Vor der Nase von Hotepneith (Lord Sesshoumarus 25. Fall) ================================================================================ Kapitel 1: Mord im Schloss -------------------------- Nichts ist trügerischer als eine offenkundige Tatsache. Arthur Conan Doyle: Sherlock Holmes - The Boscombe Valley Mystery Der Inu no Taishou kam von seinem kleinen Ausflug durch seine Länder zurück. Noch immer streifte er gern durch das Fürstentum, liebte die Wildnis um sich. Die höfische Kultur war eben nur Makulatur. Darunter lag der Dämon, ein Wesen, das die Natur verkörperte, zumal als Hundedämon ein Raubtier. Er wusste, dass es auch seinem Sohn deutlich lieber war durch die Wälder zu spazieren – aber was notwendig war, musste eben getan werden. Aus verschiedenen Gründen, einer war die Einsamkeit, einer die Beobachtung eines gewissen jungen Menschenmädchens, von der jedoch wirklich niemand wissen sollte, hatte er Sesshoumaru bereits vor Tagen vorausgeschickt, nachdem sie zwei gemeinsame Wochen erfolgreich mit der Jagd nach Feuerratten verbracht hatten. Als er über den Hof ging, ignorierte er die Dämonen und Menschen, die sich eilig vor ihm verneigten, warf nur einen Blick herum. Vor der Hütte des Heilers wartete niemand. Da er kaum annahm, dass Neigi bereits mit allen Patienten fertig wäre – immerhin reisten einige Verzweifelte viele Tage an, um mit dem berühmten dämonischen Heiler zu sprechen – war dieser wohl auf Hausbesuch, vielleicht lag eine Frau in den Wehen. Er erwartete alles in Ordnung vorzufinden und konnte auch noch Stunden später nicht sagen, warum er dies getan hatte. Weil Sesshoumaru sich gewöhnlich keine Fehler leistete und es auch niemand anderer in Gegenwart des Erbprinzen wagte? Er stutzte zum ersten Mal als sich aus den Schatten des Einganges des Hauptschlosses ein weißhaariger Hundedämon in Rüstung löste, der heraneilte, sich jedoch vor ihm niederkniete und den Kopf senkte. „Kaito,“ sagte der Herr der westlichen Länder unangenehm überrascht. Kaito war sein Heerführer – und wenn der ihn unverzüglich sprechen wollte gab es Ärger. „Ich bin überaus erfreut, dass Ihr bereits zurück seid, mein Herr.“ Das war höfisch, aber kaum das, was der sagen wollte. Was wollte er vor allem, das er nicht Sesshoumaru hatte berichten können? „Komm mit.“ Im Arbeitszimmer des Fürsten sprang der dort Sitzende unverzüglich auf und kniete neben dem bereits auf dem Boden befindlichen Sekretär nieder, verneigte sich jedoch nicht so tief wie dieser. Vater war bereits zurück? Und was wollte dieser Kaito? Hatte er selbst etwa etwas falsch gemacht und der Heerführer sich sofort bei dem Heimkehrer beschwert? Das konnte mehr als Ärger für ihn bedeuten. Vaters alte Mitarbeiter hatten stets dessen Ohr. Und seine letzte Strafe lag keinen Monat zurück....Ein wenig unbehaglich sagte der Hundeprinz jedoch nur höflich: „Willkommen zurück, mein Herr und Vater.“ „Danke. Setze dich auf deinen Platz, mein Sohn. - Du kannst gehen, Ohiru.“ Ein wenig erleichtert, ohne es freilich zu zeigen, nahm Sesshoumaru an der Rechten seines Vaters Platz, während der Heerführer sich vor den Beiden niederkniete und mit gesenktem Kopf wartete, bis sein Name erneut fiel. Dann erst sah Kaito auf, ohne jedoch die Unverschämtheit zu besitzen, dem Fürsten oder dem Prinzen in das Gesicht zu blicken: „Ich muss Euch einen Mord melden.“ NEIN! Sesshoumaru schrie es förmlich in Gedanken, bewahrte aber nach außen die kühle Fassade. Ein erneuter Mord unter seinem Dach, dachte der Herr der Hunde dagegen empört – und, wieso hatte Kaito nichts davon seinem Sohn mitgeteilt? Immerhin wusste der doch, dass dieser schon öfter erfolgreich ermittelt hatte. Kaito fuhr bemüht sachlich fort: „Ich habe mir erlaubt, Neigi und seine Schülerin zu der Leiche zu rufen. Sie sind wohl noch mit dem Toten beschäftigt.“ Fast ein wenig behutsam ergänzte er: „Es handelt sich um, einen der fünf Dämonen, die Masaru unterstehen. Haru.“ Also einer der fünf Dämonen, die eine Sonderausbildung erhielten, um später einmal als Hauptleute des Heeres zu dienen. Der Fürst nickte: „Da Neigi noch beschäftigt ist, wurde der Tote wohl erst zuvor gefunden?“ Der Heerführer war zu diszipliniert und selbstbeherrscht um seine Erleichterung über die sachliche Reaktion seines Gebieters zu zeigen. „Ja, Herr. Da Haru unentschuldigt fehlte, suchte ihn Masaru nach den Übungseinheiten. Er fand ihn erschlagen auf. Vor ungefähr zwei Stunden. Haru entstammte dem Clan Ashinomaki, wie Euch selbstverständlich bekannt ist. Seine Zimmernachbarn berichteten Masaru, da auch sie aus dieser Gruppe sind, dass Haru sich gestern Abend mit einer vornehmen jungen Dame seines Clans in seinem Zimmer stritt.“ Vater und Sohn sahen sich an. Der Clan Ashinomaki? Eine vornehme junge Dame? Ein wenig mühsam erklärte Sesshoumaru: „Ich wüsste nicht, dass Prinzessin Tokushima hier war.“ Kaito neigte vorsorglich den Kopf tiefer: „Ich habe mir erlaubt bereits Erkundigungen einzuziehen, edler Herr, Lord Sesshoumaru. Die Prinzessin war gestern in ihrer Eigenschaft als Oberhofmeisterin der Fürstin hier und gab Briefe auf. Sie reiste noch am Abend zurück. Sie war die einzige junge Dame aus dem Clan Ashinomaki gestern im Schloss.“ Auch das noch. Sesshoumaru warf einen vorwurfsvollen Blick nach oben, zu der unbekannten Macht, die stets aufs Neue ihm Leichen zwischen die Beine warf – und als Ergänzung die holde Prinzessin noch gleich dazu. Sein Vater hatte dagegen hatte das leise Klopfen gegen den Holzrahmen des Eingangs gehört: „Ja?“ Der Sekretär schob die Tür auf und verneigte sich bereits im Knien tief: „Sakura bittet um Audienz, im Auftrag Neigi-samas.“ „Lass sie herein.“ Es gab sicher Nachrichten in Bezug auf den Toten. Die junge Heilerschülerin kam in das Arbeitszimmer, verbeugte sich tief vor dem Fürsten, etwas weniger vor dem Erbprinzen, ehe sie, sich des Unterschiedes zwischen Dämon und Mensch nur zu bewusst, etwas hinter dem Heerführer niederkniete und zu Boden blickte. „Neigis Bericht?“ erkundigte sich der Inu no Taishou. „Mein verehrter Lehrer lässt Euch ausrichten, dass er den Toten in seine Hütte bringen lässt, um ihn noch genauer auf Abwehrverletzungen und anderes zu untersuchen. Dennoch ist er sicher, dass Haru von vorn erschlagen wurde, das Gesicht durch mindestens einen, eher mehrere Hiebe förmlich zerschlagen wurde,“ berichtete sie geübt sachlich. Die Leiche hatte nicht mehr sonderlich hübsch ausgesehen, obwohl Haru das lebend sehr wohl gewesen war. „Eine Wunde am Hinterkopf stammt vermutlich durch den Sturz. - Auf dem Boden fand sich jedoch Blut einer zweiten Person, nicht sonderlich viel. Mein verehrter Lehrer will es noch genauer untersuchen, aber er vermutet einen Hundedämon.“ „Weiblich?“ erkundigte sich der Prinz sofort, wenngleich nach einem Blick zu seinem Vater, ob er reden dürfe. „Das lässt sich so nicht sagen, Lord Sesshoumaru. Mein verehrter Lehrer will zunächst das Alter des Blutes überprüfen. Genau lässt es sich nicht eingrenzen, aber wenn es von heute oder spätestens gestern Abend sein sollte, sollte es sich mit kaltem Wasser und Alaun noch auflösen lassen, und der Geruch wohl bemerkbar sein, ist es bereits Monate alt, wird dies nicht gelingen.“ Der Fürst nahm zufrieden zur Kenntnis, wie genau und sachlich sie blieb – sicher ein wesentlicher Faktor in ihrer Überlebenskunst bei seinem Sohn. „Noch etwas, Sakura? Nein? Dann geh und hilf Neigi. Sobald Neuigkeiten vorliegen, erstatte Lord Sesshoumaru Bericht.“ Na bitte, dachte der Erbprinz resigniert. Er hatte es doch gewusst. Die vornehme Hundedame auf dem Thron des schwebenden Schlosses sah auf, als sie die unerwarteten Gäste bemerkte, die sich auf dem untersten Absatz der Treppe einfanden – und sie konnte nicht verhindern, dass sie sich unwillkürlich aufrichtete. Gleich sechs Dämonenkrieger gehörten nicht zu ihrem gewöhnlichen Besuch. „Willkommen,“ sagte sie dennoch oder deswegen: „Ihr bringt Nachricht von meinem Fürsten und Gemahl?“ Ja, das taten sie, natürlich. Es fragte sich nur welche unangenehme Neuigkeit sie mitbrachten. Sie musterte schweigend die Männer, die emporstiegen, sah mit gewisser Erleichterung deren Verneigung vor sich. Also galt es nicht ihr, sie wurde nicht verhaftet. Sie hätte zwar keinen Grund gewusst – aber wozu benötigte ein Fürst eine Ursache, wenn es darum ging sich einer unpassenden Gemahlin zu entledigen? Ihr war durchaus bewusst, dass ihr Getrenntleben, und noch dazu mit solchen Privilegien, nur auf Abruf war. Der Inu no Taishou war gerecht und sie war die Letzte, die das je bezweifeln würde, aber dennoch unterschätzte sie die Möglichkeiten einer geschickten Dämonin, einer neuen Anderen, keineswegs. Früher oder später würde er eine attraktive Frau finden in deren Armen er zufrieden wäre – und es müsste sich schon um ein sehr naives Wesen handeln, wenn die nicht als erstes versuchen würde sie und auch ihren Sohn auszustechen. Sie bemerkte, dass sich ihre Oberhofmeisterin unwillkürlich fast neben sie begeben hatte. Ach, Tokushima. Sie schätzte die unabhängige Dämonin, aber diese war jung, manchmal impulsiv und töricht. Der Anführer der Krieger warf einen kurzen Blick herum, ehe er antwortete: „Befehl des Fürsten. Prinzessin Tokushima ist verhaftet, wegen Mordes.“ Die junge Hundedämonin rang fast nach Luft. Sie sah, wie die Herrin kurz die Hand hob. Natürlich. Die Fürstin mochte sie schätzen, aber das bedeutete nicht, dass diese sich für sie in die Nesseln setzen würde. Nur: wieso Mord, warum sie? Noch während sie schweigend den Kriegern folgte, überlegte sie was passiert wäre. Haru etwa, gestern? Nein, das konnte nicht sein. Als sie ihn verlassen hatte, hatte der Narr doch noch gelebt. Oder war der etwa gestorben, nur, um sie zu ärgern? Ähnlich hätte es ihm gesehen. Erst, als sie in einem dunklen Raum allein gelassen wurde, dessen einziges Licht und Luftzufuhr ein schmaler Spalt unter der Decke war, der ebenso wie die Tür von Bannkreisen gesichert wurde, begriff sie wirklich: sie war des Mordes angeklagt. Und ganz offensichtlich lagen Beweise vor, die den Fürsten zu ihrer Verhaftung bewogen hatten. Mord – das bedeutete die Todesstrafe. Wie konnte sie nur den Herrn überzeugen, dass dieser dämliche Haru noch gelebt hatte? Was für Beweise mochten das sein? Und: wer hatte diesen Idioten denn bloß umgebracht? Sie sah auf, als die Bannkreise vor der Tür erloschen und diese fast übereifrig geöffnet wurde. Sie erkannte den Eintretenden: „Lord Sesshoumaru!“ Dann sollte er sie verteidigen? Solche Aufgabe hatte er schon öfter bei Mordfällen übernommen – und immer mit Erfolg. Ja, sie konnte ihn nicht leiden und seine kühle Arroganz reizte sie bis aufs Blut, aber wenn er ihr hier heraushalf....Sie verneigte sich eilig, wie es dem Erben des Fürstentums zustand, verzichtete jedoch darauf niederzuknien. Das tat sie nicht einmal bei seiner Mutter. Er nahm es zur Kenntnis: „Du bist wegen Mordes an Haru angeklagt.“ „Duzt mich nicht!“ fuhr sie trotz aller guten Vorsätze auf. „Ich duze Mörder.“ Die Prinzessin nahm sich zusammen. Er konnte sie retten: „Ich bin keine Mörderin, Lord Sesshoumaru.“ „Du hast dich gestern mit Haru gestritten – heute wurde er tot aufgefunden.“ Keine Verletzung an ihr, stellte er fest, aber eine so starke Dämonin verfügte auch über Selbstheilungskräfte, die es ihr ermöglichen würden selbst eine blutende Wunde bis heute zu verschwinden zu lassen. „Das habe ich durchaus mitbekommen. Aber, als ich diesen Narren verließ, lebte er noch.“ Und einige Leute hatten sie wohl gesehen, natürlich. „Soweit ich mich entsinne sind für dich in gewisser...Schlichtheit alle männlichen Wesen Narren. Warum also er?“ Er hatte das Wort Naivität nicht ausgesprochen, aber sie wusste, dass er es gemeint hatte – und wusste, dass sie es wusste. Zorn wallte heiß in ihr auf. Sie musste jedoch nüchtern und ehrlich bleiben, durfte ihn nicht wegschicken. Aber die Wahrheit war ja doch unangenehm. Sie sollte es eben umschreiben: „Ich kenne....kannte Haru seit meiner Kindheit. Es ging...um einen Zwischenfall von damals, den er wieder....nun, aufleben ließ. Ich war darüber sehr verärgert und da er mich allein sprechen wollte, ging ich in sein Zimmer. Natürlich nahm ich an, dass es nur eine kurze Sache wäre, aber....es....nun, ich wurde zornig.“ „Und schlugst ihn?“ Er duzte sie immer noch! „Nein. Er schlug mich.“ „Das erklärt dein Blut.“ „Oh. Neigi ist sehr aufmerksam. Oder war es dieses Menschenmädchen? Gleich. Ja, ich blutete. Und ich schlug zurück. Er taumelte nach hinten und prallte ein wenig gegen die Wand. Ehe er sich gefasst hatte, war ich gegangen. Diese ganze Szene war....unwürdig.“ Sie richtete sich etwas auf: „Nun, ich bin sicher, Ihr werdet meine Unschuld beweisen.“ Seine Lordschaft musterte sie kurz, ehe er ruhig sagte: „Du irrst wieder einmal. Ich vertrete die Anklage.