Pirates of the Caribbean: Black Tides von Sharyne ================================================================================ Kapitel 4: Die Göttin der Nacht ------------------------------- 4. Kapitel - Die Göttin der Nacht Die innere Unruhe und eine unglaubliche Hitze ließen sie aus ihrem totenähnlichen Schlaf hochschrecken. Obwohl sie sich fühlte, als sei sie vollkommen in verschlingende Flammen gehüllt, so heiß war ihr, saß die Kälte der jungen Frau förmlich in den Knochen und sie begann zu zittern. Schummriges Licht ließ sie einige Umrisse erkennen. Zwei Laternen standen auf einem hölzernen, kleinen Tisch. An der ebenso aus Holz gearbeiteten Wand des Raumes waren drei unterschiedlich große Seekarten aufgehangen, eine davon ein wenig schief. Ein angenehmer Duft aus Seeluft, Rum und Salz mischte sich in der Luft. Als ihre Sinne klarer wurden und ihr Kopf nicht mehr drohte zu zerbersten, konnte sie sich einen besseren Umblick verschaffen. Verwundert kniff sie die Augen zusammen: Jemand hatte sie sorgfältig in eine Decke aus Schafsfell gehüllt und in eine Koje gelegt. Das sanfte Schaukeln sagte ihr, dass sie sich auf einem Schiff befinden musste. Ein erleichterter Gedanke ließ sie aufatmen: Da war kein eisiges Wasser mehr. Auch die Verletzung, verursacht durch einen ihrer Dolche, war versorgt worden. Aber welches Schiff hatte sie geborgen und wer hatte sie aus dem Meer gefischt? War sie den Klauen des Todes ein weiteres Mal entkommen? Bevor die Schiffbrüchige jedoch einen weiteren Gedanken zu fassen bekam, zwang sie die Erschöpfung durch das Fieber wieder zurück in die Kissen und in einen weiteren tiefen Schlaf. _.;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;._ Die Black Pearl hatte vor den beiden spitzen Klippen den Anker geworfen, die durch eine kleine Felsmündung Zugang zur Insel der Seelen gewährten. Vor wenigen Minuten war ein kleines Beiboot mit drei Männern dort hindurchgefahren, scheinbar von der Schwärze verschluckt, während sich die Crew des Schiffes immer noch ein wenig wunderte, was sie hier überhaupt wollten. Der Captain hatte den übrigen Männern befohlen, das Schiff zu bewachen, während er mit Gibbs und dem unerfahrenen sowie schüchternen Piraten Jim, einen Weg durch diese scheinbar endlose grüne Hölle suchte. "Was auch immer Tia Dalma mir zu sagen hat", begann Jack, ein wenig außer Atem, während er mit seinem Schwert ein paar Blätter aus dem Weg schaffte, "ich habe das Gefühl, dass es nichts Gutes verheißt." "Mit Verlaub, Captain, Calypso würde Euch wohl kaum in den Tod schicken wollen", gab Jim seinen Senf dazu. "Ich würde es ihr zutrauen. Was kann so wichtig sein, dass sie wegen mir in ihren menschlichen Körper zurückkehrt? Natürlich sind es nur Gerüchte. Vielleicht ist dieser Weg hier auch völlig umsonst." Bei diesen Worten war ein unzufriedenes Murren seitens Gibbs zu hören. "Aber der Kompass führt uns wohl kaum ohne Grund in diesen gottverdammten Urwald, aye?" Die Dunkelheit der Nacht und der weiße Nebel erschwerten die ganze Sache zusätzlich. Während Jim fluchend über den einen oder anderen Ast stolperte, hatte sich Gibbs bereits ein paar Kratzer von dornigen Pflanzen eingefangen. In der Ferne hörte man den Ruf irgendeines tropischen Vogels. "Passt besser auf, wo ihr hintretet. Schlangen und so. Ihr wisst schon. Das Übliche." "Schlangen?!" In Gibbs' Augen spiegelte