Pirates of the Caribbean: Black Tides von Sharyne ================================================================================ Kapitel 10: Ein unfreiwilliges Bad ---------------------------------- 9. Kapitel - Ein unfreiwilliges Bad Langsam versank die feuerrote Abendsonne am flammenden Horizont und färbte die Spiegelungen auf den Wellen des Meeres in einem leuchtenden Orange, während durch die hereinbrechende Nacht die Ähnlichkeit der Piratenstadt Schiffbruch mit Tortuga immer deutlicher wurde; wenn der Tag sich dem Ende neigte, kam Leben in die zahlreichen Kneipen und Tavernen. Menschen verschiedenster Länder und Kontinente, die die Hauptstadt der Seeräuber aufgesucht hatten, tummelten sich auf den Marktplätzen und im Hafen, heiteres Lachen und laute Stimmen waren zu hören, und auch der Hauptsitz der Bruderschaft - die Schiffbruch-Bay - wirkte durch die unzählbar vielen Lichtschimmer, die zwischen den Schiffsrümpfen, Masten, Planken und ausgedienten Schiffskörpern hindurchleuchteten, riesenhaft und besonders eindrucksvoll. Umgeben von den beträchtlichen Kraterwänden des erkalteten Vulkans, die bewachsen waren von allen möglichen tropischen Pflanzen und Bäumen, bot die Schiffbruch-Insel eine einmalig sichere Zuflucht für Bukanier und andere Piraten. Sanft schaukelte die schwarze Galeone mit den nachtfarbenen, riesigen Segeln auf den Wellen der Karibischen See zwischen den beiden anderen mächtigen Schiffen, die von Captain Edward Teague und Captain Hector Barbossa kommandiert wurden. Stolz durchflutete den Piratenfürsten der Karibik, wie er seine geliebte Black Pearl im Hafen erblickte, die an einem länglichen Steg angelegt hatte. Man erzählte sich viele unheimliche und ausschweifende Geschichten über dieses Schiff. Unzerstörbar, so heißt es, eine verfluchte Galeone, so schnell, dass sie kaum einzuholen war; befehligt von Captain Jack Sparrow und das Flaggschiff der Armada des Teufels selbst. Von Lord Cutler Beckett persönlich als Wicked Wench buchstäblich in die Luft gejagt und auf den Grund des Meeres versenkt, von einem Riesenkraken verschlungen und in Davy Jones' Reich befördert und mit einem Voodoo-Zauber in einer Flasche versiegelt worden, und doch war sie immer wieder zu ihrem Captain zurückgekehrt. Der prächtige Anblick der Galeone ließ Jack die Sorge und die unguten Vorahnungen über ihre Reise, die schon seit der Erwähnung des Namens der griechischen Göttin sein Bauchgefühl fast unerträglich machten, vergessen. Er und auch die anderen, die in diese ungemütliche Sache mit hineingezogen wurden, wussten, dass diese Angelegenheit alles andere als einfach werden würde. Jack beobachtete auf dem Weg zum Dock seine Männer oder die, die nicht an der kleinen Versammlung teilgenommen hatten. Wie befohlen machten sie klar Schiff, brachten die wichtigsten Vorräte für eine lange Seefahrt an Bord und kümmerten sich darum, dass die Black Pearl in kürzester Zeit zum Ablegen bereit war. Die raue Seeluft war für seine Laune um einiges besser als die stickige, verrauchte Atmosphäre der beliebten Taverne Bull's Head und auch die Aussicht auf eine weitere abenteuerliche Seefahrt ließen ein kurzes Lächeln über das Gesicht des Captains huschen. Er hatte es vermisst, sich blind in irgendwelche Schwierigkeiten zu stürzen, unwissend, was ihn erwartete und die Probleme, die ihm dann begegneten, auf die für Sparrows typische Art zu lösen - improvisieren oder im besten Fall auch 'Kämpfen, um davonzulaufen', wie