Heartbeat von MissyX ================================================================================ Kapitel 23: Into the Spotlight - Gala Part I -------------------------------------------- Nervös rutschte Usagi auf den Ledersitzen der schwarzen Limousine hin und her. Das Unbehagen wuchs von Sekunde zu Sekunde, je näher sie dem Park Hyatt Tokyo kamen. Selbst Yukiko vermochte es nicht sie zu beruhigen, als sie ihre Hand auf ihre legte.   »Tut mir leid, ich bin einfach so furchtbar nervös«, erwiderte Usagi leise, ehe sie sich seufzend wieder zur Seite wandte. In Gedanken versunken spielte sie mit dem Anhänger ihrer neuen Kette, während sie aus dem Fenster des fahrenden Wagens blickte. Sie musste Ruhe bewahren, auch wenn sie eine derartige Erfahrung noch nie vorher gemacht hatte. Und immerhin gab es für jeden ein erstes Mal und egal welche Erfahrung es ihr einbrachte, sie würde diese mitnehmen und auch zu schätzen wissen.   Das Gefühl beobachtet zu werden, ließ sie kurz darauf wieder nach vorn blicken, direkt in Mamorus funkelnde, dunkelblaue Augen. Mit hämmernden Herzen umschlossen ihre Finger leicht den filigranen Anhänger, den er ihr kurz zuvor geschenkt hatte. Da war er wieder: Dieser Blick, der ihr Herz automatisch ein paar Takte höherschlagen und sie alles um sich herum vergessen ließ. Und als Mamoru ihr aufmunternd und mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen zunickte, entwich ihr ein kaum hörbares Seufzen. Was hatte dieser Mann nur an sich?   *   Nach einer zwanzigminütigen Fahrt hielt die Limousine vor dem Park Hyatt Tokyo, dem neuen Nationaltheater Tokyos. Tief ausatmend erhob Usagi sich von dem Sitz und griff nach Mamorus Hand, die er ihr auffordernd entgegenstreckte.   Kurz strich sie sich ihr Kleid glatt, ehe sie einen Blick nach vorne riskierte und erschrak. Keine zehn Meter von ihnen entfernt hatten sich zig Fotografen und Presseleute positioniert, um das ein oder andere Sensationsfoto machen zu können.   »Oh, ich habe nicht damit gerechnet, dass hier so viele Fotografen sein werden«, erwiderte Usagi beim Anblick der vielen Leute neben dem Eingang. »Das gehört dazu, meine Liebe, zumal HichiMaru heute auch als Special Guest auftreten werden und allein dies schon die Presse anlockt«, antwortete Yukiko ruhig und Midori nickte zustimmend. »Meine Mutter hat recht. Du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen. Die Fotografen machen gleich ein paar Fotos, aber das war es auch schon, da wir nur einen kurzen Augenblick auf dem roten Teppich verweilen werden.« »Das heißt, uns werden keine Fragen gestellt? Keine Interviews, nichts?«, vergewisserte sich die Blondine. Mamoru, der direkt hinter den drei Frauen stand, lachte leise. »Es ist anders wie zum Beispiel bei einer Preisverleihung, die du vermutlich aus dem Fernsehen kennst, Usagi. Dort sind weitaus mehr Prominente, die tagtäglich im Rampenlicht stehen und deren Leben für die Öffentlichkeit interessant ist.«   Zu viert schritten sie den roten Teppich entlang und verweilten einen Augenblick vor dem Eingang des Nationaltheaters. Sekundenlanges Blitzlichtgewitter erhellte die nächtliche Dunkelheit und Usagi drängte sich hinter Yukikos Rollstuhl. Aus der Menge ertönten Rufe, die sie zuerst nicht zuordnen konnte, doch schnell erkannte sie, dass sie an Midori gerichtet waren.   »Mrs Chiba? Ist das ihr Sohn?«, rief einer der Fotografen und deutete mit seiner Kamera auf Mamoru, der direkt neben ihr stand.   