keinen Fall verpassen!" >>>Nerina<<< "Was gibt es denn zu essen?", fragte Texomon, als er, Wassertropfen in alle Richtungen schüttelnd, um die Ecke der alten Mühle geflitzt kam, einen ziemlich außer Puste wirkenden Neru auf den Fersen. Nerina legte skeptisch den Kopf schief. Als sie mit Evoli vor ein paar Minuten zu Ella, Sipho und Mando aufgeschlossen war, hatten die das Untergeschoss des alten Gebäudes bereits in Augenschein genommen und hatten alle ein wenig ratlos an dem großen Mühlstein gelehnt, der das Einzige war, was noch von der Einrichtung übrig geblieben zu sein schien, einmal abgesehen von einem eher klapprig wirkenden Regal an der Rückwand des großen Raumes mit einigen altmodischen Werkzeugen darin, einer handvoll mottenzerfressener Teppiche und ein paar schmutzigen Eimern, alten Stricken und Sackleinen. Mit einem Schulternzucken hatten Ella und sie sich zunächst zwei Bürsten aus dem Regal geschnappt und begonnen, den gröbsten Schmutz nach draußen zu kehren, während Mando und Sipho sich stillschweigend nach draußen verzogen hatten, um Feuerholz zu beschaffen. Nun ließ sie sich schulternzuckend auf den Mühlstein sinken. "Im Moment noch nicht allzu viel, fürchte ich", versetzte sie mit einer hilflosen Geste, "Wir müssen wohl erst noch ein bisschen aufräumen..." Damit wies sie auf all den Staub und die vielen Spinnenweben, die sich in den Deckenbalken eingenistet hatten. Kurz folgte Texomon ihrem Blick, dann hob er die Hände über die Schnauze. "Alle Mal aus der Bahn", rief er warnend, ehe er einen gebündelten Wasserstrahl an die Decke schoss. Ella sprang mit einem ganz und gar ungewohnten Quietschen zur Seite. "Was machst du da!", rief sie, "Dann wird ja alles nass!" "Ist aber eigentlich keine dumme Idee, erstmal den Hochdruckreiniger anzuwerfen", hielt Neru dagegen, "Los, Evoli! Hilf ihm!" "Wird gemacht!", entgegnete Evoli munter, sprang von dem Balken, auf dem sie gekauert hatte zu Boden und glühte blau auf. Im nächsten Augenblick spritzten sie beide um die Wette und Neru nahm Ella die Bürste aus der Hand, um seiner Schwester dabei zu helfen, das Wasser nach draußen zu wischen. "Immerhin wird so auch der Boden sauber", beantwortete Nerina Ellas fragenden Blick. Nach nicht einmal fünf Minuten war das Innere des Raumes auf Hochglanz poliert und Texomon schickte mit vorsichtigen Feuerstößen Dampfschwaden von den triefenden Wänden in die Luft, die träge durch die offenen Fenster hinauszogen. Ella besah sich das Werk der Iramon kritisch, schien sich dann aber einen Ruck zu geben. "Taubsi!", wandte sie sich an ihr eigenes Iramon, "Wenn du Kramurx wirst und den Windstoß einsetzt, kannst du ihm vielleicht helfen, die Balken wieder zu trocknen!" "Und wir anderen wischen mit ein bisschen von dem Sackleinen da den Boden ab, komm, Evoli!", ergänzte Neru. Als Sipho und Mando zurückkehrten, trauten sie zunächst ihren Augen nicht. Texomon hockte im Schneidersitz auf dem inzwischen schon beinahe trockenen Mühlstein und schickte Flammenzunge um Flammenzunge in die Höhe, während Kramurx' Windstöße den Dampf hinfort trieben und die Mühle in mysteriösen Nebel hüllten. "Jetzt bräuchten wir nur noch ein paar Möbel!", schlug Nerina vor, als die Balken allenfalls noch etwas feucht glänzten. Die Sache begann allmählich, ihr Spaß zu machen. "Komm, Texomon! Wir gehen raus in den Wald und schauen, ob wir mit deinem Eisenschweif ein paar Hocker machen können! Den Mühlstein können wir, denke ich, als Tisch benutzen!" "Au ja!" Begeistert folgte Texomon ihr bis hinter das Mühlgebäude, wo ein dicker, umgestürzter Baumstamm im hohen Gras lag. "Meinst du, du kannst ihn in kleine Stücke hacken, sodass man darauf sitzen kann?", fragte Nerina eifrig. Texomon besah sich den Stamm kurz, dann nahm er Anlauf. Erneut glühte sein Schwanz silbern auf, als er zuschlug und tatsächlich schnitt er eine nicht zu verachtende Kerbe in das Holz. Zwei Schläge später war der erste Hocker abgetrennt und Nerina probierte ihn gleich aus. "Sitzt sich nicht schlecht", wandte sie sich an Sipho, der ihnen gefolgt war und die Szenerie skeptisch von der Ecke aus beobachtet hatte, "Nur noch ein bisschen rauh..." "So trainierst du also seinen Eisenschweif, verstehe", erwiderte Sipho nachdenklich, während Texomon bereits erneut auf den Stamm eindrosch, "Nun ... Rauh, das können wir ändern! Nidoran! Glaubst du, du könntest den Hocker nochmal mit deinem Sandsturm glattschmirgeln?" "Sicher!", erwiderte Nidoran und hüllte sich noch beim Sprechen in rosane Evotationsblasen. Nerina schaffte es gerade noch, aus der Bahn zu springen, bevor Nidoking mit den Füßen über den Boden scharrte und den Baumstumpf-Hocker mit Sand beschoss. Als er ihn kurze Zeit später wieder aus der neuentstandenen Sanddüne ausgrub, hatte der Sand die morsche Rinde heruntergeschliffen und alle Ecken und Kanten wirkten weich und angenehm. "Super Arbeit, ihr zwei!", lobte Nerina ausgelassen, "So kriegen wir schonmal schöne, handliche Stühle!" "Macht ihr mir eine Sitzstange?", fiepte Taubsi begeistert von der Regenrinne und Evoli, die neben sie geklettert war, ergänzte: "Und mir einen höheren, damit ich an alles rankomme?" "Hmmm, schwierig", entgegnete Texomon und versuchte, mit den Klauen die Umrisse einer Sitzstange in die Oberfläche eines der längeren Holzstücke zu zeichnen, "Aber wenn ich ganz vorsichtig..." "Was können eigentlich wir tun?", fragte Evoli nach einer Weile, als er nicht weitersprach und Nerina stellte peinlich berührt fest, dass sich alle Blicke auf sie richteten. Offenbar hielten ihre Kameraden ihre ganzen, spontanen Einfälle für ausgeklügelte Trainingseinheiten. Belustigt schmunzelte sie in sich hinein. Na umso besser! "Du und Neru könntet Mando suchen und ihm mit dem Feuerholz helfen", schlug sie vor, "Und wenn ihr fertig seid, könnt ihr mit euren Rasierblättern vor dem Haus den Rasen mähen, damit wir nicht immer mit der Machete losmüssen, wenn wir zum Bach wollen..." Als sie sich bei Anbruch der Dämmerung erneut in dem großen Raum mit dem Mühlstein wiedertrafen, war die alte Mühle kaum wiederzuerkennen. Ella hatte die Feuerstelle in Ordnung gebracht und ein munteres Feuer prasselte im Kamin. Der Boden war blitzblank und Ella hatte mit Kramurx Hilfe sogar einige der alten Teppiche vom Jahrelangen Staub befreit und möglichst weiträumig darin verteilt. Um den Mühlstein stand eine kuriose Sammlung verschiedenster Sitzgelegenheiten, in die Nidoran mit seinem Horn sogar die Namen ihrer zukünftigen Besitzer geritzt hatte und vor der Tür erstreckte sich ein breiter Streifen ordentlich gestutzten Rasens bis hinab zum Bachufer. "Na, wenn wir so weitermachen, wird das ein Palast, bis wir ausziehen!", kommentierte Nerina. Ella schürzte die Lippen. "Für die nächsten Tage sollten wir am besten tatsächlich hierbleiben", meinte sie, "Auch wenn wir es ein bisschen eilig haben, aber unser Auftritt in Marmoria hat ein bisschen zuviel Staub aufgewirbelt. Am besten, wir warten erstmal ab, bis sich die Wogen geglättet haben - und ein bisschen Training schadet zwischendurch ja auch nicht." Bei ihren Worten zogen die Iramon lange Gesichter. "Mein Eisenschweif ist schon viel stärker geworden", versuchte Texomon einen Vorstoß und Nidoran ergänzte: "Und der Sandsturm macht viel mehr Spaß, wenn man ein Ergebnis sieht!" Hilfesuchend sah Ella zu Nerina hinüber, die allerdings nur unschuldig lächelte. "Oh, es gibt noch jede Menge Aufgaben im Haushalt", überlegte sie eifrig, "Wir könnten uns eine Wasserleitung vom Bach her bauen und auch noch ein paar weitere Möbel wären nicht schlecht!" "Und wir könnten uns einen heißen See graben, wie Eich einen hat!", rief Texomon aufgeregt, "Wir könnten ihn mit Bachwasser auffüllen und dann machen wir außenrum Feuer, dass er heiß wird!" "Oder darunter!", ergänzte Mando und fügte gleich noch hinzu: "Und wir könnten einen Wagen bauen und drüben auf der anderen Seite des Tals Steine holen für einen Weg bis zum See!" "Und einen Gartenzaun bauen!", rief Sipho. "Und aus den Leinensäcken Matratzen nähen und sie mit dem Heu füllen, das ihr gemäht habt", wagte Ella einen Vorstoß. "Und das Mühlrad reparieren und damit unser Wasser vom Bach raufpumpen!", schlug Neru vor. Erstaunt hielten sie inne und sahen sich verwundert an, dann brachen sie alle in Gelächter aus. "Aber zuerst sollten wir trotzdem erstmal was essen, sonst knabbert Texomon heute Nacht den Mühlstein an", kicherte Nidoran und kassierte einen scheelen Blick von seinem immernoch um einige Köpfe größeren Iramon-Freund. "Oder kleine, rosane Fleischbällchen", versetzte er und ließ genüsslich die Klauen klacken. "In diesem Fall", entgegnete Nidoran schnell und lief zu der großen Tasche mit Lebensmitteln, die Professor Eich ihnen mitgegeben hatte, "Sollten kleine, rosane Lebewesen lieber schnell für Ersatz sorgen..." Als er jedoch die Tasche aufklappte, fanden sie darin wenig Erfreuliches. "Reis", kommentierte Ella trocken, als sie ihm über die Schulter blickte, "Jede Menge Reis, ein Bund Karotten, Müsli, Milchtüten, Eier, Mehl und Trockenhefe... und ein bisschen Dosenfutter. Na, damit kommen wir ja nicht grade weit..." "Könnten wir nicht Kekse draus machen?", fragte Evoli hoffnungsvoll, "Silena hat die auch aus Mehl gemacht..." "Für Kekse braucht man aber noch mehr wie nur Mehl", entgegnete Neru beschwichtigend, hob dann jedoch begeistert den Blick. "Hey, wir könnten Pizza machen! Mehl, Trockenhefe und Wasser haben wir ja und aus den Dosen lässt sich sicher was machen!" "Und wo sollen wir die backen?", fragte Ella mit gerunzelter Stirn. "Auf dem Mühlstein", entgegnete Mando schulternzuckend, "Ich hab in Eden gesehen, wie ein Lohgock auf die Weise ein ganzes Restaurant geschmissen hat. Arkani bringt das Ding sicher zum Glühen..." "Wie genau war eigentlich die Feuerprüfung?", fragte Ella nach einer kleinen Weile leise, während sie von irgendwo aus ihrer Ausrüstung eine ziemlich ledierte Schüssel zauberte, Mehl und Hefe darin vermischte und dann soviel von dem Wasser aus Nerinas Eimer darüberschüttete, bis das ganze zu einer herrlichen Matschepampe verlief. Begeistert stellte Nerina den Eimer beiseite und die beiden begannen, zu kneten, indem sie den werdenden Teig gründlich durchwühlten. "Naja...", beantwortete Nerina die Frage schulterzuckend, "Ziemlich abwechslungsreich. Das schönste waren eigentlich die Feuersäulen..." und sie erzählte Ella und alsbald auch den anderen, wie sie damals mit Texomon durch die Feuersäulen getanzt war. "Es war Texomons Idee", schloss sie gedankenversunken, "Und er hatte recht! Es war klasse! Wie wenn ich selbst ein Feuerwesen wäre, eigentlich mehr ein Feuergeist... Ach, das ist so schwer zu beschreiben..." Neru und Mando wechselten einen seltsamen Blick, dessen Bedeutung sich Nerina nicht vollkommen erschließen wollte, doch Ella unterbrach ihre Gedanken. "Das ist total anders, als bei meinen Prüfungen", sagte sie leise und betrachtete schwermütig ihre Brosche, "Unlicht war so gruselig. Dauernd kamen irgendwelche Schatten aus den Winkeln dieser Höhle und schlichen um uns herum. Moony hat hinterher gemeint, man hätte selbst zum Schatten werden müssen - aber das konnten wir einfach nicht. Wir haben sie ferngehalten..." "Ihr habt bewiesen, dass ihr mit dem Element Wasser zurechtkommt", zitierte Neru gedankenversunken, was Dew ihm und Evoli einst mitgeteilt hatte, als sie müde und erschöpft aus seiner Prüfung gekrochen waren, "Tja... Und auch damals hatte Nerina einfach nur Spaß - und dabei war es dieselbe Prüfung... Sie kam nicht nur mit dem Wasser zurecht - Texomon ist darin buchstäblich aufgegangen. Darum hat er dann wohl auch Seedraking bekommen..." "Ich glaube, die Iramon können die Prüfungen einfach besser als wir..." Peinlich berührt lächelte Nerina in die Runde. "Naja... Die meisten, tollen Ideen kamen von Texomon. Ich hab ihm einfach nur vertraut..." Auch dieser Kommentar löste betretenes Schweigen aus und Nerina spürte, wie sie rot anlief. "Naja... So hat halt jeder seine Methoden...", versuchte sie, die unangenehme Situation loszuwerden, trug die Schüssel zum glühendheißen Mühlstein und verscheuchte das flammenspeiende Arkani mit einem Stups auf die Schnauze, bevor sie die Schüssel umdrehte und der weiche Teig sich über den Stein ergoss. Mit einer Art Eisenkelle drückte Mando ihn platt, dann warfen er, Neru und Sipho wild alles darauf, was sie als Belag auserkoren hatten und alle nahmen sie auf ihren seltsamen Hockern platz und sahen gespannt dabei zu, wie der heiße Stein den Pizzaboden goldenbraun buk. "Wir müssen uns dringend Spielkarten oder ein Monopoly besorgen", schlug Neru lachend vor, als sie die Pizza direkt vom Stein gegessen und mit einer kleinen Aquaknarre und einem Leinenlumpen die Oberfläche poliert hatten. "Oder eine Flasche", grinste Sipho, "Für Flaschendrehen..." "Aber erstmal schauen wir uns an, wo wir schlafen können!", rief Ella vehement dazwischen und Nerina stellte verblüfft fest, dass ihr die Röte ins Gesicht stieg. Offenbar spielte sie Flaschendrehen überhaupt nicht gerne... Der Heuboden der Mühle war ebenfalls staubig und alt und das Stroh, das darin lag, wirkte wenig vertrauenerweckend, sodass sie beschlossen, es bei nächster Gelegenheit durch neues zu ersetzen. "Außerdem sollten wir uns eine Öllampe machen", brummte Mando, als er sich schon zum dritten Mal den Kopf an einem der niedrigen Deckenbalken anstieß, "Beim Steinbruch hab ich Tonerde gesehen und Fett sollte ja irgendwo aufzutreiben sein." "Wir haben noch jede Menge vor", sinnierte Neru und schlug kurzerhand sein ramponiertes Swag an der nördlichen Stirnseite der Dachkammer auf und legte sich gähnend hinein. "Ja - und wenn uns trotzdem langweilig wird, fahren wir wieder Wasserski - auf dem See im Tal!", träumte Evoli und sprang glücklich auf seine Brust. "Wir könnten ja eine Art Wasser-Handball draus machen!", schlug Sipho eifrig vor, "Aquana und Seedraking könnten ja Rosana und Botogel ziehen - oder so in der Art." "Und ich versuch mal diese ominöse Windhosen-Attacke", verkündete Texomon verträumt und kletterte wie selbstverständlich in Nerinas Swag, das sie unter einem der Dachfenster ausgerollt hatte. Nidoran sah verstohlen zu Sipho hinüber, der ihm offenbar nur einen Heuhaufen neben seiner Luftmatratze zugestehen wollte. Ein wenig verlegen blickte dieser nun zwischen Nidoran, dem, auf einem Deckenbalken schlafenden Taubsi über Ellas Kopf und dem friedlich in Nerus Arme gekuschelten Evoli hin und her - und rückte schließlich seufzend auf die Seite, um seinem Iramon Platz zu machen. "Schlaf gut, Nidoran", murmelte er und ein Lächeln stahl sich auf Nerinas Gesicht, als sie bemerkte, wie Nidoran wie zufällig eine Pfote hob und die Krallen in Siegerpose spreizte, worauf Texomon anerkennend nickte. Offenbar hatte er dem kleineren Gift-Iramon den Floh ins Ohr gesetzt und mit wohlwollendem Tadel stupste sie ihm einen Finger auf die Schnauze. "Du kleiner Racker", flüsterte sie und streichelte ihm stolz den weichen Echsenbauch, "Ich bin froh, dass ich dich habe!" "Und ich bin auch froh, dass ich mich wiederhabe", erwiderte Evoli schnurrend von Nerus Bauch und Neru, Nerina und Texomon brachen in leises Lachen aus. Es war einfach nur schön, Neru und Evoli wieder dabei zu haben - und eine Ella und einen Sipho, die nicht mehr ganz so verbissen an ihrem Training festhielten. Eigentlich sollten wir Team Rocket dafür danken, dass sie uns mit Marmoria so eine tolle Zeit ermöglicht haben, dachte Nerina noch mit einem Schmunzeln, dann schlief sie ein. >>>Neru<<< "Was machst du da?", fragte Nidoran interessiert und Neru sah auf. Das kleine, rosafarbene Pokemon war wie ausgewechselt. Die Nähe zu Texomon schien ihm offensichtlich gut zu tun. "Ich überlege, wie wir hier fließendes Wasser hinbekommen können", erklärte Neru. Nidoran legte den Kopf schief. "Wofür braucht man denn fließendes Wasser?" "Naja..." Neru überlegte kurz, wie er dieses Projekt plausibel erklären konnte, immerhin konnten Texomon und Aquana ja selbst Wasser produzieren. "Wir planen diese Mühle hier als langfristigen Stützpunkt", sagte er geheimnisvoll und senkte dabei die Stimme, "Nun stell dir mal vor, wenn Taubsi und du mal alleine hier seid, dann müsstet ihr für alles, wofür man Wasser braucht, ja hinunter zum See laufen und es holen. Wenn wir uns aber eine Wasserleitung bauen, umgehen wir das Problem." Nidoran legte den Kopf schief. "Das ist auch von Vorteil, wenn wir angegriffen werden würden, oder?" Neru nickte begeistert, dass Nidoran jetzt auf den Zug mit aufgesprungen war. "Was hast du dir denn überlegt?", schallte eine Stimme von dem Deckenbalken herunter, und Evoli ließ sich selbstbewusst neben ihm ins Heu fallen, während sie nach dem Blatt Papier, auf dem Neru begonnen hatte, seine Ideen festzuhalten, interessiert Ausschau hielt. "Och, noch nicht all zu viel", erklärte Neru in unschuldigem Ton. "Na dann, lass mal hören", mischte sich nun auch Texomon ein, der wie zufällig gerade die Leiter nach oben kam und der offenbar alles schon mitangehört hatte und die Iramon bildeten einen kleinen Halbkreis rund um Neru und sein Blatt Papier. "Nun...", Neru