er sich vor einigen Jahren beim Hohen Rat der Bruderschaft ausgedrückt hatte. ... Wobei er ihre bevorstehende Aufgabe, das sicherlich einige Gefahren und lebensriskante Dinge mit sich brachte, auf keinen Fall unterschätzte! Barbossa und Captain Teague, die sich scheinbar leise miteinander unterhielten, waren schon einige Schritte voraus und steuerten auf den Steg zu; Sarah hielt sich neben ihm und Jim, der aus welchen Gründen auch immer bereits voraus gelaufen war und schon gemütlich an der Reling lehnte, richtete seine Aufmerksamkeit auf den Rest der Crew, während er gleichzeitig seinen Captain und deren Begleiter im Auge behielt. Zwei der Männer kümmerten sich um eine Verbindung vom Schiff zum Pier und Jack rollte entnervt mit den Augen, als er bemerkte, dass es immer noch dieselbe alte, morsche Planke war. Breit genug aber dennoch gefährlich für Männer, die unter dem altbekannten Seemannsgang litten (den Jack übrigens dauerhaft und sehr ausgeprägt an den Tag legte) oder dauerbetrunken waren (was ebenfalls auf den Captain zutraf), bildete sie einen Not-Ersatz für eine Laufplanke; diese war nämlich auf mysteriöse Weise verschwunden, seit Blackbeard die schwarze Galeone in ein Buddelschiff verwandelt und in eine Flasche gesteckt hatte. Er fragte sich einen Moment lang, ob es für die beiden anderen Captains kein Problem darstellte, ihre Schiffe an der Schiffbruch-Insel zurückzulassen; aber scheinbar waren deren Crews bereits informiert über die Abreise ihrer Kommandanten und so würden die Queen Anne's Revenge und die Troubadour dort weiterhin vor Anker liegen. Zu befürchten hatten Teague und Barbossa nichts; ein Pirat würde gegen den Kodex handeln, wenn er ein anderes Piratenschiff angreifen, zerstören oder in Abwesenheit des Captains stehlen würde und Jack wusste aus eigener Erfahrung, dass sein alter Herr dann sehr, sehr ungemütlich werden konnte. Feixend erinnerte er sich an einen der beiden Sprecher von Sri Sumbhajee, der sein Kommentar über das Gesetzesbuch der Piraten mit seinem Leben hatte bezahlen müssen. Captain Teague war kein grausamer Mann, doch wenn es um das 'Heiligtum' ging, welches er zu bewachen und zu beschützen hatte, dann griff er hin und wieder auch mal zu sehr unschönen Mitteln. Protestierende Laute und ein leises Quieken und Zirpen ließen Jack erneut die Grenzen seiner Nerven erreichen, als er ein kleines, braun-graues Fellknäuel bemerkte, dass hinter der merkwürdigen Zusammenstellung von Captains, Schiffbrüchigen und Betrunkenen herhuschte. Die schwarzen Äuglein funkelten empört, als das kleine Kapuzineräffchen nach dem Nächstbesten griff, was sich in seiner Reichweite befand, um nicht noch mehr zurückzufallen - in diesem Fall der Saum von Sarahs schwarzem Mantel, der wohl mehr einer Robe glich. Little Jacks 'Opfer' entfuhr ein überraschter Laut, als dieser sich geschickt an dem Kleidungsstück nach oben hangelte, auf Sarahs Schulter zu sitzen kam und die ihm unbekannte, junge Frau mit schiefgelegtem Köpfchen und einem leisen, fragenden Laut betrachtete. Auch der große Jack schien ein wenig perplex vom plötzlichen Auftauchen des Tieres; vor allem, da ihm bekannt war, dass das Äffchen sich nicht so schnell an ihm fremde Personen herantraute. Es kletterte auf den linken Arm, der ihm angeboten wurde, und betrachtete den Ärmel des weißen Hemds anscheinend als Spielzeug. "Wo kommst du denn so plötzlich her, Kleiner?", lachte Sarah, deutlich amüsiert über ihren 