“ Kapitel 2: Fakten ----------------- Seine Lordschaft wäre entzückt gewesen, hätte er gewusst, wie sehr sein Partherpfeil die Prinzessin traf. So begriff Tokushima allerdings erst, als die schwere Tür hinter ihm zugefallen war und die Bannkreise davor gelegt wurden. Er vertrat die Anklage? Ungewohnt zittrig lehnte sie sich gegen die Wand. Das war fast schlimmer als diese Mordanklage an sich. Trotz ihrer persönlich niedrigen Meinung über ihn und seinen Charakter, wusste sie genug aus eigener Erfahrung und durch die Erzählungen der Fürstin, dass dieser arrogante Hundeprinz ein sehr fähiger Ermittler war. Hätte er sie verteidigt, hätte er bestimmt den wahren Mörder gesucht und gefunden, sie hier herausgeholt. Aber er vertrat die Anklage! Sie atmete tief durch. Ihr war nur zu bewusst, dass er sie ungefähr ebenso wenig schätzte wie sie ihn – in dieser Situation war das verheerend. Sie musste nachdenken. Sie war doch eine intelligente Frau. Er vertrat die Anklage – und er hatte es sich nicht nehmen lassen sie hier persönlich aufzusuchen, bestimmt, um sich an ihrem Unglück zu weiden. Dabei waren ihm allerdings auch die beiden Beweismittel entkommen, die gegen sie sprachen. Da war ihr Blut neben dem Toten und die Tatsache, dass sie gesehen worden war, auch der Streit mit Haru. Das ließe sich doch weg erklären....Ja. Wenn auf irgendjemand anderen genau so gute Indizien deuteten. Und exakt danach würde der Sohn des Inu no Taishou kaum suchen. Theoretisch sollte das zwar ein Ankläger tun und zwar objektiv, aber sie war nicht so weltfremd das schon für einen gewöhnlichen Beschuldigten anzunehmen, geschweige denn für sie selbst und diesem arroganten Hund. Sie müsste irgendwie das dem Fürsten darlegen, den darum bitten, dass dieser Sesshoumaru als Verteidiger einsetzte... Aber, wie? Der Herr der Hunde galt als gerecht, aber sie bezweifelte dennoch, dass seine Haft bedeutete, dass Gefangene ihre Wächter mal eben als Boten zu ihm schicken konnten oder diese auch nur einen Brief überbrachten. Nein, das sah nicht gut aus. Sie musste wohl oder übel die Gerichtsverhandlung abwarten, sich dort selbst verteidigen. Falls es dazu käme, erkannte sie mit gewisser eiskalter Furcht, die durch ihre Adern zu schleichen schien. Es war durchaus möglich, dass Lord Sesshoumaru seinem Vater die Anklage vorlegen, der Fürst das Urteil sprechen würde, aufgrund der Fakten, und sich ihre Interpretation nicht einmal anhören würde. Ihre Herrin würde kaum für sie bitten, dazu war deren eigene Lage doch ein wenig zu heikel. Es sah geradezu katastrophal aus und Tokushima ertappte sich zum ersten Mal bei dem gewissen Bedauern sich ausgerechnet mit dem Erbprinzen angelegt zu haben. Seine Lordschaft schritt derweil in Gedanken versunken durch das Schloss. Er bezweifelte, durchaus in gewisser Eigenliebe, die Täterschaft der holden Prinzessin. Tokushima war vieles, vor allem nervtötend, aber sie war intelligent. Sie würde niemals bewusst einen Dämon unter dem Dach des Fürsten umbringen, eingedenk der Tatsache, dass dieser wahrlich erbost wäre – und sie ihn, Sesshoumaru, als Ermittler am Hals hätte. Sie wusste doch, dass er mehr als fähig war. Hatte sie Haru im Zorn getötet – warum hatte sie nicht aus eben diesen Überlegungen Wachen geholt und sich auf Notwehr berufen? Zu diesem Zeitpunkt musste ihre Verletzung noch deutlich sichtbar gewesen sein. Wieso also war sie nach dem Streit zu Mutter zurückgereist als ob nichts wäre? Sie war zu klug um nicht zu wissen, dass die Szene aufkäme, der Tote gefunden würde. Blinde Panik ihrerseits? Bei Tokushima? Unwahrscheinlich. Hatte jemand den Streit der Beiden mitbekommen, war nachsehen gekommen, hatte Haru blutend und womöglich wütend vorgefunden, und den nächstbesten harten Gegenstand ergriffen um die Gelegenheit zu nutzen? Möglich. Aber dazu besaß er noch keine Fakten. Es wäre gerade in diesem Fall, bei einer dermaßen offensichtlichen Täterin, nur ratsam, als Ankläger sorgfältig alle Spuren zu sichern, alle Tatsachen zu betrachten. Vater würde ein objektiver Richter sein – ein Grund, warum dieser nicht selbst die Ermittlungen führte. War Tokushima die Mörderin, so würde seine, Sesshoumarus, Anklage keinen Zweifel daran lassen. War sie es jedoch nicht...nun, es würde ein gewisses Vergnügen bereiten sich nicht nur Mutter zu verpflichten, sondern auch der arroganten und geradezu bissigen jungen Dame einen gehörigen Dämpfer zu verpassen. Als er die Hütte des Heilers betrat, hörte er, wie dieser sagte: „Oh, Sakura, geh und erstatte Seiner Lordschaft Bericht. Ich ziehe Haru nur wieder an.“ Die Heilerschülerin gehorchte, sichtlich nicht überrascht, dass der Hundeprinz bereits hier stand. Eher war sie ein wenig verwundert wieder einmal seine Vorderseite zu sehen, als sie sich eilig niederkniete und zu Boden blickte, ihr nun, wie stets bei gewöhnlicher, blutiger, Arbeit geflochtener Zopf fiel neben sie. Sie würde nicht ohne Aufforderung sprechen, dachte Seine Eisigkeit, ein guter Grund, sie selten bestrafen zu müssen. „Nun?“ „Haru starb eindeutig an massiver Gewalteinwirkung durch mehrere Schläge in sein Gesicht. Ein Schlag, mutmaßlich der erste, traf ihn so hart, dass er einen Zahn verlor. Der Täter war sicher ein Rechtshänder.“ Sie holte kurz Atem, schon, um ihm Gelegenheit zu einer Zwischenfrage zu lassen. Diese kam prompt: „Warum der erste?“ „Der Zahn befand sich nicht mehr in seinem Mund, obwohl...Gewebefäden noch am Zahnfleisch hingen. Er hat ihn sich wohl herausgenommen.“ „Also verging Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Schlag?“ „So sagt mein verehrter Lehrer. Allerdings wohl nicht sehr lange.“ „Und der zweite Schlag?“ „Dieser und wahrscheinlich noch ein weiterer wurden mit einem harten, scharfkantigen Gegenstand geführt, mit sehr großer Gewalt. Es wurden Nase und mehrere Gesichtsknochen gebrochen. Neigi-sama vermutet, dass Knochensplitter in das Gehirn wanderten und dort den Tod brachten.“ Und sie war heilfroh gewesen, dass ihr Lehrer diese Untersuchung selbst geführt hatte. Sie kannte Haru als freundlichen, meist zu Scherzen aufgelegten Dämonenkrieger – so hatte sie ihn nicht sehen wollen. Sie hatte zum Glück eine andere Aufgabe bekommen: „Weder an Händen oder Unterarmen noch Beinen gibt es Zeichen einer Abwehrverletzung, Lord Sesshoumaru.“ Haru war ein Krieger, noch dazu ein so fähiger, dass er in Masarus Gruppe ausgebildet wurde. Unwahrscheinlich, dass ein ausgeschlagener Zahn, der noch dazu rasch wieder nachwachsen würde, ihn vollständig außer Gefecht gesetzt hatte. Eher hatte er seinen Angreifer – oder seine Angreiferin – gekannt und nichts Arges erwartet. Das würde tatsächlich für die Angeklagte sprechen, die ihn ja mindestens schon einmal geschlagen hatte. „Komm.“ Er wandte sich um. Sakura war versucht ihren Lehrer zu fragen, ob sie mitgehen dürfe, aber das war sinnlos. Der alte Heiler hatte gegenüber dem künftigen Fürsten zurückzustecken. Und, das gab sie zu, sie war neugierig, wie Seine Lordschaft in einem Fall ermitteln würde, der ihm als Konstellation gefallen musste. Soweit sie aus Erfahrung wusste erfreuten sich er und Prinzessin Tokushima einer geradezu innigen Feindschaft. Sie gingen also zum Tatort, erkannte sie kurz darauf, nicht überrascht, dass zwei Krieger vor der Tür postiert waren, die sich vor dem Sohn des Hauses nur verneigten und hastig öffneten. Sakura folgte ihm, kniete jedoch unverzüglich neben dem Eingang nieder. Sesshoumaru blickte sich in der schmalen Kammer um. Ein vergittertes Fenster dem Eingang gegenüber, eine Truhe darunter, sicher für die Kleidung, eine Matte mit Decke, auf beiden Stoffen Blutlachen, am Kopfende der Holzkeil, der als Kopfstütze beim Schlafen diente, so Mensch oder schwacher Dämon das benötigten. Dieser lag verschoben: „Passt der Holzkeil zu den Verletzungen?“ „Ich werde ihn auf Blut untersuchen,“ bot sie an. Bei diesen Gesichtsverletzungen – wie hätte man die Ursache finden sollen? Da er sich nur abwandte nahm sie es als Bestätigung und eilte hinüber, kniete erneut nieder um den Klotz zu untersuchen, während sich der Hundeprinz den Rest des Zimmers ansah. Umgeworfen lag dort ein hölzerner, dreibeiniger Schwertständer, das Schwert noch darin. Direkt vor seinen Füßen war ebenfalls Blut und er war trotz der intensiven Witterung dort von dem Lager sicher, dass dies das Blut einer zweiten Person war – Tokushimas im Zweifel. Sie hatte also hier gestanden, als Haru sie schlug. Er musste noch einmal mit ihr reden, worum genau es gegangen war. Sie mochte nicht darüber sprechen, das war klar, aber sie musste, wollte sie am Leben bleiben. Er drehte sich um, als er bemerkte, dass ihn jemand anblickte: „Masaru?“ Dieser stand vor der Tür. Was wollte denn der Ausbilder von ihm? Aber Moment, womöglich konnte der ihm etwas über das Opfer erzählen. Nun, sicher, schließlich gehörte Haru ja zu dessen Sondergruppe. Der alte Krieger verneigte sich lieber mehr als höflich: „Ich sah gerade Euer Lordschaft.....Habt Ihr Anweisungen?“ „Komm später in mein Zimmer. Ich möchte Auskunft über Haru. Und dann auch mit den anderen Vieren deiner Schüler sprechen.“ „Natürlich, Lord Sesshoumaru. - Auch mit Takeru?“ Der Hundeprinz überlegte eilig. Bei dem Namen hatte solch eine Verwunderung mitgeschwungen: „Er ist doch auch in deiner Gruppe?“ fragte er daher zurück. Er hatte keine Ahnung, wer in dieser Sonderausbildung steckte, da ihm das ziemlich gleich war. Bestand jemand und wurde Hauptmann so musste er ihn kennen, darauf bestand Vater, aber zuvor merkte er sich bestimmt nicht jeden Namen im Schloss. „Ja, selbstverständlich, Euer Lordschaft. Ich dachte nur....Heerführer Kaito könnte es besorgt machen. Aber natürlich, Ihr wünscht die Gruppe zu befragen, um die Schuld der....Prinzessin festzustellen.“ Und das war ein Hauptmann, ja, deren Ausbilder? „Die Schuldfrage entscheidet allein mein Herr und Vater“, korrigierte Sesshoumaru prompt eisig, während er begriff: dieser Takeru war wohl der Sohn des Heerführers. Na und? War Tokushima die Mörderin wurde sie hingerichtet. War es jemand anderer, eben dieser. Das war nur eine logische Folge der Tat. Und Dämon und Mensch hatten mit den Konsequenzen ihrer Taten und Entscheidungen zu leben. „Vergebt, ich habe mich falsch ausgedrückt, ich wollte selbstverständlich nicht meinen verehrten Herrn und Fürsten beleidigen.“ Masaru stellte für sich fest, dass er nervöser war als gewöhnlich. Er galt eigentlich als Mann mit eisernen Nerven, aber sich so direkt mit dem Erbprinzen befassen zu müssen, noch dazu in solch einer Situation, gehörte nicht zu den Dingen, die einen besonders gelassen ließen. Es gab durchaus eine längere Liste von Dämonen, die dieses Zusammentreffen aus weit harmloseren Anlässen nicht überlebt hatten, einige davon auch aus dem Schloss. Und den Inu no Taishou abzuqualifizieren war auch in Gegenwart seines Sohnes ein in aller Regel letzter Fehler. „Wenn Euer Lordschaft gestattet hole ich die Jungen und bringe sie dann mit zu den Räumen Euer Lordschaft.“ „Geh.“ Ein wenig missgestimmt sah sich der Dämonenprinz nach einem vernünftigeren Wesen um: „Sakura?“ „Ich finde an dem Holzkeil keinerlei Blut, Lord Sesshoumaru,“ stellte sie sich verbeugend fest. Sie wusste aus Erfahrung, wann es gefährlich wurde nicht die Etikette perfekt einzuhalten: „Ganz sicher könnte es wohl ein Hundedämon sagen....Aber wenn ich eine Vermutung äußern darf? Danke. Diese Kanten oder auch die Breitseite scheinen mir weniger zu passen...“ Dann blieben zwei andere, nein, drei Möglichkeiten. Er blickte sich erneut um. War die Tatwaffe mitgebracht und nach dem Mord wieder mitgenommen worden? Das spräche gegen eine spontane Entscheidung, obwohl doch niemand hatte wissen können, dass sich Haru und die reizende Prinzessin derart in die Haare geraten würden. Die Truhe? Konnte ihn jemand gepackt und gegen den Rand der hölzernen Truhe gestoßen haben oder gar geschlagen? Nein. Haru hatte keinerlei Abwehrverletzungen, das wäre ungewöhnlich bei einem ausgebildeten Krieger. Die dritte Alternative war der Schwertständer. Und ja, wenn er sich konzentrierte....Er trat näher. Ein kaum wahrnehmbarer Blutgeruch, den der vom Lager für Neigi wohl verdeckt hatte. „Hier.“ Zu seiner Zufriedenheit kam sie sofort neben ihn, kniete zu seinen Füßen nieder, wartete jedoch auf einen weiteren Befehl. So fuhr er fort: „Hier daran ist Blut, das aber vermutlich abgewischt wurde. Passt dies zu den Verletzungen?“ Sakura musterte den dreibeinigen hölzernen Ständer: „Ich vermute, Lord Sesshoumaru. Aber....“ Nein, nicht vorlaut werden, nicht, wenn er ermitteln musste und sowieso gereizt wirkte. Sie hatte in aller Regel brauchbare Einfälle: „Rede.“ „Danke. Das Schwert müsste dann doch herausgefallen sein?“ Ja. Und als der Täter den Ständer abwischte, hastig vom Blut säuberte, steckte er das Schwert zurück. Um die Tat zu verschleiern? Tokushima als Mörderin darzustellen? Das Tuch wäre sicher schon gründlich entsorgt, verbrannt, vergraben. In einem Schloss voller Hundedämonen war jedem diese Gefahr bewusst. Nun gut. Jetzt musste er erst einmal mit Masaru und dessen Schülern reden. Und dann mit der holden Prinzessin. Was für ein Leben! Kapitel 3: Erste Verhöre ------------------------ Sakura war bereits einmal in dem privaten Raum Seiner Lordschaft gewesen und wunderte sich wieder wie leer und schmucklos dieses Zimmer wirkte. Es gab nur eine Matte längs an einer Wand, die jedoch sichtlich allein zum Arbeiten diente: Bücher, Feder und Tinte, Papiere. Wieder einmal bekam sie den Eindruck, als ob der Hundeprinz oder gar sein Vater nie Schlaf benötigen würden. Ansonsten war der Raum vollständig leer. Sie kniete jedoch nur höflich neben der Tür nieder – diese verschloss bereits der, selbstverständlich dämonische, Diener von außerhalb. Außer ihr würde es kaum ein Mensch in Gegenwart Lord Sesshoumaru lang machen – sei es, dass der handgreiflich wurde, sei es, dass ihr Artgenosse schlicht vor Angst umkam. Auch ihr war klar, dass sie behutsam sein musste, aber sie hatte schon in den ersten Wochen gelernt, dass Lord Sesshoumaru zwar prompt strafte – aber nie ohne in seinen Augen gültigen Grund, und das schloss auch Ärger auf andere Personen aus. Alles in allem fand sie ihn berechenbarer als so manchen Menschen, dem sie zuvor zur Hand gegangen war. Natürlich war ihr Lehrer Neigi noch vorhersehbarer, aber sie dachte bei sich, dass die Furcht vor Seiner Eisigkeit oft sinnlos war, ja, konnte bis zu einem gewissen Grad seinen Unmut darüber verstehen. Der Satz: „Masaru und dessen Schüler, einzeln,“ würde genügen, damit der Hundedämon vor der Tür diese Anweisung befolgte. Tatsächlich kam auch nur kurz darauf der Ausbilder herein und verneigte sich tief, ehe er, ohne einen Blick auf die Heilerschülerin geworfen zu haben, sich niederkniete, die Faust in der Geste eines Kriegers an die Brust legte. Sesshoumaru, in der Hoffnung in diesen Gesprächen etwas Wichtiges zu erfahren, überdies nicht willens Kenntnis zu erlangen welche Folgen eine Beschwerde dieses Kerls bei seinem Vater für ihn selbst bedeuten mochte, wandte sich ihm zu: „Haru.“ Der Ausbilder zögerte: „Wünscht Euer Lordschaft den sachlichen Bericht oder meinen persönlichen Eindruck?“ Oh, da gab es einen Unterschied, folgerte Sesshoumaru prompt: „Beides.“ Masaru dachte sichtlich kurz nach, ehe er erzählte: „Haru war ein sehr intelligenter Junge, hervorragend in Strategie und auch fähig in allen kriegerischen Dingen, sei es Schwertkampf oder auch...Handgreiflichkeiten. Darum sandte ihn Kaito...Heerführer Kaito als jungen Mann auch zu mir, als dies während der gewöhnlichen Ausbildung auffiel, die er aufgrund einer Empfehlung des Fürsten Ashinomaki bereits in sehr jungen Jahren begann. Auch hier musste ich ihn des Öfteren loben, ja vor den Anderen auszeichnen. - Nach meinem persönlichen Eindruck jedoch nahm er die Ausbildung insgesamt nicht so ernst wie er sollte. Er tändelte immer wieder mit Mädchen, selbst mit Menschen, herum, allerdings ohne seine Pflichten je zu versäumen. Als ich ihn deswegen tadelte, entschuldigte er sich zwar, wies jedoch darauf hin, dass zum einen Katsumi ja immerhin schon verheiratet sei und ihm auch dies bevor stünde, so dass er sein letztes Jahr in Freiheit genießen wolle. - Nun, wie Euer Lordschaft weiß, bilde ich nicht erst seit gestern aus, und kenne junge Männer diesen Alters. So beließ ich es bei der Ermahnung, drohte ihm jedoch bei Wiederholung dieser öffentlichen Tändelei einmal ein Sondertraining absolvieren zu müssen. Ein müder Dämon schläft und tändelt nicht – natürlich ein gewöhnlicher,“ korrigierte er sich eilig. Ach, dachte Sakura, hatte Seine Lordschaft etwa auch schon bei Masaru üben müssen – und das gleich mit Sondertraining? Sie hütete sich jedoch aufzublicken oder gar zu lächeln. So oder so hätte er weder geschlafen noch getändelt. Sesshoumaru überlegte kurz: „Weißt du, mit wem er verlobt war?