Von Dir und Mir von Phoenix_Michie (Fortsetzung zu 'Von Waschmitteln im Supermarkt') ================================================================================ Kapitel 4: Von nach Kondomen haschenden Katzen und deprimierten Krankenhauspflegern mit undefinierbarem Alkohol --------------------------------------------------------------------------------------------------------------- ====================================== 4. Kapitel ====================================== Blinzelnd öffnete ich die Augen, schloss sie aber gleich wieder. Mein Schädel dröhnte, solche Kopfschmerzen hatte ich schon lange nicht mehr gehabt. Flau im Magen war mir auch, aber zum Glück nicht allzu sehr. Es hing sicher mit den Kopfschmerzen zusammen. Ich wollte einen Moment abwarten und drehte mich bequem auf die Seite, wobei mir ziemlich viele Muskeln weh taten. Verwirrt öffnete ich die Augen doch noch mal. Irgendwas stimmte nicht. Es roch anders als sonst. Und dann bot sich mir noch ein neuer Anblick: neben mir im Bett lag jemand. Mit blonden Haaren. Und ich kannte nur einen mit blonden Haaren, neben mir selbst. Ich schluckte und starrte den Blondschopf an. Gut, das hier konnte vieles bedeuten. Es musste nicht das Erstbeste, das vermeintlich Logischste und Offensichtlichste sein. Ich musste ruhig bleiben. Als ich mich langsam aufrichtete, kam auch in Karyu Bewegung. Er zog die Decke von seinem Gesicht und wandte mir den Kopf zu. Irgendwie mochte ich mich nicht an den vorigen Abend erinnern. Wer wusste, was ich in meinem Gedächtnis vorfand? Karyu schien mir meine Panik anzusehen. Mit einem Satz saß er kerzengerade im Bett und betrachtete mich ruhig. "Zero? Tief durchatmen. Es ist alles in Ordnung." "Es ist nichts passiert?", hakte ich nach, obwohl ich bereits spürte, dass ich nackt war. Und Karyu sah auch recht nackt aus... "Doch...es ist etwas passiert. Aber das ist kein Grund, sich jetzt filmreif aufzuregen. Wir hatten Sex, na und? Das haben unzählig viele Leute jeden Tag, und die machen auch kein Drama draus." "Ja, wahrscheinlich weil sie sich lieben und zusammen sind. Oder dafür bezahlt werden.", warf ich mit hoher Stimme ein, woraufhin Karyu die Stirn runzelte. "Soll ich dich bezahlen?" "Was? Nein", antwortete ich verwirrt. Karyu seufzte. "Ist das jetzt ein Problem? Dass wir miteinander geschlafen haben? Wir waren eben klischeehaft betrunken.." Mir lief es heiß und kalt den Rücken hinunter. Genau sowas hatte ich verhindern wollen! Oh Gott, nun das! Das zog doch zig Probleme nach sich. So ganz konnte ich mich nicht mal erinnern, was wir da genau veranstaltet hatten. Es fühlte sich aber nach Sport an, wenn ich da meine Muskeln befragte. "Also..." Ich räusperte mich. "Keine Ahnung, ob das ein Problem ist.." "Lass es uns vergessen, ok? Das war ein Ausrutscher. Wir sollten einfach nicht mehr so viel trinken, wenn wir zusammen sind, meinst du nicht auch? Dann passiert das nie wieder." Er schwieg kurz. "Also, nicht, dass ich es so furchtbar fand, im Gegenteil. Es war wirklich fantastisch..Wahnsinn... Du warst toll. Aber...dir macht das Ganze ziemlich Angst, deinem Gesichtsausdruck zufolge..." Verwirrt hob ich die Augenbrauen. Sah ich ängstlich aus? "Nicht unbedingt, aber es macht alles kompliziert, und das will ich nicht. Wir sind Freunde, und Freunde haben keinen Sex." "Gut, also vergessen wir das. Das ist in Ordnung." Er wandte den Blick ab, während ich mich aufsetzte. Unter Schmerzen aufsetzte... "Darf ich deine Dusche benutzen?" "Ja..", antwortete ich nur und wurde rot, als Karyu aufstand, ich