'blinden Passagier'. "Dieses kleine, hinterhältige Mistvieh gehört zu Barbossa", beantwortete Jack die Frage, die der Schiffbrüchigen auf den Lippen brannte. "Mistvieh?", empörte sie sich über die Bezeichnung von Little Jack, "ich finde ihn niedlich." Als ob sie ihre Worte damit unterstreichen wollte, kraulte sie dem Äffchen das Köpfchen, was Little Jack sich nur allzu gern gefallen ließ. "Glaubt mir, Ihr werdet ihn irgendwann abgrundtief hassen." Der Captain zog eine Grimasse. "Spätestens dann, wenn Ihr ihn im Mondlicht seht." Die Schiffbrüchige schmunzelte und hatte eine geringe Vermutung, was Jack damit meinen könnte. Vor einigen Jahren hatte sie sehr viel über den berüchtigten Fluch des Aztekengoldes von Cortéz gehört. "Für Euch bin ich Sarah", sagte sie, einen kurzen Entschluss fassend, "lassen wir dieses alberne Höflichkeits-Gequatschte, wenn es für Euch in Ordnung ist. Wir sind unter Piraten." Sie zwinkerte ihrem Captain kaum merklich zu. "Ist in Ordnung", grinste dieser, "solange du mich nicht mit dieser abscheulichen Flohkiste verwechselst." Mit einem Kopfnicken deutete er auf das Äffchen, das ihn sehr wohl zu verstanden haben schien und entrüstet die spitzen Zähne bleckte. Barbossa passierte als Erster das Deck der Black Pearl über die verdächtig knarzende Planke; ihm folgten Teague, Jack, Pintel und Ragetti, der hartnäckig mit seiner Augenklappe kämpfte. Beinahe wollte der Piratenfürst der Karibik seinen Männern schon die Befehle zum Ablegen und Segel hissen geben und hatte bereits tief Luft geholt, als er urplötzlich einen erschrockenen Aufschrei, das Kreischen eines Kapuzineräffchens und ein unschönes Knacken hinter sich vernahm, darauf folgte ein lautes Klatschen, dass sich ganz danach anhörte, als hätte soeben jemand Bekanntschaft mit den Wellen gemacht - und genau so war es auch. "Sarah?!", rief er nicht minder überrascht über die Reling und drehte sich abrupt um; auf den Wellen trieben die kläglichen Überreste der Planke, die ihnen eben noch als Übergang gedient hatte. Little Jack hatte den rettenden Absprung auf die Schulter seines eigentlichen Herren gerade noch so geschafft, der ebenfalls genauso wie der Rest der Crew auf das Geschehen aufmerksam geworden war. Diese hatte sich an der Reling versammelt und warf neugierige Blicke auf die Stelle, wo eben noch ihre notdürftige Gangway gewesen war. Cottons Papagei kreischte ein „Arrgh, über die Planke!“ und Jack konnte nicht anders als in sich hineinzulachen, als ihm auffiel, wie unglaublich gut diese Aussage zur Situation passte. An der Wasseroberfläche erschien das verzerrte Gesicht der jungen Frau, die sich hustend und nach Luft schnappend einige dunkelblonde, nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und sich mit hastigen Schwimmbewegungen zu der Backbordseite des Schiffes und der schaulustigen (und teils lachenden) Menge vorkämpfte. "W-Wenn mir davor jemand gesagt hätte, wie verdammt k-kalt das Wasser in einem verfluchten, ausgedienten Vulkankrater ist -!" "Sehr schön", kommentierte Jack sarkastisch, "wie kriegen wir dich jetzt an Bord?" Barbossa bemerkte den Satz seines Erzfeindes mit einem genervten Augenrollen, während er sich zum Rest der Crew hinter dem Geschehen herumdrehte, als wüsste er bereits eine perfekte Lösung für das kleine Dilemma. Und das passte seinem Rivalen überhaupt nicht! "Haben wir eine Leine an Bord?", rief er über das Deck. Keine zwei Sekunden später wurde ihm von Jim ein stabiles Seil