stockte. Eigentlich hatte er sich noch keine wirklichen Notizen gemacht. "Nachdem wir gestern Abend mit der Idee kamen, hab ich mir gedacht, wieso das alte Mühlrad nicht ausnutzen und uns eine kleine Wasserleitung nach hier drinnen legen? Wir könnten zum Beispiel Eimer oder etwas ähnliches außen am Mühlrad befestigen. Wenn der Eimer unten ist, läuft Wasser hinein und wird dann von dem Mühlrad nach oben transportiert. An einer Stelle entleert sich der Eimer dann wieder." "Und wir können es auffangen und für uns nutzen!", stellte Texomon fest. "Genau", Neru nickte. "Wir müssten nur überlegen, wie." "Nun, die Eimer könnte man aus Kokosnüssen machen!", erklärte Evoli, "Sie sind zwar klein, aber Zeit hat man dabei ja immens." "Nicht unbedingt", widersprach Nidoran, "Stell dir mal vor, wie lange es dauern würde, ein schönes Bad einzulassen, wenn das in Nussschalengeschwindigkeit ginge." "Nun ja, zugegeben..." Evoli legte ein Ohr schief und schien angestrengt nachzudenken. Texomon besah sich nun ebenfalls die Zeichnung, die Neru von dem Mühlrad angefertigt hatte. "Wir bräuchten etwas, das das Wasser auffängt", erklärte er, "Vielleicht so etwas wie ein großes Fass." "Genau!" Evolis Ohren stellten sich aufgeregt auf. "Wenn wir das Wasser erst sammeln, kann man es flüssig ablassen." "Das ist eine gute Idee. Bleibt nur noch die Frage, wie das Wasser dann von draußen hereinkommt." "Nun, wir bräuchten innen vielleicht auch so eine Wanne", mutmaßte Nidoran, "Dann kann man die beiden vielleicht verbinden?" "Oder ein Loch machen und es verstopfen." Die Iramon schienen in Fahrt zu kommen. "Ich hab bei Neru zu Hause Wasserhähne gesehen", erklärte nun Evoli stolz. "Aber wir haben hier keine Wasserhähne!", fuhr ihr Texomon über die Schnauze, "Aber wir könnten das Becken hier drinnen groß genug machen zum drinnen schwimmen." Evoli zog angeekelt die Nase kraus. "Und dann aus dem Wasser trinken, in dem du geschwommen bist? Wie eklig!" Kurzum, die Diskussion begann, sich mit handfesten Argumenten zu tragen. "Wie wäre es mit einem kurzen Rohrstück, bevor das Wasser in den Bottich kommt?", erklang nun eine Stimme von oben. Neru sah auf. Taubsi saß auf einem der Dachbalken und ließ sich nun elegant neben den anderen Iramon im Stroh nieder. "Dann hat man immer Frischwasser, wenn man es braucht." "Aber läuft dann nicht alles über?", wollte Evoli wissen, "Man kann die Höhe des Wasserstandes nicht mehr regulieren." "Wir bräuchten einen Abfluss!", ereiferte sich Texomon, "Wenn das Wasser abfließen würde, bevor der Bottich voll wäre..." "Das kann man vielleicht mit einem weiteren Rohrstück machen!", erwiderte Evoli, "Eines, das dann halt wieder nach draußen geht." Bestätigendes Gemurmel machte die Runde. Neru hatte ein wenig mitgezeichnet und jetzt lag vor ihnen die Skizze eines Wasserrades mit Kokosschalen, deren Wasser dann in einen großen Bottich umgeleitet wurde. Unten am Bottich kam ein kleines Röhrchen heraus, welches ins Zimmer kam und dort wie ein kleiner Brunnen dann einen weiteren Bottich füllte. Von dort aus ging ein weiteres Röhrchen kurz unterhalb dem Rand des Bottichs wieder nach draußen. "Was macht ihr denn da?" Nerina steckte den Kopf durch die Bodenluke und sah interessiert nach oben zu Neru und der Versammlung von Iramon. "Wir haben einen Bauplan gemacht", erklärte Nidoran mit stolz geschwellter Brust. "Für eine Wasserleitung", erläuterte Evoli. "Damit man hier schwimmen kann", erweiterte Texomon. "Und, damit man immer Trinkwasser hat", schloss Taubsi. Nerina sah skeptisch zu ihrem Bruder hinüber. "Na, das müsst ihr uns unten mal zeigen." Begeistert sprangen oder flogen die Iramon die Leiter hinunter, Texomon rutschte auf der Seite hinab und als Neru endlich die Leiter hinter sich gelassen hatte, waren die Iramon schon dabei, den anderen Menschen ihren Plan zu erläutern. Neru legte die Skizze auf die große Steinplatte, während er die Ausführungen der Iramon um ein paar logische Punkte erweiterte, sodass auch die anderen verstanden, um was es ging. "Das klingt echt cool", bemerkte Sipho und Mando nickte zustimmend. "Das klingt nach einer ziemlichen Sauerei, wenn ihr mich fragt", widersprach Ella skeptisch. "Aber wenn ihr alle glaubt, dass es klappt, können wir es versuchen", erwiderte sie auf die Blicke der anderen Menschen hin. "Ich weiß, wo wir Ton finden können, für die Schalen", erklärte Mando, "Weiter oben im Steinbruch hab ich welchen gesehen." Neru nickte. "Ich könnte dir helfen ein wenig davon hervorzukratzen, aber es wird ewig dauern, den Ton hier herunterzutransportieren." "Ich kann ihn ja liefern", warf Taubsi ein und Ella warf ihr einen verstörten Blick zu. "Das trainiert dann...", Taubsi stockte." Ausdauer", warf Texomon ein. "Genau! Ausdauer", Taubsi schien erleichtert. "Ich kann Kokosnüsse holen gehen", meldete sich Sipho zu Wort. "Und vielleicht ein wenig von dem Bambus", warf Neru ein, "Ich hab gesehen, hier wächst ein wenig davon. Das können wir als Rohre benutzen." "Ich denke, Reptain kann dir dabei helfen", warf Mando ein und Reptain nickte. "Reptaain", erklang es. Texomon und Nidoran wurden wieder für die Holzbearbeitung für das Herstellen von Stützpfeilern und das Brennen von Ton eingeteilt und in Windeseile verstreuten sich alle. Als Neru nach ein paar Stunden des Ton- und Erdekratzens wieder mit Mando zurück zur Mühle kam, sah er die ganze Ebene von Geschäftigen umwuselt. Texomon und Nidoran waren gerade dabei, neben der Mühle einen halben Baum im Boden zu versenken, um ihn als Stützpfeiler zu verwenden, während die Mädchen dabei waren, zwei riesige Bottiche aus Holz mit Ton auszukleiden. Folipurba und Reptain übten sich daran, Kokosnüsse zu knacken, das Fleisch und den Saft zu sammeln und dabei in Schalen zu verwahren. Ein kleiner Stapel von geborstenen Schalen zeugte von einigen Misserfolgen. Doch einige der Gefäße waren auch schon fertig und Taubsi flog am Mühlrad auf und ab und versuchte, sie zu befestigen. Neru und Mando machten sich sofort an die Arbeit und versuchten zu helfen, wo man helfen konnte. Während Neru dabei half, die Lehmschalen unter Zuhilfenahme von Texomons Glut zu brennen - Sie mussten gut zusammengepresst werden - beschäftigten sich Mando und Sipho mit dem Bohren der Löcher und dem Einpassen der Bambusrohre. Nidorans Nidoking-Form eignete sich dafür perfekt. Wenig später konnten sie auch schon damit anfangen, die gigantischen Schalen nach drinnen zu schleppen und oben auf dem, von Texomon und Nidoran geschaffenen Holzsockel zu stellen. Die letzten Kokosnussschalen wurden befestigt und alle halfen mit, schiebend, ziehend flügelschlagend und rankendrückend, die äußere Schale an ihren Platz zu bringen. Mit ein bisschen Ton wurde auch diese befestigt und alle ächzten und schwitzten, während sie versuchten, die Schale an Ort und Stelle zu halten, während Texomon den Ton brannte. Als Neru in das Innere der Mühle schaute, sah er sofort die große, verzierte Wanne an einer Seite des großen Raumes stehen. Nerina und Ella hatten sich die Mühe gemacht, kleine Verzierungen an ihrer Seite anzubringen. Gebannt versammelten sich alle um die Schale und als Texomon den Stöpsel aus dem Bambusrohr, ihrem neuen Wasserhahn, zog, plätscherte das Wasser fröhlich nach drinnen. Jubelnd und ziemlich erschöpft fielen sich alle in die Arme. "Das wäre geschafft", brummte Texomon, "Dann steht einem Bad ja nichts mehr im Wege!" Skeptisch betrachtete er die noch kleine Pfütze in der großen Wanne, die er zusammen mit Ella und Nerina aus drei dicken Baumstammstücken gefertigt hatte. "Ich geh runter zum See." Damit verschwand sein blauer Rücken und auch der von Aquana aus der Mühle. Neru ließ sich zufrieden auf einem der Hocker am Mühlstein nieder. "Ich hätte nie gedacht, dass das so ein Aufwand werden würde", brummte er. "Aber es hat sich gelohnt", erwiderte Ella und Nerina pflichtete ihr bei. "Heute Abend gibt es Suppe aus dem neuen Wasserhahn." Neru hatte sich gerade wieder gemütlich im Stroh ausgestreckt, als von draußen ein ohrenbetäubendes Getöse an sein Ohr drang. "Was zum...", rief er aus und folgte den anderen, die nach draußen rannten. Zuerst sah sich Neru nach der Konstruktion des heutigen Tages um. Es war immerhin möglich, dass irgendetwas davon nicht gehalten hatte, doch das Wasser plätscherte fröhlich vor sich hin und nichts wies auf die Quelle des Lärms hin. Doch der Lärm kam gar nicht von der Mühle, sondern vom See. Langsam ließ Neru den Blick hinunter zum See gleiten und erstarrte. Vor ihm erstreckte sich eine gewaltige Wassersäule mindestens zehn Meter in die Höhe. Am Boden konnte er etwas unglaublich schnell rotieren sehen. "Was ist das?", rief Nerina aus. "Sieht aus, wie eine Windhose", erwiderte Ella skeptisch und besah sich die Wassermassen, die sich in den Himmel schraubten, genauer. Schon hatte sie ihren Pokedex in der Hand und schlug die Attacke nach. "Ja", rief sie aus, "Das ist die Drachenattacke 'Windhose', genau so, wie sie beschrieben gehört. Nur noch ein wenig klein." "Das nennst du klein?", fragte Sipho seine Schwester mit vom Staunen geöffneten Mund, "Ich will gar nicht wissen, wie stark die ist." Ein Lächeln blitzte um Ellas Mundwinkel auf. "Die Stärke können wir in einem kleinen Schaukampf herausfinden." Nerina sah sie skeptisch an. "Nur zum Test", erwiderte Ella beruhigend, "Wir könnten Kramurx' Stärke dagegen ausprobieren." Bei diesen Worten brach die gigantische Wassersäule in sich zusammen und gab den Blick auf ein jubelndes Seedraking frei. "Ich hab´s geschafft!", rief es den Menschen zu, die, weil sie zum See hinunter gegangen waren, die Flutwelle fast von den Beinen gewischt hätte. "Wir würden gerne herausfinden, wie stark deine Attacke ist", rief Ella ihm zu, während sie sich den Schlamm von der Hose wischte, "Wir dachten an einen Probekampf gegen Kramurx." Seedraking neigte sich vor und zurück. "Nun, wenn es denn sein muss", rief er aus und bei diesen Worten schraubte sich ein riesiger, schwarzer Rabe in die Luft. Seedraking begann, langsam wieder im Kreis zu rotieren, während Neru seinen Pokedex zog. Hatte er nicht letztens erst ein Programm entdeckt zur Levelmessung von Attackenstärken? Der Kampf begann aktiongeladen. Die Massen aus Wasser und Wind schraubten sich noch höher als zuvor in den Himmel empor und wischten dabei fast Kramurx aus seiner Flugbahn. "Kramurx, Finte!", rief ihr Ella zu und Kramurx nickte. Ruckartig ging sie tiefer und begann zu taumeln. Für einen Moment sah es fast so aus, als würde sie abstürzen, dann fing sie sich wieder und kam mit ein paar Flügelschlägen wieder an ihre Ursprungsposition heran. Ella versuchte es mit ein paar weiteren Attackenserien. "Streng dich an, Kramurx", rief sie dem schwarzen Vogel-Unlicht-Pokemon zu, "Er ist levelmäßig unter dir! Du kannst ihn schlagen!" Kramurx legte sich mächtig ins Zeug, während Neru abwechselnd den Ladebalken seines Pokedexprogrammes und dann Kramurx erfolglose Versuche, Seedraking näher zu kommen, beobachtete. Egal, was das Unlichtpokemon auch tat, es schien nicht an Seedraking heranzukommen. Selbst ein direkter Sturzflug mit angelegten Flügeln endete irgendwann in den schnell rotierenden Wassermassen. "Ich versteh das nicht", ließ Ella ihrer Frustration freien Lauf, während Nerus Programm die Berechnung durch ein paar Leveldaten von Kramurx vervollständigte. "Kramurx hat doch ein viel höheres Level", pflichtete Sipho seiner Schwester bei. "Nein", brachte Neru außer Atem hervor, "Die Attacke von Texomon liegt im Bereich von Level 48, das heißt zwei Level über der von Kramurx." "Das ist unmöglich", widersprach Ella, "Seedraking hat erst Level 38! Wie sollte er eine solche Attacke herausbringen?" Neru überprüfte die Daten erneut. "Das Programm ist von Professor Eich", widersprach er, "Die Angriffswerte der Attacke liegen auf astronomischer Höhe." Staunend besahen sich die anderen Trainer die Tabelle, die Neru auf seinem Pokedex anzeigte. "Hey! Was ist das?", fragte Texomons Stimme. Er schwankte ein wenig, als er aus dem Wasser kam. "War ich nicht gut?" Er hielt ein ziemlich zerrupft aussehendes und nebenbei klitschnasses Taubsi in den Klauen. >>>Nerina<<< "So macht man also Tornados", gähnte Texomon und räkelte sich müde auf dem Teppichfetzen vor dem Feuer, den Kopf wie üblich auf Nerinas Schoß gebettet, "Hätte gar nicht gedacht, dass das so gut funktioniert!" "Wir auch nicht", entgegnete Nerina leise und streichelte ihm den inzwischen schon wieder warmen, gelben Bauch, "Du hast uns alle wirklich überrascht!" Träge öffnete Texomon ein Auge, um zu ihr aufzublicken. "Warum eigentlich?", sprach er nun offenbar endlich aus, was ihm seit seiner Rückverwandlung auf der Seele brannte, "Ihr habt alle so verdutzte Gesichter gemacht!" Nerina grinste frech. "Die Jungs waren der Meinung, dass du so stark gar nicht sein dürftest - aber die haben dich ja auch nicht gegen dieses Magmar kämpfen sehen!" "Aber gegen Jugong und Garados", mischte Mando sich ein, als er mit einer Tasse Tee in jeder Hand zu ihnen trat und sich neben sie auf den Boden hockte. Reptain versuchte, Texomons bequeme Pose einzunehmen, doch schien er mit seinem Doppelschwanz nicht sorecht wohin zu wissen. Nerina warf ihm einen fragenden Blick zu und bekam eine der Teetassen zur Antwort. "Das mit Jugong und Garados war doch bloß ein billiger Trick", ereiferte sich Texomon schnaubend, "Ich hab nicht wirklich gekämpft - und auch die Hundemon hab ich nicht besiegt, höchstens überredet - und das kann man auch schon auf Level eins." "Ja und nein", entgegnete Mando nachdenklich, zog seinen blausilbernen Pokedex heraus und hielt ihn so, dass auch Nerina und Texomon das Display sehen konnten. Er zeigte noch einmal die Szene, wie Arkani durch die Reihen seiner Angreifer gebrochen war, kleinere Normalpokemon mit seinen Pfoten aus der Bahn wischend und den Angriffen der größeren ausweichend. "Siehst du?", sagte Texomon nach einer kleinen Weile, "Kein einziger, richtiger Kampf." Mando legte den Kopf schief. "Aber viele kleine Kämpfe und mehr Treffer auf deine Hinterbeine, als gesund gewesen wäre", entgegnete er ruhig, "Laut den Messungen von Team Rocket solltest du etwa auf Level 35 sein und das ist, denke ich, realistisch. Interessant ist, dass du in deinen Evotationsformen über galaktische Kampfwerte verfügen musst. Zum Beispiel kannst du wesentlich mehr Treffer einstecken als ein normales Arkani und das, was du Glut nennst, sieht schon fast aus wie ein Feuersturm... Ella glaubt, dass Nerus Analyse der Windhose heute Abend falsch ist und, dass Kramurx nur einen schlechten Tag hatte, aber ich bin mir sicher, dass die Attacke so stark ist, weil es eine Drachenattacke ist und schließlich bist du ein Drache." "Werden die arteigenen Attacken nicht immer verstärkt?", fragte Nerina zögernd. Mando nickte. "Schon", sagte er hitzig, "Aber, um wieviel sie verstärkt werden, hängt von sehr vielen Faktoren ab, die man auch wieder in einem Kampfwert zusammenfasst. Seedrakings Verstärkungsfaktor auf Drachenattacken muss enorm sein." "Aber warum?", mischte sich nun wieder Texomon ein. Mando zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung", gestand er, "Normale Seedrakings verstärken Drachenattacken zwar auch, aber laut meinen Daten wesentlich schwächer." "Vielleicht ist es, weil wir die Wasserprüfung so gut gemacht haben?", schlug Nerina vor, "Dew hat doch gemeint, dass möglicherweise eine Iramon-Entwicklung nicht immer gleich aussehen muss. Aquana sieht zum Beispiel Evoli ähnlicher, weil sie mit dem Wasser nicht so warm geworden ist." "Und darum verstärkt Seedraking Wasser- und Drachenattacken und Arkani Feuerattacken", schloss Mando begeistert, "Ja! Das könnte sein!" "Verstärke ich auch irgendwelche Attacken?", fragte Texomon mit einer Stimme, als traue er dieser unerwarteten Wendung der Ereignisse nicht so recht. Nerina zuckte mit den Schultern. "Vielleicht Drachenattacken?", schlug sie vor, "Immerhin bist du ein Drachentyp." Texomon schnaubte winzige Flammen aus den Nüstern. "Wie witzlos, wenn man keine einzige kann." Gerade hob Nerina an, seine eigenen Daten auf ihrem Handy abzurufen, auf das Vater sie ihr mit seiner letzten Email gesendet hatte, als am anderen Ende des Raumes Stimmen laut wurden. Neru, Ella und Sipho hatten sich bereit erklärt, heute Abend das Essen zu kochen und waren schon seit geraumer Zeit an der Vorbereitung von Reis, Karotten, Kokosnussfleisch und einigen anderen Dingen, die entweder aus dem Wald oder Eichs Dosen stammten. "Morgen früh, bei Sonnenaufgang!", scholl plötzlich Evolis helle Stimme über das allgemeine Stimmengewühl, dann sah Nerina Neru und sie auf sich zukommen. "Alles in Ordnung?", fragte sie besorgt, doch Neru ignorierte sie, zog sich nur einen Hocker ans Feuer und ließ sich schwer darauf nieder. "Was zum Henker hast du dir dabei gedacht?", meckerte er und kraulte halb mahnend halb besorgt Evolis kleinen Kopf, "Nidoran ist mindestens zehn Level über dir und hat vermutlich jede Menge Kampferfahrung! Der macht Kleinholz aus dir!" "Was ist denn passiert?", fragte Nerina erneut, diesmal eindringlicher. Evoli legte trotzig die Ohren