Blood and Shadow von Wolfheart ================================================================================ Kapitel 10: Geständnis ---------------------- Als ich mich in meinen Mustang setzte, hatte ich nur einen Gedanken: Warum hatte mich Sakura so angesehen? Sie hatte sich auf die Unterlippe gebissen, als ich auf sie zugegangen war, um sie zu begrüßen. Ich hätte sie küssen wollen genau so wie gestern Abend, als ich mich von ihr verabschiedet hatte. Sie hatte sich von mir abgewandt, als hätte sie sich bedrängt gefühlt. Sie war mir ausgewichen. Doch aus welchem Grund? Ich verstand ihre Reaktion auf mich einfach nicht. Es fühlte sich an, als hätte ich etwas falsch gemacht. Doch was es war, wusste ich nicht. Während ich losfuhr, sah ich immer wieder ihren Blick vor meinem inneren Auge. Die ganzen Vorwürfe die ich darin gesehen hatte. Enttäuschung. Verwirrung. Das alles schien mich verrückt zu machen. Ich wollte nicht, dass sie mich mit diesem Ausdruck in den Augen ansah. Ich drehte den Schlüssel und schaltete dadurch den Motor aus. Ich hatte gerade eben auf dem Schulgelände geparkt. Sayuri war es gewesen, die mich angerufen und darum gebeten hatte, sie abzuholen. Ihr ging es nicht gut und daher wollte sie nach Hause. Ich schloss den Wagen ab und machte mich auf den Weg ins Schulgebäude. „Papa.“ Sayuri streckte mir ihre kleinen Ärmchen entgegen. Sie hatte bereits im Flur auf mich gewartet. Ihre Lehrerin, Yumiko Hayato, saß neben ihr und beobachtete mich aufmerksam. Sie hatte schon länger ein Auge auf mich geworfen. Ohne sie groß zu beachten, ging ich vor Sayuri in die Hocke, um mit ihr auf gleicher Höhe zu sein. „Hallo, meine Süße.“ Ich strich ihr eine ihrer braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht und über den Kopf. Als meine Finger ihre Stirn berührten, konnte ich bereits fühlen, dass sie eine hohe Körpertemperatur hatte. Sie hatte bestimmt Fieber. Sie sah mich aus verweinten Augen an. Sie hasste es krank zu sein. Ich hob sie hoch und sogleich klammerte sie sich an meinem Oberteil fest. Es machte mir nichts aus, dass der teure Anzug unter ihren kleinen Fingern zerknitterte. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und schmiegte ihr Gesicht an meine Halsbeuge fast so, als wolle sie von niemandem gesehen werden. Ehe ich mich umdrehte, um zu gehen, bedankte ich mich noch kurz bei Yumiko. Sie hatte sich schließlich um Sayuri gekümmert, bis ich gekommen war, um sie abzuholen. Da war es ja nicht falsch, ihr dafür zu danken. Ich legte mein Handy wieder beiseite. Mikoto hatte nicht abgehoben, daher hatte es auch keinen Sinn, zu ihr nach Hause zu fahren. Wenn sie das Telefon nicht abhob, hieß das, dass sie unterwegs war. Vermutlich unternahm sie etwas mit Vater, da er ja jetzt wieder in Tokio war. Ich konnte Sayuri also nicht zu ihr bringen, um wieder arbeiten zu gehen. Andererseits war es mir auch nicht möglich sie jetzt nach Hause zu bringen. Ich wollte sie in diesem Zustand schließlich nicht alleine lassen. „Ist Oma nicht da?“, hörte ich die erschöpfte Stimme meiner Tochter vom Rücksitz. Sie hatte sich auf den Sitzen zusammengerollt, da ihr übel war. „Nein, leider nicht. Wir fahren kurz zum Hauptquartier, damit ich ein paar Unterlagen holen kann und dann bring ich dich nach Hause“, erklärte ich ihr. „Du bleibst aber bei mir?