sich Panik wider. "Was glaubst du denn, mein Freund? Diese Insel befindet sich in Nähe der Küste Floridas." Mühsam bereitete der Captain sich und seinen zwei Begleitern den Weg in das Herz des Dschungels. Der Kompass in Gibbs' Händen wies weiterhin nach Süden; Tia Dalmas Aufenthaltsort konnte also nicht mehr weit sein. Als der Erste Hohe Rat sie damals in ihren menschlichen Körper zwang, musste es der mittlere Punkt im Inneren der Insel gewesen sein. Dort, wo ein kleiner Tümpel zwischen mehreren Palmen das Mondlicht spiegelte. ... Jedenfalls kannte Jack diese Geschichte so von den Erzählungen seines Vaters, als dieser selbst noch Piratenfürst gewesen war. Trotzdem konnte sich der Pirat immer noch nicht damit abfinden, dass sein Kompass ihn wieder einmal im Stich ließ! Und das ausgerechnet jetzt, wo er die heidnische Göttin finden wollte. Wenn sein treuer Begleiter nicht wäre, dann müsste er sich den Weg nun ohne seinen Kompass durch dieses endlose Gestrüpp bahnen. Wenn die Nadel im Kreis rotierte, konnte das nur bedeuten, dass - und da war er sich ziemlich sicher - wohl wieder mehrere Ziele in seinem Kopf umherschwirrten, die er nicht begreifen konnte. Was, außer den Gerüchten auf den Grund zu gehen, waren die anderen so dringlichen Herzenswünsche des Captains? Noch nie hatte er ein solch nerviges Problem gehabt, dass er tatsächlich nicht einmal wusste, was seine anderen Ziele waren. Die Situation mit der rotierenden Nadel war ihm ja bekannt - aber nicht so. "Weshalb bleibst du stehen, Jack?" Der von Gibbs Angesprochene hatte abrupt innegehalten. Beinahe wäre der arme Jim in ihn hinein gelaufen. Ein siegessicheres Lächeln breitete sich langsam über das Gesicht des berüchtigten Captains aus. "Hier muss es sein. Ich kenne diesen Ort nur aus Geschichten, habe unzählige Male von ihm gehört. Und jetzt sehe ich, dass diese Geschichten wohl der Wahrheit entsprechen." Die Nadel des Kompasses zeigte nun nach Norden, dann plötzlich nach Westen und änderte stetig ihre Meinung. Sie hatten ihr Ziel erreicht; hier musste Tia Dalma irgendwo sein. Das Herz des Urwalds schien eine riesige Ebene zu sein. Umgeben von Palmen, manche davon schief gewachsen, Orchideen und anderen tropischen Pflanzen, befand sich in seiner Mitte der besagte Tümpel. In dessen Zentrum spiegelte sich ebenso wie aus den Erinnerungen an Erzählungen fast magisch das silberne Mondlicht, dort, wo eine nahezu außergewöhnlich große, aber mit Rissen geprägte Statue ihren Standpunkt hatte. Diese schien wohl einen älteren Mann mit langem Bart darzustellen, die Augen geschlossen und die Hände wie zum Gebet gefaltet. Ein Umhang aus Stein hüllte den restlichen Körper in Verborgenheit. Dieser Ort verbreitete wahrlich eine schier mystische Stimmung. Den drei Ankömmlingen war das Staunen ins Gesicht geschrieben. Selbst der einst schöne Ort, an dem sich die zerstörte Quelle der Ewigen Jugend befand, konnte hiermit keinesfalls mithalten. Durch das Geäst der verschiedenen tropischen Bäume fiel das Mondlicht auch auf eine andere Stelle: Ein niedriger, mit Moos bewachsener Felsvorsprung, fast versteckt, von dem eindeutig künstliches Licht herrührte. Jack konnte ein Gebilde ausmachen, das eine enorme Ähnlichkeit mit einem Zelt hatte. Einem unheimlichen Zelt. "Das muss sie sein", flüsterte Jack. "Meine lang vermisste, sehr wechselhafte Lieblingsgöttin." Jim