Creepypasta Extra 3: Last Judgement von Sky- (Die Thule-Verschwörung) ================================================================================ Kapitel 3: Der Aufbruch ----------------------- Nach dem Mittagessen trafen sie sich alle im gleichen Konferenzraum des Krankenhauses, wo sie zuvor die Lage besprochen und von Harvey die Wahrheit über Thules Pläne erfahren hatten. Hannah war inzwischen fit genug, dass sie im Rollstuhl sitzen konnte und auch die anderen waren alle da. Fehlte nur Johnny, der immer noch verschwunden war. Nun waren es Harvey und Anthony, die gemeinsam das Wort hatten, während Thomas für Hannah ins Deutsche übersetzte. „Also wir haben folgende Baustellen, an denen wir arbeiten müssen: Erstens muss Hannahs und Noahs Sicherheit gewährleistet sein. Es besteht immer noch das hohe Risiko, dass beide von der Thule-Gesellschaft entführt werden könnten. Zweitens muss Johnny unbedingt gefunden werden. Falls er sich in Gefangenschaft befindet, könnten seine Fähigkeiten zu einer Gefahr für uns werden und drittens muss Pristine an der Ausführung des Johannesprojektes gehindert werden. Da dies ein äußerst gefährlicher Kampf werden wird, schlage ich vor, dass wir die Gruppe in Teams aufteilen.“ Die anderen waren verwundert, als sie das hörten und sahen einander an. Bei ihren letzten „Abenteuern“ waren sie stets darauf bedacht gewesen, immer zusammenzuhalten. Dass sie jetzt aufgeteilt wurden, war neu. Harvey nahm einen Overhead-Projektor zu Hilfe, um auf einer Folie genau aufzuzeigen, wie die Verteilung aussehen sollte. „Bei der Aufteilung habe ich die Fähigkeiten und Einschränkungen jedes Einzelnen in Betracht gezogen. Viola, Amara und Evan bilden das Team „Dreamer“ und können aufgrund ihrer Fähigkeiten zwischen zwei Welten reisen. Die der unseren und die der Träume. Evan ist durch die Tatsache eingeschränkt, dass er in unserer Welt stumm ist, weshalb er nicht mit uns über Funk kommunizieren könnte. Viola ist ein Dream Weaver, allerdings verfügt sie noch nicht über ihre vollständigen Kräfte und ist physisch im Kampf unterlegen. Amara als Mischling ist sowohl in der Defensive als auch in der Offensive klar im Vorteil. Mein Plan für euer Team sieht so aus: Hannah wird sich in der Traumdimension versteckt halten, zusammen mit Viola und Evan. Ihr werdet, wenn wir eure Hilfe brauchen, für die nötigen Portale sorgen, sodass wir über Evans Galerie an gewünschte Orte kommen, für die wir ansonsten zu viel Zeit verlieren würden. Das nächste Team bildet die direkte Angriffsgruppe und wird sich auf Nahkämpfe und Ablenkungsmanöver konzentrieren, während die andere Gruppe sich um die Befreiung von Johnny und die eventuelle Beseitigung von Waffen oder Gefahrengut kümmert. Die Offensive muss aus ausdauernden Kämpfern bestehen, die auch erforderliches Geschick dafür haben. Das Offensivteam wird deshalb aus Christine, Thomas und Sally gebildet. Anthony, Vincent und ich bilden das Passivteam, da unsere Stärken in der Strategie liegen. Amara wird unsere Reserve sein. Falls es zu einem unerwarteten Zwischenfall kommen sollte, wird sie bereit stehen, um entweder die Angriffsgruppe oder das strategische Team zu unterstützen. Solange sie aber nicht gebraucht wird, wird sie sich bei Viola und Evan aufhalten. Es könnte durchaus von Vorteil sein, wenn die Thule-Gesellschaft nichts von ihr weiß.“ „Gibt es irgendwelche Einwände oder Fragen?