“, fragte sie in diesem Ton, den nur kleine Kinder hinbekamen, wenn sie nicht enttäuscht werden wollten. „Ich lass dich doch nicht allein zu Hause“, entgegnete ich darauf und bestätigte somit auch ihre Frage. Ein weiteres Mal parkte ich meinen Wagen. Wieder beim Hauptquartier. Ich stieg aus und wollte gerade die Tür zu machen, als Sayuri sich wieder meldete. „Ich will mitkommen“, nuschelte sie vor sich hin und krabbelte aus dem Auto. Sie streckte mir ein weiteres Mal ihre Arme entgegen und ich hob sie hoch. Eigentlich hätte sie ja auch warten können, doch alleine lassen wollte ich sie auch wieder nicht. Also machten wir uns auf den Weg hinein. Ich steuerte sogleich Kakashis Büro an, da ich ihm sagen musste, dass ich meinen Arbeitsplatz in meine Wohnung verschieben würde. Es war mir auch egal, was er davon halten würde. Sayuri war krank und da mein Mutter keine Zeit hatte, musste ich mich um sie kümmern. „Hallo Sasuke“, begrüsste mich Suki, als ich an ihrem Tisch vor Kakashis Büro vorbei ging. Ich nickte ihr kurz zu. „Ist Kakashi da?“ „Ja er ist im Büro. Oh… Hallo Sayuri.“ Suki lächelte erfreut als sie meine Tochter bemerkte. Diese hob nur erschöpf ihre Hand und winkte ihr zu. Sie hatte wieder ihren Kopf auf meiner Schulter platziert. Ich öffnete ohne große Ankündigung Kakashis Tür und trat ein. „Ich werde zu Hause weiter arbeiten. Nur damit du bescheid weißt.“ Ich redete nicht um den heißen Brei herum und kam gleich auf den Punkt. Kakashi hob seinen Blick von einigen Akten. „Sayuri ist krank und ich finde niemanden, der sich um sie kümmern kann“, stellte ich fest, damit er verstand, was der Grund war. Er nickte mir zu. „Gut. Ich wünsch dir gute Besserung Kleine“, wandte er sich an Sayuri. Ich hätte nicht gedacht, dass er so schnell zustimmen würde. Normalerweise mochte er es nicht, wenn man nicht am Arbeitsplatz war. Doch anscheinend hatte er gesehen, wie schlecht es meiner Tochter ging. Ich drehte mich um und ging wieder hinaus. Auf dem Weg in mein Büro begegnete mir Hinata. „Oh, hallo Sasuke.“ Ihr Blick glitt zu dem kleinen Mädchen auf meinem Arm. „Ist alles in Ordnung?“ „Sie ist krank, darum hab ich sie von der Schule abgeholt. Ich geh gleich mit ihr nach Hause“, erklärte ich ihr. Hinata kam näher und strich Sayuri sanft über die Haare. „Hallo kleine Maus“, begrüßte sie ihr Patenkind. „Hallo Tante Hinata.“ Sayuris Stimme war kaum zu vernehmen, da sie kurz davor war einzuschlafen. Hinata lächelte ihr sanft zu. „Ich wünsch dir gute Besserung und dass du schnell wieder gesund wirst, ja?“ Ich konnte Hinatas Fürsorge genau hören. Sie kümmerte sich immer um die Kleine, als wäre es ihre eigene Tochter. „Das mach ich“, antwortete Sayuri leise aber mit voller Überzeugung. Ich öffnete die Tür und trat ein. Eigentlich wollte ich so schnell wie möglich meine Sachen zusammen packen und wieder gehen, doch ich hielt inne. Sakura hatte ihren Blick von den Akten gehoben und sah mich an. Und genau das gefiel mir überhaupt nicht. Dieser Ausdruck in ihren Augen war noch schlimmer zu ertragen als der vor wenigen Minuten, als ich gegangen war. Ihre Brauen zogen sich nachdenklich zusammen. Ihre Augen strahlten pure Verwirrung aus. Ihr Blick glitt von mir zu Sayuri und wieder zurück. Immer wieder. Ich konnte die Enttäuschung ganz deutlich sehen. „Sakura“, versuchte ich anzusetzen, doch sie drehte den Kopf zur Seite und senkte ihren Blick. „Lass es einfach, Sasuke“, unterbrach sie mich. Ihre Stimme brach beinahe, obwohl sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Ich musste ihr das alles erklären, denn ich hatte das ungute Gefühl, dass sie da etwas völlig falsch verstanden hatte. „Es ist nicht so, wie du denkst.