zugeworfen, das er nahe der Brücke gefunden hatte. Sarah griff mühselig nach ihrer Rettung, deren Ende über die Backbordseite nach unten geworfen wurde und mit einem Platschen im Wasser landete. Nach einigen kräfteraubenden Kletterversuchen, die Finger förmlich in die Leine gekrallt und sich mit beiden Beinen am dunkelgrauen Holz und der (leider gekürzten) Strickleiter abstützend hatte sie schon fast die Reling erreicht und wollte gerade danach greifen, als sie - dank der glatten Oberfläche des Holzes - beinahe abgerutscht wäre. Bevor sie jedoch erneut ein unfreiwilliges Bad nahm, schlang sich ein kräftiger Arm um ihre Taille und hievte die junge Frau über die Reling und endlich sicher an Bord der Black Pearl. "D-Danke", stammelte sie verblüfft über die schnelle Reaktion des Mannes - es war der mit dem großen, schwarzen Hut, wahrscheinlich Barbossa, da das Kapuzineräffchen nun auf seiner Schulter saß. Es war wirklich nervenraubend, ein schlechtes Namensgedächtnis zu haben! "Also das hätte ich auch noch gekonnt", kommentierte Jack mit einem unbeeindrucktem und hochmütigen Blick in Richtung seines Erzfeindes, verschränkte die Arme und reckte die Nase in die Höhe. "Natürlich hättest du das, Jack", spottete Barbossa mit vor Ironie nur so triefender Stimme und den Namen des karibischen Piratenlords wieder einmal unnötig in die länge ziehend. Sarah kicherte, während unzählige Mann an Bord laut auflachten oder einen Seufzer ausstießen. Das musste wohl der Anfang von besagtem Dauergezanke sein, von dem Captain Teague gesprochen hatte ... "Gebt das nächste mal besser Acht, Miss Blackwood. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses modernde Stück Holz durchbricht." "Ich danke Euch ... Captain Barbossa", sagte sie erneut - ihrem Gegenüber entfiel der fragende Unterton nicht. Mit einem knappen Nicken bestätigte er die Frage nach seinem Namen. "Stets zu Eurem Diensten, Missy." Jack grummelte innerlich über dieses typische Gentleman-Gehabe, das Barbossa nur allzu gern an den Tag legte. "... Übrigens könnt Ihr mich jetzt wieder loslassen." Die Schiffbrüchige hatte ein breites Grinsen aufgesetzt und schenkte dem Captain der Queen Anne's Revenge spielerisch einen kecken Augenaufschlag, als ihr auffiel, dass er sie nach wie vor in einer halbherzigen 'Umarmung' hielt. Jack musste sich stark anstrengen, um einen bevorstehenden Lachanfall zurückzuhalten - Barbossas Gesichtsausdruck war in diesem Moment für die Götter bestimmt und das heiser gestammelte "V-Verzeihung" seinerseits ließ den ein oder anderen an Bord erneut in heiteres Gelächter ausbrechen. Selbst Thomas, der Quartiermeister, der sonst immer einen übertrieben grimmigen Blick aufgesetzt hatte, als würde die Welt bald ihr bitteres Ende finden, huschte ein kurzes, klägliches Lächeln über die Lippen. Sarah hatte den guten Hector wortkarg gemacht und somit das achte Weltwunder geschaffen! Gibbs schüttelte ungläubig den Kopf und beugte sich zu seinem alten Freund hinüber. "Sind wir nun bereit zum Ablegen, Captain?" Ein paar lose, grauschwarze Haarsträhnen fielen dem Ersten Maat ins Gesicht. Jack genoss diesen einen letzten Moment, den er ausnutzte, um einen letzten Blick über die beeindruckende Hauptstadt zu werfen. Der Horizont hatte bereits eine tiefrote Farbe angenommen und die salzige Seeluft wurde kälter; die funkelnden Lichter der Tavernen, Wohngebiete (Selbst das gab es auf der schönen Schiffbruch-Insel!) und der zu einer Piratenfestung