“ „Nein...nein, Euer Lordschaft. Ich vermute jedoch mit einer jungen Dame aus seinem Clan, denn eine Anweisung des edlen Herrn wäre mir gewiss bekannt.“ Tokushima, etwa? Unwahrscheinlich, dachten Dämonenprinz und Menschenmädchen seltsam gleichzeitig. Die Prinzessin hatte wirklich alles unternommen um nicht zu heiraten. Überdies würde sie bei ihrer bekannten verächtlichen Einstellung zum anderen Geschlecht ganz sicher keinen einfachen Krieger ins Auge fassen. Er musste wirklich noch einmal mit ihr reden, seufzte Sesshoumaru in Gedanken: „Du kannst gehen, Masaru. Schicke mir der Reihe nach deine Schüler.“ „Ja, Euer Lordschaft. Sie warten bereits. - Wünscht Ihr eine spezielle Reihenfolge?“ „Gleich.“ „So werde ich als ersten Takeru schicken.“ Also den Sohn des Heerführers. Kurz darauf erschien dieser, ein junger Mann scheinbar Anfang Zwanzig, wie Sakura schätzte, aber bei Dämonen täuschte das ja immer gründlich. Er trug Privatkleidung, keine Rüstung und ebenso kein Schwert – wobei es mehr als unschicklich gewesen wäre bewaffnet zum Fürsten oder dem Erbprinzen zu gehen. Das grenzte an Hochverrat und darauf reagierte nicht nur der Sohn allergisch. „Takeru, du weißt, warum ich dich sprechen will?“ erkundigte sich der Hundeprinz, als der Krieger vor ihm kniete. „Harus Tod, Lord Sesshoumaru.“ „Was kannst du mir über ihn berichten?“ „Wie Euch mein Lehrer....“ begann der junge Mann, ehe er im Sprechen ein wenig aufsah und gerade noch bemerkte, dass dieser Anfang nicht gut aufgenommen wurde. Er kannte den Erbprinzen seit dessen Geburt und wusste, was dieser von Unhöflichkeiten hielt: „Verzeiht. Ich nahm nur nicht an, dass Euer Lordschaft tatsächlich meine unbedeutende Meinung zu hören wünscht. - Haru war ein guter Krieger, im Lernen und mit dem Schwert oft besser als ich.“ „Was dir nicht gefiel.“ Eine reine Feststellung. „Natürlich nicht, Lord Sesshoumaru....ich meine, ja, Euer Lordschaft. Ich gab mir stets Mühe mehr zu üben.“ Logisch. Er war der Sohn des Heerführers und erhoffte sich eines Tages diesen Platz übernehmen zu können. Aber ihm war bewusst, dass er dafür auch befähigt sein musste. Zweiter war sicher nicht gut genug. „Weißt du, warum er besser war?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Zumal er weniger lernte als ich.“ „Woher weißt du das?“ „Wir fünf haben...hatten alle Räume in einem Gang, gleich am Anfang liegt das unseres Lehrers. Da bekommt man manches mit.“ „Auch den Streit am Vorabend?“ „Ja. Ich habe ja das Zimmer gleich neben ihm....und sie waren wirklich laut.“ „Weißt du, um was es ging?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Ich hatte Sondertraining gehabt und wollte nur meine Ruhe. So....nun ja, ich hielt mir die Ohren zu bis ich eingeschlafen war. Ich dachte ja nicht, dass er mit seiner Mörderin streitet.“ „Keine voreiligen Schlussfolgerungen!“ gab der Hundeprinz eisig zurück: „Das Urteil spricht mein Herr und Vater und er allein entscheidet über wen.“ Takeru verneigte sich eilig rasch bis zum Boden. Hatte ihn sein Vater nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht genügte ein guter Krieger zu sein, man müsse auch auf gewisse höfische und diplomatische Dinge achten? Wenn er sich Lord Sesshoumaru zum Feind machte, konnte er seine militärische Karriere abschreiben – erstens beeinflusste dieser seinen Vater als einziger Erbe und zweitens war das der künftige Fürst. „Ich bitte um Vergebung für meine ungeschickte Wortwahl....“ sagte er daher: „Ich bin nicht sonderlich redegewandt, nur mit dem Schwert.....“ Leider war Haru auch in dieser Beziehung geschickter als er gewesen. Aber Haru war tot. „Geh. - Aber halte dich draußen zur Verfügung, wenn ich weitere Fragen habe.“ „Ja, Lord Sesshoumaru. Danke.“ Der nächste Dämonenkrieger, auch er in zivil, war eine gewisse Überraschung. Weniger, weil er ein Wolfsdämon war, als aufgrund seines Alters. Er sah wie kaum sechzehn aus, jünger als Sesshoumaru. Dieser musterte den jungen Mann, der sich höflich verneigte und niederkniete, wortlos zu Boden blickte. Immerhin der hatte Benehmen: „Name?“ „Katsumi, Lord Sesshoumaru.“ „Was kannst du mir über Haru sagen?“ „Ich möchte Euer Lordschaft bitten mir diese Frage nicht zu stellen.“ Katsumi betrachtete seine eigenen Knie. Oh, dachte der mittlerweile erfahrene Ermittler, da lag etwas begraben? „Haru wurde ermordet. Und es erging der Befehl an mich diesen Mord aufzuklären. Falls du meine Frage nicht beantworten willst, gehen wir gemeinsam zu meinem Herrn und Vater, damit ich ihn bitte dafür Sorge zu tragen, dass du antwortest.“ Das war fast hübsch formuliert, dachte Sakura – wenn man von dem Inhalt absah. Er hatte gerade den jungen Mann vor die Wahl gestellt zu reden oder er würde bei dem Fürsten Antrag stellen ihn foltern zu lassen. Interessant, dass er damit drohte statt mit sich selbst. Aber es waren Krieger seines Vaters, da war er meist behutsamer. Offenbar schätzte es der Inu no Taishou nicht, wenn diesen außer auf seinen Befehl hin etwas zustieß. Katsumi presste die Zähne zusammen. Er wusste, dass er keine Wahl hatte. Sesshoumaru, der ihn nicht aus den Augen gelassen hatte, fragte kühl: „Haru und deine Ehefrau?“ Stimmt, dachte die Heilerschülerin: Masaru hatte erwähnt, dass Katsumi verheiratet sei und dass Haru herumtändele. Der junge Krieger sah mit ehrlicher offener Anerkennung für einen Augenblick in das Gesicht des Erbprinzen, blickte dann eilig wieder zu Boden: „Da es Euer Lordschaft sowieso erraten hat...Ja. Haru versuchte...Nun, Tama heiratete mich trotz unseres jungen Alters, da ihre Eltern verstarben und sie sonst allein gewesen wäre. Der mächtige Inu no Taishou gestattete ihr hier im Schloss zu wohnen und mir sie in meiner freien Zeit zu besuchen. Sie berichtete mir immer wieder von gewissen Anzüglichkeiten, die Haru ihr gegenüber fallen ließ. Ich stellte ihn zur Rede, aber er lachte, nannte mich einen dummen Jungen vom Land, der nicht wisse, wie es bei Hofe zuging. Tama berichtete mir von zunehmender Aufdringlichkeit und ich...ich erklärte ihm, wenn er dies noch einmal täte, würde ich zum Schwert greifen und jede Strafe auf mich nehmen. - Das wirkt nach seiner Ermordung nicht positiv, nicht wahr, Euer Lordschaft?“ Nein, dachte der so Angesprochene, aber auch Takeru hatte mit seiner beruflichen Eifersucht ein Motiv und wussten die Götter wer noch von dem überlebenden Quartett. Aber Motive waren immer einfach zu finden. Die Gelegenheit.....und das Wie. „Hast du gestern etwas über einen Streit bei Haru vernommen?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Als der Streit offenbar stattfand, war ich bei Tama. Ich und die Anderen hatten bereits Schluss gehabt, während Takeru noch einige Übungen machen musste. Oh, war das der Mordzeitpunkt? Dann könnte meine Ehefrau ja bestätigen....Vergebt, Lord Sesshoumaru. Es steht mir nicht zu Euch vorzugreifen.“ Da hatte der Wolfsdämon durchaus Recht. Nun, was sein Alibi anging, so konnte Sakura das später überprüfen. Aber es wäre nur eines für den Streit – jemand führte nach einer gewissen Zeit jedoch einen zweiten und dritten Schlag. Na schön. Erst einmal musste er sich einen Überblick verschaffen: „Wie kommst du mit den anderen Dreien aus?“ „Gut, Lord Sesshoumaru. Wir sind alle sachlich genug und stolz darauf in dieser Auswahl zu sein. Ja, wir streiten manchmal, aber stets im Rahmen. Nur Haru brachte Unruhe herein, weil er….sehr gern der Weiblichkeit nachsah.“ „So war deine Ehefrau nicht die Einzige?“ „Aus unserer Gruppe bin ich der Einzige, der verheiratet ist.“ Der Formulierung war dennoch zu entnehmen, dass da etwas anderes gelaufen war. Nun, das würden die anderen Beiden ihm schon sagen müssen. „Du darfst gehen, Katsumi. Aber...“ Er wollte eigentlich nur sagen, dass sich der Wolf zur Verfügung halten sollte, als ihm einfiel, dass der durchaus in der Lage wäre mit seiner Ehefrau die Aussagen abzusprechen. Und er benötigte Sakura noch hier: „Warte draußen, bis ich dich erneut rufen lasse.“ „Ja, wie Ihr wünscht.“ „Und sage den Anderen, sie sollen warten.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Als sie allein waren, blickte der Hundeprinz zu Sakura: „Hinter der Weiblichkeit her?“ „Ich kann dazu wenig sagen, Lord Sesshoumaru,“ erklärte sie: „Ja, ich kannte Haru, er war zu uns Menschenfrauen immer freundlich, zumal für einen Dämonenkrieger, er machte auch manchmal Bemerkungen, aber nie....arge. Von Dämoninnen weiß ich es freilich nicht.“ „Dir fiel er also nie negativ auf?“ „Nein, Lord Sesshoumaru.“ Natürlich nicht, hätte sie fast gesagt. Das gesamte Schloss hielt sie schließlich für seine Geliebte – und da jeder wusste wie Seine Eisigkeit es aufnahm, wenn man Hand an sein Eigentum legte, betrachteten Mensch und Dämon eine Tändelei mit ihr als etwas, das nur ein Masochist mit Selbstmordplänen begonnen hätte. Aber davon wusste er nichts, was zweifellos ihr Glück war. Kapitel 4: Die weiteren Aussagen der Anwärter --------------------------------------------- Der nächste der Offiziersanwärter, der mit einer tiefen Verneigung eintrat, war ein Fuchsdämon, ebenso Anfang Zwanzig scheinend. Er trug seine roten Haare kurz, besaß aber einen, wie Sakura fand, reizenden Schwanz, der hinten aus seiner Hose ragte. Sie konnte nicht anders als möglichst unauffällig dorthin zu gucken, als sich der Krieger vor dem Hundeprinzen niederkniete, ehe sie eilig den Blick wieder vor sich auf den Boden richtete. „Dein Name?“ erkundigte sich Sesshoumaru nur. „Shigeru, Euer Lordschaft.“ War da nicht einmal was gewesen? „Dein Vater fiel in einer Schlacht.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Ein klein wenig wie Erstaunen lag in der Stimme des jungen Fuchsdämons. Jeder wusste eigentlich, dass sich der Erbprinz kaum für einzelne Personen interessierte – und wenn, dann war dies meist schmerzhaft oder gar tödlich für diese. Aber Shigeru war sich keiner Schuld bewusst und da der Tod seines Vaters die Schlacht des Fürsten entschieden hatte, war es wohl darum. Immerhin hatte der Inu no Taishou der überlebenden Familie gewissen Ausgleich schaffen wollen. Die nächste Frage irritierte ihn noch mehr: „Deine Mutter...?“ „Äh, ja, danke der Nachfrage, Lord Sesshoumaru. Sie lebt, ebenso wie meine Schwester Chika hier am Hofe.“ Hatte er es doch gewusst. Eines von Vaters Sozialprojekten. Nach dem Heldentod des Fuchsvaters hatte sich der Fürst um die gesamte Familie gekümmert und den Jungen bei der Garde untergebracht. Da musste er selbst aufpassen: „Du weißt, dass Haru ermordet wurde?“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Was kannst du mir zu ihm sagen?“ Der junge Fuchskrieger hob etwas den Kopf, sah aber wohlweislich nur bis zur Brust des Stehenden: „Ich möchte Euer Lordschaft bitten meine persönliche Meinung nicht zu hoch zu bewerten.“ „Kaum. - Nun?“ Trotz der ruhigen Tonlage war das ein klarer Befehl und so erwiderte Shigeru militärisch erzogen: „Haru war ein sehr fähiger Krieger, ihm fiel auch das Lernen leicht. Eigentlich übertraf er uns alle immer, und, so glaube ich sicher sagen zu können, dass er annahm eines Tages die Nachfolge des Heerführers Kaito antreten zu können, zumal er offenbar einen gewissen familiären Hintergrund besaß, über den er jedoch nur Andeutungen machte oder auch machen durfte. Dies alles war nicht unbedingt...zu unser aller Freude.“ Da war doch noch etwas? „Weiter.“ „Hinzu kam sein....durchaus unpassendes Verhalten in Punkto der Damen. Er tändelte mit vielen herum, selbst mit Menschenmädchen, und fand es auch....scherzhaft sich mit Katsumis Ehefrau anzulegen....Sie war strikt dagegen und Katsumi stellte ihn auch zur Rede. Armer Katsumi. Haru hielt das Ganze für einen Witz. Er wusste, dass Frauen wohl aller Arten auf ihn standen und spielte damit. Soweit ich allerdings mitbekam, wurde er ziemlich ärgerlich, wenn eine Dame nicht darauf einging.“ Ach du liebe Güte, dachte Sakura: einer der Kerle, die sich für das Geschenk der Götter an die Damenwelt halten.....Und der, der das wohl am ehesten war, wusste nicht mal was davon.....Ihr verstohlener Blick glitt zu dem Hundeprinzen, der nur sachlich weiterfragte: „Er stritt sich am Vorabend seines Todes mit einer Frau. Hast du etwas davon mitbekommen?“ Oh ja, wenn der Ermordete Prinzessin Tokushima auch nur verbal belästigt hatte, konnte der sein blaues Wunder erlebt haben. Ein Motiv? Für sie durchaus. „Bedauerlicherweise nein, Lord Sesshoumaru. Ich war nach den Übungsstunden fast unverzüglich bei meiner Mutter und meiner Schwester. Chika war krank, hatte mir ein Bote mitgeteilt, und so wollte ich nach ihr sehen.“ Eine für Dämonen ungewöhnliche Zuneigung lag in seiner Stimme. Auch das sollte Sakura überprüfen: „Warte einstweilen schweigend vor der Tür, falls ich noch weitere Fragen habe. - Wer ist der Letzte?“ „Kouhei, Lord Sesshoumaru.“ „Schicke ihn herein.“ Hm. Eine sachliche Aussage, sicher. Aber ganz eindeutig mochte Shigeru Haru nicht im Mindesten. Der Nächste, der den Ermordeten nicht gerade schätzte. Es schien hier vor Motiven wieder einmal nur so zu wimmeln. Wer von all seinen hoffnungsvollen Kandidaten hatte jedoch eine Möglichkeit besessen? Tokushima, sicherlich, sie gab auch einen Schlag zu. Und dann? Was war dann geschehen? Kouhei war zumindest für Sakura eine gewisse Überraschung. Sie hatte nicht gewusst, dass auch Marder im Heer des Fürsten dienten, schon gar als Hauptmann in Betracht kämen. Ein menschliches Vorurteil, das wohl auf ihren tierischen entfernten Verwandten beruhte. Einzelne weiße Strähnen in seinen zu einem Zopf geflochtenen Haaren leuchteten im Halbdunkel des Raumes förmlich auf. Der scheinbar kaum Zwanzigjährige blickte höflich zu Boden. „Haru ist tot,“ begann Sesshoumaru. „Ja.“ „Was kannst du mir zu ihm sagen?“ „Ich bedauere sein Ableben nicht, Lord Sesshoumaru.“ „Er wurde ermordet.“ „Dessen bin ich mir bewusst.