zurück. "Nachdem Texomon heute Taubsi besiegt hat, ist für Nidoran und sie die Rangfolge verrutscht", entgegnete sie düster, "Darum hat Nidoran mich herausgefordert..." "Und du hast angenommen", bemerkte Texomon trocken. Neru nickte seufzend. "Hat sie", bestätigte er resigniert, "Auch wenn ich keine Ahnung habe, was sie gegen den Hornbohrer oder einen Sandsturm oder Steinhagel tun soll - und wenn sie Folipurba wird, wird er Rosana. Du wirst dir nur wehtun!" Texomon schnaubte erneut, diesmal ringelten die Stichflammen sich schon fast bis zu Nerinas Haaransatz. "Sie ist ein Iramon, Neru! Kein Plüschtier", sagte er grob, "Willst du für sie gegen Gringos Armee kämpfen? Sie wird das schon aushalten und wenn nicht, wird sie daraus lernen." Nicht nur Neru sah verdutzt auf ihn hinunter und kurz entstand eine kleine Pause, dann tappte Evoli vorsichtig zu ihm, bis sie ihm direkt ins Gesicht sehen konnte. "Ich denke, dass ich es schaffen kann", sagte sie langsam, "Nidoking ist anfällig gegen Pflanzen- und Wasserattacken und Rosana ist nicht sehr beweglich... Außerdem glaube ich, dass er recht langsam evotiert." "Das stimmt", warf Nerina ein, "Also, besser gesagt, evotierst du auffällig schnell, Evoli. Ich hatte immer gedacht, dass da jedes Iramon verschieden ist, aber auch Nidoran und Taubsi brauchen genauso lange, wie Texomon, etwa dreieinhalb Sekunden. Nur du bist schneller." "Ja", ergänzte Texomon nachdenklich, "Sie läuft schneller und sie evotiert schneller als jeder andere von uns." "Und ihr Doppelteam ist echt beeindruckend", warf Mando ein, "Ich wollte es ja eigentlich nicht sagen, aber normalerweise können sich die einzelnen Doppelgänger nicht in verschiedene Richtungen bewegen, wie hier..." Mit fliegenden Fingern rief er einen weiteren Film auf dem Display des Pokedexes auf, diesmal zeigte es Neru und Evoli im Vulkangestein vor Rita und Augusto fliehen, wenigsten schob sich Augustos fleischiges Gesicht immer mal wieder ins Bild. Fasziniert beobachtete Nerina, wie plötzlich fünf Evolis in verschiedene Richtungen davonflitzten, jedes einzelne sah täuschend echt aus. Sie schwebten nicht einfach ein paar Millimeter über dem Boden, nein, sie liefen, sprangen über Unebenheiten, duckten sich um Felsen herum, jede Pfote berührte den Boden, jeder Muskel zeichnete sich unter dem braunen Fell ab und sogar die Schatten stimmten hundertprozentig. "Das ist in der Tat phänomenal", kommentierte sie beeindruckt. Neru rückte ein wenig verlegen auf seinem Hocker herum. "Trotzdem werden ein paar Trugbilder und schnelle Beine nicht ausreichen, um Nidoran zu besiegen!", beharrte er, "Du hast sie schließlich fast nie zum Kämpfen eingesetzt!" "Was meinst du?", wandte sich Evoli erneut an Texomon, "Ich meine, du weißt mehr darüber, wie Nidoran und ich kämpfen..." Kurz musterte Texomon sie nachdenklich, dann zuckte er mit den Ohren. "Könnte klappen, wenn du heute Abend nochmal eine ordentliche Runde trainierst..." Kurz entstand eine Pause, dann fragte Evoli leise: "Würdest du mir dabei helfen...?" "Los, Rosana! Setz deinen Blizzard gegen sie ein!", rief Sipho begeistert und das merkwürdige, rosafarbene Pokemon, das Nerina am ehesten mit dem Weihnachtsmann in Verbindung gebracht hätte, hüllte Folipurba in eine Wolke aus kleinsten Eiskristallen. Erschrocken schmiegte Texomon sich noch etwas enger in ihre Arme. "Es ist so kalt!", flüsterte er und unterdrückte ein Gähnen, "Und das am frühen Morgen..." Nerina musste lächeln, auch wenn sie sehr genau wusste, was er meinte. Bis spät in die Nacht hatten Mando, Neru und sie selbst am Ufer des Sees gesessen und Reptain und Texomon hatten die arme Evoli mit allen Regeln der Kunst herausgefordert. Mal hatten sie sie zusammen gejagt, um ihre Wendigkeit zu perfektionieren, dann hatten sie alle zusammen "Doppelteam-Ich-rate-das-Original" gespielt und schließlich hatten die beiden anderen sie in ein Kreuzfeuer aus Glut, Aquaknarre, Rankenhieb, Rasierblatt, Doppelkick, Eisenschweif und Tackle genommen, für die sie jedes Mal in Sekundenbruchteilen die richtige Gestalt hatte finden müssen. Erst weit nach Mitternacht waren sie todmüde in ihre Swags gekrochen und alle außer Neru und Evoli selbst sahen heute Morgen mächtig übernächtigt aus. "Folipurba mag Eis auch nicht sonderlich", murmelte Nerina zurück, "Wollen wir doch mal sehen, was sie gelernt hat..." Im nächsten Augenblick schnappten sowohl Sipho als auch Ella erschrocken nach Luft, als die Eiskristalle von einer riesigen Flutwelle in die Höhe gewirbelt wurden. Die Welle schwoll an, bis ihre schaumige Krone auf Höhe des Scheunendaches in der Luft verharrte, dann brach sie mit einem ohrenbetäubenden Rauschen über Rosanas Kopf zusammen. Prustend paddelte das Eispokemon rückwärts, überschlug sich einige Male und schlug schließlich die Krallen in den bedenklich knarrenden Stamm einer jungen Eiche. "Heute schon geduscht?", fragte Aquana neckisch, wenn auch etwas außer Atem von der anderen Seite der Lichtung. Sipho runzelte die Stirn. "War sie eben nicht noch Folipurba?", fragte er verdutzt, wartete aber keine Antwort ab. "Rosana, Psychokinese!" "Okay!", machte Rosana, ließ sich zurück auf den Boden fallen und breitete die Arme aus. Weißlichgrünes Licht waberte aus seinen Handflächen. Aquana trat unsicher einen Schritt zur Seite, dann glühte sie golden auf und Evoli erschien an ihrer statt, die mit atemberaubender Geschwindigkeit jedem einzelnen der ungesund aussehenden Lichtstrahlen auswich, alsbald begleitet von einer Heerschar an Doppelgängern, die so schnell vor Rosanas Füßen herumflitzten, dass ihm ganz schwindelig zu werden schien. "Sie setzt Agilität ein", erläuterte Neru, offenkundig etwas schuldbewusst, dass Evoli den Kampf alleine zu bestreiten schien, "Und Doppelteam." "Ja - und auch noch gleichzeitig..." Sipho ballte die Fäuste. "Rosana", rief er, "Du musst Nidoking werden! Los!" Jäh rissen die Lichtangriffe ab und eine Woge silbergrauen Mondlichtes verschlang Rosana, um kurze Zeit später Nidoking auszuspucken. Evoli sprang immernoch gelenk um ihn herum, offenkundig wollte sie kein zu direktes Angriffsziel bieten, doch die Schar ihrer Double war merklich geschrumpft. Nicht nur Nidoran schien Gefahr zu laufen, sich zu überanstrengen. "Los, Nidoking! Setz deinen Steinhagel ein!" Mit unheilverkündendem Grollen schwang Nidoking die kräftigen Arme und übersäte die Lichtung so lückenlos mit Felsbrocken, dass auch Evoli der Attacke nicht entgehen konnte. Einer der Felsen traf sie in die Flanke und mit einem schmerzhaften Fauchen sprang sie in die Höhe. Ihre Doppelgänger verpufften wie die Trugbilder, die sie waren, dann blitzte ihr Fell grün auf und im nächsten Augenblick schossen Ranken aus ihren Vorderbeinen, lange, kräftige Lianen, mit denen sie die herankommenden Steine wie Tennisbälle von sich fort und zu Nidoking zurückschleuderte. Kaum ließ der Steinhagel nach, begann ihr Schweif zu glühen. "Und Rasierblatt!", rief sie außer Atem. Die Wolke aus Rasierblättern umgab Nidoking völlig. Sie hackten in seinen steinernen Brustpanzer, schnitten in die ledrige Haut seines Gesichtes und brachten ihn zur Weißglut. Mit einem Hornbohrer stürzte er sich vorwärts, doch Folipurba zerschmolz unter dem Angriff einfach und Evoli schlüpfte zwischen Nidokings Beinen hindurch in die Freiheit, während Nidoking hornvorran im Waldboden steckenblieb. "Das war nicht fair!", kreischte Sipho auf und rannte seinem Nidoran zur Hilfe, das frustriert am Boden hockte, "Wie kann es sein, dass sie so schnell evotieren kann?" "Haben wir halt geübt", versetzte Neru schmunzelnd, hob sein erschöpftes Evoli vom Boden auf und kraulte ihr stolz das goldenbraune Fell, "Ich bin stolz auf dich!", flüsterte er ihr zu, "Das war echt stark!" "Danke!", fiepste Evoli und leckte sich müde die Pfote, "Hat mal jemand ein paar Pokeriegel für einen frischgebackenen Gewinner? Ich sterbe gleich vor Hunger!" >>>Neru<<< "Wie habt ihr das gemacht?", fragte Sipho nun wieder ein wenig ruhiger. "Ja, das würde mich auch mal interessieren", schnappte Ella dazwischen. Neru sah immernoch gedankenverloren auf sein Iramon, auf sein Evoli hinab, das gerade eben Nidoran besiegt hatte. Evoli war am Ende ihrer Kräfte keine Frage, aber sie hatte es geschafft und Neru kamen wieder die Worte von Texomon in den Sinn: 'Sie ist ein Iramon, sie wird es schon schaffen, oder willst du an ihrer statt gegen Gringo kämpfen?' Immer wieder spukten diese Worte in Nerus Geist auf und ab, während er seinem Iramon dabei zusah, wie es einen Pokeriegel nach dem anderen verschlang. Langsam sah er zu Sipho und Ella auf, die ihn immernoch mit fragendem Blick musterten. "Wir haben es geübt", erwiderte Neru trocken. "Man kann das nicht trainieren", erwiderte Ella, "Sipho und ich haben es wochenlang probiert! Die Evotation dauert immer 3,452 Sekunden - und zwar bei jeder Evotation immer zu." Neru starrte sie an. "Und wie zur Hölle schaffst du es, ihr so viel Kraft zu geben und deinen Geist so diszipliniert zu halten?", fragte Sipho in noch aufgeregterem Tonfall. "Was?", Neru sah ihn an, "Welche Kraft?" Ella sah ihn an, als habe er den Verstand verloren. Auch Evoli sah nun auf und blickte in das verdrießliche Gesicht eines ziemlich müden Nidorans und in die verdutzten Gesichter von Ella und Sipho. "Soll das heißen, du gibst Evoli keine Kraft? Musst dich nicht auf ihre Evotationen konzentrieren und ihr so helfen, die Form anzunehmen?" Langsam schüttelte Neru den Kopf. "Fühlst du dich nicht, wie mit einem riesigen, geistigen Staubsauger malträtiert, wenn sie sich entwickelt?", fragte nun Nerina dazwischen, während sie vom Kochtopf aufblickte. Neru schüttelte wieder langsam den Kopf. "Das kann doch gar nicht sein", verkündete Ella. "Ich hab Evoli nie Kraft geben müssen, damit sie evotiert", erklärte Neru nun, "Sie konnte es schon immer einfach so. Auch an der Geschwindigkeit mussten wir kaum arbeiten, sie war da schon immer recht schnell." Ella sah ihn mit einem nachdenklichen Gesicht an und kratzte sich das Kinn. "Das ist vielleicht eine Fähigkeit, die wir nutzen können", erklärte sie mit gerunzelter Stirn. Neru nickte wie in Trance. War es wirklich möglich, dass sie auf eine spezielle Fähigkeit von Evoli gestoßen waren? "Mir ist schon immer aufgefallen, dass Texomon sich langsam entwickelt", erklärte Evoli, "Aber ich hab das immer darauf zurückgeführt, dass seine Formen viel komplizierter und größer sind als meine." "Vielleicht kann sie deswegen so leicht evotieren", fügte Neru hinzu, "Ihre Formen ähneln sich alle stark." Ella runzelte immer mehr die Stirn. "Evoli, das Evolutionspokemon", murmelte sie vor sich hin. Dann rief sie den Eintrag im Pokedex auf. "Evoli, das Evolutionspokemon", spuckte das kleine Gerät mit blecherner Stimme aus, "Evoli ist ein Mysterium in der Pokemonwelt, da es in der Lage ist, seine DNA den äußeren Umständen, mit denen es konfrontiert wird, anzupassen. So kann es sich abhängig von einem Elementstein oder aus der Umgebung heraus zu Aquana (Wasser), Flamara (Feuer), Blitza (Elektro), Folipurba (Pflanze), Glaziola (Eis), Nachtara (Unlicht) und Psiana (Psycho) entwickeln. Über weitere Evolutionen ist noch nichts bekannt, wenn auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass, abhängig von der Umgebung, weitere Evolutionen möglich sind." "Das ist es", rief Ella aus, "Evoli ist das Evolutionspokemon! Vielleicht kann sie dadurch freier auf die Steine zugreifen, da die Kraft zur Evolution bereits in ihren Genen enthalten ist." "Das könnte sein", erwiderte Nerina, "Immerhin ist Evoli auch das älteste der Iramon, da die Professoren ihr Iramonserum zuerst an ihr ausprobiert haben." Ella nickte. "Weil ihre DNA immernoch veränderbar ist, ist sie also in der Lage, den Evotationsvorgang selbst zu steuern. Das ist höchst interessant." Neru nickte. "Das könnte vielleicht noch mal nützlich werden", erklärte er. In seinem Geist flimmerte alles. Fragen und Antworten jagten sich in seinem Geist und ließen keinen Platz für geordnete Gedanken und vernünftige Strukturen. "Nützlich?", Ella lachte auf, "Die Fähigkeit ist so nützlich, dass ich sagen würde, dass ihr zukünftig nur noch das trainieren solltet. Wie genau, finden wir noch heraus." Damit drehte sie sich um und verschwand im Heuspeicher, wahrscheinlich, um noch ein paar Seiten darüber nachzulesen. Neru blieb nachdenklich unten zurück und streichelte seinem Iramon den Rücken. Die Worte von Texomon spukten ihm immernoch im Kopf herum. War es tatsächlich so, dass er Evoli zu arg bemutterte? Kümmerte er sich vielleicht zu sehr um sie? Texomon hatte mit seinen Worten nicht ganz unrecht gehabt, Evoli war eines der vier Iramon. Eines der vier Wesen, die Gringo stürzen sollten. Es kam auf die Iramon an und nicht darauf, was die Menschen leisteten. Die Trainer waren letztendlich nur dafür da, die Iramon auf ihren finalen Kampf vorzubereiten, so, wie das auch bei normalen Pokemon der Fall war. Doch Neru hatte sein Evoli viel zu gern, als dass er mitansehen wollte, wie sie sich verletzte. Neru seufzte. Auf der anderen Seite sprach ja auch nichts dagegen, sich um sein Iramon zu kümmern. Nerus Blick schweifte hinüber zum Feuer und er erinnerte sich wieder an das zurück, was Nerina von Texomons Feuerprüfung erzählt hatte. Texomon hatte sie durch die Flammen geführt und Nerina hatte sich selbst wie ein Feuerwesen gefühlt. Auch erinnerte sich Neru an ihre eigene Normalprüfung zurück, bei der er mehr der ausführende Teil gewesen war - und er erinnerte sich auch an die Worte, die Dew gesagt hatte: 'Ihr kommt mit dem Wasser zurecht!' und genau das war es, was Aquana widerspiegelte. Sie kam mit dem Wasser zurecht, aber sie ging nicht darin auf. Vielleicht war das ja der Fehler gewesen. Es ging gar nicht darum, die Prüfungen zu bestehen, sondern nur darum, wie sehr das Iramon mit dem Element, in dem es geprüft wurde, eins wurde. 'Die Prüfungen dienen als Vorbereitung', hatte sein Vater gesagt. Vielleicht ging diese Vorbereitung weiter, als Neru es gedacht hatte. Vielleicht - nein, ganz sicher sogar, Nerina und Texomon waren der beste Beweis dafür - hing die Stärke der Iramon davon ab, wie sehr sie mit dem Element, in dem sie geprüft wurden, eins wurden. "Neru, Evoli", schallte da plötzlich Texomons Stimme von draußen herein, "Kommt ihr auch mit runter zum See?" Neru sah auf und sah, dass Texomon seinen blauen Echsenkopf zur Tür hereinsteckte und ziemlich aufgeregt aussah. Evoli sah ebenfalls auf. "Was ist denn am See?", fragte sie gut gelaunt. Ihr Sieg schien sie richtig aufgebaut zu haben und ihr Fell glänzte, was ein gutes Indiz dafür war, dass Evoli mit sich und der Welt im Besonderen zufrieden war. "Nerina hat sich ein neues Wasserspiel ausgedacht und wir brauchen noch einen Mitspieler", rief Texomon begeistert. "Oh, da mach ich mit", rief nun auch Evoli und ein blauer Lichtblitz durchflutete die Küche. Dann rannten die beiden blauen Pokemon die Wiese hinunter zum See, dicht gefolgt von Neru. Nerina war in der Tat kreativ gewesen. An zwei Stellen im See ragten hohe Pfosten auf, an deren Spitzen Bretter mit Ringen davor befestigt worden waren. Zwei weitere Bretter trieben träge im Wasser vor sich hin. Auf dem einen konnte man ein Taubsi mühsam das Gleichgewicht zu halten versuchen sehen. Auf dem anderen hielt sich ein Nidoran mühsam fest. Aquana und Texomon sprangen vergnügt ins Wasser, während Texomon ganz aufgeregt erklärte, worum es bei dem Spiel ging, und dabei seine äußere Gestalt, wie Neru bei genauer Beobachtung nun sehen konnte mit Nerinas Hilfe, auf Seedraking änderte. Die beiden Iramon auf den Brettern sollten sich eine Kokosnuss so zuwerfen, dass sie sie immer fangen konnten und dabei trotzdem versuchen, den Weg zum jeweils gegnerischen Tor zu finden, während die beiden Wasserpokemon, in dem Fall Seedraking und Aquana, versuchten, die Bretter immer so hinzuschieben, dass der jeweils andere die Nuss leicht fangen konnte. Erreichte eines der Bretter eines der Tore, konnte das Wasserpokemon des Teams versuchen, die Kokosnuss mit einer gezielten Aquaknarre ins Ziel zu befördern. Bewundernd sah Neru zu seiner Schwester hinüber. Sie war enorm kreativ, was das Erfinden von neuen Trainings oder Spielen anging. In diesem Fall wurde die Koordination und das Einschätzen von Kräften bei allen und das Zielschießen bei Aquana und Seedraking trainiert. Das Spiel begann spannungsgeladen. Seedraking spielte zusammen mit Nidoran und Aquana zusammen mit Taubsi. Nicht selten fiel die Nuss und auch einer der beiden Fänger ins Wasser, bei einem Fall sogar beide, sodass eine wilde Wasserschlacht zwischen den Pokemon nicht zu vermeiden war. Nidoran ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, dass er der Niederlage von heute morgen keine weitere hinzufügen wollte, und das größere Engagement zeigte nach einiger Zeit auch seine Wirkung, als am Ende das 'Seedoran-Team', wie sie es spaßhalber nun nannten, in Führung ging und das 'Aquabsi-Team' immer weiter in Rückstand ging. Neru, Ella, Sipho und Nerina ließen natürlich keine Gelegenheit offen, ihre Iramon anzufeuern, doch nach ein paar weiteren Runden