“ „Ach nein?“ Sie sah mich nicht an, hielt den Blick gesenkt. Ihre Stimme klang wütend, vorwurfsvoll und enttäuscht zugleich. „Ja, sie ist meine Tochter, das geb ich zu. Aber sonst gibt es da niemanden.“ Ich wusste genau, dass sie dachte, ich hätte ihr etwas vorgespielt, als ich ihr gesagt hatte, dass ich Single war. „Nur mich und Sayuri.“ Sakura sah mich nun wieder an. Doch ich sah genau, dass sie mir nicht so richtig glauben wollte. Ich senkte nun meinerseits den Blick, allerdings um zu sehen ob Sayuri eingeschlafen war. Ihre Hand hielt sich noch immer an meiner Jacke fest doch längst nicht mehr so stark wie anfangs. Auch ihr Atem ging langsam und ruhig. Das Gesicht lag erneut in meiner Halsbeuge verborgen. Sie schlief also tatsächlich. Ich sah wieder zu Sakura. Ihr Blick ruhte nun wieder auf Sayuri. „Sie hat seit vier Jahren nur noch mich.“ Sakura sah erneut zu mir. Noch immer lag Verwirrung in ihren Augen. Sie verstand nicht und das war ja auch selbstverständlich. Ich hatte ihr noch nicht davon erzählt. Hatte um ehrlich zu sein auch noch nicht damit gerechnet, dass es so schnell dazu kommen würde. Sie senkte wieder den Blick. Sie dachte nach. Ich hielt das kaum aus. „Es… Es tut mir Leid, … dass ich… so überreagiert habe“, sprach sie leise. Ich konnte sie beinahe nicht verstehen. Ich trat auf Sakura zu. Hob meine Hand und strich ihr eine Strähne ihrer Haare hinters Ohr. Sie hob ihren Blick und sah mir direkt in die Augen. Ich schenkte ihr ein Lächeln. „Bin ja selbst schuld. Ich hätte dir von Anfang an einfach die Wahrheit sagen sollen.“ Ich sah etwas verunsichert zu Boden. „Nur wusste ich nicht, wie ich es dir erklären sollte“, gestand ich ihr und zog dabei eine Augenbraue nach oben. Das tat ich immer, wenn ich verunsichert war. Nun war es Sakura, die mich dazu brachte ihr in die Augen zu sehen. Sie hatte mir eine Hand auf die Wange gelegt. „Schon in Ordnung“ Mehr sagte sie nicht. Stattdessen drückte sie mir einen sanften Kuss auf die Wange, auf der bis gerade eben noch ihre Hand geruht hatte. Dabei streiften ihre Lippen meinen Mundwinkel. Ob das Absicht gewesen war? Sakura legte ihren Kopf leicht schief, während sie mich anlächelte. Ihr Lächeln war noch nicht ganz so herzlich wie sonst, denn sie wirkte noch immer leicht unsicher. Dennoch hatte ich dieses Gefühl, dass ich alles richtig gemacht hatte und sie mir nun wieder vertrauen würde. Ihr Blick ruhte nun wieder auf Sayuri. Sie betrachtete sie. „Sie kommt nach ihrer Mutter, stimmt‘s?“ Es war eher eine Feststellung als eine Frage. „Ja, das Aussehen hat sie definitiv von Ayumi. Nur die Augen nicht.“ Ich musste plötzlich hart schlucken. Auch nach vier Jahren viel es mir immer noch schwer, über Ayumi zu sprechen. Ich wusste einfach nicht weshalb. Ich hatte mit dem Ganzen doch eigentlich schon längst abgeschlossen und mir vorgenommen, dass so etwas nicht mehr geschehen würde. „Du vermisst sie noch immer“, bemerkte Sakura mit leiser Stimme. Sie klang keineswegs vorwurfsvoll sondern mitfühlend, als wüsste sie genau, wie ich mich fühlte. „Ich versuch darüber hinweg zu kommen, aber das ist nicht so einfach, wie immer viele behaupten. Auch nach vier Jahren nicht. Sie war ein Teil von mir.