schluckte einen dicken Kloß hinunter. Von Erzählungen wusste er, dass diese heidnische Herrscherin des Meeres nicht immer friedlich gestimmt war und wohl selten Erbarmen mit jemandem hatte, der ihrem Wort nicht gehorchte. Er fragte sich, wie Davy Jones wohl ausgesehen hatte, bevor er zu diesem tentakeligen Wesen mutiert war ... Jack schien es sehr eilig zu haben. In seiner gewöhnlichen, aber sehr seltsamen Gangart, die an einen Dauerbetrunkenen erinnerte, schlug er sich schimpfend über das 'Grünzeug' den Weg zum Felsvorsprung frei, während Gibbs und Jim nur zögerlich folgten. Er konnte bereits leise Geräusche ausmachen, die sich so anhörten, als würde jemand in diesem Zelt seine gesamten Besitztümer durchsuchen - so wie damals, als sie dem Piraten das Glas voll Dreck geschenkt hatte. Jack schmunzelte bei dieser Erinnerung. Er drückte zwei besonders störrische Äste auseinander und hatte den Eingang der seltsamen Behausung endlich erreicht. Unsicher spähte er durch die Öffnung des Zeltes und konnte tatsächlich eine Frauengestalt mit schwarzem Haar ausmachen ... _.;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;..;:+*’`'*+:;._ "Tia Dalma, Liebes!" Jim und Gibbs zuckten kaum merklich zusammen, als die Angesprochene sich ruckartig herumdrehte und sich ganz langsam ein breites Lächeln auf dem dunklen Gesicht abzeichnete. Noch nie hatte Jim eine solch merkwürdige Frau gesehen! Ihre Lippen waren schwarz, ebenso wie die dunklen Augen und das Haar, welches ihr in vereinzelten Dreadlocks über die Schultern fiel. An den Wangenknochen fielen ihm kleine, schwarze Punkte, fast wie eine Art 'Kriegsbemalung', auf. Auf den ersten Blick war sie dem jungen Piraten einfach nur unheimlich. Jack, der diese Situation wohl schon viele Male erlebt haben musste, betrat die absonderliche Behausung als wäre es seine eigene. Seine beiden Begleiter folgten langsam und etwas eingeschüchtert. Jim schreckte zurück; von einem Holzbalken, der das Zelt von oben stützte, hingen die merkwürdigsten Kuriositäten herunter. Er wollte besser nicht darüber nachdenken, wofür die heidnische Göttin diese brauchte. Jetzt, wo er sie unmerklich ein wenig genauer betrachtete, hatte sie ein wenig Ähnlichkeit mit einer Voodoo-Priesterin ... "Ich habe auf dich gewartet ... Jack Sparrow." Seinen Vornamen zog sie unnötig in die Länge. Er mochte Tia Dalmas sonderbare Art; auch, wenn sie eine beängstigende Wirkung auf den Captain hatte. "Dann sind die Gerüchte also wahr", schmunzelte Jack. "Calypso ist wegen mir zurückgekehrt." "Das ist richtig ... Aber sag mir ... wen hast du mir da mitgebracht? Dieser junge Mann ist mir neu." Ihr gruseliger Blick fiel auf Jim, der ziemlich verängstigt wirkte. Gibbs schien ein wenig zu schmollen. Ihn erwähnte sie mal wieder mit keinem Wort ... "Setzt euch." Mit einem freundlichen Blick, der die Frau für den 'neuen' Piraten gleich ein wenig sympathischer machte, wies sie mit einem Finger, von unzähligen Ringen geschmückt, auf den kleinen Tisch, eingekreist von vier Stühlen. Die drei Piraten kamen Tia Dalmas Aufforderung etwas zögerlich nach - diese verschwand für ein paar Sekunden in den Hinterraum ihres Zeltes. Jack fiel auf, dass diese Behausung viel größer wirkte, als sie von außen tatsächlich den Eindruck machte. Wie unheimlich ... sogar eine kleine Treppe schien in einen oberen Bereich zu führen, ähnlich ihrer