stand das Ergebnis fest und Team Seedoran hatte je einen weiteren Pokeriegel fürs Abendessen gewonnen. Gerade, als sie in Richtung des Hauses aufbrechen wollten, rannte ihnen Mando mit schneeweißem Gesicht vom Haus aus entgegen. "Was ist denn los?", fragte Neru gut gelaunt. Doch Mando sah gar nicht so gut gelaunt aus. "Etwas Furchtbares ist passiert", erwiderte er, "Ich hab vorhin nochmal versucht, mich in das Netzwerk von Team Rocket einzuhäcken..." Er hob seinen Pokedex in die Höhe. "Ein Angriff auf Orania ist geplant und zwar schon für Übermorgen. Ziel ist es, die Elektroarena zu übernehmen und euch eine Falle zu stellen. Ich hab eine Mail abgefangen, die an meinen Vater adressiert war." Damit laß er deren Inhalt vor und auch die Gesichter der Iramontrainer wurden weiß und die Iramon ließen die Ohren und Federn hängen. Ella schlug sich mit der Faust in die Hand. "Wenn die glauben, dass die eine weitere Stadt einnehmen können, haben sie sich aber geschnitten." Neru besah sich Mando noch einmal scharf. "Bist du sicher?" "Vollkommen", erwiderte Mando, "Eine Falle ist ausgeschlossen, da ich mich über einen anderen Account, von dem sie nicht wissen, dass ich den Zugang habe, eingeloggt habe." Neru nickte. "Nun gut", rief nun auch Nerina, "Dann sollten wir uns bereit machen, Orania morgen zur Hilfe zu kommen." "Oder wir können Elektro endgültig abschreiben", fügte Neru noch in Gedanken hinzu und schluckte. >>>Nerina<<< Im Gegensatz zu den anderen Arenen, in denen Nerina bis jetzt gewesen war, wirkte die Elektro-Arena eher klein. Ein einzelner, runder Flecken Sand, keine zehn Meter im Durchmesser, erstreckte sich in ihrer Mitte, umgeben von mehrere Zentimeter dicken Gummimatten, auf denen auch die Trainer standen. "Wofür ist der Boden so weich?", hatte Texomon beunruhigt gefragt, als seine Klauen mit ungutem Quietschen bei jedem Schritt in dem für ihn unbekannten Material versunken waren. Die Elektro-Arena hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass man sie erkannte. Sofort waren Anweisungen gegeben worden, alle fremden auf die Straße zu schaffen und die Tore zu verriegeln, sodass die Iramon nach wie vor sprechen und wie sie selbst aussehen durften, was wenigstens Texomon sehr begrüßt und das lästige Kostüm eines Sandamer abgestreift hatte, an dem Nerina die halbe Nacht gebastelt hatte. "Es ist Gummi", hatte sie ihm erklärt, "Gummi leitet keinen Strom. Es ist sozusagen ein Schutzschild gegen Attacken, die aus Versehen in den Boden abgegeben werden." "Das heißt, so eine Elektro-Attacke kann einfach so wieder aus dem Boden kommen?", fragte Taubsi und plusterte die Federn in einer Art, die Nerina stark an eine Gänsehaut erinnerte, "Das ist unheimlich!" "Bei Blitzeinschlägen ist es so ähnlich", versuchte Ella, zu entkräftigen, "Auch da überträgt sich die Energie über den Boden. Elektro-Attacken sind nichts übernatürliches." Doch Taubsi schien wenig überzeugt. Mit einigen Flügelschlägen hüpfte sie auf Ellas Schulter und steckte den Kopf unten den Flügel. Hilfesuchend sah Ella zu Nerina und Mando, die es sich gerade auf den gummi-isolierten Sitzen neben ihr bequem machten, um Siphos und Nerus Kampf aus der ersten Reihe aus zuzusehen. "Es wundert mich nicht, dass sie Elektro wenig mag", entgegnete Mando mit einem verzeihenden Lächeln, während er Reptain auf den Stuhl neben ihm half, "Flugpokemon sind von Natur aus anfällig gegen Blitze." "Und sie sind auch sehr unangenehm!", pflichtete Texomon ihm bei, hüpfte ebenfalls auf einen Stuhl und kuschelte sich fest in die entstehende Ecke zwischen der Lehne und Nerinas Schulter, den breiten Echsenschwanz um sich ringelnd, "Ich hab mal gegen ein Pikachu gekämpft..." "Was da unten gleich auftaucht, wird mehr sein, als ein Pikachu", orakelte Ella düster. Gebannt beobachteten sie, wie Neru und Sipho von einem hochgewachsenen Mann Mitte vierzig begrüßt wurden. "Ich bin Spark", stellte er sich vor, "Und ich bin der oberste der Elektroarena. Ich halte nicht viel von dem Zauber, euch erstmal mit einem meiner Mitarbeiter aufzuhalten. Wenn ich euch beiden einen Donnerstein geben soll, muss ich wissen, wie ihr kämpft. Wer möchte anfangen?" "Er ist ganz schön resolut", flüsterte Nerina und ihre beiden Begleiter nickten. Noch nie hatte der oberste eines Arenaordens einen von ihnen erwartet oder eigenhändig geprüft - doch Spark schien sich auch sonst gründlich von den angegrauten Arenaleitern zu unterscheiden, auf die sie bis her gestoßen waren. Er wirkte sportlich, ganz so, als trainiere er jeden Morgen eigenhändig seine Elektro-Pokemon und der Blick seiner wachsamen, blauen Augen strahlte eine Energie aus, die die Luft zum Prickeln zu bringen schien. "Ich fange an", verkündete Sipho nach einem Augenblick des unsicheren Schweigens, "Ich setze ..." "Nicht so hastig, junger Mann", unterbrach Spark ihn scharf, "Du bist ein Iramon-Trainer, also setzt du dein Iramon. Ich werde mit ebenso vielen Pokemon kontern, wie du besitzt. Also, dein Nidoran entwickelt sich zu Nidoking und Rosana, wenn ich das richtig sehe?" Sipho nickte gehorsam. Spark nickte ebenfalls. "Sehr schön. Du wirst dann also gegen diese drei antreten..." Mit einigen, langen Schritten durchquerte er die Arena, nahm seine Position ein und warf drei Pokebälle. In einem flirrenden Blitzlichtgewitter materialisierten sich ein Voltilamm und zwei Magneton. Sipho schluckte heftig, Nidoran dicht an sein Bein gedrängt. "Doch sicher nicht gegen alle auf einmal?", fragte er kleinlaut. Spark zog kritisch die Augenbrauen zusammen. "Du bist ein Iramon-Trainer", sagte er hart, "Und als solcher musst du auch lernen, mit all deinen Formen umzugehen und gegen ein gleich starkes Pokemon-Team zu kämpfen. Was wäre sonst der Sinn eines Iramon? Ich kann nicht verstehen, warum keiner meiner Kollegen bis jetzt Anstalten gezeigt hat, euch Iramon vernünftig auszubilden, aber in der Elektro-Arena sollt ihr zeigen, was ihr könnt! Also, bist du bereit?" "Aber warum drei?", versuchte Sipho einen weiteren Vorstoß, "Nidoran hat doch nur zwei Entwicklungsformen..." "Und sich selbst", entgegnete Spark erbarmungslos, "Ich habe schon Pichus Raichus besiegen sehen und werde sicher nicht so unvernünftig sein, dein Nidoran zu unterschätzen, nur, weil es klein ist. Das selbe gilt übrigens auch für dein Evoli, um uns nachher die Diskussion zu ersparen!", wandte er sich mit einem Seitenblick an Neru, der bereits in einer heftigen Diskussion mit ebenjener zu sein schien. Er nickte nur düster. Kurz entstand eine Pause, dann nickte Sipho schwer und der Kampf begann. "Los, Nidoran, werde Rosana und zeig es diesem Voltilamm mit deiner Psychokinese!", rief Sipho eilig und noch ehe der Befehl vollendet war, stürzte Rosana sich schon vorwärts. Spark kniff die Augen zusammen und grinste raubtierhaft. "Deckt es, Magneton", befahl er knapp und die beiden Magneton vertraten Rosana den Weg. "Und Metallschlag!" Eines der Magneton wurde durch Rosanas Psychokinese aus der Bahn gewischt, doch das andere rammte Rosana seinen stählernen Rumpf in die Seite und das Eispokemon taumelte getroffen zurück. Nerina hörte Ella scharf die Luft einziehen. "Stahl ist gut gegen Eis", wiederholte sie die leidvolle Erfahrung ihrer eigenen Bodenprüfung, "Dieser Fuchs!" "Rosana! Versuch es nochmal mit Psychokinese!", rief Sipho verzweifelt und Rosana rappelte sich mühsam auf die Füße. Dieses Mal erwischte sein Psychostrahl beide Magneton und schleuderte sie zurück. "Voltilamm, Donnerblitz", befahl Spark eisig und Voltilamm flitze geschickt an seinen Kameraden vorbei und ein greller Blitz zuckte durch die Luft. Rosana schrie auf, ließ die Magneton fallen und hüllte sich in Evotationsblasen. "Als Nidoking ist er unempfindlich gegen Strom", murmelte Nerina, "Dass er darauf nicht von Anfang an gesetzt hat..." Doch Mando schüttelte düster den Kopf. "Sinnlos", murmelte er und deutete stumm auf die beiden Magneton, die sich dem Gesteinspokemon flinker als erwartet näherten. "Stahlklinge!", befahl Spark kühl und auch diesmal rammten die beiden Stahlpokemon Nidoking zu Boden. Mit einem Heulen rappelte er sich wieder auf die Füße und wurde zu Nidoran, um schnell zwischen ihrem erneuten Angriff hindurchzuschlüpfen. Prompt ließen die Magneton von ihm ab und Voltilamm galoppierte vorwärts. Mit seinen längeren Beinen und seinem schlanken Körper war es ihm ein leichtes, Nidoran einzuholen. "Hornattacke!", befahl Sipho und das Voltilamm blökte getroffen auf, was es aber nicht davon abhielt, Nidoran mit einem Donnerblitz alle Muskeln zittern zu lassen. Spark schien nicht gewillt zu sein, den Donnerorden leichtfertig aus der Hand zu geben. Nerina sah, wie Ella in bitterer Frustration die Hände zu Fäusten ballte. "Er nimmt ihn total auseinander!", zischte sie wütend, "Das ist doch nicht fair!" Niemand widersprach ihr, doch Nerina fühlte, wie ihr das Herz in die Hose sank. Einen solchen Kampf hatten sie noch niemals durchgestanden... Sie sah, wie Sipho die Zähne fletschte. Nidoran war bereits fast besiegt und nur noch widerwillig rappelte er sich auf die Beine. "Werd wieder Nidoking!", rief Sipho eindringlich, "Und schnapp dir dieses verfluchte Voltilamm! Los! Steinhagel!" Mit einigen, wenigen und recht wackeligen Hopsern brachte Nidoran sich hinter den Magneton in Sicherheit, ehe er ein weiteres Mal evotierte und die Arena mit einem Steinhagel überzog. Sofort wandten die Magneton sich wieder gegen ihn, doch Sipho befahl einen Sandsturm, der sie auf Abstand hielt, bis einer von Nidokings Steinen endlich Voltilamm traf und blökend zu Boden schickte. Danach nahm er Anlauf und rammte einem der verdutzt blinzelnden Magneton den Hornbohrer in den Leib, was auch diesen Gegner unschädlich machte. Dafür fiel ihm das andere Magneton mit einem Metallschlag in die Seite. Nidoking stürzte, verwandelte sich in Nidoran zurück. "Und Donnerschock!", befahl Spark ungerührt. Sipho ballte die Fäuste so fest, dass die Knöchel weiß wurden. "Vergrab dich, Nidoran!", flehte er, "Verscharr dich im Sand..." Doch Nidoran rollte nur geschlagen auf die Seite und blieb ergeben liegen, als das größere Magneton sich über ihn beugte, zum letzten Schlag bereit. Dann, schneller als ein Gedanke, schnellte es in die Höhe und rammte Magneton eine Hornattacke ins Gesicht. Aus dem Gleichgewicht gebracht kippte es nach hinten über und krachte in den bewegungslosen Körper seines Kameraden. Kurz zuckten seine metallischen Glieder, dann lag es still, Nidoran saß schwer atmend auf seinem Bauch. "Ich habe Sie besiegt", rief Sipho, selbst ganz verdutzt vor Freude, "Was sagen Sie jetzt?" Doch Spark lächelte nur zufrieden, während er etwas auf seinem Taschencomputer vermerkte, dann rief er seine drei Pokemon zurück und nickte. "Nun, du hattest einen schweren Start, aber du hast die Kurve gekriegt. Na dann, setz dich zu deinen Freunden und gib Nidoran ein paar Pokeriegel. Nur, weil ich dich im Kampf härter rangenommen habe, werde ich euch die Prüfung nicht schenken... Bist du bereit?", wandte er sich dann an Neru, ohne Siphos Antwort abzuwarten. Nerina fiel auf, dass ihr Bruder ganz bleich um die Nase war, aber dennoch trat er vor, ohne zu zögern. "Wir sind bereit", sagte er fest und Evoli schritt erhobenen Schwanzes vorwärts. Spark nickte erneut in seiner militärisch knappen Weise und zog drei weitere Pokebälle. "Evoli, Folipurba und Aquana", resümierte er mit blitzenden Augen, "Nun, das sollte interessant werden. Los geht’s, Pikachu, Raichu - und Lampi." "Wau! Was ist denn das für ein Pokemon?", fragte Texomon laut und deutete begeistert auf Lampi, "Sieht ja aus, als könnte es schwimmen!" "Kann es auch", erwiderte Nerina lächelnd, "Es ist ein Wasser-Elektro-Typ! Sehr wertvoll und selten! Es lebt nur in der Tiefsee!" "Wahrscheinlich der Konter zu Aquana", murmelte Mando nachdenklich, während er Reptain von dem Platz neben sich hochhob und auf den Schoß nahm, um Sipho Platz zu machen. Seine Wangen glühten immernoch vor Aufregung und seine Augen brannten wie kleine Flammen vor Zorn. "Was für ein widerwärtiges Raubtier!", zischte er ärgerlich, "Wie wenn die Prüfungen nicht schon schwer genug wären!" "Er will euch doch nur auf den Kampf gegen Gringo vorbereiten", entgegnete Mando scharf, "Wie oft habt ihr schließlich Gelegenheit, gegen einen solchen Trainer eure Kräfte zu testen! Ihr solltet ihm dankbar sein!" Sipho schnitt dem dunkelhäutigen Jungen eine ärgerliche Grimasse. "Du musstest ja nicht kämpfen", schnappte er, "Was machst du überhaupt, außer alles besser zu wissen?" Nerina spürte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten und Texomon in ihrem Arm spannte die Muskeln an, doch Ella ging mit mahnend erhobenem Zeigefinger dazwischen. "Andere Leute wollen zuhören", fauchte sie, "Streitet euch gefälligst wann anders!" Gebannt verfolgten sie, wie Evoli nachdenklich um die drei Gegner herumhopste. Sie schien zu überlegen, welcher von ihnen am ehesten in welcher Form zu schlagen war, doch die drei ließen ihr keine Zeit dazu. Sofort heftete das flinke Pikachu sich an ihre Fersen. Evoli fuhr herum und versuchte einen Tackle, doch Pikachu wich aus. Evolis Schweif sträubte sich, dann glühte sie grün auf und lange, starke Ranken packten Pikachu, das hilflos zappelnd in der Luft hing. Spark runzelte die Stirn, offenkundig überrascht von Evolis Schnellevolution, doch ließ er sich keinesfalls aus der Ruhe bringen. "Raichu! Doppelkick!", befahl er kühl und Raichu beförderte Folipurba mit einem gezielten Kick in den Sand. Sie glühte golden auf und floh als Evoli unter dem zweiten Tritt hinweg. Pikachu fiel auf die eigenen Füße zurück. "Pikachu, Agilität!", befahl Spark ruhig. Neru schien zu grinsen. "Das soll eine Agilität sein?", fragte er halblaut, "Evoli! Fang ihn!" Im nächsten Augenblick flitzten beide kleinen Pokemon in irrwitzigem Tempo durch die Arena, mal attackierte Evoli Pikachu mit ihrem Ruckzuckhieb, mal schoss Pikachu einen Donnerblitz nach ihr, doch die meisten Attacken verpufften sinnlos im Sand. Doch Spark schien auch diese Entwicklung der Dinge wenig zu beunruhigen. "Pikachu! Nach rechts außen! Raichu? Donnerblitz", befahl er scharf, als Evoli Pikachu im Eifer des Gefechts zwischen Lampi und Raichu hindurch folgte. Der Donnerblitz riss sie von den Pfoten und mehrmals überkugelte sie sich zitternd im Sand, ehe sie aufsprang und eine ganze Flut von Evolis mit ihr. Sie rannten und sprangen um Raichus Füße, bis dieser sich wie ein gewaltiger Kreisel um die eigene Achse drehte. Eine andere Gruppe stürzte von allen Seiten auf Pikachu zu, das panikerfüllt über sie hinwegsauste, genau einem kleinen, reglosen Schatten in die Pfoten, der, still wie ein Geist aus der Gruppe um Raichu ausgeschert war. Der Schatten glühte grün, dann packten erneut Ranken nach Pikachu, hoben es hoch und schleuderten es aus der Arena. Zuckend blieb es zu Starks Füßen liegen. Texomon klatschte begeistert in die Pfoten. "Ja!", rief er, "Gib's ihm! Gib's ihm!" "Warum denn so überschwänglich?" Neugierig schielte Taubsi durch ihre Schwungfedern zu ihm hinüber, "Ich dachte, du hättest auch schon mit Pikachu gekämpft?" "Ja, aber er hat verloren", kicherte Nerina und Texomon zog in gespielt beleidigter Haltung eine Grimasse. "Anbetracht der gewaltigen, zahlenmäßigen Übermacht des Pikachu musste ich leider - oh, was macht es denn da?" Aufgeregt beobachtete er, wie das Lampi sich in Position brachte und mit einer gewaltigen Surfer-Attacke die ganze Arena überflutete. Evoli wurde von den Füßen gerissen, die Trugbilder zerplatzten. "Jetzt! Donnerblitz!", rief Spark und im nächsten Augenblick zuckten blaue Entladungen durch den feuchten Sand. Mit einem schrillen Schrei sprang Evoli in die Luft, überkugelte sich und nahm noch im Sprung Folipurbas Gestalt an, die mit gespreizten Klauen auf Lampis Rücken krachte und das Wasserwesen in eine Wolke von Rasierblättern tauchte. "Donnerblitz!", rief Spark und Raichu stürzte sich auf Folipurba, doch diese zerschmolz unter seinem Angriff zu Evoli und der Donnerblitz schickte statt ihrer das angeschlagene Lampi in den Sand. Nerina hörte, wie Sipho leise knurrte. "Er ist so ein Betrüger!", zischte er, "Feigling!" Wütend wollte sie etwas erwidern, doch in diesem Augenblick traf Raichus Doppelkick Evoli frontal vor die Brust und mit einem Schmerzensschrei ging sie zu Boden. Gegen das stärkere Raichu schien selbst ihre Schnellevotation nicht mehr viel ausrichten zu können. Nerina ballte die Hände zu Fäusten! Es konnte nicht vorbei sein, durfte nicht... Ein letztes, blaues Leuchten umgab Evolis geschundenen Körper und Sipho schnaubte. "Aquana?", fragte er abfällig und auch Nerina runzelte verblüfft die Stirn. Wenn jemand gegen Elektro anfällig war, dann ja wohl am ehesten Aquana! Auch Spark schien das so zu sehen. Sofort befahl er einen weiteren Donnerblitz, doch Aquana war schneller. Mit ihrer gewaltigen Schwanzflosse begann sie, Sand über Raichus Kopf zu schleudern, Sand und immer mehr Sand, bis das Elektropokemon in einer kleinen und schwankenden Düne festzustecken schien. Dann sprang sie auf es los. Erneut wechselte sie im Sprung noch die Gestalt und