Majestulös von Phase (Beiträge zu den Quartalswettbewerben) ================================================================================ Kapitel 1: Lass es krachen, Enrico! ----------------------------------- Lass es krachen, Enrico! Mit nachdenklicher Miene saßen sich Johnny und Robert gegenüber, zwischen ihnen das Schachbrett, auf dem sie sich gerade ein strategisches Gefecht der besonderen Art lieferten. Das laute Wummern des Basses der Musik ein paar Räumlichkeiten entfernt, schien sie dabei weniger zu stören. Robert schob seinen Läufer nach vorne und wirkte verschlossener denn je. Als Johnny nach seinem Turm griff, erklang ein lautes Scheppern und Klirren, gefolgt von einer Mischung aus kreischendem Lachen und panischem Rufen. Roberts Augenbrauen schoben sich nach oben und für einen kurzen Moment schien er unschlüssig zu sein, ob er aufstehen und nachsehen sollte oder nicht. „Da musst du jetzt durch“, meinte Johnny, während er seinen Zug beendete, und sah seinen Freund an, „Sie werden schon noch etwas von deinem Schloss übrig lassen. Und selbst wenn – Enrico muss ja für alles aufkommen, was heute schief läuft. Sieh es einfach als heilsame Lernmöglichkeit für ihn an.“ Eine Weile lang setzten sie ihr Spiel fort, schweigend folgte Zug auf Zug und die Chancen für Johnny zu gewinnen, stiegen von Mal zu Mal. Genervt seufzte der Schotte auf und bedachte sein Gegenüber mit einem vorwurfsvollen Blick. „Bei Gott, Robert! Nicht dass ich etwas dagegen hätte, aber du bist ja wirklich überhaupt nicht beim Spiel.“ „Mich beschäftigt es einfach.“ „Du packst doch sowieso vor jeder Feier deine wertvollsten Sachen weg – und von den Rüstungen hast du noch massig auf dem Speicher. Die Fenster sind Repliken, die Wandteppiche genauso. Enrico kommt für sämtlichen Schaden auf – du musst dir also keine Gedanken machen.“ Robert sah ihn skeptisch an und Johnny wirkte irritiert. „Worum geht es dir dann?“ „Hältst du mich auch für einen Langweiler?“ „Gottverdammt, Enrico, was wollen die ganzen Leute hier?!“, Roberts Augen fixierten den Italiener, der verlegen mit den Schultern zuckte. Der forsche Tonfall des Deutschen war ungewöhnlich für ihn, verbarg er seinen Unmut doch sonst hinter einer kalten Fassade und der Etikette. Johnny entschied sich daher schnell dazu, sich aus diesem Konflikt besser herauszuhalten – in einem gewissen Sicherheitsabstand konnte er es sich trotzdem nicht nehmen lassen, dem Ganzen zu folgen. Immerhin wurde hier gerade Enrico zur Schnecke gemacht. „ Du hast uns doch zu deiner Silvesterparty eingeladen!“ „Nein, Enrico. Ich habe ein paar befreundete Beyblader eingeladen. Diese Masse an Leuten, die ich nicht mal kenne, habe ich mit Sicherheit nicht eingeladen.“ „Na ja, es kann sein, dass ich noch ein paar Freunde gefragt habe, ob sie nicht auch mitkommen wollen“, Enrico zuckte mit den Schultern und schien sich der Gefahr, in der er sich aktuell befand, nicht bewusst zu sein, „Also meine Freunde auf Facebook.“ „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, donnerte Roberts Stimme durch den Raum, im nächsten Augenblick jedoch schloss er die Augen, atmete tief durch und löste die Fäuste, zu denen er seine Hände geballt hatte. „In Ordnung. Das ändert die Sache auch nicht mehr...“, nachdenklich fuhr er sich durch die Haare, griff dann nach seinem Handy, „Ich werde die Polizei anrufen und die Party räumen lassen.“ „Das kannst du doch nicht machen!“, empörte sich Enrico, „Die Leute erwarten eine geniale Party! Wenn du jetzt die Polizei rufst, ist die ganze Stimmung im Eimer!“ „Das ist mir egal, Enrico. Außerdem hast du das vor deinen Freunden zu verantworten – nicht ich. Ich wollte zum Jahresabschluss eine Feier unter Freunden – nicht eine wilde Saufparty mit schlechter und viel zu lauter Musik, bei der am Ende noch meine Kunstschätze gestohlen werden oder zu Bruch gehen.“ „Weißt du, Robert, was dein Problem ist? Du bist ein Spießer, ein elender Langweiler und Spielverderber.