Sommer unter dem Sternenhimmel von Alaiya (Wenn Welten aufeinander treffen) ================================================================================ Kapitel 4: 末 ------------ Unwillkürlich schrie Hoshie auf und bevor sie verstand, was wirklich geschah, befand sie sich im freien Fall und hatte auch ihr Katana aus den Händen verloren. Sie fiel durch die Wolken und war für den Moment zu überrascht, um sich darauf zu konzentrieren, sich mit der Magie aufzufangen. „Hoshie!“, hörte sie Natsukis Stimme und sah sie senkrecht durch die Wolken hinter ihr her rennen. Doch Natsuki war nicht die einzige, die ihr folgte. Hinter der Shiisa erschien das monströse Gesicht Long Wanghs in den Wolken und schnellte auf sie zu. Langsam wurde sich Hoshie dessen bewusst, dass es der Drache gewesen sein musste, der sie zuvor angegriffen hatte. Doch sie verstand nicht. Natsuki hatte ihr gesagt, seit die Wesen beschlossen hatten, den Kampf durch Menschen austragen zu lassen, wäre es ihnen selbst verboten einzugreifen, um diese Welt nicht mehr als nötig direkt zu beeinflussen. Wieso hielt sich der Drache nicht daran? Im Maul des Drachen konnte sie blaue Flammen sehen und dachte, dass es irgendwie etwas unfair erschien, dass ein so massives Wesen, das Wetter, Meer und Feuer beherrschte, gegen die Shiisa kämpfte. Und dann wurde sie sich dessen bewusst, dass diese ganze Idee den Kampf von Menschen austragen zu lassen, von den Shiisa kommen musste - da es in ihrem Interesse war, den Kampf so auszutragen. Nicht nur, dass es so für sie weniger gefährlicher war, sie waren es auch, die die Menschen schützen wollten und damit ein weiteres Interesse daran hatten, so wenig schaden wie möglich in dieser Welt anzurichten. Doch wieso kämpfte Long Wangh überhaupt? Nun spieh der Drache Flammen und für einen Moment glaubte Hoshie, dass sie verbrennen würde, ehe sie Natsukis Rücken unter sich spürte und die Shiisa sie vor den Flammen rettete. Sie hatte sie gefangen und galoppierte nun mit ihr auf dem Rücken durch den Himmel. „Was machst du denn, Hoshie?“, fragte sie aufgebracht und ihre Stimme sagte deutlich, dass sie sich gesorgt hatte. „Ich...“, begann Hoshie, während sie sich wieder aufrappelte. „Der Auserwählte von Long Wangh... Er ist kaum mehr als ein Kind.“ „Aber das heißt nicht, dass du dich einfach mit ihm anfreunden kannst“, meinte Natsuki. „Aber...“ Hoshie schloss für einen Moment die Augen, um wieder zur Besinnung zu kommen. „Es war Long Wanghm, der mich angegriffen hat. Es hatte nichts mit den Jungen zu tun.“ Natsuki knurrte. „Ja.“ „Er hält sich nicht an die Regeln“, meinte Hoshie nun. „Nein, tut er nicht“, erwiderte Natsuki, während sie weiterlief und der Kopf des sich durch die Luft schlängelnden Drachen ihnen hinterherschnellte. Die Shiisa sah sich zu ihm um. „Dann müssen wir es auch nicht“, meinte sie dann und ihr Fell leuchtete auf. „Halt dich fest.“ „Was hast du vor?“, fragte Hoshie, doch eigentlich wusste sie es schon. Sie dachte dasselbe wie Natsuki über diese Aufgabe. Es war sinnlos. Wer kam überhaupt auf die Idee alle zehn Jahre zwei Menschen für das Überleben von Tausenden kämpfen zu lassen? Nein, es waren mehr. Es waren Millionen von Leben, die verloren gehen würde, würden die Inseln im Meer versinken, denn waren auf den Inseln nicht auch viele, viele Tiere zuhause, die ebenso sterben würden? Ja, Millionen von Tieren und tausende Menschen. Zwar konnte sie verstehen, wieso die Shiisa irgendwann einmal den Handel vorgeschlagen hatten, doch es war widersinnig sich ewig an diese Regeln, an die Traditionen so halten, wenn so viel davon abhing. Doch da kam ihr ein anderer Gedanke. „Wir können ihn nicht töten, oder?