Midori blickte kurz fragend zu ihm, doch Mamoru war bereits einen Schritt vorgetreten und nahm ihr damit die Entscheidung ab, ihn der Öffentlichkeit preiszugeben und vorzustellen: »Ja, der bin ich«, antwortete er und ließ das erneute Blitzlichtgewitter über sich ergehen, während Usagi sich ein wenig zurückgezogen hatte, um der Aufmerksamkeit der Fotografen zu entgehen. Doch sie blieb nicht lange unbemerkt. Sofort riefen die Reporter und Fotografen wild durcheinander und stellten ihre Fragen:   »Sagen Sie, wer ist die hübsche junge Dame hinter Ihnen? Handelt es sich dabei um Ihre neue Freundin, Mr Chiba?« »Warum wurde die geplante Hochzeit mit Ms Ginga abgesagt? Ist sie der Grund?« »Können Sie und ihre Freundin sich für ein gemeinsames Foto kurz nebeneinanderstellen?«   Mamoru drehte sich kurz zu Usagi um und hielt ihr die Hand hin, doch sie zögerte kurz. Es widerstrebte ihr, sich vor die unzähligen Presseleute zustellen, die wie die Geier auf ihre Beute lauerten. War es nicht genau das, was sie vermeiden wollte? Genau diese Art der Öffentlichkeit ohne eine Chance auf Wahrung des Privatlebens... Warum konnte sie nicht im Hintergrund bleiben? Und hatte nicht auch Mamoru genau das bisher gewollt? Kurz dachte sie an den Artikel zurück, den sie am Abend vor ihrem Vorstellungsgespräch gelesen hatte. Bisher hatte er sich doch auch gänzlich im Verborgenen gehalten und die Medienpräsenz lag ausschließlich bei Midori und Yukiko. Warum war dies nun völlig belanglos für ihn geworden? Was bezweckte er damit?   Unsicher umklammerte sie die Griffe von Yukikos Rollstuhl, hinter dem sie Schutz suchte. »Muss ich wirklich?«, fragte sie leise, doch Mamoru kannte kein Erbarmen und griff nach ihrer Hand, um sie sanft nach vorn zu ziehen. »Hab keine Angst! Ein paar Fotos und dann geben sie hoffentlich Ruhe«, erwiderte er leise und legte ohne weiter darüber nachzudenken den Arm um ihre Taille, ehe er geduldig auf die Fragen der Presse antwortete: »Bei der jungen Dame handelt es sich nicht nur um die Betreuerin meiner Großmutter, sondern auch um eine gute Freundin der Familie. Weiterhin handelte es sich bei der geplanten Hochzeit lediglich um eine Falschmeldung und eine Richtigstellung befindet sich bereits in Druck. Die Verlobung hat somit weiterhin Bestand. Damit dürfte auch ihre Frage, ob die junge Dame neben mir der Grund für die Absage wäre, beantwortet sein. Und selbstverständlich stehen wir Ihnen gern für ein gemeinsames Foto zur Verfügung.«   Usagi fühlte sich unwohl bei dem ganzen Trubel um ihre Person und der Umstand, dass Mamorus Hand auf ihrer Taille ruhte, machte es nicht besser. Warum hatte sie bloß zugesagt? ,Wegen Yukiko‘, rief sie sich in Gedanken zu und lächelte zaghaft. Mamoru selbst blickte selbstbewusst in die unzähligen Kameras, fast so, als hätte er noch nie etwas anderes gemacht.   Erleichtert seufzte sie auf, als er sie endlich freigab und sie sich wieder zu Yukiko gesellen konnte, während Midori ihren Sohn ebenfalls sofort in Beschlag nahm und in ein Gespräch verwickelte.   »Und war es wirklich so schlimm?«, wollte Yukiko wissen, als sie den Rollstuhl in Richtung Eingang schob. »Jein! Es ist einfach eine neue Erfahrung und sicherlich gewöhnungsbedürftig, aber ich denke, wenn man es nicht anders kennt und regelmäßig damit zu tun hat, kann man sich mit dem ganzen Trubel arrangieren.« »In der morgigen Tageszeitung wird es sicherlich ein hinreißendes Foto von Mamoru und dir geben«, schmunzelte die Ältere, während der Garderobier auf sie zukam, um ihnen die Mäntel abzunehmen.   Zu Usagis Überraschung stand jedoch Mamoru plötzlich hinter ihr und half ihr aus ihrem Mantel. Als seine warmen Hände ihre nackten Schultern berührten, stockte ihr der Atem und ein Kribbeln fuhr durch ihren Körper, ehe sie mit glühenden Wangen ein leises »Danke!« murmelte.   