“ Ich hielt kurz inne und fragte mich, ob ich den Satz zu Ende bringen sollte oder ob es Sakura kränken würde. Doch ich entschloss mich ihr die Wahrheit zu sagen. „Sie ist noch immer ein Teil von mir und wird es auch immer bleiben.“ Es blieb lange Zeit still und niemand wusste so genau, was man sagen sollte. Ob es unpassend gewesen wäre oder nicht. Es kam mir vor als würden elend lange Minuten vergehen, bis Sakura dann doch noch wagte, etwas zu sagen. „Darf ich fragen, was passiert ist?“ Sie sah mir in die Augen. Erwartungsvoll und dennoch konnte ich sehen, dass sie mich zu nichts drängen wollte. Ich sah lange in ihre grünen Augen. Diese faszinierenden Augen, welche so eindeutig ihre Gefühle spiegeln konnten. Mein Blick glitt wieder zu Sayuri. Ich wollte nicht riskieren, dass sie erwachte, während ich Sakura alles erklärte, daher beschloss ich diese Erzählung auf später zu verschieben. „Ich werd es dir nachher erzählen, wenn ich Sayuri nach Hause gebracht hab, okay? Natürlich nur, wenn du mitkommen willst. Ich kann sie ja schlecht alleine lassen.“ Sakura schenkte mir ein Lächeln. Dieses mal voller Gefühle. „Ich wusste gar nicht dass du so fürsorglich sein kannst.“ Anstatt ihr zu antworten beugte ich mich nach vorne. „Du weißt noch so einiges nicht, aber das lässt sich ja noch ändern.“ Ich drückte meine Lippen auf ihre. Ich schloss die Haustür auf und betrat die Wohnung. Sakura folgte mir, als ich ihr die Tür aufhielt. „Ich bring Sayuri kurz ins Bett“, berichtete ich meiner neuen Mitarbeiterin, nachdem ich sie ins Wohnzimmer geführt hatte. „Mach es dir ruhig bequem und fühl dich wie zu Hause.“ Wir lächelten uns wieder gegenseitig zu. Ein zufriedenes Gefühl breitete sich in mir aus, obschon ich wusste, dass sich dies nachher wieder ändern würde. Sakura sollte erfahren, was geschehen war, egal wie sehr mich das noch immer mitnahm. Ich ging in Sayuris Zimmer. Als ich sie gerade in ihr Bett legen wollte, erwachte sie. Sie hatte nicht einmal mitbekommen, als ich sie ins Auto gelegt hatte, obschon das bei einem zweitürigen Wagen doch eine ziemliche Herausforderung war. „Papa“, nuschelte sie an mich gedrückt. „Schlaf ein bisschen, damit du schnell wieder gesund wirst.“ Ein weiteres Mal strich ich ihr über den Kopf und versuchte sie so zu beruhigen. Sie bekam immer wieder Angst, wenn es ihr nicht gut ging. Ich legte sie ins Bett und deckte sie zu. Anschließend duckte ich mich nach ihrem Teddy, der auf den Boden gefallen war. „Und er wird auf dich aufpassen, während dein Papa im Wohnzimmer arbeitet, okay?“ Sie drückte ihren Bären an sich, den ich ihr hingehalten hatte. „Wenn du etwas brauchst, dann ruf nach mir. Ich bin da, falls du etwas hast. Und wenn du jetzt brav schläfst, mach ich dir nachher den Apfel-Bananen-Brei, den du so gerne magst.“ Es war eigentlich nichts Anderes als zerdrückte Bananen und klein geschnittene Apfelstückchen, doch Sayuri liebte es. Meine Mutter hatte das früher immer für mich gemacht, wenn ich krank gewesen war und ich machte es nun immer, wenn Sayuri krank war. Sie lächelte mich an und rollte sich zusammen. Ich gab ihr einen sanften Kuss auf den Haaransatz und erhob mich, um zu Sakura zu gehen. Gerade als ich die Tür schließen wollte, hörte ich Sayuri noch etwas murmeln. „Du bist der beste Papa, den es gibt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)