damaligen Hütte. "Ihr müsst wohl eine lange Reise hinter euch haben ... Was kann ich euch zu trinken anbieten?" "Rum." "Rum!" "Nichts, danke." Gibbs und Jack warfen einen irritierten Blick auf Jim. Dieser starrte peinlich berührt auf die Kerze, die in der Mitte des Tisches ein gedämpftes Licht verbreitete - sie schien auf einmal furchtbar interessant zu seien ... "Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass du noch nie vom köstlichsten Getränk der Welt gekostet hast, Junge?" Dieser tat so, als hätte er die Frage des Captains nicht mitbekommen und spielte mit einem merkwürdigen Gegenstand auf Tia Dalmas Tisch. Gibbs winkte ab und warf Jack einen 'Lass-ihn-doch'-Blick zu. Als die heidnische Göttin aus ihrer scheinbaren Küche mit drei Bechern erschien, stieg ihm der Duft seines bestellten Lieblingsgetränks sofort in die Nase, den Jack tief einatmete. Dankend nahm er ihr den Rum ab und trank einen Schluck. Jim bekam einen Becher Wasser; verwundert warf er der Frau einen schüchternen Blick zu. "Ähm ... danke." Tia Dalma schenkte ihm ein gutmütiges Lächeln und setzte sich zu den drei Abenteurern an den Tisch. "Also gut. Tia, Liebes, warum führt mich mein Kompass zu dir? Weshalb gibt es seit Längerem diese Gerüchte?" Fast wirkte sie ein wenig unschlüssig, etwas betrübt, was den Captain sehr verwunderte. So hatte er seine langjährige Freundin schon lange nicht mehr gesehen. "Es ist alles wieder einmal ... mit einem Hauch von Schicksal verbunden." Langsam suchte ihr Blick die Flamme der Kerze. Wie bei Jacks Vater schien sie wieder in die Höhe zu wachsen - verdammt, langsam war ihm dieser Trick viel zu gespenstisch! "Du hast ... keine Ahnung, was sich nahe der Küste von Costa Rica zugetragen hat?" Jack schien verwirrt. Was sollte dort passiert sein? "Nein, ich weiß nicht, wovon du sprichst ..." "Ein Schiff ... ein Schiff mit einer ehemaligen Besatzung aus Piraten ... liegt dort nun auf dem Grund des Meeres." "Ein Schiffbruch, sagst du?" "Ja." Für einen Moment blitze vor Jacks innerem Auge ein Bild der Schiffbrüchigen auf, die er geborgen hatte. War sie etwa ...? "Du hast deinen Weg zu mir nicht umsonst gesucht, Jack Sparrow. Ich habe eine Aufgabe für dich ... wichtiger als alle anderen davor. Du möchtest wissen ... was dieses Schiff mit dir zu tun hat ..." Es war keine Frage ihrerseits - mehr eine Feststellung. Gibbs wirkte etwas beunruhigt. "Aye. Würde ich jedenfalls gern. Aber erzähl' mir doch erst mal die ganze Geschichte, Liebes." "Es ist nicht das einzige Schiff, welches zerstört wurde." Tia Dalma sah Jack nun abrupt in die dunkelbraunen, mit Kohle umrandeten Augen. "Genauso wie die anderen zuvor lief es in einem Sturm auf gewaltige Klippen auf. ... Lange genug musste ich zusehen ... wie sie ihre Macht immer mehr ausnutzt!" Unerwartet wechselte der ruhige Tonfall der Göttin plötzlich in einen wütenden, wie sie ihren Stuhl zurückschob und unruhig im Raum herumlief, stehen blieb, ihre Regale sortierte und sich dann wieder ihren Gästen zuwandte. "Von wem sprichst du?" "Sie ist keine Göttin. Sie ist ein abscheuliches, grauenvolles Wesen!" In ihren Augen lag eine unbändige Welle von Zorn. "Ihr Name ist Nyx. Die griechische Göttin der Nacht ... in Gestalt eines Engels mit schwarzen Flügeln. Wenige Seemänner wissen von den unnatürlichen Schiffbrüchen ... und dennoch haben sie Angst ... darüber zu