“ fragte Anthony schließlich und sah in die Runde. Er und Harvey hatten alles genau besprochen und versucht, eine möglichst ausgeglichene Verteilung zu gewährleisten. Evan und Viola waren weder in der Offensive noch in der Defensive hilfreich, weil Viola schnell Angst bekam und womöglich nur im Wege war und Evan konnte nicht vernünftig kommunizieren. Und da sie sich in der Traumdimension besser bewegen konnten, war es die einzig vernünftige Entscheidung, Hannah genau dort zu verstecken. Hätte Pristine die Macht besessen, die Traumdimension zu betreten, hätte sie Vincent und Hannah bei ihrer Flucht verfolgt. So wäre Hannah sicher und Evan könnte gleichzeitig für Abkürzungen über die Portale in seiner „Galerie“ sorgen. Thomas als ausgebildeter Killer, Sally als Scyomantin und Christine als höheres Wesen waren die Stärksten und vor allem Sally und Christine waren dadurch im Vorteil, dass sie nicht durch Kugeln und Messerstiche sterben konnten. Deswegen war es nur vernünftig, wenn sie zusammen mit Thomas die Angriffslinie bildeten und den anderen Rückendeckung gaben. Vincent war durch sein fehlendes Auge eingeschränkt in seinem Sichtfeld und genauso wie Anthony kein guter Nahkämpfer. Vielmehr zeichneten sich beide durch ihre Fähigkeiten als Konstrukteure aus und konnten ihre Gegner manipulieren, indem sie ihr Unterbewusstsein infiltrierten. Harvey war zwar ein gewöhnlicher Mensch ohne übersinnliche Fähigkeiten, aber dafür ein sehr guter Stratege, Schauspieler und Psychologe. Er konnte Lügen und andere Emotionen und Gedanken seiner Gegner durchschauen und so an Informationen kommen. Außerdem wollte er unbedingt Johnny befreien und davon konnte ihn niemand abhalten. Also würden Anthony und Vincent ihm den Rücken freihalten. Für alle Eventualitäten war Amara da. Sollte für irgendjemanden die Situation eskalieren, wäre sie die ideale Wahl. Sie war offensiv als auch defensiv gut ausgeglichen und konnte durch ihre Fähigkeiten als Dream Weaver und Traumfresser das Ruder herumreißen, wenn die Lage eng wurde. Alle waren mit dieser Aufteilung einverstanden und sogleich galt es zu überlegen, was sie als Nächstes tun sollten. Sie wussten weder, wo sich Johnny befand, noch wo Thule ihren Hauptsitz hatte. Aber da trumpfte Harvey mit neuen Erkenntnissen auf. „Als Johnny und ich den Stützpunkt in Bayern unter die Lupe genommen haben, konnten wir Forschungsunterlagen von Dr. Helmstedter finden, in welchen auch Namen verzeichnet waren. So konnten wir herausfinden, dass es noch mehr Familienmitglieder gibt, die für die Organisation arbeiten. Die meisten sind inzwischen gestorben, aber einen lebenden Verwandten gibt es noch, nämlich einen gewissen Nathaniel Helmstedter. Er ist der zweitälteste Sohn von Alfred Helmstedter, was ihn zu Hinrichs jüngeren Bruder und zu Anthonys älterem Halbbruder macht.“ Fragende Blicke wanderten zu Anthony, der ebenfalls verwundert war. „Ich… ich habe keinen Bruder namens Nathaniel. Meine anderen Brüder hießen Karl und Markus, ansonsten hatte ich nur eine Schwester namens Sarah. Und die drei sind schon seit einer Ewigkeit tot.“ „Es ist wirklich gar nichts über Nathaniel bekannt“, erklärte Harvey schließlich. „Es gibt weder Fotos von ihm, noch irgendwelche Urkunden oder Dokumente über eine Schullaufbahn. Er ist sozusagen ein Phantom. Der einzige Hinweis auf seine Existenz sind die Notizen von Hinrich Helmstedter. Zwar beherrsche ich die deutsche Sprache und auch ein wenig Plattdeutsch, aber da die Aufzeichnungen sehr unleserlich geschrieben wurden, konnte ich nur Fragmente entziffern. Deshalb möchte ich dich um deinen Rat bitten, Anthony. Vielleicht kannst du etwas damit anfangen.