Mesh Of Lies von kleines-sama (DoflamingoxCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Crocodile fühlte sich, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen werden. Er bemühte sich um einen selbstsicheren und gefassten Gesichtsausdruck, der ihm jedoch nicht allzu gut gelang. Was kein Wunder war, wenn man bedachte, womit er gerade konfrontiert wurde. „... im Namen des Unternehmens wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle“, beendete Sengoku schließlich seinen Monolog. Crocodile arbeitete als Manager in einer der erfolgreichsten Banken des Landes. Obwohl, halt, nein, diese Aussage stimmte ja jetzt nicht mehr. Er hatte als Manager in einer der erfolgreichsten Banken des Landes gearbeitet. Jetzt war er arbeitslos. Eine Tatsache, die nur sehr langsam bis zu Crocodile durchdrang. Vor allen Dingen, weil er überhaupt nicht damit gerechnet hatte, gekündigt zu werden. Natürlich hatte ihm bereits Böses geschwant, als Sengoku ihm nach dem heutigen Meeting zu einem Gespräch unter vier Augen in sein Büro gebeten hatte. Und natürlich war er sich dessen bewusst, dass die letzten beiden Monate für die Bank sehr schwierig gewesen waren; und dass er verantwortlich dafür war. Beinahe die Hälfte der Mitarbeiter in seiner Abteilung mussten deswegen entlassen werden. Aber, verdammt nochmal, Fehler passierten jedem mal, sogar dem Allerbesten. Und er hatte sich bereits darum bemüht, den Schaden so klein wie irgendwie möglich zu halten. Ihm zu kündigen, fand Crocodile, nützte der Bank überhaupt nichts. Dadurch würde der finanzielle Schaden, den er verursacht hatte, auch nicht rückgängig gemacht werden. Ganz im Gegenteil: Mit ihm verlor die Bank einen ihrer kompetentesten Mitarbeiter. Er verlor jede Möglichkeit, den Fehler wiedergutzumachen. Bei dieser Kündigung handelte es sich nicht um eine vernünftige und notwendige Entscheidung. Sondern um eine Bestrafung. Eine Lektion, die man ihm erteilte. Crocodile presste seine Zähne aufeinander. Sengoku hatte ihn niemals leiden können, was seit jeher auf Gegenseitigkeit beruht hatte. Und jetzt nutzte sein Vorgesetzter die erstbeste Gelegenheit, um ihm sein Versagen unter die Nase zu reiben und ihn loszuwerden. Als Crocodile dies begriff, wich die Fassungslosigkeit, die eben über ihn hereingebrochen war wie eine Tsunamiwelle, heißer Wut. Dieser verdammte Bastard! Sengoku, der immer so verständnisvoll und freundlich wirkte, war doch in Wirklichkeit eine hinterlistige Schlange. Crocodile hatte es immer gewusst! Und nun kam die Wahrheit ans Licht. Als sein Gegenüber noch immer nichts sagte -außer durch Lippen aufeinander pressen und Hand zur Faust ballen überhaupt nicht auf das Gesagte reagierte-, fügte Sengoku noch hinzu: „Die schriftliche Kündigung lassen wir Ihnen per Post zukommen. Selbstverständlich respektieren wir Ihr Recht auf eine achtwöchige Kündigungsfrist. Allerdings steht Ihnen keinerlei Abfindung zu, da es sich nicht um eine betriebsbedingte Kündigung handelt.“ Einen Moment lang zögerte er noch, dann meinte er: „Nehmen Sie das bitte nicht so schwer, Sir Crocodile. Ich bin mir sicher, dass ein Mann mit Ihren Qualifikationen sehr schnell eine neue Anstellung finden wird.“ Er stand von seinem mit Leder überzogenen Drehstuhl auf und beugte sich über seinen großen Schreibtisch aus Mahagoni, um Crocodile die Hand zu schütteln, ehe er ihn dann seines Büros verweisen würde. Crocodile stand ebenfalls auf, ignorierte jedoch die Hand, die Sengoku ihm hinhielt. Es ging ihm nicht nur darum, dass er gekündigt worden war. Sondern auch darum, auf welche Art und Weise Sengoku mit ihm umging. Er behandelte ihn wie einen dummen Schuljungen, dessen Praktikum frühzeitig beendet wurde, weil er selbst für die simpelsten Aufgaben zu untalentiert war. Crocodile fühlte sich beleidigt und herabgesetzt. Er war ein Manager einer der erfolgreichsten Banken des ganzen Landes, verdammt nochmal, er ging jeden Monat mit einem vierstelligen Gehaltscheck nach Hause! Und ein solch hinterhältiges Verhalten würde er nicht tolerieren! „Wenn Sie mir kündigen wollen“, erwiderte Crocodile schließlich, „gut, fein, dann ist das Ihre Sache. Aber tun Sie nicht so, Sengoku, als würden Sie es bedauern, dass ich gehe. Einen auf Verständnisvoll können sie von mir aus bei den Idioten machen, die schon seit Jahrzehnten bei Ihnen arbeiten und Ihnen diesen Mist tatsächlich abkaufen; aber halten Sie mich gefälligst nicht für einen solchen Idioten. Sie sind ein verdammter Bastard, Sengoku, das wusste ich schon, als ich Sie das erste Mal gesehen habe. Und dass ich gekündigt werde, hat wenigstens den Vorteil, dass ich nicht mehr ständig in Ihre Scheiß-Fresse schauen muss.“ Nachdem er das gesagt hatte, drehte Crocodile sich um und legte sich seinen Mantel, den er über die Stuhllehne gehangen hatte, über die Schultern. Auf dem Weg zur Tür zeigte er Sengoku seinen Mittelfinger, ehe er -ohne sich noch einmal umzusehen- aus dem Büro seines ehemaligen Vorgesetzten verschwand. Crocodile verließ das Gelände der Bank und zündete sich eine Zigarre an. Noch immer war er furchtbar wütend und fühlte sich -wenn er ganz ehrlich war- sehr verletzt. Er hatte mit einer Rüge gerechnet, Zwangsurlaub, einer Gehaltskürzung - aber nicht mit einer Kündigung. Nachdem er seine Zigarre aufgeraucht hatte, beschloss Crocodile, dass er den heutigen Arbeitstag nicht zu Ende führen würde. Dazu war er, anbetracht seiner emotionalen Lage, definitiv nicht mehr in der Lage. Außerdem wollte er Sengoku nicht noch einmal über den Weg laufen. Crocodile war nicht feige; und er schämte sich auch nicht, weil er seinen ehemaligen Vorgesetzten so derbe beleidigt hatte - er wollte lediglich vermeiden, dass Sengoku womöglich mitbekam, wie sehr ihn diese Kündigung tatsächlich mitnahm. Crocodile ging zu seinem Auto hinüber, einem Mercedes C 216 Coupè. Der Wagen war brandneu und hatte etwa 100.000 Berry gekostet. Er stand auf dem eigens für ihn reservierten Parkplatz auf dem Privatgelände der Bank. Rechts daneben stand der Wagen von Sengoku, links der von Akainu. Sengoku fuhr einen BMW M6 Gran Coupè; Akainu einen Cadillac CTS-V Coupé. Unwirsch öffnete Crocodile die Tür und stieg in sein Auto ein. Auf dem Weg nach Hause hielt Crocodile bei irgendeinem x-beliebigen Supermarkt. Er kaufte sich ein paar Flaschen Schnaps und Wodka. Zuhause trank er nämlich eigentlich nur Wein. Kaum war Crocodile über die Türschwelle in seine Loft-Wohnung getreten, wurde ihm das volle Ausmaß seiner jetzigen Situation klar. Wehleidig ließ er seinen Blick über die Wohnung und ihre Einrichtung schweifen: den teuren Parkettboden, die hochwertige Küche, die nach seinem Wunsch angefertigten Möbel, den Whirlpool... All diese und noch weitere Dinge, die sich über die 250 Quadratmeter erstreckten, hatte er noch nicht abbezahlt. Genauso wie sein Auto. Er arbeitete erst seit etwa zwei Jahren für die Bank und hatte fest damit gerechnet, für noch mindestens zehn oder fünfzehn Jahre dort angestellt zu bleiben. Mehr als genug Zeit, um die teuren Luxusgüter zu bezahlen, hatte er geglaubt. Nun, daraus würde nun nichts mehr werden. Er konnte seine zweimonatige Kündigungsfrist wahrnehmen, aber danach würde er sich nach einer neuen Arbeit umsehen müssen. Falls er denn überhaupt ein Unternehmen fand, das ihn als Manager haben wollte. Zwar stellte sich die gute Bezahlung für üblich ganz von selbst ein, zumindest wenn man für ein oberklassiges Unternehmen arbeitete, doch erst einmal eine vernünftige Anstellung zu finden, stellte die allergrößte Hürde dar. Vor allen Dingen in der derzeitigen Wirtschaftslage! Crocodile ging ins Wohnzimmer hinüber und ließ sich auf die teure, noch nicht abbezahlte Ledercouch sinken. Die Tüte, in der sich der eingekaufte Alkohol befand, nahm er mit und stellte sie neben sich auf der Sitzfläche der Couch ab. Schreckliche Vorstellungen brachen über ihn herein. Was würde geschehen, wenn er auf Anhieb keine neue Arbeit finden würde? Dann könnte er seine Kredite nicht mehr bezahlen. Seine Wohnung sowieso nicht, die zum Glück allerdings bloß gemietet war. Gerichtsvollzieher würden kommen und ihm seine Möbel und seinen Schmuck wegnehmen, sein Auto auch, damit diese Sachen verkauft und der Erlös an seine Gläubiger gezahlt werden könnte. Er würde in eine winzige, vom Staat bezahlte Wohnung ziehen müssen. Im Supermarkt mit Lebensmittelmarken bezahlen. Die Kleidung im Discounter kaufen. Womöglich würde er sogar im Obdachlosenheim landen... Bei diesem Gedanken lief Crocodile ein eiskalter Schauer über den Rücken. Mit zittrigen Händen öffnete er den Verschluss der Schnapsflasche, die er aus der Einkaufstasche fischte, und nahm zwei große Schlücke von dem hochprozentigen Alkohol. Kaum spürte er, wie die Flüssigkeit in seiner Kehle brannte, fühlte er sich gleich ein wenig besser. Er ermahnte sich dazu, Ruhe zu bewahren. Natürlich war er nach dem Gespräch mit Sengoku ein wenig in Panik geraten. Das wäre jeder, wenn er seine Arbeit unerwartet verloren hätte. Doch jetzt ging es darum, realistisch zu bleiben! Im Obdachlosenheim würde er mit Sicherheit nicht enden! Crocodile trank ein paar weitere Schlücke. Heute war Freitag; er musste erst am Montag wieder zur Arbeit erscheinen. Heute Abend würde er sich eine Auszeit nehmen, entschied Crocodile. Er würde ein wenig Alkohol trinken und fernsehen oder ein Buch lesen. Er brauchte ein wenig Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, gekündigt worden zu sein. Morgen würde er sich dann ganz genau mit seinen Finanzen beschäftigen. Nachlesen, welche Dinge er inwieweit bereits bezahlt oder eine Anzahlung geleistet hatte und was noch völlig offenstand. Dann würde er würde er sich mit seinem Kontostand und den drei Gehaltschecks, die er dank seiner Kündigungsfrist noch bekommen würde, auseinandersetzen. Es war wichtig und unumgänglich, dass er ein realistisches Bild von seiner finanziellen Situation erhielt. Vielleicht war ja doch alles gar nicht so schlimm wie er dachte. Crocodile lehnte sich zurück und trank einen weiteren Schluck Schnaps. Er würde gleich zum nächsten Monat hin ausziehen und sich eine kleinere und preisgünstigere Wohnung suchen, dann müsste er zumindest nicht mehr die hohe Miete für die Loft-Wohnung aufbringen. Vielleicht könnte er sogar mit dem Vermieter absprechen, dass dieser seine Küche übernahm und ihm abkaufte. Dann hätte er zumindest zwei Probleme weniger. Na also, dachte sich Crocodile und schaltete den Fernseher ein. Es war doch alles nur halb so schlimm. Er würde sich einschränken müssen, natürlich. Er würde in eine kleinere Wohnung ziehen müssen, seine neue Küche aufgeben müssen, womöglich sogar seinen brandneuen Mercedes verkaufen müssen - doch das waren Dinge, mit denen er leben könnte, wenn es eben nicht anders ging. Irgendwann würden wieder bessere Zeiten kommen und dann würde er sich erneut jeden erdenklichen Luxus leisten können. So langsam beruhigte Crocodile sich wieder. Nun, er würde für ein paar Jahre das Leben eines mittelklassigen Menschen führen müssen, ohne Loft-Wohnung, ohne Mercedes CL-Klasse, ohne Whirlpool und ohne maßgeschneiderte Anzüge, aber das würde er durchstehen. Er seufzte und trank den letzten Schluck Schnaps aus der Flasche. Crocodile ging in die Küche hinüber und holte sich ein großes Glas sowie eine Flasche Orangensaft. Danach ließ er sich erneut auf der Couch nieder, legte die Füße hoch und zappte wahllos durch die Kanäle. Als das Glas Wodka-Orange, das er sich gemixt hatte, leer getrunken war, fühlte Crocodile sich beinahe wieder völlig ruhig und gelassen. Bis ihm Donquixote Doflamingo einfiel. Das leere Glas, das Crocodile noch in der Hand gehalten hatte, zerplatzte in dutzende Scherben, die auf der Ledercouch und dem Parkettboden landeten. Donquixote Doflamingo war der Mann, mit dem er seit etwa sechs Monaten in einer Beziehung war. Einer Liebesbeziehung. Die meisten Leute reagierten sehr verwundert, sogar schockiert, wenn sie erfuhren, dass Sir Crocodile nicht an Frauen interessiert war. Wenn sie an das Wort Homosexualität dachten, kamen ihnen langhaarige Männer in den Sinn, die schrille Kleidung trugen, sich schminkten und geschwollen redeten. Ganz zu schweigen von Dingen wie Sex auf öffentlichen Toiletten und Aids. Nun, keines dieser Vorurteile traf auf Crocodile zu (außer vielleicht die Sache mit dem Haar. Seine Haare, die er stets zurückgekämmt trug, ließ er bis fast zu den Schultern wachsen, ehe er wieder zum Friseur ging.) In seinem Leben hatte er bereits mehrere feste Beziehungen geführt, von denen die längste fünf Jahre lang gehalten hatte. Sein letzter Partner war Smoker gewesen, ein Polizist, von dem er sich vor drei Jahren getrennt hatte. Ihre Beziehung hatte etwa eineinhalb Jahre lang gehalten. Sein jetziger Exfreund hatte sich jedoch immer weiter von ihm distanziert, je ernster es wurde, bis es Crocodile irgendwann zu viel geworden war und er die Beziehung beendet hatte. Worüber Smoker nicht allzu unglücklich gewesen zu sein schien. Doflamingo hatte er vor ein wenig mehr als einem halben Jahr bei einem Geschäftsessen kennengelernt. Er war ein wichtiger Kunde der Bank, die ihm heute gekündigt hatte. Der Mann, der fünf Jahre jünger war als er, war sofort begeistert von Crocodile gewesen und hatte aus seiner Zuneigung kein Geheimnis gemacht. Zuerst hatte Crocodile sich ein wenig überrannt gefühlt und war sehr verunsichert gewesen. Er war zu diesem Zeitpunkt zwar bereits seit längerem wieder single gewesen, sich allerdings trotzdem nicht sicher, ob er Lust auf eine neue Beziehung hatte. Vor allen Dingen mit einem Mann wie Donquixote Doflamingo. Sein Partner legte nämlich ein überaus exzentrisches Verhalten an den Tag, was genauso für dessen Garderobe galt. Jedenfalls war er nach ein paar Wochen, in denen Doflamingo einfach nicht von ihm abgelassen hatte, schließlich auf dessen Avancen eingegangen und hatte sich zu einem Date überreden lassen. Auf dieses erste Date war rasch ein zweites gefolgt, danach ein drittes, und ehe er sich versehen hatte, war aus der zufälligen Bekanntschaft eine Liebesbeziehung geworden. Während Crocodile sich bückte, um die größeren Scherben aufzusammeln (was mit einer Hand gar nicht so einfach war wie es aussah), fragte er sich, wie sein Partner wohl auf seine jetzige Situation reagieren würde. Doflamingo hatte ihn als einen neureichen und erfolgreichen Manager kennengelernt, der viel Wert auf eine exquisite Lebensqualität legte und ein schnelles Auto fuhr. Crocodile hielt seinen Partner nicht für so oberflächlich, dass er sich aus diesem Grund von ihm trennen würde, doch er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Doflamingo allzu begeistert sein würde, wenn sein Freund in eine günstigere Wohnung ziehen und den Mercedes CL-Klasse gegen einen Mittelklasse-Wagen eintauschen müsste. Crocodile richtete sich auf, ging in die Küche hinüber und warf die Glasscherben in den Mülleimer. Sie waren erst seit sechs Monaten ein Paar. Das war noch nicht sonderlich lange, fand Crocodile und fragte sich, ob ihre Beziehung einen solchen Schlag aushalten würde. Nachdem er das Wohnzimmer staubgesaugt und sich ein neues Glas Wodka-Orange besorgt hatte, beschloss Crocodile, Doflamingo erst einmal nichts von der Kündigung zu erzählen. Er wollte ihre Beziehung noch nicht mit so einem großen Problem belasten, nicht nach zarten sechs Monaten. Und wer wusste denn, ob sich seine Probleme womöglich doch noch relativ schnell lösen ließen? Vielleicht fand er ja gleich auf Anhieb eine neue Einstellung und Doflamingo würde niemals von der ganzen Sache erfahren? Das war ein sehr optimistischer Gedanke, doch Crocodile klammerte sich verzweifelt an jeden Strohhalm, den er zu fassen bekam. * Der nächste Tag war ein Samstag und Crocodile schlief bis in den Nachmittag hinein. Er hatte viel Alkohol getrunken und die Sorgen hatten ihn lange wachgehalten. Als er schließlich aufstand, ging er als erstes in die Küche hinüber und trank fast einen ganzen Liter stilles Mineralwasser, um gegen den schlimmen Kater, der sich pochend in seinem Kopf breitmachte, anzukämpfen. Danach duschte er kurz. Heute Abend wollte Doflamingo vorbeikommen, das hatten sie bereits am Anfang der Woche ausgemacht. Gegen achtzehn Uhr hatte sich sein Freund angekündigt, erinnerte Crocodile sich, was bedeutete, dass dieser wahrscheinlich nicht vor neunzehn Uhr auftauchen würde. Doflamingo kam nämlich immer und zu jeder Gelegenheit zu spät. Sogar bei dem Geschäftsessen, an dem sie sich kennengelernt hatten, war er über eine halbe Stunde zu spät gekommen. Normalerweise verabscheute Crocodile, der seinerseits ein überaus genauer und pedantischer Mensch war, Unpünktlichkeit; heute jedoch begrüßte er diesen Umstand. Denn schließlich hatte er sich vorgenommen, seine finanzielle Situation zu sichten. Und wenn er bedachte, für wie viele verschiedene Dinge er Kredite aufgenommen oder auf eine Ratenzahlung bestanden hatte, dann konnte er sich sicher sein, dass er allein dafür sicherlich mindestens zwei oder drei Stunden veranschlagen konnte. Mit einem weiteren Liter stillem Mineralwasser gewappnet (er hatte einen sehr empfindlichen Magen und vertrug darum unter Anderem keine koffeinhaltigen Getränke wie Kaffee) setzte Crocodile sich also an den Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und verbrachte die nächsten zweieinhalb Stunden damit Kontoauszüge, Verträge, Briefe und allerhand andere Dokumente zu überfliegen. Es war fünf Minuten vor achtzehn Uhr, als er schließlich zu einem vorläufigen Ergebnis kam. Wenn er die noch nicht abbezahlten Möbel, die Küche, den Mercedes C 216 sowie die Miete für den nächsten Monat zusammenrechnete und die Zinsen für die Kredite addierte, dann kam er auf insgesamt 550.550 Berry Schulden. Crocodile schrieb diese Zahl auf ein Blatt Papier, unterstrich sie doppelt und kreiste sie dann ein. „Mehr als eine halbe Million Berry“, flüsterte er verzweifelt und ließ dann den teuren Kugelschreiber auf den Schreibtisch fallen. „Fünfhundertfünzigtausendfünfhundertfünzig Berry Schulden.“ Wie sollte er diese gewaltige Summe nur aufbringen? Er bekam dank seiner Kündigungsfrist bloß noch drei Gehaltschecks vor seiner endgültigen Entlassung. Und selbst wenn er alles Geld, das er von der Bank noch bekommen würde, aufwendete, wären vielleicht gerade einmal die Hälfte der Schulden getilgt. Crocodile schluckte hart und begann wieder zu rechnen. Sein Mercedes C 216 war brandneu und hatte etwa 100.000 Berry gekostet, machte also allein bereits fast ein Fünftel der Schulden aus. Wenn er ihn verkaufte, bekäme er dafür vielleicht um die 70.000 oder 80.000 Berry. Die Küche in seiner Loft-Wohnung hatte neu 30.000 Berry gekostet. Wenn er den Vermieter dazu überreden könnte, sie zu übernehmen, bekäme er dafür vielleicht um die 20.000 oder 25.000 Berry. Wenn man diese Beträge abbrechnete, dann hatte er (bestenfalls) nur noch … 445.550 Berry Schulden. „Vierhundertfünfundvierzigausendfünfhundertfünzig Berry.“ Crocodile schlug die Arme über den Kopf zusammen. 445.550 Berry klang nicht viel besser als 550.550 Berry. Und in dieser Rechnung hatte er bereits sowohl sein neues Auto als auch seine neue Küche verkauft! „Wohin soll das nur führen?“, fragte Crocodile sich selbst und spürte, dass Verzweiflung sich in seinem Körper ausbreitete. „Im schlimmsten Fall lande ich wohl doch noch in einer Sozialwohnung.“ Das laute Geräusch der Türklingel riss Crocodile aus seinen Gedanken und ließ ihn aufschrecken. Für einen Moment konnte er es gar nicht einordnen, dann erinnerte er sich an seine Verabredung mit Doflamingo und warf verwundert einen Blick auf die Uhr (1.000 Berry hatte er für die blöde Uhr ausgegeben, schoss ihm durch den Kopf), die zehn Minuten nach sechs Uhr anzeigte. Crocodile seufzte ein wenig enttäuscht auf und ging in den Flur hinüber, um Doflamingo die Türe zu öffnen. Seit Beginn ihrer Beziehung war sein Partner niemals weniger als eine halbe Stunde zu spät gekommen. Unter anderen Umständen hätte Crocodile sich über diese Verhaltensverbesserung sehr gefreut, doch heute ärgerte er sich ein wenig darüber. Er hatte gehofft, noch ein oder zwei Gläser Wein trinken zu können, ehe er sich mit seinem Freund auseinandersetzen musste. Doflamingo kam eilig die Treppe in den ersten Stock hoch gelaufen und stürmte Crocodile in die Arme, kaum hatte dieser die Wohnungstüre für ihn geöffnet. „Wani!“, trällerte sein Partner gut gelaunt, während sie hineingingen und Crocodile die Türe hinter ihnen schloss. Kaum hatte Doflamingo den ersten Schritt in seiner Wohnung getan, spürte Crocodile, wie sich sein Magen verkrampfte und sich in seinem Hals ein dicker Kloß bildete. Bis vor fünf Minuten war es ihm den Umständen entsprechend eigentlich recht gut gegangen, doch nun fühlte er sich plötzlich schrecklich elend. Er spürte, dass Doflamingo ihm unter seiner Sonnenbrille einen besorgten und misstrauischen Blick zuwarf. „Ist alles okay mit dir, Croco? Macht dir dein Magen wieder zu schaffen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. War er so leicht zu durchschauen? Um ehrlich zu sein hatte er nicht damit gerechnet, dass sein Partner spüren würde, dass etwas nicht in Ordnung war, noch ehe er auch nur ein Wort gesagt hatte. Allem Anschein nach konnte Doflamingo in ihm lesen wie in einem offenen Buch. Trotzdem schüttelte Crocodile den Kopf und ging ins Wohnzimmer hinüber. „Es ist alles in Ordnung“, sagte er, ohne dass Doflamingo sein Gesicht sehen konnte, „ich war nur bis gerade eben noch im Arbeitszimmer beschäftigt.“ Und um das Thema zu wechseln, fügte er hinzu: „Eigentlich habe ich erst gegen sieben mit dir gerechnet.“ Doflamingo, der neben ihm auf der Couch saß, blies seine Backen auf und schob die Unterlippe hervor. „Für so unzuverlässig hältst du mich also, ja?“ Trotz des Knotens in seinem Magen und dem Kloß in seinem Hals konnte Crocodile ein leises Lachen nicht unterdrücken. Es war wirklich unglaublich, wie schnell Doflamingo es schaffte, seine Laune zu verbessern und ihn von seinen Sorgen abzulenken. „Jetzt tu doch nicht gespielt beleidigt“, erwiderte er und stupste mit seinem Fuß (Zuhause trug er nie Schuhe) gegen Doflamingos Schienbein, „du weißt selber genau, dass du immer unpünktlich bist.“ „Nicht immer“, konterte Doflamingo und rückte ein wenig näher zu ihm heran, „bei unseren ersten Date bin ich pünktlich gewesen. Und beim zweiten auch.“ „Beim zweiten bist du fünf Minuten zu spät gekommen“, korrigierte Crocodile ihn, „und an dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, sogar mehr als eine halbe Stunde.“ „Ja, ich erinnere mich, du hast Recht“, gab Doflamingo zu und beugte sich zu ihm hinunter, „aber zu dem Zeitpunkt habe ich ja auch noch nicht gewusst habe, wen ich bei diesem Geschäftsessen kennenlernen würde. Hätte ich vorher gewusst, dass ich auf dich treffen würde, wäre ich mit Sicherheit pünktlich gekommen. Vielleicht sogar ein bisschen zu früh.“ Und mit diesen Worten legte Doflamingo ihm einen Arm um die Taille und drückte ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Crocodile schloss seine Augen und ließ sich auf den Kuss ein. Er spürte Doflamingos Zunge in seinem Mund. An seiner eigenen Zunge, an seinen Lippen, seinen Zähnen. Eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen, als er merkte, dass er in den Kuss hineinstöhnte. Es war ein sehr leises Geräusch, doch Crocodile war sich sicher, dass Doflamingo es gehört hatte. Er spürte, wie der Griff um seine Taille fester wurde. „Wir haben uns viel zu lange nicht mehr gesehen“, meinte Doflamingo, als sie den Kuss beendet hatten. Ihr letztes Treffen war am Montagnachmittag gewesen; das war noch nicht einmal eine Woche her, doch Crocodile machte sich nicht die Mühe Doflamingo zu berichtigen. Stattdessen nickte er bloß benommen. Er fühlte sich gerade sehr wohl. Hier, in Doflamingos Armen und nach ihrem berauschenden Kuss, kamen ihm seine Kündigung und seine Schulden sehr weit weg vor. Doflamingo küsste ihn noch einmal. Es war kein fordernder oder gieriger, sondern ein sehr liebevoller und bedächtiger Kuss. Die Finger an seiner Taille begannen diese sanft zu streicheln, während die Finger der anderen Hand über seine Brust strichen. Crocodile fuhr mit seiner Zunge Doflamingos Unterlippe nach. Eigentlich war er der Meinung gewesen, dass er heute sicherlich keine Lust auf Sex bekäme, ganz gleich welche Verführungskunst Doflamingo auch anwenden würde. Jetzt wurde er allerdings eines besseren belehrt. Die Gedanken an seine finanzielle Situation rückten in Crocodiles Kopf ganz weit nach hinten, während er sich stattdessen lieber auf Doflamingos Hand konzentrierte, die nun langsam -fast schon ärgerlich langsam- seinen Hosenbund nachfuhr. Es wunderte Crocodile, dass Doflamingo ihn heute so sanft und ohne jede Hektik verführte. Normalerweise schälte sein Freund ihn so schnell wie möglich aus seiner Kleidung und legte dann sofort mit voller Power los. Heute jedoch schien Doflamingo aus irgendeinem Grund viel ruhiger und geduldiger zu sein. Nicht, dass Crocodile sich daran stören würde. Ganz im Gegenteil: Er spürte, dass ihm die Geborgenheit, die sein Partner ihm vermittelte, unglaublich gut tat. Doflamingo machte sich an Crocodiles Gürtel zu schaffen, was dieser geschehen ließ ohne sich zu wehren oder etwas einzuwenden. Er legte sein steifes und pochendes Glied frei, indem er ihm die Hose und Boxershorts ein Stück nach unten über den Hintern und die Oberschenkel zog. Als Doflamingo mit seiner Hand endlich nach seinem Penis griff, konnte Crocodile ein erwartungsvolles Stöhnen nicht unterdrücken. Er war es nicht gewohnt, dass Doflamingo so langsam vorging, und darum machte ihn diese Behandlung verrückt. Bevor dieser damit begann, sein Glied zu pumpen, glitt er mit seinen Händen über den Schaft, die Eichel, seine Hoden und das Innere seiner Oberschenkel, als hätte er diese Stellen seines Körpers noch nie zuvor gesehen. Crocodile seufzte wohlig und vergrub das Gesicht in die Halsbeuge von Doflamingo. An dieses Verwöhnprogramm könnte er sich durchaus gewöhnen, fand er. Crocodile hätte es gerne noch weiter genüsslich über sich ergehen lassen, doch natürlich war er sich dessen bewusst, dass auch sein Partner inzwischen eine Erektion haben würde, um die sich gekümmert werden musste. Mit seiner rechten Hand rieb er über die dicke Beule, die sich unter Doflamingos Hose abzeichnete und machte sich daran, dessen Gürtel zu öffnen. Zu seiner Verwunderung allerdings schob Doflamingo seine Hand zur Seite, sobald er nach dessen Glied greifen wollte. Crocodile warf ihm einen verwirrten Blick zu. Er verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. Hatte sein Freund plötzlich keine Lust mehr auf sexuelle Aktivitäten? Aber Doflamingo wollte doch immer Sex! „Lass mal gut sein“, schnurrte dieser und löste sich aus der Umarmung mit Crocodile, der noch immer nicht verstand, was da vor sich ging. Anstatt sich zu erklären, legte Doflamingo seine Sonnenbrille ab und deponierte sie auf dem Couchtisch. Dann glitt er selbst von der Couch, kniete sich vor Crocodile hin und zog ihm die Hose und Boxershorts bis zu den Fußknöcheln hinunter. Bei diesem Anblick spürte Crocodile wie sich die feinen Haare auf seinen Armen und in seinem Nacken aufstellten und sein steifes Glied aufgeregt pochte. Er lehnte sich zurück, schloss jedoch nicht die Augen. Tatsächlich war er nicht dazu in der Lage den Blick von seinem Partner abzuwenden. Doflamingo, der vor ihm auf den Fußboden kniete und ihn aus seinen stechend grünen Augen heraus ansah, während er mit seiner Zunge die Spitze seines Glied kostete, war einfach ein zu heißer Anblick. Crocodile stöhnte laut, als Doflamingo den Mund um seine Eichel schloss und langsam zu saugen begann. Crocodile hatte das Gefühl, in einer anderen Dimension zu schweben. In einer Dimension, in der es weder Kündigungen noch Schulden gab; sondern nur die Wärme und Feuchtigkeit von Doflamingos Mund, der sein Glied verwöhnte. Er saugte, leckte und küsste, während er zwischendurch seine geschwollenen Hoden massierte. „Oh... Ich komme gleich, Doffy!“, warnte Crocodile mit heiserer Stimme, weil er es selbst überhaupt nicht leiden konnte, wenn man sich in seinen Mund ergoss. Doflamingo allerdings schien diese Warnung lediglich als eine Aufforderung zu sehen, den Penis seines Partners ganz besonders tief in den Mund zu nehmen. Als Crocodile es einfach nicht mehr aushielt, ergoss er sich laut stöhnend in sieben oder acht Schüben in Doflamingos Mund. Nach seinem Orgasmus schloss Crocodile die Augen und zog seine Beine nach oben auf die Sitzfläche der Couch. Sein Körper und auch sein Kopf fühlten sich wie leergefegt an. Es war eine sehr angenehme Art von Benommenheit. Am liebsten hätte er jetzt eine Zigarre geraucht, doch er war sich sicher, dass Doflamingo gleich weiter machen wollte, und verkniff sich darum diesen Luxus. Er spürte, dass sein Partner sich neben ihn auf der Couch niederließ. „Womit habe ich das verdient?“ „Brauche ich einen besonderen Grund, um dir eine Freude zu machen?“, erwiderte Doflamingo und tat so, als wäre er ein wenig beleidigt wegen dieser Frage. Crocodile öffnete seine Augen wieder und warf ihm einen abschätzenden und misstrauischen Blick zu. „Glaub ja nicht, dass ich deswegen dein Sperma schlucke! Ich finde es eklig zu schlucken und mache das nicht, akzeptier das endlich mal!“ „Ach, zick doch nicht gleich so rum, Crocobaby“, meinte Doflamingo seelenruhig grinsend, „davon habe ich doch gar nichts gesagt, oder nicht? Du solltest wirklich mal lernen dich ein wenig zu entspannen!“ „Um mich zu entspannen, bräuchte ich eine Zigarre“, erwiderte Crocodile leise. „Dann rauch doch eine“, gab Doflamingo zurück und deutete auf den Couchtisch, auf dem unter Anderem eine kleine Box mit Zigarren stand. Crocodile warf seinem Partner einem verwirrten Blick zu. „Ich dachte eigentlich, naja, dass du jetzt sofort zum Sex übergehen wolltest“, gab er schließlich zu. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Spielt das eine Rolle, wann ich zum Sex übergehen will, Wani? Zu dieser Sache gehören immer zwei Leute, oder nicht? Rauch dir eine Zigarre, wenn du möchtest, und dann machen wir eben danach weiter. Du bist in letzter Zeit viel zu gestresst und unentspannt!“ „Findest du?“, fragte Crocodile und griff nach der Zigarrenbox, um sich eine herauszunehmen und anzuzünden. Ihm war überhaupt nicht aufgefallen, dass er in letzter Zeit besonders gestresst wirkte. Obwohl es ihm im Nachhinein natürlich einleuchtete. Schließlich hatte er zwar nicht mit einer Kündigung, aber immerhin mit viel Ärger und zusätzlicher Arbeit im Job gerechnet. Der Fehler, den er vor etwa zwei Monaten gemacht und der so viel Geld und so viele Arbeitsstellen (einschließlich seiner eigenen) gekostet hatte, hatte ihn stetig verfolgt. Selbst Zuhause nach der Arbeit und an den Wochenenden hatte ihn diese Sache nie wirklich losgelassen. Worunter wahrscheinlich auch sein Partner gelitten hatte, der von allen Menschen natürlich am ehesten seine schlechte Laune mitbekam. Augenblicklich stellte sich bei Crocodile ein schlechtes Gewissen ein. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er ihre Beziehung so sehr belastet hatte. „Schau doch nicht so böse drein“, tadelte Doflamingo, als er seinen finsteren und schuldigen Blick bemerkte, „sondern rauch einfach ganz in Ruhe deine Zigarre. Und danach haben wir beide wieder ein bisschen Spaß miteinander.“ Er leckte sich hungrig mit der Zunge über seine Lippen und warf Crocodile einen sehnsuchtsvollen Blick zu. Dieser spürte augenblicklich wie sich wieder die feinen Haare an seinem Nacken und an seinen Armen aufstellten und sich trotz des Höhepunktes, den er eben gehabt hatte, eine neue Erektion bildete. „Ganz wie du willst“, erwiderte Crocodile und nahm drei weitere tiefe Züge, ehe er die Zigarre im Aschenbecher ausdrückte und sich erneut seinem Partner zuwendete. Nach dem Sex gingen sie nicht sofort auseinander. Stattdessen lagen sie noch für eine Weile nebeneinander, genossen die Nähe zum jeweils anderen und versuchten ihren Atem zu normalisieren. Irgendwann richtete Crocodile sich auf, nahm sich ein Taschentuch zur Hand und wischte das Sperma weg, das sich auf der Sitzfläche der Ledercouch und dem Inneren seiner Oberschenkel befand. Er fühlte sich noch immer recht benommen und ließ sich mit geschlossenen Augen zurück auf die Couch sinken. Der Sex hatte ihm richtig gut getan. Jetzt fühlte er sich tatsächlich viel entspannter und ruhiger. Vielleicht würde es ja doch noch ein schöner Abend werden, dachte er. „Was hältst du davon, wenn wir heute Abend ausgehen?“, riss Doflamingos Stimme ihn aus seinen Gedanken. „Wir könnten schick essen gehen oder sowas.“ Und auf einen Schlag waren alle Sorgen und Ängste von Crocodile zurückgekehrt. Er dachte an seine Kündigung und die Kündigungsfrist von schlappen zwei Monaten; an die vielen Schulden und Kredite, die er nicht bezahlen konnte; an seine Wohnung, die er aufgeben und seinen Mercedes, den er verkaufen musste. Crocodile schluckte hart. Wenn sie ausgingen, bezahlten sie immer getrennt. Darauf hatte Crocodile stets bestanden, auch wenn sein Partner anbot ihn einzuladen. Er fühlte sich unangenehm bei dem Gedanken, dass jemand anderes für ihn bezahlte. Sie waren in ihrer Beziehung bereits oft zusammen essen gegangen; schließlich hatten sie sich bei einem Geschäftsessen sogar kennengelernt. Doflamingo würde mit Sicherheit keine billige Gaststätte, sondern ein echtes Oberklasse-Restaurant im Visier haben. Vielleicht sogar das Baratie, das edelste Lokal in der ganzen Stadt. Dort waren selbst die Vorspeisen so teuer, dass eine dreiköpfige Familie für denselben Preis in einem anderen Restaurant ein komplettes Fünf-Gänge-Menü inklusive Getränke bekommen würde. So viel Geld konnte er nicht aufbringen. Nicht jetzt, wo er eigentlich lieber jeden Berry, den er zwischen die Finger bekam, nutzen sollte, um seine Schulden zu bezahlen. Crocodile schluckte und hustete kurz. Er schämte sich dieser Tatsache. Es war sehr lange her, seit er sich das letzte Mal aus finanziellen Gründen irgendetwas nicht hatte leisten können. In den letzten Jahren hatte er schließlich in großem Luxus gelebt. Wohlverdientem Luxus, immerhin arbeitete er sehr hart für sein Geld, doch das änderte nichts an der Situation, in der Crocodile sich jetzt gerade befand. „Wie kommst du denn plötzlich darauf?“, fragte er ausweichend, während er in seine Hose schlüpfte. „Wir haben fast halb acht abends. Ohne Reservierung bekommen wir so spät doch bestimmt keinen Tisch mehr.“ Doflamingo winkte ab. Er saß noch immer splitternackt auf der Couch und sah Crocodile aus seinen stechenden Augen heraus dabei zu, wie er seine Socken zusammensuchte. Crocodile wünschte sich, Doflamingo würde seine Sonnenbrille wieder aufsetzen. Sein Partner nahm sie normalerweise nur zum Sex ab und setzte sie sich nach dem Akt sofort wieder auf. Der stechende Blick in seinen grünen Augen gab Crocodile das unangenehme Gefühl geröntgt zu werden. Plötzlich musste er daran denken, dass Doflamingo sofort erkannt hatte, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte, noch ehe er auch nur ein Wort zu ihm gesagt hatte. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in Crocodiles Magen aus und er legte sich kurz die Hand auf den Bauch, ehe er in sein Hemd schlüpfte. „So langsam müsstest du doch wissen, dass sowas kein Problem für mich ist, Wani“, meinte Doflamingo und griff zu Crocodiles Erleichterung endlich nach seiner Sonnenbrille. „Ich kriege überall einen Tisch und zwar zu jeder Stunde.“ Er lachte leise und selbstgefällig. Das stimmte sogar, musste Crocodile unwillig zugeben. Donquixote Doflamingo war eine sehr wichtige und bekannte Persönlichkeit. Er besaß mehrere überaus erfolgreiche Firmen und hatte überall seine Kontakte. Selbst wenn er an Tagen wie Weihnachten oder Silvester spontan beschließen würde, dass er gerne am besten Tisch in bestem Lokal der Stadt speisen würde, würde er diesen Tisch bekommen. Doflamingo bekam alles, was er wollte. In Zahlen ausgedrückt war er bestimmt mindestens einhundert mal reicher als Crocodile es zu seiner besten Zeit gewesen war. „Ich habe heute Abend keine Lust auszugehen“, gab Crocodile schließlich zu und kreuzte die Arme vor dem Oberkörper. Er wollte Doflamingo nicht die Wahrheit sagen. Am liebsten würde er das niemals tun, aber wenn er es jemals tun musste, dann zumindest nicht an ihrem ersten Treffen nach seiner Kündigung. Gerade wollte Crocodile aufstehen, um unter irgendeinem Vorwand das Wohnzimmer zu verlassen und Doflamingos Sichtfeld entkommen, als dieser ihm am Handgelenk festhielt. „Ich will mir eine Flasche Wasser aus der Küche holen“, erklärte Crocodile sich, was seinen Partner allerdings nicht im mindesten zu interessieren schien. Stattdessen sagte er: „Du kannst mir ruhig sagen, was los ist, Crocodile.“ Crocodile schluckte. Doflamingo benutzte nur in absoluten Ausnahmesituationen seinen richtigen Vornamen. Hatte er etwa irgendwie von seiner Kündigung erfahren? Aber er war doch erst gestern gekündigt worden! Crocodile begann ein wenig zu zittern. Ein sehr untypisches Verhalten. Normalerweise zitterte er nie. „Schon als ich dich im Türrahmen habe stehen sehen, wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und jetzt reagierst du so seltsam ausweichend auf die Frage, ob wir ausgehen wollen. Warum bist du denn nicht ehrlich zu mir?“ Crocodile versuchte das Zittern zu unterdrücken und biss die Zähne zusammen. Allem Anschein nach wusste Doflamingo von seiner Kündigung. (Wenn auch nicht unbedingt von seinen Schulden in Höhe von einer halben Million Berry.) Und er ging damit sehr verständnisvoll um. Zumindest klang seine Stimme sanft. Crocodile hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner so ruhig und gelassen auf seine neue finanzielle Situation reagieren würde. „Ich habe es schon die ganze Zeit geahnt: Dein Magen macht dir wieder große Probleme, nicht? Deswegen möchtest du nicht essen gehen“, sagte Doflamingo. „Hast du Schmerzen?“ Weil Crocodile sich wie betäubt fühlte und nicht wusste, was er sonst tun sollte, erwiderte er: „Mit meinem Magen ist alles in Ordnung. Mir geht’s gut.“ „Red doch keinen Unsinn! Ich merke doch, dass du dich die ganze Zeit schon unwohl fühlst!“ Doflamingos Stimme klang ungemein vorwurfsvoll. Crocodile war völlig überfordert. Er hatte fest damit gerechnet, dass Doflamingo hinter sein Geheimnis gekommen war. Wenn er ganz ehrlich war, dann hätte er sich sogar erleichtert gefühlt. Schließlich hatte die Stimme seines Partners nicht im mindesten schockiert oder aufgebracht geklungen. Crocodile wünschte sich, Doflamingo hätte wirklich Bescheid gewusst. Denn eigentlich fühlte er sich nicht wohl dabei, ihn anzulügen. Aber was blieb ihm nun anderes übrig? Doflamingo hatte den falschen Schluss gezogen. Er wusste doch nichts von seiner Kündigung und seinen Schulden. Crocodile schluckte hart. Und einen Moment später beschloss er auf den fahrenden Zug aufzuspringen. „Du hast ja Recht“, sagte Crocodile und wich Doflamingos Blick aus. „Ich habe gestern in meiner Mittagspause aus Versehen ein Gericht mit Curry gegessen. Seitdem spielt mein Magen völlig verrückt. Anfangs habe ich gar nichts anderes außer gedünstetes Gemüse und stilles Wasser runter bekommen.“ Es überraschte Crocodile selbst wie leicht ihm diese faustdicke Lüge über die Lippen kam. Um sein Glück allerdings nicht zu überstrapazieren, fügte er noch hinzu: „Inzwischen geht es mir aber wieder ganz gut. Ich habe auch keine schlimmen Schmerzen oder so etwas. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen.“ Doflamingo rückte nah an ihn heran und küsste ihn. „Ich mache mir aber Sorgen! Du solltest deswegen wirklich mal zum Arzt gehen! Ich hoffe nicht, dass es eine ernste Krankheit ist; aber wenn das der Fall sein sollte, ist es besser das so früh wie möglich zu wissen. Vielleicht lässt sich dagegen ja auch was machen.“ Crocodile rollte mit den Augen. „Ob du es glaubst oder nicht“, erwiderte er ein wenig schärfer als beabsichtigt, „aber auf diese Idee bin ich auch schon gekommen. Ich habe mich bereits vor vielen Jahren untersuchen lassen. Es ist keine Krankheit oder so etwas. Mein Magen ist einfach sehr, sehr empfindlich. Das ist schon immer so gewesen, seit ich zurückdenken kann. Aber dagegen kann man nichts machen.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. Er hatte diesen Makel niemals als sonderlich störend empfunden. Vor allem, weil er wusste, wie er damit umzugehen hatte. „Für mich ist das auch kein Problem. Ich weiß ja genau, welche Lebensmittel ich essen darf und auf welche ich lieber verzichten sollte. Und wenn es mir doch mal passiert, dass ich etwas esse, was mein Magen nicht verträgt, dann ist das auch keine große Sache. Es ist zwar unangenehm, aber ich muss dann ja noch nicht einmal zum Arzt gehen oder bei der Arbeit aussetzen.“ Tatsächlich verschwendete Crocodile relativ wenige Gedanken an seinen schwierigen Magen. Für ihn war dieser Umstand eine Selbstverständlichkeit, war es schon immer gewesen. Er war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass Doflamingo sich deswegen um ihn sorgen würde. Aber er wollte sich nicht beschweren: Schließlich hatte ihn sein Magen heute aus einer brenzligen Situation gerettet. „Na gut, wir gehen heute nicht auswärts essen“, meinte Doflamingo. „Auch wenn du es herunterspielst, merke ich doch, dass du dich nicht wohlfühlst. Ich denke, wir sollten lieber nicht riskieren, dass du noch etwas isst, was du nicht verträgst.“ Auch wenn Crocodile der Meinung war, dass es nicht die Angelegenheit seines Freundes war, was er riskierte und was nicht, nickte er zustimmend. „Stattdessen können wir uns doch einfach eine schöne Zeit bei mir Zuhause machen“, bot er an. „Wie wäre es mit einem Filmabend zu zweit?“ * Der Montag, der auf das erfreulich angenehme Wochenende mit Doflamingo folgte, war einer der schlimmsten Tage in Crocodiles Leben. In der Bank hatte es sich inzwischen herumgesprochen, dass er gekündigt worden war. Automatisch hatte Crocodile das furchtbare Gefühl, dass ihn auf dem Weg zu seinem Büro jeder Mitarbeiter, dem er begegnete, scheel ansah. Er vermutete hinter jedem Gekichere und Geflüstere eine Beleidigung. Und das machte ihm schwer zu schaffen, ob er es nun zugeben wollte oder nicht. Crocodile war ein sehr stolzer Mensch. Eigentlich machte er sich nicht allzu viel aus der Meinung anderer, doch trotzdem konnte er es überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihn mit Geringschätzung oder von oben herab behandelte. Vor allen Dingen, weil er wusste, dass in all dem ein kleines Fünkchen Wahrheit lag. Schließlich hatte er ja tatsächlich einen Fehler begangen, der viel Geld und viele Arbeitsstellen gekostet hatte. Hätte er gewusst, dass er alles richtig gemacht hätte und sich nichts hätte zu Schulden kommen lassen, dann wäre es ihm sicherlich leichter gefallen, diese bedrückende Atmosphäre zu ertragen. „Guten Morgen, Crocodile“, begrüßte ihn Robin, seine Sekretärin, als er sein Büro betrat. Anstatt zu antworten, nickte Crocodile ihr bloß zu. Er hatte jetzt keine Lust auf Small-Talk oder tröstende Worte bezüglich seiner Entlassung. Was Robin zum Glück zu verstehen schien. Stumm legte sie ihm einen Stapel Dokumente auf seinen großen Schreibtisch, die er wohl bearbeiten sollte, und verschwand dann gleich wieder aus dem Büro. Nachdem die Türe ins Schloss gefallen war, seufzte Crocodile laut auf. Es war noch nicht einmal halb neun Uhr morgens und bereits jetzt war er sich absolut sicher, dass die bevorstehende Woche der reinste Horror werden würde. Als er nach dem Dokumentenstapel griff, den Robin ihm dagelassen hatte, bestätigte sich sein Verdacht. Man hatte die langweiligsten und unwichtigstem Arbeiten, die es gab, auf ihn abgewälzt. Aber das dürfte ihn ja eigentlich nicht überraschen. Schließlich würde er bloß noch zwei Monate in dieser Bank arbeiten. Das war nicht genug Zeit, um ihn mit größeren Projekten zu betrauen. Und warum sollte Sengoku dieses Risiko auch nochmal eingehen, fragte Crocodile sich bitter. Das letzte Projekt, für das er verantwortlich gewesen war, hatte er schließlich komplett in den Sand gesetzt. * Das nächste Treffen mit Doflamingo stand am Mittwochnachmittag bevor. Sein Partner hatte ihm per Telefon enthusiastisch mitgeteilt, dass er heute ein wenig früher mit der Arbeit Schluss gemacht hätte, damit sie beide sich länger sehen könnten. Crocodile hatte zwar nach außen hin den Enthusiasmus seines Freundes geteilt -alles andere wäre auffällig gewesen und hätte Misstrauen geweckt-, doch innerlich fühlte er sich ausgelaugt und dem Treffen nicht gewachsen. Es war ihm zwar am Wochenende gelungen, sein Geheimnis zu wahren, doch er war sich längst nicht sicher, ob ihm das noch einmal so gut gelingen würde. Doflamingo besaß nämlich die schreckliche Eigenschaft, es sofort zu bemerken, wenn irgendetwas nicht mit ihm stimmte. Er würde sich sehr stark anstrengen müssen, um den Schein zu wahren. Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause hatte Crocodile erneut einen Zwischenstopp beim Supermarkt eingelegt und sich mit einer weiteren Flasche Wodka und zwei Packungen Orangensaft eingedeckt. Er hatte mit sich ringen müssen, um nicht noch eine oder zwei Flaschen Schnaps mitzunehmen; hatte sich am Ende jedoch dagegen entschieden. Zum einen, weil er kein Trinker werden wollte, und zum anderen, weil sein Magen harten Alkohol nicht allzu gut vertrug. Normalerweise trank er eigentlich auch nur Wein und sogar den nur zu besonderen Anlässen. Während er sich auf den Weg zur Kasse machte, kam Crocodile plötzlich auf den Gedanken, dass er doch theoretisch auch seine Wocheneinkäufe in diesem Supermarkt erledigen könnte. Für einen Moment zögerte er und sah sich um. Normalerweise kaufte Crocodile seine Lebensmittel beim Fachverkäufer ein, die darum sehr hochwertig waren, aber natürlich auch einen gewissen Preis hatten. Hier in diesem Supermarkt waren die Lebensmittel deutlich günstiger, kosteten zum Teil nicht einmal ein Fünftel von dem, was er sonst bezahlte; das war ihm bereits aufgefallen. Womöglich könnte er auf diese Weise allerhand Geld sparen, das er dann nutzen könnte, um einen Teil seiner Schulden zu begleichen. Crocodile war bereits an der Kasse, als aus dieser Idee ein fixer Plan würde. Er erledigte seine Wocheneinkäufe normalerweise immer donnerstags, das war schon morgen. Je früher er damit anfing, Geld zu sparen, desto besser. Jeder Berry, den er sparte, bedeutete einen Berry weniger Schulden. Als Doflamingo um zwanzig Minuten vor fünf Uhr nachmittags in seiner Wohnung auftauchte, war Crocodile aus zweierlei Gründen sehr erstaunt: Zum einen war sein Partner zum zweiten Mal hintereinander nur zehn Minuten zu ihrem Treffen zu spät gekommen, zum anderen hielt er in jeder Hand eine große Einkaufstüte, die randvoll gefüllt mit Lebensmittel waren. Augenblicklich befürchtete Crocodile, dass Doflamingo ihn heute womöglich gesehen hatte, als er in einem durchschnittlichen Supermarkt den Wodka und den Orangensaft eingekauft hatte und ihn nun mit Almosen versorgen wollte. Bei diesem Gedanken lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Zu seinem Glück allerdings plapperte Doflamingo sofort los, kaum hatte er die beiden Tüten in seiner Küche abgestellt: „Weißt du, als du mir am Samstag erzählt hast, dass dir dein Magen Schwierigkeiten bereitet, weil du aus Versehen etwas mit Curry gegessen hast und deswegen auch nicht auswärts essen gehen wolltest, da habe ich mir etwas überlegt. Ich habe im Internet nach Lebensmitteln und Rezepten gesucht, die sich besonders gut für Leute mit einem empfindlichen Magen eignen. Dann habe ich ein paar Sachen eingekauft.“ Noch während er redete, machte Doflamingo sich daran, die Einkäufe auszupacken und auf der Arbeitsplatte auszubreiten. „Ich dachte mir, dass wir heute vielleicht zusammen ein leckeres Gericht kochen könnten, das dir gut bekommt. Na, was hältst du davon?“ Um ehrlich zu sein, fühlte Crocodile sich ziemlich überrannt. Er hatte überhaupt nicht gewusst, dass Doflamingo gerne kochte und auch nicht damit gerechnet, dass er heute mit vollen Einkaufstüten bei ihm aufschlagen würde. Bei dem Gedanken daran, was all diese Lebensmittel wohl gekostet hatten, überkam Crocodile ein schlechtes Gewissen. Geld sparen hin oder her - es war ihm immer noch sehr unangenehm, wenn er eingeladen wurde oder jemand etwas für ihn bezahlte. „Das wäre doch nicht nötig gewesen“, meinte er darum recht unbeholfen, doch Doflamingo winkte bloß gut gelaunt ab. „Ich mache das gern“, erwiderte er. „Also: Wann ungefähr möchtest du essen? Je nachdem, welches Gericht wir kochen wollen, müssen wir unterschiedlich viel Zeit einplanen. Was möchtest du denn essen?“ „Ähm, ich weiß nicht. Was hast du denn gekauft?“ „Ach, Verschiedenes. Ich weiß ja nicht, worauf du Appetit hast, deswegen habe ich mehrere Sachen mitgebracht.“ Er überflog kurz die Lebensmittel, die bereits auf der Küchenarbeitsplatte lagen, und warf dann einen Blick in die noch nicht vollständig ausgepackte Einkaufstüte zu seinen Füßen; die zweite Tüte hatte er sogar noch gar nicht angerührt. „Wir haben Schwein, Pute, Lamm und Rind. Und natürlich Fisch. Nur die fettärmsten Stücke. Ich habe nämlich gelesen, dass man bei einem empfindlichen Magen lieber nicht fettig essen soll. Deswegen habe ich auch viel Gemüse gekauft. Und Hülsenfrüchte.“ „Das, ähm, das ist sehr lieb von dir“, sagte Crocodile, „aber du hättest dir wegen mir wirklich nicht so viele Umstände machen müssen. Es ist ja nicht so, als hätte ich entzündete Magenschleimhäute oder so etwas. Ich bin ja nicht krank. Ich habe nur einen etwas empfindlichen Magen.“ „Trotzdem müssen wir kein Risiko eingehen, oder? Außerdem freue ich mich darauf mit dir zusammen zu kochen. Das wird sicher ein Spaß, hm?“ „Na gut, das Argument lasse ich durchgehen“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen. Eigentlich hatte er nichts dagegen mit Doflamingo zu kochen. Und wenigstens wäre sein Partner dann für einige Zeit lang abgelenkt und käme überhaupt nicht auf die Idee nach zum Beispiel seiner Arbeit oder teuren Freizeitaktivitäten zu fragen. Tatsächlich machte es mehr Spaß, als er zu Beginn vermutet hatte, mit Doflamingo zu kochen. Es stellte sich nämlich heraus, dass sein Freund sich kein bisschen auskannte, was die Zubereitung von Lebensmitteln anging. Er schnitt sich sogar einmal in die Hand, als er Zwiebeln hacken wollte. Crocodile selbst war zwar auch kein Fünf-Sterne-Koch, aber wenigstens verhielt er sich in der Küche nicht halb so ungeschickt wie sein Partner (und das trotz einer fehlenden Hand!). Nach ein wenig mehr als einer Stunde hatten sie es schließlich geschafft, sachte angebratenes Lammfleisch mit dazu passendem Gemüse und Reis in eine Auflaufform zu geben und in den Backofen zu schieben. „Jetzt muss der Kram noch zwei Stunden lang im Ofen bleiben. Dann wird aus unserem Mittagessen wohl ein Abendessen“, kommentierte Doflamingo das Geschehen. Wie immer klang er nicht wirklich genervt oder enttäuscht, sondern eher belustigt. Crocodile zuckte mit den Schultern. „Wir könnten früher essen, wenn wir nicht so lange gebraucht hätten, um das Fleisch und das Gemüse vorzubereiten. Nun ja, was soll's, jetzt können wir es sowieso nicht mehr ändern.“ Sie knieten sich beide hin, um ihr Werk im Backofen zu begutachten. „Ich finde, es sieht doch ganz gut aus“, versuchte Doflamingo ihn ein wenig aufzumuntern und legte einen schweren Arm um seine Schulter. „Hoffentlich strapaziert das Essen meinen Magen nicht über seine Grenzen hinaus“, erwiderte Crocodile leicht grinsend und wandte sich dann nach rechts, um Doflamingo einen Kuss auf den Mund zu geben. „Selbst wenn sich dieser Versuch als ein Flopp entpuppt, geht davon die Welt nicht unter, oder? Im schlimmsten Fall gehen wir sonst eben doch auswärts essen oder bestellen uns etwas. Natürlich nur, wenn dir das nichts ausmacht.“ Sie hockten noch immer eng nebeneinander vor dem Backofen und betrachteten das Ergebnis ihres ersten gemeinsam Kochversuchs. Doflamingo hatte noch immer den Arm um seine Schulter gelegt, fiel Crocodile auf. Es störte ihn allerdings nicht. Auch wenn die Position ein wenig unbequem war, fühlte er sich sehr wohl. Was wahrscheinlich vor allem an der Nähe zu seinem Partner lag. „Irgendwann lernen wir schon zu kochen“, fügte Doflamingo noch hinzu und küsste Crocodile, „spätestens, wenn wir beide zusammenziehen.“ Zusammenziehen? Zusammenziehen?! Hatte sein Freund tatsächlich eben das Wort zusammenziehen in den Mund genommen? Augenblicklich fühlte sich Crocodiles Magen sehr flau an. Er windete sich aus der Umarmung mit Doflamingo heraus und stand auf. Gleichzeitig versuchte er sich ein wenig zu beruhigen. Sein Partner hatte mit dieser Aussage sicher keine Andeutung machen wollen. Schließlich waren sie ja gerade einmal seit etwas mehr als sechs Monaten ein Paar. Und es zog doch niemand nach nur einem halben Jahr Beziehung zusammen! Oder? Crocodile spürte, wie sich das flaue Gefühl in seinem Magen auch in seinen restlichen Körper ausbreitete. Sie hatten niemals über irgendwelche Exbeziehungen gesprochen; er konnte also überhaupt nicht einschätzen, wie Doflamingo seine Liebesbeziehungen handhabte. Vielleicht hatte er ja bereits zuvor Partner gehabt, die nach nur sehr kurzer Zeit zu ihm gezogen waren? Sah er es womöglich als eine absolute Selbstverständlichkeit an, dass er und Crocodile sich demnächst nach einem gemeinsamen Domizil umschauen würden? Crocodile schluckte hart. Doflamingo war sehr reich. Mit einer netten, mittelpreisigen Loft-Wohnung würde der sich sicher nicht zufrieden geben. Crocodile wusste, dass sein Partner in einer riesigen und teuren Villa im besten Viertel der Stadt lebte. Und er ahnte, dass er bestimmt nicht vorhaben würde, sich einzuschränken. Wozu auch? Schließlich besaß Doflamingo mehr Geld als er jemals in seinem Leben ausgeben könnte. Ganz im Gegensatz zu ihm. Bei dem Gedanken an seine Schulden wurde Crocodile ein wenig schlecht. Wie sollte er sich einen Zusammenzug mit Doflamingo leisten, wenn er doch schon um die Wohnung, in der er jetzt gerade wohnte, bangen musste? „Was hältst du davon, wenn wir ins Schlafzimmer gehen, während das Essen im Backofen ist?