Kurz raffte sie noch einmal ihr rotes Chiffonkleid, bevor sie sich mit Yukiko in Bewegung setzte, während Midori und Mamoru neben ihnen herliefen. Mit halben Ohr lauschte sie den beiden, wie sie sich leise über die Gala und Mamorus Rede unterhielten. Dabei blickte sie kurz zu Mamoru und musterte ihn von der Seite. Er würde also eine Rede halten; diese Information war ihr bisher neu. Aber in keiner Sekunde hegte sie Zweifel daran, dass er die Gäste nicht fesseln könnte, egal was er für eine Rede hielt und egal worum es ging. Er würde bei den Anwesenden Gehör und Anklang finden.   Wie die Male zuvor fühlte sie sich ertappt, als Mamoru plötzlich lächelnd zur Seite blickte, fast als er hätte er gespürt, wie sie ihn musterte. Ihr wurde warm ums Herz und sie erwiderte sein Lächeln zaghaft, kurz bevor sie den großen Saal erreichten und dieser Usagis gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog. Ehrfürchtig blickte sie sich um und nahm jedes Detail des prächtig geschmückten Saals in sich auf. »Wow, wie wunderschön!«   *   »Da vorne ist unser Tisch«, entgegnete Midori und deutete auf den vordersten Tisch, unmittelbar vor der Bühne, auf der ein großer schwarzer Flügel und ein Rednerpult standen. »Gibt es eigentlich eine bestimmte Sitzordnung?«, fragte Usagi und schob Yukiko hinter Midori her, während Mamoru direkt hinter ihr folgte. Bisher waren sie, außer den Bediensteten, die Einzigen im großen Saal. »Nein, die Gäste sind lediglich den einzelnen durchnummerierten Tischen zugeordnet. Wie sie dort zusammensitzen, ist jedoch jedem selbst überlassen«, antworte Midori und nahm direkt seitlich zur Bühne mit Blick auf das Rednerpult Platz.   Usagi nickte und schob Yukikos Rollstuhl direkt neben Midori, dort, wo einer der unzähligen Kellner kurz zuvor zwei der insgesamt acht Stühle entfernt hatte, ehe sie selbst neben ihr Platz nahm. »Wer wird noch mit an diesem Tisch sitzen?« Neugierig deutete sie auf die drei leeren Stühle zwischen sich und Mamoru, der ihr gegenüber Platz genommen hatte. »Familie Ginga, also Natsumi, ihr Vater und ihr Bruder«, antwortete erneut Midori; und noch während diese Natsumis Namen aussprach, konnte Usagi Mamorus musternden Blick auf sich spüren.   Missmutig verzog sie beim bloßen Gedanken an diese Furie das Gesicht. Auch wenn es eigentlich logisch war, dass Natsumi anwesend sein würde, so beschlich sie dennoch ein ungutes Gefühl, was ihr Aufeinandertreffen anbelangte. Wahrscheinlich würde Natsumi sie den ganzen Abend ihre Verachtung spüren lassen. Immerhin war sie in ihren Augen nur Personal aus der unteren Schicht und ihrer nicht würdig.   Kurz dachte sie über die verschiedenen Möglichkeiten nach, den Abend zu überstehen, ohne in welcher Form auch immer Schaden zu nehmen. Jedoch blieb da kaum Spielraum und jede der Möglichkeiten brauchte einen faden Beigeschmack mit sich: Möglichkeit 1: Sie ignorierte Natsumi gänzlich, müsste dabei aber dennoch den ganzen Abend auf der Hut sein. Möglichkeit 2: Sie ging auf Konfrontationskurs mit Natsumi, wobei die Gefahr bestand, dass es in einem hässlichen Zickenkrieg endete, bei dem sie mit Sicherheit unterliegen würde. Möglichkeit 3: Sie würde Natsumi meiden, in dem sie auf der Stelle den Rückzug antrat und wieder zum Anwesen der Chibas zurückkehrte. Jedoch würde das bedeuten, dass sie Yukiko enttäuschen müsste und das konnte sie beim besten Willen nicht mit sich und ihrem Gewissen vereinbaren. Somit blieben nur Möglichkeit 1 und Möglichkeit 2, wobei sie letztere auch nicht in Erwägung ziehen würde, da sie Natsumi damit wohl den Krieg erklären würde.   Leise und gedämpft drang die Stimme von Mamoru an ihr Ohr, ehe sie realisierte, dass er tatsächlich mit ihr sprach: »Usagi? Möchtest du etwas trinken?« Irritiert blickte sie zwischen dem Schwarzhaarigen und dem Kellner hin und her, die sie beide abwartend ansahen. Doch ehe sie auf die Frage antworten konnte, übernahm dies Midori bereits: »Bitte bringen Sie uns eine Flasche Mineralwasser und eine Flasche Riesling.