Folipurbas scharfen Krallen schlugen sich in Raichus Gesicht. Für eine nervenzerreißende Sekunde geschah nichts. Raichus Elektroattacken waren durch den Sand blockiert, ebenso wie sein Doppelkick und so blieb ihm nichts anderes übrig, als wild nach den Ranken zu beißen, die sich stetig enger um seinen Kopf wanden. Endlich und unendlich langsam sank die Düne in sich zusammen. Raichu war besiegt. "Das war klasse!" Begeistert stürmte Nerina auf ihren Bruder zu, Texomon, Ella und Mando auf den Fersen. Sogar Sipho gratulierte Neru widerwillig zu seinem Sieg und Spark schüttelte beiden anerkennend die Hand. "Ihr habt euch in der Prüfung bewiesen", sagte er feierlich, "Nun zu euren Prüfungen. Sipho, du kämpfst, wie ich es von einem Anwärter auf die Elektroprüfung erwarten würde, energievoll und effizient. Wenn du möchtest, kannst du gleich mit der Prüfung beginnen. Neru..." Kurz hielt er inne und musterte Neru nachdenklich von Kopf bis Fuß, ehe er fortfuhr: "Auch dir steht die Prüfung selbstverständlich offen, wenn du sie machen möchtest. In deinem Kampfstil sehe ich Schnelligkeit und Schläue, auch gute Voraussetzungen für einen Donnerstein. Trotzdem glaube ich nicht, dass du gehen solltest." "Warum nicht?", fragte Nerina aufgebracht, "Er hat gegen Sie gewonnen, er -" "Sachte, sachte", sagte Spark und wischte den Einwand wie ein lästiges Insekt beiseite, "Aber jeder, der Evolis Agilität und ihr überragendes Doppelteam sieht, muss zu der Ansicht kommen, dass es eine Schande wäre, ein solches Talent in einem Blitza zu vergeuden. Hee, Junge!" Und damit stieß er Neru grob wennauch freundlich in die Seite, "Was zum Donnerwetter tust du hier? Du hast noch eine Entwicklung offen! Geh zu Sunny und hol dir, was deinem Evoli gebührt." "Sunny?" Verblüfft starrte Neru in die blauleuchtenden Augen des Elektroarenaleiters. "Wer soll das sein - und was meinen Sie, was Evoli gebührt? Blitza ist eine sehr starke Form!" "Nichts im Vergleich zu einem talentierten Psiana", erwiderte Spark und ein amüsiertes Lächeln schlich sich auf seine Züge, als er in fünf verdutzte Gesichter sah. Ella fand als erste ihre Sprache wieder. "Die Psychoarena wurde geschlossen", sagte sie mit rauer Stimme. Spark nickte ungeduldig. "Trotzdem ist Sunny schließlich nicht vom Erdboden verschluckt", entgegnete er schroff, "Das heißt, eigentlich schon, in mancherlei Hinsicht. Ich weiß allerdings, wo man graben muss, um sie zu finden... Na, was ist? Willst du es riskieren?" >>>Neru<<< Neru wusste erst einmal überhaupt nicht, was er sagen sollte. Spark und die anderen Iramontrainer starrten ihn an und auch Evoli bedachte ihn mit einem fragenden Ausdruck in den Augen. "Überlegt es euch in Ruhe", verkündete Spark mit ruhigem Tonfall und er führte Sipho mit den üblichen, harschen Worten hinüber zu einer Tür an der Seite der Arena und beide verschwanden. Neru wusste gar nicht, was er sagen oder denken sollte. Nicht nur, dass sie alle die starken Psychoeigenschaften von Evoli ignoriert hatten, jetzt rückte Spark auch noch damit heraus, wo man Sunny, die Arenaleiterin der Psychoarena, finden konnte. "Ich glaube, ich brauch' erstmal ein paar Minuten", verkündete er und schnitt damit Ella, die schon den Mund geöffnet hatte, das Wort ab und sie klappte den Mund wieder zu, ohne auch nur einen Ton gesagt zu haben. Nerina nickte. Damit drehte sich Neru wie in Trance um und machte sich in Richtung des Arenaeingangs auf. Er wollte raus hier, raus aus der Arena und frische Luft atmen. Wieder zu Besinnung kommen und dann die Fakten ganz langsam überdenken. Evoli folgte ihm auf dem Fuße. Nachdem Neru draußen angekommen war und ein paar tiefe Atemzüge getan hatte, sah er hinunter auf sein kleines Iramon. Evoli erwiderte seinen Blick mit großen Augen. "Wollen wir es riskieren?", fragte sie, dabei die Frage von Spark wiederholend und Neru starrte weiter in ihr fragendes Gesicht. "Möchtest du es denn versuchen?" Evolis Schwanz zuckte, ein untrügliches Zeichen für Unsicherheit. "Psycho scheint sehr stark zu sein", erklärte sie kleinlaut, doch Neru wischte den Einwand beiseite und setzte sich zu ihr auf den Boden. "Weißt du", erklärte Neru, "Ich glaube, ich habe herausgefunden, wie Texomon zu seinen starken Evotationen kommt. Es geht nicht darum, ob wir die Prüfung bestehen oder nicht!" Evoli legte den Kopf schief. "Sondern darum", erwiderte sie, "Wie sehr man das Element, in dem man geprüft wird, verkörpert." Neru nickte. "Genau! Jetzt ist nur die Frage, welches Element du bevorzugen würdest." Evolis Schwanz peitschte jetzt unruhig von einer Seite auf die andere. "Blitza ist ebenfalls sehr stark und schnell, oder?", fragte sie. Neru nickte, gespannt darauf, wie Evoli sich nun entscheiden würde. "Aber auch Psiana ist schnell und stark." Neru nickte wieder. Hilfesuchend sah sie zu ihm auf. "Egal, wie du dich entscheidest, ich bin stolz auf dich", erklärte Neru. Evoli nickte. Hinter ihnen hörte Neru die Scharniere der großen Stahltür knarren und Nerina und Ella traten zu ihm hinaus auf die Straße. "Und? Wie habt ihr euch entschieden?", fragte Ella in ungeduldigem Tonfall. Dann geschahen plötzlich viele Dinge gleichzeitig. Ein lauter Ruf überdeckte alle anderen Geräusche auf der Straße und als Neru herumfuhr, konnte er einen Mann mit einem Pummeluff direkt in seiner Nähe erkennen. Auf seiner Brust prangte das Logo von Team Rocket. Das Pummeluff hatte bereits ein Mikrofon in der Hand und die ersten Töne hatten eine heftige Wirkung auf die Trainer. Mühsam steckten sie sich ihre Finger in die Ohren, während ihre Pokemon schon wegdämmerten. Doch dann sprangen weitere Mitglieder von Team Rocket vor und zerrten ihre Hände und Arme von ihren Ohren weg. Neru konnte die Situation gar nicht so schnell fassen. Er sah, wie Nerina den Mund zu einem Schrei öffnete, einem der Team Rocket Leute einen Tritt ans Schienbein verpasste und sich dann zur Flucht wandte. Dann hörte auch er die zarten Töne von Pummeluffs Gesang und er versank sofort in einer Wolke aus Schwärze. Das erste, was Neru spürte, als er die Augen wieder aufschlug, war, dass er sich nicht bewegen konnte. Seine Arme und Beine waren gefesselt und er lag in einem kleinen Raum, der von Dämmerlicht erfüllt war. Neben ihm lagen Nerina und Ella, ebenso verschnürt wie er selbst, die gerade langsam wieder zu sich kamen. Evoli und Taubsi waren nicht gefesselt, dafür saßen sie in kleinen Eisenkäfigen, während Texomon neben ihnen lag. "Wo sind wir?", fragte Ella verdutzt. "Es ist vorbei", erwiderte Neru, "Team Rocket hat uns geschnappt." "Oh, diese verdammten..." Nerina fing an zu fluchen wie ein Rohrspatz und sie alle stemmten sich in ihre Fesseln. "Ich will hier raus", protestierte Taubsi, "Ich bin doch kein Kanarienvogel!" Auch Evoli schien von ihrer Lage nicht eben begeistert zu sein und sie führte einen Ruckzuckhieb, der aufgrund der räumlichen Begrenzung ihres Käfigs sehr schwach ausfiel, gegen die Eisenstäbe des Käfigs. Polternd rollte er durch den Raum und drehte Evoli dabei, wie in einer Waschmaschine. "Die Falle war perfekt", erklärte Neru, "Sie mussten nur warten, bis wir herauskommen würden." Kurz darauf öffnete sich die Tür und zwei Männer warfen einen selig schlafenden und verschnürten Mando herein. Seinen Pokeball verwahrten sie vorsichtshalber vorne in dem Lieferwagen, als den Neru nun ihr Gefängnis erkannte. "Das ist zwecklos" erklärte er. "Warum kann ich nicht evotieren?", mischte sich nun Texomons Stimme ein und auch er begann, sich gegen die Fesseln zu sträuben. Seine Stimme klang dumpf unter einem eisernen Maulkorb hervor, der wohl verhindern sollte, dass Texomon Feuer spie. Nerina sah an ihrer Brust hinunter. "Sie haben die Broschen!", rief sie aus und Neru spürte, wie Panik ihn überkam. Natürlich hatten sie die Broschen. Die Iramon würden sich nicht entwickeln können und sie würden hier herumliegen, bis sie auch noch Sipho geschnappt haben würden. Schweiß perlte auf seiner Stirn. "Sie haben den ganzen Platz umstellt", erklärte Ella, die sich halb aufgerichtet hatte und aus dem getönten Fenster hinaussah, "Sieht gar nicht gut für uns aus." Ihre Stimme zitterte und Neru spürte, dass ihre gelassene, berechnende Art nur aufgesetzt war. "Wo sind die Broschen?", fragte Neru und bemühte sich, ihrem Beispiel zu folgen und sich zu beruhigen. "Vermutlich auch da, wo sie den Pokeball von Mando verstaut haben", erwiderte Nerina, die ebenso zu Ruhe und Ausgeglichenheit zurückgefunden hatte und sich nun ebenfalls aufsetzte und ihren Rücken gegen die Wand lehnte. Texomon folgte ihrem Beispiel und ein Feuer begann in seinen Augen zu glühen. "Wie können wir da rankommen?", fragte er dumpf unter dem Maulkorb hervor. Sein fragender Blick wanderte durch den Raum und sowohl Nerina als auch Neru und Ella senkten betreten die Blicke. "Ich weiß es nicht", erklärte Nerina nach einer Weile des Schweigens, "Wir können ja noch nichtmal einen Finger bewegen, geschweige denn die Türen des Lieferwagens öffnen." Texomon nickte und schien nachzudenken. In Nerus Geist wirbelten nur noch die Angst vor dem, was Gringo ihnen antun würde, und die Ausweglosigkeit ihrer Lage herum. Wütend trat er gegen die Wand. Es musste doch eine Möglichkeit geben. "Rasierblätter wären gut", meinte Ella. Nerina nickte. "Damit könnten wir die Fesseln loswerden." "Aber ohne Brosche keine Verwandlung", seufzte Neru, doch Texomon schüttelte den Kopf. "Falsch", erwiderte er, als wäre er ein Lehrer in der Schule. Im Gegensatz zu ihnen allen anderen schien der Verstand von Texomon noch einwandfrei zu arbeiten. Er wechselte einen Blick mit Evoli. "Ohne Brosche sind nur die Rückverwandlungen möglich", erklärte er. Evoli begann, aufgeregt in ihrem Käfig auf und ab zu wandern und schaltete sich mit in das Gespräch ein, "Und da ich den Stein verschluckt habe, ist meine neue Grundform..." Damit begann sie nun, grün zu leuchten, und Neru spürte, wie sich etwas in seinen Geist tastete. Wie ein langer Arm fuhr es ihm durch die Gedanken und betastete viele seiner Erinnerungen nur zart. Dann schien es etwas Interessantes zu packen zu bekommen und Neru spürte einen schmerzhaften Stich, der ihm alle Kraft zu rauben drohte. Wie ein gigantischer Staubsauger saugte es an ihm und er spürte, wie sein Herz nun noch schneller schlug und er in Schweiß ausbrach. Die Welt vor seinen Augen verschwamm, dann plötzlich war es vorbei und in dem Käfig saß ein ziemlich zerknautscht aussehendes Folipurba, das nur mühsam in den Käfig passte. Kleine Blätter fielen aus den Zwischenräumen der Gitterstäbe und die anderen hatten schon damit begonnen, sich gegenseitig die Fesseln durchzuschneiden. Die Rasierblätter waren tatsächlich so scharf wie Rasierklingen und als auch der letzte von ihnen befreit war, stand Texomon auf, seine Augen glühten vor innerem Feuer und sein Schwanz leuchtete silbern auf. "Jetzt holen wir dich da raus", rief er, dann nahm er Anlauf und zwei schnelle Attacken später waren Taubsi und Folipurba befreit. Texomon stieß eine Glutattacke aus und schmolz einfach das Fenster zwischen Fahrerbereich und Laderaum auf. Glücklich hängte Nerina wieder ihr Amulett um und die anderen Trainer taten es ihr gleich. Sofort war die Luft von Evotationslicht erfüllt und eine riesige Wassersäule von Aquana ließ die Türen des Laderaums aus den Angeln fliegen. Heraus sprang ein riesiges Arkani, das sich sofort auf das zum Singen oder Kämpfen zu sehr überraschte Pummeluff stürzte. Der Kampf, wenn es denn einer war, war nach Sekunden beendet und Arkani sah sich langsam auf dem Vorplatz der Arena um nach weiteren Gegnern, die verrückt genug waren, sich mit ihm anzulegen. >>>Nerina<<< Im Nachhinein war es Nerina unmöglich zu sagen, wie genau der Kampf begonnen hatte. Plötzlich zerbarst ihre Welt in Feuer, Licht und Scherben, als Arkani die Windschutzscheibe des großen Transporters kurzerhand in einen handlichen Klumpen zusammenschmolz. Dick hing der Gestank von geschmolzenem Glas und Plastik in der Luft und Arkanis mächtiger Körper presste sich gegen sie in seiner Bemühung, sich durch die Scheibentrümmer nach draußen zu schieben. Dann war plötzlich Ella hinter ihr. Sie schrie etwas, doch Nerina konnte sie nicht verstehen. Nun erst fiel der schreckliche Lärm ihr auf, der schon die ganze Zeit an ihre Ohren gebrandet haben musste, Schreie, Pfiffe und rennende Füße, vermischt mit den Rufen von Pokemon. Als sie nicht reagierte, schubste Ella sie kurzerhand beiseite, sprang an ihnen vorbei ins Freie, Taubsi flatterte über ihrem Kopf, ihre kleine Gestalt bereits in Evotationsblasen gehüllt. Während Arkani mit furchterregendem Geheul in eine Gruppe von Team Rocket-Mitgliedern fuhr, landete mit einem gewaltigen Rums Panzaeron auf dem glühenden Pflaster. Mit einem gelenken Sprung saß Ella auf seinem Rücken und winkte hektisch Neru zu, der sich mit Folipurba ebenfalls aus dem nun brennenden Fahrzeug befreit haben musste. Nerina sah ihren Bruder kurz zögern, doch dann rannte er mit langen Schritten zu Ella hinüber und im nächsten Augenblick war Panzaeron zurück in der Luft, Aquana balancierte auf ihren Schultern und entsandte einen gebündelten Wasserstrahl nach dem anderen auf die schreienden Menschen und Pokemon, die in panischer Hast den Platz zu räumen begannen. Arkani flitzte wie ein Hütehund zwischen ihnen umher, knurrte und brüllte wie wild und schlug furchteinflößend mit seinem langen Schwanz. 'Komm Nerina!', hörte sie seine mächtige Stimme in ihrem Geist, 'Kletter auf meinen Rücken! Dort unten ist es viel zu gefährlich!' "Ich kann nicht!", brüllte sie über den ohrenbetäubenden Lärm hinweg, "Mando ist noch da drinnen!" Als sei sie aus einer Art Trance erwacht, wirbelte sie herum, wich einem herabtropfenden Deckenteil aus und stolperte halb blind vor Qualm in den zerstörten Laderaum zurück. "Mando!", rief sie drängend, "Wo steckst du?" Doch Mando antwortete nicht. Pummeluffs Schlafattacke schien ihn erst kürzlich betäubt zu haben, dazu kamen noch die sicher nicht gerade gesunden Dämpfe des brennenden Autos. Mit einem unterdrückten Fluch stolperte Nerina durch den Laderaum, die Hand über Mund und Nase gepresst. Lange konnte sie nicht mehr in dem Wrack bleiben, soviel stand fest. Schon jetzt tanzten grellbunte Punkte vor ihren Netzhäuten. "Mando! Wenn du nicht sofort -", hob sie an, dann trat sie mit dem Fuß auf etwas weiches und bückte sich hastig. Mandos Gesicht war leichenblass, seine Augen aufgerissen in blankem Horror. Offenbar musste er kurz aufgewacht sein, nur, um sofort von den Dämpfen betäubt das Bewusstsein zu verlieren. Nerina biss die Zähne zusammen, als sie den schweren Körper so gut sie konnte hochzerrte und hinter sich her zurück in das zerstörte Fahrerhaus schleifte. "Arkani!", brüllte sie über das Brausen der Flammen, die mittlerweile aus beinahe allen Fahrzeugen des Platzes brachen, "Arkani! Komm her! Schnell!" Undeutlich sah sie einen Schemen auf sich zu jagen, dann erschien Arkanis Kopf über der qualmenden Motorhaube. "Schnell! Nimm Mando!", rief sie. Kurz zögerte Arkani. "Sollte ich nicht lieber..." Doch Nerina nahm all ihre Kräfte zusammen, stemmte den leblosen Körper in die Höhe und entblößte Mandos Gürtel. "Schnell!", rief sie und Arkani grub seine gewaltigen Fangzähne in das Leder und trug Mando davon, als sei er eine Stoffpuppe. Etwas kochend heißes tropfte auf Nerinas bloßen Arm und schmerzerfüllt schrie sie auf. Sie versuchte, auf die Motorhaube zu springen, doch das glühende Metall versengte ihre Hände und ließ sie zurücktaumeln. Verzweifelt sah sie sich nach einem anderen Fluchtweg um, da wand sich plötzlich eine starke Ranke um ihre Brust. Im nächsten Augenblick fühlte sie sich von den Füßen gehoben, baumelte wie an einer langen Schaukel über dem brennenden Fahrzeug und kam nur Herzschläge später hinter Ella auf Panzaerons hartem Rücken zu sitzen. "Geht es dir gut?", rief Neru besorgt zu ihr nach hinten. Nerina nickte, auch wenn sie sich ganz schwindelig fühlte vor Schreck, Qualm und Adrenalin. "Wo ist Arkani?", fragte sie nur schwach zurück, "Mando ist bewusstlos, ich denke, er muss dringend ins Krankenhaus..." Ein letzter, kollektiver Aufschrei erhob sich wie eine Wolke vom Platz, als eine mächtige Feuerwand die verbliebenen Menschen in zwei Lager zerteilte. Arkani hatte es irgendwie fertiggebracht, Mando über seinen Rücken zu werfen und pflügte nun ohne Rücksicht auf Verluste auf die Elektroarena zu. "Landet auf dem Dach und holt uns!", brüllte er zu ihnen hinauf und augenblicklich folgte Panzaeron der Anweisung. So sanft, wie man es von einem drei Meter langen Stahlvogel nun einmal erwarten konnte, ging Panzaeron auf dem bedenklich knarzenden Dach der Elektroarena nieder, im nächsten Moment schossen Folipurbas Ranken erneut hinab, schlangen sich zuerst um Mandos, dann um Texomons Hüften und zerrten beide zu ihnen hinauf in Sicherheit. "Wau! Das war knapp", keuchte Ella, als die beiden endlich neben ihnen auf den Ziegeln lagen und Panzaeron zu Kramurx evotiert war, um im Tiefflug über den zerstörten Platz zu kreisen, doch es gab nicht viel zu sehen. Die Zerstörung war nahezu perfekt. An manchen Läden fehlten