“, holte Doflamingos lüsterne Stimme ihn in die Wirklichkeit zurück. Crocodile musste ein Seufzen unterdrücken. Eigentlich dürfte ihn diese Frage ja gar nicht überraschen, tadelte er sich selbst, schließlich wollte sein Freund ständig Sex. Seit Beginn ihrer Beziehung hatten sie jedes Mal, wenn sie sich getroffen hatten, mindestens einmal miteinander geschlafen. Manchmal auch zweimal oder noch häufiger. Und bisher hatte Crocodile mit dieser Regelung auch absolut kein Problem gehabt. Heute allerdings war er nicht in der Stimmung für Sex. Diese neuen Sorge und Ängste, die Doflamingo in ihm geweckt hatte, schlugen ihm schwer auf den Magen. Trotzdem nickte er und ging voran in Richtung Schlafzimmer. Wenn sie Sex miteinander hatten, dachte Crocodile sich, dann hatte sein Partner wenigstens keine Gelegenheit dazu, um noch einmal das Thema Zusammenziehen anzusprechen. * Am Wochenende bemühte Crocodile sich mit aller Kraft darum, Doflamingo davon zu überzeugen, dass er zu beschäftigt war, um sich mit diesem zu treffen. Was deutlich schwieriger war als er zu Beginn vermutet hätte. Sein Freund war nämlich ein schrecklich sturer und selbstsüchtiger Mensch, der es gewohnt war zu bekommen, was er wollte. Und zwar immer. „Es tut mir wirklich leid“, sagte Crocodile zum einhundertsten Mal und lief im Wohnzimmer unruhig auf und ab, während er das Handy gegen sein Ohr presste. (Ein Telefon besaß er nicht, weil er alleine wohnte und ein Festnetzanschluss darum nur wenig Sinn gemacht hätte.) „Mir gefällt das doch auch nicht. Aber ich kann die Situation eben nicht ändern. Ich musste unheimlich viel Arbeit mit nach Hause nehmen. In der Bank ist derzeit schrecklich viel los.“ Schon wieder log Crocodile seinen Partner an, obwohl er das doch eigentlich gar nicht wollte. Um sein schlechtes Gewissen ein wenig zu beruhigen, fügte er hinzu: „Und ich habe auch noch sehr viele andere Sachen auf meinem Schreibtisch liegen, die ich schon viel zu lange vor mir her geschoben habe. Das muss ich dieses Wochenende erledigen. Bitte versteh das doch!“ Natürlich verstand Doflamingo das nicht. „Kannst du denn nicht wenigstens ein paar Stunden für mich einräumen“, fragte er und klang sehr beleidigt. „Mir egal ob am Freitag-, Samstag- oder Sonntagabend. Ich möchte ein bisschen Zeit mit dir verbringen, Crocodile!“ Crocodile schluckte und verzog den Mund. Wenn sein Freund seinen richtigen Namen anstelle eines Kosewortes benutzte, dann bedeutete das immer, dass ihm eine Sache ganz besonders ernst war. Wie kam Crocodile aus diesem Schlamassel nur wieder heraus? „Ich würde doch auch lieber mein Wochenende mit dir verbringen als mit diesem blöden Papierkram“, versuchte er ihn ein wenig zu beschwichtigen, „aber das geht nun mal nicht.“ „Ach komm schon! Nur eine Stunde! Eine einzige Stunde verlange ich von dir. Das muss doch zu machen sein, ganz egal wie beschäftigt du bist!“ Crocodile konnte ein verzweifeltes Seufzen nicht ganz unterdrücken. Wann war Doflamingo nur so anhänglich geworden? Crocodile hatte vorgehabt das bevorstehende Wochenende zu nutzen, um in Ruhe auf Jobsuche zu gehen und noch ein paar andere Dinge zu erledigen, die mit seiner Kündigung zusammenhingen, und er hoffte, dass sein Partner ihm keinen Strich durch diese Rechnung machen würde. „Für eine Stunde lohnt sich die lange Fahrt doch gar nicht“, argumentiere er. Tatsächlich brauchte man mit dem Auto fast eine Dreiviertelstunde, weil Doflamingo am Rande der Stadt im Grünen wohnte, während Crocodiles Loft-Wohnung mitten im Stadtkern lag. „Lass das mal meine Sorge sein“, erwiderte Doflamingo. „Also: Wann?“ Crocodile hätte sich am liebsten die Schläfe massiert, was jedoch leider nicht möglich war, da er mit seiner einzigen Hand das Handy festhielt; also blieb es bei einem resignierten Stöhnen. Schließlich gab er sich geschlagen: „Na von mir aus. Dann Sonntagabend so gegen sieben Uhr?“ „Bingo!“, hörte Crocodile durch den Hörer hindurch und brauchte nicht viel Fantasie, um sich das triumphierende Grinsen seines Partners vorzustellen. Doflamingo bekam früher oder später immer, was er wollte. Er war wie ein Kind, das im Supermarkt so lange quengelte und brüllte, bis man schließlich doch aufgab und ihm ein paar Süßigkeiten kaufte. Crocodile machte sich eine gedankliche Notiz, in nächster Zeit etwas konsequenter zu sein. * Tatsächlich verlief das Wochenende ohne seinen Freund ziemlich langweilig und unspektakulär. Crocodile verbrachte viel Zeit damit nach einer neuen Arbeitsstelle Ausschau zu halten. Leider gestaltete sich die Suche deutlich schwieriger als man vermuten würde. Wenn die Leute hörten, dass Crocodile als Manager arbeitete, reagierten sie meistens neidisch und glaubten, die Jobs und das Geld würden ihm nur so zufliegen. Das stimmte natürlich nicht. Es war ganz und gar nicht einfach an eine geeignete Stelle zu kommen; vor allen Dingen in der derzeitigen Wirtschaftslage nicht. Und die Arbeit war knallhart. Schon der winzigste Fehler konnte Verluste in Millionenhöhe verursachen. Das hatte Crocodile schließlich am eigenen Leib erfahren müssen. Der Gedanke, demnächst bloß noch ein mittelständiges Leben führen zu müssen, machte Crocodile inzwischen keine Angst mehr, dafür allerdings war er nun umso unglücklicher und wütender. Er hatte viele Jahre lang studiert und sich hochgearbeitet, um irgendwann einmal ein tolles Leben führen zu können. Und nun -von einem Tag auf den anderen- fiel alles, was er sich so mühselig aufgebaut hatte, wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das Leben war wirklich unfair! Crocodile schlug die Arme über den Kopf zusammen. Er war so glücklich gewesen, als Sengoku ihm die Stelle als Manager in der Bank angeboten hatte. Endlich waren seine Träume von einer schicken Wohnung und einem schnellen Auto in greifbare Nähe gerückt! Zu schade, dass er diesen Luxus nur zwei Jahre lang hatte genießen dürfen, ehe er zu einem durchschnittlichen Leben zurückkehren musste. Die Wohnung musste er aufgeben und seinen Mercedes C 216 verkaufen. Crocodile hatte Doflamingo niemals erzählt, dass er nicht aus einer reichen Familie stammte, sondern sich sein Geld selbst verdient hatte. Er schämte sich dieser Tatsache. Es hatte ihm als Kind zwar niemals an Essen oder warmer Kleidung gefehlt, doch es war Tatsache, dass seine Eltern nicht einmal für seine Studiengebühren aufkommen konnten (ganz abgesehen davon, dass sie dies nicht gewollt hatten). Crocodile hatte sich sein Studium lediglich mit Hilfe von Stipendien, Studienkrediten und zahllosen Nebenjobs leisten können. Er hatte jahrelang in einem winzigen Apartment gewohnt. Das Badezimmer hatte noch nicht einmal ein Fenster gehabt, erinnerte er sich, ganz zu schweigen von einer Badewanne. Und geschlafen hatte er auf einer ausklappbaren Couch, weil für ein richtiges Bett kein Platz gewesen war. Musste er nun zu diesem Leben wieder zurückkehren? Aber er war doch längst kein überschuldeter Student mehr! Crocodile seufzte laut und richtete sich wieder auf. Nein, dachte er, jetzt war er ein überschuldeter Arbeitsloser. Und bei diesem Gedanken wurde ihm schlecht. Auch wenn Crocodile eigentlich vorgehabt hatte, das Wochenende ohne seinen Partner zu verbringen, freute er sich nun doch auf das bevorstehende Treffen. Nach der vielen unliebsamen Papierarbeit würde ihm Doflamingos gute Laune sicherlich guttun. Es war achtzehn Uhr dreißig und er hatte es sich mit einer Wodka-Orangensaft-Mischung auf seiner Couch bequem gemacht. Sogar wenn Doflamingo erneut recht pünktlich kommen würde, hatte er noch mehr als eine halbe Stunde Zeit, um sich zu sammeln und das Glas zu leeren. Crocodile hatte die gesamten letzten Tage damit verbracht Bewerbungen zu schreiben, nach einer neuen Wohnung zu suchen, die Laufzeiten seiner Kredite zu verlängern und so weiter. Er hatte sogar schon eine Email an seinen Vermieter geschickt; darin hatte gestanden, dass die Loft-Wohnung nicht mehr seinen Ansprüchen genüge, er sich nach einem anderen Domizil umsehe und sich dazu bereit erklären würde, die hochwertige und neue Küche gegen eine Abfindung dem Nachmieter zu überlassen. Insgesamt eineinhalb Stunden hatte er an der Formulierung dieser Mail gearbeitet, damit er weder schwindeln müsste noch sein Vermieter dahinter käme, dass er im Job gekündigt worden war. Nun gönnte Crocodile sich zum ersten Mal in dieser Woche eine Pause. Während er sein Glas leertrank, warf er einen Blick auf die Uhr, die über der Wohnzimmertüre hing. Inzwischen war es sieben Uhr abends geworden. Weil Doflamingo nun theoretisch jeden Moment bei ihm aufschlagen könnte, nahm Crocodile das leere Glas, ging in die Küche hinüber und spülte es per Hand sauber. Er wollte nicht, dass Doflamingo davon erfuhr, dass er in letzter Zeit viel Hochprozentiges trank. In der Gesellschaft seines Freundes hatte Crocodile bisher immer höchstens bloß ein wenig Wein getrunken. Gläser, in denen sich noch Wodkapfützen befanden, könnten Doflamingo misstrauisch werden lassen. Um nicht einmal fünf Minuten nach neunzehn Uhr klingelte Doflamingo an der Türe des Hauses, in dem Crocodiles Loft-Wohnung lag. Vor Überraschung ließ dieser beinahe das Glas fallen, das er noch in der Hand gehalten hatte; hektisch stellte er es auf das Abtropfbett und hastete in den Flur hinüber, um seinem Partner die Wohnungstüre zu öffnen. „Du bist ja fast pünktlich“, war das erste, was Crocodile zu ihm sagte, als Doflamingo seine Wohnung betrat, “ist heute ein besonderer Anlass oder so etwas?“ Die Frage war eigentlich scherzhaft gemeint, doch tatsächlich bemerkte er auf den zweiten Blick, dass sein Gast einen Blumenstrauß in der Hand hielt. Es waren rosafarbene Rosen; sie trafen zwar überhaupt nicht Crocodiles Geschmack, nicht im mindesten, weil er mit Pflanzen prinzipiell nicht allzu viel anzufangen wusste, doch er freute sich sehr über die Geste. „Sind die etwa für mich?“ Das klang ein wenig unfreundlicher als er beabsichtigt hatte, aber das lag wahrscheinlich daran, dass er sich (mal wieder) ein wenig überfordert fühlte und nicht genau wusste, was er sagen sollte. Er war sehr überrascht. Sein Freund hatte ihm seit ihrem allerersten Date keine Blumen mehr mitgebracht. Doflamingo nahm es mit Humor: „Klar, für wen denn sonst?“ Er hielt ihm den Strauß Rosen hin und Crocodile fiel erst nach ein paar Sekunden ein, dass er die Blumen wohl entgegen nehmen sollte. „Danke. Das ist wirklich, naja, lieb von dir.“ Er bekam als Mann nur sehr selten Blumen geschenkt. Um ehrlich zu sein, war er sich noch nicht einmal sicher, ob er überhaupt eine Vase besaß. Die einzige Pflanze in seiner Wohnung war ein kleiner Kaktus, der im Schlafzimmer auf dem Fensterbrett stand. Er fragte sich, wie Doflamingo wohl auf die Idee gekommen war, er würde sich ausgerechnet über rosafarbene Rosen freuen. „Du klangst immer so gestresst und überarbeitet, als wir miteinander telefoniert haben“, erklärte Doflaming sich von selbst, „da dachte ich mir, ich bringe dir einen schönen Blumenstrauß mit, um dich ein wenig aufzumuntern.“ „Abgesehen von der Farbe gefallen mir die Rosen sehr gut“, sagte Crocodile und entlockte Doflamigo damit ein stolzes und glückliches Grinsen. „Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen, weißt du. Am Mittwoch die Einkäufe und heute der Blumenstrauß... Gibt es einen besonderen Grund für die Geschenke?“ „Nein, eigentlich nicht“, antwortete sein Freund und Crocodile hatte das seltsame Gefühl, dass Doflamingo trotz der Sonnenbrille seinem Blick auswich, als er das sagte. Danach wechselte dieser auch gleich das Thema: „Wollen wir vielleicht ins Wohnzimmer gehen? Wenn wir beide schon nur eine Stunde zusammen haben, dann möchte ich wenigstens nicht die ganze Zeit über im Flur stehen bleiben.“ Crocodile kam dieses Verhalten sehr merkwürdig vor. Normalerweise verstellte sich Doflamingo nie; er war in jeder Situation absolut authentisch. Da ihnen beiden heute Abend allerdings nur so wenig Zeit blieb, beschloss Crocodile, nicht weiter auf dieses Thema einzugehen. * In der Bank hatte sich die Situation inzwischen wieder ein wenig beruhigt. Da Crocodile stets eine Art natürliche Autorität ausstrahlte und sich nach außen hin nichts aus den Gerüchten um seine Kündigung zu machen schien, wurde seinen Mitarbeitern das Thema bald wieder langweilig und sie sprachen in der Mittagspause nun über andere Dinge. Zum Beispiel über die neue Praktikantin, die wohl schrecklich kurzsichtig und ungeschickt sein sollte, oder über die Büroräume im vierten Stock, die nächsten Monat renoviert werden würden. Es erschreckte Crocodile fast schon, wie schnell seine Kollegen und (vor allem) Kolleginnen von einem Gerücht zum nächsten huschten; und die Lüge, die gestern noch interessant gewesen war, war heute bloß noch Schnee von gestern. Auf der anderen Seite allerdings freute er sich natürlich in seinem Fall über diese Dynamik; schließlich kam sie ihm zugute. Inzwischen konnte er sogar wieder in der Bank umhergehen, ohne ständig das Gefühl zu haben, dass die anderen Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand über ihn tuschelten und ihm scheele Blicke zuwarfen. Gerade kehrte Crocodile von einem wichtigen Gespräch mit einem Mitarbeiter in sein eigenes Büro zurück und bog im Flur um die Ecke, als er plötzlich mit irgendjemandem zusammenstieß und nach hinten auf den Fußboden fiel. „Verdammt nochmal, kannst du denn nicht aufpassen?“ Crocodile richtete sich gleich wieder auf und widerstand der Versuchung, mit seiner rechten Hand über seinen Hintern zu reiben, der ziemlich wehtat. Vor ihm auf dem Fußboden lag eine junge Frau. Ihr war bei dem Zusammenstoß sowohl ein hoher Stapel Akten als auch ein Becher mit anscheinend heißem Kaffee aus den Händen geglitten, wovon die beiden dampfenden Flecken auf ihrer hellen Bluse zeugten. Das musste wohl diese ungeschickte Praktikantin sein, von der überall gesprochen wurde, dachte Crocodile sich, da er die bebrillte Frau noch niemals zuvor in seiner Abteilung gesehen hatte. „Entschuldigen Sie bitte vielmals“, quiekte das junge Mädchen ohne ihn anzusehen und machte sich sofort daran, die heruntergefallenen Akten aufzusammeln. Crocodile stockte. Irgendetwas an dieser Stimme und diesen ungeschickten Bewegungen kam ihm bekannt vor. „Tashigi?“ Die Praktikantin blickte verwirrt auf und nun erkannte Crocodile tatsächlich die kleine Schwester seines Exfreundes in ihr wieder. Sie trug ihr Haar jetzt länger und hatte ihre alte Hornbrille gegen ein neumodischeres Modell ausgetauscht, ansonsten allerdings schien sie ganz die Alte geblieben zu sein. Tashigi hatte sich aufgerichtet und hielt die aufgesammelten Akten vor der Brust; wahrscheinlich, um die peinlichen Kaffeeflecken zu verdecken. „Crocodile?“, fragte sie verunsichert. „Richtig“, bestätigte er, „ich habe gar nicht gewusst, dass du jetzt bei der Bank arbeitest.“ Tashigi rückte ihre Brille zurecht. „Ich mache nur ein Praktikum“, sagte sie schließlich kleinlaut. „Ein Praktikum bedeutet auch eine Menge Arbeit, oder nicht?“, versuchte Crocodile das arme Mädchen ein wenig aufzumuntern. Tatsächlich entlockte er Tashigi ein wackeres Lächeln. Obwohl sie die jüngere Schwester seines Exfreundes war, hatte Crocodile nichts gegen das Mädchen. Früher, als er noch mit Smoker zusammen gewesen war, hatte er recht viel mit Tashigi zu tun gehabt, weil diese bei ihrem älteren Bruder gewohnt hatte, während sie ihren Schulabschluss machte. Ihre Eltern hatten die beiden verstoßen, nachdem Smoker sich als homosexuell geoutet und sich seine deutlich jüngere Schwester auf dessen Seite gestellt hatte. Crocodile hatte in ihr immer ein sehr ungeschicktes Mädchen gesehen, das zwar viel Unterstützung und Hilfe brauchte, aber die richtigen Werte vertrat und sehr liebenswert war. Und nur weil er sich von ihrem Bruder getrennt hatte, bedeutete das ja nicht automatisch, dass er auch sie nicht mehr leiden konnte. Crocodile war zwar ein sehr stolzer, aber auch fairer Mensch. Er machte Tashigi nicht für die Trennung von Smoker verantwortlich, die ja sowieso schon mehrere Jahre zurücklag. „Das Praktikum ist wirklich deutlich anstrengender als ich zu Anfang gedacht habe“, gestand sie schließlich und hob den nun leeren Kaffeebecher vom Fußboden auf; wahrscheinlich, um ihm im nächsten Mülleimer zu entsorgen. „Ich habe in einer Stunde ein Gespräch mit Akainu. Er ist meine zuständige Person während des Praktikums und sehr, sehr streng.“ Und als ihr die braunen Flecken auf ihrer Bluse in den Sinn kamen, senkte sie beschämt den Blick. Akainu, dachte Crocodile unwirsch und bekam sofort Mitleid mit dem jungen Mädchen. Tatsächlich war Akainu eine der fürchterlichsten Menschen, die er jemals kennengelernt hatte: Arrogant, oberflächlich und parteiisch. Crocodile selbst bemühte sich darum, ihm so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Und wenn es sich nicht gerade um irgendein wichtiges Meeting handelte, bei dem sie beide anwesend sein mussten, gelang ihm das auch meistens. „Komm mal mit in mein Büro“, sagte Crocodile zu Tashigi, “wir wollen schauen, ob wir nicht eine Lösung für das Problem mit deiner Bluse finden können.“ Dankbar nickte die kleine Schwester seines Exfreundes und folgte ihm. Theoretisch hatte Crocodile das große Büro mit den zwei Fenstern und dem eigenen Badezimmer ganz für sich allein; praktisch sah es allerdings häufig so aus, dass sich seine Sekretärin Robin ebenfalls dort aufhielt, um ihm irgendwelche wichtigen Papiere auf den Schreibtisch zu legen, ihm Neuigkeiten mitzuteilen oder einfach bloß um zu plaudern, weil gerade nichts Wichtiges zu tun war. Auch jetzt hielt Robin sich in seinem Büro auf; sie saß auf seinem Schreibtischstuhl und trank eine kleine Tasse Kaffee. Als sie ihn mit der ungeschickten Praktikantin durch die Tür hineinkommen sah, lächelte sie freundlich. „Wärst du vielleicht so nett und würdest mir mit dem Mädchen helfen?“, bat Crocodile sie und deutete auf Tashigi, die inzwischen ganz rot im Gesicht geworden war. „Sie ist eine Freundin von mir und muss gleich zu einer Besprechung mit Akainu. Wir sind eben zusammengestoßen und jetzt hat sie zwei Kaffeeflecken auf der Bluse. Hast du irgendwelche Tipps, was man da machen könnte?“ Robin war zwar eine sehr zurückhaltende Person, vor allen Dingen in Gegenwart von fremden Menschen, aber im Regelfall trotzdem sehr hilfsbereit. „Die Flecken mit Spülmittel auswaschen“, sagte sie nach kurzer Überlegung, „und die Bluse dann zum Trocknen auf die Heizung legen.“ Sie warf noch einmal einen Blick auf Tashigi, die ihren Aktenstapel fest gegen die Brust gepresst hielt. „Ich besorge ein bisschen Spülmittel aus der Küche, ja? Ich bin in fünf Minuten wieder da.“ „Vielen Dank“, sagte Tashigi, die sehr erleichtert klang. Tatsächlich kehrte Robin sehr schnell mit der gewünschten Flasche Spülmittel zurück, die sie Tashigi in die Hand drückte. „Ich muss jetzt leider los, Sengoku will mich sprechen“, sagte sie dann, „ich hänge draußen an die Türklinke ein Schild, damit niemand hereinkommt, während sich das Mädchen um seine Bluse kümmert, ja?“ „Sehr gut“, erwiderte Crocodile, während Tashigi sich ein weiteres Mal überschwänglich bedankte. „Das Badezimmer ist gleich da vorne“, erklärte Crocodile ihr und setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl, der nun nicht mehr durch Robin besetzt war. „Du kannst die Bluse, wenn sie sauber ist, hier drüben über die Heizung hängen. Stell am besten jetzt schon die höchste Stufe ein, damit die Bluse auch ganz sicher trocknet bis du zu Akainu musst. Mir macht die Wärme nichts aus.“ „Vielen lieben Dank“, bedankte sich Tashigi ein weiteres Mal bei ihm; überglücklich, weil sie nun doch nicht mit fleckiger Kleidung zum pingeligen und strengen Akainu musste. Sie zog sich die Bluse aus, ging mit dem Spülmittel zum Bad hinüber und wusch die beiden Flecken am Waschbecken aus, ehe sie den feuchten Stoff über die heiße Heizung hing und sich dann -nur in BH bekleidet- auf den freien Stuhl gegenüber von Crocodiles Schreibtisch hinsetzte. Um Tashigi (die sehr erpicht darauf war, sich für den erwiesenen Gefallen erkenntlich zu zeigen) die Wartezeit zu verkürzen, gab Crocodile ihr ein paar einfache Aufgaben zu erledigen, während er selbst seine Emails checkte. Weder ihr noch ihm schien die Situation seltsam oder unangenehm vorzukommen. Als Crocodile noch mit Smoker zusammen gewesen war, hatte er oft mit Tashigi zusammen gefrühstückt oder ihr dabei geholfen, das richtige Outfit für irgendwelche besonderen Anlässe zusammenzustellen. Schließlich hatte sie damals noch bei ihrem Bruder gewohnt. Für ihn war und blieb Tashigi die ungeschickte kleine Schwester von Smoker, während sie in ihm wahrscheinlich einfach den homosexuellen Bekannten sah, der ihr netterweise aus der Patsche geholfen hatte. Die Stunde war beinahe schon rum, als Tashigi schließlich aufstand und ihm die Papiere reichte, die sie bearbeitet hatte. Crocodile nahm sie mit einem knappen Nicken entgegen und wendete sich dann gleich wieder konzentriert seinem PC-Bildschirm zu. Tashigi ging zur Heizung hinüber. Und dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Während sie in die inzwischen saubere und trockene Bluse schlüpfte und sich dabei zu ihm umdrehte, um sich ein weiteres Mal für seine Hilfe zu bedanken, ging plötzlich seine Bürotüre auf und im Türrahmen stand Donquixote Doflamingo, der in seiner Bewegung stockte und schockiert die Szene betrachtete, die ihm geboten wurde. „Doflamingo“, begrüßte Crocodile seinen Partner mit tadelnder Stimme und zusammengezogenen Augenbrauen, „was zur Hölle suchst du denn hier? Und hast du nicht das Schild an der Tür gesehen?“ Ihm wurde erst im zweiten Moment klar, wie furchtbar eindeutig die Situation auf Doflamingo wirken musste: ein Bitte-nicht-stören-Schild an der Türklinke und in seinem Büro eine junge Praktikantin, die gerade ihre Bluse wieder anzog. Crocodile seufzte und rieb die Innenfläche seiner rechten Hand gegen die Stirn. Dann sagte er ruhig: „Es ist nicht so wie du denkst.“ „Es ist nicht so wie ich denke?!“, wiederholte Doflamingo aufgebracht und seine Stimme klang wie Gift. Tashigi, die ihre Bluse fertig geknöpft hatte, schien sich bei diesem Streit sehr unwohl zu fühlen und fehl am Platz vorzukommen. Sie deutete auf ihre Armbanduhr und warf Crocodile einen entschuldigenden Blick zu, der sie mit einer kurzen Kopfbewegungen aus seinem Büro entließ. Als sie hinausging, schloss sie die Tür hinter sich. Crocodile seufzte ein weiteres Mal. Eigentlich hatte er keine große Lust dazu, sich jetzt mit seinem Freund auseinanderzusetzen; vor allen Dingen während seiner Arbeitszeit nicht. Es gab nämlich ein paar dringenden Sachen, die er bis heute Abend auf jeden Fall erledigt haben musste. Darum würde er diese Situation jetzt so schnell wie möglich klären und sich dann wieder seinen Aufgaben zuwenden. Leider machte ihm Doflamingo, der vor Wut und Eifersucht beinahe zu explodieren schien, einen Strich durch diese Rechnung. „Wie ist es dann, verdammt nochmal?! Willst du mich hier eigentlich verarschen?! Wie lange läuft das mit dir und ihr schon?“ „Zwischen mir und ihr läuft überhaupt nichts“, versuchte Crocodile ihn zu beschwichtigen. „Sie ist bloß eine Freundin von mir und...“ „Eine Freundin?!“, schnitt Doflamingo ihm ungeduldig das Wort ab. “So nennt man das also heutzutage, ja? Ich kann das einfach nicht fassen, Crocodile! Ich dachte, es würde gut zwischen uns laufen und jetzt.... jetzt machst du sowas!“ „Lass mich doch bitte einmal ausreden“, erwiderte er ruhig, „wie soll ich mich erklären, wenn du mich ständig unterbrichst?“ Und zu seiner Überraschung beruhigte sich sein Partner tatsächlich ein wenig und signalisierte, dass er ihm zuhören würde. Er hatte zwar seine beiden Hände zu Fäusten geballt und presste die Zähne fest aufeinander, doch insgesamt schien er sich wieder ganz gut gesammelt zu haben. Es wirkte auf Crocodile fast so, als wollte Doflamingo tatsächlich daran glauben, dass es für diese Situation rationale Gründe gab, die seine Eifersucht ungerechtfertigt erscheinen lassen würden. Vielleicht lag es auch an Crocodiles völlig gelassenem Auftreten. (Tatsächlich fühlte er sich kein bisschen schuldig; schließlich hatte er nichts Verwerfliches getan.) Jedenfalls hielt Donquixote Doflamingo für ein paar Minuten sein übergroßes Mundwerk und gab seinem Partner somit die Gelegenheit, sich zu erklären und die ganze Situation zu entschärfen. „Sie ist eine Freundin von mir, die hier seit kurzem als Praktikantin arbeitet“, sagte Crocodile. „Wir sind draußen auf dem Gang zusammengestoßen, dabei ist ihr Kaffee auf ihrer Bluse gelandet. Und weil sie jetzt zu einem Gespräch mit dem Misthund Akainu muss, habe ich ein bisschen Mitleid mit ihr bekommen und ihr angeboten, dass sie die Flecken in meinem Büro auswäscht. Du weißt doch, dass ich ein eigenes Bad habe. Sie hat also die Flecken ausgewaschen, die Bluse über die Heizung gehangen und eben -als du hier unangekündigt reingeplatzt bist- wollte sie sie wieder anziehen. Ansonsten ist überhaupt nichts passiert! Wir haben uns nicht mal die Hände geschüttelt!“ Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. Er hatte sich inzwischen wieder ein wenig beruhigt, schien allerdings von Crocodiles Geschichte noch nicht völlig überzeugt zu sein. Das erste, was er sagte, war: „Und das soll ich dir glauben? Für meinen Geschmack sind das ein paar unglückliche Zufälle zu viel!“ Langsam verlor Crocodile die Geduld. Es störte ihn, dass sein Partner seinen Worten keinen Glauben schenken wollte. Allerdings musste er natürlich zugeben, dass die Umstände tatsächlich nicht zu seinen Gunsten standen. Um seine Erklärung zu bekräftigen, fügte er hinzu: „Im Badezimmer steht immer noch das Spülmittel, mit dem sie die Flecken ausgewaschen hat. Dass ich in meinem Büro normalerweise kein Geschirr spüle, muss ich dir ja wohl nicht beweisen, oder?“ Bei dieser Aussage verzog Doflamingo ein wenig den Mund und erwiderte: „Wenn du die Wahrheit sagst, wird es dich doch sicher nicht stören, wenn ich nachsehe?“ Er sprach diese Frage so aus, als glaubte er, ihn damit in die Enge treiben und entlarven zu können. „Nur zu“, antwortete Crocodile mit gereizter Stimme. Er verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, während er Doflamingo dabei beobachtete, wie dieser die Türe zum Bad öffnete. Auf dem Waschbeckenrand stand selbstverständlich noch immer die Flasche Spülmittel, die Robin besorgt hatte. Nun hatte sein Partner keine andere Wahl als ihm zu glauben, was Crocodile mit großer Genugtuung erfüllte. Dass Doflamingo ihn beschuldigte, es auf der Arbeit heimlich mit jungen Mitarbeiterinnen zu treiben, verletzte ihn zutiefst. Ganz gleich, wie die Situation ausgesehen haben mochte, als sein Freund sein Büro betreten hatte. Crocodile hatte in seinem Leben zwar bereits den ein oder anderen One-Night-Stand gehabt, war allerdings in seinen festen Beziehung treu geblieben - und zwar ausnahmslos immer! Er hatte noch niemals auch nur fremdgeküsst oder -geflirtet. Für ihn war das eine Selbstverständlichkeit. Wenn man nicht monogam leben wollte, dann sollte man eben keine feste Beziehung eingehen, so einfach war das. Zumindest war das Crocodiles Meinung. Um Doflamingo noch eins reinzuwürgen, sagte er mit giftiger Stimme: „Das Spülmittel hat Robin aus der Küche mitgebracht. Sie hat das mit den Kaffeeflecken auch mitbekommen. Wenn du mir immer noch nicht glauben willst, dann kannst du gerne auch sie fragen!“ Doflamingo hielt in einer abwehrenden Bewegung die Hände mit zu Crocodile gerichteten Innenflächen nach oben. „Ist ja schon gut“, meinte er schließlich kleinlaut, „ich glaube dir.“ Das reichte Crocodile nicht. Was Doflamingo ihm unterstellt hatte, war in seinen Augen eine bodenlose Unverschämtheit. Und dafür sollte er ein wenig leiden. „Wie wäre es mit einer Entschuldigung?“ Er wusste ganz genau, dass sein Freund nichts mehr hasste als einen Fehler einzugestehen und sich entschuldigen zu müssen. Doflamingo schien sich in seiner Haut plötzlich sehr unwohl zu fühlen und druckste herum. „Muss das sein?“, fragte er schließlich und wich trotz der Sonnenbrille dem Blick seines Partners aus. „Du hast mir unterstellt, ich würde dich betrügen!“, gab Crocodile zornig zurück und stand von seinem Schreibtischstuhl auf. „Dafür verlange ich eine Entschuldigung, verdammt nochmal!“ „Aber... wenn es anders herum gewesen wäre, hättest du doch genauso reagiert, oder nicht?“, argumentierte Doflamingo. „Die Situation war wirklich missverständlich. Das musst du doch zugeben! Du kannst mir keinen Vorwurf machen.“ „Natürlich kann ich dir einen Vorwurf machen“, erwiderte Crocodile und umrundete seinen großen Schreibtisch. Jetzt stand er genau vor Doflamingo, der ihn um gut einen Kopf überragte. „Du hättest mir vertrauen sollen!“ „Ich vertraue dir!“, sagte Doflamingo sofort. „Wenn du mir vertrauen würdest, dann hättest du nicht so eifersüchtig reagiert!“ „Jeder hätte eifersüchtig reagiert, wenn er seinen Partner in so einer Situation gesehen hätte!“ „In so einer Situation? So einer Situation? Da ist nichts gewesen, Doflamingo!“ „Aber das kann man vorher doch nicht wissen!“ „Du hättest mir vertrauen sollen! Zur Hölle nochmal! Entschuldige dich doch einfach und dann vergessen wir diesen blöden Vorfall.“ Diese Sache hatte ihn sowieso schon viel zu viel Zeit und Nerven gekostet, fand Crocodile. Er wollte sie nun endlich abhaken und dann mit seinem üblichen Tagesgeschäft weitermachen. Schließlich wartete noch immer eine Menge Arbeit auf ihn, die er bis heute Abend erledigt haben musste. „Von mir aus können wir diesen Vorfall vergessen“, sagte Doflamingo, „aber ich sehe keinen Grund, wieso ich mich bei dir entschuldigen sollte.“ Crocodile seufzte verzweifelt auf und massierte sich mit zwei Fingern die Schläfe. Tatsächlich kam es sehr selten vor, dass er sich mit seinem Partner ernsthaft stritt. Es gab zwar oft kleine Meinungsverschiedenheiten oder sie ärgerten einander ein wenig, doch wirklichen großen Streit hatten sie in ihrer Beziehung bisher nur zwei- oder vielleicht dreimal gehabt. Da Crocodile der Meinung war, dass er in letzter Zeit sowieso schon unter zu viel Stress stand und zu viel Ärger hatte, beschloss er diesmal klein bei zu geben. Bei den Problemen, die sich durch seine Kündigung ergeben hatten, hatte er bereits so unglaublich viele Nerven eingebüßt, dass er nun einfach nicht mehr die Kraft aufbringen konnte, um sich gegen seinen Freund durchzusetzen. „Na von mir aus“, sagte er darum schließlich mit matter Stimme und fuhr sich mit der Hand kurz durchs Haar. „Dann verschwinde jetzt endlich. Ich muss noch eine Menge Arbeit erledigen.“ Je eher Doflamingo das Gebäude der Bank verließ, desto besser. Zumindest sah Crocodile das so. Das Risiko, dass sein Partner von seiner Kündigung erfuhr, stieg mit jeder Minute, die er länger hier verbrachte. Auch wenn seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich inzwischen anderen Themen zum Tratschen zugewendet hatte, war es nicht unmöglich, dass er nicht doch die eine oder andere Sache aufschnappte. Und das wollte Crocodile unter allen Umständen vermeiden. Doch natürlich machte Doflamingo ihm erneut einen Strich durch seine Rechnung. Anstatt ihm diesen Gefallen zu tun und einfach nach Hause oder wohin auch immer zu fahren, wurde er nun stattdessen bockig und rührte sich keinen Zentimeter von der Stelle. „Willst du denn gar nicht fragen, wieso ich überhaupt hierher gekommen bin?“, fragte er und schob beleidigt die Unterlippe ein kleines Stück nach vorne. „Nein“, erwiderte Crocodile ohne Umschweife und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. „Und wenn ich ehrlich bin, hältst du dich für meinen Geschmack schon viel zu lange in meinem Büro auf. Also geh jetzt endlich! Ich habe wirklich die Nase voll von dir!“ „Ach komm schon, sei nicht so ein Miesepeter“, sagte Doflamingo, der (seiner guten Laune nach zu urteilen) ihren Streit von vorhin beinahe schon wieder vergessen zu haben schien. „Frag mich, warum ich heute in deinem Büro aufgekreuzt bin!“ „Um einen Streit von Zaun zu brechen und mich zu nerven?“ „Du bist so gemein zu mir! Dass es Streit geben würde, konnte ich vorher doch nicht ahnen, oder?“ Crocodile seufzte. Allem Anschein nach ließ sich Doflamingo nicht vertreiben, ehe er nicht bei seinen dämlichen Spielchen mitgespielt hatte. Um ihn also schnellstmöglich loszuwerden, gab Crocodile erneut kleinbei und fragte: „Also... wieso bist du hierher gekommen?“ „Ich hatte eben ein Gespräch mit Akainu wegen gewisser Geschäfte.“ Crocodile lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sein Freund hatte mit Akainu gesprochen? Hoffentlich hatte der nicht verraten, dass er gekündigt worden war. So eine Gemeinheit würde er diesem Misthund wirklich zutrauen. Vor allen Dingen, weil dieser ihn auf den Tod nicht ausstehen konnte (was auf Gegenseitigkeit beruhte). Aber auf der anderen Seite: Wusste in der Bank überhaupt irgendjemand, dass er in einer Beziehung mit Donquixote Doflamingo war? Sengoku hatte davon mitbekommen, weil er Doflamingo bei diesem gemeinsamen Geschäftsessen vor etwas mehr als einem halben Jahr kennengelernt hatte. Und Robin wusste Bescheid, weil Doflamingo damals versuchte hatte, über seine Sekretärin an ein paar Informationen über ihn zu kommen. Ansonsten allerdings hatte er nie jemandem in der Bank von seiner Liebesbeziehung zu Donquixote Doflamingo erzählt. Nicht, weil er sich für seinen Partner schämte oder Ähnliches; Crocodile war einfach kein Mensch, der am Arbeitsplatz oft über Privates sprach. Er trennte diese beiden Bereiche sehr strikt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Akainu gegenüber Doflamingo etwas über seine Kündigung ausgeplaudert hatte, um ihm eins auszuwischen, war also zum Glück relativ gering. Erleichtert atmete Crocodile aus. „Und da fiel mir ein: Wani arbeitet ja auch hier“, fuhr Doflamingo, der seinen kleinen Schock nicht mitzubekommen haben schien, ungerührt fort. „Also bin ich auf die Idee gekommen, dich mal in deinem Büro zu besuchen. Ich dachte mir, dass du sicher gleich Mittagspause haben würdest und wir dann zusammen etwas Essen gehen könnten. Nur ein paar Straßen von hier entfernt gibt es ein tolles internationales Restaurant. Keine Sorge, ich habe mir vorab die Speisekarte angeschaut und es gibt eine Menge Gerichte, die du problemlos essen kannst und...“ „Ich werde jetzt garantiert nicht mit dir essen gehen, Doflamingo!“, unterbrach Crocodile unwirsch den Redeschwall seines Freundes. Völlig vor den Kopf gestoßen hielt dieser inne und sah ihm in die Augen. „Erstens habe ich nach unserem Streit und deiner total kindischen Weigerung, dich bei mir zu entschuldigen, keine Lust mit dir essen zu gehen. Und zweitens mache ich heute sowieso keine Mittagspause. Ich muss bis Arbeitsschluss noch eine Menge Papierkram erledigen, da bleibt mir keine Zeit zum essen.“ Zur Bekräftigung seiner Worte machte Crocodile eine knappe Handbewegung in Richtung Tür und wendete sich dann demonstrativ den Dokumenten zu, die Tashigi ihm dagelassen hatte. Leider musste er feststellen, dass es sich um einen sehr großen Fehler handelte, wenn man sich allen Ernstes anmaßte, den großen Donquixote Doflamingo zu ignorieren. „Du... du... du kannst mich doch jetzt nicht rausschmeißen!?“, brüllte Doflamingo entsetzt, beleidigt und stinkwütend. „Für wen hältst du dich eigentlich?!“ „Für jemanden, der in Ruhe seine Arbeit erledigen möchte“, gab Crocodile spitz zurück und widerstand der Versuchung, sich erneut die Schläfen zu massieren. Langsam stellten sich Kopfschmerzen bei ihm ein. Warum nur konnte Doflamingo ihn nicht einfach in Ruhe lassen? „Du kannst mich nicht rausschmeißen! Das lasse ich mir nicht bieten, verdammt nochmal!“ „Das hier ist mein Büro. Ich entscheide, wer sich hier aufhält und wer nicht. Und jetzt geh doch bitte einfach. Ich muss meine Arbeit machen.“ „Mir egal! Ich will jetzt mit dir essen gehen!“, erwiderte Doflamingo mit lauter Stimme. „Also lass deine blöde Arbeit für zwei Stunden liegen und komm mit mir mit!“ Diese dreiste Aussage sorgte dafür, dass Crocodile schlussendlich der Kragen platzte. Er war mit seinen Nerven völlig am Ende. Plötzlich jedoch wich die Erschöpfung heißer Wut, die wie Lava durch seinen Körper strömte. Crocodile spürte sogar, wie seine Finger unkontrolliert zuckten. Er stand von seinem Schreibtischstuhl wieder auf und brüllte: „Genau diese Einstellung von dir ist das größte Problem in unserer Beziehung, Doflamingo! Alles dreht sich darum, was du gerade willst! Doflamingo will irgendetwas - also bekommt er es auch. Und zwar unter allen Umständen. Denn er ist der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt und alle anderen sind bloß zweitrangig! Das scheint ja wirklich deine Idee vom Leben zu sein! Und von mir aus kannst du diesen blöden Scheiß bei irgendwem anders auch durchziehen. Sollen die Leute dich doch in deinem Egoismus und deinem kranken Gottkomplex unterstützen. Mir ist das egal. Aber glaub ja nicht, dass das auch bei mir funktioniert! Ich bin nicht dein blöder Bediensteter, der dir hinterher rennt und tut, was du sagst. Darauf habe ich keinen Bock! Ich bin dein Freund und nicht irgendein unterhaltsamer Zeitvertreib! Und da ich dein Freund bin, solltest du mich lieber nicht auf dieselbe Stufe stellen wie alle anderen. Und ständig versuchen, deinen blöden Willen durchzusetzen! Sondern auch mal daran denken, wie es mir dabei geht. Sonst bekomme ich nämlich das Gefühl, dass ich dir überhaupt nichts bedeute und bloß ein Mittel gegen deine Langeweile bin. Und du kannst mir glauben: Das lasse ich mir bestimmt nicht bieten!“ Mit diesem Wutausbruch hatte er Donquixote Doflamingo das erste Mal in ihrer Beziehung -und vielleicht das erste Mal in dessen Leben- absolut mundtot gemacht. Sein Partner stand bloß völlig bewegungslos und mit offenem Mund in seinem Büro, starrte ihn hinter den bunten Gläsern seiner Sonnenbrille heraus an und sagte nichts. Für Crocodile war diese Stille Musik in seinen Ohren. Und als Doflamingo nach ein paar Minuten endlich seine Stimme wiederfand, klang sie schwach und stotternd: „Aber... ich... nein, so war das nicht gemeint. Du bist kein Zeitvertreib für mich. Ich... ich liebe dich! Mehr als alles andere auf der Welt!“ „Dann beweis mir deine Liebe, indem du nicht egoistisch handelst, sondern auch an mich denkst. Und das tust du, indem du jetzt ohne ein weiteres Wort mein Büro verlässt, damit ich meine Arbeit fertig machen kann. Ich... ich rufe dich heute Abend, wenn ich Zuhause bin, an und wir machen einen anderen Termin für das Essengehen aus. In Ordnung?“ Crocodile traute seine Augen kaum, als Doflamingo stumm nickte und dann tatsächlich ohne weiteres Theater den Raum verließ. Er dachte sogar daran, die Tür hinter sich zu schließen. Kaum war sein Partner verschwunden, ließ sich Crocodile zurück in seinen Stuhl sinken und bettete den Kopf auf seine Arme, die vor ihm auf der Platte seines Schreibtisches übereinander gekreuzt lagen. Er wusste nicht, ob er sich gut oder schlecht fühlen sollte. Wenn er so darüber nachdachte, fühlte er sich jetzt eigentlich bloß wieder sehr erschöpft und verzweifelt. Er hoffte nur, dass er mit seinem Wutausbruch eben nicht seine Beziehung zu Doflamingo riskiert hatte. * Als Crocodile an diesem Tag endlich von der Arbeit nach Hause kam, war es schon fast elf Uhr abends. Weil der Supermarkt, den er in letzter Zeit öfter besuchte, um die späte Uhrzeit bereits geschlossen gewesen war, hatte er sich an einer Tankstelle ein paar Dosen vorgefertigten Wodka-Orange-Mix gekauft. Das Zeug schmeckte zwar fürchterlich, sorgte allerdings dafür, dass er endlich ein wenig Erleichterung und Entspannung zulassen konnte. In der Bank überließ man ihm seit seiner Kündigung die langweiligsten und unleidigsten Arbeiten. Da er nur noch etwa eineinhalb Monate dort arbeiten würde, machte es keinen Sinn, ihn mit größeren und verantwortungsvollen Aufgaben zu betrauen. Darunter litt Crocodile sehr. Er war es gewohnt, Projekte zu leiten und Meetings einzuberufen, und dass man seine Fähigkeiten nun für stupiden Papierkram verwendete, verletzte ihn zutiefst. Er hatte doch nicht jahrelang studiert, um Formulare auszufüllen und Emails an Kunden zu verschicken! Außerdem fühlte er sich schuldig, weil er sich Doflamingo gegenüber so eklig verhalten hatte. Sein Partner hatte ihm mit dem Besuch in seinem Büro und der Essenseinladung doch bloß eine nette Überraschung machen wollen - und er hatte ihn beschimpft und verscheucht, weil er schlechte Laune gehabt hatte. Crocodile trank die erste Dose leer und griff dann gleich nach der nächsten, um sie mit einem leisen Zischgeräusch zu öffnen. Obwohl ein kleiner Teil der Schuld natürlich auch bei Doflamingo selbst lag; schließlich war dieser so stur gewesen und hatte sein Büro einfach nicht verlassen wollen. Wie auch immer, jedenfalls fühlte Crocodile sich furchtbar schlecht. Er erinnerte sich daran, dass er Doflamingo versprochen hatte, ihn nach der Arbeit anzurufen. Also stellte er den Fernseher leise, griff nach seinem Handy, das er neben sich auf die Couch gelegt hatte, und rief seinen Freund über die Kurzwahltaste 5 an. Crocodile hatte insgesamt fünf Handynummern über Kurzwahltasten gespeichert: auf der 1 war die Nummer von seinem Bruder Mihawk gespeichert, auf der 2 die von seiner Schwester Hancock, auf der 3 die Nummer von seinem Studienkollegen Daz, auf der 4 die private Nummer von seiner Sekretärin Robin und auf der 5 die von Doflamingo. Die Telefonnummern seiner Eltern hatte er nicht gespeichert; er besaß sie nicht, weil er seit seinem Outing keinen Kontakt mehr zu ihnen hatte. Doflamingo nahm gleich nach dem zweiten Klingeln ab. „Endlich rufst du an, Wani! Ich warte schon den ganzen Abend auf deinen Anruf! Wir haben fast Mitternacht!“ Es war zwar erst dreiundzwanzig Uhr zehn, doch Crocodile machte sich nicht die Mühe, seinen Freund zu korrigieren. Stattdessen sagte er: „Sorry, ich bin gerade erst nach Hause gekommen.“ „Ist schon gut“, erwiderte Doflamingo sofort, „das sollte kein Vorwurf sein. Aber musstest du denn wirklich so lange arbeiten? Du hast doch schon heute morgen um acht angefangen. Es kann doch nicht sein, dass du so viel Arbeit aufgehalst bekommst, dass du erst um null Uhr nach Hause kommst!“ Es war zwar immer noch nicht Mitternacht, doch Crocodile wusste, was sein Partner meinte. „Da kann ich aber leider nichts gegen machen. In letzter Zeit gibt es eben sehr viel zu tun. Alle müssen länger bleiben oder Arbeit mit nach Hause nehmen.“ „Dann soll der blöde Sengoku eben mehr Leute einstellen“, jammerte Doflamingo. „Wir sehen uns für meinen Geschmack sowieso schon viel zu selten. Wenn du auch noch jeden Tag bis spätabends arbeiten musst, können wir uns unter der Woche überhaupt nicht mehr treffen!“ „So schlimm ist es nicht“, versuchte Crocodile ihn zu beschwichtigen, „wir kriegen das auf jeden Fall irgendwie geregelt, das verspreche ich dir. Ich werde mich darum bemühen, in nächster Zeit pünktlich Schluss zu machen, okay?“ Mit diesem Versprechen log Crocodile ihn erneut an. Tatsächlich hatte er sich freiwillig dazu bereiterklärt, Überstunden zu machen, damit sein nächster Gehaltscheck ein wenig üppiger ausfiel und er einen größeren Teil seiner Schulden begleichen könnte. Aber das sollte Doflamingo natürlich nicht erfahren. „Das Problem liegt ja nicht nur bei deiner Arbeit“, meinte dieser nun, „es geht ja zum Beispiel auch darum, dass wir fünfundvierzig Autominuten voneinander entfernt wohnen!“ Oh Gott, dachte Crocodile und presste die Lippen und Zähne aufeinander. Hoffentlich machte sein Freund nicht wieder irgendeine Andeutung darüber, dass er gerne mit ihm zusammenziehen würde! Um dieses Gesprächsthema zu umgehen und jeden weiteren Gedanken an einen Zusammenzug gleich im Keim zu ersticken, sagte Crocodile hastig: „Lass uns jetzt nicht darüber reden, ja? Ich will nicht mit dir streiten. Wollten wir nicht lieber einen Termin fürs Essengehen ausmachen? Du hast doch etwas von einem internationalen Restaurant gesagt, oder?“ Zum Glück tat Doflamingo ihm den Gefallen und ließ sich sofort begeistert auf das neue Thema ein. Crocodile atmete erleichtert aus. „Ja, ein guter Freund hat mir das Restaurant empfohlen“, plapperte Doflamingo sofort drauf los, „und wie gesagt, es ist nicht weit von der Bank entfernt. Also ideal, wenn du in der Mittagspause oder nach Arbeitsschluss dorthin möchtest. Und es werden wirklich sehr, sehr viele Gerichte angeboten, die dein Magen verträgt; darauf habe ich besonderen Wert gelegt.“ „Das, ähm, klingt doch gut“, sagte Crocodile und fühlte sich sehr unbeholfen. Eigentlich hatte er derzeit wirklich nicht das Geld übrig, um auswärts essen zu gehen. Aber was sollte er sonst tun? Doflamingo ging unglaublich gerne essen. Er würde sich seinen Wünschen nicht ewig entziehen können. Und zumindest schien es sich bei diesem Restaurant nicht um das Baratie zu handeln. „Wann möchtest du denn dahin?“ „Wie wäre es mit Freitagabend? Ich kann dich von der Arbeit abholen. Und danach verbringen wir ein schönes Wochenende bei mir. Was hältst du davon?“ „Das ist super“, antwortete Crocodile und weil er fand, dass auffällig wenig Enthusiasmus in seiner Stimme lag, fügte er ein wenig überzeugender hinzu: „Ein entspannendes Wochenende habe ich wirklich dringend nötig. Vor allem mal wieder aus der Großstadt herauszukommen, wird mir sicher guttun. Die Arbeit stresst mich in letzter Zeit unglaublich. Ich freue mich schon darauf.“ „Ich mich auch!“, gab Doflamingo fröhlich zurück und gluckste. „Ein ganzes Wochenende lang nur du und ich bei mir Zuhause - das wird sicher wunderschön!“ * Am Freitagabend machte Crocodile pünktlich Arbeitsschluss, damit er draußen auf seinen Freund warten konnte und sich für diesen gar nicht die Notwendigkeit ergeben würde, das Gebäude der Bank zu betreten, um ihn zu suchen. Auch wenn nur Sengoku und Robin über ihn und Doflamingo Bescheid wussten, war die Möglichkeit doch nicht ausgeschlossen, dass irgendjemand vielleicht beiläufig seine Kündigung erwähnen würde. Um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten, hielt Crocodile es für sinnvoll, dass sein Partner die Bank nur so selten wie absolut nötig betrat. Die kühle Abendluft sorgte für einen klaren Kopf bei ihm. Crocodile stellte seine Arbeitstasche neben ihm auf den Bürgersteig ab. (Normalerweise befanden sich wichtige Dokumente darin, heute jedoch waren es frische Wäsche, Hygieneartikel und anderer Kram.) Er nahm sich eine Zigarre aus seiner Innentasche und zündete sie an, nachdem er sie sich in den Mund gesteckt hatte. Doch auch nach zwei Zügen stellte sich bei Crocodile keine entspanntes Wohlgefühl ein, wie es sonst immer der Fall war. Die Probleme, die sich durch seine Kündigung ergaben, sowie sein ständiges Paranoia, Doflamingo könnte davon erfahren, ließen ihn einfach nicht los. Ganz gleich, wie intensiv er auch an der hochwertigen Zigarre zog, sie änderte nichts an dem nervösen Kribbeln in seinem Hals und seiner Hand. Er würde das gesamte Wochenende bei seinem Partner Zuhause verbringen. Und wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich sehr unwohl und unsicher bei diesem Gedanken. Er fürchtete sich davor, dass er sich womöglich verplappern oder aus irgendeinem anderen Grund sein Geheimnis verraten würde. Je länger er sich in der Nähe seines Freundes aufhielt, desto größer war die Gefahr, dass dieses Horrorszenario tatsächlich eintreten würde. Crocodile rauchte seine Zigarre auf und schmiss den Filter in einen Gulli, als er am Ende der Straße die Scheinwerfer von Doflamingos Auto sah. Oder besser gesagt, die Scheinwerfer eines der vielen Autos, die Doflamingo besaß. Heute handelte es sich um eine cremefarbene Limousine, die vor dem Gebäude der Bank zum stehen kam. Die Tür vorne links öffnete sich und es stieg ein Fahrer aus, der den Wagen einmal umrundete und schließlich die Türe hinten rechts öffnete. Donquixote Doflamingo rückte seine Sonnenbrille mit den violett getönten Gläsern zurecht, als er langsam aus der Limousine ausstieg und auf Crocodile zuging. Der Fahrer schloss die Wagentüre hinter ihm und blieb dann an Ort und Stelle stehen, um zu warten. Obwohl Crocodile genau wusste, dass Doflamingo unglaublich reich war, erstaunte es ihn immer wieder aufs Neue, welchen Luxus sich sein Freund doch gönnte. Auch wenn er selbst nicht schlecht verdiente -oder eher verdient hatte, ehe er gekündigt worden war-, wäre er niemals auf die Idee gekommen, sich einen eigenen Fahrer anzuschaffen. Und bei dem Gedanken daran, dass er demnächst seinen Mercedes C 216 (der vielleicht ein Viertel so viel wert war wie dieses eine Auto von Doflamingo) verkaufen musste, um einen Teil seiner Schulden zu tilgen, wurde ihm plötzlich sehr schlecht. Dennoch bemühte Crocodile sich seinem Freund gegenüber um ein möglichst unbefangenes Lächeln. Nachdem er sich unauffällig umgesehen und festgestellt hatte, dass sich in ihrer unmittelbarer Nähe niemand befand, ließ er es sogar zu, dass Doflamingo ihm zur Begrüßung einen kurzen Kuss auf seinen Mund gab und ihm einen schweren Arm um seine Schulter legte, während er ihn zur Limousine begleitete. Es war nicht so, dass er sich für seine homosexuelle Neigung oder Doflamingo (außer für dessen Kleidungsstil) schämte, doch er hielt noch immer an dem Grundsatz fest, dass es umso besser für ihn war, je weniger Leute in der Bank von ihrer Beziehung wussten. Der Fahrer öffnete ihnen beiden die Türe und Crocodile glitt neben seinen Freund auf die geräumige Rückbank des Wagens. Die Sitze waren, passend zur Außenfarbe der Limousine, mit cremefarbenen Leder überzogen worden. Außerdem war der Innenraum mit einer Menge nicht notwendigem, aber hübschem und teurem Schnickschnack ausgestattet. Crocodile spürte, dass Doflamingo ihm unter seiner Sonnenbrille einen besorgten und misstrauischen Blick zuwarf. „Ist alles in Ordnung mit dir, Crocobaby?“, fragte er und strich ihm sanft über die Haare. „Du bist so blass im Gesicht.“ „Ich bin immer blass im Gesicht“, erwiderte Crocodile und bemühte sich darum, seine steife Körperhaltung ein wenig aufzulockern und die zärtlichen Berührungen seines Partners zu genießen. „Mit mir ist alles in Ordnung.“ „Bist du dir da sicher?“, hakte Doflamingo nach. Crocodile widerstand dem Wunsch, die Augenbrauen zusammenzuziehen. „Natürlich bin ich mir sicher. Ich bin nur ein bisschen erschöpft; die Arbeit war mal wieder sehr anstrengend. Und ausgerechnet heute musste ich mich auch noch mit Akainu auseinandersetzen. Du weißt ja, dass ich ihn nicht leiden kann. Aber ansonsten ist alles okay bei mir. Du musst dir keine Sorgen machen, Doffy.“ Crocodile merkte, dass Doflamingo ihm immer weiter Glauben schenkte, je länger er redete, und bei der Nennung seines Kosenamens schien er völlig von seiner Lüge überzeugt zu sein. Crocodile schluckte und vermied den Blickkontakt zu seinem Freund. Akainu war heute nicht einmal im Hause gewesen, weil er Verhandlungen mit einer anderen Bank geführt hatte, doch das konnte Doflamingo natürlich nicht wissen. Das Restaurant, das Doflamingo ausgesucht hatte, befand sich in einem Gebäude, das sehr altehrwürdig aussah und mit einer Menge weißem Stuck geschmückt war. Es bildete einen starken Kontrast zu den vielen Wolkenkratzern aus Glas und Stahl, die ansonsten das äußere Erscheinungsbild der Stadt dominierten. Crocodile gefiel es auf Anhieb sehr gut. Allem Anschein nach hatte sich sein Freund bei der Wahl des Restaurants tatsächlich Gedanken darum gemacht, welches seinen Geschmack am ehesten treffen würde. Der Name des Lokals war Flying Lamb, wie Crocodile der Schrift auf der altmodisch gemeißelten Tafel über dem Eingang entnahm. Als sie die Innenräume betraten, erwartete sie im Eingangsbereich bereits der Oberkellner, der sie mit einer Verbeugung begrüßte. Es war ein junger Mann mit blondem Haar und einem leichten Kinnbart, den er anscheinend absichtlich nicht rasierte. „Herr Donquixote, es ist eine große Ehre, Sie in unserem bescheidenen Haus begrüßen zu dürfen! Und Ihre Begleitung, ah, das wird sicherlich der hoch geschätzte Sir Crocodile sein, nicht wahr? Wir fühlen uns durch Ihren Besuch sehr geehrt und freuen uns, Sie beide heute Abend bewirten zu dürfen! Bitte legen Sie doch Ihre Garderobe ab und folgen mir zu Ihrem Tisch.“ Nachdem ihnen die die Mäntel abgenommen worden waren, folgten sie dem Oberkellner durch das Restaurant. Verwundert sah Crocodile sich um. Im gesamten Raum konnte er bloß einen einzigen Tisch ausmachen und das war der, den sie gerade ansteuerten. Ansonsten war das Lokal wie leergefegt. Doflamingo, der seinen misstrauischen Blick wohl mitbekommen hatte, gluckste leise und raunte ihm dann zu: „Du hast mir doch erzählt, dass du ein bisschen Ruhe und Entspannung gut gebrauchen könntest, oder nicht? Darum habe ich für uns beide das komplette Restaurant reserviert.“ Bei dieser Aussage setzte Crocodiles Herz für einen kurzen Moment aus, ehe es mit der doppelten Geschwindigkeit weiterschlug. Hatte sein Partner ihm eben tatsächlich mitgeteilt, dass er für heute Abend nicht bloß einen Tisch, sondern gleich das ganze Restaurant gemietet hatte? Sie erreichte ihre Plätze und Crocodile setzte sich mit einem riesigen Kloß im Hals auf den Stuhl, den nicht der Kellner, sondern Doflamingo für ihn zurechtrückte. Er war so geschockt, dass er sogar vergaß sich dafür zu bedanken. Die Kosten für ein auswärtiges Essen waren ihm beinahe schon zu hoch; wie sollte er denn nur ein ganzes Restaurant bezahlen? Als der Kellner nach ihren Getränkewünschen fragte, war das einzige, was Crocodile hervorbrachte, bloß ein leises und jämmerlich klingendes „Stilles Wasser, bitte“. „Ich lade dich ein“, sagte Doflamingo, als sie wieder allein waren. „Ich weiß, dass du dich nicht gerne einladen lässt, aber heute wirst du es zulassen müssen, ob es dir gefällt oder nicht.“ Crocodile sah überrascht zu ihm hinüber. Er fühlte sich sehr unwohl: Auf der einen Seite konnte er es überhaupt nicht ausstehen, wenn man für ihn bezahlte, auf der anderen Seite allerdings fragte er sich ernsthaft, wie er angesichts seiner finanziellen Situation eine solch riesige Rechnung bezahlen sollte. „Gibt es für die Einladung einen besonderen Grund?“ „Es gibt sogar zwei besondere Gründe“, erwiderte Doflamingo munter und ignorierte den Kellner, der ihre Getränke und Vorsalate servierte. „Erstens ist heute unser siebter Monatstag und zweitens möchte ich gerne über ein wichtiges Thema mit dir sprechen.“ Um seine staubtrockene Kehle ein wenig zu befeuchten, trank Crocodile einen Schluck Wasser. Er hatte völlig vergessen, dass heute ihr Monatstag war. „Das ist doch nicht nötig“, sagte er, „wir haben uns schließlich noch nie etwas zum Monatstag geschenkt. Du weißt, dass ich so etwas furchtbar kitschig finde!“ Doflamingo zuckte mit den Schultern und blätterte beiläufig durch die Speisekarte, als er meinte: „Und du weißt, dass ich ein Fan von Kitsch und Romantik bin. Also gönn mir doch, dass ich dich einlade. Und wenn nicht aus dem ersten Grund, dann wenigstens aus dem zweiten.“ „Und worum geht es bei diesem zweiten Grund?