“ Kouhei sah gegen die höfische Regel auf: „Und ich bedauere fast, dass ich es nicht war. Er....er hat mich in der Vergangenheit sehr beleidigt. Was genau vorfiel, möchte ich bitten verschweigen zu dürfen. Natürlich nahm ich mich während der Ausbildung zusammen. Als er jedoch andeutete ich sei zu feig mich ihm zu stellen, sprach ich mit unserem Ausbilder, mit Masaru, darüber. Dieser meinte, ich hätte Recht, kein Streit unter den Kriegern des mächtigen Inu no Taishou, und er redete auch mit Haru. Danach hielt sich der zurück. Aber ich weiß, dass er auch andere sehr verärgerte.“ „Sein Verhalten Mädchen und Frauen gegenüber.“ Das war eine reine Feststellung. „Ja, Lord Sesshoumaru. Meine Familie lebt weit entfernt, so dass mir das gleich sein konnte, ehe Ihr fragt.“ „Am Vorabend stritt sich Haru mit jemandem. Hast du davon etwas mitbekommen?“ „Ja, Lord Sesshoumaru. Er stritt sich mit einer Frau, er war lauter als sie. Ich sah sie an meiner zufällig offenen Tür vorbeigehen, da ich gerade Wasser geholt hatte, kannte sie jedoch nicht. Es war niemand aus diesem Schloss, aber eine sehr vornehm gekleidete Hundedämonin, nicht sehr alt.“ „Aus seinem Clan, ja. - Weiter hast du nichts gehört?“ Der junge Marder sah krampfhaft zu Boden: „Nun...“ „Ich schätze keine Sätze, die so beginnen.“ Das war frostig wie der Schnee auf dem Fujiyama. Kouhei begriff die Warnung: „Vergebt, Lord Sesshoumaru. Ich war zugegeben sehr neugierig geworden, mit wem er sich stritt....und hörte ein wenig. Es ging um etwas aus ihrer Kindheit, wollte mir scheinen. Ich weiß jedoch nicht wie viel später es war, als ich die...junge Dame gehen hörte. Kurz davor hatte bereits Schweigen geherrscht.“ „Wo liegt dein Zimmer?“ „Gleich zu Beginn des Ganges, Lord Sesshoumaru, direkt gegenüber dem unseres Ausbilders.“ Der hatte nichts zu dem Streit gesagt, nun gut, er hatte ihn auch nicht gefragt. Er sollte sich wirklich zusammennehmen. Gerade weil es um Tokushima ging würde Vater sehr genaue Beweise dafür oder dagegen verlangen. „Danach hörtest du niemanden kommen?“ „Niemand Ungewöhnlichen. Äh, ja, Lord Sesshoumaru,“ ergänzte der Marderdämon eilig, da er die prompte Anspannung der Rechten seines Gegenübers bemerkte: „Ich weiß nur, dass es einer meiner Kameraden war, aber nicht wer. Womöglich waren es dann auch zwei, ich bin mir nicht sicher. Ich bin dann eingeschlafen. Die Übungen sind doch.....“ Nein, belastend war sicher das falsche Wort gegenüber demjenigen, der eines Tages entscheiden würde, wer der neue Heerführer wäre. „Fordernd. Unsere Ausbildung ist sehr ausgiebig.“ Das sollte sie wohl auch sein. Hm. Kouhei schien diszipliniert genug zu sein eigene Beleidigungen im Interesse des Heeres zurückzustellen, das sprach für ihn. Aber offenbar hatte auch er ein Motiv. Alle der sogenannten Kameraden. Schon das bewies, dass Mutter Recht hatte: der Stärkste kämpfte am Besten allein. Natürlich ging das nicht immer, schon gar nicht bei einem Fürsten, aber man sollte das wirklich als Maxime im Kopf behalten. „Wie standen die anderen Anwärter zu Haru?“ „Ich weiß, dass Ihr das fragen müsst, um den Fall zu klären.....Nun ja. Ich denke, aber das ist nur meine bescheidene Meinung, dass ihn niemand schätzte, von uns Gleichrangigen. Unser Lehrer und auch der Heerführer sahen das gewiss anders, Haru war ja immer der Beste.“ „Du darfst in dein Zimmer gehen. Und bleibe dort.“ „Ja, Lord Sesshoumaru, danke.“ Mit sichtlicher Erleichterung erhob sich Kouhei. Haru war immer der Beste, verärgerte jedoch alle, die ihm begegneten. Was für eine Mischung. Was war da passiert? Wer hatte seine Chance ergriffen? Doch Tokushima? Oder einer der so genannten Kameraden? Er sollte mit der Prinzessin reden. „Sakura.“ Sie verneigte sich wortlos, sicher, was jetzt kam. „Geh in den Frauentrakt und rede mit Shigerus Mutter und Schwester, auch mit Katsumis Ehefrau. - Und kläre, wie es möglich war, dass Katsumi seine Frau traf, ebenso wie Shigeru seine Familie.“ Sakura richtete sich ein wenig auf, nur um sich erneut zu verneigen. Er kannte diese Reaktion, meist hatte sie etwas zu sagen. Nur, wozu diesmal, es war doch eine klare Anweisung. Aber sie war in aller Regel nützlich und dachte mit: „Nun?“ Manchmal war es wirklich erstaunlich wie wenig er Ahnung hatte, was es in seiner nächsten Umgebung für soziale Regeln gab, ja, auch nur geschah, aber das sollte sie ihm natürlich nie sagen, außer sie hatte Todessehnsucht: „Es gibt am Beginn des Frauentraktes Räume, die einem derartigen Treffen dienen. Auch dieser Teil wird bewacht, aber ermöglicht es hauptsächlich, dass sich Eheleute..äh, ungestört treffen, aber auch andere Familienangehörige, auch, wenn sie den Schlossregeln unterliegen und sonst getrennt leben.“ Sie spürte seinen Blick förmlich auf ihrem Nacken. „Und wozu benötigen Eheleute in diesem Schloss ungestörte Zusammenkünfte?“ Es wollte sich doch wohl niemand gegen seinen verehrten Vater verschwören? Sie hätte sich gewundert, hätte sie nicht mittlerweile um seine Ignoranz gegenüber diesem Thema gewusst. Nur, wie sollte sie ihm das erklären, ohne dass er ärgerlich auf sie wurde? „Äh...sie wünschen Nachwuchs, Lord Sesshoumaru.“ Ach ja. Natürlich. Man musste sich eben opfern um den notwendigen Nachkommen zu erhalten. Und er wusste nicht so genau, ob er seine Eltern für ihre Selbstbeherrschung und ihre Mühen bewundern oder bedauern sollte, beschloss aber, wie jedes Mal, nicht weiter darüber nachzudenken. Das war eigentlich wirklich etwas, das er nie erfahren wollte. „Geh.“ Sie sprang eilig auf. Jahrelang geübte Selbstkontrolle einer lebenslangen Dienerin ermöglichte es ihr sich mit ebenso ungerührtem Gesicht vor dem Hundeprinzen zu verneigen wie auch draußen an den wartenden Dämonen vorbeizugehen. Aber manchmal war er wirklich niedlich. Kapitel 5: Die zweite Aussage der Vedächtigen --------------------------------------------- Alleingelassen dachte Seine Lordschaft kurz nach, ehe er, nur für einen Moment, seine Energie ansteigen ließ. Unverzüglich blickte auch der diensthabende Hundedämon vor seiner Tür herein, genauer, er schob sie einen Spalt auf und verneigte sich, um die Anweisung abzuwarten. Er hatte bereits das Missvergnügen des Erbprinzen kennengelernt und war froh um die Tatsache, dass es zwar schmerzvoll aber nur kurz gewesen war. „Masaru.“ „Ja, Lord Sesshoumaru. - Masaru....“ Der Lehrer kam eilends herein. Wie ihm befohlen worden war, hatte er draußen der Reihe nach seine Schüler geschickt – und, da er nichts weiter erfahren hatte auch nicht gewagt ohne Erlaubnis zu gehen. Wie sich soeben herausstellte zu Recht. Er ließ sich nieder. Was für Fragen kamen denn noch? Hatte einer seiner Schüler gar den Thronfolger verärgert? „Der Gang, in dem du und deine Schüler schlafen, ist nicht sonderlich lang.“ „Nein, Lord Sesshoumaru.“ „Wie viele Räume sind es?“ Der war doch bereits dort gewesen? Wollte er nur überprüfen wie aufmerksam er selbst war? „Fünf Räume auf jeder Seite, aber momentan ja nicht alle belegt.“ „Du hast das erste Zimmer, Kouhei gegenüber.“ „Ja.“ „Dir wäre also aufgefallen, wenn ein Fremder in den Gang käme?“ „Ihr...ich meine, Euer Lordschaft meint vor Harus Tod? Bedauerlicherweise nein. Ich war abwesend.“ „Hm.“ Das klang fast anklagend und so suchte sich der Offizier instinktiv zu verteidigen: „Ich beaufsichtigte noch das längere Straftraining, dann erst ging ich zu Heerführer Kaito, wie jeden Abend, um mir die Informationen und gegebenenfalls Instruktionen für den folgenden Tag abzuholen.“ „Diese tägliche Routine kennen auch alle deine Schüler.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Das erklärte, warum Haru Tokushima in sein Zimmer ließ. Der vermutete seine Kollegen bei Übungen oder bereits bei deren Familie, seinen Ausbilder weit. Er fühlte sich ziemlich sicher – das Gespräch dauerte aber wohl länger und wurde vor allem lauter, als er geplant hatte. Da musste die holde Prinzessin wohl mit der Sprache herausrücken. „Haru machte Andeutungen bald heiraten zu wollen?“ „Nur einmal, Lord Seshoumaru, als ich ihn wegen Kouhei zur Rede stellte.“ „Du kannst mit deinen Schülern gehen, aber sorge dafür, dass sie nicht miteinander reden.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Und er würde sich mit der Hauptverdächtigen unterhalten. Was für ein...Nun, das dachte ein Dämonenprinz nicht einmal. Als die Bannkreise entfernt und die Tür vor ihm geöffnet wurde, bemerkte er doch, dass Prinzessin Tokushima ein wenig erschreckt war, das sich jedoch eilig zu verbergen bemühte. Glaubte sie, es gehe schon zu einer Verhandlung? Immerhin schien sie nicht mehr ganz so mit dem Mund vorneweg, das war schon einmal eine gewisse Erleichterung. „Warum gingst du in Harus Zimmer?“ Sie zögerte, beschloss dann jedoch, dass sie kaum eine Wahl hatte: „Er lud mich zu einer...Besprechung ein.“ „In sein Zimmer. Ich vermute, meine verehrte Mutter wird sich ihre Gedanken über die Moral ihrer Hofmeisterin machen.“ „Das hat doch nichts mit Moral zu tun!“ fuhr sie unverzüglich auf: „Er kennt mich seit Kindertagen und umgekehrt – eine alte Kinderfreundschaft, mehr nicht.“ Es war ein wahres Vergnügen sachlich zu konstatieren: „Die in einem so lautstarken Streit endete, dass es mindestens zwei andere mitbekamen. Motiv, Gelegenheit – und natürlich die Tatwaffe.“ Sie musterte ihn, ehe sie resignierend sagte: „Ihr seid momentan in der besseren Position. Also schön. Was war die Tatwaffe?“ „Was wollte Haru von dir und was war so wichtig daran, dass du ihn aufsuchtest, statt ihn in einem....“ Er probierte sein neu erlangtes Wissen aus: „Der bewachten Zimmer am Frauentrakt zu treffen?“ „Ich habe hier kein auch nur vorübergehendes Zimmer, da ich meist nur Briefe aufgebe.“ Nun ja, das war keine direkte Auskunft, aber hoffentlich fragte er nicht nach. „Weiter. - Werte Tokushima, du brauchst mir nicht zu antworten. Aber alles, was du verschweigst oder auch nur versuchst zu lügen, kann und werde ich gegen dich verwenden.“ Daran hegte sie keine Zweifel. Ach, wäre es doch nur ein anderer Ankläger, sei es auch der Inu no Taishou selbst...aber auch der würde auf Antwort bestehen. Und ein anderer Ankläger....man sagte, wer nicht redete, würde dazu gezwungen. Wie peinlich und wie....Sie saß wirklich in der Klemme. In einem gewissen Versuch ihren Stolz zu wahren richtete sie sich auf, um ihm in die Augen zu sehen, aber das war gar nicht so einfach: „Lord Sesshoumaru, ich bin mir meiner Lage und Eurer Stellung im Augenblick bedauerlicherweise sehr bewusst. Ihr könnt darauf verzichten mir zu drohen, als ob Ihr mit ...Euresgleichen redet. Mir genügt Eure Anwesenheit.“ Gewisser Kampfgeist war ihr nicht abzusprechen. Hatte das Haru unterschätzt? „Nun?“ Sie war klug genug um zu wissen, dass sie wirklich keine Wahl und keine Zeit mehr hatte: „Wie ich bereits erwähnte, kannte ich ihn seit Kindertagen. Es gab damals einen Vorfall, bei dem er mir half. Er gab mir einen Verlobungsring.“ Ach du je. Darum wollte sie nicht mit der Sprache heraus. Die damalige Lage an sich war einfach zu erraten: sie war schon als Kind eine ungemein attraktive, da reiche, Partie. Jemand hatte sich für sie interessiert und ihr Kinderfreund hatte behauptet, sie seien verlobt, um sie gegenüber einem Boten des Interessenten aus der Sache herauszubekommen. Ihr Onkel hatte davon wohl kaum etwas erfahren. „Und jetzt kam Haru auf diese Verlobung zurück?“ Immerhin hatte das Mordopfer doch etwas von künftiger Hochzeit erwähnt? „Ja.“ Sie war etwas erleichtert, dass er nicht weiter nachhakte. Verstand er, dass damals mit diesem ersten Antrag von so vielen auch ihr Zorn gegen diese Narren begonnen hatte, die glaubten, sie könnten sich eine starke Mutter für ihre Kinder, viel Geld und Macht solcherart erhandeln? Einer der wenigen Punkte, die sie dem Hundeprinzen nicht ankreiden konnte. Wäre sie doch nur ein Junge gewesen, hätte sie nicht nur ihr eigenes Erbe sondern auch das Onkels antreten können. Ein reiner Zufall der Geburt hatte es gefügt, dass sie ihr Leben nicht nach ihrer Auffassung leben durfte, ja, immer auf andere angewiesen war, gleich, wie klug, stark, ausgebildet sie war. Sie war eine Frau: „Er wollte es offiziell vor...vor dem Fürsten, Eurem mächtigen Vater, verkünden. Das...das konnte und wollte ich mir nicht bieten lassen. Es war ein Kinderscherz, ahnungslos und Jahrhunderte her.“ „Er wollte, du nicht. So entstand der Streit.“ „Ja. Und da ich mich weigerte, schlug er zu. Ich schlug zurück.“ Sie atmete tief durch: „Dann ging ich, wie die Zeugen ausgesagt haben werden. Und zu diesem Zeitpunkt lag er zwar blutverschmiert, aber lebend auf seiner Matte.“ „Du hast ihm einen Zahn ausgeschlagen.“ „Tatsächlich? Nun, nichts, was ich bedauere.“ Nur, was war dann geschehen? Immerhin schien der Erbprinz das noch herausfinden zu wollen, hatte sie nicht einfach vorverurteilt, wie sie es doch von einem männlichen Wesen und gar ihm, der sie so wenig leiden konnte, erwartet hatte. „Hast du von einem der anderen Anwärter etwas gehört oder gesehen?“ „Nein. Der...Streit war laut und nachdem die Situation derart eskaliert war, wollte ich nur noch weg.“ „Der Streit war laut, aber niemand kam nachsehen.“ „So war es. - Ich vermute, Haru stritt sich öfter mit jemandem. Er....lasst es mich so ausdrücken: als er erwachsen wurde, lieferte er mir gute Gründe unsere Kinderfreundschaft nicht zu erneuern.“ Der Tote schien wirklich unangenehm gewesen zu sein. Aber eines sollte er der lieben Prinzessin doch noch klar machen: „Was du noch immer nicht verstehst: ein Dämon, zumal unserer Stärke, hat niemals Freunde.“ Seine Mutter kennend....ja, da hatte er wohl recht. Auch der Inu no Taishou konnte sich das als Fürst kaum leisten. „Was habt Ihr nun vor?“ Gleichzeitig ärgerte sie sich über sich. Diese Frage verriet ihre Unruhe, ja, schlimmer, klang fast hilflos. Das hatte sie nie sein wollen, und schon gar nicht ihm gegenüber eine Schwäche zugeben. Um seinen Mund spielte ein zynisches Lächeln: „Eine Anklage vorbereiten.