«   Nur wenige Minuten erschien der Kellner mit den gewünschten Getränken und füllte die Gläser mit Weißwein. Innerlich seufzte Usagi, wo sie doch keinen Alkohol vertrug. Doch was war schon ein Glas, dachte sie sich, als Midori, Yukiko und Mamoru ihre Gläser erhoben. Die Gläser klirrten leise und während sie als letztes mit Mamoru anstieß, vermochte sie kurz die Luft anzuhalten, als er ihr dabei tief in die Augen blickte und sie dabei kurzzeitig alles um sich herum vergessen ließ. Doch es war nur ein kurzer Moment, der sie gefangen hielt, ehe zwei für sie fremde Männer an den Tisch traten und Midori als auch Mamoru sich erhoben, um die Neuankömmlinge zu begrüßen: »Konbanwa Takero, es ist mir eine Freude, dass du und dein Sohn unsere Einladung angenommen haben, um den Abend mit uns gemeinsam zu verbringen.« »Guten Abend, Midori, die Freude ist ganz auf meiner Seite«, antwortete der großgewachsene, grauhaarige Mann, bevor er Midoris Hand ergriff und galant einen Handkuss darauf hauchte. Höflich erhob sich nun auch Usagi, als die beiden Männer auf sie und Yukiko zutraten und sich verbeugten. »Diese reizende junge Dame muss wohl Usagi sein«, entgegnete der ältere Herr und noch ehe sie antworten konnte, wandte sich Mamoru ihnen zu: »Usagi, das sind Dr. Takero Ginga, Chefarzt und Leiter des Krankenhauses, in dem ich arbeite, sowie sein Sohn Seijūrō.« Höflich verneigte sich nun auch Usagi, die sich jedoch unter dem starrenden Blick Seijūrōs ein wenig unbehaglich fühlte. »Konbanwa. Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen!«   »Wo ist eigentlich Natsumi?«, fragte Yukiko ganz beiläufig und um sich blickend. Usagi hätte sie in diesem Augenblick umarmen können, denn alle Aufmerksamkeit war damit von ihr gewichen. Ebenso ließ sie der Gedanke, Natsumi könnte den Abend mit Abwesenheit glänzen, gedanklich Freudensprünge machen. Doch ihre kurzzeitige Freude wurde schon im nächsten Moment getrübt. »Meine Tochter verspätet sich ein wenig. Sie war noch bei einem Geschäftstermin, der länger als erwartet gedauert hat. Sie bittet ihre Verspätung daher zu entschuldigen«, antwortete Takero und nahm mit seinem Sohn unmittelbar neben Usagi Platz, während der Platz zwischen ihm und Mamoru leer blieb. Natürlich würde Natsumi dort sitzen und es wurmte die Blondine. Wie gerne würde sie an Mamorus Seite Platz nehmen, seinen Duft wahrnehmen und seine Wärme spüren sowie gelegentlich sein Bein streifen. Bei dem Gedanken daran, ihn zu berühren, wurde es ihr augenblicklich warm und sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her.   Zu Usagis Unbehagen hatte sich Seijūrō ihr zugewandt und bemühte sich um ihre Aufmerksamkeit. Sein Lächeln war zwar durchaus freundlich, aber es lag nicht die Wärme darin wie bei Mamoru. Und dennoch ließ sie sich auf ein wenig Smalltalk mit ihm ein. Nur beiläufig bekam sie mit, wie sich der Saal nach und nach füllte, während einige der Gäste kurz an den Tisch der Chibas kamen, um diese zu begrüßen. Von Zeit zu Zeit blickte sie sich um und jedes Mal traf sie auf das strahlendblaue Augenpaar von Mamoru, der sie aufmerksam beobachtete. Lächelnd hatte er ihr gerade zugeprostet, als sie lautstarkes Gemurmel um sich herum vernahm. Alle Anwesenden drehten sich zur Treppe und Usagi tat es ihnen gleich.   Die Frau, die soeben den Saal betrat, war mit ihrem gold-glänzenden pompösen und ausladenden Kleid der Blickfang schlechthin. Eine Discokugel würde womöglich vor Neid erblassen, denn das Kleid und die Frau, die es trug, schrien förmlich „Hallo, hier bin ich - schaut mich an - ihr könnt gar nicht wegschauen!