“, fragte sie. „Nein“, erwiderte Natsuki. „Aber wir... Du kannst ihn versiegeln, so dass er nicht mehr in diese Welt kommen kann.“ „Okay“, flüsterte Hoshie. Sie wusste, dass sie dazu das Schwert brauchte, welches sie jedoch fallen gelassen hatte, als sie selbst gefallen war. Dennoch wusste sie auch, dass es zu ihr kommen würde, würde sie es rufen. So streckte sie eine Hand aus, während sie sich mit der anderen in Natsukis Mähne festhielt. Irgendwo zwischen den dunklen Wolken sah sie ein Licht und sie wusste, dass es das Schwert war, dass zu ihr geflogen kam. Sie fühlte sie unwillkürlich an das Amulett erinnert, als sie es an jenem Tag zu Beginn der Ferien über den Strand hatte fliegen sehen. Das Schwert kam auf sie zugeschossen mit dem Griff voran, der in ihrer ausgestreckten Hand landete. „Wo ist Long Wangh?“, rief sie und sah sich um. Der Drache schien auf einmal verschwunden zu sein. „Etwas stimmt nicht“, knurrte Natsuki und sah sich um. Ja, Hoshie konnte es auch spüren. Es war, als würde etwas bedrohliches auf sie lauern, wie ein Raubtier, das sich zum Sprung bereit machte. „Was...“, begann sie leise. Weitere Blitze zuckte und schienen direkt auf sie gerichtet zu sein, doch natürlich prallten sie an dem magischen Schild, das Natsuki nun um sich errichtet hatte, ab. „Deine Magie kann uns nicht zerstören!“, rief Natsuki in die Wolkenmasse hinein. „Bist du dir da sicher?“, fragte die dröhnende Stimme des Drachen aus der Dunkelheit. Ein Flammenstrahl schlug ihnen entgegen, doch auch er kam nicht gegen den Schutzschild an, der sie umgab, so dass die Flammen nur zu Funken zerstoben, die im Wind verglühten. „Da!“, rief Hoshie und zeigte in die Richtung aus der die Flammen gekommen waren. Natsuki änderte ihre Laufrichtung und rannte nun direkt auf den Ursprung der Flammen zu, die ihnen erneut entgegen schossen. Jetzt konnte Hoshie den Schatten der riesigen Drachengestalt in den Wolken erkennen und hielt das Schwert fester umklammert. Sie konnte Long Wangh immer klarer erkennen, doch da bremste Natsuki auf einmal ab, als etwas aus den Wolken auf sie zugeschossen kam. Es war der Junge, der den Speer bei sich führte und sie mit seltsam emotionslosem Gesicht ansah. „Hör damit auf!“, rief Hoshie ihm zu und stieß sich nun von Natsukis Rücken ab, um einen Angriff des Jungen zu blockieren. „Wieso tust du das? Willst du, dass tausende Menschen sterben?“ Der Junge erwiderte nichts und flog stattdessen rückwärts um sich in eine bessere Lage für einen weiteren Angriff zu bringen. Doch Hoshie hatte keine Zeit dafür. Sie wollte nicht gegen den Jungen kämpfen, sondern gegen Long Wangh, der für all das verantwortlich war. Und obwohl sie noch immer bei weitem nicht so viel vom Kämpfen verstand, wie es wohl ideal gewesen wäre, wusste sie, was sie machen konnte. Sie blockierte die Klinge der Waffe des Jungen mit ihrem Schwert und ließ sie das Katana entlang gleiten, wobei sie den Stoß so ablenkte, dass er knapp an ihrem Kopf vorbei ging. Dann nutzte sie die Wirkung des Hebels und die Tatsache, dass der Jung kurz aus dem Gleichgewicht geriet, um die Waffe des Jungen mit aller Kraft zur Seite zu schlagen, so dass er sie nicht länger halten konnte und verlor. Die Waffe fiel durcu die Wolken außer Sichtweite und ließ den Jungen wehrlos. „Bitte“, flüsterte er auf einmal. „Du verstehst das nicht...