“ Crocodile griff ebenfalls nach der Karte; allerdings bloß, um seine zuckenden Finger ein wenig zu beruhigen. Er richtete seinen Blick zwar auf die Seiten, wusste jedoch auch nach zwei Minuten nicht, was das Flying Lamb anbot. Sein Herz schlug sehr schnell. Worüber wollte Doflamingo mit ihm reden? Hatte er etwa von seiner Kündigung und seinen Schulden erfahren? Doch wie war das möglich? Doflamingos Grinsen war unnahbar. „Lass uns später darüber sprechen, ja? Erstmal sollten wir bestellen. So wie ich dich kenne, hast du dir heute bei der Arbeit bestimmt keine einzige Pause gegönnt, um eine Kleinigkeit zu essen, nicht wahr?“ Crocodile seufzte. Es wunderte ihn kein bisschen, dass sein Freund auf dieses Thema zurückkam. Anscheinend fühlte sich Doflamingo in letzter Zeit tatsächlich von ihm vernachlässigt, weil er ständig lange arbeiten musste. „Es gibt in der Bank eben sehr viel zu tun“, verteidigte Crocodile sein Verhalten und las die Auflistung der Vorspeisen durch, „da bleibt mir keine Zeit, um zu essen.“ Was ihm eigentlich auch ganz recht war, dachte Crocodile, denn durch seine vielen Sorgen hatte er sowieso ständig das Gefühl, ihm würde ein Kloß im Magen liegen. Und jedes Mal, wenn er daran dachte, Mittagspause zu machen und etwas zu essen, wurde ihm wieder bewusst, wie schrecklich groß und schwer dieser Kloß doch war. „Das ist aber sehr ungesund“, tadelte Doflamingo ihn. „Man sollte sich nicht überarbeiten. Und wenn man's doch mal tut, sollte man wenigstens darauf achten, genug zu essen und zu schlafen. Sonst landest du noch im Grab, bevor du vierzig bist. Fufufufu.“ Doflamingo lachte, doch in seiner Stimme hatte auch ein wenig Ernst mitgeschwungen. Crocodile versuchte von diesem unangenehmen Thema abzulenken, indem er lächelte und sagte: „Damit du sichergehen kannst, dass ich nicht verhungere, sind wir doch jetzt hier, oder nicht? Weißt du schon, was du nimmst?“ „Ich habe Lust auf Seafood“, antwortete Doflamingo, der zum Glück sehr leicht abzulenken war, „als Vorspeise nehme ich die Krabbensuppe. Und als Hauptgang, hm, Seeteufel.“ Crocodile schmunzelte. Sein Freund hatte sogar beim Essen einen wirklich exotischen und teuren Geschmack. Als der Kellner ihre Bestellungen aufnahm, äußerte Doflamingo mehrere Extrawünsche, die in dessen Ohren ziemlich unsinnig klingen mussten; doch natürlich notierte er pflichtbewusst jede geforderte Änderung. Dann wendete er sich Crocodile zu: „Und was darf es für Sie sein, mein Herr?“ „Ich nehme als Vorspeise die Kartoffelsuppe und als Hauptspeise das Schweinefilet. Alles nur mild gewürzt, bitte.“ „Ausgezeichnete Wahl“, kommentierte der blonde Kellner seine Bestellung, während er sie sich aufschrieb. Und gerade wollte er sich wieder auf den Weg zurück in die Küche machen, als Doflamingo ihn noch einmal aufhielt und hinzufügte: „Achtet darauf, dass seine Gerichte wirklich nur ganz mild gewürzt sind, ja? Also keinen Pfeffer oder andere scharfe Gewürze. Er hat einen empfindlichen Magen. Und schneidet alles in mundgerechte Stücke.“ „Natürlich“, bestätigte der Kellner und verbeugte sich kurz. Nachdem er sich wieder entfernt hatte und ganz sicher auch außer Hörweite war, warf Crocodile seinem Freund einen finsteren Blick zu und fragte mit verärgerter Stimme: „Was zur Hölle sollte das denn?!“ Doflamingo reagierte völlig gelassen; allem Anschein nach war er überhaupt nicht der Ansicht, dass er sich in irgendeiner Form unverschämt oder unangemessen verhalten hatte. „Ich wollte nur sichergehen, dass du kein Essen serviert bekommst, dass dir nicht bekommt.“ „Ich hatte doch schon gesagt gehabt, dass ich es mild gewürzt haben möchte!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und was sollte diese blöde Anmerkung mit den mundgerechten Stücken?!“ „Na, du hast doch nur eine Hand“, sagte Doflamingo als würde es sich dabei um eine völlig neue Tatsache handeln. „Wie willst du denn mit einer Hand Fleisch schneiden? Das geht doch nicht.“ „Dass ich nur eine Hand habe, werden die sicher gesehen haben, verdammt nochmal! Wir sind schließlich heute Abend die einzigen Gäste im ganzen Laden! Die wären sicher auch selber auf die Idee gekommen, das Fleisch für mich zu schneiden, bevor sie es servieren!“ Doflamingo hob in einer beschwichtigenden Geste beide Hände. „Jetzt reagier doch nicht gleich so aggressiv, Wani. Ich wollte dir doch bloß einen Gefallen tun. Ich habe es nicht böse gemeint.“ „Trotzdem!“, gab Crocodile zurück. Er reagierte immer sehr empfindlich darauf, wenn irgendjemand Rücksicht auf ihn nahm, obwohl das überhaupt nicht notwendig war. Schließlich war er eine sehr stolze Person und nahm nur ungern Hilfe an. „Ich bin kein kleines Kind mehr, sondern ein eigenständiger Mensch und durchaus dazu in der Lage, mein Essen selber zu bestellen. Also halte dich daraus, ja? Ich kann das nämlich auf den Tod nicht ausstehen, wenn man so tut, als würde ich etwas nicht alleine auf die Reihe kriegen!“ Auch wenn Crocodile es durch die Gläser der Sonnenbrille hindurch nicht sah, wusste er genau, dass sein Partner mit den Augen rollte. „Ich habe doch eben gesagt, dass ich es nicht böse gemeint habe“, erklärte Doflamingo. „Es war nicht meine Absicht, dich bloßzustellen. Ich wollte dir nur helfen.“ „Ich brauche keine Hilfe“, erwiderte Crocodile spitz. Doflamingo seufzte. Er seufzte nur sehr selten; ganz im Gegensatz zu ihm selbst. In ihrer gesamten Beziehung hatte Crocodile ihn höchsten drei- oder viermal seufzen gehört - dieses Mal mit eingerechnet. Wenn Doflamingo seufzte (oder wenn die Adern an seiner Stirn zu pochen begannen), dann wusste Crocodile, dass er sich einer Grenze näherte, die er lieber nicht überschreiten sollte. „Ist ja gut“, sagte Doflamingo. „Ich will jetzt nicht streiten. Es ist schließlich unser Monatstag. Lass uns diese blöde Sache einfach vergessen. In Ordnung?“ Wenn Doflamingo nicht geseufzt hätte, dann hätte Crocodile definitiv nicht aufgehört zu streiten. Er besaß nur wenige wunde Punkte, doch mit seinem Verhalten hatte sein Partner eben einen dieser Punkte getroffen. Und zwar genau in die Mitte. Da allerdings abzusehen war, dass dieser Streit womöglich sehr böse enden würde, wenn er auf einer Entschuldigung bestand, beschloss Crocodile schweren Herzens, erneut klein bei zu geben. Zumindest für diesen Abend. Er würde Doflamingo dann eben ein andern Mal auf diese Sache ansprechen und auf jeden Fall eine Entschuldigung verlangen. „In Ordnung. Hören wir auf zu streiten. Du hast Recht: Es ist unser Monatstag.“ Obwohl sie ihren Zwist beigelegt hatten und das Essen sehr gut schmeckte, konnte Crocodile den gemeinsamen Abend nicht so recht genießen. Ständig machte er sich Gedanken darum, worüber Doflamingo anlässlich ihres siebten Monatstages mit ihm sprechen wollte. Um seine Kündigung ging es wahrscheinlich nicht. Doch worum dann? Er konnte sich beim besten Willen nichts vorstellen, was so wichtig wäre, dass man allein für die Verkündigung ein komplettes Restaurant mietete. Auf der anderen Seite allerdings waren diese Kosten für einen Mann wie Doflamingo wohl kaum der Rede wert. Als der blonde Oberkellner das nächste Mal zu ihnen hinüber kam, bestellte Crocodile sich einen Rotwein; er musste dringend seine Nerven beruhigen. Erst, als er das Glas fast leer getrunken hatte, kam Doflamingo endlich auf den Grund für die Essenseinladung zu sprechen. „Ich habe mir in letzter Zeit sehr viele Gedanken über unsere Beziehung gemacht“, sagte Doflamingo. Er klang nicht schlecht gelaunt, jedoch untypisch ernst. Crocodile spürte, dass seine Finger wieder zu zucken begannen, und trank eilig den letzten Schluck Wein aus seinem Glas. Er fühlte sich schrecklich nervös und wünschte sich, Doflamingo würde endlich auf den Punkt kommen. „Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es viele Dinge gibt, die mich sehr stören.“ Crocodile umfasste sein leeres Weinglas mit einem so festen Griff, dass es sich nur noch um eine Frage der Zeit handelte, bis es in seiner Hand zerplatzen würde. Der unangenehme Knoten in seinem Magen wurde noch größer. Was sein Partner sagte, klang überhaupt nicht gut. Wollte sich Doflamingo etwa von ihm trennen? Doch wozu dann der große Aufwand für den heutigen Abend? „Du arbeitest in letzter Zeit sehr viel“, fuhr Doflamingo fort, „und bist darum ständig gestresst und gereizt. Außerdem hast du kaum noch Zeit für mich -oder eher für uns- übrig. Zuerst ging es nur um die Tage unter der Woche, aber jetzt weitet sich das auch auf die Wochenenden aus. Es gibt zum Teil ganze Wochen, in denen wir uns einfach nicht sehen können. Das liegt natürlich nicht nur an deiner Arbeit, sondern auch daran, dass du mehr als fünfzig Kilometer von mir entfernt wohnst.“ Doflamingo machte eine kurze Pause und trank einen Schluck von seinem Pina Colada. „Ich fände es schön, wenn wir uns öfter sehen könnten. Nicht bloß ein- oder zweimal in der Woche, sondern jeden Tag. Und, naja, aus diesem Grund möchte ich dich gerne fragen, ob du Lust hast“, er atmete einmal tief ein und aus, „zu mir zu ziehen?“ Crocodile fühlte sich, als hätte ihm irgendjemand mit voller Wucht in den Bauch getreten. Der schwere Kloß in seinem Magen begann zu schmerzen, alle Luft wich aus seinen Lungen und sein Mund war staubtrocken. Er wünschte sich einen Schluck Rotwein, doch leider hatte er sein Glas bereits bis aus den letzten Tropfen geleert. „Findest du nicht, dass es ein wenig zu früh ist, um zusammenzuziehen?“, sagte Crocodile und balancierte mithilfe dieser Gegenfrage geschickt um eine eindeutige Antwort herum. Er musste husten und suchte den Oberkellner, der ein paar Meter entfernt stand und gab diesem zu verstehen, dass er gerne nachgeschenkt bekäme. „Wir sind jetzt sieben Monate zusammen“, erwiderte Doflamingo. Seine Stimme klang undefinierbar; Crocodile konnte beim besten Willen nicht heraushören, ob sein Partner enttäuscht war oder sich die ganze Sache nicht allzu sehr zu Herzen nahm. „Und diese sieben Monate sind für mich mehr als genug Zeit gewesen, um mir darüber klar zu werden, dass du der Mann meines Lebens bist, Crocodile. Ich...“ Doflamingo stockte kurz und fuhr dann umso selbstsicherer fort: „Ich habe angefangen, mich für Dates und Sex zu interessieren, als ich fünfzehn war. Seitdem hatte ich eine Vielzahl von Partnern. Aber keiner von ihnen ist mir jemals wirklich wichtig gewesen. Die meisten waren sowieso bloß hinter meinem Geld her. Wollten immer nur, dass ich mit ihnen auf Parties gehe, ihnen Schmuck und Klamotten schenke. Und ich hab ihnen den Gefallen getan, weil ich reich bin und es als eine Selbstverständlichkeit empfunden habe. Es war für mich völlig normal, ihre Gesellschaft und ihren Sex zu kaufen. So wie es für dich normal ist, einen Ring zu kaufen anstatt ihn zu stehlen, wenn du ihn im Schaufenster siehst und ihn hübsch findest. Und wenn er dir nach einer gewissen Zeit langweilig geworden ist, dann packst du ihn eben zur Seite und kaufst dir einen neuen Ring, der dir besser gefällt. Um ehrlich zu sein, Crocodile, bist du der allererste Mensch in meinem ganzen Leben, der mich um meiner selbst willen liebt. Alle anderen haben immer nur mein Geld gewollt. Aber du schlägst meine Einladungen und Geschenke ständig aus; und wenn du einmal doch nicht drum herum kommst, dann sagst du immer Das wäre doch nicht nötig gewesen, Doffy!. Du verbringst Zeit mit mir, weil du mich liebst und aus keinen anderem Grund sonst. Ich bin mir sicher, dass du der Richtige für mich bist, Crocodile, und deswegen möchte ich mit dir zusammen den nächsten Schritt in unserer Beziehung gehen. Das bedeutet, zusammenzuziehen. Wenn du damit einverstanden bist.“ Doflamingo trank zwei Schlücke seines Cocktails auf einmal und nun spürte auch Crocodile die Aufregung, die sein Gegenüber versprühte. Allem Anschein nach war ihm diese Sache doch wichtiger als er es gehofft hatte. Was sollte er denn jetzt nur tun? Auf der einen Seite wollte Crocodile Doflamingos Gefühle nicht verletzen -vor allem, weil sich sein Partner ihm gegenüber nur sehr selten öffnete, zumindest auf emotionaler Ebene-, doch auf der anderen Seite konnte er ihm auch nicht so einfach zustimmen. Die Villa, in der Doflamingo hauste, hatte einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Irgendetwas um die 20.000.000 Berry herum, wenn er sich recht erinnerte; Doflamingo hatte diese Zahl irgendwann einmal beiläufig erwähnt gehabt. Doch wie um Himmels willen sollte er die Hälfte dieses Betrags bezahlen? (Denn kostenfrei bei seinem Freund zu wohnen, kam für einen Mann wie Crocodile definitiv nicht infrage.) Selbst zu seinen besten Zeiten hätte er eine Summe von 10.000.000 Berry nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln können. Ganz zu schweigen von der finanziellen Situation, mit der er jetzt gerade zu kämpfen hatte. Was dachte sich Doflamingo bloß? Konnte er sich denn nicht denken, dass er ihn mit diesem Angebot verletzte? „Ich, ähm, bin ziemlich überrascht“, gestand Crocodile schließlich, nachdem der blonde Kellner ihm Wein nachgeschenkt hatte. „Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass du mit mir zusammenziehen willst. Vor allen Dingen, weil wir ja gerade einmal seit sieben Monaten ein Paar sind.“ Crocodile hatte zwar in seinem Leben mehrere feste Liebesbeziehungen geführt, war bisher jedoch nur mit einem einzigen seiner Partner jemals zusammengezogen und das war Enel gewesen. Sie hatten sich nach vier Jahren fester Beziehung eine gemeinsame Wohnung gesucht; ein weiteres Jahr später war ihre Beziehung gescheitert. Crocodile war derjenige gewesen, der Schluss gemacht hatte, und auch derjenige, der auszog. Er ließ sich die Hälfte des Geldes, das sie in den Traum vom gemeinsamen Wohnen investiert hatten, auszahlen und zog wieder in die Wohnung ein, in der bereits er zuvor gewohnt hatte und die in der Zwischenzeit nicht anderweitig vermietet worden war. Kurze Zeit später hatte er dann Smoker kennengelernt. „Ich bin mir sicher, dass es dir guttun wird, wenn du bei mir einziehst“, redete Doflamingo weiter auf ihn ein. „Dann kommst du endlich mal aus der Großstadt raus. Deine Wohnung liegt schließlich mitten im Stadtkern. Du hast den ganzen Verkehrslärm direkt vor der Haustüre. Mein Zuhause liegt stattdessen im Grünen. Du kennst ja meinen großen Garten mit dem Teich und den vielen Bäumen. Stell dir das doch nur mal vor: Nach der Arbeit könntest du dich mit einem Buch in den Garten setzen und lesen, während dir die Sonne in den Nacken scheint und alles ruhig ist. Abgesehen vom Vogelgezwitscher natürlich, fufu. Es wäre wie Urlaub Zuhause. Und zwar jeden Tag!“ Crocodile musste sich eingestehen, dass diese Vorstellung tatsächlich ziemlich verlockend klang. Seine Loft-Wohnung besaß zwar insgesamt eine sehr teure und hochwertige Ausstattung, doch leider fehlte ein Balkon; von einem Garten, in dem Singvögel hausten, ganz zu schweigen. Für solche Dinge gab es im Zentrum einer Großstadt eben einfach keinen Platz. „Dafür müsste ich jeden Tag fünfundvierzig Minuten zur Arbeit fahren“, hielt er dagegen, obwohl dieses Argument eigentlich sehr unfair war. Schließlich würde er in etwa einem Monat sowieso den Job wechseln und wer konnte schon wissen, wohin es ihn verschlagen würde? „Ich merke schon, dass du nicht ganz so begeistert von meiner Idee bist, wie ich gehofft hatte“, meinte Doflamingo irgendwann. Er klang ziemlich niedergeschlagen, doch gab natürlich noch lange nicht auf. Am Ende bekam Donquixote Doflamingo immer, was er wollte. Das hatte Crocodile schließlich bereits gelernt. „Dann mache ich dir ein anderes Angebot: Wir hatten ja ausgemacht, dass du dieses Wochenende bei mir verbringst. Statt bloß der drei Tage, bleibst du aber zwei oder drei Wochen! So hast du genug Zeit, um dir darüber klar zu werden, ob es für dich infrage käme, zu mir zu ziehen. Es wäre so etwas wie ein Testlauf. Natürlich völlig unverbindlich; ich kann dich schließlich zu nichts zwingen. Wenn du nach diesen drei Wochen der Meinung bist, dass es dir bei mir gefällt, dann bleibst du dauerhaft. Und wenn nicht, dann kehrst du eben in deine eigene Wohnung zurück und wir machen uns vielleicht in einem Jahr oder... oder einem halben Jahr noch einmal Gedanken darüber. Deal?“ Crocodile zögerte für einen kurzen Moment. Er hatte ein sehr ungutes Gefühl bei dieser Sache. Ihm schossen hundert verschiedene Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Wie sollte er Doflamingo gegenüber den Umstand verheimlichen, dass er gekündigt worden war, wenn sie zusammenwohnten? Sein Partner würde es doch mit Sicherheit merken, dass er nicht zur Arbeit ging. Das war unvermeidlich, wenn sie jeden Morgen im selben Bett aufwachten! Und wie sollte er Bewerbungen für eine neue Arbeitsstelle schreiben, wenn sie jeden freie Minute miteinander verbrachten? Auf der anderen Seite müsste er sich nicht sofort nach einer neuen Wohnung umschauen und sich nicht so stark wie befürchtet in seinem luxuriösen Lebensstil einschränken. Das wiederum würde es einfacher machen, sein Geheimnis zu bewahren. Vielleicht wäre es möglich, die Zeit bis er eine neuen Job gefunden hätte, mithilfe von Doflamingo zu überbrücken. Er könnte so lange bei seinem Partner wohnen, bis sich seine finanzielle Situation stabilisert hatte, und dann wieder ein wenig mehr Abstand gewinnen und in eine eigene Wohnung ziehen. Crocodile erinnerte sich daran, dass er gestern eine sehr vielversprechend klingende Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten hatte. Vielleicht würde er ja bloß einen oder zwei Monate bei Doflamingo wohnen müssen, ehe alles wieder wie früher wurde? Gerade als Crocodile nervös den letzten Schluck Wein aus seinem zweiten Glas trank, entschied er sich dafür, das Angebot von Doflamingo anzunehmen. „Deal“, sagte er, als er das nun leere Glas wieder auf den Tisch abstellte, und bemühte sich um einen unbefangenen Tonfall. „Aber bevor wir dieses Experiment angehen“, Crocodile benutzte absichtlich das Wort Experiment, um die Sache so unverbindlich wie möglich klingen zu lassen, „muss ich vorher noch einmal nach Hause. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich nicht bloß drei Tage, sondern ganze drei Wochen bei dir verbringen werde. Deshalb habe ich nicht genug Klamotten eingepackt. Und es gibt noch ein paar Dinge, die ich erledigt haben muss, bevor ich länger wegbleibe. Ich habe Zuhause nämlich eine Spülmaschine randvoll mit dreckigem Geschirr stehen und den Müll muss ich auch rausbringen. Den Gestank, wenn ich beides für ein paar Wochen stehen lasse, will ich mir nämlich nicht auch nur vorstellen.“ „Wie du willst“, erwiderte Doflamingo fröhlich. Jetzt, da sein Partner seinem verrückten Plan zugestimmt hatte, schien ihm nichts mehr die Laune verderben zu können. „Das ist alles gar kein Problem.“ * Obwohl Crocodile schon des Öfteren ein Wochenende bei Doflamingo Zuhause verbracht hatte, überwältigte es ihn jedes Mal aufs Neue, wie unfassbar luxuriös sein Freund doch lebte. Er verdiente als Bankmanager selbst mehr als gut, doch sein Jahresgehalt war nichts im Vergleich zu der Summe, die Doflamingo als Besitzer mehrerer erfolgreicher Firmen und Betriebe zustande brachte. Crocodile konnte sich dessen sicher sein, dass Doflamingo ihm, ganz gleich worum es auch ging, immer einen Schritt voraus war. Wenn Crocodile in einer hochwertigen Loft-Wohnung zur Miete wohnte, dann lebte Doflamingo in einer teuren Villa. Wenn Crocodile einen Mercedes C 216 besaß, dann besaß Doflamingo ein Dutzend Wagen, die alle jeweils mindestens dreimal so viel wert waren. Wenn er für eine Essenseinladung den besten Tisch reserviert hätte, dann mietete Doflamingo gleich das komplette Restaurant. „Es ist schon ziemlich spät“, sagte sein Freund, als sie das Foyer betraten, „was hältst du davon, wenn wir gleich ins Bett gehen? Haben schließlich beide einen ziemlich anstrengenden Tag hinter uns, hm?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Eigentlich bin ich noch gar nicht müde“, erwiderte er wahrheitsgemäß. Vor ihrem Restaurantbesuch hatte er sich noch ein wenig erschöpft gefühlt, doch nun war er wieder munter. Die vielen Gedanken und Sorgen bezüglich Doflamingos Wunsch, bei ihm einzuziehen, hielten ihn wach. Noch immer fragte er sich, wie er die riesigen Villa, in der sie sich gerade befanden, zur Hälfte bezahlen sollte. Doflamingo kicherte leise. „Nur weil wir ins Bett gehen, heißt das doch nicht, dass wir uns sofort schlafen legen müssen, oder?“, meinte er schließlich und ein lüsternes Grinsen legte sich auf seinen Lippen. Crocodile verstand die offensichtliche Andeutung auf Anhieb und unterdrückte gekonnt ein genervtes Seufzen. Es überraschte ihn nicht sonderlich, dass sein Freund vorhatte, den gemeinsamen Abend mit Sex ausklingen zu lassen. Nicht nur, weil heute durch ihren Monatstag und die Ankündigung ihres Zusammenzugs ein besonderer Anlass herrschte; Doflamingo wollte einfach bei jedem ihrer Treffen Geschlechtsverkehr haben. Crocodile lief ein kalter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken daran, wie sich ihr Sexleben verändern würde, wenn sie tatsächlich zusammenzögen. So wie er seinen Partner kannte, würde der sich bestimmt nicht mit dreimal wöchentlich Sex zufrieden geben. Wohl eher mit dreimal täglich Sex. Crocodile strich sich beunruhigt eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich sein Unterleib in den nächsten drei Wochen, die er ja bei Doflamingo verbrachte, schmerzen würde. Hoffentlich wäre er wenigstens dazu in der Lage sich hinzusetzen, während sie morgens gemeinsam frühstückten. Obwohl er derzeit keine große Lust auf Sex verspürte, nickte Crocodile zustimmend. Er wollte das Gesprächsthema nicht wieder auf seine schlechte Laune und ständige Gereiztheit zurückführen, indem er seinen Partner zurückwies. Stattdessen meinte er: „Wie wär's, wenn wir -anlässlich dieses besonderes Abends- eine Flasche Sekt mit ins Bett nehmen und zusammen anstoßen?“ Aus eigener Erfahrung wusste Crocodile, dass er sich besser entspannen konnte, wenn er ein paar Schlücke Alkohol getrunken hatte. Und das wäre in der derzeitigen Situation sicher hilfreich. Beim passiven Analsex war es schließlich nicht sonderlich vorteilhaft, wenn man emotional aufgewühlt war und vor allem völlig verkrampft dalag. „Klar, wieso nicht“, gab Doflamingo unbefangen zurück. Crocodile kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, dass dieser sexuell sehr aufgeschlossen war. Es würde ihm nichts ausmachen, angetrunken Sex zu haben. Überhaupt schienen ihm die Umstände meistens relativ gleichgültig zu sein, solange er nur bekam, was er wollte. „Geh du schon mal vor“, sagte Doflamingo, „ich hole aus der Küche den Sekt und komme dann nach, in Ordnung?“ „In Ordnung“, erwiderte Crocodile und machte sich auf den Weg in das Schlafzimmer seines Freundes. Es war ein Raum mit hoher Decke, in dem lediglich ein riesiges Bett und zwei Nachtkonsolen standen. Wie er wusste, befanden sich in der obersten Schubladen der rechten Nachtkonsole (rechts schlief Doflamingo) Gleitcreme, Kondome und Handschellen; in der Schublade darunter ein paar Sexspielzeuge, die jeder Mensch über zwanzig schon einmal benutzt oder zumindest gesehen hatte. In die anderen Schubladen hatte Crocodile noch niemals hineingeschaut. Rechts und links zweigten zwei Türen ab: Die rechte führte in ein geräumiges Bad (eines der insgesamt sieben Badezimmer in der Villa), die linke in Doflamingos begehbaren Kleiderschrank. Crocodile seufzte leise, während er sich die Schuhe auszog und achtlos auf den Fußboden warf. Wenn er ehrlich war, würde er jetzt am liebsten ein wenig fernsehen, dabei ein Glas Wodka-Orange trinken und sich dann schlafen legen. Doch natürlich konnte er keinen Rückzieher mehr machen; nicht, nachdem er Doflamingo bereits Hoffnungen gemacht hatte. Crocodile zog sich den Schal vom Hals und knöpfte sich das Hemd auf, während er sich insgeheim fragte, wie sein Freund wohl reagieren würde, wenn er ihm einmal den Sex verweigern würde. Das war in ihrer gesamten Beziehung bisher noch nie vorgekommen. Er konnte Doflamingos Reaktion gar nicht einschätzen: Wäre er verständnisvoll? Und würde vielleicht nach dem Grund fragen, wieso er keine Lust hatte? Oder würde er eingeschnappt reagieren? Beleidigt? Wütend? Würde aus purer Rache heraus mit jemand anderem schlafen? Crocodile beschloss, dass er die Antwort auf diese Frage heute Abend lieber nicht herausfinden wollte. Stattdessen bemühte er sich um eine entspannte Körperhaltung und begrüßte seinen Partner mit einem vielversprechenden Lächeln, als dieser mit einer Flasche Champagner in der einen und zwei Sektgläsern in der anderen Hand das Schlafzimmer betrat. Außerdem hatte er seine Sonnenbrille bereits abgelegt. Noch bevor ihre Gläser leergetrunken waren, begann Doflamingo mit dem Vorspiel: Er küsste sanft Crocodiles Hals und sein Schlüsselbein, während er mit seiner freien Hand über dessen Rücken streichelte. Crocodile trank einen großzügigen Schluck Champagner und ließ sich die Liebkosungen gefallen; bisher verlief es besser als er befürchtet hatte. Zumindest ließ sein Partner ihm mehr als genug Zeit, um sich sowohl körperlich als auch emotional auf den sexuellen Akt vorzubereiten. Doflamingos Mund wanderte von seinem Schlüsselbein zu den Nippeln hinunter. Er nahm einen der beiden zwischen die Lippen und begann langsam, aber fest und gierig daran zu saugen. Crocodile konnte ein leises Stöhnen, das seiner Kehle entwich, nicht zurückhalten. Sein Partner schien nur zu gut die empfindlichsten Stellen seines Körpers zu kennen. Noch während er mit seinem Mund abwechselnd beide Nippel bearbeitete, wanderte Doflamingos freie Hand zu seinem Schritt hinunter und massierte diesen. Als Crocodile einen weiteren Schluck aus seinem Sektglas nehmen wollte, musste er leider feststellen, dass er es bereits leergetrunken hatte. Doflamingo nahm ihm -ohne aufzublicken oder auch nur für einen Moment innezuhalten- das leere Glas aus der Hand und warf es auf dem Fußboden, wo es zerbrach; dann presste er ihm sein eigenes, noch fast unberührtes Glas gegen die Lippen. Crocodile trank den Champagner, den sein Freund ihm aufzwang, bis zum letzten Tropfen leer und hob bereitwillig die Hüfte, als dieser ihm die Hose ausziehen wollte. Das zweite leergetrunkene Glas landete ebenfalls als Scherbenhaufen neben dem ersten. Nachdem Crocodile nun komplett nackt war, ließ Doflamingo kurz von ihm ab, um sich selbst zu entkleiden. Innerhalb einer halben Minute legte er seine Schuhe, seine Hose und sein Hemd ab. Die Erkenntnis, dass sein Partner die ganze Zeit über keine Unterwäsche getragen hatte, entlockte Crocodile ein leichtes Schmunzeln. Der Alkohol entfaltete langsam seine Wirkung und inzwischen fühlte er sich nicht mehr verkrampft, sondern gut gelaunt und entspannt. Ohne weiter darüber nachzudenken, beugte Crocodile sich hinunter und stülpte seinen Mund über die Eichel von Doflamingos Penis. Der Geschmack des Glieds vermischte sich auf seinen Lippen mit dem des Champagners. Crocodile presste seine Zunge flach unterhalb des Schafts und begann ohne jede Zurückhaltung zu saugen. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass männliche Geschlechtsteile, ganz gleich wie gepflegt sie auch sein mochten -und er konnte sich dessen sicher sein, dass sein Partner sich an dieser Stelle sehr sauber hielt-, immer einen seltsamen Eigengeschmack behielten. Da er diesen Geschmack allerdings natürlich seit vielen Jahren kannte, störte er sich schon lange nicht mehr daran. Während Crocodile darum bestrebt war, Doflamingo seine gesammelten Erfahrungen so gut wie möglich spüren zu lassen, reckte sich dieser, um die oberste Schublade der Nachtkonsole auf der rechten Seite zu öffnen. Er holte eine Tube Gleitcreme hervor und gab einen großzügigen Klecks auf seine Handflächen, den er dann mit schnellen Bewegungen zerrieb, um die durchsichtige Flüssigkeit ein wenig zu erwärmen. Crocodile bemühte sich um eine Position, die es seinem Partner ermöglichte relativ bequem an seinen Hintern zu gelangen, ohne dass er dafür den Blowjob unterbrechen musste; gerade, als er an Doflamingos Hoden zu saugen begann, spürte er den ersten Finger in sich. Er konnte nicht anders, als kurzzeitig von seiner Tätigkeit abzulassen und laut zu stöhnen. Sein Freund reagierte mit einer Gänsehaut an den Beinen auf seinen Atem, der heiß gegen die empfindliche Haut am Hodensack schlug. Für eine Weile lagen sie beide einfach bloß in einer 69er-ähnlichen Position da und beglückten sich gegenseitig: Doflamingo, indem er ihn fingerte und Crocodile, indem er ihn blies. Dass sie sich dabei gegenseitig auf den Sex vorbereiteten, war für sie beide eher Nebensache. Viel mehr ging es ihnen um die erotische Atmosphäre und um die absolut heißen Geräusche, die der jeweils andere von sich gab. Erst, als sie es nicht mehr viel länger aushielten, ließen sie voneinander ab. Crocodile strich sich ein paar Haarsträhnen, die ihm in die Stirn gefallen waren, zurück hinters Ohr und bemühte sich um eine ruhigere Atmung. Sein Kopf pochte und ihm war furchtbar heiß; inzwischen spürte er deutlich den Alkohol in seinem Blut. (Nicht, dass ihm das in dieser Situation irgendetwas ausmachen würde.) Während er sich etwas beruhigte, schob Doflamingo ihm ein angenehm weiches Kissen unter die Hüfte. Crocodile schloss die Augen und nickte kaum merkbar, ehe sein Partner schließlich langsam in ihn eindrang. Er stoppte erst, als sein Glied bis zum Anschlag in ihm versenkt war. Dann wartete er ein wenig, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich an den Fremdkörper in seinem Inneren zu gewöhnen. Crocodile öffnete seine Augen wieder und betrachtete Doflamingo, der -tief in ihn versenkt- über ihn beugte. Bevor sie das erste Mal miteinander intim geworden waren, war Crocodile eigentlich davon ausgegangen, dass der Andere -was Sex anging- sicherlich eher zur rauen und rüpelhaften Sorte gehörte. Zu seiner Überraschung jedoch hatte sich diese Vermutung als falsch herausgestellt. Doflamingo war zwar häufig sehr ungeduldig und manchmal auch recht dominant, doch er verhielt sich beim Sex ihm gegenüber niemals rücksichtslos. Nur zu gut erinnerte Crocodile sich daran, wie außerordentlich einfühlend er bei ihrem ersten Mal vorgegangen war. Indem Crocodile seine Hüften leicht bewegte, gab er seinem Freund zu verstehen, dass er sich wohl genug fühlte, um weiterzumachen. Doflamingo antwortete, indem er rhythmisch zu stoßen begann. Die Stöße waren zu Beginn zwar recht langsam, doch kräftig und sehr intensiv. Crocodile stöhnte genüsslich. Obwohl das Glied seines Partners seine Prostata noch nicht gefunden hatte, sondern bloß an den Innenwänden seines Eingangs rieb, fühlten sich diese Stoßbewegungen wahnsinnig gut an. Doflamingo beschleunigte das Tempo seiner Stöße und Crocodile konnte den heißen Atem seines Freundes auf seinem Gesicht spüren. Gerade, als er ihm direkt in die stechend grünen Augen sah, berührte die Spitze seines Glieds zum ersten Mal diesen wunderbar empfindlichen Punkt in seinem Inneren. Die Berührung fühlte sich so berauschend an, dass Crocodiles Stöhnen sich in ein leises Schreien verwandelte. Weil er sich dessen ein wenig schämte (schließlich hielten sie noch immer Blickkontakt), presste er sich die rechte Hand auf den Mund, um die Geräusche abzudämpfen. Doflamingo allerdings riss sie ihm sofort vom Gesicht, ohne auch nur für einen kurzen Moment in seinen Stoßbewegungen innezuhalten. Er umfasste die Hand seines Partners mit seiner eigenen, sah ihm intensiv in die Augen und sagte: „Ich will dich schreien hören, Crocobaby!“ Crocodile konnte gar nicht anders, als seinem Freund diesen Gefallen zu tun. Denn noch bevor dieser zu Ende gesprochen hatte, hatte er die Geschwindigkeit und die Intensität seiner Stöße noch weiter erhöht. Crocodile spürte, wie Doflamingos Glied bei jedem einzelnen Stoß fest gegen seine Prostata drückte; er schrie laut und zerquetschte die Hand seines Partners, um zu verhindern, dass er jetzt sofort zum Höhepunkt kam. Erst, als er es wirklich keinen Augenblick länger mehr aushielt, ließ er Doflamingos Hand los, verstummte und ergoss sich auf seinen eigenen Oberkörper und auf den seines Partners. Völlig erschöpft und ein wenig benommen legte er den Kopf in den Nacken und sah Doflamingo dabei zu, wie dieser noch etwa drei- oder viermal in ihn stieß, ehe auch er zum Orgasmus kam. Sie trennten sich nicht sofort voneinander; Doflamingo blieb noch für eine Weile sowohl auf ihm als auch in ihm liegen und strich ihm durch sein dunkles Haar. Sie fühlten sich beide sehr erschöpft und bemühten sich darum, ihren Atem wieder zu normalisieren. Da ihm allerdings sein Freund (der deutlich muskulöser und außerdem fast einen Kopf größer war als er selbst) schnell zu schwer wurde, schob er ihn kurzerhand von sich fort. Als sich der halbsteife Penis Doflamingos aus ihm zurückzog, spürte Crocodile, wie das Sperma, dass dieser bei seinem Höhepunkt in ihn hineingepumpt hatte, warm aus ihm herauslief und über das Innere seiner Oberschenkel rann. Angewidert verzog er das Gesicht und schaute sich suchend nach einem Taschentuch um. „Wie kommt es eigentlich, dass du dich so sehr vor Sperma ekelst?“, fragte Doflamingo halb belustigt, halb ernst, während er ihn dabei beobachtete, wie er sich die weiße Flüssigkeit von der Haut abwischte. „Ich ekele mich nicht vor Sperma“, erwiderte Crocodile und nahm sich ein zweites Taschentuch zur Hand. „Ich mag es nur einfach nicht sonderlich. Weder in meinem Mund noch an anderen Stellen. Habe es noch nie gemocht.“ Es war nicht das erste Mal, dass Crocodile diese Diskussion führte. Fast jeder Mann, mit dem er öfter als ein- oder zweimal Sex gehabt hatte, stellte irgendwann diese Frage. Doflamingo schmunzelte. Ihn schien das Sperma seines Partners, das noch immer an seinem Oberkörper klebte, nicht im mindestens zu stören. „Aber du stehst doch auch darauf, wenn ich dein Sperma schlucke, oder? Das findest du nicht eklig.“ Crocodile seufzte. „Ich habe niemals -nicht auch nur ein einziges Mal- von dir verlangt, dass du schluckst“, erwiderte er. „Es stimmt schon, dass es ziemlich heiß ist, wenn du das machst; aber ich würde es dir auch nicht übel nehmen, wenn du das nicht mehr tun würdest.“ „Das ist eine ziemlich komische Einstellung für einen Typen, der mit anderen Männern schläft.“ Crocodile reagierte mit einem Schulterzucken auf diesen Kommentar seines Partners. Er war derzeit mit wichtigeren Dingen beschäftigt als der Frage, ob es komisch war oder nicht, wenn ein homosexueller Mann Sperma nicht mochte. Jetzt, wo er sich so langsam wieder von seinem Orgasmus eben erholte, kehrten die vielen Sorgen zurück, die ihn belasteten. „Müssen wir jetzt unbedingt darüber diskutieren?“, fragte er darum mit angespannt klingender Stimme. Nach dem Sex war er müde geworden und er wünschte sich im Augenblick nichts sehnlicher als seine volle Blase zu entleeren (eine blöde Nebenwirkung des Champagners) und sich danach schlafen zu legen. „Du kannst froh darüber sein, dass du mich überhaupt dazu überreden konntest, ohne Kondom mit dir zu schlafen. Eigentlich mache ich nämlich nur Safer Sex. Vielleicht sollten wir das ja wieder einführen? Dann müsste ich mir jedenfalls nicht immer nach dem Sex die Oberschenkel abwischen.“ Diesen Vorschlag quittierte Doflamingo mit einem unwilligen Brummen und ließ (zu Crocodiles Glück) das Thema schließlich ruhen. Stattdessen begannen sich beide damit, sich für die Nacht fertig zu machen. bye sb Kapitel 2: Kapitel 1 (zensiert) ------------------------------- Crocodile fühlte sich, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen werden. Er bemühte sich um einen selbstsicheren und gefassten Gesichtsausdruck, der ihm jedoch nicht allzu gut gelang. Was kein Wunder war, wenn man bedachte, womit er gerade konfrontiert wurde. „... im Namen des Unternehmens wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle“, beendete Sengoku schließlich seinen Monolog. Crocodile arbeitete als Manager in einer der erfolgreichsten Banken des Landes. Obwohl, halt, nein, diese Aussage stimmte ja jetzt nicht mehr. Er hatte als Manager in einer der erfolgreichsten Banken des Landes gearbeitet. Jetzt war er arbeitslos. Eine Tatsache, die nur sehr langsam bis zu Crocodile durchdrang. Vor allen Dingen, weil er überhaupt nicht damit gerechnet hatte, gekündigt zu werden. Natürlich hatte ihm bereits Böses vorgeschwebt, als Sengoku ihm nach dem heutigen Meeting zu einem Gespräch unter vier Augen in sein Büro gebeten hatte. Und natürlich war er sich dessen bewusst, dass die letzten beiden Monate für die Bank sehr schwierig gewesen waren; und dass er verantwortlich dafür war. Beinahe die Hälfte der Mitarbeiter in seiner Abteilung mussten deswegen entlassen werden. Aber, verdammt nochmal, Fehler passierten jedem mal, sogar dem Allerbesten. Und er hatte sich bereits darum bemüht, den Schaden so klein wie irgendwie möglich zu halten. Ihn zu kündigen, fand Crocodile, nützte der Bank überhaupt nichts. Dadurch würde der finanzielle Schaden, den er verursacht hatte, auch nicht rückgängig gemacht werden. Ganz im Gegenteil: Mit ihm verlor die Bank einen ihrer kompetentesten Mitarbeiter. Er verlor jede Möglichkeit, den Fehler wiedergutzumachen. Bei dieser Kündigung handelte es sich nicht um eine vernünftige und notwendige Entscheidung. Sondern um eine Bestrafung. Eine Lektion, die man ihm erteilte. Crocodile presste seine Zähne aufeinander. Sengoku hatte ihn niemals leiden können, was seit jeher auf Gegenseitigkeit beruht hatte. Und jetzt nutzte sein Vorgesetzter die erstbeste Gelegenheit, um ihm sein Versagen unter die Nase zu reiben und ihn loszuwerden. Als Crocodile dies begriff, wich die Fassungslosigkeit, die eben über ihn hereingebrochen war wie eine Tsunamiwelle, heißer Wut. Dieser verdammte Bastard! Sengoku, der immer so verständnisvoll und freundlich wirkte, war doch in Wirklichkeit eine hinterlistige Schlange. Crocodile hatte es immer gewusst! Und nun kam die Wahrheit ans Licht. Als sein Gegenüber noch immer nichts sagte -außer durch Lippen aufeinander pressen und Hand zur Faust ballen überhaupt nicht auf das Gesagte reagierte-, fügte Sengoku noch hinzu: „Die schriftliche Kündigung lassen wir Ihnen per Post zukommen. Selbstverständlich respektieren wir Ihr Recht auf eine achtwöchige Kündigungsfrist. Allerdings steht Ihnen keinerlei Abfindung zu, da es sich nicht um eine betriebsbedingte Kündigung handelt.“ Einen Moment lang zögerte er noch, dann meinte er: „Nehmen Sie das bitte nicht so schwer, Sir Crocodile. Ich bin mir sicher, dass ein Mann mit Ihren Qualifikationen sehr schnell eine neue Anstellung finden wird.“ Er stand von seinem mit Leder überzogenen Drehstuhl auf und beugte sich über seinen großen Schreibtisch aus Mahagoni, um Crocodile die Hand zu schütteln, ehe er ihn dann seines Büros verweisen würde. Crocodile stand ebenfalls auf, ignorierte jedoch die Hand, die Sengoku ihm hinhielt. Es ging ihm nicht nur darum, dass er gekündigt worden war. Sondern auch darum, auf welche Art und Weise Sengoku mit ihm umging. Er behandelte ihn wie einen dummen Schuljungen, dessen Praktikum frühzeitig beendet wurde, weil er selbst für die simpelsten Aufgaben zu untalentiert war. Crocodile fühlte sich beleidigt und herabgesetzt. Er war ein Manager einer der erfolgreichsten Banken des ganzen Landes, verdammt nochmal, er ging jeden Monat mit einem vierstelligen Gehaltscheck nach Hause! Und ein solch hinterhältiges Verhalten würde er nicht tolerieren! „Wenn Sie mich kündigen wollen“, erwiderte Crocodile schließlich, „gut, fein, dann ist das Ihre Sache. Aber tun Sie nicht so, Sengoku, als würden Sie es bedauern, dass ich gehe. Einen auf Verständnisvoll können sie von mir aus bei den Idioten machen, die schon seit Jahrzehnten bei Ihnen arbeiten und Ihnen diesen Mist tatsächlich abkaufen; aber halten Sie mich gefälligst nicht für einen solchen Idioten. Sie sind ein verdammter Bastard, Sengoku, das wusste ich schon, als ich Sie das erste Mal gesehen habe. Und dass ich gekündigt werde, hat wenigstens den Vorteil, dass ich nicht mehr ständig in Ihre Scheiß-Fresse schauen muss.“ Nachdem er das gesagt hatte, drehte Crocodile sich um und legte sich seinen Mantel, den er über die Stuhllehne gehangen hatte, über die Schultern. Auf dem Weg zur Tür zeigte er Sengoku seinen Mittelfinger, ehe er -ohne sich noch einmal umzusehen- aus dem Büro seines ehemaligen Vorgesetzten verschwand. * Crocodile verließ das Gelände der Bank und zündete sich eine Zigarre an. Noch immer war er furchtbar wütend und fühlte sich -wenn er ganz ehrlich war- sehr verletzt. Er hatte mit einer Rüge gerechnet, Zwangsurlaub, einer Gehaltskürzung - aber nicht mit einer Kündigung. Nachdem er seine Zigarre aufgeraucht hatte, beschloss Crocodile, dass er den heutigen Arbeitstag nicht zu Ende führen würde. Dazu war er, anbetracht seiner emotionalen Lage, definitiv nicht mehr in der Lage. Außerdem wollte er Sengoku nicht noch einmal über den Weg laufen. Crocodile war nicht feige; und er schämte sich auch nicht, weil er seinen ehemaligen Vorgesetzten so derbe beleidigt hatte - er wollte lediglich vermeiden, dass Sengoku womöglich mitbekam, wie sehr ihn diese Kündigung tatsächlich mitnahm. Crocodile ging zu seinem Auto hinüber, einem Mercedes C 216 Coupè. Der Wagen war brandneu und hatte etwa 100.000 Berry gekostet. Er stand auf dem eigens für ihn reservierten Parkplatz auf dem Privatgelände der Bank. Rechts daneben stand der Wagen von Sengoku, links der von Akainu. Sengoku fuhr einen BMW M6 Gran Coupè; Akainu einen Cadillac CTS-V Coupé. Unwirsch öffnete Crocodile die Tür und stieg in sein Auto ein. Auf dem Weg nach Hause hielt Crocodile bei irgendeinem x-beliebigen Supermarkt. Er kaufte sich ein paar Flaschen Schnaps und Wodka. Zuhause trank er nämlich eigentlich nur Wein. * Kaum war Crocodile über die Türschwelle in seine Loft-Wohnung getreten, wurde ihm das volle Ausmaß seiner jetzigen Situation klar. Wehleidig ließ er seinen Blick über die Wohnung und ihre Einrichtung schweifen: den teuren Parkettboden, die hochwertige Küche, die nach seinem Wunsch angefertigten Möbel, den Whirlpool... All diese und noch weitere Dinge, die sich über die 250 Quadratmeter erstreckten, hatte er noch nicht abbezahlt. Genauso wie sein Auto. Er arbeitete erst seit etwa zwei Jahren für die Bank und hatte fest damit gerechnet, für noch mindestens zehn oder fünfzehn Jahre dort angestellt zu bleiben. Mehr als genug Zeit, um die teuren Luxusgüter zu bezahlen, hatte er geglaubt. Nun, daraus würde nun nichts mehr werden. Er konnte seine zweimonatige Kündigungsfrist wahrnehmen, aber danach würde er sich nach einer neuen Arbeit umsehen müssen. Falls er denn überhaupt ein Unternehmen fand, das ihn als Manager haben wollte. Zwar stellte sich die gute Bezahlung für üblich ganz von selbst ein, zumindest wenn man für ein oberklassiges Unternehmen arbeitete, doch erst einmal eine vernünftige Anstellung zu finden, stellte die allergrößte Hürde dar. Vor allen Dingen in der derzeitigen Wirtschaftslage! Crocodile ging ins Wohnzimmer hinüber und ließ sich auf die teure, noch nicht abbezahlte Ledercouch sinken. Die Tüte, in der sich der eingekaufte Alkohol befand, nahm er mit und stellte sie neben sich auf der Sitzfläche der Couch ab. Schreckliche Vorstellungen brachen über ihn herein. Was würde geschehen, wenn er auf Anhieb keine neue Arbeit finden würde? Dann könnte er seine Kredite nicht mehr bezahlen. Seine Wohnung sowieso nicht, die zum Glück allerdings bloß gemietet war. Gerichtsvollzieher würden kommen und ihm seine Möbel und seinen Schmuck wegnehmen, sein Auto auch, damit diese Sachen verkauft und der Erlös an seine Gläubiger gezahlt werden könnte. Er würde in eine winzige, vom Staat bezahlte Wohnung ziehen müssen. Im Supermarkt mit Lebensmittelmarken bezahlen. Die Kleidung im Discounter kaufen. Womöglich würde er sogar im Obdachlosenheim landen... Bei diesem Gedanken lief Crocodile ein eiskalter Schauer über den Rücken. Mit zittrigen Händen öffnete er den Verschluss der Schnapsflasche, die er aus der Einkaufstasche fischte, und nahm zwei große Schlücke von dem hochprozentigen Alkohol. Kaum spürte er, wie die Flüssigkeit in seiner Kehle brannte, fühlte er sich gleich ein wenig besser. Er ermahnte sich dazu, Ruhe zu bewahren. Natürlich war er nach dem Gespräch mit Sengoku ein wenig in Panik geraten. Das wäre jeder, wenn er seine Arbeit unerwartet verloren hätte. Doch jetzt ging es darum, realistisch zu bleiben! Im Obdachlosenheim würde er mit Sicherheit nicht enden! Crocodile trank ein paar weitere Schlücke. Heute war Freitag; er musste erst am Montag wieder zur Arbeit erscheinen. Heute Abend würde er sich eine Auszeit nehmen, entschied Crocodile. Er würde ein wenig Alkohol trinken und fernsehen oder ein Buch lesen. Er brauchte ein wenig Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, gekündigt worden zu sein. Morgen würde er sich dann ganz genau mit seinen Finanzen beschäftigen. Nachlesen, welche Dinge er inwieweit bereits bezahlt oder eine Anzahlung geleistet hatte und was noch völlig offenstand. Dann würde er würde er sich mit seinem Kontostand und den drei Gehaltschecks, die er dank seiner Kündigungsfrist noch bekommen würde, auseinandersetzen. Es war wichtig und unumgänglich, dass er ein realistisches Bild von seiner finanziellen Situation erhielt. Vielleicht war ja doch alles gar nicht so schlimm wie er dachte. Crocodile lehnte sich zurück und trank einen weiteren Schluck Schnaps. Er würde gleich zum nächsten Monat hin ausziehen und sich eine kleinere und preisgünstigere Wohnung suchen, dann müsste er zumindest nicht mehr die hohe Miete für die Loft-Wohnung aufbringen. Vielleicht könnte er sogar mit dem Vermieter absprechen, dass dieser seine Küche übernahm und ihm abkaufte. Dann hätte er zumindest zwei Probleme weniger. Na also, dachte sich Crocodile und schaltete den Fernseher ein. Es war doch alles nur halb so schlimm. Er würde sich einschränken müssen, natürlich. Er würde in eine kleinere Wohnung ziehen müssen, seine neue Küche aufgeben müssen, womöglich sogar seinen brandneuen Mercedes verkaufen müssen - doch das waren Dinge, mit denen er leben könnte, wenn es eben nicht anders ging. Irgendwann würden wieder bessere Zeiten kommen und dann würde er sich erneut jeden erdenklichen Luxus leisten können. So langsam beruhigte Crocodile sich wieder. Nun, er würde für ein paar Jahre das Leben eines mittelklassigen Menschen führen müssen, ohne Loft-Wohnung, ohne Mercedes CL-Klasse, ohne Whirlpool und ohne maßgeschneiderte Anzüge, aber das würde er durchstehen. Er seufzte und trank den letzten Schluck Schnaps aus der Flasche. Crocodile ging in die Küche hinüber und holte sich ein großes Glas sowie eine Flasche Orangensaft. Danach ließ er sich erneut auf der Couch nieder, legte die Füße hoch und zappte wahllos durch die Kanäle. Als das Glas Wodka-Orange, das er sich gemixt hatte, leer getrunken war, fühlte Crocodile sich beinahe wieder völlig ruhig und gelassen. Bis ihm Donquixote Doflamingo einfiel. Das leere Glas, das Crocodile noch in der Hand gehalten hatte, zerplatzte in dutzende Scherben, die auf der Ledercouch und dem Parkettboden landeten. Donquixote Doflamingo war der Mann, mit dem er seit etwa sechs Monaten in einer Beziehung war. Einer Liebesbeziehung. Die meisten Leute reagierten sehr verwundert, sogar schockiert, wenn sie erfuhren, dass Sir Crocodile nicht an Frauen interessiert war. Wenn sie an das Wort Homosexualität dachten, kamen ihnen langhaarige Männer in den Sinn, die schrille Kleidung trugen, sich schminkten und geschwollen redeten. Ganz zu schweigen von Dingen wie Sex auf öffentlichen Toiletten und Aids. Nun, keines dieser Vorurteile traf auf Crocodile zu (außer vielleicht die Sache mit dem Haar. Seine Haare, die er stets zurückgekämmt trug, ließ er bis fast zu den Schultern wachsen, ehe er wieder zum Friseur ging.) In seinem Leben hatte er bereits mehrere feste Beziehungen geführt, von denen die längste fünf Jahre lang gehalten hatte. Sein letzter Partner war Smoker gewesen, ein Polizist, von dem er sich vor drei Jahren getrennt hatte. Ihre Beziehung hatte etwa eineinhalb Jahre lang gehalten. Sein jetziger Exfreund hatte sich jedoch immer weiter von ihm distanziert, je ernster es wurde, bis es Crocodile irgendwann zu viel geworden war und er die Beziehung beendet hatte. Worüber Smoker nicht allzu unglücklich gewesen zu sein schien. Doflamingo hatte er vor ein wenig mehr als einem halben Jahr bei einem Geschäftsessen kennengelernt. Er war ein wichtiger Kunde der Bank, die ihm heute gekündigt hatte. Der Mann, der fünf Jahre jünger war als er, war sofort begeistert von Crocodile gewesen und hatte aus seiner Zuneigung kein Geheimnis gemacht. Zuerst hatte Crocodile sich ein wenig überrannt gefühlt und war sehr verunsichert gewesen. Er war zu diesem Zeitpunkt zwar bereits seit längerem wieder single gewesen, sich allerdings trotzdem nicht sicher, ob er Lust auf eine neue Beziehung hatte. Vor allen Dingen mit einem Mann wie Donquixote Doflamingo. Sein Partner legte nämlich ein überaus exzentrisches Verhalten an den Tag, was genauso für dessen Garderobe galt. Jedenfalls war er nach ein paar Wochen, in denen Doflamingo einfach nicht von ihm abgelassen hatte, schließlich auf dessen Avancen eingegangen und hatte sich zu einem Date überreden lassen. Auf dieses erste Date war rasch ein zweites gefolgt, danach ein drittes, und ehe er sich versehen hatte, war aus der zufälligen Bekanntschaft eine Liebesbeziehung geworden. Während Crocodile sich bückte, um die größeren Scherben aufzusammeln (was mit einer Hand gar nicht so einfach war wie es aussah), fragte er sich, wie sein Partner wohl auf seine jetzige Situation reagieren würde. Doflamingo hatte ihn als einen neureichen und erfolgreichen Manager kennengelernt, der viel Wert auf eine exquisite Lebensqualität legte und ein schnelles Auto fuhr. Crocodile hielt seinen Partner nicht für so oberflächlich, dass er sich aus diesem Grund von ihm trennen würde, doch er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Doflamingo allzu begeistert sein würde, wenn sein Freund in eine günstigere Wohnung ziehen und den Mercedes CL-Klasse gegen einen Mittelklasse-Wagen eintauschen müsste. Crocodile richtete sich auf, ging in die Küche hinüber und warf die Glasscherben in den Mülleimer. Sie waren erst seit sechs Monaten ein Paar. Das war noch nicht sonderlich lange, fand Crocodile und fragte sich, ob ihre Beziehung einen solchen Schlag aushalten würde. Nachdem er das Wohnzimmer staubgesaugt und sich ein neues Glas Wodka-Orange besorgt hatte, beschloss Crocodile, Doflamingo erst einmal nichts von der Kündigung zu erzählen. Er wollte ihre Beziehung noch nicht mit so einem großen Problem belasten, nicht nach zarten sechs Monaten. Und wer wusste denn, ob sich seine Probleme womöglich doch noch relativ schnell lösen ließen? Vielleicht fand er ja gleich auf Anhieb eine neue Einstellung und Doflamingo würde niemals von der ganzen Sache erfahren? Das war ein sehr optimistischer Gedanke, doch Crocodile klammerte sich verzweifelt an jeden Strohhalm, den er zu fassen bekam. * Der nächste Tag war ein Samstag und Crocodile schlief bis in den Nachmittag hinein. Er hatte viel Alkohol getrunken und die Sorgen hatten ihn lange wachgehalten. Als er schließlich aufstand, ging er als erstes in die Küche hinüber und trank fast einen ganzen Liter stilles Mineralwasser, um gegen den schlimmen Kater, der sich pochend in seinem Kopf breitmachte, anzukämpfen. Danach duschte er kurz. Heute Abend wollte Doflamingo vorbeikommen, das hatten sie bereits am Anfang der Woche ausgemacht. Gegen achtzehn Uhr hatte sich sein Freund angekündigt, erinnerte Crocodile sich, was bedeutete, dass dieser wahrscheinlich nicht vor neunzehn Uhr auftauchen würde. Doflamingo kam nämlich immer und zu jeder Gelegenheit zu spät. Sogar bei dem Geschäftsessen, an dem sie sich kennengelernt hatten, war er über eine halbe Stunde zu spät gekommen. Normalerweise verabscheute Crocodile, der seinerseits ein überaus genauer und pedantischer Mensch war, Unpünktlichkeit; heute jedoch begrüßte er diesen Umstand. Denn schließlich hatte er sich vorgenommen, seine finanzielle Situation zu sichten. Und wenn er bedachte, für wie viele verschiedene Dinge er Kredite aufgenommen oder auf eine Ratenzahlung bestanden hatte, dann konnte er sich sicher sein, dass er allein dafür sicherlich mindestens zwei oder drei Stunden veranschlagen konnte. Mit einem weiteren Liter stillem Mineralwasser gewappnet (er hatte einen sehr empfindlichen Magen und vertrug darum unter Anderem keine koffeinhaltigen Getränke wie Kaffee) setzte Crocodile sich also an den Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und verbrachte die nächsten zweieinhalb Stunden damit Kontoauszüge, Verträge, Briefe und allerhand andere Dokumente zu überfliegen. Es war fünf Minuten vor achtzehn Uhr, als er schließlich zu einem vorläufigen Ergebnis kam. Wenn er die noch nicht abbezahlten Möbel, die Küche, den Mercedes C 216 sowie die Miete für den nächsten Monat zusammenrechnete und die Zinsen für die Kredite addierte, dann kam er auf insgesamt 550.550 Berry Schulden. Crocodile schrieb diese Zahl auf ein Blatt Papier, unterstrich sie doppelt und kreiste sie dann ein. „Mehr als eine halbe Million Berry“, flüsterte er verzweifelt und ließ dann den teuren Kugelschreiber auf den Schreibtisch fallen. „Fünfhundertfünzigtausendfünfhundertfünzig Berry Schulden.“ Wie sollte er diese gewaltige Summe nur aufbringen? Er bekam dank seiner Kündigungsfrist bloß noch drei Gehaltschecks vor seiner endgültigen Entlassung. Und selbst wenn er alles Geld, das er von der Bank noch bekommen würde, aufwendete, wären vielleicht gerade einmal die Hälfte der Schulden getilgt. Crocodile schluckte hart und begann wieder zu rechnen. Sein Mercedes C 216 war brandneu und hatte etwa 100.000 Berry gekostet, machte also allein bereits fast ein Fünftel der Schulden aus. Wenn er ihn verkaufte, bekäme er dafür vielleicht um die 70.000 oder 80.000 Berry. Die Küche in seiner Loft-Wohnung hatte neu 30.000 Berry gekostet. Wenn er den Vermieter dazu überreden könnte, sie zu übernehmen, bekäme er dafür vielleicht um die 20.000 oder 25.000 Berry. Wenn man diese Beträge abbrechnete, dann hatte er (bestenfalls) nur noch … 445.550 Berry Schulden. „Vierhundertfünfundvierzigausendfünfhundertfünzig Berry.“ Crocodile schlug die Arme über den Kopf zusammen. 445.550 Berry klang nicht viel besser als 550.550 Berry. Und in dieser Rechnung hatte er bereits sowohl sein neues Auto als auch seine neue Küche verkauft! „Wohin soll das nur führen?“, fragte Crocodile sich selbst und spürte, dass Verzweiflung sich in seinem Körper ausbreitete. „Im schlimmsten Fall lande ich wohl doch noch in einer Sozialwohnung.