feststellte, dass er tatsächlich nackt war - und ich getrocknetes Sperma auf seinem Bauch sah. Oh man... Ich sah beiseite und wartete, bis er aus dem Zimmer gegangen war, dann stieg auch ich aus dem Bett und zog mir wenigstens Unterwäsche an, bevor ich nach meiner Katze gucken ging. Dabei fiel mir ein, dass ich keine Ahnung hatte, ob wir überhaupt ein Kondom benutzt hatten. Oh mein Gott. Es gab Dinge, über die wollte ich mir keine Gedanken machen müssen. Mit einem immer noch flauen Gefühl in der Magengrube, das sich nun verschlimmert hatte, kehrte ich noch mal ins Schlafzimmer zurück. Nicht, dass ich Lust hatte, hier auf dem Boden oder sonst wo ein benutztes Kondom zu finden, aber es wäre immer noch besser, als sich vielleicht etwas eingefangen zu haben. Zu meiner Erleichterung fand ich eines knapp unter dem Bett liegen. Das konnte nur von dieser Nacht stammen. Ich verzog das Gesicht und griff es mit den Fingerspitzen, flitzte in die Küche um es dort im Mülleimer zu entsorgen. Allerdings versperrte mir die Katze den Weg. Die sah das Kondom zwischen meinen Fingern baumeln und sprang tatsächlich noch an mir hoch, um mit den Pfoten danach zu haschen. "Ah, aus! Böse Katze!", schimpfte ich sie wie einen Hund. "Hör auf, das ist kein Spielzeug! Das ist eklig!", murrte ich und schob die Kleine mit der freien Hand beiseite, bevor ich das Gummi endlich im Mülleimer entsorgen konnte. da kam die Katze nicht mehr ran, Gott sei's gedankt... Einem Geistesblitz folgend sah ich genauer an mir herab. Und wurde knallrot. Toll, ganz toll. An mir klebte auch Sperma. Super. Nichts am Morgen war schöner. Und Karyu besetzte ja gerade das Bad. Nein, ich würde da jetzt nicht hinein gehen, zu ihm, unter die Dusche, nur um mir das Zeug auch abwaschen zu können - warten wollte ich allerdings auch nicht. Seufzend scheuchte ich die Katze aus der Küche und ging an die Spüle, wo ich versuchte, mir mit halbwegs warmem Wasser das klebende Zeug von meinem Bauch zu waschen. Das ging auch ganz gut, obwohl es umständlich war. Duschen würde ich später trotzdem. Seufzend ließ ich mich auf den Küchenstuhl fallen, was etwas weh tat. Mein Hintern tat weh. Damit erübrigte sich wohl auch die Frage, wessen Sperma sich auf meinem und Karyus Bauch verteilt hatte - mein eigenes... Hm. Dass ich wirklich mit Karyu geschlafen hatte, konnte ich irgendwie nicht ganz glauben. Im ersten Moment hielt ich das für furchtbar. Ich machte mir um zwei Dinge die größten Sorgen: erstens um Karyus Gefühle, denn wer wusste, wie die jetzt verrückt spielten, nachdem wir aus Versehen im Bett gelandet waren... Im Gegensatz zu mir konnte er sich offenbar auch daran erinnern, besser als ich auf jeden Fall. Zweitens machte ich mir um meine eigene Gefühlswelt ein bisschen Sorgen. Wenn ich wirklich absolut nichts von Karyu wollte und mir Sex tatsächlich überhaupt nicht vorstellen konnte, dann hätte ich ihn doch selbst in betrunkenem Zustand abgewiesen, oder? Doch ich hatte ihn gewähren lassen, noch schlimmer: so weit ich mich erinnern konnte, hatte ich sogar angefangen. Daher stellte sich mir die Frage, wie ich nun eigentlich Karyu gegenüber stand. Wie ich empfand. Ich hatte ihn anfangs nicht leiden können. Er war gemein, herrisch und besserwisserisch gewesen, hatte mich verarscht. Jetzt...war er für mich da und nett und irgendwie auch lustig. Aber sonst? Er war niemand, über den ich irgendwie...sexuell dachte.. Hm. Na jetzt war das anders. Doch ich versuchte das zu verdrängen. "Zero? Hey." Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Karyu war aus dem Badezimmer zurück. Seine Haare waren noch nass und er trug meinen Bademantel. "Ist es ok, dass ich mir den Bademantel ausgeliehen habe? Ich wollte nicht nackt durch die Wohnung laufen..." Ich nickte nur. "Ich such mal meine Kleidung", murmelte er und ging wieder, während die Katze auf sich aufmerksam machte - sie wollte was zu fressen. Mit hängenden Schultern kümmerte ich mich um sie. Es hatte sich doch etwas verändert. Die Stimmung war anders, leider, auch wenn Karyu vielleicht gewollt hatte, dass es nicht so weit kam. Ich streichelte die Katze - die im übrigen immer noch namenlos war - und raffte mich dann zusammen. Im Wohnzimmer stehend räusperte ich mich. "Möchtest du auch einen Kaffee zum Frühstück?", erkundigte ich mich laut und ging lieber nicht ins Schlafzimmer, denn ich wollte ihn nicht gerade nackt erwischen... Zu sagen, da gäbe es nichts, was ich nicht schon gesehen hätte, stimmte so auch nicht. Ich wusste ja nur noch die Hälfte...wenn überhaupt. Fast glaubte ich schon, Karyu hätte mich nicht gehört, weil er nicht sofort antwortete, aber bevor ich nochmals fragen konnte, rief er mir ein Ja zu. Mit einem leisen Seufzen bereitete ich das Frühstück vor - etwas, was mich selbst überraschte, denn unter normalen Umständen hätte ich ihn einfach hinaus geschmissen. Ja, trotz dessen er mein Freund war. Ich war morgens gern alleine. Das hatte sich nicht geändert. In Gedanken versunken brühte ich den Kaffee auf und stellte zwei rote Tassen zurecht. Irgendwie beunruhigt sah ich dem Kaffee dabei zu, wie er durch die Maschine lief. Etwas war anders, ja. Und das hatte ich wirklich nicht gewollt. "Hey..." Ich schreckte so heftig zusammen, als sich eine Hand auf meine Schulter legte, dass ich mir etwas heißen Kaffee über die Hand goss, welche die Tasse hielt. "Aah! Aua! Auaaaa!" Laut vor mich hin fluchend ließ ich die Kanne los, die scheppernd auf der Anrichte zum Stehen kam, während ich gegen Karyu prallte, der hinter mir stand. "Oh mein Gott, tut mir leid..!" Karyu packte meinen Arm und zog mich zur Spüle, wo er meine verbrühte Hand unter das kühle Wasser hielt. Erstmal tat das fast sogar noch mehr weh, weswegen ich zischte. "Aua...", jammerte ich und schloss die Augen. "Daran bist nur du schuld." "Ich weiß, ich weiß....war wirklich keine Absicht", erwiderte er leise und strich mit der freien Hand über meinen Kopf. "Es wird gleich besser.." Ich gab einen wimmernden Laut von mir und wollte, weil es mir zu lange trotz Wasser schmerzte, die Hand zurück ziehen, aber Karyu hielt sie fest und ließ sie noch etwas länger unter dem Wasserstrahl. "Hoffentlich bekommst du keine Brandblase..", murmelte er dicht neben mir stehend. "Wenn...dann bist du schuld." "Das bin ich doch sowieso schon, oder nicht?", erwiderte er amüsiert. "Man..ja...was auch immer. Halt die Klappe", murrte ich und zog die Hand zurück. "Das ist eisekalt.." "Das muss gekühlt werden. Stell dich doch nicht so an." Ich seufzte und drehte mich trotzig weg. "Ich stell mich aber an. ICH hab Schmerzen, du nicht. Also darf ich mich anstellen", maulte ich, woraufhin ich wieder seine Hand auf meinem Kopf spürte. "Ist ja schon gut, mein Kleiner. Das muss trotzdem gekühlt werden." "Ich bin nicht dein Kleiner!", beschwerte ich mich. "Aber natürlich", erwiderte er nur lächelnd, bevor er von mir abließ und einen Blick in meinen Kühlschrank warf. "Du hast hier ein Kühlpack, dann nutz wenigstens das." Seufzend sah ich Karyu dabei zu, wie er das blaue Kühlgel in ein Handtuch wickelte und es mir dann sanft gegen