“ Anthony nahm die Notizen entgegen und sah, dass Harvey nicht untertrieben hatte. Es war so krakelig geschrieben und außerdem waren die Seiten bereits vergilbt und eingerissen. Auch er konnte nur sehr wenig entziffern. „Also ich kann kaum etwas lesen, aber hier unten steht ein Vermerk, der zumindest halbwegs leserlich ist. Moment… „Ohne meinen Bruder Nathaniel hätte ich es nie geschafft, meine Theorie über die Existenz von höheren Wesen zu beweisen, die in der Lage sind, Einfluss auf unsere Träume zu nehmen. Dank ihm habe ich endlich den entscheidenden Durchbruch geschafft und habe nun die Genehmigung der Vorsitzenden, meine Forschungen auf die nächste Ebene weiterzuführen.“ Also so wie das für mich klingt, hat Hinrich mit diesem Nathaniel zusammen an den Dream Weaver Experimenten gearbeitet.“ Anthony reichte schließlich das Notizbuch an Thomas, Hannah und Vincent weiter, damit auch sie ihr Glück versuchen konnten. Aber keiner konnte mehr herauslesen. Diese Aufzeichnungen waren auch sehr alt. Dem Datum zufolge stammten sie aus dem Jahre 1922 und da war Hinrich offenbar schon Mitglied der Thule-Gesellschaft. Und so wie die Sache jetzt aussah, schien ein Großteil der Familie Helmstedter dabei gewesen zu sein. Und dieser Nathaniel spielte bei diesen Dream Weaver Experimenten offenbar eine große Rolle, wenn dank ihm Hinrich der Durchbruch gelungen war. Und dass es so gut wie gar keine Informationen zu ihm gab, sprach dafür, dass er ein Profi sein musste und sich im Hintergrund hielt. Höchstwahrscheinlich führte er jetzt Hinrichs Arbeit nach seinem Tod fort. „Also ich denke, wir sollten diesen Nathaniel suchen und ins Kreuzverhör nehmen. Wenn er wirklich mit unserem KZ-Arzt gemeinsame Sache gemacht hat, steckt er bis zum Hals drin und hat mit Sicherheit auch Informationen über Thule oder Johnnys Aufenthaltsort.“ Auch die anderen hielten das für eine gute Idee und so mussten sie nur noch herausfinden, wo sich Nathaniel befand. Gerade wollte Harvey wieder zum Reden ansetzen, da unterbrach ihn ein lautes Surren und er holte aus seiner Jackentasche ein Handy. Sein verwunderter Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass es sich um Johnny handeln musste. Nun war Christine auch neugierig geworden und rief „Stell mal laut!“ Harvey tat es und ging zu den anderen hin, damit sie besser hören konnten. „Hallo? Johnny?“ rief Harvey, während er das Handy von sich hielt. „Johnny, sag doch etwas!“ Keine Antwort, nur das blecherne Rauschen einer schlechten Verbindung. Er glaubte so etwas wie Atemgeräusche zu hören und wie zwei Stimmen im Hintergrund miteinander redeten. „Johnny, was ist los? Kannst du nicht reden? Gib wenigstens ein Zeichen!“ Wieder zwei leise Stimmen, dann wurde aufgelegt. Christine und Harvey sahen beunruhigt aus. „Das klingt nicht gut“, sagte sie und ihr Blick verdüsterte sich. „Normalerweise antwortet er, wenn jemand am anderen Ende der Leitung ist. Da ist irgendetwas faul. Harv, gib mir mal das Handy, ich werde mal versuchen herauszufinden, von wo der Anruf kam.“ Aus ihrer Tasche holte sie einen Laptop heraus und begann auf der Tastatur zu tippen. Sie war so schnell, dass man ihren Bewegungen kaum folgen konnte. „So, ich hab sein Handy geortet. Er befindet sich derzeit in Deutschland.“ „Dann muss er sich also tatsächlich in der Gewalt der Thule-Gesellschaft befinden.“ „Und wo genau?“ fragte Harvey ein wenig unruhig und schon sah Christine nach. „Das ist… die Klaus-Hoffmann-Straße 44 in Würzburg.