“ Das laute Geräusch der Türklingel riss Crocodile aus seinen Gedanken und ließ ihn aufschrecken. Für einen Moment konnte er es gar nicht einordnen, dann erinnerte er sich an seine Verabredung mit Doflamingo und warf verwundert einen Blick auf die Uhr (1.000 Berry hatte er für die blöde Uhr ausgegeben, schoss ihm durch den Kopf), die zehn Minuten nach sechs Uhr anzeigte. Crocodile seufzte ein wenig enttäuscht auf und ging in den Flur hinüber, um Doflamingo die Türe zu öffnen. Seit Beginn ihrer Beziehung war sein Partner niemals weniger als eine halbe Stunde zu spät gekommen. Unter anderen Umständen hätte Crocodile sich über diese Verhaltensverbesserung sehr gefreut, doch heute ärgerte er sich ein wenig darüber. Er hatte gehofft, noch ein oder zwei Gläser Wein trinken zu können, ehe er sich mit seinem Freund auseinandersetzen musste. Doflamingo kam eilig die Treppe in den ersten Stock hoch gelaufen und stürmte Crocodile in die Arme, kaum hatte dieser die Wohnungstüre für ihn geöffnet. „Wani!“, trällerte sein Partner gut gelaunt, während sie hineingingen und Crocodile die Türe hinter ihnen schloss. Kaum hatte Doflamingo den ersten Schritt in seiner Wohnung getan, spürte Crocodile, wie sich sein Magen verkrampfte und sich in seinem Hals ein dicker Kloß bildete. Bis vor fünf Minuten war es ihm den Umständen entsprechend eigentlich recht gut gegangen, doch nun fühlte er sich plötzlich schrecklich elend. Er spürte, dass Doflamingo ihm unter seiner Sonnenbrille einen besorgten und misstrauischen Blick zuwarf. „Ist alles okay mit dir, Croco? Macht dir dein Magen wieder zu schaffen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. War er so leicht zu durchschauen? Um ehrlich zu sein hatte er nicht damit gerechnet, dass sein Partner spüren würde, dass etwas nicht in Ordnung war, noch ehe er auch nur ein Wort gesagt hatte. Allem Anschein nach konnte Doflamingo in ihm lesen wie in einem offenen Buch. Trotzdem schüttelte Crocodile den Kopf und ging ins Wohnzimmer hinüber. „Es ist alles in Ordnung“, sagte er, ohne dass Doflamingo sein Gesicht sehen konnte, „ich war nur bis gerade eben noch im Arbeitszimmer beschäftigt.“ Und um das Thema zu wechseln, fügte er hinzu: „Eigentlich habe ich erst gegen sieben mit dir gerechnet.“ Doflamingo, der neben ihm auf der Couch saß, blies seine Backen auf und schob die Unterlippe hervor. „Für so unzuverlässig hältst du mich also, ja?“ Trotz des Knotens in seinem Magen und dem Kloß in seinem Hals konnte Crocodile ein leises Lachen nicht unterdrücken. Es war wirklich unglaublich, wie schnell Doflamingo es schaffte, seine Laune zu verbessern und ihn von seinen Sorgen abzulenken. „Jetzt tu doch nicht gespielt beleidigt“, erwiderte er und stupste mit seinem Fuß (Zuhause trug er nie Schuhe) gegen Doflamingos Schienbein, „du weißt selber genau, dass du immer unpünktlich bist.“ „Nicht immer“, konterte Doflamingo und rückte ein wenig näher zu ihm heran, „bei unseren ersten Date bin ich pünktlich gewesen. Und beim zweiten auch.“ „Beim zweiten bist du fünf Minuten zu spät gekommen“, korrigierte Crocodile ihn, „und an dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, sogar mehr als eine halbe Stunde.“ „Ja, ich erinnere mich, du hast Recht“, gab Doflamingo zu und beugte sich zu ihm hinunter, „aber zu dem Zeitpunkt habe ich ja auch noch nicht gewusst habe, wen ich bei diesem Geschäftsessen kennenlernen würde. Hätte ich vorher gewusst, dass ich auf dich treffen würde, wäre ich mit Sicherheit pünktlich gekommen. Vielleicht sogar ein bisschen zu früh.“ Und mit diesen Worten legte Doflamingo ihm einen Arm um die Taille und drückte ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Crocodile schloss seine Augen und ließ sich auf den Kuss ein. Er spürte Doflamingos Zunge in seinem Mund. An seiner eigenen Zunge, an seinen Lippen, seinen Zähnen. Eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen, als er merkte, dass er in den Kuss hineinstöhnte. Es war ein sehr leises Geräusch, doch Crocodile war sich sicher, dass Doflamingo es gehört hatte. Er spürte, wie der Griff um seine Taille fester wurde. „Wir haben uns viel zu lange nicht mehr gesehen“, meinte Doflamingo, als sie den Kuss beendet hatten. Ihr letztes Treffen war am Montagnachmittag gewesen; das war noch nicht einmal eine Woche her, doch Crocodile machte sich nicht die Mühe Doflamingo zu berichtigen. Stattdessen nickte er bloß benommen. Er fühlte sich gerade sehr wohl. Hier, in Doflamingos Armen und nach ihrem berauschenden Kuss, kamen ihm seine Kündigung und seine Schulden sehr weit weg vor. [zensiert] Nach dem Sex gingen sie nicht sofort auseinander. Stattdessen lagen sie noch für eine Weile nebeneinander, genossen die Nähe zum jeweils anderen und versuchten ihren Atem zu normalisieren. Irgendwann richtete Crocodile sich auf, nahm sich ein Taschentuch zur Hand und wischte das Sperma weg, das sich auf der Sitzfläche der Ledercouch und dem Inneren seiner Oberschenkel befand. Er fühlte sich noch immer recht benommen und ließ sich mit geschlossenen Augen zurück auf die Couch sinken. Der Sex hatte ihm richtig gut getan. Jetzt fühlte er sich tatsächlich viel entspannter und ruhiger. Vielleicht würde es ja doch noch ein schöner Abend werden, dachte er. „Was hältst du davon, wenn wir heute Abend ausgehen?“, riss Doflamingos Stimme ihn aus seinen Gedanken. „Wir könnten schick essen gehen oder sowas.“ Und auf einen Schlag waren alle Sorgen und Ängste von Crocodile zurückgekehrt. Er dachte an seine Kündigung und die Kündigungsfrist von schlappen zwei Monaten; an die vielen Schulden und Kredite, die er nicht bezahlen konnte; an seine Wohnung, die er aufgeben und seinen Mercedes, den er verkaufen musste. Crocodile schluckte hart. Wenn sie ausgingen, bezahlten sie immer getrennt. Darauf hatte Crocodile stets bestanden, auch wenn sein Partner anbot ihn einzuladen. Er fühlte sich unangenehm bei dem Gedanken, dass jemand anderes für ihn bezahlte. Sie waren in ihrer Beziehung bereits oft zusammen essen gegangen; schließlich hatten sie sich bei einem Geschäftsessen sogar kennengelernt. Doflamingo würde mit Sicherheit keine billige Gaststätte, sondern ein echtes Oberklasse-Restaurant im Visier haben. Vielleicht sogar das Baratie, das edelste Lokal in der ganzen Stadt. Dort waren selbst die Vorspeisen so teuer, dass eine dreiköpfige Familie für denselben Preis in einem anderen Restaurant ein komplettes Fünf-Gänge-Menü inklusive Getränke bekommen würde. So viel Geld konnte er nicht aufbringen. Nicht jetzt, wo er eigentlich lieber jeden Berry, den er zwischen die Finger bekam, nutzen sollte, um seine Schulden zu bezahlen. Crocodile schluckte und hustete kurz. Er schämte sich dieser Tatsache. Es war sehr lange her, seit er sich das letzte Mal aus finanziellen Gründen irgendetwas nicht hatte leisten können. In den letzten Jahren hatte er schließlich in großem Luxus gelebt. Wohlverdientem Luxus, immerhin arbeitete er sehr hart für sein Geld, doch das änderte nichts an der Situation, in der Crocodile sich jetzt gerade befand. „Wie kommst du denn plötzlich darauf?“, fragte er ausweichend, während er in seine Hose schlüpfte. „Wir haben fast halb acht abends. Ohne Reservierung bekommen wir so spät doch bestimmt keinen Tisch mehr.“ Doflamingo winkte ab. Er saß noch immer splitternackt auf der Couch und sah Crocodile aus seinen stechenden Augen heraus dabei zu, wie er seine Socken zusammensuchte. Crocodile wünschte sich, Doflamingo würde seine Sonnenbrille wieder aufsetzen. Sein Partner nahm sie normalerweise nur zum Sex ab und setzte sie sich nach dem Akt sofort wieder auf. Der stechende Blick in seinen grünen Augen gab Crocodile das unangenehme Gefühl geröntgt zu werden. Plötzlich musste er daran denken, dass Doflamingo sofort erkannt hatte, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte, noch ehe er auch nur ein Wort zu ihm gesagt hatte. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in Crocodiles Magen aus und er legte sich kurz die Hand auf den Bauch, ehe er in sein Hemd schlüpfte. „So langsam müsstest du doch wissen, dass sowas kein Problem für mich ist, Wani“, meinte Doflamingo und griff zu Crocodiles Erleichterung endlich nach seiner Sonnenbrille. „Ich kriege überall einen Tisch und zwar zu jeder Stunde.“ Er lachte leise und selbstgefällig. Das stimmte sogar, musste Crocodile unwillig zugeben. Donquixote Doflamingo war eine sehr wichtige und bekannte Persönlichkeit. Er besaß mehrere überaus erfolgreiche Firmen und hatte überall seine Kontakte. Selbst wenn er an Tagen wie Weihnachten oder Silvester spontan beschließen würde, dass er gerne am besten Tisch in bestem Lokal der Stadt speisen würde, würde er diesen Tisch bekommen. Doflamingo bekam alles, was er wollte. In Zahlen ausgedrückt war er bestimmt mindestens einhundert mal reicher als Crocodile es zu seiner besten Zeit gewesen war. „Ich habe heute Abend keine Lust auszugehen“, gab Crocodile schließlich zu und kreuzte die Arme vor dem Oberkörper. Er wollte Doflamingo nicht die Wahrheit sagen. Am liebsten würde er das niemals tun, aber wenn er es jemals tun musste, dann zumindest nicht an ihrem ersten Treffen nach seiner Kündigung. Gerade wollte Crocodile aufstehen, um unter irgendeinem Vorwand das Wohnzimmer zu verlassen und Doflamingos Sichtfeld entkommen, als dieser ihm am Handgelenk festhielt. „Ich will mir eine Flasche Wasser aus der Küche holen“, erklärte Crocodile sich, was seinen Partner allerdings nicht im mindesten zu interessieren schien. Stattdessen sagte er: „Du kannst mir ruhig sagen, was los ist, Crocodile.“ Crocodile schluckte. Doflamingo benutzte nur in absoluten Ausnahmesituationen seinen richtigen Vornamen. Hatte er etwa irgendwie von seiner Kündigung erfahren? Aber er war doch erst gestern gekündigt worden! Crocodile begann ein wenig zu zittern. Ein sehr untypisches Verhalten. Normalerweise zitterte er nie. „Schon als ich dich im Türrahmen habe stehen sehen, wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und jetzt reagierst du so seltsam ausweichend auf die Frage, ob wir ausgehen wollen. Warum bist du denn nicht ehrlich zu mir?“ Crocodile versuchte das Zittern zu unterdrücken und biss die Zähne zusammen. Allem Anschein nach wusste Doflamingo von seiner Kündigung. (Wenn auch nicht unbedingt von seinen Schulden in Höhe von einer halben Million Berry.) Und er ging damit sehr verständnisvoll um. Zumindest klang seine Stimme sanft. Crocodile hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner so ruhig und gelassen auf seine neue finanzielle Situation reagieren würde. „Ich habe es schon die ganze Zeit geahnt: Dein Magen macht dir wieder große Probleme, nicht? Deswegen möchtest du nicht essen gehen“, sagte Doflamingo. „Hast du Schmerzen?“ Weil Crocodile sich wie betäubt fühlte und nicht wusste, was er sonst tun sollte, erwiderte er: „Mit meinem Magen ist alles in Ordnung. Mir geht’s gut.“ „Red doch keinen Unsinn! Ich merke doch, dass du dich die ganze Zeit schon unwohl fühlst!“ Doflamingos Stimme klang ungemein vorwurfsvoll. Crocodile war völlig überfordert. Er hatte fest damit gerechnet, dass Doflamingo hinter sein Geheimnis gekommen war. Wenn er ganz ehrlich war, dann hätte er sich sogar erleichtert gefühlt. Schließlich hatte die Stimme seines Partners nicht im mindesten schockiert oder aufgebracht geklungen. Crocodile wünschte sich, Doflamingo hätte wirklich Bescheid gewusst. Denn eigentlich fühlte er sich nicht wohl dabei, ihn anzulügen. Aber was blieb ihm nun anderes übrig? Doflamingo hatte den falschen Schluss gezogen. Er wusste doch nichts von seiner Kündigung und seinen Schulden. Crocodile schluckte hart. Und einen Moment später beschloss er auf den fahrenden Zug aufzuspringen. „Du hast ja Recht“, sagte Crocodile und wich Doflamingos Blick aus. „Ich habe gestern in meiner Mittagspause aus Versehen ein Gericht mit Curry gegessen. Seitdem spielt mein Magen völlig verrückt. Anfangs habe ich gar nichts anderes außer gedünstetes Gemüse und stilles Wasser runter bekommen.“ Es überraschte Crocodile selbst wie leicht ihm diese faustdicke Lüge über die Lippen kam. Um sein Glück allerdings nicht zu überstrapazieren, fügte er noch hinzu: „Inzwischen geht es mir aber wieder ganz gut. Ich habe auch keine schlimmen Schmerzen oder so etwas. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen.“ Doflamingo rückte nah an ihn heran und küsste ihn. „Ich mache mir aber Sorgen! Du solltest deswegen wirklich mal zum Arzt gehen! Ich hoffe nicht, dass es eine ernste Krankheit ist; aber wenn das der Fall sein sollte, ist es besser das so früh wie möglich zu wissen. Vielleicht lässt sich dagegen ja auch was machen.“ Crocodile rollte mit den Augen. „Ob du es glaubst oder nicht“, erwiderte er ein wenig schärfer als beabsichtigt, „aber auf diese Idee bin ich auch schon gekommen. Ich habe mich bereits vor vielen Jahren untersuchen lassen. Es ist keine Krankheit oder so etwas. Mein Magen ist einfach sehr, sehr empfindlich. Das ist schon immer so gewesen, seit ich zurückdenken kann. Aber dagegen kann man nichts machen.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. Er hatte diesen Makel niemals als sonderlich störend empfunden. Vor allem, weil er wusste, wie er damit umzugehen hatte. „Für mich ist das auch kein Problem. Ich weiß ja genau, welche Lebensmittel ich essen darf und auf welche ich lieber verzichten sollte. Und wenn es mir doch mal passiert, dass ich etwas esse, was mein Magen nicht verträgt, dann ist das auch keine große Sache. Es ist zwar unangenehm, aber ich muss dann ja noch nicht einmal zum Arzt gehen oder bei der Arbeit aussetzen.“ Tatsächlich verschwendete Crocodile relativ wenige Gedanken an seinen schwierigen Magen. Für ihn war dieser Umstand eine Selbstverständlichkeit, war es schon immer gewesen. Er war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass Doflamingo sich deswegen um ihn sorgen würde. Aber er wollte sich nicht beschweren: Schließlich hatte ihn sein Magen heute aus einer brenzligen Situation gerettet. „Na gut, wir gehen heute nicht auswärts essen“, meinte Doflamingo. „Auch wenn du es herunterspielst, merke ich doch, dass du dich nicht wohlfühlst. Ich denke, wir sollten lieber nicht riskieren, dass du noch etwas isst, was du nicht verträgst.“ Auch wenn Crocodile der Meinung war, dass es nicht die Angelegenheit seines Freundes war, was er riskierte und was nicht, nickte er zustimmend. „Stattdessen können wir uns doch einfach eine schöne Zeit bei mir Zuhause machen“, bot er an. „Wie wäre es mit einem Filmabend zu zweit?“ * Der Montag, der auf das erfreulich angenehme Wochenende mit Doflamingo folgte, war einer der schlimmsten Tage in Crocodiles Leben. In der Bank hatte es sich inzwischen herumgesprochen, dass er gekündigt worden war. Automatisch hatte Crocodile das furchtbare Gefühl, dass ihn auf dem Weg zu seinem Büro jeder Mitarbeiter, dem er begegnete, scheel ansah. Er vermutete hinter jedem Gekichere und Geflüstere eine Beleidigung. Und das machte ihm schwer zu schaffen, ob er es nun zugeben wollte oder nicht. Crocodile war ein sehr stolzer Mensch. Eigentlich machte er sich nicht allzu viel aus der Meinung anderer, doch trotzdem konnte er es überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihn mit Geringschätzung oder von oben herab behandelte. Vor allen Dingen, weil er wusste, dass in all dem ein kleines Fünkchen Wahrheit lag. Schließlich hatte er ja tatsächlich einen Fehler begangen, der viel Geld und viele Arbeitsstellen gekostet hatte. Hätte er gewusst, dass er alles richtig gemacht hätte und sich nichts hätte zu Schulden kommen lassen, dann wäre es ihm sicherlich leichter gefallen, diese bedrückende Atmosphäre zu ertragen. „Guten Morgen, Crocodile“, begrüßte ihn Robin, seine Sekretärin, als er sein Büro betrat. Anstatt zu antworten, nickte Crocodile ihr bloß zu. Er hatte jetzt keine Lust auf Small-Talk oder tröstende Worte bezüglich seiner Entlassung. Was Robin zum Glück zu verstehen schien. Stumm legte sie ihm einen Stapel Dokumente auf seinen großen Schreibtisch, die er wohl bearbeiten sollte, und verschwand dann gleich wieder aus dem Büro. Nachdem die Türe ins Schloss gefallen war, seufzte Crocodile laut auf. Es war noch nicht einmal halb neun Uhr morgens und bereits jetzt war er sich absolut sicher, dass die bevorstehende Woche der reinste Horror werden würde. Als er nach dem Dokumentenstapel griff, den Robin ihm dagelassen hatte, bestätigte sich sein Verdacht. Man hatte die langweiligsten und unwichtigstem Arbeiten, die es gab, auf ihn abgewälzt. Aber das dürfte ihn ja eigentlich nicht überraschen. Schließlich würde er bloß noch zwei Monate in dieser Bank arbeiten. Das war nicht genug Zeit, um ihn mit größeren Projekten zu betrauen. Und warum sollte Sengoku dieses Risiko auch nochmal eingehen, fragte Crocodile sich bitter. Das letzte Projekt, für das er verantwortlich gewesen war, hatte er schließlich komplett in den Sand gesetzt. * Das nächste Treffen mit Doflamingo stand am Mittwochnachmittag bevor. Sein Partner hatte ihm per Telefon enthusiastisch mitgeteilt, dass er heute ein wenig früher mit der Arbeit Schluss gemacht hätte, damit sie beide sich länger sehen könnten. Crocodile hatte zwar nach außen hin den Enthusiasmus seines Freundes geteilt -alles andere wäre auffällig gewesen und hätte Misstrauen geweckt-, doch innerlich fühlte er sich ausgelaugt und dem Treffen nicht gewachsen. Es war ihm zwar am Wochenende gelungen, sein Geheimnis zu wahren, doch er war sich längst nicht sicher, ob ihm das noch einmal so gut gelingen würde. Doflamingo besaß nämlich die schreckliche Eigenschaft, es sofort zu bemerken, wenn irgendetwas nicht mit ihm stimmte. Er würde sich sehr stark anstrengen müssen, um den Schein zu wahren. Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause hatte Crocodile erneut einen Zwischenstopp beim Supermarkt eingelegt und sich mit einer weiteren Flasche Wodka und zwei Packungen Orangensaft eingedeckt. Er hatte mit sich ringen müssen, um nicht noch eine oder zwei Flaschen Schnaps mitzunehmen; hatte sich am Ende jedoch dagegen entschieden. Zum einen, weil er kein Trinker werden wollte, und zum anderen, weil sein Magen harten Alkohol nicht allzu gut vertrug. Normalerweise trank er eigentlich auch nur Wein und sogar den nur zu besonderen Anlässen. Während er sich auf den Weg zur Kasse machte, kam Crocodile plötzlich auf den Gedanken, dass er doch theoretisch auch seine Wocheneinkäufe in diesem Supermarkt erledigen könnte. Für einen Moment zögerte er und sah sich um. Normalerweise kaufte Crocodile seine Lebensmittel beim Fachverkäufer ein, die darum sehr hochwertig waren, aber natürlich auch einen gewissen Preis hatten. Hier in diesem Supermarkt waren die Lebensmittel deutlich günstiger, kosteten zum Teil nicht einmal ein Fünftel von dem, was er sonst bezahlte; das war ihm bereits aufgefallen. Womöglich könnte er auf diese Weise allerhand Geld sparen, das er dann nutzen könnte, um einen Teil seiner Schulden zu begleichen. Crocodile war bereits an der Kasse, als aus dieser Idee ein fixer Plan würde. Er erledigte seine Wocheneinkäufe normalerweise immer donnerstags, das war schon morgen. Je früher er damit anfing, Geld zu sparen, desto besser. Jeder Berry, den er sparte, bedeutete einen Berry weniger Schulden. * Als Doflamingo um zwanzig Minuten vor fünf Uhr nachmittags in seiner Wohnung auftauchte, war Crocodile aus zweierlei Gründen sehr erstaunt: Zum einen war sein Partner zum zweiten Mal hintereinander nur zehn Minuten zu ihrem Treffen zu spät gekommen, zum anderen hielt er in jeder Hand eine große Einkaufstüte, die randvoll gefüllt mit Lebensmittel waren. Augenblicklich befürchtete Crocodile, dass Doflamingo ihn heute womöglich gesehen hatte, als er in einem durchschnittlichen Supermarkt den Wodka und den Orangensaft eingekauft hatte und ihn nun mit Almosen versorgen wollte. Bei diesem Gedanken lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Zu seinem Glück allerdings plapperte Doflamingo sofort los, kaum hatte er die beiden Tüten in seiner Küche abgestellt: „Weißt du, als du mir am Samstag erzählt hast, dass dir dein Magen Schwierigkeiten bereitet, weil du aus Versehen etwas mit Curry gegessen hast und deswegen auch nicht auswärts essen gehen wolltest, da habe ich mir etwas überlegt. Ich habe im Internet nach Lebensmitteln und Rezepten gesucht, die sich besonders gut für Leute mit einem empfindlichen Magen eignen. Dann habe ich ein paar Sachen eingekauft.“ Noch während er redete, machte Doflamingo sich daran, die Einkäufe auszupacken und auf der Arbeitsplatte auszubreiten. „Ich dachte mir, dass wir heute vielleicht zusammen ein leckeres Gericht kochen könnten, das dir gut bekommt. Na, was hältst du davon?“ Um ehrlich zu sein, fühlte Crocodile sich ziemlich überrannt. Er hatte überhaupt nicht gewusst, dass Doflamingo gerne kochte und auch nicht damit gerechnet, dass er heute mit vollen Einkaufstüten bei ihm aufschlagen würde. Bei dem Gedanken daran, was all diese Lebensmittel wohl gekostet hatten, überkam Crocodile ein schlechtes Gewissen. Geld sparen hin oder her - es war ihm immer noch sehr unangenehm, wenn er eingeladen wurde oder jemand etwas für ihn bezahlte. „Das wäre doch nicht nötig gewesen“, meinte er darum recht unbeholfen, doch Doflamingo winkte bloß gut gelaunt ab. „Ich mache das gern“, erwiderte er. „Also: Wann ungefähr möchtest du essen? Je nachdem, welches Gericht wir kochen wollen, müssen wir unterschiedlich viel Zeit einplanen. Was möchtest du denn essen?“ „Ähm, ich weiß nicht. Was hast du denn gekauft?“ „Ach, Verschiedenes. Ich weiß ja nicht, worauf du Appetit hast, deswegen habe ich mehrere Sachen mitgebracht.“ Er überflog kurz die Lebensmittel, die bereits auf der Küchenarbeitsplatte lagen, und warf dann einen Blick in die noch nicht vollständig ausgepackte Einkaufstüte zu seinen Füßen; die zweite Tüte hatte er sogar noch gar nicht angerührt. „Wir haben Schwein, Pute, Lamm und Rind. Und natürlich Fisch. Nur die fettärmsten Stücke. Ich habe nämlich gelesen, dass man bei einem empfindlichen Magen lieber nicht fettig essen soll. Deswegen habe ich auch viel Gemüse gekauft. Und Hülsenfrüchte.“ „Das, ähm, das ist sehr lieb von dir“, sagte Crocodile, „aber du hättest dir wegen mir wirklich nicht so viele Umstände machen müssen. Es ist ja nicht so, als hätte ich entzündete Magenschleimhäute oder so etwas. Ich bin ja nicht krank. Ich habe nur einen etwas empfindlichen Magen.“ „Trotzdem müssen wir kein Risiko eingehen, oder? Außerdem freue ich mich darauf mit dir zusammen zu kochen. Das wird sicher ein Spaß, hm?“ „Na gut, das Argument lasse ich durchgehen“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen. Eigentlich hatte er nichts dagegen mit Doflamingo zu kochen. Und wenigstens wäre sein Partner dann für einige Zeit lang abgelenkt und käme überhaupt nicht auf die Idee nach zum Beispiel seiner Arbeit oder teuren Freizeitaktivitäten zu fragen. Tatsächlich machte es mehr Spaß, als er zu Beginn vermutet hatte, mit Doflamingo zu kochen. Es stellte sich nämlich heraus, dass sein Freund sich kein bisschen auskannte, was die Zubereitung von Lebensmitteln anging. Er schnitt sich sogar einmal in die Hand, als er Zwiebeln hacken wollte. Crocodile selbst war zwar auch kein Fünf-Sterne-Koch, aber wenigstens verhielt er sich in der Küche nicht halb so ungeschickt wie sein Partner (und das trotz einer fehlenden Hand!). Nach ein wenig mehr als einer Stunde hatten sie es schließlich geschafft, sachte angebratenes Lammfleisch mit dazu passendem Gemüse und Reis in eine Auflaufform zu geben und in den Backofen zu schieben. „Jetzt muss der Kram noch zwei Stunden lang im Ofen bleiben. Dann wird aus unserem Mittagessen wohl ein Abendessen“, kommentierte Doflamingo das Geschehen. Wie immer klang er nicht wirklich genervt oder enttäuscht, sondern eher belustigt. Crocodile zuckte mit den Schultern. „Wir könnten früher essen, wenn wir nicht so lange gebraucht hätten, um das Fleisch und das Gemüse vorzubereiten. Nun ja, was soll's, jetzt können wir es sowieso nicht mehr ändern.“ Sie knieten sich beide hin, um ihr Werk im Backofen zu begutachten. „Ich finde, es sieht doch ganz gut aus“, versuchte Doflamingo ihn ein wenig aufzumuntern und legte einen schweren Arm um seine Schulter. „Hoffentlich strapaziert das Essen meinen Magen nicht über seine Grenzen hinaus“, erwiderte Crocodile leicht grinsend und wandte sich dann nach rechts, um Doflamingo einen Kuss auf den Mund zu geben. „Selbst wenn sich dieser Versuch als ein Flopp entpuppt, geht davon die Welt nicht unter, oder? Im schlimmsten Fall gehen wir sonst eben doch auswärts essen oder bestellen uns etwas. Natürlich nur, wenn dir das nichts ausmacht.“ Sie hockten noch immer eng nebeneinander vor dem Backofen und betrachteten das Ergebnis ihres ersten gemeinsam Kochversuchs. Doflamingo hatte noch immer den Arm um seine Schulter gelegt, fiel Crocodile auf. Es störte ihn allerdings nicht. Auch wenn die Position ein wenig unbequem war, fühlte er sich sehr wohl. Was wahrscheinlich vor allem an der Nähe zu seinem Partner lag. „Irgendwann lernen wir schon zu kochen“, fügte Doflamingo noch hinzu und küsste Crocodile, „spätestens, wenn wir beide zusammenziehen.“ Zusammenziehen? Zusammenziehen?! Hatte sein Freund tatsächlich eben das Wort zusammenziehen in den Mund genommen? Augenblicklich fühlte sich Crocodiles Magen sehr flau an. Er windete sich aus der Umarmung mit Doflamingo heraus und stand auf. Gleichzeitig versuchte er sich ein wenig zu beruhigen. Sein Partner hatte mit dieser Aussage sicher keine Andeutung machen wollen. Schließlich waren sie ja gerade einmal seit etwas mehr als sechs Monaten ein Paar. Und es zog doch niemand nach nur einem halben Jahr Beziehung zusammen! Oder? Crocodile spürte, wie sich das flaue Gefühl in seinem Magen auch in seinen restlichen Körper ausbreitete. Sie hatten niemals über irgendwelche Exbeziehungen gesprochen; er konnte also überhaupt nicht einschätzen, wie Doflamingo seine Liebesbeziehungen handhabte. Vielleicht hatte er ja bereits zuvor Partner gehabt, die nach nur sehr kurzer Zeit zu ihm gezogen waren? Sah er es womöglich als eine absolute Selbstverständlichkeit an, dass er und Crocodile sich demnächst nach einem gemeinsamen Domizil umschauen würden? Crocodile schluckte hart. Doflamingo war sehr reich. Mit einer netten, mittelpreisigen Loft-Wohnung würde der sich sicher nicht zufrieden geben. Crocodile wusste, dass sein Partner in einer riesigen und teuren Villa im besten Viertel der Stadt lebte. Und er ahnte, dass er bestimmt nicht vorhaben würde, sich einzuschränken. Wozu auch? Schließlich besaß Doflamingo mehr Geld als er jemals in seinem Leben ausgeben könnte. Ganz im Gegensatz zu ihm. Bei dem Gedanken an seine Schulden wurde Crocodile ein wenig schlecht. Wie sollte er sich einen Zusammenzug mit Doflamingo leisten, wenn er doch schon um die Wohnung, in der er jetzt gerade wohnte, bangen musste? „Was hältst du davon, wenn wir ins Schlafzimmer gehen, während das Essen im Backofen ist?“, holte Doflamingos lüsterne Stimme ihn in die Wirklichkeit zurück. Crocodile musste ein Seufzen unterdrücken. Eigentlich dürfte ihn diese Frage ja gar nicht überraschen, tadelte er sich selbst, schließlich wollte sein Freund ständig Sex. Seit Beginn ihrer Beziehung hatten sie jedes Mal, wenn sie sich getroffen hatten, mindestens einmal miteinander geschlafen. Manchmal auch zweimal oder noch häufiger. Und bisher hatte Crocodile mit dieser Regelung auch absolut kein Problem gehabt. Heute allerdings war er nicht in der Stimmung für Sex. Diese neuen Sorge und Ängste, die Doflamingo in ihm geweckt hatte, schlugen ihm schwer auf den Magen. Trotzdem nickte er und ging voran in Richtung Schlafzimmer. Wenn sie Sex miteinander hatten, dachte Crocodile sich, dann hatte sein Partner wenigstens keine Gelegenheit dazu, um noch einmal das Thema Zusammenziehen anzusprechen. * Am Wochenende bemühte Crocodile sich mit aller Kraft darum, Doflamingo davon zu überzeugen, dass er zu beschäftigt war, um sich mit diesem zu treffen. Was deutlich schwieriger war als er zu Beginn vermutet hätte. Sein Freund war nämlich ein schrecklich sturer und selbstsüchtiger Mensch, der es gewohnt war zu bekommen, was er wollte. Und zwar immer. „Es tut mir wirklich leid“, sagte Crocodile zum einhundertsten Mal und lief im Wohnzimmer unruhig auf und ab, während er das Handy gegen sein Ohr presste. (Ein Telefon besaß er nicht, weil er alleine wohnte und ein Festnetzanschluss darum nur wenig Sinn gemacht hätte.) „Mir gefällt das doch auch nicht. Aber ich kann die Situation eben nicht ändern. Ich musste unheimlich viel Arbeit mit nach Hause nehmen. In der Bank ist derzeit schrecklich viel los.“ Schon wieder log Crocodile seinen Partner an, obwohl er das doch eigentlich gar nicht wollte. Um sein schlechtes Gewissen ein wenig zu beruhigen, fügte er hinzu: „Und ich habe auch noch sehr viele andere Sachen auf meinem Schreibtisch liegen, die ich schon viel zu lange vor mir her geschoben habe. Das muss ich dieses Wochenende erledigen. Bitte versteh das doch!“ Natürlich verstand Doflamingo das nicht. „Kannst du denn nicht wenigstens ein paar Stunden für mich einräumen“, fragte er und klang sehr beleidigt. „Mir egal ob am Freitag-, Samstag- oder Sonntagabend. Ich möchte ein bisschen Zeit mit dir verbringen, Crocodile!“ Crocodile schluckte und verzog den Mund. Wenn sein Freund seinen richtigen Namen anstelle eines Kosewortes benutzte, dann bedeutete das immer, dass ihm eine Sache ganz besonders ernst war. Wie kam Crocodile aus diesem Schlamassel nur wieder heraus? „Ich würde doch auch lieber mein Wochenende mit dir verbringen als mit diesem blöden Papierkram“, versuchte er ihn ein wenig zu beschwichtigen, „aber das geht nun mal nicht.“ „Ach komm schon! Nur eine Stunde! Eine einzige Stunde verlange ich von dir. Das muss doch zu machen sein, ganz egal wie beschäftigt du bist!“ Crocodile konnte ein verzweifeltes Seufzen nicht ganz unterdrücken. Wann war Doflamingo nur so anhänglich geworden? Crocodile hatte vorgehabt das bevorstehende Wochenende zu nutzen, um in Ruhe auf Jobsuche zu gehen und noch ein paar andere Dinge zu erledigen, die mit seiner Kündigung zusammenhingen, und er hoffte, dass sein Partner ihm keinen Strich durch diese Rechnung machen würde. „Für eine Stunde lohnt sich die lange Fahrt doch gar nicht“, argumentiere er. Tatsächlich brauchte man mit dem Auto fast eine Dreiviertelstunde, weil Doflamingo am Rande der Stadt im Grünen wohnte, während Crocodiles Loft-Wohnung mitten im Stadtkern lag. „Lass das mal meine Sorge sein“, erwiderte Doflamingo. „Also: Wann?“ Crocodile hätte sich am liebsten die Schläfe massiert, was jedoch leider nicht möglich war, da er mit seiner einzigen Hand das Handy festhielt; also blieb es bei einem resignierten Stöhnen. Schließlich gab er sich geschlagen: „Na von mir aus. Dann Sonntagabend so gegen sieben Uhr?“ „Bingo!“, hörte Crocodile durch den Hörer hindurch und brauchte nicht viel Fantasie, um sich das triumphierende Grinsen seines Partners vorzustellen. Doflamingo bekam früher oder später immer, was er wollte. Er war wie ein Kind, das im Supermarkt so lange quengelte und brüllte, bis man schließlich doch aufgab und ihm ein paar Süßigkeiten kaufte. Crocodile machte sich eine gedankliche Notiz, in nächster Zeit etwas konsequenter zu sein. * Tatsächlich verlief das Wochenende ohne seinen Freund ziemlich langweilig und unspektakulär. Crocodile verbrachte viel Zeit damit nach einer neuen Arbeitsstelle Ausschau zu halten. Leider gestaltete sich die Suche deutlich schwieriger als man vermuten würde. Wenn die Leute hörten, dass Crocodile als Manager arbeitete, reagierten sie meistens neidisch und glaubten, die Jobs und das Geld würden ihm nur so zufliegen. Das stimmte natürlich nicht. Es war ganz und gar nicht einfach an eine geeignete Stelle zu kommen; vor allen Dingen in der derzeitigen Wirtschaftslage nicht. Und die Arbeit war knallhart. Schon der winzigste Fehler konnte Verluste in Millionenhöhe verursachen. Das hatte Crocodile schließlich am eigenen Leib erfahren müssen. Der Gedanke, demnächst bloß noch ein mittelständiges Leben führen zu müssen, machte Crocodile inzwischen keine Angst mehr, dafür allerdings war er nun umso unglücklicher und wütender. Er hatte viele Jahre lang studiert und sich hochgearbeitet, um irgendwann einmal ein tolles Leben führen zu können. Und nun -von einem Tag auf den anderen- fiel alles, was er sich so mühselig aufgebaut hatte, wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das Leben war wirklich unfair! Crocodile schlug die Arme über den Kopf zusammen. Er war so glücklich gewesen, als Sengoku ihm die Stelle als Manager in der Bank angeboten hatte. Endlich waren seine Träume von einer schicken Wohnung und einem schnellen Auto in greifbare Nähe gerückt! Zu schade, dass er diesen Luxus nur zwei Jahre lang hatte genießen dürfen, ehe er zu einem durchschnittlichen Leben zurückkehren musste. Die Wohnung musste er aufgeben und seinen Mercedes C 216 verkaufen. Crocodile hatte Doflamingo niemals erzählt, dass er nicht aus einer reichen Familie stammte, sondern sich sein Geld selbst verdient hatte. Er schämte sich dieser Tatsache. Es hatte ihm als Kind zwar niemals an Essen oder warmer Kleidung gefehlt, doch es war Tatsache, dass seine Eltern nicht einmal für seine Studiengebühren aufkommen konnten (ganz abgesehen davon, dass sie dies nicht gewollt hatten). Crocodile hatte sich sein Studium lediglich mit Hilfe von Stipendien, Studienkrediten und zahllosen Nebenjobs leisten können. Er hatte jahrelang in einem winzigen Apartment gewohnt. Das Badezimmer hatte noch nicht einmal ein Fenster gehabt, erinnerte er sich, ganz zu schweigen von einer Badewanne. Und geschlafen hatte er auf einer ausklappbaren Couch, weil für ein richtiges Bett kein Platz gewesen war. Musste er nun zu diesem Leben wieder zurückkehren? Aber er war doch längst kein überschuldeter Student mehr! Crocodile seufzte laut und richtete sich wieder auf. Nein, dachte er, jetzt war er ein überschuldeter Arbeitsloser. Und bei diesem Gedanken wurde ihm schlecht. Auch wenn Crocodile eigentlich vorgehabt hatte, das Wochenende ohne seinen Partner zu verbringen, freute er sich nun doch auf das bevorstehende Treffen. Nach der vielen unliebsamen Papierarbeit würde ihm Doflamingos gute Laune sicherlich guttun. Es war achtzehn Uhr dreißig und er hatte es sich mit einer Wodka-Orangensaft-Mischung auf seiner Couch bequem gemacht. Sogar wenn Doflamingo erneut recht pünktlich kommen würde, hatte er noch mehr als eine halbe Stunde Zeit, um sich zu sammeln und das Glas zu leeren. Crocodile hatte die gesamten letzten Tage damit verbracht Bewerbungen zu schreiben, nach einer neuen Wohnung zu suchen, die Laufzeiten seiner Kredite zu verlängern und so weiter. Er hatte sogar schon eine Email an seinen Vermieter geschickt; darin hatte gestanden, dass die Loft-Wohnung nicht mehr seinen Ansprüchen genüge, er sich nach einem anderen Domizil umsehe und sich dazu bereit erklären würde, die hochwertige und neue Küche gegen eine Abfindung dem Nachmieter zu überlassen. Insgesamt eineinhalb Stunden hatte er an der Formulierung dieser Mail gearbeitet, damit er weder schwindeln müsste noch sein Vermieter dahinter käme, dass er im Job gekündigt worden war. Nun gönnte Crocodile sich zum ersten Mal in dieser Woche eine Pause. Während er sein Glas leertrank, warf er einen Blick auf die Uhr, die über der Wohnzimmertüre hing. Inzwischen war es sieben Uhr abends geworden. Weil Doflamingo nun theoretisch jeden Moment bei ihm aufschlagen könnte, nahm Crocodile das leere Glas, ging in die Küche hinüber und spülte es per Hand sauber. Er wollte nicht, dass Doflamingo davon erfuhr, dass er in letzter Zeit viel Hochprozentiges trank. In der Gesellschaft seines Freundes hatte Crocodile bisher immer höchstens bloß ein wenig Wein getrunken. Gläser, in denen sich noch Wodkapfützen befanden, könnten Doflamingo misstrauisch werden lassen. Um nicht einmal fünf Minuten nach neunzehn Uhr klingelte Doflamingo an der Türe des Hauses, in dem Crocodiles Loft-Wohnung lag. Vor Überraschung ließ dieser beinahe das Glas fallen, das er noch in der Hand gehalten hatte; hektisch stellte er es auf das Abtropfbett und hastete in den Flur hinüber, um seinem Partner die Wohnungstüre zu öffnen. „Du bist ja fast pünktlich“, war das erste, was Crocodile zu ihm sagte, als Doflamingo seine Wohnung betrat, “ist heute ein besonderer Anlass oder so etwas?“ Die Frage war eigentlich scherzhaft gemeint, doch tatsächlich bemerkte er auf den zweiten Blick, dass sein Gast einen Blumenstrauß in der Hand hielt. Es waren rosafarbene Rosen; sie trafen zwar überhaupt nicht Crocodiles Geschmack, nicht im mindesten, weil er mit Pflanzen prinzipiell nicht allzu viel anzufangen wusste, doch er freute sich sehr über die Geste. „Sind die etwa für mich?“ Das klang ein wenig unfreundlicher als er beabsichtigt hatte, aber das lag wahrscheinlich daran, dass er sich (mal wieder) ein wenig überfordert fühlte und nicht genau wusste, was er sagen sollte. Er war sehr überrascht. Sein Freund hatte ihm seit ihrem allerersten Date keine Blumen mehr mitgebracht. Doflamingo nahm es mit Humor: „Klar, für wen denn sonst?“ Er hielt ihm den Strauß Rosen hin und Crocodile fiel erst nach ein paar Sekunden ein, dass er die Blumen wohl entgegen nehmen sollte. „Danke. Das ist wirklich, naja, lieb von dir.“ Er bekam als Mann nur sehr selten Blumen geschenkt. Um ehrlich zu sein, war er sich noch nicht einmal sicher, ob er überhaupt eine Vase besaß. Die einzige Pflanze in seiner Wohnung war ein kleiner Kaktus, der im Schlafzimmer auf dem Fensterbrett stand. Er fragte sich, wie Doflamingo wohl auf die Idee gekommen war, er würde sich ausgerechnet über rosafarbene Rosen freuen. „Du klangst immer so gestresst und überarbeitet, als wir miteinander telefoniert haben“, erklärte Doflaming sich von selbst, „da dachte ich mir, ich bringe dir einen schönen Blumenstrauß mit, um dich ein wenig aufzumuntern.“ „Abgesehen von der Farbe gefallen mir die Rosen sehr gut“, sagte Crocodile und entlockte Doflamigo damit ein stolzes und glückliches Grinsen. „Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen, weißt du. Am Mittwoch die Einkäufe und heute der Blumenstrauß... Gibt es einen besonderen Grund für die Geschenke?“ „Nein, eigentlich nicht“, antwortete sein Freund und Crocodile hatte das seltsame Gefühl, dass Doflamingo trotz der Sonnenbrille seinem Blick auswich, als er das sagte. Danach wechselte dieser auch gleich das Thema: „Wollen wir vielleicht ins Wohnzimmer gehen? Wenn wir beide schon nur eine Stunde zusammen haben, dann möchte ich wenigstens nicht die ganze Zeit über im Flur stehen bleiben.“ Crocodile kam dieses Verhalten sehr merkwürdig vor. Normalerweise verstellte sich Doflamingo nie; er war in jeder Situation absolut authentisch. Da ihnen beiden heute Abend allerdings nur so wenig Zeit blieb, beschloss Crocodile, nicht weiter auf dieses Thema einzugehen. * In der Bank hatte sich die Situation inzwischen wieder ein wenig beruhigt. Da Crocodile stets eine Art natürliche Autorität ausstrahlte und sich nach außen hin nichts aus den Gerüchten um seine Kündigung zu machen schien, wurde seinen Mitarbeitern das Thema bald wieder langweilig und sie sprachen in der Mittagspause nun über andere Dinge. Zum Beispiel über die neue Praktikantin, die wohl schrecklich kurzsichtig und ungeschickt sein sollte, oder über die Büroräume im vierten Stock, die nächsten Monat renoviert werden würden. Es erschreckte Crocodile fast schon, wie schnell seine Kollegen und (vor allem) Kolleginnen von einem Gerücht zum nächsten huschten; und die Lüge, die gestern noch interessant gewesen war, war heute bloß noch Schnee von gestern. Auf der anderen Seite allerdings freute er sich natürlich in seinem Fall über diese Dynamik; schließlich kam sie ihm zugute. Inzwischen konnte er sogar wieder in der Bank umhergehen, ohne ständig das Gefühl zu haben, dass die anderen Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand über ihn tuschelten und ihm scheele Blicke zuwarfen. Gerade kehrte Crocodile von einem wichtigen Gespräch mit einem Mitarbeiter in sein eigenes Büro zurück und bog im Flur um die Ecke, als er plötzlich mit irgendjemandem zusammenstieß und nach hinten auf den Fußboden fiel. „Verdammt nochmal, kannst du denn nicht aufpassen?“ Crocodile richtete sich gleich wieder auf und widerstand der Versuchung, mit seiner rechten Hand über seinen Hintern zu reiben, der ziemlich wehtat. Vor ihm auf dem Fußboden lag eine junge Frau. Ihr war bei dem Zusammenstoß sowohl ein hoher Stapel Akten als auch ein Becher mit anscheinend heißem Kaffee aus den Händen geglitten, wovon die beiden dampfenden Flecken auf ihrer hellen Bluse zeugten. Das musste wohl diese ungeschickte Praktikantin sein, von der überall gesprochen wurde, dachte Crocodile sich, da er die bebrillte Frau noch niemals zuvor in seiner Abteilung gesehen hatte. „Entschuldigen Sie bitte vielmals“, quiekte das junge Mädchen ohne ihn anzusehen und machte sich sofort daran, die heruntergefallenen Akten aufzusammeln. Crocodile stockte. Irgendetwas an dieser Stimme und diesen ungeschickten Bewegungen kam ihm bekannt vor. „Tashigi?“ Die Praktikantin blickte verwirrt auf und nun erkannte Crocodile tatsächlich die kleine Schwester seines Exfreundes in ihr wieder. Sie trug ihr Haar jetzt länger und hatte ihre alte Hornbrille gegen ein neumodischeres Modell ausgetauscht, ansonsten allerdings schien sie ganz die Alte geblieben zu sein. Tashigi hatte sich aufgerichtet und hielt die aufgesammelten Akten vor der Brust; wahrscheinlich, um die peinlichen Kaffeeflecken zu verdecken. „Crocodile?“, fragte sie verunsichert. „Richtig“, bestätigte er, „ich habe gar nicht gewusst, dass du jetzt bei der Bank arbeitest.“ Tashigi rückte ihre Brille zurecht. „Ich mache nur ein Praktikum“, sagte sie schließlich kleinlaut. „Ein Praktikum bedeutet auch eine Menge Arbeit, oder nicht?“, versuchte Crocodile das arme Mädchen ein wenig aufzumuntern. Tatsächlich entlockte er Tashigi ein wackeres Lächeln. Obwohl sie die jüngere Schwester seines Exfreundes war, hatte Crocodile nichts gegen das Mädchen. Früher, als er noch mit Smoker zusammen gewesen war, hatte er recht viel mit Tashigi zu tun gehabt, weil diese bei ihrem älteren Bruder gewohnt hatte, während sie ihren Schulabschluss machte. Ihre Eltern hatten die beiden verstoßen, nachdem Smoker sich als homosexuell geoutet und sich seine deutlich jüngere Schwester auf dessen Seite gestellt hatte. Crocodile hatte in ihr immer ein sehr ungeschicktes Mädchen gesehen, das zwar viel Unterstützung und Hilfe brauchte, aber die richtigen Werte vertrat und sehr liebenswert war. Und nur weil er sich von ihrem Bruder getrennt hatte, bedeutete das ja nicht automatisch, dass er auch sie nicht mehr leiden konnte. Crocodile war zwar ein sehr stolzer, aber auch fairer Mensch. Er machte Tashigi nicht für die Trennung von Smoker verantwortlich, die ja sowieso schon mehrere Jahre zurücklag. „Das Praktikum ist wirklich deutlich anstrengender als ich zu Anfang gedacht habe“, gestand sie schließlich und hob den nun leeren Kaffeebecher vom Fußboden auf; wahrscheinlich, um ihm im nächsten Mülleimer zu entsorgen. „Ich habe in einer Stunde ein Gespräch mit Akainu. Er ist meine zuständige Person während des Praktikums und sehr, sehr streng.“ Und als ihr die braunen Flecken auf ihrer Bluse in den Sinn kamen, senkte sie beschämt den Blick. Akainu, dachte Crocodile unwirsch und bekam sofort Mitleid mit dem jungen Mädchen. Tatsächlich war Akainu eine der fürchterlichsten Menschen, die er jemals kennengelernt hatte: Arrogant, oberflächlich und parteiisch. Crocodile selbst bemühte sich darum, ihm so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Und wenn es sich nicht gerade um irgendein wichtiges Meeting handelte, bei dem sie beide anwesend sein mussten, gelang ihm das auch meistens. „Komm mal mit in mein Büro“, sagte Crocodile zu Tashigi, “wir wollen schauen, ob wir nicht eine Lösung für das Problem mit deiner Bluse finden können.“ Dankbar nickte die kleine Schwester seines Exfreundes und folgte ihm. Theoretisch hatte Crocodile das große Büro mit den zwei Fenstern und dem eigenen Badezimmer ganz für sich allein; praktisch sah es allerdings häufig so aus, dass sich seine Sekretärin Robin ebenfalls dort aufhielt, um ihm irgendwelche wichtigen Papiere auf den Schreibtisch zu legen, ihm Neuigkeiten mitzuteilen oder einfach bloß um zu plaudern, weil gerade nichts Wichtiges zu tun war. Auch jetzt hielt Robin sich in seinem Büro auf; sie saß auf seinem Schreibtischstuhl und trank eine kleine Tasse Kaffee. Als sie ihn mit der ungeschickten Praktikantin durch die Tür hineinkommen sah, lächelte sie freundlich. „Wärst du vielleicht so nett und würdest mir mit dem Mädchen helfen?“, bat Crocodile sie und deutete auf Tashigi, die inzwischen ganz rot im Gesicht geworden war. „Sie ist eine Freundin von mir und muss gleich zu einer Besprechung mit Akainu. Wir sind eben zusammengestoßen und jetzt hat sie zwei Kaffeeflecken auf der Bluse. Hast du irgendwelche Tipps, was man da machen könnte?“ Robin war zwar eine sehr zurückhaltende Person, vor allen Dingen in Gegenwart von fremden Menschen, aber im Regelfall trotzdem sehr hilfsbereit. „Die Flecken mit Spülmittel auswaschen“, sagte sie nach kurzer Überlegung, „und die Bluse dann zum Trocknen auf die Heizung legen.“ Sie warf noch einmal einen Blick auf Tashigi, die ihren Aktenstapel fest gegen die Brust gepresst hielt. „Ich besorge ein bisschen Spülmittel aus der Küche, ja? Ich bin in fünf Minuten wieder da.“ „Vielen Dank“, sagte Tashigi, die sehr erleichtert klang. Tatsächlich kehrte Robin sehr schnell mit der gewünschten Flasche Spülmittel zurück, die sie Tashigi in die Hand drückte. „Ich muss jetzt leider los, Sengoku will mich sprechen“, sagte sie dann, „ich hänge draußen an die Türklinke ein Schild, damit niemand hereinkommt, während sich das Mädchen um seine Bluse kümmert, ja?“ „Sehr gut“, erwiderte Crocodile, während Tashigi sich ein weiteres Mal überschwänglich bedankte. „Das Badezimmer ist gleich da vorne“, erklärte Crocodile ihr und setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl, der nun nicht mehr durch Robin besetzt war. „Du kannst die Bluse, wenn sie sauber ist, hier drüben über die Heizung hängen. Stell am besten jetzt schon die höchste Stufe ein, damit die Bluse auch ganz sicher trocknet bis du zu Akainu musst. Mir macht die Wärme nichts aus.“ „Vielen lieben Dank“, bedankte sich Tashigi ein weiteres Mal bei ihm; überglücklich, weil sie nun doch nicht mit fleckiger Kleidung zum pingeligen und strengen Akainu musste. Sie zog sich die Bluse aus, ging mit dem Spülmittel zum Bad hinüber und wusch die beiden Flecken am Waschbecken aus, ehe sie den feuchten Stoff über die heiße Heizung hing und sich dann -nur in BH bekleidet- auf den freien Stuhl gegenüber von Crocodiles Schreibtisch hinsetzte. Um Tashigi (die sehr erpicht darauf war, sich für den erwiesenen Gefallen erkenntlich zu zeigen) die Wartezeit zu verkürzen, gab Crocodile ihr ein paar einfache Aufgaben zu erledigen, während er selbst seine Emails checkte. Weder ihr noch ihm schien die Situation seltsam oder unangenehm vorzukommen. Als Crocodile noch mit Smoker zusammen gewesen war, hatte er oft mit Tashigi zusammen gefrühstückt oder ihr dabei geholfen, das richtige Outfit für irgendwelche besonderen Anlässe zusammenzustellen. Schließlich hatte sie damals noch bei ihrem Bruder gewohnt. Für ihn war und blieb Tashigi die ungeschickte kleine Schwester von Smoker, während sie in ihm wahrscheinlich einfach den homosexuellen Bekannten sah, der ihr netterweise aus der Patsche geholfen hatte. Die Stunde war beinahe schon rum, als Tashigi schließlich aufstand und ihm die Papiere reichte, die sie bearbeitet hatte. Crocodile nahm sie mit einem knappen Nicken entgegen und wendete sich dann gleich wieder konzentriert seinem PC-Bildschirm zu. Tashigi ging zur Heizung hinüber. Und dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Während sie in die inzwischen saubere und trockene Bluse schlüpfte und sich dabei zu ihm umdrehte, um sich ein weiteres Mal für seine Hilfe zu bedanken, ging plötzlich seine Bürotüre auf und im Türrahmen stand Donquixote Doflamingo, der in seiner Bewegung stockte und schockiert die Szene betrachtete, die ihm geboten wurde. „Doflamingo“, begrüßte Crocodile seinen Partner mit tadelnder Stimme und zusammengezogenen Augenbrauen, „was zur Hölle suchst du denn hier? Und hast du nicht das Schild an der Tür gesehen?“ Ihm wurde erst im zweiten Moment klar, wie furchtbar eindeutig die Situation auf Doflamingo wirken musste: ein Bitte-nicht-stören-Schild an der Türklinke und in seinem Büro eine junge Praktikantin, die gerade ihre Bluse wieder anzog. Crocodile seufzte und rieb die Innenfläche seiner rechten Hand gegen die Stirn. Dann sagte er ruhig: „Es ist nicht so wie du denkst.“ „Es ist nicht so wie ich denke?!“, wiederholte Doflamingo aufgebracht und seine Stimme klang wie Gift. Tashigi, die ihre Bluse fertig geknöpft hatte, schien sich bei diesem Streit sehr unwohl zu fühlen und fehl am Platz vorzukommen. Sie deutete auf ihre Armbanduhr und warf Crocodile einen entschuldigenden Blick zu, der sie mit einer kurzen Kopfbewegungen aus seinem Büro entließ. Als sie hinausging, schloss sie die Tür hinter sich. Crocodile seufzte ein weiteres Mal. Eigentlich hatte er keine große Lust dazu, sich jetzt mit seinem Freund auseinanderzusetzen; vor allen Dingen während seiner Arbeitszeit nicht. Es gab nämlich ein paar dringenden Sachen, die er bis heute Abend auf jeden Fall erledigt haben musste. Darum würde er diese Situation jetzt so schnell wie möglich klären und sich dann wieder seinen Aufgaben zuwenden. Leider machte ihm Doflamingo, der vor Wut und Eifersucht beinahe zu explodieren schien, einen Strich durch diese Rechnung. „Wie ist es dann, verdammt nochmal?! Willst du mich hier eigentlich verarschen?! Wie lange läuft das mit dir und ihr schon?“ „Zwischen mir und ihr läuft überhaupt nichts“, versuchte Crocodile ihn zu beschwichtigen. „Sie ist bloß eine Freundin von mir und...“ „Eine Freundin?!“, schnitt Doflamingo ihm ungeduldig das Wort ab. “So nennt man das also heutzutage, ja? Ich kann das einfach nicht fassen, Crocodile! Ich dachte, es würde gut zwischen uns laufen und jetzt.... jetzt machst du sowas!“ „Lass mich doch bitte einmal ausreden“, erwiderte er ruhig, „wie soll ich mich erklären, wenn du mich ständig unterbrichst?“ Und zu seiner Überraschung beruhigte sich sein Partner tatsächlich ein wenig und signalisierte, dass er ihm zuhören würde. Er hatte zwar seine beiden Hände zu Fäusten geballt und presste die Zähne fest aufeinander, doch insgesamt schien er sich wieder ganz gut gesammelt zu haben. Es wirkte auf Crocodile fast so, als wollte Doflamingo tatsächlich daran glauben, dass es für diese Situation rationale Gründe gab, die seine Eifersucht ungerechtfertigt erscheinen lassen würden. Vielleicht lag es auch an Crocodiles völlig gelassenem Auftreten. (Tatsächlich fühlte er sich kein bisschen schuldig; schließlich hatte er nichts Verwerfliches getan.) Jedenfalls hielt Donquixote Doflamingo für ein paar Minuten sein übergroßes Mundwerk und gab seinem Partner somit die Gelegenheit, sich zu erklären und die ganze Situation zu entschärfen. „Sie ist eine Freundin von mir, die hier seit kurzem als Praktikantin arbeitet“, sagte Crocodile. „Wir sind draußen auf dem Gang zusammengestoßen, dabei ist ihr Kaffee auf ihrer Bluse gelandet. Und weil sie jetzt zu einem Gespräch mit dem Misthund Akainu muss, habe ich ein bisschen Mitleid mit ihr bekommen und ihr angeboten, dass sie die Flecken in meinem Büro auswäscht. Du weißt doch, dass ich ein eigenes Bad habe. Sie hat also die Flecken ausgewaschen, die Bluse über die Heizung gehangen und eben -als du hier unangekündigt reingeplatzt bist- wollte sie sie wieder anziehen. Ansonsten ist überhaupt nichts passiert! Wir haben uns nicht mal die Hände geschüttelt!“ Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. Er hatte sich inzwischen wieder ein wenig beruhigt, schien allerdings von Crocodiles Geschichte noch nicht völlig überzeugt zu sein. Das erste, was er sagte, war: „Und das soll ich dir glauben? Für meinen Geschmack sind das ein paar unglückliche Zufälle zu viel!“ Langsam verlor Crocodile die Geduld. Es störte ihn, dass sein Partner seinen Worten keinen Glauben schenken wollte. Allerdings musste er natürlich zugeben, dass die Umstände tatsächlich nicht zu seinen Gunsten standen. Um seine Erklärung zu bekräftigen, fügte er hinzu: „Im Badezimmer steht immer noch das Spülmittel, mit dem sie die Flecken ausgewaschen hat. Dass ich in meinem Büro normalerweise kein Geschirr spüle, muss ich dir ja wohl nicht beweisen, oder?“ Bei dieser Aussage verzog Doflamingo ein wenig den Mund und erwiderte: „Wenn du die Wahrheit sagst, wird es dich doch sicher nicht stören, wenn ich nachsehe?“ Er sprach diese Frage so aus, als glaubte er, ihn damit in die Enge treiben und entlarven zu können. „Nur zu“, antwortete Crocodile mit gereizter Stimme. Er verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, während er Doflamingo dabei beobachtete, wie dieser die Türe zum Bad öffnete. Auf dem Waschbeckenrand stand selbstverständlich noch immer die Flasche Spülmittel, die Robin besorgt hatte. Nun hatte sein Partner keine andere Wahl als ihm zu glauben, was Crocodile mit großer Genugtuung erfüllte. Dass Doflamingo ihn beschuldigte, es auf der Arbeit heimlich mit jungen Mitarbeiterinnen zu treiben, verletzte ihn zutiefst. Ganz gleich, wie die Situation ausgesehen haben mochte, als sein Freund sein Büro betreten hatte. Crocodile hatte in seinem Leben zwar bereits den ein oder anderen One-Night-Stand gehabt, war allerdings in seinen festen Beziehung treu geblieben - und zwar ausnahmslos immer! Er hatte noch niemals auch nur fremdgeküsst oder -geflirtet. Für ihn war das eine Selbstverständlichkeit. Wenn man nicht monogam leben wollte, dann sollte man eben keine feste Beziehung eingehen, so einfach war das. Zumindest war das Crocodiles Meinung. Um Doflamingo noch eins reinzuwürgen, sagte er mit giftiger Stimme: „Das Spülmittel hat Robin aus der Küche mitgebracht. Sie hat das mit den Kaffeeflecken auch mitbekommen. Wenn du mir immer noch nicht glauben willst, dann kannst du gerne auch sie fragen!“ Doflamingo hielt in einer abwehrenden Bewegung die Hände mit zu Crocodile gerichteten Innenflächen nach oben. „Ist ja schon gut“, meinte er schließlich kleinlaut, „ich glaube dir.