sprechen. Nyx zu erwähnen ... scheint sie Überwindung zu kosten. Manche haben sie gesehen. Andere halten sie für ein Trugbild ... die meisten von ihnen glauben nicht an übernatürliche Dinge. Viele kennen sie auch unter dem Namen Naira Sayeh, so wie sie mich als Tia Dalma kennen. Sie ist verantwortlich für all diese armen Seelen, die dort draußen auf See ihr Leben lassen mussten! Sie nutzt ihre Macht schamlos aus. Sie tötet ... aus Spaß!" Mit leicht geöffnetem Mund und immer noch irritiertem Blick folgte Jack wortlos den Bewegungen der Göttin. "Sie muss vernichtet werden! Bevor sie auch nur den letzten, unschuldigen Mann auf See tötet." "Warum tut sie das?" Überrascht von Jims plötzlichem Mut, wendete Jack sich seiner Stimme zu. Ein paar Sekunden herrschte gespannte Stille im Raum. Man hätte eine Nadel fallen hören können; und in dieser Situation war es eher das Knistern der Flamme, die gierig den Docht der Kerze verschlang. Die heidnische Göttin hatte ihr unruhiges Auf- und Abgehen endlich beendet, schien ihr Temperament nun auch etwas gezügelt zu haben. Langsam nahm sie wieder ihren alten Platz gegenüber Jack ein. "Ich verstehe nicht ganz. Wenn diese ... Nyx, sagst du? ... Eine Göttin ist, ist sie unsterblich, nicht wahr? Weshalb hat sie diese Schiffe also nicht schon viel früher ans Ende der Welt geschickt?" Tia Dalmas Stimme wurde nun leiser, fast flüsternd, als sie mit mysteriöser Stimme antwortete: "Bevor sie die Möglichkeit hatte ... wahllos zu töten ... war sie ebenso wie ich gebannt. Aber nicht in einen menschlichen Körper ... Nein ..." "An was war sie dann gebunden?" Inzwischen lauschten alle drei aufmerksam der Geschichte und starrten erwartungsvoll auf ihre Lippen. "An die Quelle der Ewigen Jugend. Durch sie ... konnte das heidnische Wasser das Leben einer Person auf eine andere übertragen. Durch sie wurde der Jungbrunnen geschaffen." Überrascht und etwas verunsichert riss Jack die Augen auf. "Weshalb wurde sie in den Jungbrunnen gebannt?" "Ich zwang sie dazu! Ich verhinderte, dass sie ihre Macht weiter zum Töten benutzte! Es kostete mich ... viel Kraft. Und jetzt, da der Tempel und der Jungbrunnen selbst zerstört wurden - von diesen dummen Spaniern! - konnte sie sich befreien. Sie will sich rächen ... an mir. Sie versucht, mich herauszufordern! Aber so einfach ... lasse ich mich nicht ... provozieren." "Moment." Jack schüttelte entgeistert den Kopf. "Wenn ich das richtig verstehe: Eine Göttin tötet Piraten und Seemänner, um dich zu provozieren, dich anschließend umzubringen und ihre Macht auszunutzen? Was will sie damit erreichen? Und was hat diese Sache überhaupt mit mir zu tun?" "Nur ein Gott ... kann einen anderen Gott vollkommen auslöschen", antwortete Tia Dalma leise. "Wenn so etwas Grausames getan wird ... wird die Macht des Getöteten ... auf die des Lebenden übertragen. Ähnlich wie das Ritual des Jungbrunnens. Nyx tötete ihren eigenen Bruder und konnte somit ... über die Finsternis, genauso wie über die Nacht herrschen." "Verstehe." Langsam bekam der Captain einen Durchblick. "Und ich soll dieser Göttin Einhalt gebieten?" Tia Dalmas Blick schien intensiver nun, da Jack diesen Punkt erwähnte. "Wenn du es nicht kannst ... kann es niemand." "Du schmeichelst mir, Liebes", grinste er. "Ich wollte damit sagen ... dass sie versuchen wird dich zu töten, sobald sie die Gelegenheit dazu hat. Sie