die Hand drückte. Ich brummte leise. "Aber ich wollte doch das Frühstück machen.." "Das mach ich. Setz dich hin und sag mir, wo ich was finde, ok?" Murrend fügte ich mich dem. Meine Hand schmerzte immer noch ziemlich, aber mit dem Kühlpack wurde das langsam besser und es brannte nicht mehr allzu stark. Während ich Karyu durch die Küche scheuchte, hatte ich das Gefühl, dass alles wieder in Ordnung war. Das unangenehme Gefühl war verschwunden - oder zumindest den Schmerzen in meiner Hand gewichen. Auch gut. Doch unvermittelt kehrte Ruhe ein. Sie war schleichend gekommen. Die Katze war Gott weiß wo. Karyu saß mir beim Frühstück gegenüber und ich schwieg. Ab und an fragte er nach, was meine Hand machte und ich neigte nur den Kopf. Es tat halt weh, hörte nicht auf, war aber auch nicht unerträglich. Wir redeten nicht mehr. Und plötzlich hatte Karyu es eilig. Er gab mir noch ein paar Ratschläge wegen der Verbrühung, streichelte die Katze und dann verabschiedete er sich. Einfach so. Er sagte nichts weiter zu mir. Gar nichts. War das nicht irgendwie merkwürdig? Die nächsten Tage meldete er sich bei mir nicht mehr, und mir war schon nach dem 2. Tag klar, dass er ein Problem hatte. Wohl ein Problem damit, dass wir aus Versehen im Bett gelandet waren - nackt und nicht nur zum Schlafen. Am 4. Tag saß ich auf der Fensterbank im Wohnzimmer und starrte auf die nasse Straße hinab. Sonst kam Karyu abends mal vorbei oder schrieb mir eine Nachricht. Wir hatten jeden Tag Kontakt, wenn es auch nur mal kurz und ein bisschen war, bis zum nächsten Treffen eben. Ich seufzte. Ich war mir sicher, dass es jetzt an mir lag, ihm auf den Zahn zu fühlen. Bisher war ich noch nie bei ihm klingeln gewesen, er hatte mich wenn dann mal abends mit zu sich genommen. Ich stand auf. So oft war er zu mir gekommen um irgendetwas zu klären, jetzt war ich mal an der Reihe. Ironisch, zuerst war ich völlig in Panik und er ruhig gewesen, nun hatte sich das offenbar geändert. Während ich einfach nicht mehr an die trunkene Nacht dachte, schien es ihm jetzt was auszumachen, trotz seiner vorigen lockeren Sprüche. 'Lass uns das einfach vergessen', hatte er gesagt. Na, wer von uns beiden konnte das jetzt offensichtlich nicht? Ich streichelte meine Katze kurz und zog mich an, bevor ich mich mit einem mulmigen Gefühl auf zu Karyu machte. Zum Glück wohnte er nur die Straße gegenüber, ein paar Häuser weiter. Ich atmete tief durch und streckte den Finger aus, zielte, zögerte, kniff dann die Augen zusammen und drückte endlich auf den Knopf. Es dauerte eine ganze Weile und ich hatte widerstrebend sogar ein zweites Mal geklingelt, bis Karyus Stimme endlich aus der Sprechanlage schnarrte. "Wer is'n da?" "Hi, ich bin's, Zero...", sagte ich leise. "Kann ich...lässt du mich rein?" Ein tiefes Seufzen, das mich stutzig machte, dann schwieg er. "...Karyu? Lass mich rein, bitte." Ich hörte, wie er murrte, dann summte es schon. Er machte mir netterweise doch die Tür auf. Auch wenn er wohl nicht wirklich wollte. Und das verunsicherte mich zutiefst. Was war denn jetzt in ihn gefahren, dass er mich nicht einmal sehen wollte? Langsam und ängstlich stieg ich die Treppen hoch. Seine Wohnungstür war noch geschlossen. Zaghaft klopfte ich an. Diesmal brauchte ich nicht lange zu warten, dass eine Reaktion kam. Als die Tür sich öffnete, weiteten sich meine Augen etwas und mein Mund öffnete sich, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Karyu sah nicht besonders gut aus, und als er mich ansprach, konnte ich Alkohol riechen. "Was willstu