aufgetürmten Schiffskörper ließen auch die schwarzen, noch eingeholten Segel der Galeone erstrahlen. Nach Singapur war es - von der Karibik aus - eine Seefahrt, die fast um die halbe Weltkugel führte: Sie würden den kompletten pazifischen Ozean und die Gewässer, die sich ihm anschlossen, durchqueren müssen, bevor sie die asiatische Stadt erreichen würden. "Sofort zurück an die Arbeit und bereitmachen zum Ablegen, ihr faulen Kielratten!", befehligte der Captain seine Männer, doch die Freude in seiner Stimme strafte seine 'harten' Worte Lügen. Sofort wurden alle Segel der Black Pearl gehisst, um volle Fahrt zu erreichen, die Vertäuung wurde vom Dock gelöst, Männer gingen zurück an ihre Posten und kletterten in die Wandten und heitere Rufe waren zu hören, während die Galeone vom unzähmbaren Wind getrieben auf den Teufelsschlund, den geheimen Ein- und Ausgang zur Schiffbruch-Insel, zusteuerte. _.;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;.;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;._ Der flammende Sonnenuntergang, der die Wellen des Meeres zuvor in ein orangefarbenes Imperium verwandelt hatte, wurde nun von der finsteren, eiskalten Nacht abgelöst, die einen sanften Regenschauer mit sich brachte und das alte, graue Holz durchnässte. Auf der schwarzen Galeone wurden nach Regelung alle Lichter an Bord gelöscht, sobald die Kirchenturmglocken an Land neun Uhr Abends schlugen, um die Aufmerksamkeit von Feinden zu vermeiden. So wie jetzt befanden sich die meisten Männer der Besatzung zu fortgeschrittener Stunde von vier Nachtwachen ersetzt entweder schon in den Kojen und Hängematten oder aber mit dem Rest der Crew noch im Speiseraum, um gemeinsam alte Geschichten auszutauschen und das letzte Mahl des Tages zu sich zu nehmen - und somit war Sarah nebst besagten Wachen die Letzte, die sich auf dem Oberdeck aufhielt. Den sanften Regen ignorierte sie gekonnt, der ohnehin nur aus ein 'paar winzigen Tropfen' bestand. Nachdenklich hatte die junge Frau beide Arme verschränkt und auf die Reling gestützt, den Oberkörper so weit nach vorn gelehnt, dass sie die Gischt beobachten konnte, die ungezähmt gegen den Schiffsrumpf schlug. Das Rauschen der Wellen und das Geräusch des Nieselregens hatte eine beruhigende Wirkung auf sie, trotz der Kälte, die ihr seit ihrem unfreiwilligen Bad immer noch in den Knochen saß, und so schloss sie für einen Moment die Augen und atmete tief die salzige, feuchte Luft ein, während sich unwissentlich ein kurzes Lächeln auf ihre Lippen stahl. Seit dem Schiffbruch der Cruel Wave hatte sich Einiges verändert und sogar zum Guten gewendet. Nie hätte sie gedacht, noch einmal lebend den eisigen Klauen des Todes entkommen zu können, schon fast überzeugt davon, dass sie ihm seit der Rückkehr der griechischen Göttin nicht mehr ins Gesicht lachen konnte, wie sie es früher immer hemmungslos getan hatte. Auch ihr Übereinkommen mit Calypso war gebrochen und so würde es sicherlich nicht mehr lang dauern, bis die heidnische Göttin ihren unbändigen Zorn über sie entladen würde, so, wie sie es einst mit Davy Jones getan hatte - in welcher Art und Weise sie jedoch eine Strafe zu erwarten hatte, das wollte sie sich lieber noch nicht ausmalen. Sie schüttelte sich unwissentlich. Von ihrem neuen, hin und wieder etwas verrücktem aber gutmütigem Captain aufgegabelt und von dessen Crew gesund gepflegt, hatte sie an Bord der Black Pearl ein unverschämtes Glück für ihre derzeitige