“ Das reichte Crocodile nicht. Was Doflamingo ihm unterstellt hatte, war in seinen Augen eine bodenlose Unverschämtheit. Und dafür sollte er ein wenig leiden. „Wie wäre es mit einer Entschuldigung?“ Er wusste ganz genau, dass sein Freund nichts mehr hasste als einen Fehler einzugestehen und sich entschuldigen zu müssen. Doflamingo schien sich in seiner Haut plötzlich sehr unwohl zu fühlen und druckste herum. „Muss das sein?“, fragte er schließlich und wich trotz der Sonnenbrille dem Blick seines Partners aus. „Du hast mir unterstellt, ich würde dich betrügen!“, gab Crocodile zornig zurück und stand von seinem Schreibtischstuhl auf. „Dafür verlange ich eine Entschuldigung, verdammt nochmal!“ „Aber... wenn es anders herum gewesen wäre, hättest du doch genauso reagiert, oder nicht?“, argumentierte Doflamingo. „Die Situation war wirklich missverständlich. Das musst du doch zugeben! Du kannst mir keinen Vorwurf machen.“ „Natürlich kann ich dir einen Vorwurf machen“, erwiderte Crocodile und umrundete seinen großen Schreibtisch. Jetzt stand er genau vor Doflamingo, der ihn um gut einen Kopf überragte. „Du hättest mir vertrauen sollen!“ „Ich vertraue dir!“, sagte Doflamingo sofort. „Wenn du mir vertrauen würdest, dann hättest du nicht so eifersüchtig reagiert!“ „Jeder hätte eifersüchtig reagiert, wenn er seinen Partner in so einer Situation gesehen hätte!“ „In so einer Situation? So einer Situation? Da ist nichts gewesen, Doflamingo!“ „Aber das kann man vorher doch nicht wissen!“ „Du hättest mir vertrauen sollen! Zur Hölle nochmal! Entschuldige dich doch einfach und dann vergessen wir diesen blöden Vorfall.“ Diese Sache hatte ihn sowieso schon viel zu viel Zeit und Nerven gekostet, fand Crocodile. Er wollte sie nun endlich abhaken und dann mit seinem üblichen Tagesgeschäft weitermachen. Schließlich wartete noch immer eine Menge Arbeit auf ihn, die er bis heute Abend erledigt haben musste. „Von mir aus können wir diesen Vorfall vergessen“, sagte Doflamingo, „aber ich sehe keinen Grund, wieso ich mich bei dir entschuldigen sollte.“ Crocodile seufzte verzweifelt auf und massierte sich mit zwei Fingern die Schläfe. Tatsächlich kam es sehr selten vor, dass er sich mit seinem Partner ernsthaft stritt. Es gab zwar oft kleine Meinungsverschiedenheiten oder sie ärgerten einander ein wenig, doch wirklichen großen Streit hatten sie in ihrer Beziehung bisher nur zwei- oder vielleicht dreimal gehabt. Da Crocodile der Meinung war, dass er in letzter Zeit sowieso schon unter zu viel Stress stand und zu viel Ärger hatte, beschloss er diesmal klein bei zu geben. Bei den Problemen, die sich durch seine Kündigung ergeben hatten, hatte er bereits so unglaublich viele Nerven eingebüßt, dass er nun einfach nicht mehr die Kraft aufbringen konnte, um sich gegen seinen Freund durchzusetzen. „Na von mir aus“, sagte er darum schließlich mit matter Stimme und fuhr sich mit der Hand kurz durchs Haar. „Dann verschwinde jetzt endlich. Ich muss noch eine Menge Arbeit erledigen.“ Je eher Doflamingo das Gebäude der Bank verließ, desto besser. Zumindest sah Crocodile das so. Das Risiko, dass sein Partner von seiner Kündigung erfuhr, stieg mit jeder Minute, die er länger hier verbrachte. Auch wenn seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich inzwischen anderen Themen zum Tratschen zugewendet hatte, war es nicht unmöglich, dass er nicht doch die eine oder andere Sache aufschnappte. Und das wollte Crocodile unter allen Umständen vermeiden. Doch natürlich machte Doflamingo ihm erneut einen Strich durch seine Rechnung. Anstatt ihm diesen Gefallen zu tun und einfach nach Hause oder wohin auch immer zu fahren, wurde er nun stattdessen bockig und rührte sich keinen Zentimeter von der Stelle. „Willst du denn gar nicht fragen, wieso ich überhaupt hierher gekommen bin?“, fragte er und schob beleidigt die Unterlippe ein kleines Stück nach vorne. „Nein“, erwiderte Crocodile ohne Umschweife und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. „Und wenn ich ehrlich bin, hältst du dich für meinen Geschmack schon viel zu lange in meinem Büro auf. Also geh jetzt endlich! Ich habe wirklich die Nase voll von dir!“ „Ach komm schon, sei nicht so ein Miesepeter“, sagte Doflamingo, der (seiner guten Laune nach zu urteilen) ihren Streit von vorhin beinahe schon wieder vergessen zu haben schien. „Frag mich, warum ich heute in deinem Büro aufgekreuzt bin!“ „Um einen Streit von Zaun zu brechen und mich zu nerven?“ „Du bist so gemein zu mir! Dass es Streit geben würde, konnte ich vorher doch nicht ahnen, oder?“ Crocodile seufzte. Allem Anschein nach ließ sich Doflamingo nicht vertreiben, ehe er nicht bei seinen dämlichen Spielchen mitgespielt hatte. Um ihn also schnellstmöglich loszuwerden, gab Crocodile erneut kleinbei und fragte: „Also... wieso bist du hierher gekommen?“ „Ich hatte eben ein Gespräch mit Akainu wegen gewisser Geschäfte.“ Crocodile lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sein Freund hatte mit Akainu gesprochen? Hoffentlich hatte der nicht verraten, dass er gekündigt worden war. So eine Gemeinheit würde er diesem Misthund wirklich zutrauen. Vor allen Dingen, weil dieser ihn auf den Tod nicht ausstehen konnte (was auf Gegenseitigkeit beruhte). Aber auf der anderen Seite: Wusste in der Bank überhaupt irgendjemand, dass er in einer Beziehung mit Donquixote Doflamingo war? Sengoku hatte davon mitbekommen, weil er Doflamingo bei diesem gemeinsamen Geschäftsessen vor etwas mehr als einem halben Jahr kennengelernt hatte. Und Robin wusste Bescheid, weil Doflamingo damals versuchte hatte, über seine Sekretärin an ein paar Informationen über ihn zu kommen. Ansonsten allerdings hatte er nie jemandem in der Bank von seiner Liebesbeziehung zu Donquixote Doflamingo erzählt. Nicht, weil er sich für seinen Partner schämte oder Ähnliches; Crocodile war einfach kein Mensch, der am Arbeitsplatz oft über Privates sprach. Er trennte diese beiden Bereiche sehr strikt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Akainu gegenüber Doflamingo etwas über seine Kündigung ausgeplaudert hatte, um ihm eins auszuwischen, war also zum Glück relativ gering. Erleichtert atmete Crocodile aus. „Und da fiel mir ein: Wani arbeitet ja auch hier“, fuhr Doflamingo, der seinen kleinen Schock nicht mitzubekommen haben schien, ungerührt fort. „Also bin ich auf die Idee gekommen, dich mal in deinem Büro zu besuchen. Ich dachte mir, dass du sicher gleich Mittagspause haben würdest und wir dann zusammen etwas Essen gehen könnten. Nur ein paar Straßen von hier entfernt gibt es ein tolles internationales Restaurant. Keine Sorge, ich habe mir vorab die Speisekarte angeschaut und es gibt eine Menge Gerichte, die du problemlos essen kannst und...“ „Ich werde jetzt garantiert nicht mit dir essen gehen, Doflamingo!“, unterbrach Crocodile unwirsch den Redeschwall seines Freundes. Völlig vor den Kopf gestoßen hielt dieser inne und sah ihm in die Augen. „Erstens habe ich nach unserem Streit und deiner total kindischen Weigerung, dich bei mir zu entschuldigen, keine Lust mit dir essen zu gehen. Und zweitens mache ich heute sowieso keine Mittagspause. Ich muss bis Arbeitsschluss noch eine Menge Papierkram erledigen, da bleibt mir keine Zeit zum essen.“ Zur Bekräftigung seiner Worte machte Crocodile eine knappe Handbewegung in Richtung Tür und wendete sich dann demonstrativ den Dokumenten zu, die Tashigi ihm dagelassen hatte. Leider musste er feststellen, dass es sich um einen sehr großen Fehler handelte, wenn man sich allen Ernstes anmaßte, den großen Donquixote Doflamingo zu ignorieren. „Du... du... du kannst mich doch jetzt nicht rausschmeißen!?“, brüllte Doflamingo entsetzt, beleidigt und stinkwütend. „Für wen hältst du dich eigentlich?!“ „Für jemanden, der in Ruhe seine Arbeit erledigen möchte“, gab Crocodile spitz zurück und widerstand der Versuchung, sich erneut die Schläfen zu massieren. Langsam stellten sich Kopfschmerzen bei ihm ein. Warum nur konnte Doflamingo ihn nicht einfach in Ruhe lassen? „Du kannst mich nicht rausschmeißen! Das lasse ich mir nicht bieten, verdammt nochmal!“ „Das hier ist mein Büro. Ich entscheide, wer sich hier aufhält und wer nicht. Und jetzt geh doch bitte einfach. Ich muss meine Arbeit machen.“ „Mir egal! Ich will jetzt mit dir essen gehen!“, erwiderte Doflamingo mit lauter Stimme. „Also lass deine blöde Arbeit für zwei Stunden liegen und komm mit mir mit!“ Diese dreiste Aussage sorgte dafür, dass Crocodile schlussendlich der Kragen platzte. Er war mit seinen Nerven völlig am Ende. Plötzlich jedoch wich die Erschöpfung heißer Wut, die wie Lava durch seinen Körper strömte. Crocodile spürte sogar, wie seine Finger unkontrolliert zuckten. Er stand von seinem Schreibtischstuhl wieder auf und brüllte: „Genau diese Einstellung von dir ist das größte Problem in unserer Beziehung, Doflamingo! Alles dreht sich darum, was du gerade willst! Doflamingo will irgendetwas - also bekommt er es auch. Und zwar unter allen Umständen. Denn er ist der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt und alle anderen sind bloß zweitrangig! Das scheint ja wirklich deine Idee vom Leben zu sein! Und von mir aus kannst du diesen blöden Scheiß bei irgendwem anders auch durchziehen. Sollen die Leute dich doch in deinem Egoismus und deinem kranken Gottkomplex unterstützen. Mir ist das egal. Aber glaub ja nicht, dass das auch bei mir funktioniert! Ich bin nicht dein blöder Bediensteter, der dir hinterher rennt und tut, was du sagst. Darauf habe ich keinen Bock! Ich bin dein Freund und nicht irgendein unterhaltsamer Zeitvertreib! Und da ich dein Freund bin, solltest du mich lieber nicht auf dieselbe Stufe stellen wie alle anderen. Und ständig versuchen, deinen blöden Willen durchzusetzen! Sondern auch mal daran denken, wie es mir dabei geht. Sonst bekomme ich nämlich das Gefühl, dass ich dir überhaupt nichts bedeute und bloß ein Mittel gegen deine Langeweile bin. Und du kannst mir glauben: Das lasse ich mir bestimmt nicht bieten!“ Mit diesem Wutausbruch hatte er Donquixote Doflamingo das erste Mal in ihrer Beziehung -und vielleicht das erste Mal in dessen Leben- absolut mundtot gemacht. Sein Partner stand bloß völlig bewegungslos und mit offenem Mund in seinem Büro, starrte ihn hinter den bunten Gläsern seiner Sonnenbrille heraus an und sagte nichts. Für Crocodile war diese Stille Musik in seinen Ohren. Und als Doflamingo nach ein paar Minuten endlich seine Stimme wiederfand, klang sie schwach und stotternd: „Aber... ich... nein, so war das nicht gemeint. Du bist kein Zeitvertreib für mich. Ich... ich liebe dich! Mehr als alles andere auf der Welt!“ „Dann beweis mir deine Liebe, indem du nicht egoistisch handelst, sondern auch an mich denkst. Und das tust du, indem du jetzt ohne ein weiteres Wort mein Büro verlässt, damit ich meine Arbeit fertig machen kann. Ich... ich rufe dich heute Abend, wenn ich Zuhause bin, an und wir machen einen anderen Termin für das Essengehen aus. In Ordnung?“ Crocodile traute seine Augen kaum, als Doflamingo stumm nickte und dann tatsächlich ohne weiteres Theater den Raum verließ. Er dachte sogar daran, die Tür hinter sich zu schließen. Kaum war sein Partner verschwunden, ließ sich Crocodile zurück in seinen Stuhl sinken und bettete den Kopf auf seine Arme, die vor ihm auf der Platte seines Schreibtisches übereinander gekreuzt lagen. Er wusste nicht, ob er sich gut oder schlecht fühlen sollte. Wenn er so darüber nachdachte, fühlte er sich jetzt eigentlich bloß wieder sehr erschöpft und verzweifelt. Er hoffte nur, dass er mit seinem Wutausbruch eben nicht seine Beziehung zu Doflamingo riskiert hatte. * Als Crocodile an diesem Tag endlich von der Arbeit nach Hause kam, war es schon fast elf Uhr abends. Weil der Supermarkt, den er in letzter Zeit öfter besuchte, um die späte Uhrzeit bereits geschlossen gewesen war, hatte er sich an einer Tankstelle ein paar Dosen vorgefertigten Wodka-Orange-Mix gekauft. Das Zeug schmeckte zwar fürchterlich, sorgte allerdings dafür, dass er endlich ein wenig Erleichterung und Entspannung zulassen konnte. In der Bank überließ man ihm seit seiner Kündigung die langweiligsten und unleidigsten Arbeiten. Da er nur noch etwa eineinhalb Monate dort arbeiten würde, machte es keinen Sinn, ihn mit größeren und verantwortungsvollen Aufgaben zu betrauen. Darunter litt Crocodile sehr. Er war es gewohnt, Projekte zu leiten und Meetings einzuberufen, und dass man seine Fähigkeiten nun für stupiden Papierkram verwendete, verletzte ihn zutiefst. Er hatte doch nicht jahrelang studiert, um Formulare auszufüllen und Emails an Kunden zu verschicken! Außerdem fühlte er sich schuldig, weil er sich Doflamingo gegenüber so eklig verhalten hatte. Sein Partner hatte ihm mit dem Besuch in seinem Büro und der Essenseinladung doch bloß eine nette Überraschung machen wollen - und er hatte ihn beschimpft und verscheucht, weil er schlechte Laune gehabt hatte. Crocodile trank die erste Dose leer und griff dann gleich nach der nächsten, um sie mit einem leisen Zischgeräusch zu öffnen. Obwohl ein kleiner Teil der Schuld natürlich auch bei Doflamingo selbst lag; schließlich war dieser so stur gewesen und hatte sein Büro einfach nicht verlassen wollen. Wie auch immer, jedenfalls fühlte Crocodile sich furchtbar schlecht. Er erinnerte sich daran, dass er Doflamingo versprochen hatte, ihn nach der Arbeit anzurufen. Also stellte er den Fernseher leise, griff nach seinem Handy, das er neben sich auf die Couch gelegt hatte, und rief seinen Freund über die Kurzwahltaste 5 an. Crocodile hatte insgesamt fünf Handynummern über Kurzwahltasten gespeichert: auf der 1 war die Nummer von seinem Bruder Mihawk gespeichert, auf der 2 die von seiner Schwester Hancock, auf der 3 die Nummer von seinem Studienkollegen Daz, auf der 4 die private Nummer von seiner Sekretärin Robin und auf der 5 die von Doflamingo. Die Telefonnummern seiner Eltern hatte er nicht gespeichert; er besaß sie nicht, weil er seit seinem Outing keinen Kontakt mehr zu ihnen hatte. Doflamingo nahm gleich nach dem zweiten Klingeln ab. „Endlich rufst du an, Wani! Ich warte schon den ganzen Abend auf deinen Anruf! Wir haben fast Mitternacht!“ Es war zwar erst dreiundzwanzig Uhr zehn, doch Crocodile machte sich nicht die Mühe, seinen Freund zu korrigieren. Stattdessen sagte er: „Sorry, ich bin gerade erst nach Hause gekommen.“ „Ist schon gut“, erwiderte Doflamingo sofort, „das sollte kein Vorwurf sein. Aber musstest du denn wirklich so lange arbeiten? Du hast doch schon heute morgen um acht angefangen. Es kann doch nicht sein, dass du so viel Arbeit aufgehalst bekommst, dass du erst um null Uhr nach Hause kommst!“ Es war zwar immer noch nicht Mitternacht, doch Crocodile wusste, was sein Partner meinte. „Da kann ich aber leider nichts gegen machen. In letzter Zeit gibt es eben sehr viel zu tun. Alle müssen länger bleiben oder Arbeit mit nach Hause nehmen.“ „Dann soll der blöde Sengoku eben mehr Leute einstellen“, jammerte Doflamingo. „Wir sehen uns für meinen Geschmack sowieso schon viel zu selten. Wenn du auch noch jeden Tag bis spätabends arbeiten musst, können wir uns unter der Woche überhaupt nicht mehr treffen!“ „So schlimm ist es nicht“, versuchte Crocodile ihn zu beschwichtigen, „wir kriegen das auf jeden Fall irgendwie geregelt, das verspreche ich dir. Ich werde mich darum bemühen, in nächster Zeit pünktlich Schluss zu machen, okay?“ Mit diesem Versprechen log Crocodile ihn erneut an. Tatsächlich hatte er sich freiwillig dazu bereiterklärt, Überstunden zu machen, damit sein nächster Gehaltscheck ein wenig üppiger ausfiel und er einen größeren Teil seiner Schulden begleichen könnte. Aber das sollte Doflamingo natürlich nicht erfahren. „Das Problem liegt ja nicht nur bei deiner Arbeit“, meinte dieser nun, „es geht ja zum Beispiel auch darum, dass wir fünfundvierzig Autominuten voneinander entfernt wohnen!“ Oh Gott, dachte Crocodile und presste die Lippen und Zähne aufeinander. Hoffentlich machte sein Freund nicht wieder irgendeine Andeutung darüber, dass er gerne mit ihm zusammenziehen würde! Um dieses Gesprächsthema zu umgehen und jeden weiteren Gedanken an einen Zusammenzug gleich im Keim zu ersticken, sagte Crocodile hastig: „Lass uns jetzt nicht darüber reden, ja? Ich will nicht mit dir streiten. Wollten wir nicht lieber einen Termin fürs Essengehen ausmachen? Du hast doch etwas von einem internationalen Restaurant gesagt, oder?“ Zum Glück tat Doflamingo ihm den Gefallen und ließ sich sofort begeistert auf das neue Thema ein. Crocodile atmete erleichtert aus. „Ja, ein guter Freund hat mir das Restaurant empfohlen“, plapperte Doflamingo sofort drauf los, „und wie gesagt, es ist nicht weit von der Bank entfernt. Also ideal, wenn du in der Mittagspause oder nach Arbeitsschluss dorthin möchtest. Und es werden wirklich sehr, sehr viele Gerichte angeboten, die dein Magen verträgt; darauf habe ich besonderen Wert gelegt.“ „Das, ähm, klingt doch gut“, sagte Crocodile und fühlte sich sehr unbeholfen. Eigentlich hatte er derzeit wirklich nicht das Geld übrig, um auswärts essen zu gehen. Aber was sollte er sonst tun? Doflamingo ging unglaublich gerne essen. Er würde sich seinen Wünschen nicht ewig entziehen können. Und zumindest schien es sich bei diesem Restaurant nicht um das Baratie zu handeln. „Wann möchtest du denn dahin?“ „Wie wäre es mit Freitagabend? Ich kann dich von der Arbeit abholen. Und danach verbringen wir ein schönes Wochenende bei mir. Was hältst du davon?“ „Das ist super“, antwortete Crocodile und weil er fand, dass auffällig wenig Enthusiasmus in seiner Stimme lag, fügte er ein wenig überzeugender hinzu: „Ein entspannendes Wochenende habe ich wirklich dringend nötig. Vor allem mal wieder aus der Großstadt herauszukommen, wird mir sicher guttun. Die Arbeit stresst mich in letzter Zeit unglaublich. Ich freue mich schon darauf.“ „Ich mich auch!“, gab Doflamingo fröhlich zurück und gluckste. „Ein ganzes Wochenende lang nur du und ich bei mir Zuhause - das wird sicher wunderschön!“ * Am Freitagabend machte Crocodile pünktlich Arbeitsschluss, damit er draußen auf seinen Freund warten konnte und sich für diesen gar nicht die Notwendigkeit ergeben würde, das Gebäude der Bank zu betreten, um ihn zu suchen. Auch wenn nur Sengoku und Robin über ihn und Doflamingo Bescheid wussten, war die Möglichkeit doch nicht ausgeschlossen, dass irgendjemand vielleicht beiläufig seine Kündigung erwähnen würde. Um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten, hielt Crocodile es für sinnvoll, dass sein Partner die Bank nur so selten wie absolut nötig betrat. Die kühle Abendluft sorgte für einen klaren Kopf bei ihm. Crocodile stellte seine Arbeitstasche neben ihm auf den Bürgersteig ab. (Normalerweise befanden sich wichtige Dokumente darin, heute jedoch waren es frische Wäsche, Hygieneartikel und anderer Kram.) Er nahm sich eine Zigarre aus seiner Innentasche und zündete sie an, nachdem er sie sich in den Mund gesteckt hatte. Doch auch nach zwei Zügen stellte sich bei Crocodile keine entspanntes Wohlgefühl ein, wie es sonst immer der Fall war. Die Probleme, die sich durch seine Kündigung ergaben, sowie sein ständiges Paranoia, Doflamingo könnte davon erfahren, ließen ihn einfach nicht los. Ganz gleich, wie intensiv er auch an der hochwertigen Zigarre zog, sie änderte nichts an dem nervösen Kribbeln in seinem Hals und seiner Hand. Er würde das gesamte Wochenende bei seinem Partner Zuhause verbringen. Und wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich sehr unwohl und unsicher bei diesem Gedanken. Er fürchtete sich davor, dass er sich womöglich verplappern oder aus irgendeinem anderen Grund sein Geheimnis verraten würde. Je länger er sich in der Nähe seines Freundes aufhielt, desto größer war die Gefahr, dass dieses Horrorszenario tatsächlich eintreten würde. Crocodile rauchte seine Zigarre auf und schmiss den Filter in einen Gulli, als er am Ende der Straße die Scheinwerfer von Doflamingos Auto sah. Oder besser gesagt, die Scheinwerfer eines der vielen Autos, die Doflamingo besaß. Heute handelte es sich um eine cremefarbene Limousine, die vor dem Gebäude der Bank zum stehen kam. Die Tür vorne links öffnete sich und es stieg ein Fahrer aus, der den Wagen einmal umrundete und schließlich die Türe hinten rechts öffnete. Donquixote Doflamingo rückte seine Sonnenbrille mit den violett getönten Gläsern zurecht, als er langsam aus der Limousine ausstieg und auf Crocodile zuging. Der Fahrer schloss die Wagentüre hinter ihm und blieb dann an Ort und Stelle stehen, um zu warten. Obwohl Crocodile genau wusste, dass Doflamingo unglaublich reich war, erstaunte es ihn immer wieder aufs Neue, welchen Luxus sich sein Freund doch gönnte. Auch wenn er selbst nicht schlecht verdiente -oder eher verdient hatte, ehe er gekündigt worden war-, wäre er niemals auf die Idee gekommen, sich einen eigenen Fahrer anzuschaffen. Und bei dem Gedanken daran, dass er demnächst seinen Mercedes C 216 (der vielleicht ein Viertel so viel wert war wie dieses eine Auto von Doflamingo) verkaufen musste, um einen Teil seiner Schulden zu tilgen, wurde ihm plötzlich sehr schlecht. Dennoch bemühte Crocodile sich seinem Freund gegenüber um ein möglichst unbefangenes Lächeln. Nachdem er sich unauffällig umgesehen und festgestellt hatte, dass sich in ihrer unmittelbarer Nähe niemand befand, ließ er es sogar zu, dass Doflamingo ihm zur Begrüßung einen kurzen Kuss auf seinen Mund gab und ihm einen schweren Arm um seine Schulter legte, während er ihn zur Limousine begleitete. Es war nicht so, dass er sich für seine homosexuelle Neigung oder Doflamingo (außer für dessen Kleidungsstil) schämte, doch er hielt noch immer an dem Grundsatz fest, dass es umso besser für ihn war, je weniger Leute in der Bank von ihrer Beziehung wussten. Der Fahrer öffnete ihnen beiden die Türe und Crocodile glitt neben seinen Freund auf die geräumige Rückbank des Wagens. Die Sitze waren, passend zur Außenfarbe der Limousine, mit cremefarbenen Leder überzogen worden. Außerdem war der Innenraum mit einer Menge nicht notwendigem, aber hübschem und teurem Schnickschnack ausgestattet. Crocodile spürte, dass Doflamingo ihm unter seiner Sonnenbrille einen besorgten und misstrauischen Blick zuwarf. „Ist alles in Ordnung mit dir, Crocobaby?“, fragte er und strich ihm sanft über die Haare. „Du bist so blass im Gesicht.“ „Ich bin immer blass im Gesicht“, erwiderte Crocodile und bemühte sich darum, seine steife Körperhaltung ein wenig aufzulockern und die zärtlichen Berührungen seines Partners zu genießen. „Mit mir ist alles in Ordnung.“ „Bist du dir da sicher?“, hakte Doflamingo nach. Crocodile widerstand dem Wunsch, die Augenbrauen zusammenzuziehen. „Natürlich bin ich mir sicher. Ich bin nur ein bisschen erschöpft; die Arbeit war mal wieder sehr anstrengend. Und ausgerechnet heute musste ich mich auch noch mit Akainu auseinandersetzen. Du weißt ja, dass ich ihn nicht leiden kann. Aber ansonsten ist alles okay bei mir. Du musst dir keine Sorgen machen, Doffy.“ Crocodile merkte, dass Doflamingo ihm immer weiter Glauben schenkte, je länger er redete, und bei der Nennung seines Kosenamens schien er völlig von seiner Lüge überzeugt zu sein. Crocodile schluckte und vermied den Blickkontakt zu seinem Freund. Akainu war heute nicht einmal im Hause gewesen, weil er Verhandlungen mit einer anderen Bank geführt hatte, doch das konnte Doflamingo natürlich nicht wissen. * Das Restaurant, das Doflamingo ausgesucht hatte, befand sich in einem Gebäude, das sehr altehrwürdig aussah und mit einer Menge weißem Stuck geschmückt war. Es bildete einen starken Kontrast zu den vielen Wolkenkratzern aus Glas und Stahl, die ansonsten das äußere Erscheinungsbild der Stadt dominierten. Crocodile gefiel es auf Anhieb sehr gut. Allem Anschein nach hatte sich sein Freund bei der Wahl des Restaurants tatsächlich Gedanken darum gemacht, welches seinen Geschmack am ehesten treffen würde. Der Name des Lokals war Flying Lamb, wie Crocodile der Schrift auf der altmodisch gemeißelten Tafel über dem Eingang entnahm. Als sie die Innenräume betraten, erwartete sie im Eingangsbereich bereits der Oberkellner, der sie mit einer Verbeugung begrüßte. Es war ein junger Mann mit blondem Haar und einem leichten Kinnbart, den er anscheinend absichtlich nicht rasierte. „Herr Donquixote, es ist eine große Ehre, Sie in unserem bescheidenen Haus begrüßen zu dürfen! Und Ihre Begleitung, ah, das wird sicherlich der hoch geschätzte Sir Crocodile sein, nicht wahr? Wir fühlen uns durch Ihren Besuch sehr geehrt und freuen uns, Sie beide heute Abend bewirten zu dürfen! Bitte legen Sie doch Ihre Garderobe ab und folgen mir zu Ihrem Tisch.“ Nachdem ihnen die die Mäntel abgenommen worden waren, folgten sie dem Oberkellner durch das Restaurant. Verwundert sah Crocodile sich um. Im gesamten Raum konnte er bloß einen einzigen Tisch ausmachen und das war der, den sie gerade ansteuerten. Ansonsten war das Lokal wie leergefegt. Doflamingo, der seinen misstrauischen Blick wohl mitbekommen hatte, gluckste leise und raunte ihm dann zu: „Du hast mir doch erzählt, dass du ein bisschen Ruhe und Entspannung gut gebrauchen könntest, oder nicht? Darum habe ich für uns beide das komplette Restaurant reserviert.“ Bei dieser Aussage setzte Crocodiles Herz für einen kurzen Moment aus, ehe es mit der doppelten Geschwindigkeit weiterschlug. Hatte sein Partner ihm eben tatsächlich mitgeteilt, dass er für heute Abend nicht bloß einen Tisch, sondern gleich das ganze Restaurant gemietet hatte? Sie erreichte ihre Plätze und Crocodile setzte sich mit einem riesigen Kloß im Hals auf den Stuhl, den nicht der Kellner, sondern Doflamingo für ihn zurechtrückte. Er war so geschockt, dass er sogar vergaß sich dafür zu bedanken. Die Kosten für ein auswärtiges Essen waren ihm beinahe schon zu hoch; wie sollte er denn nur ein ganzes Restaurant bezahlen? Als der Kellner nach ihren Getränkewünschen fragte, war das einzige, was Crocodile hervorbrachte, bloß ein leises und jämmerlich klingendes „Stilles Wasser, bitte“. „Ich lade dich ein“, sagte Doflamingo, als sie wieder allein waren. „Ich weiß, dass du dich nicht gerne einladen lässt, aber heute wirst du es zulassen müssen, ob es dir gefällt oder nicht.“ Crocodile sah überrascht zu ihm hinüber. Er fühlte sich sehr unwohl: Auf der einen Seite konnte er es überhaupt nicht ausstehen, wenn man für ihn bezahlte, auf der anderen Seite allerdings fragte er sich ernsthaft, wie er angesichts seiner finanziellen Situation eine solch riesige Rechnung bezahlen sollte. „Gibt es für die Einladung einen besonderen Grund?“ „Es gibt sogar zwei besondere Gründe“, erwiderte Doflamingo munter und ignorierte den Kellner, der ihre Getränke und Vorsalate servierte. „Erstens ist heute unser siebter Monatstag und zweitens möchte ich gerne über ein wichtiges Thema mit dir sprechen.“ Um seine staubtrockene Kehle ein wenig zu befeuchten, trank Crocodile einen Schluck Wasser. Er hatte völlig vergessen, dass heute ihr Monatstag war. „Das ist doch nicht nötig“, sagte er, „wir haben uns schließlich noch nie etwas zum Monatstag geschenkt. Du weißt, dass ich so etwas furchtbar kitschig finde!“ Doflamingo zuckte mit den Schultern und blätterte beiläufig durch die Speisekarte, als er meinte: „Und du weißt, dass ich ein Fan von Kitsch und Romantik bin. Also gönn mir doch, dass ich dich einlade. Und wenn nicht aus dem ersten Grund, dann wenigstens aus dem zweiten.“ „Und worum geht es bei diesem zweiten Grund?“ Crocodile griff ebenfalls nach der Karte; allerdings bloß, um seine zuckenden Finger ein wenig zu beruhigen. Er richtete seinen Blick zwar auf die Seiten, wusste jedoch auch nach zwei Minuten nicht, was das Flying Lamb anbot. Sein Herz schlug sehr schnell. Worüber wollte Doflamingo mit ihm reden? Hatte er etwa von seiner Kündigung und seinen Schulden erfahren? Doch wie war das möglich? Doflamingos Grinsen war unnahbar. „Lass uns später darüber sprechen, ja? Erstmal sollten wir bestellen. So wie ich dich kenne, hast du dir heute bei der Arbeit bestimmt keine einzige Pause gegönnt, um eine Kleinigkeit zu essen, nicht wahr?“ Crocodile seufzte. Es wunderte ihn kein bisschen, dass sein Freund auf dieses Thema zurückkam. Anscheinend fühlte sich Doflamingo in letzter Zeit tatsächlich von ihm vernachlässigt, weil er ständig lange arbeiten musste. „Es gibt in der Bank eben sehr viel zu tun“, verteidigte Crocodile sein Verhalten und las die Auflistung der Vorspeisen durch, „da bleibt mir keine Zeit, um zu essen.“ Was ihm eigentlich auch ganz recht war, dachte Crocodile, denn durch seine vielen Sorgen hatte er sowieso ständig das Gefühl, ihm würde ein Kloß im Magen liegen. Und jedes Mal, wenn er daran dachte, Mittagspause zu machen und etwas zu essen, wurde ihm wieder bewusst, wie schrecklich groß und schwer dieser Kloß doch war. „Das ist aber sehr ungesund“, tadelte Doflamingo ihn. „Man sollte sich nicht überarbeiten. Und wenn man's doch mal tut, sollte man wenigstens darauf achten, genug zu essen und zu schlafen. Sonst landest du noch im Grab, bevor du vierzig bist. Fufufufu.“ Doflamingo lachte, doch in seiner Stimme hatte auch ein wenig Ernst mitgeschwungen. Crocodile versuchte von diesem unangenehmen Thema abzulenken, indem er lächelte und sagte: „Damit du sichergehen kannst, dass ich nicht verhungere, sind wir doch jetzt hier, oder nicht? Weißt du schon, was du nimmst?“ „Ich habe Lust auf Seafood“, antwortete Doflamingo, der zum Glück sehr leicht abzulenken war, „als Vorspeise nehme ich die Krabbensuppe. Und als Hauptgang, hm, Seeteufel.“ Crocodile schmunzelte. Sein Freund hatte sogar beim Essen einen wirklich exotischen und teuren Geschmack. Als der Kellner ihre Bestellungen aufnahm, äußerte Doflamingo mehrere Extrawünsche, die in dessen Ohren ziemlich unsinnig klingen mussten; doch natürlich notierte er pflichtbewusst jede geforderte Änderung. Dann wendete er sich Crocodile zu: „Und was darf es für Sie sein, mein Herr?“ „Ich nehme als Vorspeise die Kartoffelsuppe und als Hauptspeise das Schweinefilet. Alles nur mild gewürzt, bitte.“ „Ausgezeichnete Wahl“, kommentierte der blonde Kellner seine Bestellung, während er sie sich aufschrieb. Und gerade wollte er sich wieder auf den Weg zurück in die Küche machen, als Doflamingo ihn noch einmal aufhielt und hinzufügte: „Achtet darauf, dass seine Gerichte wirklich nur ganz mild gewürzt sind, ja? Also keinen Pfeffer oder andere scharfe Gewürze. Er hat einen empfindlichen Magen. Und schneidet alles in mundgerechte Stücke.“ „Natürlich“, bestätigte der Kellner und verbeugte sich kurz. Nachdem er sich wieder entfernt hatte und ganz sicher auch außer Hörweite war, warf Crocodile seinem Freund einen finsteren Blick zu und fragte mit verärgerter Stimme: „Was zur Hölle sollte das denn?!“ Doflamingo reagierte völlig gelassen; allem Anschein nach war er überhaupt nicht der Ansicht, dass er sich in irgendeiner Form unverschämt oder unangemessen verhalten hatte. „Ich wollte nur sichergehen, dass du kein Essen serviert bekommst, dass dir nicht bekommt.“ „Ich hatte doch schon gesagt gehabt, dass ich es mild gewürzt haben möchte!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und was sollte diese blöde Anmerkung mit den mundgerechten Stücken?!“ „Na, du hast doch nur eine Hand“, sagte Doflamingo als würde es sich dabei um eine völlig neue Tatsache handeln. „Wie willst du denn mit einer Hand Fleisch schneiden? Das geht doch nicht.“ „Dass ich nur eine Hand habe, werden die sicher gesehen haben, verdammt nochmal! Wir sind schließlich heute Abend die einzigen Gäste im ganzen Laden! Die wären sicher auch selber auf die Idee gekommen, das Fleisch für mich zu schneiden, bevor sie es servieren!“ Doflamingo hob in einer beschwichtigenden Geste beide Hände. „Jetzt reagier doch nicht gleich so aggressiv, Wani. Ich wollte dir doch bloß einen Gefallen tun. Ich habe es nicht böse gemeint.“ „Trotzdem!“, gab Crocodile zurück. Er reagierte immer sehr empfindlich darauf, wenn irgendjemand Rücksicht auf ihn nahm, obwohl das überhaupt nicht notwendig war. Schließlich war er eine sehr stolze Person und nahm nur ungern Hilfe an. „Ich bin kein kleines Kind mehr, sondern ein eigenständiger Mensch und durchaus dazu in der Lage, mein Essen selber zu bestellen. Also halte dich daraus, ja? Ich kann das nämlich auf den Tod nicht ausstehen, wenn man so tut, als würde ich etwas nicht alleine auf die Reihe kriegen!“ Auch wenn Crocodile es durch die Gläser der Sonnenbrille hindurch nicht sah, wusste er genau, dass sein Partner mit den Augen rollte. „Ich habe doch eben gesagt, dass ich es nicht böse gemeint habe“, erklärte Doflamingo. „Es war nicht meine Absicht, dich bloßzustellen. Ich wollte dir nur helfen.“ „Ich brauche keine Hilfe“, erwiderte Crocodile spitz. Doflamingo seufzte. Er seufzte nur sehr selten; ganz im Gegensatz zu ihm selbst. In ihrer gesamten Beziehung hatte Crocodile ihn höchsten drei- oder viermal seufzen gehört - dieses Mal mit eingerechnet. Wenn Doflamingo seufzte (oder wenn die Adern an seiner Stirn zu pochen begannen), dann wusste Crocodile, dass er sich einer Grenze näherte, die er lieber nicht überschreiten sollte. „Ist ja gut“, sagte Doflamingo. „Ich will jetzt nicht streiten. Es ist schließlich unser Monatstag. Lass uns diese blöde Sache einfach vergessen. In Ordnung?“ Wenn Doflamingo nicht geseufzt hätte, dann hätte Crocodile definitiv nicht aufgehört zu streiten. Er besaß nur wenige wunde Punkte, doch mit seinem Verhalten hatte sein Partner eben einen dieser Punkte getroffen. Und zwar genau in die Mitte. Da allerdings abzusehen war, dass dieser Streit womöglich sehr böse enden würde, wenn er auf einer Entschuldigung bestand, beschloss Crocodile schweren Herzens, erneut klein bei zu geben. Zumindest für diesen Abend. Er würde Doflamingo dann eben ein andern Mal auf diese Sache ansprechen und auf jeden Fall eine Entschuldigung verlangen. „In Ordnung. Hören wir auf zu streiten. Du hast Recht: Es ist unser Monatstag.“ Obwohl sie ihren Zwist beigelegt hatten und das Essen sehr gut schmeckte, konnte Crocodile den gemeinsamen Abend nicht so recht genießen. Ständig machte er sich Gedanken darum, worüber Doflamingo anlässlich ihres siebten Monatstages mit ihm sprechen wollte. Um seine Kündigung ging es wahrscheinlich nicht. Doch worum dann? Er konnte sich beim besten Willen nichts vorstellen, was so wichtig wäre, dass man allein für die Verkündigung ein komplettes Restaurant mietete. Auf der anderen Seite allerdings waren diese Kosten für einen Mann wie Doflamingo wohl kaum der Rede wert. Als der blonde Oberkellner das nächste Mal zu ihnen hinüber kam, bestellte Crocodile sich einen Rotwein; er musste dringend seine Nerven beruhigen. Erst, als er das Glas fast leer getrunken hatte, kam Doflamingo endlich auf den Grund für die Essenseinladung zu sprechen. „Ich habe mir in letzter Zeit sehr viele Gedanken über unsere Beziehung gemacht“, sagte Doflamingo. Er klang nicht schlecht gelaunt, jedoch untypisch ernst. Crocodile spürte, dass seine Finger wieder zu zucken begannen, und trank eilig den letzten Schluck Wein aus seinem Glas. Er fühlte sich schrecklich nervös und wünschte sich, Doflamingo würde endlich auf den Punkt kommen. „Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es viele Dinge gibt, die mich sehr stören.“ Crocodile umfasste sein leeres Weinglas mit einem so festen Griff, dass es sich nur noch um eine Frage der Zeit handelte, bis es in seiner Hand zerplatzen würde. Der unangenehme Knoten in seinem Magen wurde noch größer. Was sein Partner sagte, klang überhaupt nicht gut. Wollte sich Doflamingo etwa von ihm trennen? Doch wozu dann der große Aufwand für den heutigen Abend? „Du arbeitest in letzter Zeit sehr viel“, fuhr Doflamingo fort, „und bist darum ständig gestresst und gereizt. Außerdem hast du kaum noch Zeit für mich -oder eher für uns- übrig. Zuerst ging es nur um die Tage unter der Woche, aber jetzt weitet sich das auch auf die Wochenenden aus. Es gibt zum Teil ganze Wochen, in denen wir uns einfach nicht sehen können. Das liegt natürlich nicht nur an deiner Arbeit, sondern auch daran, dass du mehr als fünfzig Kilometer von mir entfernt wohnst.“ Doflamingo machte eine kurze Pause und trank einen Schluck von seinem Pina Colada. „Ich fände es schön, wenn wir uns öfter sehen könnten. Nicht bloß ein- oder zweimal in der Woche, sondern jeden Tag. Und, naja, aus diesem Grund möchte ich dich gerne fragen, ob du Lust hast“, er atmete einmal tief ein und aus, „zu mir zu ziehen?“ Crocodile fühlte sich, als hätte ihm irgendjemand mit voller Wucht in den Bauch getreten. Der schwere Kloß in seinem Magen begann zu schmerzen, alle Luft wich aus seinen Lungen und sein Mund war staubtrocken. Er wünschte sich einen Schluck Rotwein, doch leider hatte er sein Glas bereits bis aus den letzten Tropfen geleert. „Findest du nicht, dass es ein wenig zu früh ist, um zusammenzuziehen?“, sagte Crocodile und balancierte mithilfe dieser Gegenfrage geschickt um eine eindeutige Antwort herum. Er musste husten und suchte den Oberkellner, der ein paar Meter entfernt stand und gab diesem zu verstehen, dass er gerne nachgeschenkt bekäme. „Wir sind jetzt sieben Monate zusammen“, erwiderte Doflamingo. Seine Stimme klang undefinierbar; Crocodile konnte beim besten Willen nicht heraushören, ob sein Partner enttäuscht war oder sich die ganze Sache nicht allzu sehr zu Herzen nahm. „Und diese sieben Monate sind für mich mehr als genug Zeit gewesen, um mir darüber klar zu werden, dass du der Mann meines Lebens bist, Crocodile. Ich...“ Doflamingo stockte kurz und fuhr dann umso selbstsicherer fort: „Ich habe angefangen, mich für Dates und Sex zu interessieren, als ich fünfzehn war. Seitdem hatte ich eine Vielzahl von Partnern. Aber keiner von ihnen ist mir jemals wirklich wichtig gewesen. Die meisten waren sowieso bloß hinter meinem Geld her. Wollten immer nur, dass ich mit ihnen auf Parties gehe, ihnen Schmuck und Klamotten schenke. Und ich hab ihnen den Gefallen getan, weil ich reich bin und es als eine Selbstverständlichkeit empfunden habe. Es war für mich völlig normal, ihre Gesellschaft und ihren Sex zu kaufen. So wie es für dich normal ist, einen Ring zu kaufen anstatt ihn zu stehlen, wenn du ihn im Schaufenster siehst und ihn hübsch findest. Und wenn er dir nach einer gewissen Zeit langweilig geworden ist, dann packst du ihn eben zur Seite und kaufst dir einen neuen Ring, der dir besser gefällt. Um ehrlich zu sein, Crocodile, bist du der allererste Mensch in meinem ganzen Leben, der mich um meiner selbst willen liebt. Alle anderen haben immer nur mein Geld gewollt. Aber du schlägst meine Einladungen und Geschenke ständig aus; und wenn du einmal doch nicht drum herum kommst, dann sagst du immer Das wäre doch nicht nötig gewesen, Doffy!. Du verbringst Zeit mit mir, weil du mich liebst und aus keinen anderem Grund sonst. Ich bin mir sicher, dass du der Richtige für mich bist, Crocodile, und deswegen möchte ich mit dir zusammen den nächsten Schritt in unserer Beziehung gehen. Das bedeutet, zusammenzuziehen. Wenn du damit einverstanden bist.“ Doflamingo trank zwei Schlücke seines Cocktails auf einmal und nun spürte auch Crocodile die Aufregung, die sein Gegenüber versprühte. Allem Anschein nach war ihm diese Sache doch wichtiger als er es gehofft hatte. Was sollte er denn jetzt nur tun? Auf der einen Seite wollte Crocodile Doflamingos Gefühle nicht verletzen -vor allem, weil sich sein Partner ihm gegenüber nur sehr selten öffnete, zumindest auf emotionaler Ebene-, doch auf der anderen Seite konnte er ihm auch nicht so einfach zustimmen. Die Villa, in der Doflamingo hauste, hatte einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Irgendetwas um die 20.000.000 Berry herum, wenn er sich recht erinnerte; Doflamingo hatte diese Zahl irgendwann einmal beiläufig erwähnt gehabt. Doch wie um Himmels willen sollte er die Hälfte dieses Betrags bezahlen? (Denn kostenfrei bei seinem Freund zu wohnen, kam für einen Mann wie Crocodile definitiv nicht infrage.) Selbst zu seinen besten Zeiten hätte er eine Summe von 10.000.000 Berry nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln können. Ganz zu schweigen von der finanziellen Situation, mit der er jetzt gerade zu kämpfen hatte. Was dachte sich Doflamingo bloß? Konnte er sich denn nicht denken, dass er ihn mit diesem Angebot verletzte? „Ich, ähm, bin ziemlich überrascht“, gestand Crocodile schließlich, nachdem der blonde Kellner ihm Wein nachgeschenkt hatte. „Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass du mit mir zusammenziehen willst. Vor allen Dingen, weil wir ja gerade einmal seit sieben Monaten ein Paar sind.“ Crocodile hatte zwar in seinem Leben mehrere feste Liebesbeziehungen geführt, war bisher jedoch nur mit einem einzigen seiner Partner jemals zusammengezogen und das war Enel gewesen. Sie hatten sich nach vier Jahren fester Beziehung eine gemeinsame Wohnung gesucht; ein weiteres Jahr später war ihre Beziehung gescheitert. Crocodile war derjenige gewesen, der Schluss gemacht hatte, und auch derjenige, der auszog. Er ließ sich die Hälfte des Geldes, das sie in den Traum vom gemeinsamen Wohnen investiert hatten, auszahlen und zog wieder in die Wohnung ein, in der bereits er zuvor gewohnt hatte und die in der Zwischenzeit nicht anderweitig vermietet worden war. Kurze Zeit später hatte er dann Smoker kennengelernt. „Ich bin mir sicher, dass es dir guttun wird, wenn du bei mir einziehst“, redete Doflamingo weiter auf ihn ein. „Dann kommst du endlich mal aus der Großstadt raus. Deine Wohnung liegt schließlich mitten im Stadtkern. Du hast den ganzen Verkehrslärm direkt vor der Haustüre. Mein Zuhause liegt stattdessen im Grünen. Du kennst ja meinen großen Garten mit dem Teich und den vielen Bäumen. Stell dir das doch nur mal vor: Nach der Arbeit könntest du dich mit einem Buch in den Garten setzen und lesen, während dir die Sonne in den Nacken scheint und alles ruhig ist. Abgesehen vom Vogelgezwitscher natürlich, fufu. Es wäre wie Urlaub Zuhause. Und zwar jeden Tag!“ Crocodile musste sich eingestehen, dass diese Vorstellung tatsächlich ziemlich verlockend klang. Seine Loft-Wohnung besaß zwar insgesamt eine sehr teure und hochwertige Ausstattung, doch leider fehlte ein Balkon; von einem Garten, in dem Singvögel hausten, ganz zu schweigen. Für solche Dinge gab es im Zentrum einer Großstadt eben einfach keinen Platz. „Dafür müsste ich jeden Tag fünfundvierzig Minuten zur Arbeit fahren“, hielt er dagegen, obwohl dieses Argument eigentlich sehr unfair war. Schließlich würde er in etwa einem Monat sowieso den Job wechseln und wer konnte schon wissen, wohin es ihn verschlagen würde? „Ich merke schon, dass du nicht ganz so begeistert von meiner Idee bist, wie ich gehofft hatte“, meinte Doflamingo irgendwann. Er klang ziemlich niedergeschlagen, doch gab natürlich noch lange nicht auf. Am Ende bekam Donquixote Doflamingo immer, was er wollte. Das hatte Crocodile schließlich bereits gelernt. „Dann mache ich dir ein anderes Angebot: Wir hatten ja ausgemacht, dass du dieses Wochenende bei mir verbringst. Statt bloß der drei Tage, bleibst du aber zwei oder drei Wochen! So hast du genug Zeit, um dir darüber klar zu werden, ob es für dich infrage käme, zu mir zu ziehen. Es wäre so etwas wie ein Testlauf. Natürlich völlig unverbindlich; ich kann dich schließlich zu nichts zwingen. Wenn du nach diesen drei Wochen der Meinung bist, dass es dir bei mir gefällt, dann bleibst du dauerhaft. Und wenn nicht, dann kehrst du eben in deine eigene Wohnung zurück und wir machen uns vielleicht in einem Jahr oder... oder einem halben Jahr noch einmal Gedanken darüber. Deal?“ Crocodile zögerte für einen kurzen Moment. Er hatte ein sehr ungutes Gefühl bei dieser Sache. Ihm schossen hundert verschiedene Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Wie sollte er Doflamingo gegenüber den Umstand verheimlichen, dass er gekündigt worden war, wenn sie zusammenwohnten? Sein Partner würde es doch mit Sicherheit merken, dass er nicht zur Arbeit ging. Das war unvermeidlich, wenn sie jeden Morgen im selben Bett aufwachten! Und wie sollte er Bewerbungen für eine neue Arbeitsstelle schreiben, wenn sie jeden freie Minute miteinander verbrachten? Auf der anderen Seite müsste er sich nicht sofort nach einer neuen Wohnung umschauen und sich nicht so stark wie befürchtet in seinem luxuriösen Lebensstil einschränken. Das wiederum würde es einfacher machen, sein Geheimnis zu bewahren. Vielleicht wäre es möglich, die Zeit bis er eine neuen Job gefunden hätte, mithilfe von Doflamingo zu überbrücken. Er könnte so lange bei seinem Partner wohnen, bis sich seine finanzielle Situation stabilisert hatte, und dann wieder ein wenig mehr Abstand gewinnen und in eine eigene Wohnung ziehen. Crocodile erinnerte sich daran, dass er gestern eine sehr vielversprechend klingende Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten hatte. Vielleicht würde er ja bloß einen oder zwei Monate bei Doflamingo wohnen müssen, ehe alles wieder wie früher wurde? Gerade als Crocodile nervös den letzten Schluck Wein aus seinem zweiten Glas trank, entschied er sich dafür, das Angebot von Doflamingo anzunehmen. „Deal“, sagte er, als er das nun leere Glas wieder auf den Tisch abstellte, und bemühte sich um einen unbefangenen Tonfall. „Aber bevor wir dieses Experiment angehen“, Crocodile benutzte absichtlich das Wort Experiment, um die Sache so unverbindlich wie möglich klingen zu lassen, „muss ich vorher noch einmal nach Hause. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich nicht bloß drei Tage, sondern ganze drei Wochen bei dir verbringen werde. Deshalb habe ich nicht genug Klamotten eingepackt. Und es gibt noch ein paar Dinge, die ich erledigt haben muss, bevor ich länger wegbleibe. Ich habe Zuhause nämlich eine Spülmaschine randvoll mit dreckigem Geschirr stehen und den Müll muss ich auch rausbringen. Den Gestank, wenn ich beides für ein paar Wochen stehen lasse, will ich mir nämlich nicht auch nur vorstellen.“ „Wie du willst“, erwiderte Doflamingo fröhlich. Jetzt, da sein Partner seinem verrückten Plan zugestimmt hatte, schien ihm nichts mehr die Laune verderben zu können. „Das ist alles gar kein Problem.“ * Obwohl Crocodile schon des Öfteren ein Wochenende bei Doflamingo Zuhause verbracht hatte, überwältigte es ihn jedes Mal aufs Neue, wie unfassbar luxuriös sein Freund doch lebte. Er verdiente als Bankmanager selbst mehr als gut, doch sein Jahresgehalt war nichts im Vergleich zu der Summe, die Doflamingo als Besitzer mehrerer erfolgreicher Firmen und Betriebe zustande brachte. Crocodile konnte sich dessen sicher sein, dass Doflamingo ihm, ganz gleich worum es auch ging, immer einen Schritt voraus war. Wenn Crocodile in einer hochwertigen Loft-Wohnung zur Miete wohnte, dann lebte Doflamingo in einer teuren Villa. Wenn Crocodile einen Mercedes C 216 besaß, dann besaß Doflamingo ein Dutzend Wagen, die alle jeweils mindestens dreimal so viel wert waren. Wenn er für eine Essenseinladung den besten Tisch reserviert hätte, dann mietete Doflamingo gleich das komplette Restaurant. „Es ist schon ziemlich spät“, sagte sein Freund, als sie das Foyer betraten, „was hältst du davon, wenn wir gleich ins Bett gehen? Haben schließlich beide einen ziemlich anstrengenden Tag hinter uns, hm?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Eigentlich bin ich noch gar nicht müde“, erwiderte er wahrheitsgemäß. Vor ihrem Restaurantbesuch hatte er sich noch ein wenig erschöpft gefühlt, doch nun war er wieder munter. Die vielen Gedanken und Sorgen bezüglich Doflamingos Wunsch, bei ihm einzuziehen, hielten ihn wach. Noch immer fragte er sich, wie er die riesigen Villa, in der sie sich gerade befanden, zur Hälfte bezahlen sollte. Doflamingo kicherte leise. „Nur weil wir ins Bett gehen, heißt das doch nicht, dass wir uns sofort schlafen legen müssen, oder?“, meinte er schließlich und ein lüsternes Grinsen legte sich auf seinen Lippen. Crocodile verstand die offensichtliche Andeutung auf Anhieb und unterdrückte gekonnt ein genervtes Seufzen. Es überraschte ihn nicht sonderlich, dass sein Freund vorhatte, den gemeinsamen Abend mit Sex ausklingen zu lassen. Nicht nur, weil heute durch ihren Monatstag und die Ankündigung ihres Zusammenzugs ein besonderer Anlass herrschte; Doflamingo wollte einfach bei jedem ihrer Treffen Geschlechtsverkehr haben. Crocodile lief ein kalter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken daran, wie sich ihr Sexleben verändern würde, wenn sie tatsächlich zusammenzögen. So wie er seinen Partner kannte, würde der sich bestimmt nicht mit dreimal wöchentlich Sex zufrieden geben. Wohl eher mit dreimal täglich Sex. Crocodile strich sich beunruhigt eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich sein Unterleib in den nächsten drei Wochen, die er ja bei Doflamingo verbrachte, schmerzen würde. Hoffentlich wäre er wenigstens dazu in der Lage sich hinzusetzen, während sie morgens gemeinsam frühstückten. Obwohl er derzeit keine große Lust auf Sex verspürte, nickte Crocodile zustimmend. Er wollte das Gesprächsthema nicht wieder auf seine schlechte Laune und ständige Gereiztheit zurückführen, indem er seinen Partner zurückwies. Stattdessen meinte er: „Wie wär's, wenn wir -anlässlich dieses besonderes Abends- eine Flasche Sekt mit ins Bett nehmen und zusammen anstoßen?“ Aus eigener Erfahrung wusste Crocodile, dass er sich besser entspannen konnte, wenn er ein paar Schlücke Alkohol getrunken hatte. Und das wäre in der derzeitigen Situation sicher hilfreich. Beim passiven Analsex war es schließlich nicht sonderlich vorteilhaft, wenn man emotional aufgewühlt war und vor allem völlig verkrampft dalag. „Klar, wieso nicht“, gab Doflamingo unbefangen zurück. Crocodile kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, dass dieser sexuell sehr aufgeschlossen war. Es würde ihm nichts ausmachen, angetrunken Sex zu haben. Überhaupt schienen ihm die Umstände meistens relativ gleichgültig zu sein, solange er nur bekam, was er wollte. „Geh du schon mal vor“, sagte Doflamingo, „ich hole aus der Küche den Sekt und komme dann nach, in Ordnung?“ „In Ordnung“, erwiderte Crocodile und machte sich auf den Weg in das Schlafzimmer seines Freundes. Es war ein Raum mit hoher Decke, in dem lediglich ein riesiges Bett und zwei Nachtkonsolen standen. Wie er wusste, befanden sich in der obersten Schubladen der rechten Nachtkonsole (rechts schlief Doflamingo) Gleitcreme, Kondome und Handschellen; in der Schublade darunter ein paar Sexspielzeuge, die jeder Mensch über zwanzig schon einmal benutzt oder zumindest gesehen hatte. In die anderen Schubladen hatte Crocodile noch niemals hineingeschaut. Rechts und links zweigten zwei Türen ab: Die rechte führte in ein geräumiges Bad (eines der insgesamt sieben Badezimmer in der Villa), die linke in Doflamingos begehbaren Kleiderschrank. Crocodile seufzte leise, während er sich die Schuhe auszog und achtlos auf den Fußboden warf. Wenn er ehrlich war, würde er jetzt am liebsten ein wenig fernsehen, dabei ein Glas Wodka-Orange trinken und sich dann schlafen legen. Doch natürlich konnte er keinen Rückzieher mehr machen; nicht, nachdem er Doflamingo bereits Hoffnungen gemacht hatte. Crocodile zog sich den Schal vom Hals und knöpfte sich das Hemd auf, während er sich insgeheim fragte, wie sein Freund wohl reagieren würde, wenn er ihm einmal den Sex verweigern würde. Das war in ihrer gesamten Beziehung bisher noch nie vorgekommen. Er konnte Doflamingos Reaktion gar nicht einschätzen: Wäre er verständnisvoll? Und würde vielleicht nach dem Grund fragen, wieso er keine Lust hatte? Oder würde er eingeschnappt reagieren? Beleidigt? Wütend? Würde aus purer Rache heraus mit jemand anderem schlafen? Crocodile beschloss, dass er die Antwort auf diese Frage heute Abend lieber nicht herausfinden wollte. [zensiert] Sie trennten sich nicht sofort voneinander; Doflamingo blieb noch für eine Weile sowohl auf ihm als auch in ihm liegen und strich ihm durch sein dunkles Haar. Sie fühlten sich beide sehr erschöpft und bemühten sich darum, ihren Atem wieder zu normalisieren. Da ihm allerdings sein Freund (der deutlich muskulöser und außerdem fast einen Kopf größer war als er selbst) schnell zu schwer wurde, schob er ihn kurzerhand von sich fort. Als sich der halbsteife Penis Doflamingos aus ihm zurückzog, spürte Crocodile, wie das Sperma, dass dieser bei seinem Höhepunkt in ihn hineingepumpt hatte, warm aus ihm herauslief und über das Innere seiner Oberschenkel rann. Angewidert verzog er das Gesicht und schaute sich suchend nach einem Taschentuch um. „Wie kommt es eigentlich, dass du dich so sehr vor Sperma ekelst?“, fragte Doflamingo halb belustigt, halb ernst, während er ihn dabei beobachtete, wie er sich die weiße Flüssigkeit von der Haut abwischte. „Ich ekele mich nicht vor Sperma“, erwiderte Crocodile und nahm sich ein zweites Taschentuch zur Hand. „Ich mag es nur einfach nicht sonderlich. Weder in meinem Mund noch an anderen Stellen. Habe es noch nie gemocht.“ Es war nicht das erste Mal, dass Crocodile diese Diskussion führte. Fast jeder Mann, mit dem er öfter als ein- oder zweimal Sex gehabt hatte, stellte irgendwann diese Frage. Doflamingo schmunzelte. Ihn schien das Sperma seines Partners, das noch immer an seinem Oberkörper klebte, nicht im mindestens zu stören. „Aber du stehst doch auch darauf, wenn ich dein Sperma schlucke, oder? Das findest du nicht eklig.“ Crocodile seufzte. „Ich habe niemals -nicht auch nur ein einziges Mal- von dir verlangt, dass du schluckst“, erwiderte er. „Es stimmt schon, dass es ziemlich heiß ist, wenn du das machst; aber ich würde es dir auch nicht übel nehmen, wenn du das nicht mehr tun würdest.“ „Das ist eine ziemlich komische Einstellung für einen Typen, der mit anderen Männern schläft.“ Crocodile reagierte mit einem Schulterzucken auf diesen Kommentar seines Partners. Er war derzeit mit wichtigeren Dingen beschäftigt als der Frage, ob es komisch war oder nicht, wenn ein homosexueller Mann Sperma nicht mochte. Jetzt, wo er sich so langsam wieder von seinem Orgasmus eben erholte, kehrten die vielen Sorgen zurück, die ihn belasteten. „Müssen wir jetzt unbedingt darüber diskutieren?“, fragte er darum mit angespannt klingender Stimme. Nach dem Sex war er müde geworden und er wünschte sich im Augenblick nichts sehnlicher als seine volle Blase zu entleeren (eine blöde Nebenwirkung des Champagners) und sich danach schlafen zu legen. „Du kannst froh darüber sein, dass du mich überhaupt dazu überreden konntest, ohne Kondom mit dir zu schlafen. Eigentlich mache ich nämlich nur Safer Sex. Vielleicht sollten wir das ja wieder einführen? Dann müsste ich mir jedenfalls nicht immer nach dem Sex die Oberschenkel abwischen.