hier?" Ich seufzte lautlos. "Können wir das drinnen besprechen?" "Hab nich' aufgeräumt", erwiderte er knapp. "Ist mir egal, wie deine Wohnung aussieht. Ich will nur kurz mit dir reden." Wortlos trat er beiseite und ich konnte endlich in die Wohnung. Es war still und von den Katzen war nichts zu sehen. Ich ließ meine Jacke lieber an, da ich das ungute Gefühl hatte, gleich wieder rausgeschmissen zu werden, dabei hatte ich nicht einmal etwas Schlimmes getan. Ich hatte keine Zettel geschrieben und sie in seinen Briefkasten geworfen. Ich schlüpfte lediglich aus meinen Schuhen und sah Karyu wieder an, der einfach an der Wohnungstür stehen blieb. "Also, ich...Ich hab nichts mehr von dir gehört, seit..seit der Nacht letztens und...ich hab mir Sorgen gemacht. Ich wollte mal nach dir schauen und...hier bin ich." Schüchtern lächelte ich ihn an, aber ich fühlte mich unwohl. Er starrte mich so komisch an. Er war betrunken, das ahnte ich, und mit Betrunkenen zu reden, wenn man es nicht selbst auch war, das...war ganz schlecht. Vor allem ich konnte mit den Menschen dann nicht umgehen. "Ja...du siehst, ich lebe noch." Ich nagte an meiner Unterlippe. "Mh...was ist denn los? Hattest du so viel zu tun?" Er nickte. "Hatte viel um die Ohren.." "Hast du denn jetzt etwas Zeit? Es ist doch..alles in Ordnung zwischen uns, oder?", erkundigte ich mich vorsichtig. Karyu fuhr sich seufzend mit der Hand über das Gesicht. "Ich möchte jetzt nicht darüber reden, ja? Ich hatte einen furchtbaren Tag, bitte geh einfach wieder." Verständnislos blickte ich ihn an. Er schickte mich tatsächlich weg? "Was ist denn nur passiert? Ist es der Sex, der dich stört? Du hast doch so große Töne-..." "Es dreht sich nicht immer nur alles um dich!", unterbrach er mich gereizt, woraufhin ich sofort verstummte. "Es geht nicht um den verdammten Sex. Ich hab das für mich schon abgehakt, macht dir keine Sorgen! Ich geh dir damit nicht auf den Sack. Aber wie ich schon sagte, ich hatte einen furchtbaren Tag, also bitte...lass mich in Ruhe." Befremdet betrachtete ich ihn. Dass er mich so anfuhr, passte nicht zu ihm. "Hast du deswegen getrunken?", wollte ich leise wissen, woraufhin er den Kopf hängen ließ. "Und wenn schon. Ist doch scheißegal. Willst du jetzt meine Mama spielen?" "Nein...nein, bitte, reg dich doch nicht auf", bat ich ihn leise. "Ich möchte dir helfen. Für dich da sein. Wir sind doch Freunde." Ein müdes Lächeln schlich über Karyus Lippen. "Schön, dass du das auch endlich erkannt hast..." Ich runzelte die Stirn. "Man, was soll denn das? Du sagst, du hattest einen schrecklichen Tag. Okay, das hat jeder mal. Aber musst du mich deswegen wie Dreck behandeln? Ich biete dir an, dir zuzuhören! Das kann ich sogar um Längen besser als reden und diskutieren! Also sei doch bitte etwas netter. Warum willst du mich loswerden? Du bist auch für mich da, wenn ich irgendwas habe..", sagte ich missgestimmt und bereute meine harten Worte gleich wieder. Ich nahm mir zu viel raus. Jetzt war er sicher so richtig wütend auf mich.. Lange starrte Karyu mich an. Kurzzeitig hatte ich das Gefühl, die Botschaft wäre bei ihm angekommen. Seine Augen flackerten für einen Moment. Und dann fiel mir der feuchte Glanz in ihnen auf. Heute musste wirklich ein schlimmer Tag gewesen sein. Ich glaubte zu wissen, warum er mich loswerden wollte. "Geh bitte", murmelte er und streckte schon die Hand aus, um die Wohnungstür wieder zu öffnen, aber in diesem Augenblick trat ich auf ihn zu und schlang einfach die Arme um seine Mitte. Ich spürte, wie er die Hand wieder