“ Er ging, diesmal sehr wohl wissend, was er getan hatte. Zurück in seinem Zimmer dachte er nach. Tokushima war die Angelegenheit mit der damaligen, angeblichen Verlobung unangenehm, aber sie hatte ganz sicher nie erwartet, dass Haru je darauf zurückkommen würde. Gerade als Mitglied ihres Clans sollte ihm doch klar gewesen sein, wie sie zu dem Thema Heirat stand. Andererseits: er hatte von einer bevorstehenden Heirat gesprochen, aber nicht mit wem. Hatte dieser Narr etwa geglaubt, sie würde ihre Meinung ändern, wenn er der mögliche zukünftige Heerführer wäre, sich irgendwie schon fast in ihrer Liga gesehen? Eine derart fatale Selbsteinschätzung bewies kaum Intelligenz. Aber Masaru und auch alle seine Schüler hatten hervorgehoben, dass Haru nicht nur ein fähiger Kämpfer sondern auch ein guter Stratege war. Was also war an seinen Plänen schief gegangen? Motive ihm umzubringen gab es genug. Da war Tokushima als unwillige Braut, Takeru, der von Haru andauernd übertroffen wurde und das bestimmt auch von seinem Vater zu hören bekam, zumal er selbst in dessen Fußstapfen als Heerführer treten wollte, Kouhei, der offenkundig in der Vergangenheit schwer beleidigt worden war, Katsumi, dessen Frau durch Haru belästigt worden war, Shigeru, der zugab, den Toten nicht gemocht zu haben, zum anderen, weil der auch ihn dauernd übertraf, zum anderen ein unpassendes Verhalten an den Tag legte.....Tja Und da gab es auch den Heerführer Kaito selbst: hatte der einen Konkurrenten seines Sohnes ausschalten wollen? Hatte sich Masaru irgendwie beleidigt gefühlt? Motive, wohin man sah. Nein. Es war schon immer besser gewesen Beweggründe erst einmal außen vor zu lassen. Gab es einen Ermordeten, gab es in aller Regel auch mehrere Personen, die dem dieses Schicksal gönnten. Sachlich bleiben. Wer konnte außer Tokushima das Zimmer Harus betreten? Der Lehrer, Masaru, war wie jeden Tag nach den Übungen bei Kaito gewesen, sagte er aus, und eine so leicht nachprüfbare Lüge würde er nicht erzählen. Damit gaben sich Masaru und Kaito gegenseitig ein Alibi. Katsumi hatte ebenso wie Shigeru ausgesagt sie seien bei ihrer weiblichen Verwandtschaft gewesen – wann brachte Sakura da eigentlich Ergebnisse? Takeru und Kouhei waren in dem entsprechenden Gang gewesen. Angeblich hatte Takeru nach dem Sondertraining schlafen wollen und auch Kouhei hatte nur noch Wasser geholt....Unüberprüfbar und ganz bestimmt kein Alibi. Beide hatten zugegeben den Streit gehört zu haben, ja, Kouhei hatte sogar Tokushima gesehen. Schutzbehauptung – oder der Auslöser zum Nachsehen zu gehen und den nächstbesten Gegenstand zu ergreifen? Im Prinzip deutete alles auf die Prinzessin – bis auf das, dass sie sich selbst in ihrer jetzigen fatalen Lage noch kühl und einer so hochrangigen Dämonin würdig verhielt. Ein Schlag, ja. Direkt, ja. Aber wenn sie ihn töten wollte, warum hatte sie keine Energie eingesetzt sondern zum Schwertständer gegriffen? Das war unpassend für sie und wohl insgesamt für jemanden, der mit Schwertern wenig hantierte. Wo also blieb Sakura? Kapitel 6: Sakura ermittelt --------------------------- Sakura hatte sich beeilt in den Frauentrakt zu gelangen. Ihr Ziel waren zwei Damen: Tama, die Ehefrau von Katsumi, die angeblich von Haru belästigt worden war, und auch Mutter und Ehefrau Shigerus, von denen sie nur den Namen der Jüngeren, Chika, kannte. Zunächst sollte sie wohl die Ehefrau aufsuchen, das war einfacher.... Nach einer kurzen Rückfrage bei der zuständigen Hofmeisterin klopfte sie höflich an die Tür und öffnete sie nach einem zögernden „Ja?“ von innen. Die Heilerschülerin verneigte sich und kniete nieder. Du liebe Güte, Dämonin hin oder her, Tama war ja deutlich noch jünger als sie selbst. „Ich bitte um Vergebung für die Störung. Mich schickt Lord Sesshoumaru.“ Sie hätte schwören mögen, dass die Wolfsdämonin erbleichte. „Oh ja, natürlich. Es geht um den Tod dieses Haru, nicht wahr? Ich hörte bereits, dass der Fürst....Ich meine, du bist Neigi-samas Schülerin?...Ihr...Ihr kommt im Auftrag Seiner Lordschaft. Geht es um Katsumi? Ist ihm etwas passiert?“ Eine nette Umschreibung für die Tatsache, dass der Erbprinz ermittelte, ihr Ehemann verdächtig war und die Beiden aneinander geraten sein könnten, so sehr, dass der junge Offiziersanwärter einen Heiler benötigte. Zumindest darüber konnte sie sie beruhigen: „Seine Lordschaft ermittelt im Todesfall, in der Tat, und ich wurde an ihn befohlen. Würdet Ihr mir einige Fragen beantworten?“ „Natürlich, natürlich, wenn es Katsumi helfen kann....“ Sorge um den Ehemann, nicht um das Mordopfer: „Ihr wisst, dass Haru verstorben ist?“ „Ja, gestern Abend. Es hieß, er sei ermordet worden und eine vornehme Dämonin sei deswegen verhaftet worden. Was hat denn Katsumi damit zu tun?“ „Es wurde gesagt, und Euer Gemahl bestätigte dies, dass Haru Euch....mehr als freundlich ansprach.“ Die Wolfsdämonin atmete tief durch. „Er belästigte mich! Jedes Mal, wenn ich mich außerhalb des Frauentraktes aufhielt, ja er schien mir förmlich aufzulauern. Mehr als das. Und ein Nein schien für ihn keine Antwort zu sein. Ich wusste ja, dass Katsumi viel zu tun hat um diese Sonderausbildung zu bestehen und wollte ihn nicht aus der Fassung bringen...aber ich wusste mir wirklich nicht mehr zu helfen. Ich darf doch meine Pflichten als Hofdame nicht vernachlässigen. So erzählte ich ihm davon. Er...er hat mir versprochen nicht leichtsinnig zu sein, sich nicht der Güte des Inu no Taishou undankbar zu erweisen....“ Sakura bedachte kurz ihre Aufgabe, ehe sie die halbe Frage diplomatisch beantwortete: „Soweit ich hörte, stellte er ihn zur Rede, mehr jedoch nicht.“ Wie erleichtert die junge Dame aufatmete: „Darf ich Euch dennoch eine Frage im Auftrag Seiner Lordschaft stellen?“ „Ja, natürlich....“ Tama presste die Hände im Schoss zusammen. „Gestern Abend, nach der Ausbildung....habt Ihr Euren Gemahl getroffen? Hier?“ „Nein, natürlich nicht. Wir...wir waren in dem blauen Zimmer....“ Sie wurde etwas verlegen. Sakura konnte das nachvollziehen. Das war die interne Umschreibung für das kleine Bad, in dem Eheleute gemeinsam und ungestört baden konnten. So wurde Katsumi den Schweiß der Übungen los, sah seine Angetraute und auch anderes wohl.... „Katsumi kam direkt von den Übungen? Ich meine, er trug noch sein Schwert?“ „Wurde Haru etwa mit einem Schwert umgebracht? Nein, Katsumi legt es ja wie die anderen auch immer ab, wenn sie das Schloss betreten. Er hatte nur noch seine Rüstung an.“ Tama hob den Kopf: „Die Anderen....ja, genau. Da soll Seine Lordschaft doch auch mal nachfragen.“ „Was meint Ihr?“ „Katsumi war bei mir und er hatte mir doch versprochen, dass er nichts direkt macht. Ihr sagtet ja, das habe er auch nicht. Er ist ein feiner, ruhiger Mann, trotz seines jungen Alters. Wirklich. - Aber ich war nicht die Einzige, der Haru auf die Nerven ging.“ Sakura stutzte: „Auch einer seiner Kameraden? Aber er ist doch der Einzige, der bereits verheiratet ist?“ „Man muss nicht verheiratet sein...“ Das war wahr. Leider engte das den Kreis der Verdächtigen kaum ein. Doch. Kouhei hatte gesagt, seine Familie lebe außerhalb....aber hatte er sich vielleicht verliebt? Oh je, das wurde unübersichtlich, und, wie sie den Hundeprinzen kannte, wollte der alles von ihr wissen. Alles dazu. Das konnte dauern. „Ich danke Euch, Tama. Falls Seine Lordschaft noch Fragen hat, wird er Euch gewiss rufen lassen.“ Dem Gesichtsausdruck der Wolfsdämonin nach hatte das nach einem Urteil geklungen. Und sie hörte sich ein wenig heiser an, als sie meinte: „Ja, natürlich...“ Nach Shigerus Familie musste Sakura ebenfalls fragen. Sie kannte zwar eigentlich alle Dämonen vom Sehen her, aber namentlich nur die, mit denen sie auch direkt in Berührung kam. Der Vater war offenkundig bei einem Kampf für den Inu no Taishou gefallen und dieser hatte die Familie aufgenommen, den Sohn in die Garde gesteckt und die Frauen....Nur kurz darauf wusste sie, dass Ayaka, Shigerus Mutter, turnusmäßig auch zur Fürstin gesandt wurde, Chika, die Schwester des Offizieranwärters dagegen noch hier lebte, nur immer wieder bei Festen als Hofdame fungierte, offensichtlich, um ihr eine Ehe zu ermöglichen. Momentan befanden sich beide hier. Als sich die Heilerschülerin höflich anmeldete und die Tür beiseite schob, stellte sie rasch fest, dass die Familie offenbar wirklich das Wohlwollen des Fürsten genoss. Die beiden Damen hatten nicht nur einen Raum zur Verfügung, sondern das eigentliche Zimmer war durch einen kleinen Vorraum abgetrennt, in dem eine große Truhe anzeigte, dass sie über mehr als genug Garderobe verfügten – denn ganz sicher befand sich auch hinten im Schlafzimmer eine weitere. Dem Alter nach war es die Mutter, die sie hier im Vorzimmer empfing, und so verneigte sich Sakura höflich, nannte ihren Namen und ihren Auftraggeber. Die Fuchsdämonin nickte würdevoll. „Du..Ihr habt also Fragen, Sakura-san?“ „Im Auftrag Seiner Lordschaft. - Es geht um Shigeru. Ihr wisst sicher, dass einer seiner Kameraden gestern tot aufgefunden wurde.“ „Ja. Wie wohl das gesamte Schloss. Allerdings wundert mich, dass dies Sess...den Erbprinzen noch interessiert. Ich hörte, es sei eine Hundedämonin verhaftet worden.“ „Es steht unsereins nicht zu, die Befehle des Fürsten an seinen Sohn in Frage zu stellen.“ Sakura klang ein wenig schärfer. Die Fuchsdämonin fühlte sich ihr als Art und vom Hofrang her überlegen, also musste sie zusehen, dass sie sich hinter Seiner Eisigkeit oder noch besser dem Inu no Taishou versteckte – oder sie bekäme keine Auskünfte. „Ja, natürlich,“ erwiderte Ayaka auch eilig, sich durchaus der Gerüchte erinnernd, nach denen dieses Mädchen mehr als nur das Ohr Lord Sesshoumarus und gar des Inu no Taishou besaß: „Fragt dann....“ „Shigeru kam gestern Abend nach den Übungen in den Frauentrakt? Nur in ein Besuchszimmer oder hierher?“ Ayaka atmete durch: „Ja, praktisch unverzüglich. Und hierher. Ich hatte ihm einen Boten gesandt. Chika...das ist meine Tochter....war erkrankt...“ Sakura hatte den unwillkürlichen Blick über die Schulter bemerkt: „So ist Eure Tochter wohl schwer erkrankt? Das tut mir Leid. Darf ich meinem verehrten Lehrer Neigi-sama davon in Kenntnis setzen?“ Eigenartig. Sie hätte doch gewusst, wenn er gerufen worden wäre – oder er hätte sie zu einem Dämonenmädchen geschickt. „Oh....Nein,so schlimm ist es nicht....“ Da stimmte doch etwas nicht? Ganz und gar nicht? „Ich bitte zu bemerken, dass Heiler einer Verschwiegenheit unterliegen, die nur gegenüber dem Fürsten bei schweren Vergehen gelüftet werden darf.“ „Auch Ihr müsst schweigen?“ „Ja.“ Sakura sagte es einfach. Im Zweifel müsste sie dem Hundeprinzen gegenüber die passenden Worte finden – aber darin besaß sie nun wahrlich Übung. Aber auch er kannte das Schweigergebot der Heiler und hakte in aller Regel nur nach, wenn es ihm wirklich helfen konnte den Mord zu klären. „Ich gehe zu Chika. Wartet.“ Das Menschenmädchen gehorchte, konnte jedoch nicht umhin ein wenig zuzuhören. Zwar verstand sie keines der geflüsterten Worte, war sich jedoch sicher, dass allein Ayaka redete. Nur kurz darauf kehrte diese zurück. „Kommt.“ Sakura erhob sich und ging in das hintere Schlafzimmer. Dort lag auf einer Matte, zugedeckt, ein Mädchen, das sie unter Menschen auf sechzehn geschätzt hätte, eher weniger, aber natürlich war das eine Fuchsdämonin. Ihr Gesicht schien seltsam verzerrt. So ließ sich Sakura, wie sie es gelernt hatte, neben ihrer neue Patientin nieder. „Mein Name ist Sakura, Chika. Ich bin die Schülerin des ehrenwerten Neigi. Habt Ihr Schmerzen?“ „Das auch,“ erwiderte ihre Mutter und kniete neben der Heilerschülerin nieder: „Aber vor allem kann sie seit gestern morgen den Mund nicht mehr öffnen, auch nur mehr unverständlich reden.“ Sakura nickte nur: „Wo sitzt der Schmerz, Chika?“ Das Fuchsmädchen deutete auf ihre Wange, wo sich auch eine Schwellung zeigte. „Ich werde Euch sehr vorsichtig berühren. Es mag ein wenig mehr schmerzen, aber ich muss etwas ertasten....“ Sie hob schon die Hand: „Dann kann ich Euch sagen, ob es durch dämonische Selbstheilungskräfte schwindet oder Ihr doch besser meinen Lehrer holen lassen solltet.“ Chika zögerte sichtlich, nickte dann jedoch. Die Haut fasste sich nicht wärmer an als sonst bei Dämonen, eine Entzündung eines Zahnes oder ähnliches war auszuschließen. Und ihr Finger berührte eine leere Stelle – das also war die Ursache. Sakura zog eilig die Hand zurück: „In der Tat. Es scheint mir, die ich nur eine Schülerin bin, als ob in diesem Fall mein Lehrer angebracht wäre. Nach allem habt Ihr, Chika....“ Sie versuchte gleichzeitig mit der Patientin und der Mutter zu reden: „Eine so genannte Kieferklemme. Euer Kiefer wurde, vermutlich durch einen heftigen Aufprall, ausgerenkt, etwas, das auch dämonische Selbstheilungskräfte nicht zu beseitigen vermögen. Mir als schlichtem Menschen fehlt die Kraft dies zu tun. Neigi-sama benötigt gewiss kaum zwei Minuten, damit Ihr Euren Mund wieder öffnen könnt und auch der Schmerz nachlässt.“ Chika schloss die Augen, schien nicht mehr reden zu wollen. Das übernahm ihre Mutter: „Ja, dann sagt das doch Neigi....“ „Nein, ich bedauere. Der Befehl an mich lautet Lord Sesshoumaru zur Verfügung zu stehen. Ich möchte Euch daher bitten, einen anderen Diener zu senden.“ „Ja, natürlich...“ Der Fuchsdämonin war klar, dass der Hundeprinz keine nachlässigen Dienstboten schätzte – und seine eigenen Ansichten über tödliche Beleidigungen besaß. „Kommt.“ Im Vorraum blickte sich Sakura um: „Ihr habt Shigeru rufen lassen um ihm seine Schwester zu zeigen?“ „Ja. Ich war sehr erschrocken sie so zu sehen. Ein heftiger Aufprall, sagtet Ihr?“ „Ja. Ein Sturz, bei dem sie unglücklich mit eben dieser empfindlichen Stelle des Kiefers gegen einen Balken in der Wand prallte...oder so.“ Ihr war eben ein anderer Einfall gekommen: „Was sagte Shigeru denn?“ „Er meinte....sie solle sich zusammennehmen, das würde von allein heilen. Wisst Ihr, wir sind dem mächtigen Inu no Taishou zu gewissem Dank verpflichtet und können uns keine...keine Nachlässigkeit leisten.“ Die Fuchsdame richtete sich etwas auf: „Ihr seid sicher, dass dies nicht ohne Hilfe heilt.“ „Absolut sicher. Und die Schmerzen für Chika werden bestimmt immer heftiger.“ „Ich werde nach dem Heiler schicken. Danke.“ „Ich danke Euch.“ Sakura verneigte sich höflich und ging. Hm. Shigeru hatte seine Schwester gesehen. War auch ihm die Idee gekommen, die sie soeben gehabt hatte? Chika selbst konnte ja nicht reden. Gleich. Ihre Pflicht lautete Bericht zu erstatten, sachlich, ausführlich, und möglichst wortwörtlich. Kapitel 7: Neue Erkenntnisse und eine erste Zusammenfassung ----------------------------------------------------------- Sakura war eigentlich schon auf dem Weg aus dem Frauentrakt, als sie ihren Namen leise geflüstert hörte. Sie wandte sich um und entdeckte eine junge Hundedame, scheinbar so alt wie sie selbst, mit den weißen Haaren der oberen Ränge. Sie kannte sie doch irgendwoher? „Oh, gut, dass ich Euch noch erwische, Sakura-san,“ meinte sie eilig: „Ich sah Euch kommen und....Darf ich Euch um etwas bitten?“ „Ja, natürlich,“ erwiderte die Heilerschülerin, die annahm, dass es um weibliche Probleme ging. „Ich...ich habe hier einen Brief. Könntet Ihr ihn dem Empfänger zukommen lassen? Kouhei? Er...er ist bei meinem Bruder bei Masarus Schülern...“ „Dazu gibt es einen hausinternen Botendienst.