“ Er zitterte. „Ich muss jemandem Helfen und nur... Nur ein Gott...“ Etwas im Blick des Jungen löste Mitleid in Hoshie aus, doch sie konnte ihm jetzt nicht zuhören. Stattdessen flog sie durch die Luft, bis sie wieder auf dem Rücken Natsukis war, die den Drachen die ganze Zeit umkreiste. „Bist du soweit?“, fragte sie leise und Hoshie nickte, auch wenn Natsuki sie nicht sehen konnte. Sie wusste auch so, dass sie soweit war. Der Drache schnappte nach ihnen, wie eine riesige Schlange, doch Hoshie beachtee ihn nicht, da sie wusste, dass Natsuki sie beschützen wurde. Stattdessen konzentrierte sie sich erneut auf das Schwert, wie sie es schon bei ihrem ersten Kampf getan hatte. Sie stellte sich vor, wie dieses Schwert in hellem Licht erstrahlte - in einem Licht, dass dieses Monster versiegeln könnte. Dann öffnete sie die Augen und tatsächlich leuchtete das Katana in einem gleißenden Licht. Sie sah zum Drachen, dessen Kopf erneut auf sie zuschnellte. In diesem Moment stieß sich Hoshie vom Rücken der Shiisa ab und sprang dem Drachen entgegen. Sie hatte das Schwert zum Stoß erhoben und nutzte die eigene Magie, um ihre Flugbahn nur ein kleines Stück zu korrigieren, so dass sie nicht auf die Schnauze, sondern auf die Stirn des Drachen zuflog. Dann stieß sie zu und das Schwert versenkte sich tief zwischen die Augen des Drachen, während es immer heller strahlte. Sie spürte die Energie, die die Waffe durchfloss und zog diese schließlich aus dem Kopf Long Wanghs heraus. Ein Siegelzeichen erschien auf der Stirn des Drachen und breitete sich immer weiter aus, während derselbe Rauch aus der Wunde strömte, in den kleineren auch die niederen Geister aufgelöst hatten. „Nein“, grollte der Drache, als er verstand, was geschehen war. „Nein! Nein!“ Doch mit jedem Wort das er sagte, wurde seine Stimme schwächer. Auf einmal hörte Hoshie erneut Natsuki nach sich rufen. „Hoshie!“ Und dann spürte auch sie es: Die Energie, die sich um den Drachen herum sammelte. Im nächsten Moment war Natsuki bei ihr und sie schwang sich auf den Rücken der Shiisa, die wendete und von dem Drachen fort lief. „Der Junge!“, rief Hoshie aus, da sie ahnte, dass der Junge die magischen Kräfte in dem Moment verlieren würde, in dem der Drache aus dieser Welt verschwinden würde. Erneut machte Natsuki eine scharfe Wendung und sprintete nun in die Richtung, in der der Junge zuletzt gewesen war, wobei es ihnen die Sturmwolken nicht leichter machten, die kleine Gestalt des Jungen zu finden. Dann jedoch sahen sie ihn und Natsuki lief auf ihn zu, packte ihn mit ihrem Maul und lief dann so schnell sie konnte vom Drachen weg. Keinen Moment zu früh, denn im nächsten Augenblick spürte Hoshie eine Druckwelle, die sie fortfegte und vor der sie auch die Magie der Shiisa nicht schützen konnte. Sie wurden durch die Luft geschleudert. Sie hatte keine Ahnung mehr, wo oben und unten war. Und dann wurde auf einmal alles schwarz. Sie schmeckte Salz und spürte den Sandboden unter sich. Vorsichtig holte sie Luft, was ihr Schmerzen bereitete, jedoch durchaus möglich schien. Dann öffnete sie die Augen. Die Nacht war über ihnen herein gebrochen, auch wenn der Himmel im Westen noch etwas vom Licht der Sonne in einem tiefen rot wiederspiegelte. Von den Wolken waren nur noch vereinzelte Streifen am Himmel zu sehen, als wäre der Sturm einfach an der Insel vorbei gezogen. Für einen Moment wusste sie nicht einmal, was geschehen war, doch dann erinnerte sie sich an den Kampf und den Drachen und... „Natsuki!