sinken ließ. Allerdings nur, um mich von sich zu schieben. "Zero, nich heute. Nich jetz, ok?" Er machte sich sanft von mir los und schlurfte ins Wohnzimmer. Er ließ mich einfach im Flur stehen. Mit leicht zitternder Unterlippe sah ich ihm hinterher, dann folgte ich ihm und blieb an der Couch stehen. Der flache Tisch daneben wurde von zwei Flaschen Bier und einer großen, dunklen Flasche geziert, deren Inhalt mir schleierhaft war. Aber sicher war es Alkohol. Es war einerlei, welcher. "Kannst du mir einen Grund nennen? Warum willst du mich denn..nicht bei dir haben?", wollte ich leise wissen, wobei ich spürte, wie meine Unterlippe zu zittern begann. Karyu schien es auch zu bemerken. Er musterte mich eingehender. "Weinst du jetz?" Ich schüttelte leicht den Kopf. "Nein..", murmelte ich mit dünner Stimme. Ich hätte nicht mit solch einer Zurückweisung seinerseits gerechnet, damit konnte ich nicht besonders gut umgehen. "Ich geh ja schon..", fügte ich hinzu und wandte mich um. Am Ende brachte er mich noch wirklich zum Heulen! Darauf hatte ich jetzt keine Lust. Er war durch den Wind und ich war gewillt, ihm zu helfen, aber wenn er es partout nicht wollte, dann würde ich ihn dazu sicher nicht zwingen. Unvermittelt schlossen sich seine langen, warmen Finger um mein Handgelenk. "Warte..." Ich blieb stehen, wandte ihm aber weiterhin den Rücken zu. "Es tut mir leid." Mehr sagte er nicht, hielt mich aber weiterhin fest. Ich erwiderte nichts darauf. Für ein paar Sekunden nagte ich unschlüssig an meiner Unterlippe, dann drehte ich mich schließlich doch langsam um. Karyus Augen glänzten verräterisch, während er zu mir aufsah. "Du bist traurig, das ist okay. Und ich bin dafür da, um dich dann zu trösten, aber du...du schmeißt mich ziemlich ungalant raus und gibst mir das Gefühl, ich hätte dir was getan." Er sagte nichts darauf, sondern senkte nur den Blick, weswegen ich leicht die Stirn runzelte. Er war doch sonst so gesprächig. "Mach das bitte nicht.." Er strich sich über die Augen und ließ mich langsam los. "Ja, ok...es tut mir ja leid. Ich..." Er lächelte mich schief an. Aber es war ziemlich trauriges Lächeln. "Ich weiß, dass man dich verdammt leicht verschrecken kann. Das will ich gar nicht", sagte er und sah wieder weg. Mir schien es, als wenn er noch etwas sagen wollte, aber er tat es nicht. Um Himmels willen... Kurzerhand setzte ich mich neben ihn auf die Couch. "Was ist passiert?" Er verzog das Gesicht und schloss für einen Augenblick die Augen. "Scheiß-Tag", murmelte er leise, woraufhin ich ihn nochmals in die Arme nahm. Diesmal stieß er mich nicht von sich. Als ich ihn schniefen hörte, seufzte ich lautlos. Ich hatte zwar gesagt, dass ich für ihn da war und ihn trösten konnte, aber heulende Menschen machten mich eigentlich furchtbar nervös. Ich wusste immer nicht, was ich tun sollte, mir fielen nur leere Worte ein. Meistens blieb ich daher stumm, was mir aber auch nicht gerade sinnvoll vorkam. Bekümmert strich ich Karyu über den Rücken. "Was ist denn nur passiert?", wisperte ich leise, während ich spürte, wie er sich an mich klammerte. "Das Krankenhaus treibt mich während meiner letzten Tage vor der Prüfung in den Wahnsinn", murmelte er. "Ich möchte gerade aber wirklich nicht drüber reden. Sei mir nicht böse..." "Okay. Ist okay", versicherte ich ihm leise. Dann würden wir nicht drüber reden, das war mir auch recht. Ich umarmte ihn einfach noch ein bisschen länger. Solange er mich nicht raus schmiss, war ich recht zufrieden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)