Schaufenster und Spielzeuge, Orangen und einzelne Schuhe kullerten noch immer über das heiße Pflaster, während die Autowracks friedlich in sich zusammengeschmort waren. Kein einziger Mensch und nur noch ein paar verstörte Ratfratz waren zu sehen. Neben Nerina stöhnte Neru schmerzhaft auf. "Mando sieht aber gar nicht gut aus", kommentierte er düster und drehte ihren verletzten Freund vorsichtig auf den Rücken, "Wir sollten ihn so schnell es geht zu Spark bringen..." Kurz sahen sie sich unentschlossen an, dann schlug Texomon kurzerhand eine der Dachluken mit seinem Eisenschweif ein und Taubsi flatterte durch das Loch in die schwarze Tiefe. Nach einer kleinen Weile kehrte sie zu ihnen zurück, gefolgt vom rostigen Kopf einer Leiter und Sparks verschwitzten Gesichts. "Ah, da steckt ihr also", keuchte er, als er sich über den zersplitterten Rand der Luke in die Höhe stemmte, "Hab euch schon überall gesucht." "Wie geht es Sipho?", rief Ella gleich besorgt, während Spark mit gerunzelter Stirn auf Mando hinunterblickte. Der Elektroarenaleiter warf ihr einen abwesenden Blick zu. "Ihm geht’s gut", sagte er grob, "Hat ein Raichu bekommen, ein wahres Prachtexemplar. Hilft an der Südseite, die Arena verteidigen. Hmmm. Was machen wir nur mit dir?" "Können wir ihn nicht einfach ins Krankenhaus bringen?", fragte Nerina aufgebracht. Sie zitterte immernoch vor Aufregung, Schrecken und Anstrengung und nur Texomons Wärme an ihrer Seite spendete ihr ein wenig Trost. Sparks Stirn warf beunruhigende Falten. "Im Prinzip schon", erwiderte er, während er ein Erfrischungstuch aus der Jackentasche fingerte und Mando damit über die Stirn wischte, "Aber er ist nach wie vor gesucht. Sie würden ihn einfach einkassieren." "Dann sollten wir ihn nach Mammoria bringen!", schlug Neru rasch vor, "Wir haben Team Rocket doch aus ihrer Stadt verjagt und wie es den Anschein hat, scheinen sie die Stadt gut zu halten. Sicher haben sie dort auch ein Krankenhaus!" Spark benötigte nicht einmal zwei Wimpernschläge, um seine Entscheidung zu fällen, dann nickte er. "Ja, bringt ihn nach Marmoria und zwar so schnell wie möglich. Am besten du, Ella. Dein Panzaeron ist ein starker Flieger und sollte Marmoria sicher erreichen. Außerdem solltet ihr Sipho mitnehmen. Sein Raichu kann euch mit seinem Donnerblitz gegen andere Flugpokemon verteidigen." "Was ist mit uns?", fragte Nerina, während sie Ella half, den immernoch bewusstlosen Mando auf Panzaerons Rücken zu betten und ihn, sogut wie möglich mit seinem eigenen und Ellas Gürtel festzuschnallen. Spark beachtete sie gar nicht. "Er ist auf der Stadtmauer, Ella", sprach er stattdessen weiter, "Wenn du im flachen Winkel darüber fliegst, solltest du ihn aufladen können. Viel Glück!" Kurz zögerte Ella, dann hob sie die Hand zum Gruß und Panzaeron erhob sich mit mächtigen Flügelschlägen in den roten Abendhimmel. Kurz sahen sie es über der nahen Verteidigungsmauer tiefer gehen, dann schraubte es sich wieder in die Höhe und war bald nur noch ein kleiner, silberner Fleck am dunkler werdenden Himmel. Erst, als Panzaeron außer Sichtweite war, wandte Spark sich wieder Nerina und Neru zu und zu ihrer Verwunderung sah sie, wie er sich den Schweiß von der Stirn wischte. "Das war knapp, Freunde", brummte er seufzend, "Ich hatte keine Ahnung, dass sie bereits vor der Arena lauerten. Um ein Haar wäre es vorbei gewesen und ich konnte nichts tun, um euch zu helfen." Eine plötzliche und reichlich unerwartete Reue lag in seinen Worten, die Nerina verlegen wegsehen ließ. "Wir haben uns selbst geholfen", entgegnete Evoli versöhnlich. Spark musterte sie mit einem nachdenklichen Blick, dann fragte er leise: "Und, hast du dich entschieden, Evoli?" Evoli legte verärgert die Ohren zurück, als vier Augenpaare sich auf sie richteten und ihr Schwanz zuckte angespannt, als Spark fortfuhr: "Die Elektroprüfung ist frei und wir haben Nerina und Texomon, um dir den Rücken freizuhalten. Genausogut habe ich Sunnys Koordinaten und mit eurem Tauboss könnt ihr leicht dorthin kommen." Kurz entstand eine haarsträubende Stille, dann sinnierte Evoli leise: "Wäre ich vorhin Psiana gewesen, hätte ich Mando einfach aufs Dach fliegen lassen können, stimmt´s?" Neru nickte eifrig. "Und ich hätte die anderen wegfliegen lassen können? Vielleicht auf das Dach der Kirche da und ihre Pokebälle unten lassen?", fragte sie weiter. Neru nickte erneut. "Schon, mit ein bisschen Training", sagte er langsam, "Aber..." "Dann möchte ich, denke ich, lieber Sunnys Koordinaten haben", wandte sich Evoli entschlossen an Spark, "Ich habe einfach das Gefühl, dass Psycho die friedlichere Art ist, Streit zu beenden - und die lustigere!" Neben sich konnte Nerina hören, wie Texomon scharf die Luft einsog. 'Na das wird ja ein Spaß', brummelte er in ihren Gedanken, 'Demnächst hängt man kopfüber vom höchsten Ast eines Baumes, wenn man nicht macht, was sie will und je nach Bedarf macht sie Fallobst!' Nerina kicherte bei dem Gedanken und fing sich einen scheelen Blick von Evoli ein. Auch Neru runzelte skeptisch die Stirn, vergaß jedoch, seine Schwester für ihr unpassendes Verhalten zurechtzuweisen, als Spark einen kleinen Chip aus der Brusttasche seines Hemdes nahm und ihn in Nerus bereitgehaltenen Pokedex einbaute. Kurz gab das Gerät merkwürdige Laute von sich als habe es sich an dem Chip verschluckt - oder glaube selbst nicht, was es da lese, dann erschien die wohlbekannte Karte Kantos und weit, weit im äußersten Südwesten blinkte ein kleiner, blauer Punkt hektisch vor sich hin. "Das ist ja die Regenbogenwüste!", stieß Nerina halb begeistert, halb beunruhigt aus, "Jenseits der Kuppelberge. Ich kenne niemanden, der sich jemals dorthin verirrt hat - Ist es nicht... nutzloses Land?" Sparks Gesicht verzog sich zu einem süffisanten Grinsen. "Hättest du sie als Zeitungsverkäuferin in Azalea erwartet?", fragte er kühl, dann wandte er sich wieder an Neru. "Das Programm wird euch zu ihr führen. Aber seid auf der Hut. Reist niemals am Tag und haltet euch von den Städten fern. Wenn das Wetter mit euch ist, solltet ihr die Regenbogenwüste in drei Tagen erreichen. Sucht Sunny dort, wo die Weisen schlafen. Wenn sie euch keinen anderen Auftrag gibt, kehrt hierher zurück. Ich werde versuchen, in Kontakt mit euren Freunden zu bleiben, sodass ihr sie leicht wiederfinden solltet - und Orania soll eine freie Stadt sein, bis ihr zurück seid. Wünschen wir uns allen eine gute Portion Glück." >>>Neru<<< "Sucht Sunny dort, wo die Weisen schlafen", brummte Neru vor sich hin und ließ den Blick über die endlose Wüste schweifen. Die letzten drei Tage hatten sie damit verbracht, sich mit dem Pokedex so gut es ging bei Nacht zurecht zu finden und in Richtung der Regenbogenwüste zu navigieren. Nun, beim Morgengrauen, wusste Neru, warum man sie die Regenbogenwüste nannte. Der Sand schimmerte tatsächlich in allen Farben des Regenbogens und ließ verschlungene Muster auf den Dünen entstehen, die sich bei jeder Windböe veränderten. "Ich kann keinen Ort zum schlafen entdecken", erklärte Folipurba, die wachsam neben ihm stand und ihr Kopfblatt gegen die Sonne hochgeklappt hatte. "Es sollten auch noch ein paar Kilometer bis zu dem Punkt sein", erklärte Nerina, die prüfend die Daten auf dem Pokedex betrachtete, "Dürften noch ein paar Stunden Flug werden bis da hin." Neru nickte und sah sich nach ihrem Reittier um. Das Tauboss wartete lammfromm hinter ihnen und pickte im letzten Grün, das sich vom regenbogengefärbten Boden abhob. Prüfend nahm Texomon eine klauevoll des schimmernden Sandes. "Es ist durchscheinend", rief er verblüfft aus und auch Neru nahm nun eine Hand von dem Sand auf. Tatsächlich konnte er seine Finger hindurchschimmern sehen. "Es muss das Licht selbst sein", mutmaßte Neru, "Es bricht sich innerhalb der durchscheinenden Sandkristalle und schimmert dann, so ähnlich, wie bei einem echten Regenbogen." Texomon betrachtete noch einmal interessiert die Sandkörner, dann ließ er sie zu Boden rieseln und beobachtete, wie sie wieder ein kleines Regenbogenmuster formten. "Komisch", stieß er dann aus, "Erde, die sich wie Wasser verhält. Deine Trainerin hat sich einen komischen Ort zum Leben ausgesucht!" Damit schubste er Folipurba an. Folipurba zuckte nur mit den Schultern und tat so, als würde sie angestrengt in eine andere Richtung sehen, doch Neru konnte sehen, wie sie ganz langsam ihre Tentakeln an ihren Füßen in Texomons Richtung streckte. "Wir haben keine Zeit für Kabbeleien", erklärte Neru streng und die Tentakeln verschwanden wieder in ihren Pfoten. Langsam wurde Neru nervös. Wie sollten sie Sunny in dieser Einöde, so farbenfroh sie auch immer war, nur finden? Nerina legte ihm einen Arm um die Schultern, wie immer blieb es seiner Schwester nicht verborgen, wenn es ihm schlecht ging. "Wir schaffen das schon", erwiderte sie und hielt ihm den Pokedex unter die Nase. "Bis zu dem Punkt sind es noch ein paar Kilometer, dort wird sich alles aufklären." Neru schluckte und nickte. Nerina hatte Recht, wenn sie die Punkte erst erreichen würden, würde sich alles aufklären. Er fasste sich ein Herz und drückte Nerina liebevoll den Arm. "Du hast Recht. Alle Aufsitzen", rief er dann und beobachtete, wie die Iramon an Bord sprangen und Nerina und Texomon wieder die Zügel des Tauboss übernahmen, während er Evoli zwischen sich und Nerinas Rücken einschloss, damit sie nicht herunterfiel. Nachdem sie gestartet waren, zogen sich die Minute für Neru wie Stunden in die Länge. Was würde nur geschehen, wenn sie Sunny erreichten? Würden sie die Psychoprüfung bestehen können? Zwar hatte Spark keinen Zweifel daran gelassen, dass Evoli am besten im Psychoelement aufgehoben wäre, doch ein wenig Sorge hatte Neru schon, dass sie am Ende den Kriterien nicht entsprechen würden. Außerdem gab es da ja noch die Blattstein-Sache. Es sah zwar alles so aus, als wäre Evoli wieder ganz die Alte, doch hatten auch die Professoren nicht vorhersagen können, was passieren würde, wenn sie noch einen Stein in die Brosche eingesetzt bekommen würde. 'Alles klar?', fragte die wohlbekannte Stimme in seinem Kopf und Neru nickte und streichelte Evolis Fell beruhigend. "Alles in Ordnung", murmelte er und sah auf den Pokedex. "Nerina, haltet euch ein paar Grad mehr nach Osten", rief er, "Sonst verfehlen wir sie." Neru konnte nur Nerinas ruckenden Kopf erkennen, der Fahrtwind kam von vorne und auch wenn seine Schwester etwas gesagt hätte, hätte das Brüllen des Sturmes es garantiert verschluckt. Moment! - Neru schien, wie aus einer Art Trance zu erwachen - Wieso eigentlich Sturm? Fieberhaft sah er nach unten und sah in ein Meer aus wirbelnden Farben und grauem Dunst. Der ganze Boden schien in Bewegung geraten zu sein. Nerina drehte sich zu ihm um. "Es wird kritisch", rief sie über das Brüllen des Sturms hinweg, "Haltet euch gut fest!" Schon im nächsten Moment wurde Tauboss von einer Woge hoch aufgewirbelten Sandes getroffen. Der Sand war überall. Immer höher wirbelten die einzelnen Wogen und immer mehr begann Tauboss zu rucken und zu zucken, als würde es von brutalen Schlägen getroffen - was wohl auch stimmte. Neru hatte allergrößte Mühe, sich und Evoli auf dem Rücken des Flugpokemons zu halten und die Welt um ihn herum versank in grauen Schlieren. Als Neru wieder erwachte, fühlte er sich bewegungsunfähig. Ruckartig setzte er sich auf, schon halb erwartend, dass ihn Team Rocket wieder geschnappt hatte, doch nur Sand rann von seinen Gliedern. Rund um ihn herum lagen die anderen im, in allen Farben des Regenbogens leuchtenden Sand. Nur etwas fehlte. Neru sah sich noch einmal um. Evoli lag direkt neben ihm. Texomon neben Nerina. Doch Neru wurde das Gefühl nicht los, dass etwas fehlte. Langsam sah er sich um und sah hinauf zum Himmel. Richtig! Sie waren geflogen und anscheinend abgestürzt. Wo ist Tauboss?, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und vor lauter Überraschung rief er seine Frage laut in die Unendlichkeit der Wüste hinaus. Die anderen schlugen die Augen auf und sahen sich bedröppelt um. "Keine Ahnung", kam es als erstes von Texomon. "Sind wir da?", fragte Evoli etwas verplant. "Es muss fortgeflogen sein", sagte Nerina. Alle sahen sich an. "Wo sind wir überhaupt?", fragte Neru ein wenig versöhnlicher, teils an die anderen, teils aber auch an sich selbst gerichtet. Langsam zog er den Pokedex mit der Karte hervor. Das Material war außen vom Sand zerkratzt worden, doch zeigte es immernoch einen blinkenden Punkt etwa 20 Kilometer von ihnen entfernt an. "Wie sollen wir nur da hinkommen?", stöhnte er auf und Nerina warf über seine Schulter einen Blick auf die Karte. Evoli sah sich in der Wüste um. Der Sturm hatte nicht nur ihre eigenen Sachen, sondern auch eine ganze Ladung an Gerümpel, darunter sogar einen kompletten Holzkarren neben ihnen abgeladen. "Ein Glück, dass uns das Ding nicht erschlagen hat", erwiderte Texomon, während er sich aufrappelte und den Karren einer genaueren Inspektion unterzog. Evoli nickte und begleitete ihn auf seiner Exkursion, während Nerina und Neru sich mit Lösungsmöglichkeiten beschäftigten und ihre Ausrüstung durchgingen. "Jetzt hab ich aber mal eine total verrückte Idee!", rief Neru aus und hielt triumphierend das Surfbrett von seinem Vater in die Luft. Nerina sah ihn zweifelnd an. "Glaubst du, das funktioniert?" "Wir könnten es versuchen!", stieß er aus, "Sand sollte nicht so anders sein wie Wasser, du bräuchtest nur auch eins." Die beiden Iramon warfen ihnen interessierte Blicke zu. "Au ja!", rief Texomon, "Ich wollte das schon ewig mal ausprobieren, Evoli hat nämlich erzählt, dass Neru das auch mal an Land gemacht hat." "Na, ich weiß nicht", skeptisch rümpfte Nerina die Nase, "Wenn wir fallen, können wir uns alle Gräten brechen... Andererseits -" Sie schien nochmal über die Sache nachzudenken. "- Probieren könnten wir es, bis wir die 20 Kilometer gelaufen sind, sind bestimmt ein paar Tage vergangen." Neru nickte triumphierend und sofort machten sich alle an die Arbeit. Die Stunden, in denen sie ihre Mühle auf Vordermann gebracht hatten, zeigten nun Wirkung. In Windeseile hatte Texomon nach dem Muster von Nerus Brett eines der Bretter des Wagens zugeschnitten und Evoli und Texomon bearbeiteten es mit Wasser und Sandwirbeln und gelegentlichen Einsätzen von Rasierblättern und Flammenstößen, bis am Ende ein wunderschönes, aus ebenmäßigem Holz gefertigtes und geflammtes Surfbrett vor ihnen lag. Mit einem begehrenden Blick betrachtete Neru, wie Nerina ihr neues Surfbrett entgegennahm. "Das sieht ja besser aus wie meins", sagte er neidisch. Texomon hatte es auf einmal ganz eilig, nach etwas im Wagen zu suchen und Evoli tat so, als wäre der Sandhaufen direkt vor ihr unheimlich interessant. Wenige Minuten später waren sie auch schon auf dem Weg. Der Sand war nach dem Sandsturm sehr locker und Neru war nun im Nachhinein stolz auf seine Idee, denn Arkani hatte trotzdem, dass er so lange und kräftige Beine hatte, genug mit seinem eigenen Körpergewicht zu tun, und es wäre wohl schwer geworden, ihn noch weiter mit Gewicht zu belasten. Schon jetzt sanken seine kräftigen Pfoten bei jedem Schritt tief in den Sand ein und so kam es, dass Folipurba, die kleiner, aber auch erheblich leichter war als er, doch gut mit ihm Schritthalten konnte. Die Hitze schien Arkani nicht zu lähmen, sondern eher noch zu beflügeln und Folipurba begann, fast in der grellen Sonne zu leuchten und reckte all ihre Blätter um ihrem Schein so nah wie möglich zu sein. Den ganzen Tag eilten sie in dieser Weise voran, bis sich am Abend ein großer Umriss am Horizont abzuzeichnen begann. "Kommt dorthin, wo die Weisen schlafen", flüsterte Neru vor sich hin. "Nerina!", rief er über das laute 'Wscht' des Sandes unter den Brettern hinweg, "Gib mir mal Nachhilfe in Geschichte! Wessen Pyramiden waren das nochmal?" Nerina sah ihn mit großen Augen an. "Ich glaube, die des Emeritophos", erwiderte sie, "Er war berühmt für seine gerechten und weisen Urteile. Nach ihm haben sich viele weitere in dieser Pyramide beerdigen lassen." "Das ist es", rief Folipurba begeistert und Arkani dröhnte mit seiner Donnerstimme: "Das ist der Ort, an dem die Weisen schlafen." "Na dann, nichts wie hin!", rief Nerina fröhlich und sie setzten ihre Fahrt in erwartungsvoller Spannung fort, bis sie die Pyramiden längst nach Sonnenuntergang erreichten. Die mächtigen Bauwerke hoben sich nun mächtig und dunkel vor dem blass blauen Himmel mit seinen Abermillionen von Sternen ab. Der nächste Morgen begann früh und kalt. Es hatte über die Nacht immer weiter abgekühlt und Neru hatte sich irgendwann sogar seinen Winterschlafsack genommen, um der Kälte zu entgehen. Jetzt ragten die Pyramiden wie gigantische Hügel aus rotem Sand über ihnen auf. Ihre Größe war für Neru nur zu schätzen und es dauerte gut zwei Stunden, bis sie den Eingang in die Pyramide gefunden hatten und das, obwohl sie wieder auf die Surfbretter und Folipurbas und Arkanis Geschwindigkeit zurückgegriffen hatten. Nun standen sie auf einer hohen Düne und besahen sich das große, rechteckige Loch in der Pyramide. "Das sieht irgendwie gruselig aus", meinte Evoli. Nerina