“ Das saß. Robert starrte Enrico an und schien für einige Augenblicke nicht zu wissen, was er dazu sagen sollte. Der Italiener stand mit verschränkten Armen vor ihm und blickte eingeschnappt zur Seite. Langsam ließ Robert sein Handy sinken und packte es wieder in die Hosentasche. Mit ernstem und strengem Blick musterte er sein Gegenüber. „In Ordnung, Enrico. Du sollst deine Feier haben. Allerdings nur unter gewissen Konditionen“, er zögerte, denn was er vorhatte klang in seinem Geist nach allem, aber nicht nach einer guten Idee. Zielgerichtet trat er zum Schreibtisch, kramte etwas hervor und hielt dann dem überraschten Enrico Zettel und Papier hin. „Wenn du willst, dass deine Leute bleiben dürfen, dann wirst du die Verantwortung für die Feier übernehmen, dich um das Aufräumen kümmern und für sämtlichen Schaden aufkommen, klar? Wenn du damit einverstanden bist, dann schreibe und unterschreibe Folgendes: Hiermit versichere ich, Enrico Giancarlo, dass ...“ „Angekratztes Ego lässt grüßen?“, Johnny schob beiläufig seinen Läufer nach vorne und zuckte dann mit den Schultern, „Weißt du, Robert, ich sitze nur deshalb hier mit dir, weil ich es nötig habe, meinem Teamcaptain in den Arsch zu kriechen.“ Mit vorwurfsvoller Miene sah Robert Johnny an, der nicht sonderlich angetan davon schien, dass einer seiner Türme nun nicht mehr unter seinen Figuren weilte. „Das ist alles andere als eine vernünftige Antwort.“ „Tja, für dämliche Fragen nur das Beste“, langsam lehnte sich der Schotte in seinem Sessel zurück und blickte Robert ernst an. „Brauchst du wirklich eine Antwort auf deine Frage? Das klingt ja so gar nicht nach dir. Was soll ich sagen? Die Geschmäcker sind verschieden - und auch die Interessen der Menschen. Wenn jemand sagt, dass etwas langweilig ist, ist das ja keine objektive Beurteilung, sondern eine höchst subjektive Einschätzung. Ich würde also nicht zu viel darauf geben – immerhin sind wir beide uns auch darüber einig, dass Enricos Dates und Partys nichts weiter als eine sinnfreie Zeitverschwendung sind. Es liegt eben im Auge des Betrachters.“ Mit verschränkten Armen saß er einen kurzen Moment schweigend da, eher er fortfuhr: „Ich empfinde dich nicht als langweilig. Manchmal ist es vielleicht ein bissen ermüdend, wenn du vom Hundertsten ins Tausendste gehst... aber generell würde ich ja meine Freizeit nicht mit dir verbringen, wenn es mir keinen Spaß machen würde.“ „Das klang erstaunlich vernünftig“, murmelte Robert mit fast ein wenig anerkennendem Tonfall, während er den nächsten Zug machte. „Gewöhn‘ dich nicht dran“, Johnnys Augen flitzten über das Schachbrett und im nächsten Moment hatte er ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen. Nur noch ein paar Züge und er würde es schaffen, die Partie für sich zu entscheiden, dessen war er sich mittlerweile sehr sicher. Seine Hand fuhr zu seinem Läufer, er schob ihn ein paar Felder und verkündete dann voller Stolz: „Schach.“ Dass Robert das Ganze mit einem milden Lächeln hinnahm, verunsicherte ihn wiederum sehr. Erst als der Deutsche nach seinem Turm griff, wurde ihm klar, wo sein Fehler lag. Dieser gottverdammte Turm, warum hatte er ihn übersehen?! Sein Läufer war aus dem Spiel und zu allem Überfluss hatte er die Falle, in die Robert ihn die ganze Zeit über gelockt hatte nicht bemerkt. „Schachmatt.“ Johnnys Mund klappte förmlich auf und er starrte mit wildem Blick auf das Spiel, um sicher zu gehen, dass sein König tatsächlich nicht mehr zu retten war. „Das ist unfair!“, empörte er sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das, mein lieber Jonathan, ist Schach.“ Genervt schnaubte Johnny auf und schnippste dann seinen König quer durch den Raum. Robert seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Noch eine Runde“, murrte Johnny und begann damit seine Figuren wieder aufzubauen, Robert sah ihm mit argwöhnischem Blick dabei zu. „Deinen König holst du selbst wieder.“ „Den brauch ich nicht – ich spiele diesmal ohne König, dann kannst du mich nicht Schachmatt setzen“, stellte Johnny sachlich klar und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Gegenüber verdrehte genervt die Augen. „Du kannst kein Schach ohne König spielen!