“ Aber Sakura war bereits klar, was los war: „Eure Eltern wollen wohl nicht, dass Ihr Kouhei einen Brief schreibt?“ „Nein, natürlich nicht. Vater ist doch da sehr streng...Bitte.“ Ihr Bruder, also? Da konnte sie Kouhei und Shigeru mal ausschließen, Katsumi wohl auch, er hatte ja nur Tama als Familienangehörige erwähnt. Von Haru hätte das Mädchen in der Vergangenheit gesprochen: „Oh, Ihr seid die Tochter des Heerführers? Kaitos? Und Takeru ist Euer Bruder.“ „Ja. - Geht es ihm gut? Und Kouhei?“ Sakura nickte und streckte die Hand aus: „Gebt mir schon den Brief. - Obwohl Ihr natürlich wisst, dass das....nicht erwünscht ist. Euer Name?“ „Oh, natürlich, wie dumm von mir. Ich bin Kagami.“ „Darf ich dann fragen, woher Ihr Kouhei kennt? Waren alle Mitschüler schon bei Eurem Vater...privat?“ „Ja. Vater möchte sie ja alle kennenlernen. Wer diese Sonderausbildung erfolgreich besteht, den will er auch entsprechend einsetzen. Da waren auch Mutter und ich dabei.“ Oh, da war eine unerwartete Möglichkeit: „So kennt Ihr sie alle? Auch den Verstorbenen?“ „Haru, ja. Natürlich, Er war auch dabei. Aber Takeru sagte mir bereits im Vorfeld des ersten Essens, dass dieser mir Avancen machen würde, um so leichter Heerführer zu werden. Und natürlich wollte ich nie meinen Bruder irgendwie schaden...Das versteht Ihr?“ „Ja.“ Nun, Haru hatte wohl nicht ganz zu Unrecht sich Ärger eingehandelt: „Überdies: Ihr fandet Kouhei netter?“ Kagami hoffte nur, dass die Heilerschülerin ihren Brief auch überbringen würde. Es war der Respekt gegenüber Neigi, der sie antworten ließ: „Er ist so ruhig, so gelassen. Und er war so überaus freundlich zu mir und natürlich meiner Mutter. Sie war auch sehr angetan von seinen Manieren. Katsumi hat auch sehr gute, aber er ist ja auch schon verheiratet. - Fragt mich jetzt bitte nur nicht, was ich ihm schrieb....“ „Es hat ja wohl nichts mit dem Tod Harus zu tun.“ Kagami erschrak sichtlich: „Nein, wieso denn auch? Ich dachte, da ist schon die Hofmeisterin der Fürstin verhaftet worden?“ Sakura überlegte kurz, ehe sie möglichst diplomatisch erwiderte: „Soweit ich weiß steht sie unter Verdacht. Mehr nicht.“ Das war momentan sicher nicht falsch, würde aber vielleicht weitere Aussagen bringen. „Ach ja, Ihr seid ja zu Lord Sesshoumaru befohlen.“ Der dauernde Tratsch. Nun ja. Die Frauen hatten wenig zu tun außer mit Heiratsplänen und sich schön machen, vielleicht Kinder erziehen. „Ja. Darf ich noch fragen, wie Euch Shigeru gefiel?“ „Oh, er ist sicher auch höflich, aber er ist....Das sagt Ihr niemandem?“ „Nicht, wenn mich nicht Seine Lordschaft oder der Fürst fragt. Dann muss ich antworten.“ „Ayaka, das ist Shigerus Mutter, hatte schon mit meiner Mutter geredet, aber.....“ Kagami seufzte etwas: „Ich hatte nicht das Gefühl, dass er an mir interessiert wäre. Nicht, dass Ihr falsch denkt, auch Kouhei nicht. Sie sind wohl einfach zu....ja, zu ehrenhaft, um mich nur zu heiraten, damit Vater....“ Sie brach ab. Sakura nickte mit einem verstehenden Lächeln: „Ja, das gefällt einem natürlich besser. Wer möchte schon gern nur wegen seines Ranges geheiratet werden. Aber ich werde Euren Brief Kouhei geben.“ „Vielen Dank. Das ist nett.“ „Und, falls er eine Antwort hat....?“ Kagami wurde ein wenig verlegen: „Ich hoffe, falls er sie hat, wird er persönlich mit Mutter oder Vater reden. Ich..ich möchte dazu nichts sagen. Ich weiß ja, dass es schon unschicklich ist einen Brief so zu schreiben und zu schicken...Aber, Vater sagte zu Takeru, dass man selbst zugreifen muss, falls sich eine Gelegenheit bietet, wenn man Erfolg haben will. Und das gilt sicher auch für mich.“ Sakura dachte daran, dass der Heerführer bestimmt nicht so einen eigenen Weg seiner Tochter im Sinn gehabt hatte, als er dies sagte. Aber es war, da hatte Kagami wohl recht, vielleicht die einzige Möglichkeit für das Mädchen selbst nach ihrem Glück zu suchen und doch ihren Vater mit einem möglichen Hauptmann zu erfreuen. Sie neigte eilig höflich den Kopf, da sie bemerkte, dass sich eine ältere Hundedämonin näherte: „Natürlich, Kagami-san. Ich freue mich Euch geholfen zu haben.“ Immerhin begriff das Hundemädchen sofort die Bedeutung des veränderten Tonfalls: „Vielen Dank, Sakura-san. Ich werde Euren Rat befolgen. - Oh, Mutter.....“ Das war jetzt wirklich Kagamis Problem, was auch immer sie der Gattin des Heerführers erzählte. Sakura hielt es für besser sich auch gegen sie leicht zu verneigen und zu gehen. Sie überlegte kurz, dann suchte sie Kouhei in seinem Zimmer auf. Falls Lord Sesshoumaru den Inhalt wissen wollte, konnte er ihn selbst befragen. Sie klopfte, wartete auf das „Ja?“, ehe sie kurz die Tür aufschob: „Ich habe einen Brief für Euch,“ meinte sie leise, überreichte ihn, und verschwand, um sich, wenngleich etwas später als bestimmt erwartet, im Raum des Erbprinzen einzufinden. Sie hoffte nur, dass die neuen Erkenntnisse von ihm als so nützlich eingestuft wurden, dass er darauf verzichtete sie zu bestrafen. Sesshoumaru war fast froh, dass sie eintraf, zumal ihm klar geworden war, dass sie stets sorgfältig zu arbeiten pflegte. Dennoch: wo hatte sie so lange gesteckt? Daher klang seine Stimme kühl: „Bericht.“ Er wandte sich um und blickte aus dem Fenster. Sakura bemühte sich ihre Furcht zu unterdrücken. Das mochte er nicht und wurde eher noch ärgerlicher. Sie berichtete von der Unterhaltung mit Tama, mit Ayaka und Chika und auch von der mit Kagami, möglichst wörtlich, wie er es wünschte. Wunderbar, dachte Seine Eisigkeit ein wenig zynisch. Nicht einmal unter Dämonen war man vor diesem Gefühlswirrwar sicher. Schön. Dann betrachtete er einmal all seine hoffnungsvollen Kandidaten für den Mord an Haru sachlich. Hatte man das Wie hatte man das Wer. Nur, dass das in diesem Fall schwer zu finden war. Motive gab es mehr als reichlich, der Schwertständer als Mittel hatte eben so herumgestanden – und Gelegenheiten hatte es auch mehr als genug gegeben, wenn er an die so genannten Alibis dachte. Der Reihe nach: Zunächst die holde Prinzessin selbst. Sie war emotional, impulsiv und schon gar bei dem Thema Heirat mehr als leicht auf die Barrikaden zu bringen. Motiv, ja. Tatwaffe, ja. Gelegenheit, ja. Das Einzige, das ihn dabei stutzen ließ war, dass sie so töricht gewesen sein sollte, nicht die Sache zu melden und als Notwehr auszugeben, sondern zurück zu Mutter zu kehren. Sie hatte wissen müssen, dass die Sache aufkäme – und dass ihre Verletzung durch Harus Schlag das Einzige wäre, das ihre Behauptung über die Selbstverteidigung unterstützen würde. Panik schloss er bei ihr aus, selbst wenn dieser menschliche Leutnant Sato einmal erwähnt hatte, dass sich Ersttäter meist recht emotional und damit dumm anstellten – die Prinzessin hatte bereits in seiner, Sesshoumarus Anwesenheit getötet, und dabei sich nicht gerade wie ein jämmerlicher Mensch verhalten. Takerus Motiv war klar, berufliche Eifersucht, vielleicht auch eine gewisse Sorge um seine Schwester. Sein Alibi war denkbar dünn. Er hatte zwar anschließend Straftraining bekommen und war da ebenso sicher unter Masarus Aufsicht gewesen, aber er hatte selbst ausgesagt, dass er schon bei dem Streit zwischen Haru und Tokushima in seinem Raum gewesen war, ja, sich die Ohren zugehalten hatte und schließlich eingeschlafen war – als Alibi ein kompletter Ausfall. Es war durchaus denkbar, dass er nachdem Ruhe herrschte, hinüber gegangen war, seinen ungeliebten Kameraden blutend und wütend vorgefunden hatte, und die scheinbar günstige Gelegenheit genutzt hatte. Katsumi? Dessen Motiv – seine Ehefrau – war allen in der Gruppe bekannt, er hatte Haru auch bereits zur Rede gestellt. Er gab an, weder von dem Streit noch von dem Mord etwas mitbekommen zu haben. Laut Aussage Tamas badeten sie gemeinsam, unverzüglich, nachdem er aus dem Training kam. Wie lange jedoch hatte das gedauert? Kouhei hatte erwähnt, dass er ein oder zwei Kameraden zurückkommen hörte. Einen oder zwei oder waren es mehr gewesen, die er nicht angeben konnte oder gar wollte? Diese falschen Loyalitäten verursachten stets Ärger. Shigeru? Motiv wäre berufliche Eifersucht, aber er teilte Sakuras Idee, dass Haru womöglich dessen Schwester belästigt und geschlagen hatte. Sie hatte es als Vermutung geäußert, sorgfältig getrennt von den sachlichen Aussagen, und er war angenehm berührt darüber. Das erleichterte sein Denken doch. Für ein Wesen der minderen Art war sie wirklich brauchbar. Shigeru hatte ausgesagt, dass er unverzüglich nach den Übungsstunden zu Mutter und Schwester gegangen sei. War er über Shikas Zustand so wütend geworden, dass er auf der Stelle zurückkehrte, Haru bereits blutend vorfand und nachsetzte? Hatte Kouhei ihn gehört? Kouhei selbst? Ja, er besaß keine Familie, die Haru hätte belästigen könnten, hatte aber vermutlich wohl ein Auge auf Kagami, Takerus Schwester, geworfen. Vollkommen ohne Grund würde ihm diese kaum einen Brief schreiben, der sie, wenn auch durch Sakura überbracht, in Schwierigkeiten bringen konnte. Hinzu kam eine alte Beleidigung, die er allerdings nicht gesühnt hatte. Stattdessen hatte er sich an seinen Vorgesetzten gewandt, damit der Haru zur Rede stellte, laut Aussage des Marders um die Ruhe im Heer zu bewahren. Sein Alibi war ebenfalls denkbar dünn. Er sagte, er habe sich nach dem Training Wasser geholt, dabei Tokushima gesehen, die er nicht erkannte, und sei dann eingeschlafen, nachdem Ruhe herrschte und sie fast unverzüglich ging. Da fehlten einige Dinge. Fest stand nur, dass Haru kaum der beliebteste Mann des Schlosses gewesen war, obwohl er durchaus gewisse Fähigkeiten besaß – die jedoch aufgrund seines sonstigen Benehmens nicht gesehen oder eher gewürdigt wurden, außer von seinem Lehrer und dem Heerführer. Er würde wohl nochmals Fragen stellen müssten. Eine davon lautete, wie lange das Sondertraining Takerus gedauert hatte, wie viel Zeitvorsprung also die Anderen besessen hatten. Alle anderen. Und wie genau die Zimmereinteilung war. Kapitel 8: Letzte Fragen ------------------------ Mit einer etwas zu schnellen Bewegung drehte sich der Hundeprinz um, die jedoch der allzeit aufmerksamen Sakura eine gewisse Gereiztheit verriet. So beugte sie sich lieber tiefer nach vorn, wartete auf eine Anweisung, die sie jedoch überraschte. „Besorge dir etwas zu essen.“ „Ja, Lord Sesshoumaru, danke.“ Er dachte daran? Oder wollte er sie nur bei irgendetwas nicht dabei haben? Das entsprach den Tatsachen, aber er hatte die gleichzeitige Möglichkeit gesehen seinem Vater zu demonstrieren, dass er selbst Dienstboten nicht vernachlässigte. In Anbetracht der Tatsache, dass ihm Sakuras Ohnmachtsanfall aufgrund mangelndem Trinken im Sommer fünf Tage Zimmerarrest beschert hatten und er erst neulich sich eine weitere Sanktionierung eingehandelt hatte, war das nur sinnvoll. Irrtümer verzieh Vater – Missachtung seiner Anweisungen nie. Und auf die nächste Stufe einer Bestrafung legte er wirklich keinen Wert. Leider war es notwendig zunächst noch einmal mit der Hauptverdächtigen zu sprechen. Warum nur hatte er das vorher nicht bedacht? Nun, schlicht, weil er sich nicht zu lange mit ihr befassen wollte und die Notwendigkeit des genauen Zeitplanes nicht genug beachtet hatte. Die junge Hundeprinzessin sah ihn an und er hätte schwören mögen gewisse Besorgnis zu erkennen, aber sie hatte sich in der Gewalt, das musste er zugeben: „Eine Frage, Tokushima. Hast du Haru getroffen und war deine Begleitung in sein Zimmer zufällig oder hatte er dich zuvor angesprochen und dazu eingeladen?“ Sie wusste wirklich nicht, wie sie die Frage einordnen sollte. Galt es ihrer möglichen Unmoral oder dem Mord? War das wichtig um sie zu befreien oder zu belasten? Aber sie musste antworten, das hatte er bei seinem letzten Besuch nur zu deutlich gemacht: „Haru sandte mir einen Brief, der mir in der Kanzlei hinterlegt wurde. Ich erhielt ihn, als ich das nächste Mal im Auftrag der Fürstin kam.“ „Es war das Treffen und der Termin also niemandem außer dir und ihm bekannt?“ „Für mich kann ich das bejahen, für ihn weiß ich es nicht.“ Das klang nicht gut, befand sie und ergänzte: „Den Tag gab er nicht an, sondern wusste offensichtlich, dass ich das auch nicht im Voraus sagen konnte. So schrieb er, der Tag sei ihm gleich, aber er sei stets ungefähr eine Stunde nach dem Ende des Unterrichtes in seinem Zimmer, danach möglicherweise jedoch wieder weg.“ „Kein Sondertraining für ihn, also.“ „Tja, da kann ich Euch nicht helfen. Als ich zu ihm ging, kam er gerade aus dem Bad, das konnte ich noch wittern, bereits in Kimono, in Privatkleidung. Er war auch nicht überrascht mich zu sehen, eher über meine Reaktion auf seinen...Vorschlag.“ „Er wurde so wütend, dass er dich schlug.“ „Nun, zunächst wurde er sehr laut, aber dazu habt Ihr sicher Zeugen. Auch ich schrie ihn an.“ „Dann kam es zu dem Schlagabtausch und du gingst. - Überlege dir die nächste Antwort gut, Tokushima: waren andere Anwärter zurückgekommen, während du bei ihm warst?“ „Ihr glaubt...“ Sie brach ab. Wie schaffte er es immer nur sie anzusehen und ihr wortlos klarzumachen, dass er ihr am liebsten die Kehle durchschneiden würde? Arroganter Mistkerl! Leider war er in der eindeutig besseren Situation – und ihre einzige Chance: „Schön. Ich habe keine Ahnung. Irgendwer kam, glaube ich, aber ich bin mir nicht sicher ob einmal einer oder zweimal, auch dreimal.... Es war jedenfalls keine miteinander redenden Gruppe.“ „Erstaunlich, wie sachlich du werden kannst, wenn dein Hals in Gefahr ist. - Als du gingst: sahst du im Gang oder davor einen Anwärter?“ „Nein, auch, wenn ich glaube, dass die erste Tür beim Hereinkommen links bei meiner Ankunft geöffnet und später geschlossen war.“ Kouhei, dachte Sesshoumaru. Das stimmte mit dessen Aussage überein. Immerhin etwas. Er dachte nach. Die Prinzessin musterte ihn, trotz allem selbstbewusst genug ihm in das Gesicht zu sehen. Langsam meinte sie: „Allerdings....als ich zurück zu Eurer Mutter....ich meine, zu meiner Herrin reisen wollte und ein Portal im Hof erschuf, bemerkte ich einen jungen Fuchsdämon, der offensichtlich soeben durch das Tor kam. Er trug Rüstung und sah erschöpft aus, war aber eindeutig ein Offizier.“ „Wie lange nach dem Zeitpunkt des Treffens mit Haru?“ „Das ist schwer zu sagen....Der Streit mit Haru dauerte vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten, inklusive dem Gespräch davor. Danach...ich wanderte durch das Schloss um mich etwas zu beruhigen, ging dann in die Kanzlei und nahm die bereitgelegte Post mit...Ich war zu zornig, um mich für Zeit zu interessieren.“ Sie hob etwas den Kopf: „Hat mich niemand gesehen bei meinem Weg?