nickte, doch ihre Miene war entschlossen. "Wir finden Sunny", erwiderte sie fest. Neru war wieder mal von der Stärke seiner Schwester beeindruckt. Sie selbst hielt sich manchmal für schwach, doch war das, was sie unter schwach verstand, immernoch mehr als das, was er zu leisten in der Lage gewesen wäre. Er drückte ihre Schulter. "Ich bin froh, dass ihr hier seid", erwiderte er. Nerina wandte den Kopf und schenkte ihm einen wärmenden Blick, doch wurde sie jäh von einem Schrei unterbrochen. Texomon hatte sich das schöne Holzsurfbrett genommen und damit versucht, die Düne hinunterzusurfen. Da es jedoch sein erster Versuch mit einem Surfbrett unter den Klauen war und die Düne noch dazu sehr steil war, hatte es ihn schon nach ein paar Metern von dem kippeligen Stück Holz geworfen und dem Surfbrett hinterher kugelte er nun die Düne hinunter. Munter kichernd erreichte er den Fuß der Düne und winkte ihnen nur beruhigend zu. Als sie ihn dann erreichten, meinte er nur: "Man wird doch wohl mal experimentieren dürfen!" und Neru musste unwillkürlich lachen. Das innere der Pyramide hingegen war weniger zum Lachen. Alles in ihm war von einem düsteren Licht erhellt und die Wände sahen alles andere als freundlich aus. Es gab Dutzende von Abzweigungen und Kreuzungen, die sowohl nach rechts und links, als auch nach oben und unten abzweigten. Manche waren schmal, andere breit wie Straßen. "Das ist ein Labyrinth", stieß er aus und sprang sofort wieder in Richtung des Eingangs zurück. "Wir müssen unseren Weg markieren", riet Nerina und sie holte aus ihrem Rucksack das Nähgarn heraus, das sie nun am Ausgang befestigten und sich langsam aufmachten, das Labyrinth zu erkunden. "Es ist unmöglich!", stieß Neru irgendwann aus und Texomon ließ sich frustriert gegen eine Wand sinken. Gerade eben waren sie wohl zum hundertsten Mal in einer Sackgasse gelandet und Neru hob den Faden, der sie wieder zurück führen würde. "Das kann doch gar nicht sein", stieß Texomon aus, "Wir haben jetzt schon so viele Wege versucht." "Kein wunder, dass Sunny sich hier versteckt", erwiderte Nerina. "Versteckt", fragte Evoli, "Oder gar nicht erst wieder herausfindet?" Darauf wollten sie lieber keine Antwort finden und Neru führte sie entlang des Garns den Weg zurück. Als er jedoch um eine Biegung bog, stellte er etwas Merkwürdiges fest. Das Garn verschwand in einer Wand. "Was soll das denn?", rief er aus. Die anderen traten näher und untersuchten die Wand. Nerina und Texomon gingen sogar ein kleines Stück in den Gang hinein, um zu sehen, ob auf der anderen Seite der Wand das Garn wieder zum Vorschein käme. Doch im nächsten Augenblick passierte das Unglück. Die Wand rechts von Neru begann, sich plötzlich zu bewegen und schnitt Nerina und Texomon von ihm ab. Der Druck ließ gleichzeitig das feine Garn reißen und nutzlos hielt Neru nun ein Ende in der Luft. "Oh nein!" Evoli begann sofort zu leuchten, erst grün, dann blau, dann sackte sie auf dem Boden zusammen. "Ich kann nicht evotieren", rief sie verzweifelt und kratzte mit ihren Klauen an der Wand. Neru versuchte, seine Panik herunterzukämpfen. Das konnte ja noch heiter werden. >>>Nerina<<< "Wo sind wir?" Erschrocken hob Texomon den Kopf aus dem feinen, regenbogenfarbenen Sand, blinzelte kurz um sich und sprang auf, "Hee, Nerina! Wir sind wieder draußen - aber die Pyramide ist weg!" "Wie kann sie weg sein?" Benommen hab nun auch Nerina das Gesicht von seinem weichen Kissen, rieb sich den Sand aus den Augen und setzte sich auf. Der Himmel über ihnen war makellos blau, die Sonne brannte erbarmungslos auf ein Meer aus regenbogenfarbenem Sand. Texomon stand völlig verwirrt neben ihr und auf dem Kamm der nächsten Düne konnte sie ein halb vergrabenes Bündel erkennen, das sie vage an ihren Rucksack erinnerte. Ansonsten sah sie nichts. Die Wüste war so leer, wie eine Wüste nur sein konnte, als habe sie die riesigen Pyramiden mit ihrem unheimlichen Inhalt und nebst ihres Bruders und Evoli verschluckt. "Aber das kann doch nicht sein!", stieß Texomon ungläubig aus und lief mit langen Schritten zum Kamm ihrer eigenen Düne hinauf. Seine Füße sanken bis über die Knöchel in den weichen Sand ein und Nerina brauchte ihm gar nicht erst zu folgen, um zu wissen, dass das Gehen kraftraubender denn je sein würde. "Sie sind doch so groß!", protestierte er weiter, "Sowas kann doch nicht einfach verschwinden!" "Vielleicht sind nicht die Pyramiden verschwunden, sondern wir?", mutmaßte Nerina, während trotz der Hitze eine Gänsehaut über ihren Rücken kroch, "Alte Pyramiden sollen voller Fallen sein und diese gehört auch noch einer Psychoarenaleiterin! Vielleicht sind wir ja auf einen Teleporter getreten und sonstwo in der Wüste gelandet..." "Einen was?", fragte Texomon und Nerina bemerkte, dass seine sonst so gesunde, blaue Gesichtsfärbung zu einem blassen Hellblau wurde. Dann konnte Texomon tatsächlich blass werden? "Ein Teleporter ist ein psycho-Gegenstand, der dich an einen festgelegten Ort versetzt", erklärte sie, kam nun selbst mühsam auf die Beine und stapfte mit steifen Beinen zu ihm, "Allerdings sind sie alt und sehr wertvoll. Ich habe noch nie einen gesehen." "Und wie kommen wir wieder zurück?", fragte Texomon und malte mit der Schwanzspitze nervöse Zickzackmuster in den Sand. Nerina seufzte. "Wenn der Teleporter dazu bestimmt war, uns loszuwerden", entgegnete sie düster, "Dann kommen wir gar nicht zurück. Wir könnten auf einem ganz anderen Kontinent sein! Für Psychopokemon spielen Entfernungen weniger eine Rolle. Für sie ist es, wie ein kleiner Sprung - erzählt man sich wenigstens." "Na fabelhaft", brummte Texomon grimmig, legte erneut eine Krallenhand über die Augen und spähte blinzelnd in die glitzernde Ferne, "Der Sand ist jedenfalls immernoch der gleiche", stellte er nach einer kleinen Weile fest, "Und es gibt schrecklich viel davon!" "Wie es aussieht, hat man uns unsere Sachen mitgeliefert", ergänzte Nerina und deutete auf das graue Bündel im sonst so farbenfrohen Sand, "Lass uns nachsehen gehen, was wir in Sachen Orientierung, Wasser und Essen noch haben..." Hoffnungsvoll machten sie sich auf den unnatürlich kräftezehrenden Weg hinab ins nächste Dünental und dann den steilen Hang wieder hinauf. Der Sand glühte unter Nerinas Sohlen und ihr Kopf schmerzte schon jetzt vor Hitze und Durst. Doch als sie den Rucksack erreichten, war die Enttäuschung groß. "Wie es aussieht, haben wir nur noch das Swag, die Schlafsäcke und das Sandbrett", bemerkte Nerina seufzend, nachdem sie hineingeschaut hatte, "Kein einziger Tropfen Wasser oder handvoll Rosinen und den Pokedex hat Neru offenbar auch bei sich." "Was ist mit dem Handy?", fragte Texomon verzweifelt. Nerina zerrte es aus seiner Halterung und versuchte, es einzuschalten, doch das kleine Gerät machte keinerlei Anstalten, zum Leben zu erwachen. "Entweder ist der Akku leer", schlussfolgerte Nerina, "Oder wir haben Sand im Getriebe. Das hilft uns also auch nicht weiter." "Dann sollten wir trotzdem versuchen, etwas zu essen aufzutreiben", sagte Texomon wild entschlossen und sah gen Himmel. "Wenn es jetzt etwa Mittag ist, dann steht die Sonne im Süden", überlegte er, "Und die Kuppelberge sind doch nördlich von hier. Egal, wie groß diese Wüste ist, wenn wir immer nach Norden gehen, müssen wir sie irgendwann erreichen!" Nerina nickte. "Schon", entgegnete sie, "Aber ohne Wasser kommen wir nicht weit. Ich bin jetzt schon am Verdursten!" "Halte die Hände auf", sagte Texomon rasch, "Ich mach einfach eine Aquaknarre und du fängst soviel Wasser, wie möglich auf!" Doch als er siegessicher die Hände hob, erschien kein Wasser zwischen seinen Fingern, kein einziges Tröpfchen. Verdutzt starrte Texomon auf die flirrende Luft zwischen seinen Fingern. "Aber das kann doch gar nicht sein!", protestierte er entsetzt, "Die Aquaknarre ist kaputt!" Nerina seufzte schwer. "Ich hatte es fast befürchtet", murmelte sie und als Texomon sie fragend ansah, ergänzte sie leise: "Sie zieht doch Wasser aus der Luft. Hier muss die Luft so furchtbar trocken sein, dass kein Wasser rauskommt. Nein, wir müssen eine Oase finden und zwar so schnell wie möglich." Nerina wusste nicht zu sagen, wie viele Stunden sie schwindelig und erschöpft auf dem Sandbrett gestanden hatte, bis sie in die Knie brach und schließlich auf dem Bauch zu liegen kam und immernoch trabte Arkani mit verbissenem Überlebenswillen durch die gleißenden Dünen. Sand schlug Nerina ins Gesicht, rieb über ihre Haut und hinterließ schmerzhafte Schleifspuren. Ihr Kopf fühlte sich ganz leicht an und schien voller bunter Zuckerwatte. Ihre Zunge fühlte sich bereits wie ein Fremdkörper in ihrem Mund an und hinter ihrer Stirn hämmerten Kopfschmerzen. Als Arkani endlich stehenblieb, versank die Sonne bereits als riesiger, roter Feuerball in den endlosen Dünen und erste, erfrischende Kühle legte sich über das Land. Doch weder Wasser, noch die geringste Spur eines bekannten Ortes hatten sie gefunden und Arkani war zu erschöpft, um weiterzugehen. Mit einem müden Evotationsschein verwandelte er sich in Texomon zurück und kroch kraftlos zu ihr, um sich in ihre Arme zu kuscheln. "Es ist alles meine Schuld", murmelte er trübsinnig, "Wenn ich nur fliegen könnte, wären wir schon längst in Sicherheit." "Du kannst doch nichts dafür, dass du nicht fliegen kannst!", widersprach Nerina ihm müde und rieb sich zum tausendsten Mal die tränenden Augen, "Du bist lange gelaufen und morgen werden wir sicher die Berge erreichen!" Sie versuchte, möglichst viel Optimismus in ihre Worte zu legen, doch es gelang ihr nicht, sodass sie lahm hinzusetzte: "Und vielleicht finden uns ja auch Neru und Evoli." "Wenn sie nicht selbst irgendwo hier herumirren", entgegnete Texomon seufzend und kaute in Ermangelung einer Mahlzeit an seiner Krallenspitze herum, "Wo steckt nur das verfluchte Tauboss? Es hätte sich wirklich mal wieder -" Er brach jäh ab, als der Boden um sie herum zum Leben erwachte. In einem gigantischen Wirbel aus buntem Sand tauchte ein Kreis massiger Köpfe aus dem Boden auf, jeder einzelne so hart und steinern, als habe der Boden selbst ein Gesicht bekommen. "Was zum großen Ei ist das?", fragte Texomon alarmiert und versuchte aufzustehen, doch seine Beine zitterten und abermals fanden seine Füße keinen Halt auf dem sandigen Hang, sodass er matt zurück auf den Boden plumpste. "Sandamer!", beantwortete einer der Steinköpfe seine Frage grimmig, dann schob sich auch sein Körper aus dem Sand, gefolgt von denen seiner Begleiter. Die Bodenpokemon waren allesamt nicht größer als Texomon, doch schienen sie mindestens das vierfache zu wiegen und ihre breiten Füße trugen sie scheinbar mühelos über den weichen Boden. "Sandamer! Sanda! San!", verkündete ihr Anführer und schritt mit drohend gehobenen Pranken auf sie zu. "Er sagt, wir sind in ihrem Territorium", übersetzte Texomon unbehaglich, "Jetzt sind wir ihre Gefangenen." "Aber wir wollten euch wirklich gar nichts tun!", protestierte Nerina verzweifelt, "Wir waren auf der Suche nach Sunny, der Psychoarenaleiterin in der Pyramide des Emeritophos, als wir auf einen Teleporter getreten und hier aufgewacht sind! Wir suchen nichts weiter als Wasser und Essen und einen Weg hinaus, wir -" "Sanda!", knurrte Sandamer und Nerina begriff auch ohne Texomons Übersetzung, dass sie schweigen sollte. Unbarmherzig rückten die Sandamer näher, eines packte Nerina um die Hüften. "Lass sie los, du komisches Pokemon!", fauchte Texomon und spie Feuer, doch seine Flammen prallten wirkungslos von der steinernen Haut des Bodenpokemons ab. "Oh verdammt!", fauchte er, als zwei weitere Pranken nach ihm griffen, holte aus und verpasste dem einen einen Doppelkick. Seine Krallen knirschten auf Stein und Texomon heulte schmerzhaft auf und hüpfte auf einem Fuß rückwärts, bevor er herumfuhr und einen Eisenschweif versuchte, doch auch den fingen die Sandamer mit stoischer Gelassenheit. Einzig Texomons Aquaknarre hätte sie aufhalten können, doch die hatte schon den ganzen Tag nicht funktioniert. "Kannst du nicht zu Seedraking werden?", rief Nerina verzweifelt. Texomon versuchte es, doch die Evotationsblasen verpufften wirkungslos. "Ich bin viel zu müde und durstig, um zu evotieren", stellte er mit hängenden Ohren fest. Dann packten ihn harte Pfoten, hoben ihn von den Füßen und stopften ihn in einen groben Leinensack, dessen Ursprung Nerina schleierhaft blieb. Das Texomon-Bündel strampelte wild, doch die Sandamer schnürten ihn kurzerhand auf das Sandbrett, dann wandte sich ihr Anführer Nerina zu. Sanda...", sagte er beinahe sanft, dann stürmte er auf sie zu, schlug hart gegen ihren Körper und riss sie zu Boden. Kurz zappelte Nerina noch unter seinem Gewicht, dann sauste etwas auf ihre Stirn zu und Nerinas Welt versank in wohltuender Schwärze. Als Nerina die Augen aufschlug, stand ein großer, bleicher Mond am samtschwarzen Wüstenhimmel und Abermilliarden Sterne funkelten, wie kleine Diamanten. Wohlig drehte sie sich auf die Seite, streckte sich genüsslich - und stellte verblüfft fest, dass sie sich ganz und gar ausgeschlafen fühlte, nicht so, als sei sie gerade ohnmächtig geschlagen und dann halb verdurstet durch den Wüstensand geschleift worden. Hatte sie am Ende ihre ganze, schreckliche Suche nur geträumt? "Nein, sie war real", beantwortete eine glockenhelle Stimme ihre ungestellte Frage und als Nerina sich ruckartig aufsetzte, um in die Richtung zu blicken, aus der die Stimme gekommen war, sah sie in zwei unnatürlich große, hypnotisch blaue Augen. Die Augen gehörten zu dem hübschen, wenn auch eher fremdartig anmutenden Gesicht einer jungen Frau, die im Schneidersitz neben Nerina im Wüstensand hockte, ein Abra an ihrer einen und ein elegantes, hochbeiniges Psiana an ihrer anderen Seite. "Die Sandamer haben mir erzählt, dass du mich gesucht hast", sprach die melodische Stimme weiter, "Tut mir wirklich leid, dass ihr diese Unannehmlichkeiten hattet. Weißt du, die alte Pyramide prüft von ganz alleine, ob man die Voraussetzungen für einen Psycho-Arenaleiter hat oder nicht und zweitere sammeln dann die Sandamer in der Wüste ein und bringen sie zu mir." "Warum -", setzte Nerina an, doch wieder beantwortete Sunny die Frage, ehe sie Gelegenheit fand, sie zu stellen. "Weil du genausogut eine Feindin hättest sein können", sagte sie ruhig, "In diesem Fall wäre es gefährlich gewesen, dir zu sagen, dass du zu mir gelangen würdest." Nerina schluckte. Es war nicht leicht, mit einem Menschen zu reden, der einem die Gedanken lesen konnte. "Mein Bruder sucht Sie", brachte sie schließlich heraus, "Er und Evoli -" "Sind schon beinahe hier", entgegnete Sunny lächelnd und rückte ein Stück beiseite, sodass Nerina erkennen konnte, dass sie eine große Schale mit klarem Wasser neben sich aufgestellt hatte. Das Spiegelbild zeigte Neru, der gerade mit irrwitziger Geschwindigkeit durch einen riesigen Raum segelte. "Der Schwerelos-Test", sagte Sunny glucksend, "Der ist immer der lustigste Teil." "Dann ist er also schon in der Prüfung?", fragte Nerina erleichtert und Sunny nickte. "Ja. Er weiß es nur noch nicht." Kurz entstand eine Pause, während sie beobachteten, wie Neru sich in schwindelerregender Geschwindigkeit um die eigene Achse zu drehen begann. "Sie macht ihre Sache gut", sagte Sunny ruhig, "Es wird eine Freude sein, sie zu unterrichten." "Dann wirst du sie ausbilden?", fragte Nerina begeistert. Sunny nickte. "Sie und euch", sagte sie prompt. "Wieso uns?", fragte Nerina nach einer Weile zögernd, "Texomon und ich, wir haben die Prüfung doch gar nicht geschafft." Sunny machte eine wegwerfende Handbewegung. "Nein, Psycho steht euch beiden nicht", protestierte sie grob, "Ihr seid beide viel zu unkonzentriert und zappelig und dein Gluvapo lässt zu gerne die Muskeln spielen." "Ich heiße Texomon", protestierte Texomon neben Nerina und mit einem raschen Blick in sein Gesicht stellte sie fest, dass er ebenfalls ausgeruht aussah. Sunny legte den Kopf schräg und musterte ihn, als sehe sie ihn gerade zum ersten Mal. "Apropos...", fuhr sie ungerührt fort, "Zeig mir doch bitte mal deinen Flammenwurf, Gluvapo." "Ich kann keinen Flammenwurf", brummte Texomon erbost. Sunny schien ihm ganz schön auf die Nerven zu gehen, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte, denn Sunny gähnte ungeduldig. "Mach Feuer!", befahl sie grob und Texomon spie eine helle Stichflamme in den Nachthimmel. Sunny nickte. "Kann man gelten lassen", sagte sie ruhig, "Und wie steht es in Sachen Wasser?" Diesmal gehorchte Texomon ohne Widerspruch und schoss einen armdicken Wasserstrahl mit einer Wucht gegen den Stamm der nächsten Palme, dass sie umknickte wie ein Streichholz. Sunny zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. "An der Hydropumpe wirst du noch arbeiten, aber dazu hast du ja nun genug Gelegenheit." "Was soll das heißen?", fragte Nerina, in der nun doch die Wut aufkeimte, "Texomon kann weder Flammenwurf noch Hydropumpe, er -" "Konnte Glut und Aquaknarre", sagte Sunny kühl, "Ist dir nie aufgefallen, dass das, was er da tut, für eine solche Attacke viel zu stark ist? Attacken sind bloß eine Illusion, Nerina, nichts weiter als