“ Anthony glaubte nicht recht zu hören, als Christine diese Adresse nannte und starrte sie fassungslos an. „Bist du dir auch sicher?“ Sie nickte und zeigte es ihm. Ganz eindeutig war es jene Adresse und genau das war es, was den Lichtallergiker so vom Hocker riss. Sally fragte schließlich „Wieso? Was ist dort?“ „Genau dort habe ich früher mit meiner Familie gewohnt. Johnny befindet sich in meinem alten Elternhaus.“ Das erklärte seine Reaktion, aber zumindest hatten sie schon mal einen sehr guten Anhaltspunkt. Dann war es beschlossene Sache, dass sie sich auf den schnellsten Weg nach Würzburg machen sollten, um Johnny zu befreien. Dies war sozusagen der Startschuss für die Abreisevorbereitungen. Sie brauchten eine gute Ausrüstung, um für alle Eventualitäten bereit zu sein. Waffen, Verbandszeug, Funkgeräte und noch anderen Schnickschnack. Sally war die Einzige, die keine Waffe brauchte, Christine begnügte sich mit Schlagringen, und ihrer eigenen Ausrüstung. Vincent besprach noch mit Viola, Amara und Evan alles Weitere und half Hannah, die noch nicht fit genug war, um alleine zu laufen. Thomas selbst wollte sich noch von seiner Verlobten und seinem Sohn verabschieden und Christine war beschäftigt, aber dafür gesellte sich Harvey zu Anthony, der ein wenig bedrückt aussah. „Du machst dir wegen diesem Nathaniel Gedanken, nicht wahr? Du hast Angst, dass es mit ihm genauso schlimm werden könnte wie mit Hinrich.“ „Ist das so offensichtlich?“ „Als Psychologe kann ich manchmal einfach nicht aus meiner Haut. Und selbst wenn ich keiner wäre, könnte jeder erraten, was dir so durch den Kopf geht. Ich kann dich gut verstehen, dass du dich für deine Familie schämst, ich würde es auch. Wobei… ich schäme mich ja schon genug für meine leiblichen Eltern.“ „Wieso?“ „Sie kennen so etwas wie Liebe gar nicht, weshalb ich immer nur eine Art Kostgänger für sie war. Deswegen habe ich auch immer wieder Unfug angestellt und mich geprügelt, weil ich Aufmerksamkeit von ihnen wollte. Ich hab sogar mal meinen Tod inszeniert, ohne dass etwas dabei herauskam. Das Schlimmste aber kam, als ich ihnen von meinen Plänen erzählt habe. Nicht nur bezüglich der Schauspielerei, sondern auch von anderen Dingen. Ich will lieber nicht sagen, was mein Vater da gesagt hat. Er hat mich hochkant rausgeschmissen und meine Mutter sagte, ich wäre nicht mehr ihr Kind und sei es auch nie gewesen. Ich fand diese beiden Menschen einfach nur widerlich, trotzdem muss ich ihren Namen tragen. Versuch es einfach positiv zu sehen: Zwar hast du noch so einen Bruder wie Hinrich, aber mit vereinten Kräften werden wir diesen Schandfleck für immer aus der Welt entfernen. Jeder steht für den anderen ein und alle unterstützen sich gegenseitig. Etwas Besseres kann es gar nicht geben. Und es sind alle so wunderbare Menschen… Chris sagt auch gerade: Familien kann man sich nicht aussuchen, aber dafür Freunde. Und wer so wunderbare Freunde hat, kann sich eigentlich wirklich glücklich schätzen.“ Da hatten Harvey und Chris wohl recht. Egal wie furchtbar seine Familie war, er hatte Vincent, Thomas und die anderen als Freunde. Auf sie konnte er sich immer verlassen und sie setzten ihr Leben aufs Spiel, um ihn bei seinem Kampf gegen Thule zu unterstützen. „Weißt du Anthony, eigentlich sind wir beide uns sehr ähnlich. Wir haben viel erlebt und würden alles tun, um unsere Freunde zu beschützen. Aber in meinem Falle ist es leider schon zu spät. Ich konnte meinen besten Freund nicht beschützen und ich konnte auch nicht den Menschen retten, den ich geliebt habe. Deshalb ist es mir so wichtig, euch zu helfen, damit du nicht auch noch diesen Alptraum durchleben musst. Ach, da fällt mir noch etwas ein… Entschuldige mich bitte.