“ „Oh doch – schau mir nur dabei zu, wie ich das kann.“ „Ich weiß wirklich nicht, wie ich vorhin auch nur für einen Augenblick denken konnte, dass du dich seit neuestem sehr reif verhältst.“ „Tja, ich auch nicht“, nachdem Robert keinerlei Anstalten machte, seine Figuren in ihre Ausgangspositionen zurück zu bringen, begann Johnny damit sie aufzubauen und zu ordnen, „Du fängst an.“ Es ist unnötig zu erwähnen, dass Johnny auch in dieser Runde wieder den Kürzeren zog. Er hatte jedoch keinerlei Gelegenheit, sich über diese Tatsache zu beschweren, denn die Partygäste grölten laut den Countdown von zehn bis null, die Turmuhr der kleinen Schlosskappelle schlug zwölf Uhr und das neue Jahr brach mit einem prachtvollen Feuerwerk an. Robert und Johnny wurden davon zugegebenermaßen ziemlich überrascht, hatten sie die Uhrzeit nicht im Auge behalten. „Na dann wünsche ich dir mal ein gesundes, neues Jahr, Robert.“ „Gesundes, neues Jahr, Jonathan. Ich würde dir ja ein Glas Sekt oder Champagner anbieten, aber ich befürchte unsere Gäste haben sich bereits an meinen Vorräten vergangen.“ Johnny schnaubte, blickte dann zur Balkontür. „Kann man von da aus das Feuerwerk sehen?“ „Ziemlich gut sogar. Aber lenke nicht davon ab, dass ich das Schachspiel gewonnen habe.“ „Whatever. Bilde dir da bloß nichts drauf ein.“ Gemeinsam gingen sie nach draußen und beobachteten das Feuerwerk der umliegenden Dörfer. Die Nacht war klar, wenn auch recht frisch, und man konnte sehr weit sehen und den bunten Lichtern zusehen. Unten machten weiterhin die Gäste der Party einen Heidenlärm, dem Robert und Johnny jedoch erst wieder ihre Aufmerksamkeit zuwendeten, als er sich in panisches Geschrei wandelte. Verblüfft blickten sie hinab, als die Menschenmenge sich hastig den Weg in den Garten freikämpfte, wobei es zu einem großen Gedränge kam, da die meisten direkt vor der Tür stehen blieben und so die übrigen nicht an ihnen vorbei ins Freie kamen. Über die Köpfe der Gäste hinweg flogen ein paar Silvesterkracher und ein feiner, dichter werdender Rauchfaden zog sich aus dem Festsaal nach draußen. Mit offenem Mund starrten Johnny und Robert auf das Spektakel, das sich unter ihnen abspielte. Robert konnte ein entgeistertes Kopfschütteln nicht unterdrücken und seufzte gequält, als er nach seinem Handy griff, um die Feuerwehr zu rufen. „Ich hoffe die Stimmung ist jetzt nicht dadurch im Eimer, dass ich die Feuerwehr gerufen habe“, kommentierte Robert trocken, als er den etwas schockiert dreinblickenden Enrico erreicht hatte. Der sah etwas verlegen drein und zuckte mit den Schultern. „Na ja, kommt vor. Die Mädels wollten in ihren Minikleidern nicht raus in die Kälte, um sich das Feuerwerk anzusehen. Deshalb dachten wi-... ein paar Leute, dass es gar keine schlechte Idee wäre, das Feuerwerk drinnen zu machen...“ Er runzelte die Stirn, fast so, als wäre ihm plötzlich klar, was für eine dämliche Idee das gewesen war. „Mir ist es gleich, ich gehe jetzt ins Bett“, meinte Robert und grinste etwas schief, „Da du dich dazu bereit erklärt hast für sämtlichen Schaden aufzukommen und dafür zu sorgen, dass das Grundstück begehbar ist, wenn morgen Vormittag die ganzen Kinder zum Prosten kommen, ist das alles hier sowieso nun dein Problem und nicht meines.“ „Was?! Das war aber-...“ „...genau das, was du mir vor wenigen Stunden schriftlich und unterschrieben zugesagt hast. Sorry, aus der Nummer kommst du so leicht nicht mehr raus. Du kannst ja ein paar von deinen Freunden, also ich meine die, die nicht im Krankenhaus gelandet sind, fragen, ob sie dir helfen wollen. Ansonsten lasse ich dir für den restlichen Schaden in den nächsten Tagen die Rechnung zukommen – ich möchte da zunächst einen Gutachter engagieren.“ Als er sich mit einem „Gute Nacht!“ abwendete, starrte ihm Enrico entsetzt hinterher. Johnny währenddessen senkte seine Handykamera und freute sich schon sehr darauf, das ganze Debakel online zu stellen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)