weiß, dass du mit mir in Verbindung stehst ... Denn sie kann keine Widersacher gebrauchen." "Wie ermutigend", grummelte Jack in sarkastischem Ton. "Und wie tötet ein Sterblicher eine Göttin? Wenn du mir dafür eine Anleitung gibst -" "Stell dir das nicht so einfach vor!", brauste Calypso auf. "Du musst es selbst herausfinden. Doch ich kann sie nur mit deiner Hilfe ... endgültig vernichten!" "Das kann unmöglich der einzige Grund sein, weshalb du mich für diese Aufgabe aussuchst", kommentierte Jack. Zögerlich schweifte der Blick der Göttin durch den Raum, fast so, als würde sie jemanden suchen. "Ich habe etwas gesehen ... Ich kann dir noch nicht sagen, was es ist. Aber ich sehe auch, dass nicht nur du allein diese Aufgabe meistern kannst." "Lass mich raten: An mir klebt mal wieder ein Hauch von Schicksal." "So ist es ...", lächelte Tia Dalma. "Und nicht nur an dir." "An wen denn noch? Sag bloß, es gibt noch jemanden, der in irgendeiner Weise damit zu tun hat." "Drei Personen ...", flüsterte Calypso geheimnisvoll und beugte sich über den Tisch. "Eine davon ... befindet sich bereits an Bord deines Schiffes." Die Göttin schien einen Moment lang überhaupt nicht glücklich über die erwähnte Person zu sein. Ein Schatten huschte über Jacks Gesicht. Er glaubte, schon eine Vermutung zu haben ... "Die Zweite ..." Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, bis sich ein breites Grinsen auf ihren Lippen zeigte, "ist der Hauptgrund, weshalb ich dich ausgewählt habe, Jack. Sie ... war die Letzte ... die von der Quelle getrunken hat. Nyx wird sie unweigerlich töten, sobald sie kann. Ich kann ... ihr Schicksal sehen und dennoch ... scheint es noch nicht bestimmt. Ich kann nicht sagen, weshalb die Göttin der Nacht sie aus dem Weg haben möchte." Erschrocken zuckte Jack bei der Erwähnung Angelicas zusammen. Sie lebte also noch! Jetzt, wo er endlich davon wusste - nie, niemals wollte er ihren Tod! So lange unwissend darüber, ob sie von dieser Insel jemals heruntergekommen war, hatte ihn ein schlechtes Gewissen gequält ... Egal, was kommen würde, egal, wie sehr er sich wohl oder übel mit seiner Vergangenheit herumschlagen musste, er musste irgendwie verhindern, dass diese Göttin sie tötete! Niemals könnte er dabei zusehen, wie Angelica ... "Bist du bereit, für sie dem sicheren Tod ... ins Auge zu blicken?", schmunzelte Tia Dalma. "Niemals würde ich sie sterben lassen!", sagte Jack entschlossener, als er - geschweige denn seine zwei Kollegen - von sich selbst erwartet hätte. Sofort wurde er ein Stückchen kleiner, wie ihm bei den feixenden Blicken der beiden anderen Piraten die Hitze in den Kopf stieg. Woher kam seine so plötzlich bestimmte Entscheidung ...? Seine Gedankengänge wurden jäh von einer vierten, ihm allzu bekannten Stimme unterbrochen, die ihn ebenso alarmierte wie das, was die Göttin eben über seine ehemalige Flamme gesagt hatte. "... Und die dritte Person wird nicht zulassen, dass du wieder mal ganz allein das Schicksal bestimmst, Sparrow", knurrte diese Stimme, die eindeutig zu Jacks Erzfeind gehörte. Ungläubig wandten sich die Köpfe der drei Piraten in Richtung der Treppe, während Calypso nur wissend vor sich hinlächelte und die Hände auf dem Tisch faltete. Auf den knarrenden, hölzernen Stufen stand niemand Geringeres als Captain Hector Barbossa. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)