“ Harvey stand auf und ging zu Amara, die ein wenig nervös da saß und ihren Regenschirm umklammert hielt. Anthony beobachtete, wie Harvey mit ihr redete. Sie nickte und gemeinsam gingen sie weg. Schließlich, als alle fertig waren, kam der Abschied für jene, die nicht mitkommen würden. Gemeinsam hatten sie Hannah und ihren Sohn durch ein Portal gebracht, welches in Evans Galerie führte. Da Evan mit einem Dream Weaver (nämlich Viola) verbunden war, konnte er sich eigene Traumwelten erschaffen und sie sogar betreten. Er hatte in der Vergangenheit unzählige Träume über Portale miteinander verbunden, die wie Gemälde aussahen, durch welche man in die Traumdimension gelangen konnte. Sogar zu Orten in der wirklichen Welt hatte er Portale geschaffen, sodass man zwischen Ländern und Kontinenten hin- und herreisen konnte. Man musste nur in seine Galerie als Zwischenstation. Da sie von England aus schnellstmöglich nach Würzburg kommen wollten, nahmen sie gleich schon mal die Abkürzung und nachdem Evan und Viola vorgegangen waren, halfen Thomas und Vincent Hannah hindurch. Harvey konnte zuerst nicht glauben, was er da sah, stellte aber keine Fragen und tat es den anderen gleich. Schon als er hindurchstieg, bemerkte er, dass dieses Bild oder Portal fast genauso wie eine Art Fenster war und tatsächlich kam er in einer großen Bildergalerie raus, in welcher unzählige Bilder hingen, die Evan gemalt hatte. Er staunte nicht schlecht, denn zum ersten Mal betrat er eine parallele Dimension. Hannah setzte sich in den Rollstuhl, der für sie bereitgestellt wurde und man brachte sie zum Ende der langen Galerie durch eine Tür, hinter der sich Evans „Spielzimmer“ befand, das Zentrum seiner Traumwelt und seiner Überzeugung nach der sicherste Ort. „Also gut, dann zeige ich euch mal jetzt das Portal, durch welches ihr nach Würzburg gelangt.“ Evan führte die Gruppe den langen Gang entlang und suchte die Wände nach dem richtigen Bild ab. Harvey stieß Vincent an, der neben ihm lief. „Ich dachte, der Junge kann nicht sprechen.“ „In unserer Welt nicht. Aber in seinen Träumen kann er es, weil er ja erst durch seine schwere Krankheit seine Stimme verloren hat.“ Neugierig sah sich Harvey um und entdeckte Bilder, von denen er glaubte, das Motiv schon mal gesehen zu haben. Es zeigte reale Städte, aber auch Motive, die tatsächlich danach aussahen, als würden sie einem Traum entspringen. Schließlich blieb Evan bei einem Bild stehen, welches eine große Villa mit einem wunderschönen Blumengarten zeigte. Das Grundstück war von einem Zaun eingegrenzt. „Das ist eure Station. Ich hab mich extra bemüht, euch so nah wie möglich ranzubringen. Ich werde hier in der Galerie auf euch warten, zusammen mit Amara. Viola bleibt währenddessen bei Hannah.“ Thomas, Sally und Christine gingen als Erstes hindurch, dann folgten Vincent und Harvey und zu allerletzt Anthony. Sie kamen auf einem Dachboden raus, auf welchem es ziemlich staubig war und es befanden sich ziemlich viele alte Möbel dort, die mit Tüchern abgedeckt waren. Wo genau sie jetzt waren, wussten sie nicht so genau, aber es schien so, als befänden sie sich bereits im Haus. Christine ging zum Kippfenster, öffnete es und sah nach draußen. „So wie ich das von hier aus überblicken kann, befinden wir uns in einer zweistöckigen Prachtvilla. Sag mal Anthony, hatte es deine Familie schon immer so dicke gehabt?