komplizierte Namen für einfache Dinge! Kein Kind, das einen Kiesel wirft, käme auf die Idee, das dann Steinwurf zu nennen, oder?" Geschlagen senkte Nerina den Blick und Sunny fuhr fort: "Davon abgesehen wollte Siegfried, dass ich mir dein Gluvapo anschaue, ehe ich euch zu ihm schicke." Texomon vergaß schlagartig, beleidigt dreinzublicken und seine Ohren stellten sich auf. "Zu Siegfried?", fragte er begeistert, "Heißt das, ich kann doch noch zu Glutaro werden?" "Er erwartet euch", entgegnete Sunny lächelnd, "Wenn ihr wollt, bringe ich euch zu ihm." "Mal langsam", entgegnete Nerina verwirrt, "Texomon ist sicher noch sehr erschöpft und wir sollten auch auf Neru warten!" Erneut legte Sunny auf ihre unverwechselbare Weise den Kopf schräg. "Die Vitalglocke sollte euch beide taufit gemacht haben und Neru wirst du kaum verpassen. Das Gras wird nicht wachsen unter euren Füßen, bis ihr zurück seid - ach und Nerina? Hier, nimm Sandys dicken Mantel mit. Du könntest ihn brauchen!" >>>Neru<<< Kraftlos ließ sich Neru an der Wand zu Boden sinken. "Was machen wir denn jetzt?", stieß er aus. Evoli kratzte noch immer verzweifelt an der Wand herum. "Das kann doch gar nicht sein", rief sie mit schriller Stimme, "Geh weg, du blödes Teil von einer Wand!" Neru sah ihr mitleidig zu. Ein Knirschen ließ ihn zusammenfahren und er wirbelte herum. Der vorherige Gang hatte sich schon in eine Sackgasse verwandelt und jetzt schien es so, als würden sie komplett eingeschossen. Knapp neben ihm setzte sich eine weitere Wand in Bewegung. "Neiiin!", schrie Evoli und Neru und sie warfen sich mit aller Macht auf den immer kleiner werdenden Spalt. "DAS DARF JETZT NICHT SEIN!", knurrte Evoli zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch und so, als hätte die Wand sie gehört, wich sie ein paar Zentimeter zurück. Verdutzt hielt Neru inne und auch Evoli war zu überrascht von der Wirkung ihrer Worte. Die Wand setzte sich langsam wieder in Bewegung. "Geh weg, du blöde Wand!", rief sie wieder aus und die Wand verharrte wieder in ihrer Bewegung. Evolis Blick wurde geradezu hypnotisch und sie fokussierte die Wand, wie ihren schlimmsten Erzfeind. Langsam glitt die massive Wand aus jahrtausende altem Gestein zurück und öffnete den Zugang. Sobald der Spalt groß genug war, drückten sich Neru und Evoli hindurch. "Sag mal, spinn ich jetzt oder diese Pyramide?", fragte Neru, während Evoli sich erschöpft auf den Boden sinken ließ. "Die ganze Pyramide spinnt!", stieß sie erschöpft aus, "Hier gibt es Wände, die auf das hören, was man sagt." Neru wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. "Wie meinst du das?" "Na, ich meine", erwiderte sie, "Es war so, als müsse ich mich nur auf die Wand konzentrieren und dann würde sie sich bewegen, so wie ich das wollte." Neru sah sie stirnrunzelnd an. Was Evoli da sagte, kam ihm vor wie das, was er über die Fähigkeiten der Psychopokemon gehört hatte. "Das ist es", rief er, "Psycho. Das hier ist eine Psychopyramide." "Ja! Psycho sind wir alle gerade", murmelte Evoli. "Nein, nein", rief Neru, "Vielleicht richten sich die Wände wirklich nach deinem Willen." "Wegen der Psycho-Ausstrahlung hier?" Evoli richtete sich nachdenklich auf. "Du meinst, das ganze Labyrinth könnte nach dem Prinzip funktionieren?", fragte sie. Neru runzelte die Stirn. "Könnte schon sein." Begeistert sprang sein kleines Iramon auf. "Das probieren wir aus!", rief sie begeistert. Langsam machten sie sich auf den Weg. Schon nach wenigen Biegungen des Ganges kamen sie wieder an eine Sackgasse. Evoli spannte ihren ganzen Körper an und fokussierte die Wand. Wie von Geisterhand wich sie zurück und die eben noch vorhandene Sackgasse wurde zu einem breiten Gang. "Es klappt!", rief sie aus. "Das beste wird es sein", überlegte Neru, "Wenn wir versuchen, Sunny zu finden. Dann können wir Nerina und Texomon am besten helfen. Wer weiß schon, wo sie hier zu finden sind." "Ich versuche es mal", meinte Evoli und ihre ganze Körperhaltung drückte größte Konzentration aus. Die Wände vor ihnen veränderten sich. Die Biegungen des Ganges änderten sich und Zugänge wurden verschlossen. Langsam und immernoch hoch konzentriert machte sich Evoli auf den Weg. Die Wände vor ihnen schienen sich nun über ihren weiteren Weg einig zu sein. Es gab keine einzige Abzweigung mehr und sie konnten nur noch einem Pfad folgen. "Oh, ist das anstrengend", rief Evoli aus und öffnete die Augen. Neru hatte sie die letzten Meter getragen, um ihr zu helfen, ihre Konzentration nicht zu verlieren. Sofort setzten sich die Wände um sie herum wieder in Bewegung. Zugänge öffneten sich und Wände erschienen wieder dort, wo vorher keine waren. "Wir sollten erst mal eine Pause machen", riet Neru. Damit ließ er seinen Blick in den Rucksack gleiten und zog ihre Lebensmittel und Wasserrationen heraus. "Die arme Nerina", entfuhr es ihm, "Die haben gar nichts mehr an Verpflegung dabei." Nach einer Mahlzeit und einer kurzen Pause machten sie sich wieder auf den Weg. Diesmal nahm Neru Evoli gleich in die Arme und Evoli sagte: "Es ist genauso, als würde man versuchen, Doppelgänger von sich zu erzeugen, nur, dass die Doppelgänger der Weg zu Sunny sind." Neru nickte, ohne wirklich zu verstehen, doch Evoli schloss wieder die Augen und wieder begannen sich die vielen Wände zu bewegen. Nach vielen weiteren, quälenden Minuten endete der Gang vor ihnen an einer glatten Wand. Eine leichte Maserung in hellerem Stein war darauf abgebildet. Evoli öffnete die Augen und sofort verschlossen die widerspenstigen Wände den Weg zurück. "Also, allmählich wird mir die Sache doch unheimlich", erklärte Neru, während er sich umsah. Sie waren nun in einem etwa quadratischen Raum mit drei Metern Seitenfläche eingeschlossen. Evoli nickte geistesabwesend, während sie die Wand vor ihnen genau inspizierte. "Schon komisch", erklärte sie, "Alle Wände wollten, dass wir hierher kommen, aber warum hat sich diese dann nicht geöffnet?" Interessiert schnüffelte sie an einer im Stein schimmernden Spalte. "Vielleicht wissen die Wände nicht, wo wir hinwollen?", fragte Neru und befühlte nun den glänzenden Spalt. "Da ist eine Tür drin", rief er aus, als er die rechteckige Form vorsichtig mit den Fingern nachgefahren war, "Nur, wie öffnen wir sie?" Evoli setzte sich auf ihren Hintern und starrte die Wand an. "Vielleicht mit einem Code-Wort, sowas wie 'Sesam öffne dich'?", schlug Neru nach einer Weile vor. "Vielleicht müssen wir uns beide konzentrieren?", schlug sie vor, "Vielleicht bin ich ja zu schwach." "Nerina hat erzählt, dass sie Texomon für die Evotation immer Kraft geben muss. Vielleicht kann ich dir ja Kraft geben?", schlug Neru vor. Evoli schien zu überlegen. "Das muss dann ja irgendwie telepathisch gehen." Damit begann sie wieder, sich zu konzentrieren und Neru spürte, wie etwas auf seinen Kopf oder besser gesagt auf seine Gedanken drückte. Evolis Präsenz schob sich so stark, wie noch nie in seine Gedanken und schien in ihnen mehr, wie nur eine Stimme zu werden. Sie schien geradezu greifbar zu werden. "Konzentrier dich", sagte die Stimme von Evoli und Neru gab sich alle Mühe. Er versuchte, sich vor seinem inneren Auge vorzustellen, wie sich die Wand bewegte. Im selben Moment spürte er, wie etwas seine Kraft aufsog, wie ein Schwamm. Zuerst hatte Neru dasselbe Gefühl, wie damals im Transporter von Team Rocket, als Folipurba sich entwickelte. Nur diesmal war das Gefühl von gebender Kraft viel harmonischer und schmerzfrei. Im nächsten Moment erzitterte die Wand vor ihnen und ein kleiner, rechteckiger Zugang öffnete sich. Kaum das der Spalt groß genug war, schnappte Neru sich das immernoch mit geschlossenen Augen vor der Wand sitzende Evoli und sprang durch den kleinen und schmalen Zugang. Der Sprung, den Neru gemacht hatte, schien gar kein Ende zu nehmen. Langsam sah er sich um. Er fühlte sich so leicht, so absolut schwerelos. Was war nur los mit ihm? Langsam ließ er den Blick weiter schweifen. Sie befanden sich in einem großen Raum, der an die 20 Meter lang, breit und hoch war. Doch das war es nicht, was Neru den Schweiß auf die Stirn trieb und ihn sich ganz unwohl fühlen ließ. Das Problem lag viel mehr darin, dass er sich fünf Meter über dem Boden befand. Evoli schwebte staunend etwa anderthalb Meter über ihm in der Luft. "So muss sich ein Tauboss fühlen!", rief sie begeistert aus und besah sich die Welt aus der, für sie völlig unbekannten Perspektive. "Also mir wäre es lieber, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren", erwiderte Neru und er konnte spüren, wie sich Angst in ihm breit machte und ihm langsam und Gänsehaut erregend über den Rücken kroch. Alles in ihm erklärte ihm, dass das, was hier gerade geschah, völlig unmöglich sei. "Das ist unmöglich", stieß er aus. "Das Unmögliche ist nur ein Grenzfall des Möglichen", erklärte sein kleines Iramon und Neru starrte sie fassungslos an. "Woher weißt du denn sowas?", fragte er verdutzt. "Och, das haben die Professoren immer mal wieder gesagt, wenn es bei Texomons Formel nicht weiterging", erklärte sie. Sie begann nun, mit ihren kurzen Beinen in der Luft herumzurudern und schaffte es auch tatsächlich, eine Art Driftbewegung nach vorne zu erreichen. "Da hinten ist eine Tür", rief sie fröhlich aus und nun konnte auch Neru die kleine, metallene Tür an einer Seite des Raumes erkennen. Sie war schief angebracht worden und war etwa drei Meter vom Boden und einen von der rechten Wand entfernt, so, als hätte sie jemand angebracht, der nur entfernt eine Ahnung davon zu haben schien, wo eine Tür normalerweise zu sein hatte. Wie ein Schwimmer legte er sich Evolis Beispiel folgend nach vorne und begann, wild mit den Armen und Beinen zu paddeln. Es funktionierte, wenn auch langsam. Er und Evoli drifteten in etwa fünf Metern Höhe durch den Raum, bis sie irgendwann gegen die Tür prallten. Hastig klammerte sich Neru an den Türknauf, um nicht wieder abzutreiben. "Wie kriegen wir sie auf?", fragte Neru und Evoli paddelte ein wenig unsicher nach unten. "Da ist ein Schlüsselloch", erklärte sie und als ihre Nase daran stieß, schoss ein silbernes Etwas genau vor ihr durch die Luft. "Und da ist der Schlüssel!", erklärte sie nun triumphierend. Neru sah dem durch die Luft sausenden Schlüssel nach. Er war schnell wie ein Fisch im Wasser und er selbst kam sich vor, als würde er wie eine Schnecke langsam vor sich hin glitschen. "Und wie sollen wir ihn bekommen?" "Wir müssen ihn wahrscheinlich fangen", erklärte Evoli zaghaft und Neru atmete tief durch. Dann hielt er sich wie ein Schwimmer am Beckenrand am Türknauf fest und stieß sich kräftig mit den Beinen ab. Wie ein Pfeil schoss er nun durch den Raum, verfehlte den Schlüssel, der längst die Richtung geändert hatte und in einer ganz anderen Ecke des Raumes war, und knallte unangenehm gegen eine Seite des Raumes. "So wird es nichts", rief er seinen Iramon zu. Evoli schien wieder zu überlegen. Allmählich kam Neru sich wie ein Idiot vor. Langsam kraulte er wieder auf sein Iramon zu, als er sich plötzlich von einer unwiderstehlichen Kraft gepackt fühlte und in die Höhe gehoben wurde. "Es klappt", rief Evolis Stimme aus. Neru fühlte, wie Erleichterung ihn durchflutete, dann war die monströse Kraft also nichts anderes als Evolis Gedankenkraft. "Okay", rief er ihr zu, vielleicht musste man sich ja einfach auf den Wahnsinn einlassen, um hier wieder heil raus zu kommen. "Du könntest mich ja versuchsweise mal zu dir rüberschweben lassen", erklärte er. Evoli nickte und wieder spürte er, wie die Kraft ihn packte. Langsam driftete er über den Raum hinweg, bis er sanft neben Evoli zum stehen kam. "Wir müssen den Schlüssel fangen", erklärte sie aufgeregt und Neru konnte den silbernen Lichtblitz vor sich durch die Halle rasen sehen. "Könntest du nicht gedanklich den Schlüssel fangen", fragte er, während sich wieder Angst in ihm breit zu machen begann. Daran, dass er ein paar Meter über dem Boden schwebte, hatte er sich schon langsam gewöhnt, doch zu einem Geschoss in diesem Raum werden, wollte er dann doch nicht. "Vertraust du mir?", fragte Evoli. Neru sah sein Iramon an. Bis jetzt hatte er immer die Situationen entschieden und ihr geholfen. Doch in dieser Pyramide schienen andere Gesetze zu gelten. Ergeben senkte er den Kopf. "Ich vertraue dir." Evoli schloss die Augen und Nerus Magen krampfte sich zusammen. Dann spürte er sich von der unwiderstehlichen Kraft gepackt und er spürte, wie er beschleunigte. Immer schneller wurde er, wirbelte in der Halle herum, machte so scharfe Kurven, dass ihm beinahe selbst davon schwindelig wurde. Der einzige Punkt um ihn herum, der sich nicht so rasend schnell bewegte, war der Schlüssel. Neru richtete seinen Blick auf ihn und fokussierte ihn. Er streckte die Hand nach ihm aus und spürte, wie er ihm immer näher kam. Er versuchte zu vergessen, dass der Fahrtwind ihm die Luft aus den Lungen presste und versuchte auch nicht daran zu denken, was passieren würde, wenn Evoli die Konzentration verlor und ihn gegen eine Wand fliegen ließ. Er musste sich voll und ganz auf sein kleines Iramon verlassen - sich darauf verlassen, dass die, die er immer versucht hatte zu schützen, nun ihn beschützte. Neru streckte die Hand aus und fühlte den Schlüssel zwischen den Fingern. Mit einem triumphierenden Schrei schloss er die Faust um das kleine, längliche, metallene Ding und spürte sofort, wie er abgebremst wurde. Neru war so schwindelig, dass er drei Türen und drei Evolis vor sich auftauchen sah, als er wieder an der Tür ankam. Nachdem er sich ein paar Mal geschüttelt hatte, schob er, nach ein paarmaligem Probieren, jedoch den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum. Die Tür schwang auf und zog sowohl ihn als auch Evoli hinaus. Sofort spürte Neru, wie seine Eingeweide wieder nach unten sackten und er von der Schwerkraft gepackt nach unten gesogen wurde. Hart landete er auf einem steinernen Korridor, in den seltsamerweise die Tür völlig gerade eingelassen war. "Also war der Raum schief", meinte er mehr zu sich selbst. "Oder der Korridor ist es", erklärte Evoli. "Ja, aber die Schwerkraft...", protestierte Neru, doch ihm ging mit einem Male auf, dass die Schwerkraft anscheinend genauso real oder unreal war, wie die Wände, die sie vorhin bewegt hatten oder wie die ganze Pyramide. "Unten hängt nur von der Perspektive ab", erklärte Evoli und sie machten sich weiter auf den Weg. Der Gang schlängelte sich, doch hier gab es keine Abzweigungen und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als den verschlungenen Korridoren zu folgen. Als sie um eine Biegung bogen, lag vor ihnen ein riesiger Felsklotz. Er war komplett schwarz und seine Oberfläche mit Stacheln überzogen. Grünliche Flüssigkeit tropfte von ihnen herunter. "Wenn wir den berühren, sind wir hinüber", stieß Neru aus, "Kannst du ihn nicht wegschieben?" Evoli besah sich den Felsklotz mit überlegender Miene und schloss die Augen. Verdutzt zuckte sie zusammen, öffnete die Augen und schloss sie wieder. "Ich finde ihn gar nicht", erklärte sie. "Wie kann es sein, dass du den Felsen nicht findest?", stieß Neru aus, "Er ist etwa fünf Meter hoch, drei Meter breit und Giftstacheln ragen aus ihm hervor." Evoli schloss wieder die Augen. "Er ist nicht da", erklärte sie, "Zumindest nicht in einer Form, die ich bewegen könnte. Die Wände, alles kann ich spüren und eindrücken." Damit ließ sie eine Wand neben sich wackeln. "Doch dieser Felsen da ist nicht vorhanden." Neru schluckte, als ihm die Bedeutung der Worte von Evoli gewahr wurde. "Wollen wir nicht lieber zurück und einen anderen weg suchen?", fragte er schüchtern. Evoli schüttelte den Kopf. "Der Felsen ist nicht da!", wiederholte sie. "Du meinst er ist, ist nur Illusion?" Evoli nickte unsicher. "Er sieht aus, wie eine meiner Doppelgänger." Neru atmete tief durch und besah sich den Stein mit der giftigen, ätzenden Flüssigkeit darauf genauer. Doch er konnte kein Indiz für eine Täuschung erkennen. "Wir können einfach hindurchlaufen", erklärte Evoli mit geschlossenen Augen. Neru schnappte nach Luft. "Bist du verrückt?", rief er aus. Evoli sah ihn gekränkt an und er besann sich eines Besseren. "Bist du sicher?", stieß er außer Atem aus. Sein Puls beschleunigte sich und er brach in Schweiß aus. "Ich bin mir sicher", erklärte sie immernoch ein wenig verschnupft. "Mach einfach die Augen zu und halt dich an meinem Schwanz fest", meinte sie dann versöhnlicher, "Ich mach das schon." Nerus Hände zitterten und mit schweißnassen und eiskalten Fingern nahm er Evolis Schwanz in die Hand. Dann ging ein Ruck durch den Schwanz und fast schon widerwillig und mit zitternden Knien folgte er Evoli. Sie waren etwa drei Schritte von dem Stein entfernt. Neru zählte still im Kopf mit. Eins... Zwei... Er atmete tief durch, darauf gefasst, gleich ätzende Flüssigkeit um sich herum spritzen zu spüren. Als er bei Nummer fünf ankam, öffnete er ungläubig die Augen. Er konnte vor sich auf dem Boden noch eine lilafarbene Bodenplatte erkennen, auf die Evoli gerade ihre Vorderpfoten setzte, dann verschwand alles in bunten Lichterschlieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)