“ „Tokushima, ich bin gern bereit dich in Ermittlungsfragen zu belehren: wenn dich jemand eine halbe oder auch eine ganze Stunde nach dem Treffen sah, bedeutet es nicht, dass du Haru nicht umgebracht hast.“ Ein Fuchs? Shigeru? Aber der hatte kein Sondertraining bekommen sondern war bei seiner Schwester und Mutter gewesen, was diese gegenüber Sakura bestätigt hatten? Was hatte der dann danach außerhalb des Schlosses gesucht? Hm. Da müsste er wohl noch einmal mit dessen Lehrer reden. Er musste tatsächlich vier dadurch völlig verängstigte menschliche Diener fragen, ehe ihm jemand bestätigen konnte, dass sich der Lehrer bei Heerführer Kaito in dessen Arbeitszimmer befand. Hm. Der Tag war schon weit fortgeschritten, aber wie wohl auch gestern hielten sie die tägliche Routine ein. Haru hatte das gewusst – und war wohl sehr sicher gewesen nie ein Sondertraining zu erhalten, zumindest nicht, als er den Brief an Tokushima verfasste. Hauptmann und Heerführer brachen ihr Gespräch ab und verneigten sich eilig tief vor dem Erbprinzen, der stehenblieb: „Masaru, hat Haru je ein einziges Sondertraining erhalten?“ „Nein, Lord Sesshoumaru.“ Wenigstens konnte er das Verhör kurz halten: „Er war zu fähig dazu?“ „Ja.“ „Gestern erhielt es Takeru.“ Er ignorierte den besorgten Blick dessen Vaters. „Ja.“ „Nur er?“ Das wurde mühselig und er suchte die Abkürzung: „Shigeru erhielt gestern doch noch eines, nachdem er seine Familie besuchte?“ „Ich...“ Masaru sah zu Kaito. Was sollte er, was sollten sie sagen? Seine Lordschaft bemerkte es und sein kurz gewordener Geduldsfaden riss: „Soll ich dir helfen? Shigeru, Fuchsdämon, gestern außerhalb des Schlosses, offenbar, nachdem er seine...kranke Schwester besucht hatte?“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Beiden alten Kriegern war klar, dass nur ihr langer Dienst für den Inu no Taishou und dessen Wunsch sie zu schützen Masaru soeben vor einer heftigen, schmerzhaften Reaktion dessen Sohnes bewahrt hatte. So fuhr der Ausbilder lieber fort: „Ich weiß nicht, woher....Ich meine, ich weiß, dass Euer Lordschaft in Harus Fall ermittelt, aber was hat Shigeru....Äh, ja, Lord Sesshoumaru.“ Der Hundeprinz hatte seine Rechte gehoben und grünlich leuchtende Säure tropfte darauf zu Boden, fraß sich zischend in das Holz. „Shigeru kam nach dem Besuch seiner Familie zu mir. Er wartete, bis ich hier bei Kaito das Zimmer verließ, ehe er mir erzählte, dass Haru offenbar seiner Schwester Avancen gemacht hatte, sich dann aber wohl tätlich an ihr vergriffen hatte. Sie konnte es kaum aussprechen, sagte er mir. Er war überaus aufgebracht. Um die Ruhe in der Gruppe und auch im Heer zu wahren, schickte ich ihn aus dem Schloss zu einem längeren Lauf, und sagte ihm, er solle sich abregen. Ich würde Haru in den nächsten Tagen zur Rede stellen. Shigeru wusste, dass ich das auch schon bei Kouhei getan hatte, und befolgte meine Anweisung.“ „Dann erst kehrte er in sein Zimmer zurück.“ „Nach einem Bad, Lord Sesshoumaru, ja. Ich hörte ihn kommen, da ich ein wenig besorgt war, ob er nicht doch zu Haru gehen würde.“ Wunderbar, er hatte einen der Bande mit einem guten, von mehreren Seiten bestätigten Alibi! Warum nur sagten das diese Narren nicht gleich? Tokushima, weil er sie nicht gefragt hatte und sie ihrer Beobachtung sicher nach dem Streit keinerlei Bedeutung beigemessen hatte, Masaru, weil er seine Schüler schützen wollte, und Shigeru selbst, weil er die Sache mit seiner Schwester nicht an die große Glocke hängen wollte. Natürlich. „Als du in deinen Raum kamst, nach dem Gespräch mit Shigeru, wer von den restlichen Vier befand sich in seinem Zimmer?“ Der Ausbilder zögerte kurz um seine Antwort zu überlegen, so lange er es in Anbetracht Seiner deutlich verärgerten Lordschaft wagte: „Kouhei und Takeru, gewiss. Takeru nach dem Sondertraining und Kouhei, weil er insgesamt mit den körperlichen Anforderungen ein wenig zu kämpfen hat. Allerdings verbessert er sich von Jahr zu Jahr und wird gewiss die Abschlussprüfung bestehen.“ Das galt halb dem Prinzen, halb dem Heerführer. „Er ist ja noch der Jüngste von ihnen allen, das hat gerade bei Mardern viel zu sagen. - Äh, Katsumi kann ich nicht so genau beurteilen, Lord Sesshoumaru, aber ich vermute, er war noch bei Tama, seiner Ehefrau. Er trifft sich zumeist mit ihr, wenn er nicht zusätzlich üben soll.“ Vermuten bedeutete nichts wissen. Und Masaru hatte ebenso kaum nachgesehen, ob Kouhei und Takeru wirklich den Schlaf der Gerechten schliefen, denn sonst hätte er Haru ja auch schon tot gefunden und nicht erst am nächsten Tag. Es wurde wirklich Zeit noch einmal gründlich nachzudenken. Sein verehrter Vater erwartete schließlich seinen Bericht – und eine Anklage. Und, wenn es ging, erwartete seine Mutter ihre Hofmeisterin zurück. Natürlich würde sie nicht nachfragen, dazu kannte sie das Gesetz zu gut – und ihre eigene Stellung gegenüber dem Fürsten. Kapitel 9: Der Auflösung erster Teil ------------------------------------ Sakura kam fast lautlos herein und kniete nieder, noch während der Hundedämon draußen die Tür zuschob. Sie hatte auf den ersten Blick gesehen, dass Lord Sesshoumaru in Gedanken versunken war. Wusste er, wie der Mord passiert war – und damit auch, wer der Mörder war? Er musste gehört haben, dass sie hereinkam, denn er sagte nur: „Zeichne den Plan der Offiziersanwärter. Zehn Zimmer, wie belegt?“ Richtig nett, dass er dachte, sie wüsste alles, aber.... „Vergebt, Lord Sesshoumaru, dazu müsste ich zunächst nachfragen.“ „Tu das. Und zeichne. Dann komme in das Arbeitszimmer des Fürsten. Mein Befehl.“ Schön, damit würde sie sicher ohne Schwierigkeiten unverzüglich zum Inu no Taishou vorgelassen werden – und zu seinem Sohn, denn mit diesem Kommando, wie sie bereits auf dem Weg bedachte, hatte er auch zu erkennen gegeben, dass er den Fall gelöst hatte. Für oder gegen Prinzessin Tokushima, denn sie hatte durchaus mitbekommen, dass er alles überprüfte und nicht einseitig zu Ungunsten der Angeklagten. Sakura gab ehrlich zu, dass sie das nicht vermutet hätte. Aber er lernte wohl dazu – was im Hinblick darauf, dass er der nächste Herr des Westens werden würde vermutlich nur im Interesse aller wäre. Sesshoumaru wartete bis sie weg war, ehe er langsam sich ebenfalls Richtung Tür begab, sicher, dass sie unverzüglich sich vor ihm öffnen würde. Er überprüfte noch einmal seine Gedanken, konnte jedoch keinen logischen Fehler mehr finden. Hoffentlich würde Vater das ebenso betrachten. Natürlich musste der Sohn des Hauses nicht warten und so verneigte er sich kurz darauf vor dem Fürsten. Der Inu no Taishou musterte ihn. Ein Ergebnis, ohne Zweifel. Aber entweder keines, mit dem sein Sprössling zufrieden war – oder eines, das ihm selbst nicht gefallen würde. „Setze dich, mein Sohn.“ Er deutete an seine rechte Seite. „Danke, verehrter Vater. - Ich bitte bemerken zu dürfen, dass Sakura noch mit einem Raumplan der Offiziersanwärter kommen wird.“ „Ein Beweis?“ Tja, wie sollte man das sagen: „Eine Bestätigung meiner Behauptung.“ „In diesem Fall wäre es nur sinnvoll, Prinzessin Tokushima bei deinem Vortrag dabei zu haben.“ Vater! Sesshoumaru hätte fast erst geseufzt. Sein Bedürfnis nach Anwesenheit der Prinzessin war recht gering. Dann allerdings wiederholte er seinen inneren Anruf in ehrlicher Anerkennung. Der Inu no Taishou ahnte oder wusste sogar, was er herausgefunden hatte – zumindest in Hinblick auf die junge Hundedame. Er erwiderte nur höfisch-korrekt: „Wie Ihr wünscht.“ Mit gewissem Interesse betrachteten Vater und Sohn Prinzessin Tokushima, als sie hereingeführt wurde – nicht gefesselt, so, wie es der Inu no Taishou befohlen hatte. Das änderte jedoch nichts an der Meinung der jungen Dame hier vor Gericht zu stehen. Dennoch bewahrte sie ein gleichmütiges Gesicht, verneigte sich höfisch vor dem Fürsten, ehe sie vor ihm niederkniete. Durch nichts verriet Tokushima ihre Besorgnis – und ihren aufsteigenden Zorn. Denn dadurch, dass Sesshoumaru an der Rechten seines Vaters saß, verneigte sie sich auch vor ihm. Wie überaus verdrießlich. Aus der Tatsache dass sie hier war, konnte sie nur schließen, dass es gegen sie gehen würde, der Prinz die Anklage gegen sie erhob. Immerhin schien sie sich verteidigen zu dürfen. Nun, es war kein Verteidiger bestellt worden. Ging der Inu no Taishou davon aus, dass sie es selbst vermochte? Aber sie durfte nichts fragen, sich nicht bewegen, ehe sie nicht durch den Fürsten angesprochen wurde. So sah sie schweigend zu Boden. „Nun, Sesshoumaru?“ „Danke, mein Herr und Vater. - Ihr habt mich mit der Aufklärung des Mordes an Haru beauftragt. Zwei deutliche Indizien sprachen von Anfang an gegen Prinzessin Tokushima. Zum Einen wurde ihr Blut in dessen Zimmer gefunden, zum Zweiten wurde von zwei Zeugen ein Streit mit einer jungen Dame bestätigt. Die Prinzessin selbst widersprach dem auch nicht, gab jedoch an, als sie ging, sei Haru zwar verletzt aber noch am Leben gewesen. Nach der medizinischen Untersuchung durch Neigi stand fest, dass es zwei Angriffe gegen Haru gegeben hatte, einen ersten, bei dem ihm ein Zahn ausgeschlagen wurde, einen zweiten, nachdem er sich diesen Zahn entfernt hatte. Daraus war nicht unbedingt auf die Unschuld der Prinzessin zu schließen, da der Zeitabstand nicht nachzuvollziehen war. Dennoch wandte ich objektiv meine Aufmerksamkeit auch anderem zu. Zunächst war zu bemerken, dass der Gang, in dem das Opfer ermordet wurde, nur von fünf Anwärtern und deren Lehrer Mamaru belegt war, jedoch über zehn Räume verfügte. Das bedeutete, dass es theoretisch auch einem Unbekannten hätte gelungen sein können dort einzutreten, sich in einem leeren Zimmer zu verbergen, dann, nach dem Streit mit der Prinzessin zu Haru zu gehen und ihn zu erschlagen. Keine Option jedoch. Für einen Fremden wäre es unabsehbar gewesen, wer von den anderen Vieren Straftraining bekam, wer baden ging oder wer bei seiner Familie war. Bei einem geplanten Attentat – und das hätte es sein müssen, wenn sich ein Außenseiter dort mit gewissem Zorn auf Haru verborgen hätte - wären das zu viele Risiken gewesen. Da wäre es einfacher gewesen Haru irgendwo anders im Schloss abzupassen. Aber nun gut. Es war eine nicht auszuschließende Möglichkeit. Andererseits wussten seine vier Kameraden am Besten, wie er war und auch wo er war. Kurz zusammengefasst: jeder der Vier hatten ein Motiv um auf Haru zornig genug für einen Mord zu sein, jeder hatte Gelegenheit, jeder konnte sich die Tatwaffe nehmen, da diese in Harus Zimmer stand. - Oh, falls es dich...Euch interessiert, Prinzessin: es handelte sich um seinen Schwertständer.“ Tokushima hätte fast aufgesehen. Er duzte sie nicht mehr. War das Folge des Fakts, dass er wusste, dass sie unschuldig war, oder nur der Tatsache geschuldet, dass es sich um eine Gerichtsverhandlung handelte? Gleich. Der Fürst hatte ihn aufgefordert zu sprechen und nicht sie. Also musste sie schweigen. Ein leises Klopfen ließ den Inu no Taishou sagen: „Ja? - Sakura, also? Lasst sie ein.“ Das Menschenmädchen nahm fast eingeschüchtert neben der Tür Platz, einen Zettel bei sich. Gab es doch Gericht gegen Tokushima? Eigentlich hatte sie gedacht, dass Lord Sesshoumaru...aber, was wusste sie schon von ihm. Der Herr der westlichen Länder blickte seitwärts: „Weiter.“ Sein Sohn fuhr prompt fort als ob er einen Text ablesen würde: „Motiv hatten folglich alle und die Tatwaffe waren damit jedem zugänglich. Wie sah es mit der Gelegenheit aus? Ein eindeutiges Alibi aufgrund von drei Zeugenaussagen hat allein Shigeru. Für Katsumi gibt ihm seine Ehefrau ein Alibi für den fraglichen Zeitpunkt, wobei das natürlich immer wahrlich in Frage steht. Aber es blieben ja noch zwei. Takeru und Kouhei. Beide geben an, dass sie in ihren Zimmern waren, bestätigen den Streit Harus mit Prinzessin Tokushima, die sie jedoch nicht erkannten. Es gab also mindestens zwei weitere potentielle Täter aus seinem direkten Umkreis, zusätzlich zu einem, doch eher unwahrscheinlichen, Unbekannten. - Was dagegen für die Unschuld der Prinzessin sprach: sie ist allerlei, aber nicht töricht. Es wäre mehr als unwahrscheinlich, dass sie nicht nach einem Totschlag im Affekt sofort begreifen würde, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Sie hätte unter Eurem Dach, verehrter Vater, getötet, ergo Euren Zorn erregt, noch dazu sicher mich als Ermittler am Hals. Es wäre Tokushima unähnlich das nicht zu bedenken. Und zusätzlich zu wissen, dass ihre beste Entschuldigung Notwehr wäre. Sie blutete, das zeigte der Fleck in Harus Zimmer. Jeder hätte ihr Selbstverteidigung abgenommen hätte er ihre Wunde gesehen. Meiner Meinung nach, verehrter Vater, hätte sie diese, ihre beste, Verteidigung nie im Stich gelassen, hätte sie gewusst, dass Haru tot war. Überdies gibt es da diese Zeitspanne zwischen dem ersten Schlag, der ihm einen Zahn kostete, und dem zweiten und dritten, die ihn umbrachten. Nach Kouheis Aussage hörte er sie gehen und nur kurz vorher war Ruhe gewesen. Ich beantrage daher, Prinzessin Tokushima zurück zu meiner verehrten Mutter reisen zu lassen.“ Die junge Dame starrte ihn fast an. DAS hatte sie nicht erwartet. Das war ja praktisch das Plädoyer gewesen sie freizulassen. Er hatte als ihr Verteidiger agiert, obwohl er doch die Anklage vertrat? Aber sie hielt den Kopf eilig geneigt, da ihr nächster Blick dem Herrn der Hunde gegolten hätte. Nur jetzt nicht im letzten Moment noch einen Fehler begehen. Der Inu no Taishou nickte ein wenig. Die Ausführungen Sesshoumarus waren bislang logisch – aber dass Sakura hier war, mit diesem Bericht, dass sein Sohn nun versuchte Tokushima loszuwerden.....das alles deutete darauf hin, dass dieser nicht nur die junge Hundedame entlastet hatte sondern auch den richtigen Mörder kannte. Und, dass es besser wäre, wenn kein Außenstehender von diesem erfahren würde. Doch einer der Jungen, die er selbst kannte? Nun, gleich. Es ging im Zweifel darum sein eigenes Gesicht zu wahren: „In der Tat, Sesshoumaru, du hast es ausführlich begründet. Geht, Tokushima, und meldet Euch bei meiner Gemahlin zu Eurer Pflicht. Nun, nicht, ehe Ihr Euch gebührend bedankt habt.“ Sie war für einen Moment verwundert, ehe sie sah, dass er die Rechte etwas hob. So rutschte sie vor und küsste gehorsam den Fürstenring an seinem Finger. Natürlich. Es war nicht nur sein Recht, es war gnädig, wenn er einem das erlaubte, gestattete ihm derart nahe zu kommen. Sie erstarrte allerdings zu Eis, als er fortfuhr: „Auch bei meinem Sohn. Er hat Euch einiges erspart, nicht wahr?