“ Verwundert runzelte er die Stirn und erklärte „Nein, meine Familie war normaler Mittelstand. Aber wahrscheinlich hat dieser Nathaniel ziemlich viel verdient mit seinen Forschungen und denen von Hinrich. Oder aber wir sind im falschen Haus gelandet.“ „Nö, das Haus gegenüber hat die Nummer 45, wir sind richtig.“ Nun gingen auch die anderen zum Fenster, nur Harvey und Anthony begannen sich ein wenig auf dem Dachboden umzusehen und die Möbel unter die Lupe zu nehmen, die man hier abgestellt hatte. Einige von ihnen erkannte er tatsächlich aus seiner Kindheit wieder. Ein lauter Schrei alarmierte sie schließlich, aber es war nur Sally, die sich vor einer Ratte erschreckt hatte. Christine verschaffte dem sogleich Abhilfe, indem sie der Ratte den Absatz ihres Stiefels in den Rücken rammte und sie somit zerquetschte. „Man kann sich auch anstellen“, sagte sie schließlich. „Ist ja nur eine Ratte.“ „Hoffentlich hat uns niemand gehört.“ Vincent sah ein wenig nervös aus und alle blieben regungslos stehen, um zu horchen. Da aber niemand auf den Dachboden kam und auch nichts zu hören war außer dem aufgeschreckten Quieken einer weiteren Ratte, ging man davon aus, dass niemand Sallys Schrei gehört hatte. „Offenbar haben wir Glück gehabt. Aber wir sollten trotzdem aufpassen. Wir wissen nicht, wie viele Leute dort unten sind.“ „Für den Fall kann ich helfen“, meldete sich Sally, die sich von dem Schreck wieder erholt hatte. „Ich kann Seelenenergie spüren und daran feststellen, wie viele Menschen sich in der Nähe aufhalten. Bleibt mal alle bitte kurz stehen und bewegt euch nicht.“ Die kleine Nekromantin atmete tief durch und schloss die Augen. Sie musste sich konzentrieren und dabei versuchen, die Seelen um sie herum auszuklammern und die anderen im Haus zu lokalisieren. Eine hatte sie schon mal gefunden. Soweit so gut… Sie suchte weiter und fand dann schließlich eine zweite Person. Doch kaum, dass sie diese erfasst hatte, nahm sie eine so unfassbar starke Aura wahr, die ihr fast den Atem raubte. Unglaublich, dachte sie und bekam regelrecht Angst. Diese Aura war stärker als alle, die sie zuvor gespürt hatte. Die eine war vergleichbar mit der von Christine, die ihre eigene sehr gut unterdrücken konnte, um unerkannt zu bleiben. Aber diese andere Aura war so gewaltig, dass sie das ganze Haus erfasste. Sally wurde blass und taumelte ein paar Schritte zurück. Ihre Knie gaben nach, doch Harvey hielt sie fest. „Sally, was ist los? Was hast du?“ „Es sind außer uns zwei Personen im Haus. Die eine ist nicht menschlich und scheint ähnlichen Ursprungs zu sein wie Christine.“ „Ist es Johnny?“ „Das weiß ich nicht genau. Aber die andere… mein Gott… Sie ist unglaublich stark.“ „Wie stark?“ fragte nun Thomas, der sein Schwert fester umklammerte und sich innerlich auf das Schlimmste vorbereitete. Sally wischte sich den Schweiß von der Stirn und versuchte, einen ähnlichen Vergleich zu finden. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass diese Aura genauso stark ist wie meine. Aber sie ist nicht wiederum nicht so wie meine. Es ist keine Nekromantenaura, ich weiß auch nicht. So etwas habe ich noch nie in meinem Leben gespürt.“ Allein zu sehen, dass sogar Sally Angst vor dieser Aura hatte, beunruhigte die anderen. Wenn es stimmte und da war jemand im Haus, der Sally ebenbürtig war (und sie besaß die Macht, die ganze Welt zu zerstören), würde ihnen noch ein sehr harter Kampf bevorstehen. Schlimmstenfalls würden sie diesen nicht überleben. Hosted by Animexx e.V. 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