Situation gefunden. Sarah war sich nicht ganz sicher, ob sie einige Männer wie Jack, Gibbs, Jim oder die liebenswürdigen Trottel Pintel und Ragetti bereits als 'gute Freunde' bezeichnen konnte, aber eines stand fest: Die Behandlung war um einiges besser als unter dem Kommando von Captain Flynt und ... der Rum war auch nicht schlecht! Außerdem war sie ihren Lebensrettern mehr als nur unendlich dankbar und hatte sich fest vorgenommen, sich irgendwann für die Rettungsaktion zu revanchieren. Die Cruel Wave hatte ein grausames Ende in den tiefen des Ozeans und im Angesicht eines Todesengels gefunden - ebenso wie die meisten der tapferen Männer ihrer ehemaligen Crew und ihr Captain. Noch konnte sie nichts von dem erahnen, was auf sie, die Besatzung der Black Pearl und ihre Mitstreiter zukommen würde. Über die griechische Göttin Nyx war ihr so gut wie überhaupt nichts bekannt, nur ein einziges Mal hatte sie den dunklen Engel vor dem Dilemma mit dem ehemaligen Schiff Captain Flynts gesehen. Das Gefühl, das sie beim Anblick der gigantischen, schwarzen Schwingen, die die weibliche Gestalt zierten, gehabt hatte, war unbeschreiblich ... beängstigend gewesen. Sarah war sich sicher, dass die Cruel Wave nicht ihr letztes 'Opfer' sein würde ... Warum die Göttin jedoch nur Piratenschiffe - so vernahm sie es jedenfalls aus den Gerüchten unter den Seemännern - und (noch) nicht die Kriegsschiffe der Royal Navy oder gar Handelsflotten in die Hölle schickte, war ihr nach wie vor ein Rätsel. Und fast hatte sie das Gefühl, dass auch dieses Rätsel vorher gelöst werden musste, bevor sie gemeinsam dieser wild gewordenen Furie gegenübertreten konnten. Die Schiffbrüchige schreckte jäh zusammen, als sie die tiefe, sympathische Stimme des Ersten Maats Gibbs unmittelbar hinter sich vernahm. "Ihr seid doch verrückt", schmunzelte der alte Seebär, als er die junge Frau dort so an der Reling stehen sah. "Zuerst fischen wir Euch aus dem Wasser, dann nehmt Ihr ein unfreiwilliges Bad und nun steht Ihr mit durchnässten Kleidern im Regen. Kann es sein, dass Ihr eine Vorliebe für kaltes Wasser habt?" Die Bemerkung des Piraten ließ Sarah kurz auflachen; in ihren Augen blitze so etwas wie Belustigung auf. "Für das Meer", antwortete sie knapp und lächelte stumm in sich hinein. "Dafür habe ich in der Tat eine Schwäche." "Wer von uns hat das nicht?" Mit einem freundlichen Zwinkern gesellte er sich zu ihr, während er den Blick ebenfalls auf die tiefblauen Weiten vor ihnen richtete und einen Augenblick lang dem Rauschen und Brodeln des Meeres zuhörte. "Ihr erkältet Euch noch, Miss. Wie wäre es, wenn Ihr Euch zu der Crew im Mannschaftsdeck gesellt? Die meisten unterhalten sich ab dieser Uhrzeit noch bei einer guten Flasche Rum. Dann könnt Ihr Euch gleich ein wenig aufwärmen - Euch muss furchtbar kalt sein, und es würde mich nicht wundern, wenn Ihr mir vor Hunger bald umkippt." Wie zur Bestätigung konnte Sarah deutlich das laute Lachen vieler Stimmen vernehmen, die sich anscheinend köstlich über etwas amüsierten und spürte gleich darauf ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend. Von der Sorge, die sie in seiner Stimme erkennen konnte, war sie fast schon ein wenig gerührt. "Sehr gern - ich könnte wirklich etwas Essbares vertragen", nahm die junge Frau dankend die Einladung des Ersten Maats an, der sogleich mit der Schiffbrüchigen auf den Fersen den Niedergang herabstieg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)