“ Sie sprang so schnell auf, dass es ihr weh tat. Erst jetzt merkte sie, dass sie nicht mehr verwandelt war und das Amulett neben ihr im Sand lag. Doch dafür interessierte sie sich im Moment nicht. Sie wollte wissen wo Natsuki war. „Alles in Ordnung“, hörte sie jedoch ein Grummeln und sah Natsuki in der Gestalt des Shiisa im Sand liegen. Sie rappelte sich auf und verwandelte sich dann wieder in einen Menschen, nur um sich mit der Hand an den Kopf zu fassen. „Au...“, murmelte sie dann, lächelte dann aber Hoshie an. „Du hast es geschafft“, flüsterte sie. „Glaube ich zumindest.“ Und noch bevor Hoshie etwas erwidern konnte, ging Natsuki auf sie zu und küsste sie, erinnerte sie so damit daran, was dies bedeutete. „Ich will nicht, dass du gehst“, flüsterte Hoshie, als sich ihre Lippen voneinander lösten. „Ich will auch nicht gehen“, erwiderte Natsuki und legte ihre Stirn gegen Hoshies. „Ich will auch nicht.“ Hoshie legte ihre Arme um die des anderen Mädchens. „Dann bleib. Sie können dich doch nicht einfach zurückholen.“ „Ich fürchte, das können sie schön“, meinte Natsuki und löste sich dann aber von ihr. „Aber wir haben noch etwas Zeit, denke ich“, flüsterte sie dann. Obwohl ihr nun schon wieder Tränen über die Wangen liefen, lächelte Hoshie vorsichtig, bis ihr etwas einfiel. „Was ist mit dem Jungen?“ Sie sah sich nach ihm um und Natsuki tat es ihr gleich. Tatsächlich hatte der Junge sich ebenfalls aufgerappelt und saß nun mit angezogenen Beinen am Strand den Blick auf das Meer gerichtet. Er trug nun eine einfache Jeans und ein T-Shirt. „Alles in Ordnung?“, fragte Hoshie vorsichtig und hockte sich neben ihn. Der Junge sah sie an. „Nein“, erwiderte er tonlos. „Aber Long Wangh ist besiegt“, meinte Hoshie vorsichtig. „Du bist frei.“ „Und?“, antwortete er. „Ich habe freiwillig für ihn gekämpft.“ Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. „Aber wieso?“ „Weil er der einzige ist, der meine Mutter noch heilen konnte“, flüsterte er. Ungläubig und etwas verwirrt sah Hoshie ihn an, da sie sich nicht sicher war, ob sie ihn richtig verstand. Seine Mutter war krank und der Drachengott hatte angeboten sie zu heilen? Sie zögerte, da sie nicht direkt nachfragen wollte. „Wie heißt du?“, fragte stattdessen nun Natsuki und hockte sich nun vor den Jungen. Dieser zögerte mit der Antwort. „Tsubasa“, erwiderte er schließlich. Da nahm Natsuki seine Hand und legte etwas in diese hinein. Hoshie erkannte, dass es ihr Amulett war. „Hier, Tsubasa“, meinte Natsuki sanft. „Das ist das Amulett der Shiisa. Ich weiß nicht, ob es deine Mutter heilen kann, doch es hat magische Kräfte. Zumindest würde ich darauf mehr geben, als auf einen Drachen, der vorhat, alles Leben auf der Insel zu vernichten.“ Tsubasa sah das Amulett für einen Moment lang an und sah dann zu Natsuki, dann zu Hoshie, die nun sah, dass Tränen über seine Wangen liefen, die ihn noch jünger wirken ließen, als zuvor. „Es tut mir leid“, flüsterte er schließlich. „Es... Es tut mir wirklich leid.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)