“ Diesen Vorschlag quittierte Doflamingo mit einem unwilligen Brummen und ließ (zu Crocodiles Glück) das Thema schließlich ruhen. Stattdessen begannen sich beide damit, sich für die Nacht fertig zu machen. bye sb Kapitel 3: Kapitel 2 -------------------- Zu Crocodiles Überraschung wurden die nächsten Tage sehr schön. Allem Anschein nach tat es ihm tatsächlich gut, aus der Großstadt herauszukommen und für eine Weile keinen Gedanken an seine Kündigung und seine Schulden zu verschwenden. Er ließ entspannt die Seele baumeln und fühlte sich in der Nähe seines Freundes einfach nur pudelwohl. Befände er sich nicht in so großer finanzieller Not, würde er vielleicht tatsächlich darüber nachdenken, dauerhaft hierherzuziehen. Wobei man Doflamingo allerdings durchaus vorwerfen konnte mit falschen Karten zu spielen; denn er bemühte sich mit allen Mitteln darum, den Aufenthalt seines Partners so angenehm wie möglich zu gestalten. Es handelte sich zumeist nur um Kleinigkeiten, doch Crocodile fielen sie sofort auf: Ihm wurde der Nacken massiert, ohne dass er auch nur darum bitten musste; beim gemeinsamen Fernsehabend wurde ihm freiwillig die Fernbedienung überlassen; in der Süßigkeitenschublade tauchten plötzlich seine Lieblingscracker auf und eines morgens wurde er sogar mit einem Frühstück im Bett inklusive Blumenstrauß überrascht. Doflamingo gab sich so große Mühe dabei sich gut zu verhalten, dass Crocodile fast schon ein schlechtes Gewissen bekam. Schließlich war er sich ja von Anfang an absolut sicher gewesen, dass es für ihn nicht infrage käme mit seinem Freund zusammenzuziehen. Jedes Mal also, wenn Doflamingo ihm besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ, spürte Crocodile einen schmerzhaften Knoten im Magen. In diesem Fall versuchte er sich zu beruhigen und redete sich selbst gut zu; sagte dann zum Beispiel, dass er Doflamingo niemals irgendwelche Versprechungen gemacht hatte und es sich bei bei seinem derzeitigen Aufenthalt bloß um einen unverbindlichen Testlauf handelte. Doch manchmal verschwand trotz aller stichhaltigen Argumente der Knoten in seinem Magen nicht und er musste ein Glas Wein trinken, um sich wieder besser zu fühlen. * Es war ihr fünfter gemeinsamer Tag und ein Dienstag, als Crocodile einen Anruf von seinem Bruder Mihawk bekam. Er befand sich gerade mit Doflamingo im Wohnzimmer (er las ein Buch, während Doflamingo irgendwelchen Dokumente durchsah; insgesamt herrschte eine friedlichere Atmosphäre als er es je für möglich gehalten hätte) und um diesen nicht bei seiner Arbeit zu stören, verließ er den Raum, ehe er abnahm. "Hallo?" "Hallo, Crocodile", begrüßte ihn sofort die angenehm klingende Stimme seines Bruders. Obwohl Crocodile seine Eltern schon seit vielen Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, hielt er den Kontakt zu seinen beiden Geschwistern regelmäßig aufrecht. Leider wohnte er in einer anderen Stadt als Mihawk und Hancock, weswegen sie sich nicht so häufig sehen konnten wie sie es gerne würden. Dieses Problem lösten sie, indem sie möglichst oft miteinander telefonierten; außerdem besuchten ihn seine Geschwister alle vier oder fünf Wochen für ein paar Tage. Seine Wohnung bot sich für diese Treffen besonders an, weil er allein wohnte und außerdem als einziger von ihnen ein sehr geräumiges Gästezimmer besaß. Crocodile vermutete, dass Mihawk anrief, um einen Termin für einen erneuten Besuch auszumachen. Sie hatten sich das letzte Mal vor etwa sechs oder sieben Wochen gesehen. "Wie geht es dir?", fragte Mihawk ihn. Sein Bruder war nur selten schlecht gelaunt, doch wirkte meistens recht kühl und sehr besonnen. Er stellte in dieser Hinsicht einen starken Kontrast zu Crocodile dar, der schnell aufbrausend wurde. "Um ehrlich zu sein nicht so gut", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "In letzter Zeit mir sind ein paar echt blöde Sachen passiert. Das Schicksal meint es nicht gut mit mir." "Das tut mir leid. Möchtest du darüber reden?" "Lieber nicht. Zumindest nicht am Handy." Crocodile hatte zwar absichtlich leise gesprochen, doch er konnte sich nicht sicher sein, dass sein Freund nicht vielleicht doch das eine oder andere Wort mitbekam; und das wollte er natürlich unter allen Umständen vermeiden. Vor allen Dingen, wenn er mit seinem Bruder über ein so heikles Thema wie seine Kündigung sprach. "Das ließe sich einrichten", meinte Mihawk. "Ich rufe sowieso an, weil Hancock und ich gerne wissen wollen, wann du wieder ein wenig Zeit für uns hättest. Wie wäre es am Wochenende? Dann können wir auch gerne über alles reden, was dich belastet." "Prinzipiell ginge das", erwiderte Crocodile, "das Problem ist nur, dass ich derzeit bei Doflamingo wohne." Er hatte seinen Geschwistern bereits häufiger von seinem Freund berichtet; getroffen hatten sie ihn allerdings noch nicht. "Weißt du, er hat sich in den Kopf gesetzt, dass er gerne mit mir zusammenwohnen würde und mich dazu überredet für ein paar Wochen bei ihm zu einzuziehen. Sozusagen als kleiner Testlauf." "Das ist doch kein Problem", sagte Mihawk. "Wenn es dir nichts ausmacht, kannst du mir deinen Schlüssel geben. Dann übernachten Hancock und ich in deiner Wohnung und du bleibst bei Doflamingo. Treffen können wir uns schließlich trotzdem, oder nicht?" "Klar. Dann wie immer Freitag um acht in Spider's Cafe?" "Ja. Und wieso bringst du nicht auch Doflamingo mit?" Crocodile ließ vor Schreck fast sein Handy fallen. "W-was? Wieso denn?" Er schluckte und bemühte sich darum, seine Stimme weniger nervös klingen zu lassen. Wenn Doflamingo mit zu ihrem Treffen kam, dann würde er nicht mit seinen Geschwistern über seine Kündigung sprechen können. Und wenn er ehrlich war, dann würde er sich sehr gerne endlich jemandem anvertrauen. Des Weiteren war er sich nicht sicher, ob sein Freund mit Mihawk und Hancock zurechtkäme. Er war schließlich ein sehr exzentrischer Typ, während sein Bruder und seine Schwester ein relativ durchschnittliches Leben in der Vorstadt führten. "Hancock und ich möchten ihn endlich mal kennenlernen. Du hast schon so viel von ihm erzählt und wir würden uns gerne ein eigenes Bild von deinem Freund machen. Es scheint ja so, als würde aus eurer Beziehung etwas wirklich Festes werden." "Naja gut, von mir aus", gab Crocodile sich geschlagen. Er gehörte zu seinen größten Schwächen, dass er seinen Geschwistern einfach nichts abschlagen konnte. "Aber dann erwähn bitte nichts von meinen Problemen, in Ordnung?" Crocodile kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, dass dieser gerade die Augenbrauen zusammenzog, auch wenn er ihn nicht vor sich sehen konnte. "In Ordnung. Aber wieso? Ist er der Grund dafür, dass es dir derzeit nicht gut geht?" "Nein, auf keinen Fall", antwortete Crocodile sofort. "Es ist nur so, dass ich ihm bisher noch nichts davon erzählt habe. Es geht nämlich um eine wirklich ernste Sache und ich möchte unsere Beziehung damit nicht belasten, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Wir sind ja noch nicht allzu lange ein Paar." "Du weißt, dass ich mich normalerweise nicht in die Beziehungen anderer Menschen einmische", meinte Mihawk, "aber wenn du mich fragst, dann solltest du deinem Partner alles erzählen können, was dich belastet, ganz egal worum es geht. Und wenn du das nicht kannst, dann läuft irgendetwas falsch." "Das stimmt schon, aber trotzdem möchte ich es ihm nicht sagen. Respektier das bitte, ja?" "Natürlich", sagte sein Bruder sofort und Crocodile wusste, dass er sich auf sein Wort verlassen konnte. Er war wirklich froh, so wunderbare Geschwister wie Mihawk und Hancock zu haben. Er konnte sich immer sicher sein, dass sie ihm zuhören und beistehen würden, ganz gleich worum es ging; doch zugleich respektierten sie seinen Wunsch, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Sie mischten sich niemals ungefragt in sein Leben ein oder trafen über seinen Kopf hinweg irgendwelche wichtigen Entscheidungen. "Wir werden am Wochenende sicher auch eine Möglichkeit finden, um nur zu dritt über diese Dinge zu reden, ja? Doflamingo wird dich schon für ein paar Stunden entbehren können. Schließlich muss er lernen, dass -auch wenn ihr zusammenwohnt- du dich mit anderen Menschen triffst und nicht bloß immer für ihn da bist. Und du weißt ja hoffentlich, dass du Hancock und mir alles erzählen kannst." "Klar weiß ich das", erwiderte Crocodile und pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. "Mit euch habe ich damals doch auch mein größtes Geheimnis geteilt, oder nicht? Wenn man jemanden anvertrauen kann, dass man eine Schwuchtel ist, dann kann man dieser Person alles anvertrauen." "Sag nicht Schwuchtel", wies Mihawk ihn zurecht, "du weißt, dass ich dieses Wort nicht leiden kann." Crocodile lachte leise. Wenn er mit seinem Bruder sprach, fühlte er sich seltsamerweise immer frei und federleicht, so als wären alle Sorgen von seinen Schultern genommen worden. "Sollte ich nicht eigentlich derjenige von uns beiden sein, der sich über so etwas beschwert?", fragte er scherzhaft. "Auch wenn ich selber nicht homosexuell bin, kann ich durchaus abschätzen, ob ein Ausdruck abwertend ist oder nicht", erklärte Mihawk. "Und das ist dieses Wort meiner Meinung nach definitiv. Also betitel dich bitte nicht selber so. Es gibt nämlich keinen Grund, wieso du dich wegen deiner Sexualität herabgesetzt fühlen solltest." "Ist ja schon gut", erwiderte Crocodile augenrollend. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sein Bruder noch eher für die Rechte Homosexueller einstand als er selbst. Als er ihm damals seine homosexuellen Neigungen gebeichtet hatte, hatte er diese sofort akzeptiert und ihn vollkommen unterstützt. Seine Schwester Hancock war zwar geschockt gewesen und hatte zu Beginn ihre Schwierigkeiten mit der Vorstellung gehabt, dass einer ihrer Brüder andere Männer mochte, doch gewöhnte sich relativ schnell daran. Inzwischen standen beide voll auf seiner Seite und hielten den Kontakt zu ihm aufrecht, auch wenn ihre Eltern strikt dagegen waren. "Fragst du denn nun Doflamingo wegen Freitag?", erinnerte Mihawk ihn. Crocodile nickte, ehe ihm einfiel, dass sein Bruder diese Geste nicht sehen konnte und meinte dann: "Ja, ich frage ihn eben. Bleibst du dran? Aber sei bitte nicht enttäuscht, wenn er keine Zeit haben sollte, ja? Er ist sehr beschäftigt." Das stimmte sogar. Es war nicht nur Crocodile, der viel arbeitete; auch sein Partner hatte als Besitzer mehrerer Firmen und Betriebe eine große Verantwortung inne. Sogar jetzt gerade im Augenblick sah er der Arbeit wegen irgendwelche Dokumente durch, während er kaffeetrinkend (Doflamingo liebte Kaffee) im Wohnzimmer saß. Crocodile kehrte in eben jenen Raum zurück und räusperte sich leise, um auf sich aufmerksam zu machen. Er wusste selber genau, wie sehr es nervte, wenn man tief in seine Arbeit versunken war und dann wegen irgendeiner unwichtigen Kleinigkeit aus seinem Gedankenstrom gerissen wurde; darum würde er eben später nachfragen, sollte sein Partner im Augenblick zu beschäftigt sein. Zu seiner Verwunderung jedoch sah Doflamingo sofort von seinen Papieren auf, kaum dass er auch nur Luft geholt hatte: "Doflamingo?" "Ja?" Er klang nicht genervt oder verärgert, sondern unbefangen und neugierig, so wie immer eben. "Ähm, hast du Freitagabend vielleicht Zeit? So ab acht Uhr?" "Klar, worum geht es denn?" Er legte die Dokumente auf den Couchtisch ab und Crocodile spürte den intensiven Blick seines Partners sogar durch die getönten Gläser dessen Sonnenbrille hindurch. "Meine Geschwister sind am Wochenende in der Stadt und wollen dich gerne kennenlernen. Wenn es dir nichts ausmacht. Wir treffen uns in Spider's Cafe. Hast du Lust zu kommen? Aber bitte fühl dich nicht wegen mir verpflichtet dahinzugehen, ja? Wenn du nicht mitkommen möchtest, dann kann ich das auch völlig verstehen." "Natürlich komme ich!", erwiderte Doflamingo sofort und ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen. "Ich freue mich unglaublich, dass du mich endlich deiner Familie vorstellen möchtest." Crocodile legte sein Handy wieder ans Ohr und sprach zu Mihawk: "Er hat zugesagt. ... Ja. .... Okay. .... Dann bis Freitag. ... Ja. ... Tschüss!" Dann legte er auf und setzte sich neben seinen Freund auf die Couch. Wenn er ehrlich war, dann konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihr gemeinsames Treffen sonderlich erfolgreich verlaufen würde. Crocodile warf Doflamingo einen leicht abschätzenden Blick zu. Sein Partner gehörte einfach zu einer völlig anderen Sorte Mensch als seine beiden Geschwister. Mihawk arbeitete als Fechtlehrer, während Hancock ein kleines Nagelstudio betrieb; er hatte als einziger unter seinen Geschwistern studiert und es beruflich sehr weit gebracht. Bei dem Gedanken an seine Arbeitsstelle legte sich sofort ein dunkler Schatten auf Crocodiles Gesicht. Seine Kündigungsfrist neigte sich langsam dem Ende zu. Das bedeutete, dass er in ein paar Wochen arbeitslos sein würde. Und bisher hatte er nur ein einziges Vorstellungsgespräch in Aussicht. Er schluckte. Auch wenn seine Geschwister niemals so reich gewesen waren und so luxuriös gelebt hatten wie er, dachte Crocodile, ging es ihnen derzeit finanziell deutlich besser als ihm. Zumindest hatte keiner von ihnen einen Schuldenberg in Höhe von über einer halben Millionen Berry. Sie wohnten beide in abbezahlten Häusern in der Vorstadt und hatten solide Arbeitsstellen. Da könnte er ja fast schon neidisch werden, dachte Crocodile mit einem bitteren Geschmack im Mund. "Ist etwas nicht in Ordnung, Wani?", riss ihn die besorgt und misstrauisch klingende Stimme seines Freundes aus den Gedanken. Überrascht schreckte er auf. "Hm? Nein, alles in Ordnung bei mir. Ich habe mir nur gerade ausgemalt, wie das Treffen wohl verlaufen wird." Doflamingo gluckste. Im Gegensatz zu Crocodile schien er dem bevorstehenden Freitagabend relativ gelassen entgegenzusehen. Tatsächlich war er ein Mensch, den man nicht so leicht aus der Fassung bringen konnte. Wenn dann allerdings der eine Tropfen kam, der das Fass zum Überlaufen brachte, dann gab es für ihn kein Halten mehr. Zum Glück jedoch hatte Crocodile noch nicht allzu viele Erfahrungen mit dieser exzentrischen Charaktereigenschaft seines Partners gemacht. "Wie sind dein Bruder und deine Schwester denn so drauf?", fragte Doflamingo. Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ach, sie sind ganz normale Leute. Nichts im Vergleich zu dir." Doflamingo zog eine Augenbraue hoch und meinte gespielt beleidigt: "Was soll das denn heißen? Bin ich etwa nicht normal?" "Definitiv nicht", bestätigte Crocodile und wendete sich wieder dem Buch zu, das er wegen Mihawks Anruf zur Seite gelegt hatte. "Du bist nicht bloß abnormal, sondern sogar ziemlich verrückt. Vielleicht der verrückteste Typ, den ich je kennengelernt habe." "Stört es dich denn, dass ich ein so verrückter Typ bin?" Crocodile machte sich nicht die Mühe von seinem Buch aufzublicken, als er sagte: "Wenn das der Fall wäre, dann wäre ich wohl kaum mit dir in einer Beziehung, oder?" Mit dieser Antwort war sein Freund allem Anschein nach sehr zufrieden, denn er bohrte nicht weiter nach, sondern lächelte leicht und wendete sich wieder seiner Arbeit zu. * "Sehe ich in Ordnung aus? Kann ich so gehen?", fragte Doflamingo ihn und drehte sich einmal um die eigene Achse, damit sein Freund ihn aus allen Blickwinkeln begutachten konnte. Crocodile zuckte mit den Schultern, ehe er nach seinem Mantel griff. "Du musst selber wissen, ob du in den Klamotten rausgehen möchtest oder nicht", erwiderte er schließlich. "Ich jedenfalls würde es nicht tun. Aber wir haben ja auch unterschiedliche Geschmäcker, was Kleidung angeht. Seit wann interessierst du dich überhaupt dafür, was andere Menschen von deinem Äußeren halten?" "Naja, es geht ja nicht um irgendwen, sondern um deine Familie", erklärte Doflamingo sein sonderbares Verhalten, ehe auch er in seinen Mantel schlüpfte. "Da will ich eben einen guten Eindruck machen. Ist doch verständlich, oder nicht?" "Natürlich", stimmte Crocodile seinem Freund zu, auch wenn er sich nicht sicher war, ob eine Dreiviertel-Jeans und ein hellrosafarbenes T-Shirt diesem Zweck besonders dienlich waren. Auf der anderen Seite allerdings musste Crocodile -der sich in Doflamingos Kleiderschrank recht gut auskannte- auch zugeben, dass sein Partner schon deutlich schlimmer ausgesehen hatte. Bei dem Geschäftsessen, an dem sie sich kennengelernt hatten, hatte er eine orangefarbene Dreiviertelhose mit schwarzem Tigermuster und ein pinkfarbenes, bis zum Nabel geöffnetes Hemd mit Schlangenprint getragen. Tatsächlich wirkte der überaus exzentrische Kleidungsstil Doflamingos auf viele Leute zuerst ein wenig abschreckend. Zum Glück allerdings handelte es sich bei Crocodiles Geschwistern um zwei Menschen, die Andere nicht allein nach ihrem Äußeren beurteilten und sich auch nicht von einem nicht ganz so positiven ersten Eindruck abschrecken ließen. (Wofür er überaus dankbar war. Ansonsten hätte er nämlich gar nicht erst zugelassen, dass die Drei sich jemals kennenlernten.) Nichtsdestotrotz war Crocodile ein wenig nervös. Er fragte sich, was Mihawk und Hancock wohl von seinen neuen Freund halten und wie das gemeinsame Treffen verlaufen würde. Er hoffte von ganzem Herzen, dass alles gut ging. "Wir müssen jetzt los", meinte Doflamingo und nahm ihn an die Hand, um mit ihm gemeinsam die Villa zu verlassen. Crocodile hob verwundert eine Augenbraue. Als er auf die Uhr schaute, stellte er fest, dass diese gerade einmal kurz nach sieben Uhr anzeigte. Da die Villa sich im eher äußeren Teil der Stadt befand, brauchten sie mit dem Auto etwa fünfundvierzig, vielleicht fünfzig Minuten bis zu Spider's Cafe, das in einer kleinen Nebenstraße im Stadtkern lag. (Von Crocodiles Wohnung aus gerechnet, war das kleine Cafe bloß etwa fünfzehn Minuten zu Fuß entfernt.) "Ich kann es kaum glauben", sagte Crocodile, als sie auf die Rückbank des Autos glitten, mit dem sie heute fahren würden. (Es handelte sich um einen dunkelblauen Jaguar XK Coupè; nur einer der vielen verschiedenen Wagen, die Doflamingo besaß.) "Du entwickelst dich langsam wirklich zu einem pünktlichen Menschen. Ich erkenne dich kaum wieder." "Du tust so, als würde ich ständig bloß zu spät kommen", erwiderte Doflamingo grinsend, nachdem der Fahrer das Auto gestartet hatte und losgefahren war, "dabei stimmt das doch gar nicht. Zu wichtigen Verabredungen komme ich fast immer pünktlich." Crocodile rollte mit den Augen. "Diese Diskussion führen wir zum einhundertsten Mal", sagte er. "In meinen Augen bist und bleibst du eben ein notorischer Zuspätkommer!" Er zögerte für einen Moment und fügte dann hinzu: "Ist dir das Treffen mit meinen Geschwistern wirklich so unglaublich wichtig?" "Na klar", antwortete Doflamingo sofort. "Deine Familie ist ein wichtiger Teil deines Lebens, oder nicht? (Genauso wie ich es hoffentlich bin.) Und indem ich sie kennenlerne, bringe ich gleichzeitig auch mehr über dich in Erfahrung. Ich möchte alles über dich wissen, Crocodile. Ich möchte, dass wir beide einander genau kennen, jedes noch so winzige Detail; und dass wir keine Geheimnisse voreinander haben. Du sollst ein fester Bestandteil meines Lebens werden und zwar mit allem, was zu dir dazu gehört. Denn darum geht es doch schließlich in einer Liebesbeziehung, findest du nicht auch?" Crocodile spürte, dass sich seine Kehle plötzlich sehr trocken anfühlte und sich auf seine Lippen ein bitterer Geschmack legte. Er hustete kurz und wollte schlucken, doch musste feststellen, dass sich in seinem Mundraum kein einziger Tropfen Speichel mehr befand. Die Worte seines Partners rührten ihn zutiefst. Doflamingo war normalerweise niemand, der solche Dinge sagte; tatsächlich war er nur sehr selten dazu in der Lage, seine Gefühle wirklich ernst auszudrücken, so völlig ohne jedes Grinsen und Lachen. Dennoch konnte Crocodile sich über dieses Geständnis seines Partners nicht so recht freuen. Als dieser darauf zu sprechen kam, dass sie keine Geheimnisse voreinander haben sollte, wurde Crocodile für einen kurzen Augenblick sogar schlecht. Schließlich hielt er nun schon seit Wochen eine so wichtige Angelegenheit wie seine Kündigung und die daraus resultierenden Schulden vor seinem Freund geheim. Und er hatte vor, dies weiterhin zu tun. Crocodile strich sich mit der rechten Hand gedankenverloren über den Mund und fragte sich unweigerlich, ob Doflamingo ihm dieses Geheimnis verzeihen könnte, sollte es jemals ans Tageslicht kommen. Um sich selbst ein wenig zu beruhigen und das Thema zu wechseln, sagte er: "Du wirst niemals meine ganze Familie kennenlernen. Meine Geschwister sind das Äußerste, was ich dir anbieten kann. Damit wirst du dich zufrieden geben müssen." Doflamingo zog die Augenbrauen zusammen und sah irritiert zu ihm hinüber. "Warum darf ich denn deine Eltern nicht kennenlernen?" Crocodile seufzte. Normalerweise sprachen sie nicht oft über ihre Familien. Er hatte seinem Freund bereits bei der einen oder anderen Gelegenheit von Mihawk und Hancock erzählt, jedoch noch niemals seine Eltern erwähnt. Er sprach nicht gerne über diese beiden Menschen und verschwendete gemeinhin nur wenig Gedanken an sie. Er stockte für einen kurzen Moment und erwiderte dann mit fester Stimme: "Weil ich keinen Kontakt mehr zu ihnen haben. Ich habe sie schon seit fast zwanzig Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und ich habe auch nicht vor, das zu ändern." Er spürte, dass Doflamingo bestürzt war anbetracht dieser Tatsache. "Oh Mann", sagte er, "das tut mir wirklich leid für dich. Gibt es dafür einen besonderen Grund?" "Dreimal darfst du raten!", antwortete Crocodile in einer patzigeren Stimmlage als beabsichtigt. "Als ich achtzehn Jahre alt war, habe ich mich vor ihnen als homosexuell geoutet. Sie haben mich rausgeschmissen und gesagt, dass ich eine Schande für die Familie bin und nie wieder kommen soll. Ende der Geschichte." Doflamingo legte einen Arm um seine Schulter und Crocodile lehnte sich instinktiv in die Umarmung hinein. Der Geruch seines Freundes, der so nah bei ihm war, und die Berührungen seiner Hand, die sanft durch sein Haar strich, beruhigten ihn ein wenig. "Es tut mir wirklich leid, dass dir so etwas passieren musste, Wani", wiederholte Doflamingo. "Das hast du nicht verdient. Deine Eltern scheinen ja echt Idioten zu sein. Aber zumindest hast du einen Bruder und eine Schwester, die dich so akzeptieren wie du bist." "Stimmt", pflichtete Crocodile ihm bei und vergrub sein Gesicht in Doflamingos Halsbeuge. "Ich habe ihnen wirklich viel zu verdanken." Doflamingo küsste ihn auf sein Haar und schien dieses unangenehme Thema hinter sich lassen zu wollen. Er sagte: "Ich wusste gar nicht, dass du schwul bist." "Ähm, was?" Verwirrt richtete Crocodile sich auf. "Was redest du da?" "Naja", meinte Doflamingo und zuckte mit den Schultern, "wir haben da nie so deutlich wie eben drüber gesprochen." Crocodile war sich nicht sicher, ob er wirklich verstand, was sein Freund da sagte. In seinen Ohren ergaben dessen Worte nämlich überhaupt keinen Sinn. "Wir sind seit sieben Monaten in einer Liebesbeziehung", sagte er schließlich und kam sich ziemlich dämlich vor, während er das sagte. "Wenn ich nicht homosexuell wäre, dann wäre das wohl kaum der Fall, oder?" Doflamingo fuhr sich mit der Hand durch sein blondes Haar. "Das muss doch nicht unbedingt heißen, dass du homosexuell bist", räumte er ein. "Ich bin es ja auch nicht. Ich bin bi." "D-du bist bisexuell?" Doflamingo nickte. Das hatte Crocodile gar nicht gewusst. Bisher war eigentlich immer davon ausgegangen, dass sein Freund (so wie er selbst) ausschließlich Männer mochte. Allerdings musste er zugeben, dass Doflamingo das niemals behauptet hatte. Um ehrlich zu sein, sprachen sie heute zum ersten Mal über dieses Thema. Es hatte sich nie zuvor ergeben. "Ist das ein Problem für dich?", fragte sein Partner, der allem Anschein nach spürte, dass er diese Nachricht mit gemischten Gefühlen aufnahm. "Ich weiß, dass dieses Klischee vom untreuen Bisexuellen existiert. Aber ich versichere dir, dass es auf mich nicht zutrifft. Ich würde dich niemals betrügen. Weder mit einem anderen Mann noch mit einer anderen Frau. Ich verspreche es dir." Crocodile nickte matt. "Warum hast du mir das denn nicht früher erzählt?" "Keine Ahnung", gestand Doflamingo. "Ich wusste ja aber auch gar nicht, dass dir dieses Thema so wichtig ist. Wie kommt das überhaupt? Hast du schlechte Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht? Du kannst dir wirklich sicher sein: Ich interessiere mich nur für dich. Und ich möchte nur mit dir zusammen sein. Mit niemandem sonst, weder Männlein noch Weiblein." Crocodile rieb sich mit der rechten Hand die Schläfe. Dieses neue Wissen über die Sexualität seines Freundes warf ihre Pläne für heute Abend durcheinander. "Hättest du mir vorher gesagt, dass du bisexuell bist, dann hätte ich das Treffen mit meinen Geschwistern abgesagt", meinte er. Doflamingo schien ihm nicht ganz folgen zu können. "Hm? Wieso das denn? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?" Crocodile seufzte. "Es ist wegen meiner Schwester." Sein Partner gab einen verärgerten Brummlaut von sich. "Worauf willst du hinaus?", fragte er und klang ernsthaft beleidigt und vielleicht auch ein wenig verletzt. "Dass ich deine Schwester nicht kennenlernen darf, weil du befürchtest, dass ich gleich mit ihr in die Kiste springe? Unglaublich, dass du mir so etwas unterstellst! Nur weil ich bi bin, heißt das nämlich nicht, dass ich mit jeder Frau, die mir über den Weg läuft, etwas anfangen will!" "So war das nicht gemeint", erwiderte Crocodile. Ihn strengte diese Diskussion furchtbar an. "Es ist nur so, dass sie keine normale Frau ist. Sie ist eine Bombe! Einfach wunderschön! Jeder Mann, der nicht homosexuell ist, verfällt ihr sofort!" "Wenn sie eine weibliche Variante von dir ist, dann bin ich mir sicher, dass sie wunderschön aussieht. Davon musst du mich nicht erst überzeugen. Aber das bedeutet trotzdem nicht, dass ich mit ihr anbändeln will." Er hielt für einen kurzen Moment inne und sagte dann: "Eigentlich dachte ich immer, dass ich derjenige von uns beiden bin, der ständig eifersüchtig ist." "Du verstehst das nicht!" Crocodile warf einen Blick aus dem Autofenster und erkannte die Gegend, in der sie sich befanden, sofort wieder. In etwa fünf oder sechs Minuten würden sie schon an Spider's Cafe sein. Jetzt war es zu spät, um umzukehren. "Ich... als ich noch jünger war, da bin ich mal mit ein paar Typen ausgegangen, die nicht homo-, sondern bisexuell waren. Jeder einzelne von ihnen hat mich verlassen, weil sie sich in meine Schwester verliebt hatten. Sie ist nämlich nicht einfach bloß hübsch, sondern die wunderschönste Frau, die du jemals gesehen hast. Kein Mann, der Frauen mag, kann ihr widerstehen..." Doflamingo seufzte und griff nach seiner Hand. "Vielleicht hast du Recht", sagte er, während der Jaguar in die kleine Nebenstraße fuhr, in der das Cafe lag. "Vielleicht ist sie die wunderschönste Frau auf der Welt. Aber das ist mir egal. Denn ich bin in den wunderschönsten Mann auf der Welt verliebt. Bitte vertrau mir doch, Crocodile! Du musst keine Angst haben, ich verspreche es dir!" Crocodile seufzte unwillig und resignierte schließlich. "Na gut", sagte er, "wir haben sowieso keine andere Wahl." Der Jaguar war in einer Parklücke gegenüber von Spider's Cafe zum stehen gekommen und der Fahrer stieg aus, um ihnen die hintere Wagentüre zu öffnen. Es war fünf Minuten vor acht Uhr abends. Mihawk und Hancock saßen bereits an einem Tisch, als sie das kleine Cafe betraten. Sie winkten ihnen freundlich zu und deuteten an, dass er und Doflamingo sich zu ihnen setzen sollten. Crocodile schluckte. Für einen Moment versuchte er seine Schwester durch die Augen eines Mannes zu sehen, der nicht mir ihr verwandt war. Leider musste er zugeben, dass sie unglaublich schön aussah: mit ihrem dunkles Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte, der makellose Haut, den strahlend blaue Augen; außerdem war sie groß und schlank. Der Traum aller Männer! Als sie den Tisch erreicht hatten, standen seine Geschwister auf, um sie zu begrüßen und um sich Doflamingo vorzustellen, der wiederum seinen eigenen Namen nannte. Crocodile fiel auf, dass sein Freund seine Schwester keine Sekunde länger als nötig berührte. Er schüttelte ihre Hand gerade lange genug, um nicht unhöflich zu erscheinen. Überdies setzte er sich auf den freien Stuhl gegenüber Mihawk. Augenblicklich fühlte Crocodile sich erleichtert. Er war sich sicher, dass Doflamingo ihn nicht täuschte. Er war kein Mensch, der sich verstellte oder für andere verbog. Stattdessen handelte er immer nach seinen Gefühlen und jagte dem nach, was er wollte. Er war absolut authentisch. Crocodile wusste, dass Doflamingo sich nicht genieren würde, Hancock vor seinen Augen den Hof zu machen, falls er Interesse an ihr haben sollte. Da er das allerdings nicht tat, ging Crocodile beruhigt davon aus, dass sein Partner die Worte, die er vorhin im Auto zu ihm gesagt hatte, tatsächlich ernst meinte. Paula, die Besitzerin des kleinen Cafes, kam zu ihnen hinüber, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Hancock nahm einen heißen Kakao mit Sahne, Mihawk und Doflamingo beide Kaffee und Crocodile ein stilles Wasser. Er vertrug weder Kaffee noch Kakao; das eine wegen dem Koffein und das andere wegen dem Zucker. "Wie war eure Fahrt hierhin?", fragte Hancock, die anscheinend ein wenig Small-Talk betreiben wollte. "Mihawk hat mir erzählt, dass du ja jetzt bei Doflamingo wohnst. Ist das weit weg von hier?" "Ich wohne nicht richtig bei ihm", warf Crocodile sofort ein und ignorierte den unwilligen Blick seines Partners, den dieser ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch zuwarf. "Nur zur Probe. Wir wollen schauen, ob wir es dauerhaft miteinander aushalten, bevor wir eventuell zusammenziehen. Sind ja erst seit sieben Monaten ein Paar." "Aber bisher läuft es wunderbar", warf Doflamingo ein, "nicht wahr, Wani?" "Wani?", wiederholte Hancock glucksend und selbst Mihawk, der ansonsten sehr zurückhaltend war, konnte sich ein leichtes Grinsen nicht ganz verkneifen. Crocodile wurde ein wenig rot im Gesicht angesichts dieser Reaktionen. "Er gibt mir immer blöde Spitznamen", erklärte er. Doflamingo schien sich derweilen überhaupt nicht zu schämen, sondern zuckte bloß mit den Schultern. "Na und? Du hast mir doch auch einen Spitznamen gegeben." Der rote Schimmer auf Crocodiles Wangen verdunkelte sich. "Aber ich rufe dich nicht ständig so, sondern sage ihn nur, wenn wir beide allein sind." "Könntest du aber", hielt Doflamingo dagegen und schien sich bestens darüber zu amüsieren, dass seinem Freund dieses Thema peinlich war, "ich hätte da nichts gegen." "Ach, halt bloß die Klappe!", knurrte Crocodile verärgert und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ihr seid aber Streithähne", kommentierte seine Schwester munter ihren kleinen Schlagabtausch. "Wir streiten nicht", machte Doflamingo deutlich, "wir ärgern uns nur ein bisschen gegenseitig. Stimmt doch, Crocobaby, oder?" "Du bist ein blöder Idiot!", gab dieser zurück, ohne die Verschränkung seiner Arme aufzulösen. Doflamingo lachte leise und Crocodiles Geschwister stimmten mit ein. Überraschenderweise verlief der gemeinsame Cafebesuch deutlich besser als befürchtet. Doflamingo machte zwar gelegentlich ein paar unpassende Bemerkungen und riss ein paar schlechte Witze (Crocodile war fest davon überzeugt, dass sein Freund das nur tat, um ihn in Verlegenheit zu bringen), doch verhielt sich insgesamt ganz in Ordnung. Mihawk und Hancock jedenfalls schienen ihn sympathisch zu finden. Und was am allerwichtigsten war: Doflamingo zeigte lediglich das Maß an Interesse an Hancock, das ihr als Schwester seines festen Partners zustand. Er machte ihr keine Komplimente, griff nicht über den Tisch hinweg nach ihrer Hand oder tat irgendetwas anderes Verdächtiges. Stattdessen verhielt er sich ihr gegenüber in etwa so, als hätte er gar nicht mitbekommen, dass es sich bei ihr um eine Frau handelte. Allem Anschein nach schien er Crocodile tatsächlich beweisen zu wollen, dass er seine Worte ernst meinte. Sie saßen bis etwa viertel vor zehn Uhr abends beisammen, ehe sie sich voneinander trennten. Schließlich hatten sie heute alle einen schweren Arbeitstag hinter sich und sehnten sich nach einem weichen Bett, ganz gleich wie nett die Gesellschaft auch sein mochte. Crocodile übergab Mihawk -wie telefonisch besprochen- seinen Wohnungsschlüssel und machte sich danach gemeinsam mit seinem Partner auf den Weg zurück zu dessen Jaguar. "Wie findest du meine Geschwister?", fragte Crocodile, nachdem sie auf die Rückbank des Wagens geglitten waren. "Sehr nett", antwortete Doflamingo und schien ehrlich zu meinen, was er sagte. "Sie sind dir beide ziemlich ähnlich, finde ich." "Tatsächlich?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Das hat mir noch nie jemand gesagt. Die meisten Leute sagen, dass wir drei völlig unterschiedlich sind. Sie sagen, Hancock ist die Schöne, Mihawk der Stille und ich der Stolze." Bei dieser Beschreibung lachte Doflamingo. "Das stimmt nicht ganz", meinte er schließlich. "Ich finde nämlich, dass du nicht bloß stolz bist, sondern auch schön und still." Er zögerte kurz und korrigierte dann: "Nun gut, still bist du vielleicht nicht sonderlich oft. Aber stolz und schön bist du immer!" Crocodile spürte, dass sich erneut ein Rotschimmer auf seine Wangen legte. Er war es nicht gewöhnt, Komplimente zu bekommen. Zumindest keine Komplimente dieser Art. "Sag doch so etwas nicht", meinte er leise und sah aus dem Fenster, damit Doflamingo die Röte in seinem Gesicht nicht bemerkte. Inzwischen war es draußen bereits dunkel geworden. "Aber wieso denn nicht?", fragte Doflamingo und rückte nah an ihn heran. "Du bist doch schön und stolz. Oder nicht?" Er schob mit einer Hand den Schal seines Freundes zur Seite und küsste sanft dessen Hals. Augenblicklich spürte Crocodile, wie sich die feinen Haare auf seinen Armen aufstellten. "Klug bist du auch. Und elegant. Stilvoll." Als Doflamingo an seiner Haut zu saugen begann, drückte Crocodile ihn halbherzig zurück. "Wir sind gerade im Auto, Doffy", flüsterte er, damit der Fahrer, der nur durch eine dünne Zwischenwand von ihnen getrennt war, seine Worte nicht bekam. Doflamingo zuckte allerdings bloß mit den Schultern und näherte sich erneut seinem Hals. "Na und?", meinte er. "Sitzt doch keiner von uns hinter'm Steuer. Also was soll's." "Du machst mir einen Knutschfleck!" "Trägst doch sowieso immer einen Schal." Schlussendlich gab Crocodile -wie so oft ins letzter Zeit- kleinbei und ließ seinen Freund gewähren. Doflamingo saugte, küsste und leckte die empfindlichen Haut an seinem Hals. Als er allerdings spielerisch zu knabbern und zu beißen begann, konnte Crocodile ein leises Stöhnen nicht ganz unterdrücken. Er spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht in weiter unten liegende Regionen wanderte. Wenn er dieser Sache jetzt nicht Einhalt gebot, dachte er, dann würde sie außer Kontrolle geraten. Und das wollte er auf keinen Fall riskieren! (Zumindest nicht, während sie sich noch immer auf dem Rücksitz des Jaguars befanden und der Fahrer, der vorne saß und nur durch eine dünne Wand von ihnen getrennt war, alles mitanhörte.) Als er jedoch mit seiner rechten Hand den Körper seines Partners von sich fort schieben wollte, langte diese daneben und landete irgendwie in dessen blondem Haar. Crocodile fühlte die weichen Strähnen zwischen seinen Fingern und spürte, dass der Widerstand in seinem Inneren immer kleiner wurde. "Nicht im Auto", sagte er, doch die Worte klangen sogar in seinen eigenen Ohren furchtbar halbherzig. Doflamingo wiederum schien seinen fehlenden Widerstand als Einladung zu betrachten. Er löste Crocodiles Sicherheitsgurt und knöpfte ihm das Hemd auf. "Warum denn nicht im Auto?", fragte er grinsend, während er lasziv über die entblößte Brust seines Partners leckte. "Der Fahrer wird uns hören", antwortete Crocodile, doch in Wirklichkeit hatte er längst aufgegeben. Er hatte zwar bereits am Morgen mit Doflamingo geschlafen gehabt, doch die Arbeit und auch das Treffen mit seinen Geschwistern waren heute sehr anstrengend gewesen. Ein zweites Mal Sex würde ihm sicherlich guttun, fand er. Und allem Anschein nach war auch Doflamingo dieser Ansicht. "Dann hört er uns eben, na und?", sagte er und nahm den rechten Nippel seines Freundes mit den Lippen in Beschlag, während er mit seinen Händen dessen Gürtel und Hosenknopf öffnete. Crocodile bemühte sich mit aller Kraft darum, leise zu bleiben. Normalerweise war er kein Mensch, der beim Sex sonderlich laut wurde, doch Doflamingo schaffte es seltsamerweise immer wieder, seiner Kehle sehr eindeutige Laute zu entlocken. Um sich ein wenig von dem Mund und den Händen abzulenken, die sich an jeder erreichbaren Stelle zu schaffen machten, untersuchte er den Körper seines Partners. Crocodile fuhr mit seiner eigenen Hand unter Doflamingos rosafarbenes Shirt und streichelte den muskulösen Bauch, den Rücken, den Hals und schlussendlich auch die dicke Beule, die sich unter dem Stoff dessen Jeanshose abzeichnete. Seine Streicheleinheiten wurden mit einem wohligen Schnurren quittiert. Doflamingo ließ für einen kurzen Moment von Crocodile ab, um sich sein Shirt über den Kopf zu ziehen und seine Hose zu öffnen, die er sich samt Unterwäsche bis zu den Knien hinunterzog. (Da sie sich noch immer im Wagen befanden, hatten sie beide Schuhe an.) Crocodile trug sein Hemd längst nicht mehr am Leib und auch die Hose hing ihm um die Knöchel; allerdings trug er noch Boxershorts. Genau dieses Problems nahm sein Freund sich nun an. Er drückte Crocodile in eine möglichst liegende Position und beugte sich dann über ihn (was nicht einfach war, weil die Rückbank des Jaguars sehr eng war). Dann zog er ihm die Boxershorts über die Oberschenkel und legte somit sein bereits hartes Glied frei. Doflamingo war dieses Mal nicht ungeduldig; er ließ Crocodile ein wenig leiden. Für eine Weile rührte er sich kein Stück von der Stelle, sondern ließ bloß seinen durch die getönten Brillengläser verdeckten Blick über den entblößten Körper seines Partners gleiten. Crocodile streckte die Hand aus und nahm ihm die Sonnenbrille vom Gesicht, was Doflamingo sich gefallen ließ. Er grinste und sein Blick drückte Lust und Vorfreude aus. Crocodile erschauderte und hoffte bloß, dass der Fahrer nicht allzu viel von ihren perversen Spielchen auf der Autorückbank mitbekam. Doflamingo spreizte die Beine seines Partners so weit wie möglich und nahm dann dessem Schaft in die Hand, den er langsam pumpte, während er ihm noch immer direkt in die Augen sah. Crocodile hielt sich den Mund zu, damit er nicht laut stöhnte, und dieses Mal ließ ihn sein Freund zum Glück gewähren. Die Hand an seinem Glied wurde bald von einer talentierten Zunge abgelöst, die verführerisch über die Eichel, den Schaft und die Hoden glitt. Erst nachdem er jeden Zentimeter genau untersucht hatte, umschloss Doflamingo mit seinem heißen Mund die Spitze seines Glieds und begann zu saugen. Crocodile biss sich selbst in die Hand, um einen Stöhnlaut zu unterdrücken. "Du darfst ruhig laut sein", ermunterte ihn sein Freund grinsend, als dieser kurz von ihm abließ; doch Crocodile schüttelte bloß hektisch den Kopf, woraufhin Doflamingo schulterzuckend fortfuhr. Dieser erhöhte die Geschwindigkeit seiner Kopfbewegung und begann außerdem, mit einer Hand seine Hoden zu massieren. Nur drei oder vier Minuten später hatte Crocodile sich selbst so fest in die Hand gebissen, dass er Blut in seinem Mund schmeckte. Das Verwöhnprogramm, das sein Partner ihm zukommen ließ, fühlte sich einfach unglaublich an! (Die Rückbank, die sich für solche Zwecke definitiv nicht gut eignete und sehr unbequem war, blendete Crocodile völlig aus.) Im Augenblick konnte er sich nur auf eine einzige Sache konzentrieren, und das war sein Penis, der von Doflamingo mit Mund und Hand in Beschlag genommen wurde. Er schloss die Augen und bereitete sich auf seinen Orgasmus vor. Crocodile war beinahe schon so weit; er war bloß noch einen oder zwei Stöße von seinem Höhepunkt entfernt, als der Jaguar XK plötzlich eine sehr scharfe Kurve fuhr. Crocodile, der nicht angeschnallt war, wurde gegen Doflamingo gepresst oder genauer gesagt: sein Glied, das sich in Doflamingos Mund befand, wurde noch tiefer in dessen Kehle gedrückt. Genau in dem Augenblick, als Doflamingo ihn unfreiwillig deep-throatete, kam Crocodile zum Orgasmus. Er konnte nichts dagegen tun. Es fühlte sich an wie eine riesige Tsunamiwelle, die über ihn hereinbrach. Er war bloß noch dazu in der Lage laut zu stöhnen, seine blutige Hand fest in Doflamingos blondes Haar zu vergraben und sich in zwei oder drei Schüben in dessen Kehle zu ergießen. Als die scharfe Kurve vorüber war, wurde Crocodile von der Schwerkraft wieder ein Stück zurückgestoßen und sein Glied zog sich aus dem Mund seines Partners zurück. Erschöpft lehnte er sich nach hinten gegen die Autotüre (die zum Glück sicher zugesperrt war) und beobachtete Doflamingo dabei, wie er röchelte und das Sperma anschließend auf das teure Sitzpolster des Jaguars spuckte. Auch wenn Crocodile sich schrecklich ausgelaugt fühlte und nur schwer atmete, konnte er sich ein leichtes Grinsen doch nicht ganz verkneifen. "Hast du dich nicht letztens erst damit gebrüstet, dass du schluckst?", fragte er spöttisch. "Halt bloß deine Klappe", erwiderte Doflamingo, der sich den schmerzenden Kiefer rieb. In seinem kurzen Haar klebten ein paar Tropfen Blut. "Wenn das Sperma in meinem Mund landet, dann tue ich das auch. Aber nicht, wenn es in meinem Rachen landet!" Crocodile zuckte mit den Schultern. Er fühlte sich noch immer ein wenig benebelt durch die Nachwirkungen seines Höhepunkts. "Du bist derjenige gewesen, der nicht bis Zuhause warten wollte", verteidigte er sein Verhalten. "Ich kann nichts dafür, dass es so gekommen ist. Damit, dass so etwas passiert, muss man wohl rechnen, wenn man jemandem auf der Rückbank eines fahrendes Autos einen Blowjob gibt." "Vielleicht hast du Recht", gestand Doflamingo und schlüpfte wieder in seine Kleidung. Crocodile bemerkte, dass das Glied seines Freundes noch immer steif war (schließlich war er im Gegensatz zu ihm nicht zum Orgasmus gekommen), als er sich die Hose behutsam über die Hüften zog. Doflamingo bemerkte seinen verwunderten Blick und grinste. "Ich glaube, Sex im Auto gefällt mir besser, wenn es nicht fährt", räumte er ein. "Lass uns das lieber im Schlafzimmer weiterführen, ja? Für mich ist es kein Problem zu warten. Und außerdem musst du dann nicht ständig Angst davor haben, dass dir jemand beim Stöhnen zuhören könnte. Es ist nämlich viel heißer, wenn du laut bist." Crocodile folgte dem Beispiel seines Partners und zog sich ebenfalls wieder vernünftig an. "Von mir aus", stimmte er Doflamingo zu, während er sein Hemd zuknöpfte, "dann machen wir eben im Bett weiter. Das ist sowieso viel bequemer, finde ich. So schick der Jaguar auch sein mag, für solche Aktivitäten ist dieser Wagen definitiv nicht geeignet." * Am Mittag des nächsten Tages fand Crocodile endlich die Zeit dazu, sich ohne seinen Partner mit seinen Geschwistern zu treffen. Sie hatten als Ort für ihr Gespräch seine Loft-Wohnung ausgemacht, was Crocodile nur recht war, weil er auf diese Weise Doflamingo gegenüber behaupten konnte, er müsste zu sich nach Hause fahren, um seine Post abzuholen. Das war zwar gelogen, doch sein Partner nahm diese einleuchtend klingende Erklärung ohne weitere Nachfragen hin und bot ihm sogar an, mit einem seiner Autos zu fahren. „Mein Fahrer könnte dich zu deiner alten Wohnung fahren", meinte er. „Der setzt dich dort ab und du könntest mit deinem Mercedes C 216 hierhin zurückfahren. Dann hast du dein eigenes Auto dauerhaft hier stehen. Das ist doch sicher praktisch, während du bei mir wohnst. Ich weiß ja, dass du gerne selber fährst." „Gute Idee!", erwiderte er, ohne sich weitere Gedanken über diesen Vorschlag zu machen. Er war bloß froh, dass Doflamingo ihm seine Lüge abkaufte und nicht etwa vorhatte ihn zu begleiten. „Es kann allerdings sein, dass ich ein wenig länger bleibe. Bestimmt wollen Mihawk und Hancock noch ein bisschen plaudern. Ich hoffe, das ist kein Problem für dich. Du weißt ja, dass ich meine Geschwister leider nicht so häufig sehen kann wie ich es gerne würde." „Natürlich ist das kein Problem für mich", erklärte Doflamingo, während sein Freund sich auf den Weg zur geräumigen Garage der Villa machte. „Und vergiss nicht, den Autoschlüssel für deinen Mercedes mitzunehmen, ja?" „Klar", erwiderte Crocodile und war froh, als Doflamingo außer Sichtweite war. Denn auch wenn er ihm in letzter Zeit oft nicht die Wahrheit sagen wollte, belastete ihn doch jede einzelne Lüge. Crocodile war ein Mensch, der es hasste angelogen zu werden und auch selber nicht gerne log. Er konnte bloß hoffen, dass Doflamingo in dieser Hinsicht nicht so streng war wie er selbst, sollte dieses Lügennetz jemals ans Tageslicht kommen. Seine Geschwister erwarteten ihn bereits gespannt, als er seine Loft-Wohnung betrat. Es war ein seltsames Gefühl, die Türe der eigenen Wohnung geöffnet zu bekommen, fand Crocodile, der die letzten vierzehn Jahre fast ausschließlich alleine gewohnt hatte. Er hatte -nachdem ihn seine Eltern auf die Straße gesetzt hatten- für drei Jahre bei seinem älteren Bruder gewohnt, war jedoch in ein eigenes Apartment gezogen, als er sein Studium begonnen hatte. Dieses hatte er für ein Semester unterbrechen müssen, als er seine Hand verlor; er war wieder zurück zu Mihawk gezogen, der sich solange um ihn gekümmert hatte, bis er dazu in der Lage war, trotz der fehlenden Hand seinen eigenen Haushalt zu führen. Gegen Ende seines Studiums hatte er dann Enel kennengelernt und war nach vier Jahren Beziehung mit diesem in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Ein weiteres Jahr hatten sie zusammengewohnt, ehe sie sich trennten. Abgesehen von diesen immer nur relativ kurz andauernden Wohngemeinschaften hatte Crocodile allerdings stets allein gewohnt. „Mihawk hat mir erzählt, dass dir ein paar schlechte Dinge widerfahren sind", sagte Hancock sofort, kaum hatte er den Flur betreten. Er nahm sich die Zeit, um seinen Mantel abzulegen und sich die Schuhe auszuziehen. Danach ging er zusammen mit seinen Geschwistern ins Wohnzimmer hinüber, wo sie sich auf der Ledercouch niederließen. Hancock setzte sich genau auf den Platz, an dem Doflamingo und er vor kurzem Sex miteinander gehabt hatte und wo nach dem Akt das Sperma seines Partners aus ihm herausgelaufen und auf der Sitzfläche der Couch gelandet war; doch nicht einmal diese peinliche Tatsache entlockte Crocodile ein Schmunzeln. Die Stimmung war sehr ernst und seine beiden Geschwister sahen ihm besorgt in die Augen. Er hätte gerne den Fernseher eingeschaltet, um die Situation ein wenig aufzulockern, doch aus irgendeinem Grund traute er sich das nicht. „Ja, das stimmt", sagte Crocodile und zögerte dann für einen Moment. Auf der einen Seite wollte er Hancock und Mihawk nicht mit seinen Sorgen belasten, doch auf der anderen Seite brannte er förmlich darauf, sein Geheimnis endlich jemandem mitzuteilen. Die Geheimnistuerei in letzter Zeit belastete ihn furchtbar. „Ist es wegen deinem Freund?", wollte sie sofort wissen. „Diesem Doflamingo? Er tut dir doch nichts an, oder? Gestern hat er sich eigentlich ganz nett benommen, aber er schien mit auch ein sehr merkwürdiger Typ zu sein." „Nein, Doflamingo ist nicht der Grund", stellte Crocodile sofort klar. Er wollte auf keinen Fall den guten Eindruck, den sein Freund bei ihrem gestrigen Treffen gemacht hatte, ruinieren. Und außerdem war er ja tatsächlich nicht die Ursache der Probleme, mit denen er derzeit zu kämpfen hatte, sondern stellte nur einen Teil davon dar. „Es geht um etwas ganz Anderes." Crocodile holte tief Luft und sagte dann: „Ich habe meinen Job verloren." Für einen Moment herrschte absolute Stille im Raum. Hancock war die erste, die wieder das Wort ergriff: „Oh je, Crocodile, das tut mir furchtbar leid für dich. Dabei hast du doch so lange studiert und so hart gearbeitet, um diesen Job zu bekommen. Das hast du wirklich nicht verdient!" „Was ist denn der Grund für deine Kündigung?", fragte Mihawk. Crocodile seufzte. „Ich habe einen Riesenfehler gemacht", erklärte er schließlich. „Dieser Fehler hat die Bank Millionen gekostet. Und eine Menge Leute mussten entlassen werden. Aber das ist nicht der einzige Grund. Denke ich jedenfalls. Fehler passieren jedem einmal, auch Fehler mit solcher Reichweite. Man hat mir nicht einmal die Chance gegeben, die Sache wiedergutzumachen. Ich vermute, dass Sengoku -er ist sozusagen der oberste Chef der Bank und mein direkter Vorgesetzter- schon länger geplant hat mich rauszuwerfen und nur nach einem Grund gesucht hat. Den er schließlich gefunden hat." „Das ist hart", sagte Mihawk. „Hast du denn eine Vermutung, wieso Sengoku dich loswerden wollte?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Da er die Entlassung sowieso nicht verhindern konnte, hatte er sich gar nicht erst die Mühe gemacht, allzu viele Gedanken an diese Frage zu verschwenden. Er war viel zu sehr mit den Folgen seiner Kündigung beschäftigt, um nach allen Gründen zu fragen. „Ich weiß es nicht. Aber wir konnten uns von Anfang an nicht leiden. Dafür sind wir einfach zu unterschiedliche Menschen. Und mit den anderen hohen Tieren der Bank habe ich auch so meine Probleme gehabt. Vor allen Dingen mit Akainu, diesem Misthund. Vielleicht hängt es damit zusammen." „Könnte es sein, dass man in der Bank von deiner sexuellen Ausrichtung erfahren hat?", vermutete Mihawk. „Ich weiß ja, dass du damit nicht allzu offen umgehst. Vielleicht handelt es sich ja um homophobe Leute, die dich aus diesem Grund loswerden wollten." „Vielleicht", erwiderte Crocodile halbherzig. „Bevor ich Doflamingo kennengelernt habe, war ich ja sehr lange single. Und Sengoku hat sicherlich mitgekriegt, dass wir jetzt ein Paar sind. Schließlich haben wir uns bei einem gemeinsamen Geschäftsessen kennengelernt. Aber schlussendlich können wir sowieso bloß Vermutungen anstellen." „Das stimmt natürlich", gab sein Bruder ihm Recht. „Und ganz gleich was die Ursache ist, es ändert ja nichts an der Situation, in der du dich jetzt befindest." „Du hast uns gar nicht erzählt, dass du Doflamingo bei einem Geschäftsessen kennengelernt hast", warf Hancock ein. Sie schien die negative Stimmung, die sich wie zu dicke Luft im Raum verbreitete, ein wenig auflösen zu wollen. „Tatsächlich nicht? Naja, er ist einer der wichtigsten Kunden der Bank, hat den Großteil seines Geldes dort angelegt. Ich darf natürlich keine genauen Zahlen nennen, aber es handelt sich um eine riesige Menge Geld. Er ist sehr reich. Jedenfalls hatte Sengoku ein Geschäftsessen mit ihm vereinbart und ich habe ihn begleitet. Ursprünglich sollte Aokiji mitgehen, aber der hatte sich am Bein verletzt und lag im Krankenhaus. Deswegen musste ich kurzfristig einspringen, obwohl ich eigentlich gar keine Lust hatte." „Eure Begegnung ist mit Sicherheit Schicksal gewesen", meinte Hancock und Crocodile musste sofort daran denken, dass seine Schwester gerne die Horoskope in Frauenzeitschriften lag. "War es Liebe auf den ersten Blick?" Crocodile schmunzelte. „Nicht ganz", gestand er schließlich. „Bei mir nicht, aber bei Doflamingo vielleicht. Er hat mich gesehen und schien sofort begeistert von mir zu sein. Hat mich zuerst begrüßt und sich mir gegenüber an den Tisch gesetzt, obwohl er ja eigentlich mit Sengoku verabredet war; schließlich ist der ja der oberste Chef der Bank und nicht ich. Aber er hat ihn kaum eines Blickes gewürdigt und ihm gar nicht zugehört." Als er an diese Situation zurückdachte, konnte Crocodile ein selbstgefälliges Grinsen nicht ganz unterdrücken. „Das hat Sengoku total geärgert, das weiß ich noch genau", sagte er. „Eigentlich wollten sie über irgendwelche Zinssätze oder so etwas sprechen, aber dazu sind sie überhaupt nicht gekommen. Weil Doflamingo sich nämlich die ganze Zeit bloß mit mir unterhalten hatte. Seine erste Frage war, wie ich denn heiße und die zweite, ob ich single wäre. Er hat den ganzen Abend lang nicht von mir abgelassen. Und Sengoku konnte natürlich nichts dagegen sagen. Schließlich ist ja Doflamingo einer seiner allerwichtigsten Kunden. Aber ich habe gemerkt, wie er innerlich immer wütender und ungehaltener geworden ist." Bei dem Gedanken an Sengoku, der so still brodelnd neben ihm gesessen hatte, lachte Crocodile leise. Er erinnerte sich daran, dass er ihm sogar unter dem Tisch hinweg einen Tritt gegen das Schienbein gegeben hatte. „Nach diesem Geschäftsessen hat Doflamingo mich auch sofort nach einem Date gefragt. Man kann also vielleicht wirklich sagen, dass es bei ihm Liebe auf den ersten Blick gewesen ist." „Und was hast du gesagt?", hakte Hancock nach. „Als er dich um das Date gebeten hat. Hast du sofort zugesagt? Und wo hat es stattgefunden?" Crocodile war es gewöhnt, dass seine Schwester sich für solche Details interessierte und er wusste genau, dass sie keine Ruhe geben würde, ehe er nicht alle Fragen beantwortet hatte. Hancock war wirklich eine typisches Frauenzimmer, was das anging. Sein Bruder Mihawk wiederum war eher ein bodenständiger Typ, der sich weder für das Liebesleben anderer Menschen interessierte noch sich darin einmischte. Dennoch schwieg er geduldig, während Crocodile fortfuhr: „Naja, ich habe mich nicht sofort auf dieses Date eingelassen. Ich weiß auch nicht genau warum. Schließlich war ich ja zu dem Zeitpunkt schon seit drei Jahren von Smoker getrennt gewesen. Ich denke, er hat mich mit seinem offenkundigen Interesse einfach ein wenig überrannt. Außerdem kannte ich ihn ja auch gar nicht. Und seine äußere Erscheinung hat auf mich auch sehr komisch gewirkt. Ihr müsst nämlich wissen, dass er einen sehr exzentrischen Kleidungsstil an den Tag legt. Gestern Abend, als ihr ihn kennengelernt habt, sah er noch verhältnismäßig normal aus. Bei dem Geschäftsessen mit Sengoku und mir hatte er ein rosafarbenes Hemd mit Schlangenprint getragen. Und zwar offen bis zum Bauchnabel! Und dazu eine schwarze Hose mit Tigermuster, die ihm kaum über die Knie ging. Es sah wirklich furchtbar aus. Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen." Hancock kicherte leise. „Er hat also zuerst sehr abschreckend auf dich gewirkt", fasste sie zusammen. „Was hat dich schlussendlich dazu bewegt, doch mit ihm auszugehen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. „Das lässt sich gar nicht so genau sagen. Er hat mich einfach so lange bedrängt, bis ich irgendwann die Nase voll hatte und mich auf ein Date mit ihm eingelassen habe. Und naja, auf dieses erste Date ist dann sehr schnell ein zweites gefolgt, darauf ein drittes und so weiter. Ehe ich mich versehen hatte, waren wir ineinander verliebt und in einer Beziehung. Ich kann gar nicht genau sagen, was ausschlaggebend gewesen ist." „Das ist eine so schöne Liebesgeschichte!", meinte Hancock und wirkte sehr begeistert. „Und ich finde es toll, dass du endlich wieder jemanden gefunden hast! Mihawk und ich haben uns schon Gedanken um dich gemacht, nachdem du so lange single geblieben bist. Dachten schon, du würdest zum Eigenbrötler werden. Du weißt ja selber, dass du viel zu viel arbeitest und dich zu wenig um soziale Kontakte kümmerst!" Ihre Stimme klang ungemein vorwurfsvoll. „Aber zum Glück bist du ja jetzt auf Doflamingo getroffen. Ich denke, die Beziehung zu ihm tut dir gut. Er scheint ja ein sehr lebensfroher Mensch zu sein. Hoffentlich färbt das ein wenig auf dich ab!" „Ich bin wirklich sehr glücklich mit ihm", gestand Crocodile. Mihawk räusperte sich. „Ich möchte eure gute Laune nur ungern trüben", sagte er, "aber ich denke, wir sollten wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren, so unangenehm es auch sein mag." Er wendete sich direkt an ihn: „Crocodile, du hast uns erzählt, dass dir bereits vor ein paar Wochen gekündigt worden ist. Wie sieht deine jetzige Jobsituation aus? Hast du bereits Bewerbungen geschrieben?" „Natürlich", erwiderte Crocodile, der sich sehr abrupt wieder auf den Boden der Tatsache zurückgeholt fühlte. Es war nett gewesen, mit Hancock über Doflamingo zu plaudern. Für einen kurzen Moment hatte er all seine Probleme völlig vergessen können. Was allerdings nicht bedeutete, dass sie sich dadurch in Luft auflösten, wie Mihawk ihm deutlich machte. „Ich habe sogar schon eine Einladung für ein Vorstellungsgespräch erhalten; für nächste Woche Montag bei einem Bauunternehmen. Darüber bin ich unglaublich glücklich, denn im Managment-Bereich ist es sehr schwierig, kurzfristig eine dauerhafte Anstellung zu finden. Ich hoffe, dass ich so schnell wie möglich neue Arbeit finden werde. Wenn es nicht anders geht, würde ich natürlich auch einen zeitlich befristeten Job annehmen. Zum Beispiel Festivals, Konzerte, Messen und so weiter organisieren. Da sind die Chancen etwas zu finden ein wenig höher. Aber am liebsten hätte ich eben doch eine feste Arbeitsstelle." „Es ist schön zu hören, dass du die Situation ernst nimmst und sofort nach neuer Arbeit Ausschau hältst", sagte Mihawk. „Vielleicht läuft dein Vorstellungsgespräch bei dieser Baufirma ja super und du wirst schnell eingestellt", warf Hancock mit munterer Stimme ein, doch weder Mihawk noch Crocodile ließen sich so leicht von ihrem Optimismus überzeugen. „Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich noch ein sehr großes Problem", sagte Crocodile. "Es hängt auch mit meiner Kündigung zusammen." „Und worum handelt es sich bei diesem Problem?" Crocodile seufzte. „Um Schulden. Und zwar nicht gerade wenig. Wie ihr wisst, bin ich ja erst vor etwa zwei Jahren in meine jetzige Wohnung eingezogen. Bei dieser Gelegenheit habe ich mir eine sehr teure Einrichtung inklusive hochwertiger Küche zugelegt. Und vor kurzem habe ich mir dann auch noch den Mercedes C 216 gekauft." „Aber nichts davon bezahlt?", mutmaßte Mihawk. „Nicht vollständig", gab Crocodile zu. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich meine Arbeit als Bankmanager schon nach zwei Jahren wieder verliere. Ich dachte, ich würde noch mindestens zehn oder fünfzehn Jahre dort arbeiten. Deswegen habe ich vieles auf Raten gekauft oder Kredite aufgenommen, um für diese Sachen aufkommen zu können. Würde ich noch weiter bei der Bank arbeiten, wäre das auch gar kein Problem. Das habe ich mir nämlich alles vorher genau ausgerechnet. Aber jetzt habe ich meine Anstellung dort so plötzlich verloren", er schluckte, „und die Kredite und Raten muss ich trotzdem bezahlen." Mihawk schwieg für einen Moment, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme sagte: „Das sind wirklich riesige Schwierigkeiten, in denen du da steckst. Hast du schon eine Idee, wie du eine Lösung finden könntest?" „Naja, ich hoffe, dass ich schnell neue Arbeit finde", erwiderte er. „Dann könnte ich meine Schulden begleichen und alles wäre in Ordnung. Da dies allerdings in absehbarer Zeit wohl kaum der Fall sein wird, musste ich mir anders helfen. Ich habe meine Loft-Wohnung gekündigt und dem Vermieter angeboten, gegen eine Entschädigung die neue Küche zu behalten, damit der Nachmieter sie nutzen kann. Gemeldet hat der sich bisher allerdings nicht. Ich werde mir eine andere Bleibe suchen müssen. Außerdem werde ich einen Teil meiner Möbel verkaufen. Und wenn es nicht anders geht, auch meinen Mercedes C 216. Mit diesem Geld werde ich dann zumindest die dringendsten Schulden begleichen können. Dann werde ich weitersehen müssen." Mihawk und Hancock sahen einander an und schauten dann zu ihm hinüber. Crocodile seufzte. „Ich weiß, dass sich das furchtbar anhört", meinte er. „Mehr als furchtbar", erwiderte Hancock. „Aber du weißt natürlich, dass du dich immer auf uns verlassen kannst", fügte Mihawk hinzu. „Wenn du möchtest, könntest du zum Beispiel bei mir einziehen, bis du eine neue Arbeit gefunden hast; ich wohne ja sowieso allein und mein Haus ist längst abbezahlt. Und, ähm, ich kann dir auch Geld leihen, wenn es hart auf hart kommt und du selbst die schlimmsten Schulden nicht mehr bezahlen kannst. Ich habe Ersparnisse von einigen Jahren auf der Bank." Crocodile schüttelte hektisch den Kopf. „Nein, auf gar keinen Fall!", meinte er mit energischer Stimme. „Ich möchte nicht auch noch meinen eigenen Geschwistern zur Last fallen. Lieber schulde ich einer Bank Geld als euch. Hinterher bin ich im schlimmsten Fall völlig bankrott und nicht dazu in der Lage, euch euer Erspartes zurückzuzahlen! Das kommt für mich unter keinen Umständen infrage!" „Aber irgendwie müssen wir dir doch helfen können!", sagte Hancock. „Wir können doch nicht tatenlos dabei zusehen, wie du vor die Hunde gehst. Irgendetwas können wir doch sicher tun!" „Ihr beide habt mir schon geholfen, indem ihr mir zugehört habt", antwortete Crocodile. „Ich mache aus meiner Kündigung schon seit Wochen ein Geheimnis und das belastet mich sehr. Es hat unendlich gutgetan, endlich jemanden davon erzählen zu können. Jetzt fühle ich mich schon viel besser." Hancock zog eine Augenbraue hoch. "Aber was ist denn mit Doflamingo?", fragte sie verwundert. "Hast du ihm noch nichts davon erzählt? Wenn er wirklich so reich ist, wie du sagst, könnte er dir in deiner Situation doch sicher helfen, oder nicht? Bestimmt hat er auch eine Menge Kontakte und könnte dir schnell eine neue Anstellung als Manager besorgen. Oder dir Geld leihen, damit du deine Schulden bezahlen kannst!" Crocodile schüttelte den Kopf. „Ich möchte mir von niemandem Geld leihen", sagte er. „Darin liegt schließlich die Wurzel all meiner Probleme, nicht wahr? Dass ich mir Geld geliehen habe, das ich nicht zurückzahlen kann. Wenn ich mir Geld von Doflamingo leihe, dann setzt sich dieser Kreislauf doch bloß weiter fort. Und was passiert, wenn wir beide uns trennen sollten? Dann wird er das geliehene Geld sicherlich sofort zurückverlangen, auch wenn es sich für ihn dabei bloß um Peanuts handelt. Und ich sitze noch mehr in der Klemme als sowieso schon. Nein danke, darauf möchte ich lieber verzichten." Er zögerte für einen Augenblick, sah seinen Geschwistern in die Augen und fügte dann hinzu: „Außerdem möchte ich überhaupt nicht, dass er von meiner derzeitigen Situation erfährt. Ich befürchte, das könnte ein Schlag sein, den unsere Beziehung nicht aushält. Und das möchte ich nicht riskieren. Er bedeutet mir nämlich unglaublich viel." „Bist du dir sicher, dass das die richtige Entscheidung ist?", hakte Mihawk nach. „Du weißt genau, dass ich mich normalerweise nicht in das Leben anderer Menschen einmische oder ihnen meine Meinung aufzwängen möchte, aber ich denke, dass du dich in dieser Sache irrst. Doflamingo scheint mir niemand zu sein, der sich wegen deinen Schulden von dir abwenden würde. Als wir ihn gestern Abend kennengelernt haben, machte er auf uns einen sehr verliebten Eindruck." Crocodile seufzte und schüttelte den Kopf. „Trotzdem! Ich möchte nicht, dass er von meiner finanziellen Situation erfährt. Ich bin mir sicher, dass ich meine Probleme alleine lösen kann. Bisher bin ich doch mit allen Herausforderungen fertig geworden. Dann werde ich auch sicher mit dieser fertig." Seine Stimme klang deutlich optimistischer als Crocodile sich fühlte, doch zum Glück ließen seine beiden Geschwister die Sache nun auf sich beruhen. Sie wiederholten ein weiteres Mal, dass er sich immer auf sie verlassen konnte, und wechselten dann das Thema, worüber Crocodile sehr dankbar war. Obwohl es ihm gutgetan hatte sich endlich jemandem anzuvertrauen, war er sich dessen bewusst, dass sich dadurch nichts an seinen eigentlichen Problemen änderte. Es lag allein an ihm, eine Lösung zu finden. Er durfte weder seine Geschwister noch seinen Partner damit belasten. Sie sprachen noch für eine Weile über andere Dinge, ehe Crocodile sich schließlich von Mihawk und Hancock verabschiedete. Als er einen Blick auf die Uhr über der Tür warf, stellte er fest, dass sie sich deutlich mehr als drei Stunden miteinander unterhalten hatten. Doflamingo wartete mit Sicherheit bereits ungeduldig auf ihn. Crocodile dachte daran, seine Post mitzunehmen (schließlich hatte er dies Doflamingo gegenüber als Grund für den Besuch seiner Wohnung genannt) und machte sich dann auf den Weg zu seinen Mercedes C 216, der in der Garage stand, die mit zu der teuren Loft-Wohnung gehörte. * Es war früher Abend am Samstag der darauf folgenden Woche und Crocodile lag in der Badewanne. Doch obwohl das Wasser eine sehr angenehme Temperatur hatte und die Wanne so geräumig war, dass er seine Beine vollständig ausstrecken konnte (bei seiner Körpergröße keine Selbstverständlichkeit!), war er einfach nicht dazu in der Lage, sich zu entspannen. In zwei Tagen stand ihm das Vorstellungsgespräch bei diesem Bauunternehmen bevor und der Gedanke daran machte ihn nervös. Vor allen Dingen, weil es sich dabei um die einzige Einladung für ein Gespräch handelte, die er bisher erhalten hatte. Crocodile hatte zwar -seit er von seiner Kündigung vor ein paar Wochen erfahren hatte- bereits gut zwei Dutzend vielversprechender Bewerbungen abgeschickt, doch bisher nur wenig positive Rückmeldungen erhalten. Als Manager war es sehr schwierig so kurzfristig eine neue Arbeitsstelle zu finden; Crocodiles Hoffnung, schnell eine neue Anstellung ausfindig zu machen und auf keinen Fall arbeitslos zu werden, schien mit jeder Absage in weitere Ferne zu rücken. Während der Tag seiner endgültigen Entlassung immer näher kam. Crocodile schluckte und ließ sich ein Stück tiefer ins warme Badewasser gleiten. Doflamingo telefonierte gerade mit irgendwelchen Freunden und er hatte diese Gelegenheit genutzt, um sich ein wenig zurückzuziehen. Dass sein Partner ihn nervte, war nicht der Fall, doch Crocodile fiel es sehr schwer über seine Zukunft nachzudenken und Vorkehrungen zu treffen, während sich Doflamingo in seiner unmittelbaren Nähe befand. Zum Glück hatte er jedoch daran gedacht, von Zuhause seinen Laptop mitzunehmen und war darum auch hier dazu in der Lage, im Internet nach Stellenausschreibungen zu suchen, per Email Bewerbungen abzuschicken und die Absagen, die er erhielt, so schnell wie möglich zu löschen. Tatsächlich stammte die einzige gute Nachricht, die er in letzter Zeit erhalten hatte, von seinem Vermieter, der inzwischen auf seine Email reagiert hatte: Er durfte zum nächsten Monat hin ohne Kündigungsfrist ausziehen, während seine neue und überaus hochwertige Küche in der Loft-Wohnung verblieb. Als Entschädigung erhielt er Dreiviertel des ursprünglichen Kaufpreises. Dabei handelte es sich um knapp 23.000 Berry; Geld, das Crocodile gut gebrauchen konnte und bereits investiert hatte, um den Teil seiner vielen Schulden auszugleichen, den er nicht mehr länger aufschieben konnte. Crocodile seufzte. Er ließ ein wenig Wasser aus der Wanne ablaufen und schüttete dann heißes Wasser neu nach. Bisher hatte er nur einen sehr kleinen Teil seiner Schulden tilgen können. Dabei hatte er sich in letzter Zeit mit allen Mitteln darum bemüht, möglichst sparsam zu leben, damit er mehr Geld für für die Bezahlung seiner Gläubiger übrig hatte. Doch im Endeffekt hatte auch das nicht geholfen. Inzwischen war er -unter Anderem durch den Verkauf seiner Küche- etwa ein Fünftel seiner Schulden losgeworden. Was Crocodile allerdings kaum trösten konnte: Ob es sich nun um 550.550 Berry oder 450.000 Berry handelte, war ihm beinahe gleichgültig. Die neue Zahl klang in seinen Ohren fast genauso wie die alte und änderte an seiner Gesamtsituation rein gar nichts. Außerdem würde er zum nächsten Monat hin obdachlos sein -und das war schon in einer Woche-, wenn er nicht geschwind eine neue und vor allem preisgünstige Wohnung fand. Oder tatsächlich dauerhaft hier einzog. Crocodile schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich das Gesicht seines Partners vorzustellen. Doflamingo hatte ihn seit ihrem Essen im Flying Lamb kein weiteres Mal auf das Thema Zusammenziehen angesprochen. Diese Tatsache stimmte Crocodile nachdenklich. Er konnte nur schwer einschätzen, ob Doflamingo seinen Vorschlag inzwischen selbst wieder verworfen hatte oder er seinen Partner einfach bloß nicht bedrängen wollte. Nachdem Crocodile eine Weile darüber nachgedacht und verschiedene Argumente gegeneinander abgewogen hatte, kam er zu dem Schluss, dass wahrscheinlich letztere Möglichkeit der Fall war. Doflamingo hatte zwar keine direkten Andeutungen zu diesem Thema gemacht, doch er schien sich über Crocodiles dauerhafte Anwesenheit in seiner Villa sehr zu freuen. Anstatt sich zurückzuziehen oder unterschwellig aggressiv zu reagieren, wenn sein Freund in der Nähe war, verbrachte er so viel Zeit wie nur möglich mit ihm und war meistens sehr gut gelaunt. Eigentlich hatte er gar keine andere Wahl als bei Doflamingo einzuziehen, dachte Crocodile und ließ seine Hand in kreisenden Bewegungen durch das warme Badewasser gleiten. Innerhalb einer Woche würde er mit Sicherheit keine vernünftige Wohnung finden. Außerdem war es sowieso ausgeschlossen, dass er in eine Wohnung ziehen würde, die seinem derzeitigen Lebensstil entsprach. Das ließ seine finanzielle Situation nicht zu. Und genau das war der springende Punkt. Crocodile seufzte. Wenn er in eine günstigere Wohnung zog, dann würde sein Partner merken, dass er gekündigt worden war. Und das wollte Crocodile noch immer unter allen Umständen vermeiden. Lieber zog er da mit ihm zusammen, auch wenn er das eigentlich noch gar nicht wollte und dadurch vor allen Dingen noch weitere Kosten auf ihn zukommen würden. Jedenfalls ging Crocodile davon aus, dass eine Menge weiterer Schulden durch ihren Zusammenzug entstehen würden. Sie hatten zwar bisher noch nicht über die Finanzierung dieser Sache gesprochen, doch für Crocodile käme es auf gar keinen Fall infrage, kostenfrei bei seinem Freund zu wohnen. Das ließ sein Stolz einfach nicht zu. Und die Villa, in der Doflamingo hauste, hatte 20.000.000 Berry gekostet. Zwanzig Millionen Berry, dachte Crocodile und ließ sich diese Zahl auf der Zunge zergehen. Sein Partner glaubte doch nicht allen Ernstes, dass er innerhalb kurzer Zeit die Hälfte dieses Betrags aufbringen konnte, oder? Doflamingo überschätzte seine finanzielle Situation, schoss es Crocodile da durch den Kopf. Er dachte, er würde als Bankmanager viele Millionen verdienen; und zwar nicht im Jahr, sondern im Monat. Deswegen hatte er ihm dieses Angebot gemacht. Weil er davon ausging, dass er eine Summe von 10.000.000 Berry leicht aufbringen konnte. Dieser Gedanke versetzte Crocodile einen Stich in sein Herz. Wenn sein Partner davon ausging, dass er nicht nur wohlhabend, sondern schwer reich war, schlussfolgerte Crocodile, dann würde er umso enttäuschter sein, sollte er jemals herausfinden, dass er seine Arbeit verloren hatte und überschuldet war. Crocodile schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Der angenehme Duft der teuren Badeöle, die er ins Wasser gegossen hatten, stiegen ihm in die Nase. Für ihn war es ganz klar, was er tun musste: Weiterhin den Schein wahren! Doflamingo durfte niemals von seiner derzeitigen Situation erfahren! Crocodile schluckte. Sogar, wenn er dafür weitere Schulden in Kauf nehmen musste. Er liebte Doflamingo mehr als er in seinem Leben jemals irgendeinen Mann geliebt hatte. Und er wollte ihn nicht verlieren! Vielleicht würde sich ja doch noch alles zum Guten wenden, dachte Crocodile. Vielleicht lief sein Vorstellungsgespräch am Montag ja unglaublich gut. Vielleicht wurde er gleich übernächsten Monat als neuer Manager dieser Baufirma eingestellt. Vielleicht bekam er ja gleich von Anfang an eine so wunderbare Bezahlung, dass er innerhalb kürzester Zeit all seine Schulden begleichen konnte! Es legte sich ein verzweifeltes Grinsen auf Crocodiles Lippen. Crocodile beschloss gerade in dem Augenblick sein Bad zu beenden und aus der Wanne zu steigen, als sich plötzlich unangemeldet die Türe zum Badezimmer öffnete und Doflamingo eintrat. Mit einem verärgerten Brummlaut glitt Crocodile zurück ins das lauwarme Badewasser und warf seinem Freund einen vorwurfsvollen Blick zu. „Wenn du wirklich möchtest, dass ich bei dir einziehe, dann solltest du dir angewöhnen anzuklopfen, bevor du ein Badezimmer betrittst", rutschte es ihm heraus, ehe er die Chance hatte, über diese unglückliche Wortwahl nachzudenken. Doflamingo allerdings schien sich gar nicht weiter daran zu stören und nahm die Sache mit Humor. „Stell dich doch nicht so an", meinte er und winkte ab, während er näherkam, „ich habe dich schon hundertmal nackt gesehen." „Trotzdem!", erwiderte Crocodile mürrisch. „Ich lege viel Wert auf meine Privatsphäre. Das solltest du respektieren!" Es ärgerte ihn, dass sein Freund es wieder einmal nicht über sich brachte, sich bei ihm zu entschuldigen, sondern stattdessen bloß sein Fehlverhalten herunterspielte. "Was machst du überhaupt hier? Wolltest du nicht mit irgendeinem Freund telefonieren?" Erst jetzt bemerkte er, dass Doflamingo sein Handy in der Hand hielt. „Stimmt", antwortete dieser. Inzwischen war er an dem Rand der Badewanne angelangt und ließ sich auf den Fußboden sinken. Da die Wanne allerdings im Boden eingelassen war, überragte er Crocodile auch im Sitzen noch um einiges. „Und genau deswegen bin ich hier. Ein paar meiner Freunde wollen heute Abend ausgehen. Du weißt schon, in einen Club. Und sie fragen, ob du und ich uns ihnen anschließen wollen." „Du willst, dass ich mit dir und deinen Freunden in einen Nachtclub gehe?" Mit einem solchen Angebot hatte Crocodile überhaupt nicht gerechnet. Er hatte den Großteil von Doflamingos Freunden zwar schon bei der einen oder anderen Gelegenheit gesehen gehabt, doch hatte eigentlich nur recht wenig mit diesen Leuten zu tun. „Klar", bestätigte sein Partner. „Wieso denn nicht? Ich dachte mir, da wir letztes Wochenende deine Geschwister getroffen haben, könnten wir dieses Wochenende etwas mit meinen Freunden unternehmen." „Ich kenne deine Freunde doch schon", hielt Crocodile dagegen, obwohl diese Aussage so nicht ganz stimmte. Er wusste zwar ihre Namen und konnte sie den entsprechenden Gesichtern zuordnen, doch wirklich kennen tat er eigentlich keinen von ihnen. Dies war allerdings nicht der einzige Grund, wieso er heute Abend nicht ausgehen wollte. Viel eher lag es daran, dass, wenn jemand wie Donquixote Doflamingo mit seinen Freunden ausging, der Abend meistens sehr teuer wurde. Denn natürlich kamen nur die allerbesten und teuersten Clubs für einen Besuch infrage. Und Crocodile hatte nicht vor, ungeheuer viel Geld für eine Nacht in einem blöden Club auszugeben. Er tanzte sowieso nicht gerne und allzu viel Alkohol vertrug sein empfindlicher Magen auch nicht. Auf der anderen Seite wäre es jetzt sicher nicht ratsam, Doflamingo zu enttäuschen oder sogar einen Streit heraufzubeschwören. Nicht, wenn vorhatte, in einer Woche bei diesem einzuziehen und außerdem den Schein des neureichen Bankmanagers zu wahren. Also seufzte Crocodile leise auf und beschloss erneut, kleinbei zu geben. „Ja, aber ich möchte gerne, dass du sie besser kennenlernst“, fuhr Doflamingo fort. „Sie sind nämlich oft bei mir zu Besuch und ich möchte, dass du sie kennst, wenn du demnächst hier einziehst. Vielleicht findest du sie ja sympathisch und dann könnte man öfter mal etwas zusammen unternehmen. Ich fände es super klasse, wenn ihr euch gut verstehen würdet." „Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass wir uns einen schönen Abend zu zweit machen wollten", sagte Crocodile, "aber na gut, dann gehen wir eben in den Club. Wann soll es denn los gehen? Ich brauche ja auch noch Zeit, um mich fertig zu machen; sitze immerhin gerade noch in der Badewanne." „Klasse!", jubelte Doflamingo. „Und keine Sorge, du hast mehr als genug Zeit, um dich fertig zu machen. Wir wollen erst so gegen Mitternacht los." Er zögerte für einen kurzen Moment und fügte dann hinzu: „Als Entschädigung machen wir beide uns einfach morgen einen schönen Tag zu zweit, in Ordnung? Ich verspreche es dir." „In Ordnung", erwiderte Crocodile. „Sag mal, ist das Badewasser eigentlich noch warm?" „Nur noch lauwarm, ich wollte das Bad gerade beenden“, antwortete Crocodile, der bereits eine üble Vermutung hatte, worauf sein Freund hinaus wollte. „Dann gieß heißes Wasser nach“, meinte dieser, während er sein Hemd aufknöpfte und den Gürtel seiner Hose öffnete. Zuletzt legte er seine Sonnenbrille ab. „Ich muss nämlich auch noch baden.“ Crocodile unterdrückte ein Seufzen und tat stattdessen wie ihm geheißen. Außerdem goss er noch ein paar weitere Badeöle in das Wasser. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust auf ein gemeinsames Bad mit Doflamingo (schließlich war er hierher gekommen, um sich ein wenig zurückzuziehen), doch allem Anschein nach hatte er keine Wahl, was das anging. Zumindest nicht, wenn er nächste Woche mit seinem Partner zusammenziehen wollte und darum jede aufkommende Streitigkeit verhindern musste; koste es, was es wolle. Doflamingo ließ sich ihm gegenüber in die geräumige Badewanne gleiten und seufzte wohlig auf. „Das Wasser hat genau die richtige Temperatur“, meinte er, während er ihm unverwandt ins Gesicht sah. „Wir sollten öfter zusammen ein Bad nehmen.“ „Wenn du meinst“, erwiderte Crocodile und wich dem Blick dem Blick seines Freundes aus. Wie immer, wenn dessen Augen nicht durch die getönten Gläser der Sonnenbrille verdeckt waren, hatte er das seltsame Gefühl geröntgt zu werden. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Doflamingo verwundert und misstrauisch. „Du wirkst so komisch.“ „Nein, mit mir ist alles okay“, antwortete Crocodile, während er seine Augen schloss und sich ein wenig tiefer in das warme Badewasser gleiten ließ. Dabei berührten seine Füße die Beine seines Partners, doch keiner von ihnen beiden schenkte diesem Kontakt besondere Aufmerksamkeit. „Bist du dir da sicher?“, hakte Doflamingo nach, den er mit seinen Worten allem Anschein nach nicht so recht hatte überzeugen können. „Wenn du... Also, wenn du keine Lust hast, heute Abend auszugehen, dann können wir auch Zuhause bleiben. Dann sage ich meinen Freunden ab und wir machen das eben ein anderes Mal. Ich möchte nicht, dass du dich wegen mir dazu verpflichtet fühlst, mitzukommen.“ „Nein, es ist schon gut“, erwiderte Crocodile. Und als er bemerkte, dass seine Worte noch immer bloß recht halbherzig klangen, fügte er hinzu: „Ich fühle mich heute ein bisschen unwohl. Du weißt schon, mein Magen macht mir etwas zu schaffen. Aber das vergeht bis heute Abend sicher wieder.“ „Oh, okay.“ Diese Erklärung schien Doflamingo glücklicherweise zu glauben. Crocodile schob es in letzter Zeit häufig auf irgendwelche Probleme mit seinem Magen, wenn er seine schlechte Laune vertuschen wollte, und bisher hatte Doflamingo ihm diese Lüge jedes Mal vorbehaltlos abgekauft. Jedenfalls entspannte sich seine Körperhaltung und er begann damit, unter Wasser mit seiner Hand über Crocodiles Fuß und Unterschenkel zu streicheln. Crocodile ließ sich dieses Verhalten gefallen, obwohl er im Augenblick nicht in der Stimmung für Sex war. Denn dass sein Partner darauf hinauswollte, war für ihn absolut eindeutig. Doflamingo wollte einfach immer Sex haben, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und Crocodile befand sich derzeit absolut nicht in der Position, um ihm diesen Wunsch verwehren zu können. „Mir fällt da eine Möglichkeit ein, wie ich dich von deinen Magenschmerzen ablenken könnte“, raunte Doflamingo und ließ seine Hand das Bein seines Partners hoch wandern. Crocodile legte den Kopf in den Nacken und bemühte sich darum, seine Muskeln zu entspannen. Da er den Geschlechtsverkehr jetzt sowieso nicht mehr verhindern konnte, machte es keinen Sinn, schlecht gelaunt und verkrampft dazuliegen. Das würde nur zu vermeidbaren Schmerzen führen. „Ach ja?“, erwiderte Crocodile, weil er seinem Freund das Gefühl geben wollte, dass er mitspielte. „Worum handelt es sich denn genau bei dieser Möglichkeit?“ Doflamingo grinste und streichelte mit seinen Fingerspitzen sanft über die Innenflächen der Oberschenkel seines Partners. Crocodile stöhnte leise und genießerisch. Zumindest schien Doflamingo heute Lust auf sanften und gefühlvollen Sex zu haben, dachte sich Crocodile, das würde es ihm leichter machen und weniger Schmerzen bereiten. Er hatte seine Augen noch immer geschlossen, wodurch ihm das warme Badewasser und die sanften Berührungen noch angenehmer erschienen. „Das wirst du noch sehen“, sagte Doflamingo. „Ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird, also lehn dich einfach entspannt zurück und lass mich mal machen.“ Damit konnte er sich durchaus arrangieren, dachte Crocodile, und folgte der Aufforderung seines Partners. Er spürte, dass Doflamingo näher zu ihm heran rückte und nun beide Hände über seine Oberschenkel und Hüften gleiten ließ. Erst nach ein paar Minuten, in denen er in kreisenden Bewegungen sanft über die Haut seines Gegenübers gefahren war, griff er nach dessen halb aufgerichtetem Glied und pumpte es langsam. Gegen seinen Willen entschlüpfte seiner Kehle ein sinnliches Stöhnen, welches Doflamingo mit intensiveren Pumpbewegungen belohnte. Crocodile reckte sich ihm entgegen und genoss wider seiner Erwartungen das überaus lustvolle Verwöhnprogramm, das sein Partner ihm zuteil werden ließ. Als er für einen kurzen Moment seine Augen wieder öffnete, sah er, dass Doflamingo überdies nach seinem eigenen Glied gegriffen hatte und dieses im selben Rhythmus pumpte wie das seines Freundes. Crocodile streckte die rechte Hand aus, um Doflamingo die Arbeit abzunehmen und bemühte sich darum, den Rhythmus fortzusetzen, der ihm vorgegeben worden war. Für eine Weile erfüllten Lustgeräusche aus ihren beiden Mündern das Badezimmer, während sie sich gegenseitig die Glieder pumpten und rieben. Irgendwann drückte Doflamingo die Hand seines Partners mit leichter Gewalt von sich fort. Auf den verwirrten Blick, dem Crocodile ihn daraufhin zuwarf, erwiderte er: „Du bist hier derjenige, der Magenschmerzen hat, oder nicht? Es war schön eben, aber jetzt kannst du mich wieder die Arbeit machen lassen.“ Crocodile überkam ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken daran, dass seine angeblichen Magenschmerzen bloß erfunden waren, doch schob die Schuldgefühle schnell beiseite, als er eine Hand seines Partners an seinem Hintern spürte, während die andere weiterhin sein Glied pumpte. Doflamingo hob ihn auf seinen Schoß und Crocodile schmiegte den Kopf an seine Halsbeuge. In dieser Position fühlte er sich sehr geborgen; außerdem entspannte ihn das angenehm warme Badewasser. Als er den ersten Finger an seinem Eingang spürte, knabberte und saugte er intensiv am Hals seines Freundes, was diesen allerdings nicht zu stören schien. Anstatt sich um die dunklen Flecke zu scheren, die Crocodile der Haut an seinem Hals zufügte, ließ Doflamingo sanft seinen Finger durch die Spalte seines Partners gleiten. Er quälte ihn ein wenig, indem er nicht sofort in ihn eindrang, sondern erst noch seine Finger sanft um den engen Eingang gleiten ließ. Erst, als Crocodile glaubte, durch diese Folter schier verrückt zu werden und Doflamingo in den Hals biss, erbarmte sich dieser und drang schließlich langsam mit einem Finger in ihn ein. Crocodile keuchte laut in die Halsbeuge seines Partners hinein, als dieser ihn im selben Rhythmus fingerte, mit dem er sein Glied pumpte. Hitze breitete sich ausgehend von seinem Unterleib in seinem gesamten Körper aus und bald konnte er gar nicht mehr anders, als durchgehend zu stöhnen und zu wimmern. „Hast du immer noch Magenschmerzen?“, fragte Doflamingo, um ihn ein wenig zu ärgern, während er ihm seinen Finger entzog und das Pumpen seines Glieds einstellte. „Ja!“, meinte Crocodile sofort und wünschte sich bloß, sein Partner würde endlich weitermachen und ihn zum Höhepunkt bringen. „Furchtbare Magenschmerzen! Du musst unbedingt weitermachen! Und dir noch viel mehr Mühe geben, um mich von meinen Schmerzen abzulenken, denn die sind wirklich unerträglich! Los! Mach weiter!“ Doflamingo grinste und erfüllte ihm seinen Wunsch. „Wie du willst, Crocobaby“, sagte er und drang nun mit zwei Fingern in ihn ein. Für Crocodile, der dieses Gefühl natürlich kannte, war das absolut kein Problem; vor allem Dingen nicht in dem warmen und wohlduftenden Badewasser, dass seine Muskeln entspannte. Es verging kaum eine halbe Minute, ehe er Doflamingo deutlich machte, dass dieser fortfahren sollte. Crocodile ließ vom Hals seines Partners ab, der ihn in einen leidenschaftlichen Kuss verfing, während er mit der einen Hand Crocodiles Glied pumpte und mit der anderen seinen Eingang fingerte. Crocodile hatte das Gefühl zu verglühen. Die Hitze, die sich prickelnd in seinem Körper ausbreitete, wurde fast unerträglich. Als Doflamingos Finger schließlich seine Prostata fanden und bei jedem Stoß mit ihren Spitzen dagegen stießen, hielt er es sich nicht mehr länger aus. Er wollte seinen Partner vor seinem Orgasmus warnen, doch leider nahm dieser noch immer seine Lippen in Beschlag und schien gar nicht daran zu denken, ihren Kuss aufzulösen; darum blieb Crocodile schlussendlich nichts anderes übrig, als laut in Doflamingos Mund hineinzustöhnen und diesem in die stechend grünen Augen zu schauen, während er sich in sieben oder acht Schüben teils auf ihre beiden Oberkörper, teils ins warme Badewasser ergoss. Nachdem sein Höhepunkt ein wenig abgeklungen war und er wieder einigermaßen gleichmäßig atmen konnte, rückte Crocodile ein Stück von Doflamingo ab und lehnte sich nach hinten gegen die Wand der im Boden eingelassenen Badewanne. Er fühlte sich gerade einfach bloß wahnsinnig gut. Sein Kopf war wie leergefegt und seine Haut prickelte ein wenig. Der einzige Negativpunkt war -wie immer- sein ein wenig schmerzender Hintern, doch das noch immer warme Badewasser tat sein Bestes, um seine wunden Muskeln zu entspannen. Ihn störte zwar ein wenig der Gedanke, dass sein Sperma mit in dem Wasser umherschwappte, doch durch den vielen Schaum konnte er es zum Glück nicht sehen. Crocodile goss sich eine handvoll Badewasser über den Oberkörper, um auch die Reste des Spermas, die auf seiner eigenen Brust gelandet waren, fortzuspülen. „Sind deine Magenschmerzen jetzt weg?“, fragte Doflamingo, der ihn grinsend vom anderen Ende der Wanne aus beobachtete. „Ja, definitiv“, antwortete Crocodile. Er wollte gerade die Augen schließen und das Bad für ein paar weitere Minuten genießen, ehe er aus der Wanne stieg, als ihm einfiel, dass sein Partner sicherlich noch erregt war und von ihm erwartete, dass er nun seinen Teil der Arbeit erledigen würde. Also rückte Crocodile wieder näher an Doflamingo heran und streckte seine Hand aus, um dessen noch immer hartes Glied zu pumpen; seine Initiative wurde mit genießerisch klingenden Stöhnlauten belohnt. Er verwöhnte für vier oder fünf Minuten lang den Penis seines Partners, während dieser seine Augen schloss und sich entspannt zurücklehnte. Als Crocodile sich allerdings positionierte, um sich auf das erigierte Glied niederzulassen, drückte Doflamingo ihn mit sanfter Gewalt fort. Zum zweiten Mal an diesem Abend warf Crocodile ihm einen verwunderten Blick zu. „Willst du keinen Sex haben?“, fragte er. Zu seiner Überraschung schüttelte Doflamingo den Kopf. „Lieber einen Blowjob“, erklärte er. „Okay“, erwiderte Crocodile und war sich nicht sicher, was er von dieser Aussage halten sollte. Es war in ihrer Beziehung bisher nur sehr selten vorgekommen, dass Doflamingo angebotenen Geschlechtsverkehr ablehnte. Normalerweise konnte er gar nicht genug Sex bekommen. „Aber in der Badewanne einen Blowjob zu geben, ist ziemlich schwierig.“ „Dann steigen wir eben aus der Wanne.“ „Na gut.“ Sie kletterten beide aus der im Boden eingelassenen Wanne; Doflamingo richtete sich völlig auf, während Crocodile sich hinkniete und dessen Glied in den Mund nahm. Da er seinen Partner eben bereits mit der Hand vorbereitet hatte, ging er davon aus, dass dieser Blowjob nicht allzu lange dauern würde. Worüber er -ehrlich gesagt- sehr froh war, denn seine eigene Lust war inzwischen nicht mehr sonderlich groß und außerdem war ihm kalt. Das Badewasser war zwar warm gewesen und er hatte vor dem Bad die Fußbodenheizung eingeschaltet, doch er hatte keine Gelegenheit, gehabt sich abzutrocknen. Und Crocodile war ein Mensch, der sehr leicht fror. Gerade begann er zu saugen, als er spürte, wie ihm ein großes und weiches Handtuch um die Schultern gelegt wurde. Konfus blickte er nach oben und sah in Doflamingos Gesicht. Sein Partner beobachtete ihn, während er ihn blies. Die eine Hand hatte er fest in Crocodiles Haar vergraben; mit der anderen hielt er das Handtuch, das er ihm umgelegt hatte, an Ort und Stelle fest. Crocodile erhöhte die Geschwindigkeit seiner Kopfbewegung und presste seine Zunge so fest wie möglich an die Unterseite des Glieds, das er gerade im Mund hatte. Es dauerte keine Minute, bis Doflamingo den Griff in seine Haare verstärkte und dann leise stöhnend zum Orgasmus kam. Crocodile zwang sich dazu, den Penis seines Freundes im Mund zu behalten, während dieser sich darin ergoss, doch spuckte das Sperma energisch aus, kaum war der Höhepunkt vorüber. Er konnte sich einfach nie dazu überwinden, dieses widerliche Zeug zu schlucken; ganz gleich, mit welchen Argumenten ihn Doflamingo zu überreden versuchte. „Hmmm, das war gut“, sagte sein Partner mit matter Stimme, als er sich wieder gesammelt hatte. „Stimmt“, gab Crocodile ihm Recht und steuerte die Dusche an. Obwohl er ein Bad genommen hatte, fühlte er sich nicht sauber - nicht nachdem, was sie beide gerade eben getan hatten. „Ich könnte auch eine Dusche vertragen“, meinte Doflamingo und folgte ihm in die Duschkabine, die beinahe ebenso geräumig wie die Badewanne war. Crocodile machte es nichts aus, dass sich sein Freund selber einlud. Da dieser bereits zum Orgasmus gekommen war, musste er nicht fürchten, in der Dusche begrabscht zu werden. Doflamingo war zwar ein großer Fan von Sex in der Dusche (vor allen Dingen morgens, wie Crocodile bereits festgestellt hatte) doch er selbst konnte dem nichts allzu viel abgewinnen. Er fand ein weiches Bett oder eine gemütliche Couch angebrachter. Aber da gingen die Geschmäcker eben auseinander. „Warum wolltest du eigentlich keinen Sex haben?“, fragte Crocodile, während sie zu zweit unter der Dusche standen. „Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ Er wusste zwar selbst nicht genau wieso, doch seltsamerweise ließ ihn diese Frage nicht los. Vielleicht lag es daran, dass sein Partner sich schrecklich untypisch verhielt, indem er ihn ablehnte. Und das verunsicherte ihn. „Wir hatten doch Sex“, erwiderte Doflamingo unbekümmert und seifte sein Haar mit Shampoo ein. „Du weißt, was ich meine“, erwiderte Crocodile spitz. Es ärgerte ihn, dass sein Freund so tat, als wüsste er nicht, worauf er hinauswollte. „Richtigen Sex. Penetration.“ „Du bist also der Meinung, dass es sich nur dann wirklich um Sex handelt, wenn ich meinen Schwanz in deinen Arsch hineinstecke?“ „Sag das nicht so ungeniert!“, wies Crocodile ihn zurecht. Er spürte, dass er rot im Gesicht wurde und drehte sich von Doflamingo weg, der die Röte allerdings bereits gesehen hatte und leise kicherte. Er könnte sich nie so ungehemmt über Geschlechtsverkehr unterhalten. „Aber wie auch immer. Ja. Es war kein richtiger Sex. Wieso wolltest du nicht?“ Doflamingo stieg aus der Duschkabine und trocknete sich ab; Crocodile folgte ihm. „Das heißt also“, sagte er, „auch wenn ich dir einen Blowjob gebe oder dich fingere oder dir sogar Sextoys in den Arsch schieben würde, dann würdest du sagen, dass wir keinen Sex gehabt hätten? Einfach bloß, weil mein Schwanz nicht in dir drin gewesen ist? Findest du das nicht ein bisschen kleinkariert?“ „Ich habe dir gesagt, dass du dich nicht so ausdrücken sollst!“, meinte Crocodile und schlüpfte in seinen Bademantel (Doflamingo hatte ihm einen besorgt, als er einmal angemerkt hatte, dass ihm seiner fehlte, den er leider bei sich Zuhause vergessen hatte). „Und wechsle nicht das Thema! Wenn es irgendeinen Grund dafür gibt, dass du keinen Lust auf Sex hattest, dann will ich den wissen.“ Doflamingo grinste und sah ihm dabei zu, wie er sich die Haare trocknete. „Eigentlich hatte ich schon Lust darauf“, antwortete er schließlich, „aber ich habe mich aus Rücksicht auf dich zurückgehalten.“ „Aus Rücksicht auf mich?“ Crocodile verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Was meinst du denn damit?“ „Naja, wenn wir jetzt Sex gehabt hätten, dann hätte dir sicher den ganzen Abend lang dein Arsch wehgetan“, erklärte Doflamingo. „Vor allen Dingen, wenn wir es ohne richtiges Gleitgel getan hätten. Und außerdem hattest du ja sowieso schon Magenschmerzen. Darum wollte ich dir das nicht zumuten; nicht, wenn wir heute Abend in einen Club gehen. Das hätte dir doch den ganzen Spaß verdorben.“ „Wirklich?“, fragte Crocodile nach. Er war sich nicht sicher, ob er dieser Erklärung Glauben schenken wollte oder nicht. „Und wann bist du zum rücksichtsvollen Menschen geworden? So kenne ich dich ja gar nicht.“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Naja, du hast doch gesagt, ich soll nicht immer nur an mich denken, oder? Du weißt schon, als wir diesen Streit wegen dieser blöden Schnepfe in deinem Büro hatten. Du hast gesagt, dass ich zu wenig an deine Bedürfnisse denke, sei das größte Problem in unserer Beziehung. Deswegen versuche ich mich in dieser Hinsicht zu ändern. Und auch öfter mal an dich zu denken.“ „Sie ist keine blöde Schnepfe, sondern heißt Tashigi und ist ein sehr liebes Mädchen“, meinte Crocodile, „aber was das Andere angeht, bin ich wirklich positiv überrascht.“ Das war er tatsächlich. Sein Freund verhielt sich ihm gegenüber zwar meistens liebevoll und fürsorglich, dennoch hatte Crocodile stets das Gefühl, dass immer Doflamingo selbst im Zentrum seiner Gedanken und Entscheidungen stand und alle anderen -inklusive seinem Partner- bloß zweitrangig waren. Damit, dass Doflamingo sich aus Rücksicht auf ihn zurückhielt, hätte Crocodile niemals gerechnet. Vor allen Dingen nicht, was den Sex anging. Auch wenn ihm natürlich bereits aufgefallen war, dass sein Freund sich in dieser Hinsicht in letzter Zeit ein wenig verändert hatte: Inzwischen ging er den Sex weniger ungeduldig und auch weniger egozentrisch an. Crocodile fragte sich, was dieser Sinneswandel wohl zu bedeuten hatte. Vielleicht wollte Doflamingo ihm beweisen, dass er ihre Beziehung wirklich ernst meinte, schoss es ihm durch den Kopf. Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte (wenn seine Vermutung tatsächlich zutraf.) Auf der einen Seite freute er sich darüber, dass er für Doflamingo nicht bloß irgendein Spielzeug oder einen netten Zeitvertreib darstellte und er ihre Beziehung nicht auf die leichte Schulter nahm, doch auf der anderen Seite verunsicherte und verängstigte ihn diese Vorstellung auch. Denn wenn Doflamingo es tatsächlich ernst mit ihnen beiden meinte, dann tat er ihm unglaubliches Unrecht an, indem er ihn jeden Tag anlog. Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Er war sich dessen bewusst, dass man in einer wirklich ernsten Beziehung immer ehrlich zueinander sein sollte. Und er log seinen Partner wegen so vieler Dinge an: seinem Job, seinen Finanzen, seiner Wohnsituation. Außerdem schob er ständig angebliche Magenschmerzen vor, wenn er wieder einmal schlecht gelaunt war. Ob Doflamingo ihm jemals verzeihen könnte, sollten diese Lügen eines Tages ans Licht kommen? Crocodile schluckte. Er konnte diese Frage nicht unzweifelhaft beantworten. Und darum blieb ihm keine andere Wahl, als zu verhindern, dass diese schreckliche Situation jemals eintreten würde! „Ist alles in Ordnung mit dir?“, riss ihn die Stimme seines Partners aus seinen Gedanken; Crocodile schreckte auf. „Du wirkst so komisch. Hast du immer noch Probleme mit deinem Magen? Wenn es heute so schlimm ist, dann können wir auch Zuhause bleiben. Ich möchte nicht, dass du dich quälst.“ „Schon gut, mein Magen ist okay“, sagte Crocodile sofort. „Ich bin eben bloß ein bisschen mit meinen Gedanken abgeschweift.“ „Wirklich?“ „Wirklich. Ich verspreche es dir. Es ist alles in Ordnung. Unserem Abend im Club steht nichts im Wege!“ „Gut“, meinte Doflamingo. „Aber wenn dein Magen doch noch Probleme machen sollte, dann sagst du es mir, ja?“ Crocodile nickte und zum Glück schien sich sein Freund damit zufrieden zu geben. Anstatt weiter auf diesem Thema herumzureiten, begann er vom bevorstehenden Abend zu schwärmen: „Ich bin mir sicher, dass es dir Spaß machen wird. Meine Freunde sind coole Leute. Ein bisschen kennst du sie ja schon. Das wird garantiert eine total klasse Nacht! Ich kann es kaum erwarten! Wir gehen viel zu selten zusammen in den Club, findest du nicht, Wani?“ „Naja“, war der einzige Kommentar, den Angesprochener über die Lippen brachte. Er war bisher nur recht selten gemeinsam mit Doflamingo in den Club oder in eine Bar gegangen. Crocodile wusste zwar, dass sein Freund sehr gerne tanzte und trank, doch für ihn war weder das eine noch das andere etwas. Darum ging Doflamingo zumeist mit seinen Freunden und ohne Crocodile aus. Ihn störte das nicht. Er vertraute darauf, dass sein Partner keine Dummheiten anstellte und verbrachte den Abend stattdessen lieber mit seinen eigenen Freunden (von denen er nicht allzu viele besaß, wenn er ehrlich war), seinen Geschwistern oder in Ruhe ganz allein. Dennoch oder womöglich genau deswegen hatte Crocodile ein äußerst ungutes Gefühl, was den bevorstehenden Abend anging. Hoffentlich würde er nicht in einem völlig Desaster enden, dachte er, ehe er gemeinsam mit Doflamingo das Badezimmer verließ. * „Möchtest du noch etwas essen, bevor wir losgehen?“, fragte ihn sein Freund. „Es ist nicht gerade vorteilhaft, wenn man auf nüchternen Magen trinkt. Dann schlägt der Alkohol nämlich gleich doppelt so heftig zu. Aber das weißt du ja sicherlich.“ „Ach, ich habe gerade keinen Hunger“, erwiderte Crocodile. „Und außerdem habe ich sowieso nicht vor, viel zu trinken.“ Sie befanden sich gerade beide im begehbaren Kleiderschrank von Doflamingo und suchten sich die Kleidungsstücke heraus, die sie heute Abend tragen wollten. Da die Villa, in der sein Partner wohnte, groß genug war und dieser eine riesige Menge Kleidung besaß, hatte er sich einen eigenen Raum eingerichtet, der nur für die Unterbringung seiner Garderobe bestimmt war. Und allein dieser begehbare Kleiderschrank war etwa halb so groß wie Crocodiles komplette Loft-Wohnung. Es erstaunte ihn immer wieder, wie viel reicher sein Freund als er doch war und wie viel luxuriöser er lebte. Crocodile besaß zwar selbst ebenfalls einen begehbaren Kleiderschrank (diesen kleinen Luxus gönnten sich inzwischen recht viele Menschen), doch dabei handelte es sich nur um ein relativ kleines Zimmer, das nicht einmal an sein Schlafzimmer angrenzte. „Wieso denn nicht?“, fragte Doflamingo nach und hielt sich abwechselnd zwei verschiedene Hemden gegen die Brust, die der Ansicht seines Partners nach allerdings beide absolut gleich furchtbar aussahen. Da sie heute Abend in einen Club gehen wollten, schien Doflamingo der Meinung zu sein, er müsste sich ganz besonders exzentrisch kleiden. „Verträgt dein Magen nicht so viel Alkohol?“ „Ähm, das ist nicht so sehr das Problem“, meinte Crocodile ausweichend. Inzwischen fühlte er sich fast jedes Mal schuldig und schlecht, wenn sie über seinen empfindlichen Magen sprachen, selbst wenn es sich diesmal sogar um die Wahrheit handelte: Tatsächlich vertrug er die meisten alkoholischen Getränke nicht gut; vor allen Dingen Bier (wegen der Kohlensäure) oder Getränke mit hohem Zuckeranteil. Häufig wurde ihm schon schlecht dabei, wenn er seinem Partner nur dabei zusah, wie dieser sich einen besonders süßen Cocktail bestellte. Normalerweise trank er bloß gelegentlich mal ein Glas Wein. Oder Wodka mit Orangensaft, schoss es Crocodile durch den Kopf und sofort spürte er, wie ihn sein schlechtes Gewissen zu beißen begann. Seit er bei Doflamingo eingezogen war, hatte er zwar keinen harten Alkohol mehr angerührt, doch er schämte sich noch immer wegen der vielen Drinks, die er sich damals in seiner Verzweiflung gegönnt hatte. Eigentlich verabscheute er es nämlich abgrundtief, wenn Menschen harten Alkohol tranken. Er hatte dem niemals viel abgewinnen können; zumindest nicht, bis er von seiner Kündigung und seinen Schulden erfahren hatte. „In welchen Club geht es heute Abend eigentlich?“, fragte Crocodile, um das Thema zu wechseln. „Haben du und deine Freunde sich da schon entschieden? Oder machen wir das ganz spontan?“ Während er sprach, griff er nach einem dunkelgrünen Hemd und schlüpfte hinein. (Doflamingo hatte -gleich nachdem er zugestimmt hatte, für drei Wochen bei ihm einzuziehen- seinen Kleiderschrank ausgemistet und Platz geschaffen für die Kleidungsstücke, die sein Partner mitbrachte.) „Wir gehen ins Skypia“, antwortete Doflamingo unbekümmert. „Das ist ein exklusiver Club. Ich weiß nicht, ob du ihn kennst. Er liegt nämlich nicht im Stadtkern, sondern etwas weiter außerhalb. Aber ich bin mir sicher, dass es dir dort gefallen wird.“ „S-skypia?!“ Crocodile stockte in seiner Bewegung und warf seinem Freund einem völlig entsetzten Blick zu. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand unerwartet einen heftigen Schlag in den Magen verpasst. Als er schlucken wollte, musste er feststellen, dass sein Mund staubtrocken war; es gelang ihm nicht, auch nur ein paar Tropfen Speichel unter der Zunge hervorzukramen. Doflamingo warf ihm einen verwunderten und misstrauischen Blick zu. „Ja. Wieso? Kennst du den Club?“ Crocodile zögerte für einen kurzen Moment, ehe er sagte: „Ähm, um ehrlich zu sein: ja.“ „Du wirkst plötzlich so komisch“, meinte Doflamingo. Er hielt noch immer die beiden furchtbaren Hemden in der Hand. „Ist es ein Problem für dich, dass wir ins Skypia gehen?“ „Nein“, erwiderte Crocodile sofort. „Nein, natürlich nicht.“ Und weil er spürte, dass er seinen Partner mit diesen recht halbherzig gesprochenen Worten nicht überzeugen konnte, fügte er noch hinzu: „Es ist nur so, dass ich schon einmal dort gewesen bin. Der Abend ist, naja, furchtbar gewesen. Und ich musste eben daran zurückdenken. Aber das ist jetzt schon einige Jahre her. Kein Grund, um ein Theater zu veranstalten.“ Er sah, dass Doflamingo eine Augenbraue hochzog. „Was ist denn an diesem Abend passiert?“, wollte er wissen. „Darüber will ich lieber nicht reden“, entgegnete Crocodile sofort. „Und blick mich nicht so furchtbar misstrauisch an, ja? Ich kann das sehen, auch wenn du deine Sonnenbrille trägt. Es gibt wirklich keinen Grund, um da einen großen Wirbel drum zu machen. Der Abend ist schrecklich gewesen und mehr gibt es dazu nicht zu sagen! Basta!“ Für einen Moment schwieg Doflamingo, ehe er sagte: „Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst. Nicht wahr?“ „Natürlich“, erwiderte Crocodile und senkte den Blick. „Es ist nur so, dass ich nicht darüber reden möchte. Respektier das bitte.“ „In Ordnung. Aber du weißt, dass ich immer bereit bin dir zuzuhören, wenn du mit mir reden möchtest. Ich, ähm, ich bin immer da für dich, wenn du mich brauchst.“ Crocodile nickte und damit beendeten sie beide zum Glück diese überaus unangenehme Diskussion. Wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich schrecklich unwohl bei dem Gedanken, heute Nacht ins Skypia zu gehen. Auch wenn sein Partner und dessen Freunde dabei waren. Crocodile schluckte. Oder vielleicht gerade deswegen? Er sollte nicht mehr daran denken. Doch ganz gleich wie sehr er sich auch darum bemühte, diese Gedanken und Erinnerungen zu verdrängen, es gelang ihm einfach nicht. Es war nun schon so lange her, redete er sich ein und ließ zu, dass Doflamingo sein dunkelgrünes Hemd knöpfte, obwohl er es eigentlich überhaupt nicht ausstehen konnte, wenn man ihm bei solchen Dingen half. Fünf Jahre war dieser Vorfall im Skypia her, rechnete er sich aus. Und auch nach fünf Jahren war Crocodile sich nicht sicher, ob er seinem Exfreund gegenübertreten könnte. Wer wusste denn schon, ob Enel überhaupt dort sein würde, versuchte er sich ein wenig zu beruhigen. Auch wenn er der Besitzer des Clubs Skypia war, bedeutete das noch lange nicht, dass er jede Nacht dort anwesend sein würde. Sengoku war schließlich auch nicht jeden Tag im Hause, obwohl er der oberste Chef in der Bank war. Wahrscheinlich würde er gar nicht erst auf Enel treffen. Er würde einfach bloß einen nette Nacht im Club zusammen mit seinem Freund und dessen Freunden verbringen. Es gab überhaupt keinen Grund, um beunruhigt zu sein. Crocodile strich sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er wusste selbst nicht genau wieso, doch aus irgendeinem Grund konnten seine eigenen Argumente ihn nicht so recht überzeugen. Allein Doflamingos Hand, die ihm sanft über den Rücken strich, vermochte ihn ein wenig zu beruhigen. Der Club Skypia sah noch beinahe genauso aus, wie Crocodile ihn in Erinnerung hatte. Es handelte sich um eine Mischung aus Diskothek und Bar, die auf sehr wohlhabende Gäste ausgerichtet war. Die Besucher des Clubs verdienten im Regelfall mindestens ebenso viel wie Crocodile selbst, wenn nicht sogar mehr. Wobei sich diese Zahl natürlich beinahe ausschließlich auf die männlichen Gäste bezog. Die meisten Frauen, die die Nacht hier verbrachten, waren Freundinnen der reichen Männer; sie besaßen selbst kein oder nur kaum Vermögen und gönnten sich dennoch eine kostspielige Lebensqualität, indem sie sich von ihren Freunden versorgen ließen. Und wenn dieser sich nach ein paar Wochen oder Monaten von ihnen trennten, dann suchten sie sich eben einen neuen Mäzen. Solche Frauen waren einer der vielen Gründe, warum Crocodile nicht gerne in Clubs ging. Er selbst ließ sich nur äußerst ungern einladen; vielleicht, weil er als homosexueller Mann mit diesen Frauen (die in seinen Augen nicht besser als Prostituierte waren) nicht auf eine Stufe gestellt werden wollte. Doflamingos Freunde warteten bereits vor dem Club, als sie beide eintrafen. Sie fuhren in einem Rolls-Royce Ghost Extended Wheelbase vor; einer schwarzen Limousine, die gut eine Viertel Millionen Berry gekostet hatte (bei weitem nicht der teuerste Wagen in der Sammlung seines Partners); Doflamingo schickte die Limousine fort, nachdem sie ausgestiegen waren. Crocodile kannte alle Anwesenden mit Namen und wurde von jedem einzelnen mit einem Handschlag begrüßt. Es handelte sich um eine Truppe von vier Menschen, die kurioser nicht hätte aussehen können. Hyena Bellamy und Donquixote Dellinger waren beide naturblond und ähnelten seinem Partner ein wenig (soweit er wusste, handelte es sich bei beiden um Cousins zweiten Grades von ihm; Doflamingo hatte so etwas mal erwähnt gehabt). Über Bellamy wusste er, dass dieser fünfundzwanzig Jahre alt war; Dellinger schätze er auf vielleicht Anfang zwanzig oder sogar noch jünger. Letzterer fiel vor allem durch die High-Heels auf, die er an den Füßen trug, und Crocodile vermutete unweigerlich, dass er homosexuell war. Was bei ihm allerdings keine großen Sympathien weckte; Crocodile selbst hatte für solche weiblichen Accessoires nicht viel übrig und war recht froh, dass auch sein Partner sich trotz seines exzentrischen Kleidungsstils zu High-Heels oder dergleichen nicht hingezogen fühlte (oder es sehr gut verbarg, falls es doch der Fall sein sollte). Tatsächlich hatte Crocodile sich in seinem ganzen Leben noch niemals auf einen Mann eingelassen, der sonderlich androgyn wirkte; Doflamingo war da mit seiner Vorliebe für die Farbe rosa und seinem ständigen Gekichere bereits das alleräußerste, was er zu tolerieren bereit war. Trafalger Law war ein brünetter Mann mit kleinem Kinnbart, etwa in Doflamingos Alter und wirkte neben Bellamy und Dellinger beinahe schon lächerlich normal. Allein die mysteriösen Tätowierungen auf seinen Fingern und Unterarmen ließen darauf schließen, dass er doch nicht so gewöhnlich war, wie man im ersten Augenblick glauben mochte. Der Vierte im Bunde war Bartholomew Kuma, ein groß gewachsener und sehr stiller Mensch, den man nur schlecht einschätzen konnte. „Wo ist denn Cirkies?“, fragte Doflamingo fröhlich, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. „Wollte er heute nicht auch kommen?“ „Er kommt nach“, antwortete Bellamy. Crocodile wusste, dass die beiden ein Paar waren. „Er hat heute Lilli, Müre und Mani besucht und du weißt ja, wie die Weiber sind. Du sagst ihnen, sie sollen um zwölf Uhr irgendwo sein und dann schicken sie dir um fünf vor zwölf eine SMS, in der steht, dass sie ihr Make-up noch nicht aufgelegt haben und später kommen.“ „Ärgere dich nicht drüber“, meinte Doflamingo und grinste. „So sind Mädchen eben. Wir können ja trotzdem schon mal hineingehen und Cirkies kommt dann mit ihnen nach.“ Bellamy seufzte. „In Ordnung. Ich ärgere mich aber trotzdem über ihn. Wozu bin ich denn mit einem Mann zusammen, wenn ich dann doch ständig wegen so einem Blödsinn wie Make-up oder Schuhen warten muss? Wenn ich Lust auf so etwas hätte, dann würde ich mir ein Weib suchen und keinen Kerl!“ Doflamingo lachte. „Ich denke nicht, dass solche Dinge etwas mit dem Geschlecht zu tun haben“, erklärte er gleichmütig, während sie den Eingang vom Skypia ansteuerten. „Schau dir doch nur mal Dellinger an: Er ist durch und durch ein Kerl und braucht trotzdem immer eine Stunde, bis er die passenden High-Heels für den Abend gefunden hat. Nicht wahr, Dellinger?