“ Sakura hielt fast den Atem an. Das war für die Prinzessin sicher mehr als hart – allerdings auch für Seine Lordschaft, das war deutlich an der mehr als widerwillig ausgestreckten Hand zu erkennen. Und – er trug keinen Ring. Aua, das war ein mehr als deutlicher Hinweis des Herrn, dass sie ihre Streitigkeiten begraben sollten. Nicht, dass Sakura das auch nur für einen Moment angenommen hätte. Für Tokushima war die, von ihr bestimmt so gesehene, Erniedrigung dieses Handkusses sicher kaum zu ertragen, aber auch für Seine Lordschaft war das keine wahre Freude. Der Erbprinz geruhte jedoch nur zu sagen: „Es war mir eine Freude die holde Prinzessin aus ihren kleinen, beschämenden, Schwierigkeiten zu befreien.“ Neutrale Anrede. „Ich danke dem Sohn des mächtigen Inu no Taishou für seinen Beistand,“ erwiderte sie scheinbar höflich – aber auch sie sprach ihn nicht mehr mit Namen oder gar Titel an. Der Fehdehandschuh war beiderseits erneut geworfen, wenngleich unter den Augen des Herrn der westlichen Länder in Samt und Seide. Als die freigesprochene Angeklagte das Arbeitszimmer des Fürsten verlassen hatte, meinte dieser: „Jetzt zu dem....unangenehmen Teil?“ Seine Lordschaft atmete tief durch um erneut sachlich zu werden: „Ja, verehrter Vater. - Sakura.“ Kapitel 10: Der Auflösung zweiter Teil -------------------------------------- Sesshoumaru sah auf: „Sakura.“ Diese erhob sich eilig, wenngleich gebückt, um sich vor dem Herrn der Hunde und seinem Sohn wieder niederzuknien und den Zimmerplan höflich mit gesenktem Kopf darzubieten. Der Inu no Taishou nahm ihn: „Zehn Zimmer, sechs davon belegt. - Danke, Sakura.“ Das klang freundlicher als das „An Platz,“ das Seine Lordschaft zu verwenden pflegte. Sie verneigte sich jedoch nur wortlos und wich zurück auf ihren Ort neben der Tür. „Es sind die vorderen Zimmer belegt,“ bestätigte Sesshoumaru: „Links neben der Tür Kouhei, rechts Mamaru als Lehrer, neben diesem Haru und dann Takeru, Haru gegenüber wohnt Shigeru und dann Katsumi. Wie ich erwähnte, wäre es für einen Fremden sehr bedenklich sich in den hinteren Zimmern zu verbergen. So oder so ginge dieser ein Risiko ein von dem Einen oder Anderen gesehen oder auch gehört zu werden. Tokushima...Prinzessin Tokushima, sagte aus, dass die erste Tür links offen stand, als sie hereinging, jedoch geschlossen war, als sie den Flur wieder verließ. Das stimmt mit Kouheis Angabe überein, nach der er sich Wasser geholt hatte und eine vornehme junge Dame sah, dann jedoch die Tür schloss und nur noch den Streit über einen Vorfall aus der Kindheit mit anhörte, ehe er einschlief. In diesem Zusammenhang ist es auffallend, dass Kouhei, aber auch Takeru, der ebenfalls die Stimmen aus seinem Nebenzimmer vernahm, die Prinzessin nicht erkannten. Dennoch nannte Kaito, als er Euch Meldung über den Mord machte, ihre Stellung als Mitglied des Clans Ashinomaki. Dazu jedoch später. Die Prinzessin erklärte auf Nachfrage, dass sie, während sie bei Haru war, zumindest einen der Anwärter kommen hörte. Dabei kann es sich, da Shigeru ein Alibi hat, nur um Katsumi oder Takeru gehandelt haben. Katsumi gibt an, und seine Ehefrau bestätigt dies, bei ihr gewesen zu sein und nichts von einem Streit mitbekommen zu haben. Takeru dagegen meint, er sei bereits in seinem Raum gewesen und habe den Streit gehört, sei aber so müde gewesen, dass er sich die Ohren zugehalten habe und eingeschlafen sei. Umgekehrt bestätigt auch Kouhei, dass jemand in den Flur kam, er vermutete einer seiner Kameraden. Aber noch eine Person wohnt dort. Mamaru. Sein Alibi, er sei bei Kaito gewesen, habe dann mit Shigeru gesprochen und den weggeschickt, ist nichts wert. Shigeru war nur kurz im Frauentrakt, sprach kaum mit Schwester und Mutter, ehe er wütend sofort zu Kaitos Raum ging, wo er seinen Lehrer wusste. Als er mit diesem redete war er noch immer sehr aufgebracht – kann also kaum lange gewartet haben. Mamaru kann sehr wohl innerhalb einer Stunde zurück in seinen Raum gelangt sein. Es ist kaum davon auszugehen, dass der Lehrer den lautstarken Streit überhören konnte. Dennoch ging er nicht zu Haru um ihn für den unangebrachten Damenbesuch und gar die Lautstärke zu tadeln. Er gab ihm auch nie Sonderübungen auf. Eigenartig, nicht wahr? Haru war zwar der Beste, aber seine Eskapaden und Streitigkeiten mit den Anderen hätten durchaus eine gewisse...Disziplinierung erfordert. Wie Ihr, verehrter Vater, mir sagtet, hat ein fähiger Heerführer auch die Ordnung und das Verhalten seiner Männer zu beachten. Und, mit Verlaub, aus Haru wäre nie ein guter Hauptmann geworden, Ausbildung und Prüfungen hin oder her.“ Sesshoumaru wartete, aber der Inu no Taishou nickte nur. So fuhr er fort: „Warum also schützte Mamaru Haru? Warum redete er stets selbst mit ihm, siehe Katsumi und Kouhei, aber auch Shigeru? - Jedenfalls musste er mitbekommen, dass der Streit beendet war und Prinzessin Tokushima ging. Kouhei hatte dies ebenfalls gehört, sagte aber auch, er glaube dann noch jemanden im Gang wahrgenommen zu haben, war sich aber nicht sicher, da er am Einschlafen war. Ich denke, dass Mamaru zu Haru ging und ihn zur Rede stellen wollte, wie stets unter vier Augen. Er hatte sicher nicht vor ihn zu töten, aber diesmal ging Haru wohl auch seinem Ausbilder gegenüber zu weit. Mamaru wurde wütend und nahm den Schwertständer, nicht das Schwert, was auf keinen klaren Kopf mehr hinweist. Übrigens deutete schon die Tatsache, dass sich das Schwert wieder ordnungsgemäß im Ständer befand und dieser wieder aufgestellt wurde, auf einen Mann hin, der routinemäßig handelt, also den Umgang mit Waffen gewohnt ist. Auch dies war ein Grund, warum ich bereits zu Anfang Prinzessin Tokushima weniger als Täterin sah. Mamaru dagegen hatte ich schon länger im Verdacht, wollte jedoch die Schüler ausschließen.“ Der Inu no Taishou sah zu ihm: „Mamaru.....Er sagte, er fand den Toten nach den Übungsstunden.“ „Ihr versteht, verehrter Vater. Ja. Sehr nachlässig von einem Ausbilder erst nach den Unterrichtsstunden zu einem Schüler zu gehen, der neben ihm lebt und der unentschuldigt fehlt. Aber er brauchte vermutlich Zeit um nachzudenken und hoffte wohl auch, dass jemand anders den Toten finden würde. Als er dann dem Heerführer Meldung machte, sagte er ihm auch, dass dieser am Abend Besuch von einer Angehörigen des Clans Ashinomaki hatte – das konnte er nur von Haru selbst erfahren haben. Weder Kouhei noch Takeru wussten das. Ich möchte Euch daher bitten ihn rufen zu lassen. Er wird Euch sagen können, wessen Sohn Haru war, dass er so...besonders behandelt wurde. Ich vermute sein eigener.“ „Nicht aus einer Ehe, Haru gehörte zu den Ashinomakis,“ erwiderte der Fürst: „Sakura, sage draußen, dass Mamaru kommen soll. Du darfst gehen. Schweige jedoch.“ Sie verneigte sich. Natürlich würde sie den Mund halten. Aber sie war froh, das noch mitangehört zu haben. Neugierig war sie ja schon gewesen. Aber jetzt wäre es nur schön wieder zu ihrem Lehrer und Arzneimitteln zurückzukehren. Der Ausbilder kam unverzüglich und kniete vor dem Herrn der Hunde nieder, sah zu Boden. „Ich möchte dir eine Frage stellen,“ meinte der Inu no Taishou: „Was sagte Haru zu dir, dass du ihn erschlugst?“ Mamaru blickte nicht auf: „Ihr wisst es, Herr. - Lord Sesshoumaru, vermutlich.“ „Nun?“ „Ich bedauere, dass ich Euren Sohn getötet habe, und nehme die Strafe auf mich.“ Sesshoumaru konnte nicht anders als den Kopf herumzureißen und seinen Vater anzustarren. Das würde einiges am Verhalten des Ausbilders erklären, ja, aber.... Aber.... Nun, er würde diesbezüglich natürlich niemals an den Fähigkeiten seines verehrten Vater zweifeln, aber.... Allerdings stutzte auch der Herr der westlichen Länder: „Mein Sohn?“ Er hoffte, das hörte sich nicht so fassungslos an, wie er war. „Wie kamst du auf diese törichte Idee?“ Jetzt sah Mamaru verwirrt aus: „Ja, aber...Heerführer Kaito sagte zu mir, Haru sei mütterlicherseits aus dem Clan Ashinomaki, sein Vater lebe aber hier im Schloss, dürfe sich jedoch aus Gründen des Erbrechtes nicht offen zu ihm bekennen...“ „Vermutlich war er dann Kaitos Sohn, verehrter Vater,“ warf Sesshoumaru ein, zu erleichtert keinen derart missratenen Halbbruder besessen zu haben, um die höfische Regel einzuhalten. Soweit käme es noch. Nein, überhaupt keinen Halbbruder, bitte, Vater, das gäbe nur Scherereien. „Das vermute ich auch,“ erwiderte der Hundefürst langsam: „Und das erklärt auch, warum Kaito mich informierte und nicht dich, warum er Neigi und Sakura eigenmächtig zu Haru schickte, warum er so besorgt auf mich wartete. - Nun, Masaru, was sagte Haru zu dir? Er blutete und war wütend?“ „Ja, Herr.“ Der Ausbilder nahm sich zusammen. So oder so war er wegen des Totschlages schuldig, aber es war doch besser nicht einen Fürstensohn getötet zu haben. „Er war überaus aufgebracht und als ich ihn dann wegen Shigeru...also...“ „Wegen Shigerus Schwester,“ half der Taishou. „Ihr wisst...Ja, ansprach, wurde er nur noch zorniger und fuhr mich an, dass er schon noch dafür sorgen werde, dass ich und alle ihre Posten verlieren würden, dass er hier bald viel mehr zu sagen hätte als so ein alter....Nun, ich möchte die Bezeichnungen ungern wiederholen, Herr.“ „Er beleidigte dich.“ „Ja. Er gab dann auch deutlich zu verstehen, dass er ….Und dann wollte er auf mich losgehen. Auf mich, seinen Ausbilder und Lehrer! Er war vollkommen außer sich. Vermutlich hatte ihn der Streit zuvor mit der jungen Dame ungewöhnlich mitgenommen. Er sagte, sie sei aus seinem Clan und er wäre doch bald ein reicher und mächtiger Mann, dann würde er ihr....er beschimpfte sie auch....zeigen, wer der Herr im Haus sei....“ „Und du nahmst den Schwertständer und schlugst zu.“ „Ich wollte mich zuerst nur verteidigen, aber dann schlug ich zwei Mal zu. Das zweite Mal aus Zorn.“ Haru schien es verstanden zu haben Leute auf sich wütend zu machen, konstatierte Sesshoumaru. Fast erstaunlich, dass der ihm nie in die Quere gekommen war – Selbsterhaltungstrieb war dem jungen Krieger ja wohl nicht gerade nachzusagen gewesen. „Weiß es Kaito?“ „Nein, Herr. Ich...ich dachte ja es wäre Euer Sohn....ich erschrak, als ich begriff, was ich getan hatte.“ „Dennoch wäre es deine Pflicht gewesen zu mir zu kommen, spätestens, als du mitbekommen hast, dass Prinzessin Tokushima wegen Harus Tod in Schwierigkeiten ist.“ „Ja, Herr. Ich hoffte allerdings, dass Lord Sesshoumaru ihre Unschuld beweisen würde. - Bitte, erlaubt, dass ich Selbstmord begehe.“ „Nein.“ Der Fürst sagte es ruhig: „Ich werde mir eine Strafe überlegen. - Geh.“ Masaru gehorchte. Nur kurz darauf kniete der Heerführer vor dem Fürsten. Er nahm an, dass es um Harus Tod gehen würde. Dennoch zuckte er fast zusammen, als der Inu no Taishou ruhig fragte: „Wieso logst du Masaru an?“ Kaito blickte irritiert auf: „Herr....?“ „Masaru vermutete, dass es sich bei Haru um meinen Sohn handelte, nicht um deinen.“ „Äh...ja, aber...ich verstehe nicht...“ Der Heerführer nahm sich zusammen: „Edler Herr, Haru war doch nicht mein Sohn!“ Sondern der Eure, aber das sprach er nicht aus. Sesshoumaru holte fast zu tief Atem. Da er sah, dass sich sein Vater beherrschen musste, übernahm er ungefragt: „Wie kamst du auf diese törichte Idee?“ „Aber Haru...“ Kaito bemerkte aus langjähriger Kenntnis sehr wohl den verborgenen Zorn des Fürsten und brachte irgendwie hervor: „Aber Haru sagte es.“ Zu schade, dass der Bengel bereits tot ist, dachte der Inu no Taishou prompt. „Das kam dir nicht eigen vor? Dass er es sagt und nicht ich?“ „Nun, er sagte es nicht direkt, aber in seinen Unterlagen stand doch, dass sein Vater vor seiner Geburt verstorben sei....so nennt man es im Allgemeinen, wenn das Kind zwar im Clan akzeptiert wird aber die Eltern nicht verheiratet waren. Und Haru...Haru deutete an, dass sein Vater ein sehr einflussreicher Mann hier aus dem Schloss sei....er hatte weiße Haare....und war geschickt und stark. Natürlich nicht so stark wie Ihr, Lord Sesshoumaru....“ beteuerte er eilig. „Haru deutete ziemlich ausgeprägt seine Ähnlichkeit mit Euch an...“ Der Angesprochene war ergrimmt. Wie hatten das Masaru und Takeru gesagt? Haru könne gut mit Worten umgehen. Oh ja. Offenbar hatte es der kleine Mistkerl geschafft Heerführer und Ausbilder anzulügen. Natürlich waren seine Leistungen nicht schlecht gewesen, aber mit dieser Wesensart wäre er nie ein fähiger Heerführer geworden, niemals hätte Vater den dazu ernannt... Sesshoumaru bemerkte, dass er seine Hand entspannen sollte. Und ihm wurde bewusst, dass er selbst Haru vermutlich ernannt hätte, da er sich auf Masaru, Kaito und die Prüfungen verlassen hätte. Fürst zu sein war schwerer, als er je gedacht hatte. Er müsste wohl noch viel lernen. Er blickte jedoch nur zu seinem Vater, ohne zu ahnen, dass sowohl dieser als auch der Heerführer soeben dankbar für seine Selbstkontrolle und Zurückhaltung waren. Zufrieden, dass sein Sohn wirklich dazugelernt hatte wie man sich gegenüber Untergebenen verhielt – nicht umbringen bei einem Fehler war immerhin schon ein weiter Schritt in die richtige Richtung – sagte der Inu no Taishou: „Geh, Kaito. Und wenn du wieder Vermutungen hast, was mein Privatleben betrifft – frage mich, ehe du handelst. - Sesshoumaru, komm, wir gehen ein wenig in die Berge, ein wenig Schwertübungen....“ Das bedeutete mit voller Energie und der Hundeprinz wäre um ein Haar aufgesprungen um sich Rüstung und Schwert zu besorgen, ehe er bedachte, dass er zumindest warten musste, bis der Heerführer auf Knien und unter Danksagungen rückwärts den Raum verlassen hatte. Nachdem sein Sohn verschwunden war, erhob sich auch der Fürst, um sich in seinem Vorzimmer seine Rüstung zu besorgen, ehe er sein Übungsschwert holen ging. Sein eigenes war wohlweislich stets unter Bannkreisen versiegelt, aber er wusste, dass Sesshoumaru die Klinge ersehnte. So weit war der Junge jedoch wirklich noch nicht. Das Höllenschwert hatte nicht nur eine Tücke auf Lager. Hm. Sesshoumaru und Schwert. Der hatte zuvor beim Thema Halbbruder geradezu fassungslos reagiert – nun ja, für seine Verhältnisse. Aber in der Tat, falls je der unwahrscheinliche Fall eintreten würde, auch ein vollblütiger Bruder hätte es mit ihm kaum einfach. Jemand, der die Herrschaft so sehr ersehnte wie sein Sohn würde nie einen Konkurrenten dulden. Bruder hin, Halbbruder schon zweimal her. Hm. Er selbst sollte wirklich einmal mit Toutousai reden, ob es möglich wäre, zwei mächtige Schwerter zu schmieden, die dafür sorgen würden, dass sich Sesshoumaru und ein wie auch immer kaum möglicher, aber doch denkbarer, Bruder gegenseitig umbringen könnten... Vielleicht aus seinen eigenen Fangzähnen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)