Schizophrenia von mnmlfaultier ================================================================================ Kapitel 3: Trace ---------------- Als Kouyou aufwachte, war es schon längst hell draußen. Er war nach den Kämpfen der letzten Nacht auf dem Teppich seines Schlafzimmers eingeschlafen. Ächzend setzte der Braunhaarige sich auf, streckte sich kurz und rieb sich anschließend die Augen. Wie spät es jetzt wohl war? Bei seinem letzten Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch war es kurz vor halb sechs gewesen. Die braunen Augen suchten noch schlaftrunken nach eben dieser Uhr und nach mehrmaligem Blinzeln fanden sie sie auch. Es war fast 1 Uhr mittags. 'Kein Beinbruch', dachte Kouyou sich. Das nächste Aufeinandertreffen der Band würde erst in drei Wochen stattfinden. Aber aufstehen würde er trotzdem müssen, auch wenn er noch ziemlich geschafft war. Also schwang er sich auf die Beine und nach kurzem Hin- und Hertorkeln hatte er sogar einen festen Stand. Eine Dusche wäre jetzt genau das richtige, und mit diesem Gedanken ging er die Treppen hinunter und geradewegs ins Bad. Als Kouyou sich seiner wenigen Klamotten entledigt hatte, sah er sich im Spiegel an. „Au Backe!“, brachte er nur heraus. Aber er konnte sich ein schiefes Grinsen nicht verkneifen. Seine Wange war leicht geschwollen, die Haare standen ihm zottelig zu Berge und tiefe Ringe waren unter seinen Augen zu sehen. So gut sah er nun doch nicht aus, wie er es heute früh noch von sich behauptet hatte. Aber es war ein neuer Tag und ein neuer Abschnitt seines Lebens. Ein starkes Gefühl von Motivation breitete sich in ihm aus und füllte seine Brust. Er strahlte sich durch den Spiegel an. „Wir kriegen dich schon wieder hin. Alles, was uns passiert, lässt uns wachsen!“ Zwanzig Minuten später verließ er das Bad. Nur mit einem Handtuch um den Hüften machte er sich erneut auf den Weg ins Schlafzimmer. Mit nun wachem Blick sah er sich um und ihn traf fast der Schlag. Das Chaos hätte nicht perfekter sein können. Auf dem gesamten Boden lagen Fetzen ehemaliger Kleidungsstücke. Der minimale Teil der verschonten Klamotten lagen zerwühlt im Schrank und bildeten traurige Häuflein. Und aus eben diesen fischte er sich jetzt eine schwarze Jeans und ein T-Shirt der Ramones. Er rief sich die Motivation vor der Dusche wieder ins Gedächtnis und riss die Vorhänge zur Seite. Strahlender Sonnenschein durchflutete nun das Zimmer, was das Schlachtfeld nicht unbedingt ansehnlicher machte, aber zumindest sah er nun alles genau. Die Fenster wurden angekippt, um die 'frische' Stadtluft hinein zu lassen und dann konnte es auch schon los gehen. Die zerstörten Kleidungsstücke warf er zu einen großen Haufen vor seinem Bett zusammen, anschließend tütete er sie ein und warf sie in den Müllschlucker im Hausflur. Die verbliebenen Anziehsachen faltete er ordentlich, hing manche an Kleiderhaken und reorganisierte den gesamten Kleiderschrank. Zwei Stunden dauerte das Vorgehen und als er fertig war, schwitzte Kouyou leicht. Er hatte durchgepowert, sein 'Pace' war heute rasend schnell und keiner konnte ihn stoppen. Als sein Körper endlich zur Ruhe kam, hatte sich sein Magen lautstark gemeldet. Schließlich war das Frühstück heute ausgefallen. Also machte Kouyou sich kurzerhand eine Schale Reis mit gebratenem Gemüse und ein paar Hähnchenstreifen. Sein Sessel stand noch an der Fensterwand und wenig später ließ der Gitarrist auf diesem nieder, um zu essen und dabei ein wenig Sonne zu tanken. Nachdem er aufgegessen hatte, stellte er seine Schüssel auf den kleinen Beistelltissch neben ihm, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Wer war denn eigentlich dieser neue Kouyou? Was machte ihn aus, was mochte er und was nicht? Der alte Kouyou war 17 Jahre alt und somit ein klassischer Teenager mit Stimmungsschwankungen, der gerne rebellierte. Aber dieser Kouyou hier, in dem Apartment eines tokioter Hochhauses, war 15 Jahre älter und wahrscheinlich um einiges anders. Sein Blick schweifte durch das Wohnzimmer, auf der Suche nach etwas, womit er sich identifizierte, aber bis auf seine Band konnte er nichts finden. Aber da musste doch mehr sein. Angestrengt dachte Kouyou nach. Seine Stirn legte sich in Falten, als er nach einem Faden seiner selbst versuchte zu greifen. Er fing an, unruhig durch die Wohnung zu laufen. Er setzte sich sogar vor sein DVD-Regal. Aber auch hier konnte er kein Muster erkennen. Das konnte doch nicht wahr sein. Wie schwer kann es denn sein, sich zu kennen, und das mit 32? Resigniert griff er zu seinen Zigaretten und trat hinaus auf die Terrasse. Manchmal brauchte Kouyou den Rauch in seiner Lunge einfach, um klar zu denken. Es war ein Wechselspiel von Verstand und Lunge. Wenn der Verstand vernebelt war, war seine Lunge meist frei und sobald er den Rauch in seine Lungen inhalierte, klärte sich sein Geist. Fakt war, dass Kouyou sich selbst finden musste. Und wenn das bedeuten würde, dass er sich komplett neu erfinden musste, dann war es eben so. Er blickte von dem Treiben auf der Straße hinauf in den Himmel. Das war es, das war der erste Funke gewesen. Er sponn den Gedanken weiter. Was benötigt man, um etwas neu zu erfinden? Etwas neues sollte nach Möglichkeit nicht von anderen Dingen beeinflusst sein. Es muss frei von Allem entstehen. Und so, wie es Platon schon gelehrt hat, würde aus der Idee dann das Abbild entstehen. Die Zigarette war aufgeraucht, der Verstand war klar, der Plan stand fest. Entschlossen setzte er sich vor seinen Computer. Kouyou wusste genau, was er zu tun hatte. Eine kurze Recherche später griff er zu seinem Handy. Er wählte die Nummer eines kleinen Familienhotels in der Präfektur Chiba und buchte ein Zimmer für 7 Tage. Die freundliche Dame fragte, wann Kouyou denn anreisen wolle. Kurz überschlug er im Kopf die Zeit, die er brauchen würde. „In vier Stunden werde ich da sein können.“, antworte er. Die Frau schien leicht überrascht zu sein, dass er so spontan war, war aber einverstanden und beendete das Telefonat mit den Worten, dass sie sich bereits freue. Zwei Stufen auf einmal nehmend, sprintete er die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Er zerrte seine Reisetasche vom Schrank und fing an wahllos an, T-Shirts, Pullover, Hosen und Unterwäsche hineinzuwerfen. Im Bad packte er sich eine kleine Tüte mit Hygieneartikeln, er schaltete seinen Anrufbeantworter ein. Für Notfälle hatte er sowieso sein Handy dabei. Kurz darauf verließ Kouyou sein Apartment, verstaute seine Taschen im Kofferraum und fuhr los. In Ichihara würde er die Idee von sich wiederfinden. Noch war die Leinwand weiß, aber schon bald würde er malen können. Alles würde ihn jetzt wachsen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)