“   Überrascht hielt Usagi die Luft an, als sie erkannte, um wen es sich handelte. Es war Natsumi, die nun erhobenen Hauptes auf sie zukam und natürlich war sie sich den Blicken der Gäste vollkommen bewusst. Jemand wie sie genoss ganz offensichtlich den großen Auftritt und liebte es im Rampenlicht zu stehen.   Und als hätte Usagi es geahnt, verfinsterte sich Natsumis Blick, als sie sie in der Tischrunde sitzen sah, ehe sie die Anderen begrüßte und schlussendlich neben Mamoru Platz nahm, den sie zuvor hingebungsvoll geküsst hatte. Der Anblick hatte sich schmerzvoll in ihr Herz gebohrt und schnell hatte sie den Blick auf ihre Hände gerichtet.   Widererwartend sagte Natsumi jedoch nichts zu ihrer Anwesenheit und so ließ sich Usagi wieder ein wenig entspannter auf ein Gespräch mit Seijūrō und Yukiko ein, die sie sogar einige Male zum Lachen brachten. Doch sobald sie nur einmal in Richtung von Mamoru sah, konnte sie den eiskalten und verachtenden Blick von Natsumi auf sich spüren.   *   Der Saal war bis auf den letzten Platz belegt und alle unterhielten sich angeregt an ihren Tischen, als Mamoru sich erhob und die kleine Treppe neben der Bühne hinauflief. Alle Anwesenden verstummten, nachdem er hinter das Rednerpult getreten war und das Streicherquartett, welches sich neben der Bühne, seitlich zum schwarzen Flügel, platziert hatte, ihr Stück beendete.   „Kinder verdienen unsere Achtung, und deshalb tut für sie, was immer ihr könnt“, schrieb einst Hans Czermak (1913 - 1989), ein österreichischer Kinderarzt und Verfechter der gewaltlosen Kindererziehung.   Meine verehrten Damen und Herren, liebe Anwesenden,   es ist mir eine außerordentlich große Freude, Sie heute zu der 3. Benefiz-Gala unter dem Motto „Ein Herz für Kinder“ begrüßen zu dürfen und ich hoffe, dass wir alle in einer angenehmen Atmosphäre, mit einem tollen Programm und netten Gästen einen wunderbaren Abend verbringen werden.   Heute Abend steht die Einrichtung „Ashinaga“ im Scheinwerferlicht dieses Saales. Ashinaga ist eine der wohl ältesten und bekanntesten humanitären Einrichtungen in Japan. Die nach dem 1912 erschienen amerikanischen Roman Daddy-Langbein benannte gemeinnützige Organisation, bietet seit über 40 Jahren finanzielle und emotionale Unterstützung für Kinder, die ihre Eltern aufgrund einer Krankheit, eines Unfalls oder durch eine Katastrophe verloren haben. Wir alle müssen mithelfen, diesen Kindern eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen.   An dieser Stelle möchte ich mich im Namen aller bei den vielen ehrenamtlichen Helfern sowie den Sponsoren bedanken, ohne die die Arbeit der Stiftung nicht möglich wäre.   Das alles ist für meine Familie und mich eine Herzensangelegenheit. Ich möchte Ihnen daher heute zeigen, was mit Herz, Engagement und dem nötigen Kleingeld alles möglich ist und Ihnen die neuesten baulichen Verbesserungen auf dem Stiftungsgelände vorstellen. Aufgrund der großen Nachfrage, ist eine Erweiterung der Infrastruktur auf dem Gelände dringend nötig geworden. Zukünftig wollen wir noch mehr Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, auf dem Gelände von Ashinaga positive Erfahrungen zu sammeln.   Mit dem Erlös der heutigen Benefiz-Gala legen wir einen weiteren Grundstein zur notwendigen Erweiterung der Kapazitäten, doch wir brauchen weitere Unterstützer, die ihren Beitrag leisten wollen.   *   Wie hypnotisiert hing Usagi an Mamorus Lippen und lauschte seinen Worten. Seine tiefe Stimme hallte in ihr nach und seine Worte verfehlten weder bei ihr, noch bei allen Anwesenden seine Wirkung. Kurz blickte sie sich um und es überraschte sie kaum, dass die ersten Gäste an den Nachbartischen zu Stiften und kleinen Scheckheften griffen, diese ausfüllten und noch bevor Mamoru mit seiner großartigen Rede geendet hatte, an die Angestellten weitergaben, die mit kleinen ledergebundenen Mäppchen in Reichweite der Tische standen.   *   Nachdem alle Spendenzettel und Schecks an den Tischen eingesammelt wurden, war es endlich an der Zeit mit dem Dinner zu beginnen. Schon seit geraumer Zeit verspürte Usagi mächtig Hunger, doch das servierte Essen ließ sie zweifeln, wirklich satt zu werden. Sie hatte sich ein üppiges Festmahl vorgestellt, aber das, was sie nun auf ihrem Teller hatte, glich eher einer Vorspeise, zumindest von der Portion her. Mamoru, der sie genau durchschaut hatte, konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen und kassierte dafür prompt einen Seitenhieb von Natsumi. Doch es war ihm in diesem Moment herzlich egal und so verfolgte er weiterhin, wie Usagi unsicher hin und her blickte. Inzwischen kannte er ihre Essgewohnheiten gut genug, um zu wissen, dass sie eine leidenschaftliche Esserin war.   Nur zögerlich tat es Usagi Midori und Yukiko gleich; nur eine winzige Menge auf die Gabel und diese nur ansatzweise an den Mund reichen. Zwischendurch nahm sie immer wieder einen Schluck Wasser, um das Hungergefühl in ihrem Bauch zu lindern. Doch es half nichts, der Hunger war auch nachdem ihr Teller bereits leer war, noch immer mächtig und brachte ihren Magen dazu, sich lautstark bemerkbar zu machen, was wiederum erneut dazu führte, dass Mamoru leise lachen musste. »Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt, Darling«, erwiderte Natsumi und schnaubte verächtlich. »Meiner Meinung nach zeugt das doch nur wieder davon, dass diese Frau weder Ehr- noch Schamgefühl besitzt. Zudem scheint sie auch absolut keinen Wert auf ihre Figur zu legen, sonst hätte ihr das servierte Essen nämlich vollends gereicht.«   Entsetzt über die Reaktion Natsumis über ihren knurrenden Magen, blickte Usagi auf und traf direkt auf Mamorus Blick. Dieser schüttelte jedoch nur leicht den Kopf, als würde er ihr damit sagen wollen, dass sie nichts auf Natsumis Worte geben solle. Und doch verspürte sie eine leichte Enttäuschung darüber, dass er seine Verlobte nicht in die Schranken wies. Zu ihrer Überraschung übernahm dies jedoch augenblicklich ihr Vater: »Natsumi, ich bitte dich. Halte dich mit deinen Äußerungen anderen Gästen gegenüber zurück.« Mit finsterem Blick nickte Natsumi kurz und wandte sich dann wieder Mamoru zu, um seine Rede und die Arbeit der Stiftung zu loben.   Usagi selbst saß noch immer wie versteinert auf ihrem Platz. Am liebsten hätte sie nun doch den Rückzug angetreten, um nicht noch weiter Natsumis Hasstiraden und Bloßstellungen ausgesetzt zu sein. Immerhin war sie sich darüber im Klaren, dass es nicht das letzte Mal gewesen war. Nur, wie könnte sie dem entgehen? Was hatte sie Natsumi schon entgegen zu setzen? -Richtig, rein gar nichts.   *   Die ersten Gäste hatten inzwischen den Weg auf die Tanzfläche gefunden und tanzten zu der Musik des Streicherquartetts den langsamen Walzer. Im 3/4 Takt wiegten sie hin und her und Usagi beobachtete fasziniert, mit welcher Leichtigkeit die Paare über das Parkett tanzten und wirbelten. Niemals würde sie so tanzen können, sofern sie überhaupt aufgefordert werden würde.   Und noch während Usagi ihren Blick auf die Tanzfläche gerichtet hielt, stahl sich ein junger, weißhaariger Mann in ihr Blickfeld, der sofort ihre Aufmerksamkeit erregte. Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht, während sein Blick direkt auf sie gerichtet war. Und dann stand er plötzlich vor ihr und seine kühlen, blass-lilafarbenen Augen blitzten freudig auf...   »Darf ich Sie um diesen Tanz bitten?« Hosted by Animexx e.V. 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