“ „Stimmt doch gar nicht!“, erwiderte Dellinger trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. Angesichts dieser Reaktion lachte Doflamingo erneut; wahrscheinlich weil er wusste, dass sein Cousin ihm nicht wirklich böse war. Im Inneren des Clubs war es bereits sehr voll, auch wenn es gerade einmal fünf Minuten nach Mitternacht war. Crocodile fühlte sich sofort unwohl, kaum hatte er den Schritt über die Schwelle getan. Es lag nicht bloß daran, dass er mit großen Menschenmengen und Lärm nicht sonderlich gut zurechtkam, vielmehr war das genaue Gegenteil der Fall: Kaum hatte er das Skypia betreten, fühlte er sich auf eine seltsame Art und Weise entblößt und verletzlich. Umgehend schaute er sich um und prüfte kritisch das Gesicht von jedem einzelnen Mann, der sich in seiner Nähe aufhielt. Die Furcht Enel könnte ihn entdecken, saß ihm im Nacken. Erst als er sich absolut sicher war, dass sein Exfreund sich nicht in seiner näheren Umgebung befand, entspannte er sich ein wenig; er folgte Doflamingo und den Anderen zur Garderobe, um dort seinen Mantel abzugeben. In der nächsten halben Stunde geschah nichts Beunruhigendes. Sie bestellten sich an der Bar ihre Getränke (Crocodile nahm ein stilles Wasser; er spürte einen unangenehmen Kloß im Magen, der wahrscheinlich von seiner Nervosität herrührte, und hatte darum keine Lust auf Alkohol) und unterhielten sich unbefangen miteinander. Irgendwann tauchte Cirkies gemeinsam mit Lilli, Mani und Müre auf. Man begrüßte sich freundlich und bestellte sich neue Getränke. „Und?“, raunte Doflamingo ihm zu, als der Rest ihrer Gruppe gerade mit irgendetwas Anderem beschäftigt war. „Wie gefällt es dir bisher?“ „Ganz gut“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Tatsächlich fühlte er sich deutlich weniger verkrampft als zuvor. Da er Enel nirgendwo ausgemacht hatte, obwohl sie sich nun bereits seit etwa einer Dreiviertelstunde im Skypia befanden, ging er allmählich davon aus, dass sich sein Exfreund heute Nacht einfach nicht in seinem Club aufhielt. Worüber er unglaublich froh und erleichtert war. „Deine Freunde scheinen gut drauf und sehr nette Leute zu sein. Ich denke, du hattest Recht damit, dass es ein schöner Abend wird.“ Auch diese Worte waren nicht gelogen. Die Freunde seines Partners wirkten zwar im ersten Moment ein wenig absonderlich, aber waren eigentlich sehr heitere und freundliche Menschen. Sie schlossen Crocodile aus ihrem Kreis nicht aus, zwangen ihn allerdings auch nicht dazu, ihre gute Laune übermäßig zu teilen, und dafür war er sehr dankbar. Er hatte sowieso nicht vor, allzu lange zu bleiben. Denn auch wenn Enel gerade außer Hause war, bedeutete das noch lange nicht, dass dieser im Verlauf der Nacht seinem Club keinen Besuch abstatten würde. Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile bereits beschlossen, dass er so früh wie es möglich war (ohne unhöflich zu erscheinen) gehen würde. Man könnte einen gemeinsamen Abend mit Doflamingo und seinen Freunden ja noch einmal in einem anderen Club als dem Skypia wiederholen, dachte er sich. „Das freut mich“, sagte Doflamingo. „Ich habe -ehrlich gesagt- zuerst befürchtet, dass dir der Abend nicht gefallen würde. Wegen dem Club oder vielleicht auch wegen meinen Freunden. Aber anscheinend ist das ja nicht der Fall.“ „Es ist wirklich okay hier“, bestätigte Crocodile seinen Freund. „Obwohl ich eigentlich nicht gerne in Nachtclubs gehe.“ „Und mit deinem Magen ist auch alles in Ordnung? Mir ist nämlich aufgefallen, dass du bisher nur stilles Wasser getrunken hast.“ Crocodile nickte. „Mir geht’s gut“, sagte er. „Ehrlich! Vielleicht bestelle ich mir nachher mal einen Wodka-Orange oder so.“ Er bekam mit, dass Doflamingo eine Augenbraue hochzog und ihn misstrauisch musterte. „Wodka-Orange?“, hakte er nach. „Seit wann trinkst du denn so ein Zeug?“ Crocodile zuckte mit den Schultern und bemühte sich um einen unbefangenen Gesichtsausdruck. „Die meisten Getränke, die in Nachtclubs ausgeschenkt werden, vertrage ich nicht“, erklärte er und bemühte sich darum, so wenig wie möglich zu lügen. „Du weißt schon; zum Beispiel wegen der Kohlensäure in Bier oder dem Zucker in Cocktails. Von Cola natürlich ganz zu schweigen. Wodka-Orange gehört zu den wenigen Dingen, die ich hier trinken kann, ohne meinen Magen zu überreizen. Aber das funktioniert wegen dem Orangensaft natürlich auch nur in Maßen.“ „Oh Mann, daran habe ich gar nicht gedacht“, meinte Doflamingo und biss sich auf die Unterlippe. „Dass hier kein Wein verkauft wird, ist natürlich sonnenklar.“ „Das ist doch kein Problem“, erwiderte Crocodile sofort. Er wollte verhindern, dass sein Partner ein schlechtes Gewissen bekam und sich somit vielleicht noch den ganzen Abend ruinierte. Denn schließlich hatte er dem Besuch dieses Clubs bloß zugestimmt, um zu verhindern, dass Doflamingo schlechte Laune bekam oder sie beide sich im schlimmsten Fall sogar stritten. Eine solche Belastung konnten sie in ihrer Beziehung definitiv nicht gebrauchen; nicht, wenn Crocodiles Mietvertrag in einer Woche auslief und er darauf angewiesen war, bei seinem Freund einzuziehen. Ansonsten hätte er sich auch niemals dazu überreden lassen, mit Doflamingo und dessen Freunden das Skypia zu besuchen. „Hey, Doflamingo, Crocodile!“ Sie blickten auf und sahen zu Bellamy hinüber, der sie beide angesprochen hatte. „Wir wollen ein bisschen tanzen. Habt ihr Lust mitzukommen?“ „Klar“, antwortete Doflamingo sofort breit grinsend, Crocodile allerdings schüttelte den Kopf. „Ich tanze überhaupt nicht gerne“, erklärte er auf den enttäuschten Blick seines Partners hin. „Aber du kannst gerne mit den Anderen tanzen. Ohne mich. Da habe ich nichts gegen. Ich hole mir währenddessen meinen Wodka-Orange.“ „Wenn du meinst“, gab Doflamingo deprimiert klingend zurück. Crocodile hielt ihm am Handgelenk fest, ehe er mit Bellamy, Cirkies, Law und Kuma mitging. „Bist du jetzt sauer auf mich?“ Doflamingo schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Ich finde es bloß schade, dass du nicht tanzen möchtest. Ich meine, dafür geht man doch in einen Club, oder nicht?“ Crocodile seufzte. „Tut mir leid“, sagte er, „aber ich bin absolut kein Tänzer. Ich kann gar nicht tanzen. Ich würde mich bloß blamieren!“ „Blödsinn! Ich bin mir sicher, dass du toll tanzen kannst! Komm doch bitte mit!“ Crocodile zögerte. Auf der einen Seite hatte er überhaupt keine Lust zu tanzen (dass er es nicht konnte, war auch keine Lüge gewesen), doch auf der anderen Seite durfte er nicht riskieren, dass Doflamingo wütend auf ihn wurde oder enttäuscht von ihm war. Also gab er mal wieder kleinbei und beugte sich dem Willen seines Partners. „Ich bitte dich nur um ein einziges Lied!“ „Na gut“, sagte Crocodile schließlich und ließ zu, dass Doflamingo ihn hinter sich her und auf die Tanzfläche zog, „aber wirklich nur ein Lied! Und keine Sekunde länger!“ Gerade als sie am Rand der überfüllten Tanzfläche angekommen waren (man konnte über Enel denken, was man wollte, aber zumindest schien er seine Geschäftsidee sehr erfolgreich umgesetzt zu haben), endete der laufende Popsong und es wurde ein ruhigeres und langsameres Lied angestimmt. Doflamingo legte beide Arme um die Hüften seines Partners und zog diesen eng zu sich heran. „Und was soll ich jetzt machen?“, fragte Crocodile verunsichert und lehnte den Kopf gegen die Brust seines Freundes. „Ich kann ehrlich nicht tanzen.“ „Das wird schon gehen“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern und vollführte ein paar sehr langsame Bewegungen; Crocodile bemühte sich darum, den einfachen Tanzschritten zu folgen, was ihm überraschenderweise sogar ganz gut gelang. „Zum Glück ist es ein ruhiger Song“, murmelte er. Die Worte waren eher an ihn selbst gerichtet gewesen, doch Doflamingo, gegen den er eng gepresst wurde, bekam sie natürlich mit. „Ich glaube, es ist ein Liebeslied“, meinte dieser grinsend. „Passend, oder?“ „Dass die so etwas in einem Nachtclub spielen, hätte ich gar nicht gedacht“, erwiderte Crocodile verwundert und nachdenklich. Er spürte, dass Doflamingo mit den Schultern zuckte. „Man kann nicht die ganze Zeit nur flippige Popsongs spielen“, erklärte dieser. „Wenn die Tanzflächen zu voll sind und die Bars zu leer, dann werden ruhigere Songs abgespielt, damit die Leute aufhören zu tanzen und sich stattdessen Getränke holen gehen. Jetzt werden erst einmal ein paar Liebeslieder und etwas Hip-Hop laufen. Erst in etwa fünfzehn oder zwanzig Minuten kommen die Songs wieder, zu denen man wirklich gut tanzen kann. Das ist alles Marketing-Strategie. Als Manager solltest du dich mit solchen Dingen doch bestens auskennen, oder nicht?“ „Das musst du gerade sagen!“, entgegnete Crocodile. Da sie beide sich noch immer am Rand der Tanzfläche befanden, war es recht gut möglich, sich miteinander zu unterhalten. „Du scheinst dich ja ebenfalls wirklich gut mit Marketing-Strategien auszukennen; zumindest was Nachtclubs angeht.“ Erneut zuckte Doflamingo leicht mit den Schultern. „Ich besitze selbst drei Clubs, die ziemlich gut laufen“, meinte er. „Tatsächlich?“ Davon hörte Crocodile heute zum ersten Mal. „Das hast du nie erzählt!“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich der Besitzer von mehreren Betrieben und Firmen bin“, entgegnete Doflamingo ausweichend. „Und dazu gehören unter Anderem eben auch drei Clubs.“ Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. „Du hast mir nur von einem Immobilienunternehmen, einer kleinen Privatklinik und drei Baufirmen erzählt.“ Doflamingo seufzte. „Willst du mir jetzt verübeln, dass ich dir nicht sofort bei unserem ersten Date auf die Nase gebunden habe, dass ich drei Nachtclubs besitze? In einem davon kann man nämlich auch mehr tun, als nur mit den Mädchen tanzen; wenn du verstehst, was ich meine. So etwas kommt bei den meisten Leuten nicht sonderlich gut an. Vor allen Dingen dann nicht, wenn man sich gerade erst kennengelernt hat.“ „Du hättest es mir nicht gleich bei unserem ersten Date sagen müssen“, entgegnete Crocodile verärgert. „Aber du hättest es doch zum Beispiel beim dritten Date tun können. Oder beim fünften. Oder beim zehnten. Wenigstens dann hätte man so etwas mal einfließen lassen können, oder nicht? Ich bin jedenfalls nicht davon begeistert, dass ich erst nach über einem halben Jahr Beziehung erfahre, dass mein Freund ein verdammter Zuhälter ist!“ „Ich bin kein Zuhälter!“, zischte Doflamingo und schien mindestens ebenso verärgert zu sein wie sein Partner. „Sondern der Besitzer von drei Nachtclubs. Wüsste nicht, dass das verboten wäre. Und mit deiner Reaktion beweist du mir bloß, dass ich gut daran getan habe, dir diese Tatsache so lange zu verschweigen! Ich wünschte nur, mir wäre das eben nicht herausgerutscht.“ „Es geht nicht darum, dass du drei Nachtclubs besitzt“, entgegnete Crocodile. „Es geht auch nicht darum, dass eines davon allem Anschein nach ein Bordell ist. Sondern darum, dass du mir davon in den letzten sieben oder acht Monaten nicht ein Wort erzählt hast. Ich dachte, wir wollten keine Geheimnisse voreinander haben?!“ Nachdem Crocodile diesen letzten Satz ausgesprochen hatte, stockte er für einen Moment und senkte den Blick. Wenn er ehrlich war, dann hatte er eigentlich überhaupt gar kein Recht dazu, seinem Freund Vorwürfe zu machen, weil dieser ihm irgendetwas verschwieg. Im Grunde genommen verhielt er sich selbst keinen Deut besser. Schließlich verschwieg er seinem Partner, dass er bereits vor einigen Wochen gekündigt worden war und Schulden in Höhe von über einer halben Millionen Berry hatte. Er hatte ein so gewaltiges Lügennetz gesponnen, dass er sogar vorhatte bei ihm einzuziehen, nur um den Schein zu wahren und um zu verhindern, dass die Wahrheit jemals ans Tageslicht kam. Nein, er hatte wohl als allerletzter das Recht dazu, seinem Partner Vorwürfe zu machen, weil dieser ihm irgendwelche Details aus seinem Leben verheimlicht hatte. „Tut mir leid“, sagte Crocodile und presste seinen Kopf noch ein wenig enger an Doflamingos Brust. Trotz der Musik um sie herum konnte er dessen Herz laut und deutlich schlagen hören. „Ich wollte dir keine Vorwürfe machen. Ein Stück weit verstehe ich es auch, dass du mir nichts von den Nachtclubs und dem Bordell erzählen wolltest. Lass uns nicht unseren Abend verderben, indem wir jetzt deswegen streiten, ja? Wenn du möchtest, dann tanze ich auch noch zu einem zweiten Lied mit dir, wenn es kein blöder Popsong ist. Schließlich sind wir eben kaum zum tanzen gekommen, weil wir bloß geredet haben.“ „In Ordnung“, erwiderte Doflamingo und verstärkte den Griff um die Hüften seines Partners. „Lass uns die Sache vergessen. Du hast Recht: Wir sind hier, um Spaß zu haben und nicht, um uns zu streiten.“ „Komm schon! Noch ein Lied!“ Crocodile schüttelte den Kopf und windete sich aus der Umarmung seines Freundes heraus. „Wir haben jetzt schon zu drei Liedern getanzt“, meinte er lächelnd, „obwohl ich dir nur eins versprochen hatte. Außerdem bin ich durstig geworden. Ich hole mir an der Bar einen Wodka-Orange. Möchtest du so lange hier bei den Anderen bleiben?“ Doflamingo zögerte für einen Augenblick, ehe er nickte. „Okay. Aber komm gleich wieder her, wenn du dein Getränk hast, ja? Man weiß nie, was für Leute sich in so einem Club herumtreiben.“ Crocodile rollte mit den Augen. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen“, erwiderte er. „Ich bin ein erwachsener Mann und kein aufreizendes Mädchen. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“ „Weiß ich doch“, gab Doflamingo mit halbherzig klingender Stimme zurück und winkte ihm hinterher, als er sich allein auf den Weg zurück zur Bar machte. Tatsächlich fühlte Crocodile sich inzwischen sehr wohl. Bisher war (noch) nichts Unerwartetes oder Beunruhigendes geschehen; und dabei befanden sie sich bereits seit über einer Stunde im Skypia. Er war weder auf seinen Exfreund noch auf einen dessen Freunde gestoßen. Langsam begann er ernsthaft zu glauben, dass es wirklich eine schöne Nacht ohne besondere Zwischenfälle werden würde. Crocodile war beinahe an der Bar angelangt, die er im Visier hatte, als er plötzlich von der Seite angesprochen wurde. „Crocodile? Bist du es?“ Als Crocodile in die Richtung sah, aus der die tiefe und melodische Stimme kam, sah er einen großgewachsenen und sehr muskulösen Mann mit hellen Haaren. Sofort hielt Crocodile in seiner Bewegung inne. Er traute seinen Augen kaum. „Daz?“, fragte er verwundert. „Was... was machst du denn hier? Mit jemandem wie dir hätte ich in einem Nachtclub als letztes gerechnet!“ „Das gleiche könnte ich dich fragen“, erwiderte sein alter Freund. Daz und er hatten damals zusammen studiert und während ihrer Studienzeit sogar in nebeneinanderliegenden Apartments gewohnt. Und auch wenn sie inzwischen in unterschiedlichen Städten arbeiteten und wohnten, und sich leider nur sehr selten treffen konnten, verstanden sie sich noch immer ausgezeichnet. „Ach, ich bin nur wegen meinem Freund hier“, verteidigte Crocodile sich. Weil Daz ihm daraufhin einen fragenden Blick zuwarf, fügte er noch hinzu: „Er ist gerade auf der Tanzfläche. Wir sind mit ein paar Freunden hierher gekommen. Ich wollte mir eigentlich nur eben einen Drink holen.“ „Das trifft sich gut“, meinte Daz. „Dasselbe hatte ich nämlich auch vor.“ Gemeinsam gingen sie zur Bar hinüber. Crocodile bestellte sich einen Wodka-Orange, Daz ein Bier. Sein ehemaliger Mitstudent und Nachbar warf ihm einen skeptischen Blick zu, als er den ersten Schluck des orangefarbenen Misch-Getränks nahm. „Verträgst du so etwas überhaupt?“, wollte er wissen. Crocodile rollte mit den Augen. „Klar, ich darf bloß nicht zu viel davon trinken“, erwiderte und trank einen zweiten Schluck. Um von diesem Thema, das ihm immer ein wenig unangenehm war, schnell wieder fortzukommen, fragte er: „Bist du heute Nacht allein hier? Oder hast du auch ein paar Freunde mitgebracht?“ „Ich bin mit Paula hier“, antwortete Daz. Paula war die Besitzern von Spider's Cafe und seine Cousine, erinnerte Crocodile sich. „Aber sie hat eben zwei Freundinnen getroffen und jetzt kommen die Drei nicht mehr aus dem Quatschen raus. Du weißt ja wie die Frauen sind.“ Wenn Daz solche Dinge sagte, dann klang es meistens sehr unfreundlich, doch Crocodile kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er es gar nicht böse meinte. Er war einer dieser Typen mit einer rauen Schale und einem weichen Kern. „Sie hat mir erzählt, dass du dich letztens wieder mit Mihawk und Hancock in ihrem Cafe getroffen hast“, fuhr Daz fort. „Und mit einem Kerl, den sie allerdings nicht kannte. War das dein Freund?“ Crocodile nickte. „Richtig. Sein Name ist Donquixote Doflamingo. An diesem Abend habe ich ihn meinen Geschwistern vorgestellt gehabt.“ „Paula meinte, dass er ziemlich komisch ausgesehen haben soll. Hätte nicht einmal drinnen seine Sonnenbrille abgelegt.“ „Er wirkt vielleicht tatsächlich ein wenig sonderbar, wenn man ihn das erste Mal sieht“, gab Crocodile zu und nippte an seinem Getränk, „aber er ist ein wirklich toller Mensch. Und sehr verliebt in mich. Wir beide sind auf jeden Fall sehr glücklich miteinander.“ „Das freut mich“, erwiderte Daz und schien beruhigt zu sein. Er hatte schon damals während ihres Studiums immer ein Auge auf seinen vier Jahre jüngeren Nachbarn gehabt und sich sehr um diesen gesorgt. Ihre Beziehung war absolut ohne jede romantische oder sexuelle Komponente, aber trotzdem sehr innig. Crocodile sah Daz fast schon als eine Art zweiten großen Bruder an. „Aber sollte er Ärger machen, dann sagst du mir Bescheid.“ Das war keine Frage oder Bitte, sondern eine Feststellung. Crocodile nickte zwar, doch rollte unterdessen erneut mit den Augen. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen, Daz“, meinte er. „Doflamingo ist nicht wie Enel.“ „Das kann man nie wissen“, erwiderte dieser. „Enel hat sich während der ersten Zeit schließlich auch ganz gut verhalten. Dass er ein riesiges Arschloch ist, kam erst später heraus. Ich will nur, dass du weißt, dass du mich immer anrufen kannst, wenn irgendetwas nicht in Ordnung sein sollte.“ „Das weiß ich zu schätzen“, sagte Crocodile. „Aber Doflamingo gehört wirklich zu einer ganz anderen Sorte Mensch. Glaub mir. Er ist zwar manchmal ein bisschen egoistisch und eifersüchtig, aber diese Eigenschaften hat er nie zu verbergen versucht. Und ansonsten ist er unglaublich lieb und fürsorglich.“ „Wani?“ Crocodile wandte sich um und entdeckte seinen Partner, der anscheinend Ausschau nach ihm hielt; im Schlepptau hatte er Bellamy und Law. Crocodile winkte ihnen rasch zu, damit sie ihn leichter fanden. Keine halbe Minute später legten sich von hinten zwei kräftige Arme um seinen Oberkörper. „Da bist du ja!“, meinte Doflamingo und bettete seinen Kopf auf die Schulter seines Partners, auch wenn er sich deswegen furchtbar verbiegen musste, weil dieser nämlich deutlich kleiner war als er. „Wir hatten doch vereinbart, dass du dir nur eben ein Getränk holst und dann wiederkommst.“ Crocodile unterdrückte ein Seufzen und warf Daz, der Doflamingo skeptisch musterte, einen entschuldigenden Blick zu. Er schämte sich schrecklich für die eindeutigen Besitzansprüche, die sein Freund deutlich machte. Zum Glück hatte er seinen Studienkollegen bereits darüber informiert, dass Doflamingo schnell eifersüchtig wurde. „Wenn man vom Teufel spricht“, begrüßte Crocodile seinen Partner und schob dessen Kopf von sich fort. „Ihr habt über mich gesprochen?“, hakte Doflamingo nach, der sich zwar diese Geste gefallen ließ, dafür allerdings den Griff um den Körper seines Freundes noch weiter verstärkte. „Das ist Daz“, stellte Crocodile seine ehemaligen Mitstudenten vor. „Wir haben an der selben Universität studiert und während des Studiums nebeneinander gewohnt.“ Für einen Moment musterten Doflamingo und Daz sich gegenseitig, ehe sie beide schließlich stumm nickten. Crocodile seufzte erleichtert auf. Er hoffte, dass es zwischen seinem Partner und seinem Studienfreund zu keinen Problemen kommen würde. „Kommst du dann jetzt wieder mit?“, drängte Doflamingo und zerrte ihn mit sanfter Gewalt von dem Barhocker, auf dem er saß. „Die Anderen warten schon auf uns. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, weil du so lange weggeblieben bist.“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich auf mich aufpassen kann“, entgegnete Crocodile verärgert, ließ sich das Verhalten seines Freundes allerdings gefallen. Es empörte ihn, dass er in dieser Situation eher wie ein Gegenstand als ein selbstständiger Mensch behandelt wurde, doch er rief sich schnell ins Gedächtnis, dass dies ein schlechter Ort und Zeitpunkt war, um solche Dinge zu diskutieren. Er wendete sich Daz zu und sagte: „Ich gehe dann jetzt wieder zu meinen Leuten, wenn dich das nicht stört, Daz. Es war sehr nett, mal wieder mit dir zu plaudern. Du kannst mich gerne anrufen, wenn du demnächst mal wieder in der Gegend sein solltest.“ „In Ordnung“, erwiderte Daz, während er leicht lächelte und ihm zum Abschied zuprostete. „Bestimmt hat Paula den Plausch mit ihren Freundinnen inzwischen beendet. Dann auf Wiedersehen.“ Kaum hatte sein ehemaliger Nachbar das letzte Wort zu Ende gesprochen, nahm Doflamingo ihn an die Hand und zog ihn zu dem Platz hinüber, an dem Law und Bellamy warteten. Die beiden Freunde seines Partners hatten die Situation aus sicherer Entfernung heraus beobachtet. Sie sagten nichts, während sie sich auf den Weg zurück zur Tanzfläche machten. „Du hast also mit diesem Daz zusammen studiert?“, hakte Doflamingo nach, als der Rest ihrer Gruppe wieder in der tanzenden Menge verschwunden war. „Ja“, antwortete Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen und nahm einen Schluck seines Mischgetränks. „Das habe ich doch eben schon gesagt. Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“ Doflamingo verzog den Mund. Schließlich meinte er: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Typen sonderlich gut leiden kann.“ Crocodile seufzte und rollte mit den Augen. „Dass du immer so furchtbar eifersüchtig sein musst!“ „Ich bin nicht eifersüchtig“, entgegnete sein Freund. „Wenn ich wirklich eifersüchtig gewesen wäre, dann hätte ich mich anders verhalten. Ich möchte nur gerne über die Leute Bescheid wissen, mit denen du zu tun hast. Habt ihr zusammen in einer WG gewohnt?“ „Nein“, erwiderte Crocodile spitz und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weiß zwar nicht, was dich das angeht, aber unsere Apartments lagen nebeneinander. Ich habe während meines gesamten Studiums allein gewohnt.“ „Ist diese Paula, die er erwähnt hat, seine Freundin? Oder seine Frau?“ „Sie ist seine Cousine. Du kennst sie sogar: Ihr gehört Spider's Cafe. Dort haben wir uns mit meinen Geschwistern getroffen, wenn du dich erinnerst. Aber warum interessieren dich diese Details überhaupt?“ „Ich habe dir doch bereits erklärt, dass ich gerne über die Leute Bescheid wissen möchte, mit denen du zu tun hast.“ „Das habe ich schon verstanden“, entgegnete Crocodile. „Aber wieso?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Ich mag das nun einmal nicht, wenn mein Freund mit Männern redet, die ich nicht kenne. Vor allem in einem Nachtclub nicht!“ Crocodile sog scharf die Luft zwischen seinen Zähnen ein. „Was willst du damit sagen?!“, fragte er wütend. „Glaubst du, nur weil ich homosexuell bin, springe ich mit jedem Mann ins Bett, der mir über den Weg läuft?!“ „Ich... Nein, natürlich nicht. So war das nicht gemeint“, versuchte Doflamingo ihn zu beschwichtigen. „Es ist nur so, dass eins schnell zum anderen führt, wenn du verstehst, was ich meine: Ihr seid beides Männer. Ihr habt euch lange nicht mehr gesehen. Ihr trinkt Alkohol. Verdammt, ich weiß doch, wie solche Dinge in einem Club ablaufen.“ Crocodile fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Er konnte einfach nicht fassen, was sein Freund da gerade sagte. Als er sich schließlich wieder gesammelt hatte, wich die Fassungslosigkeit Wut und Empörung. „Hast du eigentlich noch alle Latten am Zaun?!“, brüllte er und warf seinem Partner den zornigsten Blick zu, den er im Repertoire hatte. „Ich kann es wirklich nicht glauben, dass du mir so etwas unterstellst! Ich bin in einer Beziehung noch nie fremdgegangen! Kein einziges Mal!“ „Das habe ich doch auch gar nicht behauptet!“, erwiderte Doflamingo verzweifelt. „Aber ich weiß, dass man sich anders verhält, wenn man betrunken ist. Und dass man dazu neigt, falsche Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, die man später bereut.“ „Ich habe heute Nacht bisher nur ein einziges alkoholisches Getränk getrunken!“, sagte Crocodile mit giftiger Stimme. Er war nicht nur schrecklich wütend, sondern fühlte sich durch die Aussagen seines Partners dazu auch noch sehr verletzt. Vor allen Dingen, weil er sich selbst für eine Person hielt, bei der Eifersucht und Misstrauen völlig ungerechtfertigt waren. „Ich habe Daz nicht einmal berührt. Zwischen uns war und ist überhaupt nichts. Es gab nicht den geringsten Anlass, um eifersüchtig zu reagieren. Und außerdem ist Daz sowieso heterosexuell!“ Crocodile schwieg für einen kurzen Moment. Er nahm den letzten Schluck Wodka-Orange aus seinem Glas und stellte es dann zur Seite. Diese Diskussion mit seinem Partner strengte ihn furchtbar an. Sein Atem ging schneller als üblich und außerdem wurde ihm plötzlich bewusst, wie unangenehm heiß es im Skypia doch war. Er rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn und seufzte dann. Eigentlich war er hierher gekommen, um Streit mit seinem Partner zu verhindern. Aber nun ging sein Plan völlig nach hinten los. Und zwar nur, weil Doflamingo bei jeder Kleinigkeit gleich eifersüchtig und stur reagierte! „Beenden wir diese Diskussion“, sagte Crocodile schließlich und versuchte sich zu beruhigen. „Wir sind hier, um Spaß zu haben und nicht, um wegen irgendwelcher Lappalien zu streiten. Nicht wahr? Also entschuldige dich einfach bei mir und dann lassen wir diese Sache auf sich beruhen. In Ordnung?“ Doflamingo verschränkte die Arme vor der Brust und verzog den Mund. „Wieso sollte ich mich entschuldigen?“, meinte er in einer patzigen Stimmlage. „Ich habe dir schließlich überhaupt nichts unterstellt! Was du aus meinen Worten heraushörst, ist deine Sache! Ich bin nur verantwortlich für das, was ich sage und nicht für das, was du verstehst!“ „Das ist doch jetzt wohl nicht dein Ernst!“, entgegnete Crocodile. „Du weißt doch ganz genau, was du eben gesagt hast!“ „Natürlich weiß ich, was ich eben gesagt habe“, meinte Doflamingo unerbittlich. „Und ich weiß auch, dass ich nichts gesagt habe, was eine Entschuldigung wert wäre. Ich habe dich weder beleidigt noch dir unterstellt, dass du mich betrügen würdest. Ich kann nichts dafür, wenn du so empfindlich reagierst!“ „Donquixote Doflamingo!“ Als Crocodile wutentbrannt den Namen seines Partners ausspie, zuckte dieser bloß ungerührt mit den Schultern. Und genau diese bodenlose Unverschämtheit war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Crocodile verlor jede Selbstkontrolle. Dass er nächste Woche bei seinem Partner einziehen wollte, interessierte ihn plötzlich nicht mehr. Er war völlig außer sich. „Weißt du was?!“, meinte er fuchsteufelswild. „Fick dich doch selbst, du verdammtes Arschloch! Deinen beschissenen Stolz kannst du dir sonst wohin stecken! Du kannst dich wieder bei mir melden, wenn du bereit bist dich dafür zu entschuldigen, dass du dich wie ein unreifes Kind benimmst!“ Und mit diesen Worten machte Crocodile kehrt und steuerte den Weg zurück zur Bar an. Er würde sich noch einen letzten Wodka-Orange gönnen, ehe er das Skypia verließ - und zwar für immer. Da der Mietvertrag für seine Loft-Wohnung erst in einer Woche auslief, konnte er sich zum Glück dorthin zurückziehen. Zumindest so lange, bis Doflamingo endlich zur Besinnung kam und sich bei ihm entschuldigte. „Crocodile! Hey! Warte doch!“ Crocodiles einzige Reaktion auf die Rufe seines Partners war der ausgestreckte Mittelfinger, den er ihm zeigte, ohne stehenzubleiben oder sich umzudrehen. Crocodile ließ sich seufzend auf einen freien Barhocker nieder und strich sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Ein kurzer Blick auf sein Handy sagte ihm, dass es inzwischen fast zwei Uhr nachts war. Er hatte gar nicht vorgehabt, so lange im Skypia zu bleiben. Nun ja, er würde ja sowieso gleich gehen, dachte er und wartete darauf, dass der Barkeeper auf ihn aufmerksam wurde, er gönnte sich bloß noch einen allerletzten Drink. Den hatte er nach dem Streit mit seinem Partner dringend nötig. „Einen Wodka-Orange, bitte“, sagte er, ohne auf das Gesicht des Barkeepers zu achten. „Wodka-Orange, Alligator?“, erwiderte der Mann hinter der Theke. „Verträgt dein Magen das Zeug überhaupt? Aber gut. Kommt sofort!“ Erschrocken blickte Crocodile auf und sah dem Barkeeper dabei zu, wie er den bestellten Drink mischte. Der Mann war sehr groß, verbarg den Großteil seines hellblonden Haars unter einem weißen Kopftuch und hatte eine überaus markante Nase. Das konnte nicht wahr sein! „E-enel“, meinte Crocodile mit zittriger Stimme. „Was machst du denn hier?“ Enel grinste schelmisch. „Was ich hier mache? Mir gehört der Laden. Schon vergessen?“ Immer noch grinsend reichte er seinem Exfreund den gewünschten Wodka-Orange hinüber, den dieser zögernd annahm. Crocodile fühlte sich im Moment völlig überfordert mit der gesamten Situation. Wenn er ehrlich war, dann hatte er nicht mehr damit gerechnet, auf Enel zu treffen. Nicht jetzt, wo er das Skypia sowieso gerade verlassen wollte. „Natürlich habe ich das nicht vergessen“, sagte Crocodile und nippte an seinem Getränk, damit Enel nichts von seiner Fassungslosigkeit mitbekam. „Ich wundere mich nur, dass du als Besitzer selbst hinter der Theke stehst.“ Enel zuckte mit den Schultern. „Einer der Barkeeper ist kurzfristig erkrankt und heute Nacht ist sehr viel los“, erklärte er, „da musste ich selbst einspringen. Aber mir macht das nicht viel aus. Ich bin ja gerne in meinem Club und habe Kontakt zu meinen Gästen.“ „Das ist schön zu hören“, sagte Crocodile und nahm einen großen Schluck seines Getränks. Sofort spürte er, dass der Alkohol ihn beruhigte. Ein wenig benommen rieb er sich mit der rechten Hand über die Schläfe. Es kam ihm komisch vor, so ausgesprochen freundlich und höflich mit seinem Exfreund zu reden, auch wenn ihre Trennung nun bereits schon einige Jahre her war. Schließlich hatten sie sich nach einer fast fünfjährigen Liebesbeziehung definitiv nicht im Guten getrennt. Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass es riesigen Streit geben würde, sollten sie beide jemals wieder aufeinander treffen. Nun allerdings verhielt sich Enel völlig ruhig und friedlich - und Crocodile wusste überhaupt nicht, wie er mit dieser unerwarteten Situation umgehen sollte. „Ich weiß, woran du jetzt denkst“, sagte Enel. „Sicher hast du immer geglaubt, dass wir nie wieder in einem vernünftigen Ton miteinander reden würden. Ich gebe zu, dass diese Vorstellung sicher wahr geworden wäre, wenn unser Wiedersehen ein paar Jahre früher stattgefunden hätte. Aber inzwischen habe ich mich geändert. Ich trauere unserer Beziehung nicht mehr hinterher, Alligator. Und ich würde mich gerne bei dir entschuldigen und dann das Kriegsbeil endlich begraben. Wenn du damit einverstanden bist.“ Wäre doch nur Doflamingo so reif, dachte Crocodile sich und nickte langsam. Er fühlte sich gerade wie im falschen Film. Er stritt mit Doflamingo und versöhnte sich mit Enel. In diesem Film waren die Rollen der beiden Hauptpersonen vertauscht worden. Er nahm einen weiteren Schluck Wodka-Orange. Wahrscheinlich träumte er gerade. Zumindest kam es ihm so vor. Tatsächlich spürte er sogar, wie er müde wurde. Aber das war angesichts der aktuellen Uhrzeit auch kein Wunder. „Was hältst du davon, wenn wir beide zusammen zwei Shots trinken?“, schlug Enel vor und griff bereits nach den entsprechenden Gläsern. „Um unsere Versöhnung zu besiegeln, sozusagen.“ „Klingt gut“, erwiderte Crocodile. Eigentlich hatte er vorgehabt ein wenig mehr zu sagen, doch plötzlich fühlte er sich so träge, dass er nicht mehr in der Lage dazu war. Seine Zunge lag unbeweglich in seinem Mund und sein Schädel fühlte sich so dumpf an, als wäre er mit Watte ausgestopft worden. Dabei hatte er doch gar nicht so viel getrunken. „Hier, bitte“, sagte Enel und stellte einen Shot vor seinem Exfreund ab. Das kleine Glas war mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt. Wodka, vermutete Crocodile. „Es tut mir leid, dass ich dir damals so ein schrecklicher Freund gewesen bin“, meinte Enel und hob sein eigenes Glas an. „Ich habe mich wirklich schlecht verhalten. Dafür möchte ich mich bei dir entschuldigen. Ich bereue meine Taten jeden Tag. Dass wir irgendwann einmal Freunde werden, ist vielleicht zu viel gehofft, aber zumindest hoffe ich, dass du mir verzeihen kannst.“ Nach dieser kleinen Rede prostete er Crocodile zu, der nach seinem eigenen Glas griff. Sie tranken die Shots gleichzeitig und in einem Zug aus. bye sb Kapitel 4: Kapitel 2 (zensiert) ------------------------------- Zu Crocodiles Überraschung wurden die nächsten Tage sehr schön. Allem Anschein nach tat es ihm tatsächlich gut, aus der Großstadt herauszukommen und für eine Weile keinen Gedanken an seine Kündigung und seine Schulden zu verschwenden. Er ließ entspannt die Seele baumeln und fühlte sich in der Nähe seines Freundes einfach nur pudelwohl. Befände er sich nicht in so großer finanzieller Not, würde er vielleicht tatsächlich darüber nachdenken, dauerhaft hierherzuziehen. Wobei man Doflamingo allerdings durchaus vorwerfen konnte mit falschen Karten zu spielen; denn er bemühte sich mit allen Mitteln darum, den Aufenthalt seines Partners so angenehm wie möglich zu gestalten. Es handelte sich zumeist nur um Kleinigkeiten, doch Crocodile fielen sie sofort auf: Ihm wurde der Nacken massiert, ohne dass er auch nur darum bitten musste; beim gemeinsamen Fernsehabend wurde ihm freiwillig die Fernbedienung überlassen; in der Süßigkeitenschublade tauchten plötzlich seine Lieblingscracker auf und eines morgens wurde er sogar mit einem Frühstück im Bett inklusive Blumenstrauß überrascht. Doflamingo gab sich so große Mühe dabei sich gut zu verhalten, dass Crocodile fast schon ein schlechtes Gewissen bekam. Schließlich war er sich ja von Anfang an absolut sicher gewesen, dass es für ihn nicht infrage käme mit seinem Freund zusammenzuziehen. Jedes Mal also, wenn Doflamingo ihm besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ, spürte Crocodile einen schmerzhaften Knoten im Magen. In diesem Fall versuchte er sich zu beruhigen und redete sich selbst gut zu; sagte dann zum Beispiel, dass er Doflamingo niemals irgendwelche Versprechungen gemacht hatte und es sich bei bei seinem derzeitigen Aufenthalt bloß um einen unverbindlichen Testlauf handelte. Doch manchmal verschwand trotz aller stichhaltigen Argumente der Knoten in seinem Magen nicht und er musste ein Glas Wein trinken, um sich wieder besser zu fühlen. * Es war ihr fünfter gemeinsamer Tag und ein Dienstag, als Crocodile einen Anruf von seinem Bruder Mihawk bekam. Er befand sich gerade mit Doflamingo im Wohnzimmer (er las ein Buch, während Doflamingo irgendwelchen Dokumente durchsah; insgesamt herrschte eine friedlichere Atmosphäre als er es je für möglich gehalten hätte) und um diesen nicht bei seiner Arbeit zu stören, verließ er den Raum, ehe er abnahm. "Hallo?" "Hallo, Crocodile", begrüßte ihn sofort die angenehm klingende Stimme seines Bruders. Obwohl Crocodile seine Eltern schon seit vielen Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, hielt er den Kontakt zu seinen beiden Geschwistern regelmäßig aufrecht. Leider wohnte er in einer anderen Stadt als Mihawk und Hancock, weswegen sie sich nicht so häufig sehen konnten wie sie es gerne würden. Dieses Problem lösten sie, indem sie möglichst oft miteinander telefonierten; außerdem besuchten ihn seine Geschwister alle vier oder fünf Wochen für ein paar Tage. Seine Wohnung bot sich für diese Treffen besonders an, weil er allein wohnte und außerdem als einziger von ihnen ein sehr geräumiges Gästezimmer besaß. Crocodile vermutete, dass Mihawk anrief, um einen Termin für einen erneuten Besuch auszumachen. Sie hatten sich das letzte Mal vor etwa sechs oder sieben Wochen gesehen. "Wie geht es dir?", fragte Mihawk ihn. Sein Bruder war nur selten schlecht gelaunt, doch wirkte meistens recht kühl und sehr besonnen. Er stellte in dieser Hinsicht einen starken Kontrast zu Crocodile dar, der schnell aufbrausend wurde. "Um ehrlich zu sein nicht so gut", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "In letzter Zeit mir sind ein paar echt blöde Sachen passiert. Das Schicksal meint es nicht gut mit mir." "Das tut mir leid. Möchtest du darüber reden?" "Lieber nicht. Zumindest nicht am Handy." Crocodile hatte zwar absichtlich leise gesprochen, doch er konnte sich nicht sicher sein, dass sein Freund nicht vielleicht doch das eine oder andere Wort mitbekam; und das wollte er natürlich unter allen Umständen vermeiden. Vor allen Dingen, wenn er mit seinem Bruder über ein so heikles Thema wie seine Kündigung sprach. "Das ließe sich einrichten", meinte Mihawk. "Ich rufe sowieso an, weil Hancock und ich gerne wissen wollen, wann du wieder ein wenig Zeit für uns hättest. Wie wäre es am Wochenende? Dann können wir auch gerne über alles reden, was dich belastet." "Prinzipiell ginge das", erwiderte Crocodile, "das Problem ist nur, dass ich derzeit bei Doflamingo wohne." Er hatte seinen Geschwistern bereits häufiger von seinem Freund berichtet; getroffen hatten sie ihn allerdings noch nicht. "Weißt du, er hat sich in den Kopf gesetzt, dass er gerne mit mir zusammenwohnen würde und mich dazu überredet für ein paar Wochen bei ihm zu einzuziehen. Sozusagen als kleiner Testlauf." "Das ist doch kein Problem", sagte Mihawk. "Wenn es dir nichts ausmacht, kannst du mir deinen Schlüssel geben. Dann übernachten Hancock und ich in deiner Wohnung und du bleibst bei Doflamingo. Treffen können wir uns schließlich trotzdem, oder nicht?" "Klar. Dann wie immer Freitag um acht in Spider's Cafe?" "Ja. Und wieso bringst du nicht auch Doflamingo mit?" Crocodile ließ vor Schreck fast sein Handy fallen. "W-was? Wieso denn?" Er schluckte und bemühte sich darum, seine Stimme weniger nervös klingen zu lassen. Wenn Doflamingo mit zu ihrem Treffen kam, dann würde er nicht mit seinen Geschwistern über seine Kündigung sprechen können. Und wenn er ehrlich war, dann würde er sich sehr gerne endlich jemandem anvertrauen. Des Weiteren war er sich nicht sicher, ob sein Freund mit Mihawk und Hancock zurechtkäme. Er war schließlich ein sehr exzentrischer Typ, während sein Bruder und seine Schwester ein relativ durchschnittliches Leben in der Vorstadt führten. "Hancock und ich möchten ihn endlich mal kennenlernen. Du hast schon so viel von ihm erzählt und wir würden uns gerne ein eigenes Bild von deinem Freund machen. Es scheint ja so, als würde aus eurer Beziehung etwas wirklich Festes werden." "Naja gut, von mir aus", gab Crocodile sich geschlagen. Er gehörte zu seinen größten Schwächen, dass er seinen Geschwistern einfach nichts abschlagen konnte. "Aber dann erwähn bitte nichts von meinen Problemen, in Ordnung?" Crocodile kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, dass dieser gerade die Augenbrauen zusammenzog, auch wenn er ihn nicht vor sich sehen konnte. "In Ordnung. Aber wieso? Ist er der Grund dafür, dass es dir derzeit nicht gut geht?" "Nein, auf keinen Fall", antwortete Crocodile sofort. "Es ist nur so, dass ich ihm bisher noch nichts davon erzählt habe. Es geht nämlich um eine wirklich ernste Sache und ich möchte unsere Beziehung damit nicht belasten, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Wir sind ja noch nicht allzu lange ein Paar." "Du weißt, dass ich mich normalerweise nicht in die Beziehungen anderer Menschen einmische", meinte Mihawk, "aber wenn du mich fragst, dann solltest du deinem Partner alles erzählen können, was dich belastet, ganz egal worum es geht. Und wenn du das nicht kannst, dann läuft irgendetwas falsch." "Das stimmt schon, aber trotzdem möchte ich es ihm nicht sagen. Respektier das bitte, ja?" "Natürlich", sagte sein Bruder sofort und Crocodile wusste, dass er sich auf sein Wort verlassen konnte. Er war wirklich froh, so wunderbare Geschwister wie Mihawk und Hancock zu haben. Er konnte sich immer sicher sein, dass sie ihm zuhören und beistehen würden, ganz gleich worum es ging; doch zugleich respektierten sie seinen Wunsch, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Sie mischten sich niemals ungefragt in sein Leben ein oder trafen über seinen Kopf hinweg irgendwelche wichtigen Entscheidungen. "Wir werden am Wochenende sicher auch eine Möglichkeit finden, um nur zu dritt über diese Dinge zu reden, ja? Doflamingo wird dich schon für ein paar Stunden entbehren können. Schließlich muss er lernen, dass -auch wenn ihr zusammenwohnt- du dich mit anderen Menschen triffst und nicht bloß immer für ihn da bist. Und du weißt ja hoffentlich, dass du Hancock und mir alles erzählen kannst." "Klar weiß ich das", erwiderte Crocodile und pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. "Mit euch habe ich damals doch auch mein größtes Geheimnis geteilt, oder nicht? Wenn man jemanden anvertrauen kann, dass man eine Schwuchtel ist, dann kann man dieser Person alles anvertrauen." "Sag nicht Schwuchtel", wies Mihawk ihn zurecht, "du weißt, dass ich dieses Wort nicht leiden kann." Crocodile lachte leise. Wenn er mit seinem Bruder sprach, fühlte er sich seltsamerweise immer frei und federleicht, so als wären alle Sorgen von seinen Schultern genommen worden. "Sollte ich nicht eigentlich derjenige von uns beiden sein, der sich über so etwas beschwert?", fragte er scherzhaft. "Auch wenn ich selber nicht homosexuell bin, kann ich durchaus abschätzen, ob ein Ausdruck abwertend ist oder nicht", erklärte Mihawk. "Und das ist dieses Wort meiner Meinung nach definitiv. Also betitel dich bitte nicht selber so. Es gibt nämlich keinen Grund, wieso du dich wegen deiner Sexualität herabgesetzt fühlen solltest." "Ist ja schon gut", erwiderte Crocodile augenrollend. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sein Bruder noch eher für die Rechte Homosexueller einstand als er selbst. Als er ihm damals seine homosexuellen Neigungen gebeichtet hatte, hatte er diese sofort akzeptiert und ihn vollkommen unterstützt. Seine Schwester Hancock war zwar geschockt gewesen und hatte zu Beginn ihre Schwierigkeiten mit der Vorstellung gehabt, dass einer ihrer Brüder andere Männer mochte, doch gewöhnte sich relativ schnell daran. Inzwischen standen beide voll auf seiner Seite und hielten den Kontakt zu ihm aufrecht, auch wenn ihre Eltern strikt dagegen waren. "Fragst du denn nun Doflamingo wegen Freitag?", erinnerte Mihawk ihn. Crocodile nickte, ehe ihm einfiel, dass sein Bruder diese Geste nicht sehen konnte und meinte dann: "Ja, ich frage ihn eben. Bleibst du dran? Aber sei bitte nicht enttäuscht, wenn er keine Zeit haben sollte, ja? Er ist sehr beschäftigt." Das stimmte sogar. Es war nicht nur Crocodile, der viel arbeitete; auch sein Partner hatte als Besitzer mehrerer Firmen und Betriebe eine große Verantwortung inne. Sogar jetzt gerade im Augenblick sah er der Arbeit wegen irgendwelche Dokumente durch, während er kaffeetrinkend (Doflamingo liebte Kaffee) im Wohnzimmer saß. Crocodile kehrte in eben jenen Raum zurück und räusperte sich leise, um auf sich aufmerksam zu machen. Er wusste selber genau, wie sehr es nervte, wenn man tief in seine Arbeit versunken war und dann wegen irgendeiner unwichtigen Kleinigkeit aus seinem Gedankenstrom gerissen wurde; darum würde er eben später nachfragen, sollte sein Partner im Augenblick zu beschäftigt sein. Zu seiner Verwunderung jedoch sah Doflamingo sofort von seinen Papieren auf, kaum dass er auch nur Luft geholt hatte: "Doflamingo?" "Ja?" Er klang nicht genervt oder verärgert, sondern unbefangen und neugierig, so wie immer eben. "Ähm, hast du Freitagabend vielleicht Zeit? So ab acht Uhr?" "Klar, worum geht es denn?" Er legte die Dokumente auf den Couchtisch ab und Crocodile spürte den intensiven Blick seines Partners sogar durch die getönten Gläser dessen Sonnenbrille hindurch. "Meine Geschwister sind am Wochenende in der Stadt und wollen dich gerne kennenlernen. Wenn es dir nichts ausmacht. Wir treffen uns in Spider's Cafe. Hast du Lust zu kommen? Aber bitte fühl dich nicht wegen mir verpflichtet dahinzugehen, ja? Wenn du nicht mitkommen möchtest, dann kann ich das auch völlig verstehen." "Natürlich komme ich!", erwiderte Doflamingo sofort und ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen. "Ich freue mich unglaublich, dass du mich endlich deiner Familie vorstellen möchtest." Crocodile legte sein Handy wieder ans Ohr und sprach zu Mihawk: "Er hat zugesagt. ... Ja. .... Okay. .... Dann bis Freitag. ... Ja. ... Tschüss!" Dann legte er auf und setzte sich neben seinen Freund auf die Couch. Wenn er ehrlich war, dann konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihr gemeinsames Treffen sonderlich erfolgreich verlaufen würde. Crocodile warf Doflamingo einen leicht abschätzenden Blick zu. Sein Partner gehörte einfach zu einer völlig anderen Sorte Mensch als seine beiden Geschwister. Mihawk arbeitete als Fechtlehrer, während Hancock ein kleines Nagelstudio betrieb; er hatte als einziger unter seinen Geschwistern studiert und es beruflich sehr weit gebracht. Bei dem Gedanken an seine Arbeitsstelle legte sich sofort ein dunkler Schatten auf Crocodiles Gesicht. Seine Kündigungsfrist neigte sich langsam dem Ende zu. Das bedeutete, dass er in ein paar Wochen arbeitslos sein würde. Und bisher hatte er nur ein einziges Vorstellungsgespräch in Aussicht. Er schluckte. Auch wenn seine Geschwister niemals so reich gewesen waren und so luxuriös gelebt hatten wie er, dachte Crocodile, ging es ihnen derzeit finanziell deutlich besser als ihm. Zumindest hatte keiner von ihnen einen Schuldenberg in Höhe von über einer halben Millionen Berry. Sie wohnten beide in abbezahlten Häusern in der Vorstadt und hatten solide Arbeitsstellen. Da könnte er ja fast schon neidisch werden, dachte Crocodile mit einem bitteren Geschmack im Mund. "Ist etwas nicht in Ordnung, Wani?", riss ihn die besorgt und misstrauisch klingende Stimme seines Freundes aus den Gedanken. Überrascht schreckte er auf. "Hm? Nein, alles in Ordnung bei mir. Ich habe mir nur gerade ausgemalt, wie das Treffen wohl verlaufen wird." Doflamingo gluckste. Im Gegensatz zu Crocodile schien er dem bevorstehenden Freitagabend relativ gelassen entgegenzusehen. Tatsächlich war er ein Mensch, den man nicht so leicht aus der Fassung bringen konnte. Wenn dann allerdings der eine Tropfen kam, der das Fass zum Überlaufen brachte, dann gab es für ihn kein Halten mehr. Zum Glück jedoch hatte Crocodile noch nicht allzu viele Erfahrungen mit dieser exzentrischen Charaktereigenschaft seines Partners gemacht. "Wie sind dein Bruder und deine Schwester denn so drauf?", fragte Doflamingo. Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ach, sie sind ganz normale Leute. Nichts im Vergleich zu dir." Doflamingo zog eine Augenbraue hoch und meinte gespielt beleidigt: "Was soll das denn heißen? Bin ich etwa nicht normal?" "Definitiv nicht", bestätigte Crocodile und wendete sich wieder dem Buch zu, das er wegen Mihawks Anruf zur Seite gelegt hatte. "Du bist nicht bloß abnormal, sondern sogar ziemlich verrückt. Vielleicht der verrückteste Typ, den ich je kennengelernt habe." "Stört es dich denn, dass ich ein so verrückter Typ bin?" Crocodile machte sich nicht die Mühe von seinem Buch aufzublicken, als er sagte: "Wenn das der Fall wäre, dann wäre ich wohl kaum mit dir in einer Beziehung, oder?" Mit dieser Antwort war sein Freund allem Anschein nach sehr zufrieden, denn er bohrte nicht weiter nach, sondern lächelte leicht und wendete sich wieder seiner Arbeit zu. * "Sehe ich in Ordnung aus? Kann ich so gehen?", fragte Doflamingo ihn und drehte sich einmal um die eigene Achse, damit sein Freund ihn aus allen Blickwinkeln begutachten konnte. Crocodile zuckte mit den Schultern, ehe er nach seinem Mantel griff. "Du musst selber wissen, ob du in den Klamotten rausgehen möchtest oder nicht", erwiderte er schließlich. "Ich jedenfalls würde es nicht tun. Aber wir haben ja auch unterschiedliche Geschmäcker, was Kleidung angeht. Seit wann interessierst du dich überhaupt dafür, was andere Menschen von deinem Äußeren halten?" "Naja, es geht ja nicht um irgendwen, sondern um deine Familie", erklärte Doflamingo sein sonderbares Verhalten, ehe auch er in seinen Mantel schlüpfte. "Da will ich eben einen guten Eindruck machen. Ist doch verständlich, oder nicht?" "Natürlich", stimmte Crocodile seinem Freund zu, auch wenn er sich nicht sicher war, ob eine Dreiviertel-Jeans und ein hellrosafarbenes T-Shirt diesem Zweck besonders dienlich waren. Auf der anderen Seite allerdings musste Crocodile -der sich in Doflamingos Kleiderschrank recht gut auskannte- auch zugeben, dass sein Partner schon deutlich schlimmer ausgesehen hatte. Bei dem Geschäftsessen, an dem sie sich kennengelernt hatten, hatte er eine orangefarbene Dreiviertelhose mit schwarzem Tigermuster und ein pinkfarbenes, bis zum Nabel geöffnetes Hemd mit Schlangenprint getragen. Tatsächlich wirkte der überaus exzentrische Kleidungsstil Doflamingos auf viele Leute zuerst ein wenig abschreckend. Zum Glück allerdings handelte es sich bei Crocodiles Geschwistern um zwei Menschen, die Andere nicht allein nach ihrem Äußeren beurteilten und sich auch nicht von einem nicht ganz so positiven ersten Eindruck abschrecken ließen. (Wofür er überaus dankbar war. Ansonsten hätte er nämlich gar nicht erst zugelassen, dass die Drei sich jemals kennenlernten.) Nichtsdestotrotz war Crocodile ein wenig nervös. Er fragte sich, was Mihawk und Hancock wohl von seinen neuen Freund halten und wie das gemeinsame Treffen verlaufen würde. Er hoffte von ganzem Herzen, dass alles gut ging. "Wir müssen jetzt los", meinte Doflamingo und nahm ihn an die Hand, um mit ihm gemeinsam die Villa zu verlassen. Crocodile hob verwundert eine Augenbraue. Als er auf die Uhr schaute, stellte er fest, dass diese gerade einmal kurz nach sieben Uhr anzeigte. Da die Villa sich im eher äußeren Teil der Stadt befand, brauchten sie mit dem Auto etwa fünfundvierzig, vielleicht fünfzig Minuten bis zu Spider's Cafe, das in einer kleinen Nebenstraße im Stadtkern lag. (Von Crocodiles Wohnung aus gerechnet, war das kleine Cafe bloß etwa fünfzehn Minuten zu Fuß entfernt.) "Ich kann es kaum glauben", sagte Crocodile, als sie auf die Rückbank des Autos glitten, mit dem sie heute fahren würden. (Es handelte sich um einen dunkelblauen Jaguar XK Coupè; nur einer der vielen verschiedenen Wagen, die Doflamingo besaß.) "Du entwickelst dich langsam wirklich zu einem pünktlichen Menschen. Ich erkenne dich kaum wieder." "Du tust so, als würde ich ständig bloß zu spät kommen", erwiderte Doflamingo grinsend, nachdem der Fahrer das Auto gestartet hatte und losgefahren war, "dabei stimmt das doch gar nicht. Zu wichtigen Verabredungen komme ich fast immer pünktlich." Crocodile rollte mit den Augen. "Diese Diskussion führen wir zum einhundertsten Mal", sagte er. "In meinen Augen bist und bleibst du eben ein notorischer Zuspätkommer!" Er zögerte für einen Moment und fügte dann hinzu: "Ist dir das Treffen mit meinen Geschwistern wirklich so unglaublich wichtig?" "Na klar", antwortete Doflamingo sofort. "Deine Familie ist ein wichtiger Teil deines Lebens, oder nicht? (Genauso wie ich es hoffentlich bin.) Und indem ich sie kennenlerne, bringe ich gleichzeitig auch mehr über dich in Erfahrung. Ich möchte alles über dich wissen, Crocodile. Ich möchte, dass wir beide einander genau kennen, jedes noch so winzige Detail; und dass wir keine Geheimnisse voreinander haben. Du sollst ein fester Bestandteil meines Lebens werden und zwar mit allem, was zu dir dazu gehört. Denn darum geht es doch schließlich in einer Liebesbeziehung, findest du nicht auch?" Crocodile spürte, dass sich seine Kehle plötzlich sehr trocken anfühlte und sich auf seine Lippen ein bitterer Geschmack legte. Er hustete kurz und wollte schlucken, doch musste feststellen, dass sich in seinem Mundraum kein einziger Tropfen Speichel mehr befand. Die Worte seines Partners rührten ihn zutiefst. Doflamingo war normalerweise niemand, der solche Dinge sagte; tatsächlich war er nur sehr selten dazu in der Lage, seine Gefühle wirklich ernst auszudrücken, so völlig ohne jedes Grinsen und Lachen. Dennoch konnte Crocodile sich über dieses Geständnis seines Partners nicht so recht freuen. Als dieser darauf zu sprechen kam, dass sie keine Geheimnisse voreinander haben sollte, wurde Crocodile für einen kurzen Augenblick sogar schlecht. Schließlich hielt er nun schon seit Wochen eine so wichtige Angelegenheit wie seine Kündigung und die daraus resultierenden Schulden vor seinem Freund geheim. Und er hatte vor, dies weiterhin zu tun. Crocodile strich sich mit der rechten Hand gedankenverloren über den Mund und fragte sich unweigerlich, ob Doflamingo ihm dieses Geheimnis verzeihen könnte, sollte es jemals ans Tageslicht kommen. Um sich selbst ein wenig zu beruhigen und das Thema zu wechseln, sagte er: "Du wirst niemals meine ganze Familie kennenlernen. Meine Geschwister sind das Äußerste, was ich dir anbieten kann. Damit wirst du dich zufrieden geben müssen." Doflamingo zog die Augenbrauen zusammen und sah irritiert zu ihm hinüber. "Warum darf ich denn deine Eltern nicht kennenlernen?" Crocodile seufzte. Normalerweise sprachen sie nicht oft über ihre Familien. Er hatte seinem Freund bereits bei der einen oder anderen Gelegenheit von Mihawk und Hancock erzählt, jedoch noch niemals seine Eltern erwähnt. Er sprach nicht gerne über diese beiden Menschen und verschwendete gemeinhin nur wenig Gedanken an sie. Er stockte für einen kurzen Moment und erwiderte dann mit fester Stimme: "Weil ich keinen Kontakt mehr zu ihnen haben. Ich habe sie schon seit fast zwanzig Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und ich habe auch nicht vor, das zu ändern." Er spürte, dass Doflamingo bestürzt war anbetracht dieser Tatsache. "Oh Mann", sagte er, "das tut mir wirklich leid für dich. Gibt es dafür einen besonderen Grund?" "Dreimal darfst du raten!", antwortete Crocodile in einer patzigeren Stimmlage als beabsichtigt. "Als ich achtzehn Jahre alt war, habe ich mich vor ihnen als homosexuell geoutet. Sie haben mich rausgeschmissen und gesagt, dass ich eine Schande für die Familie bin und nie wieder kommen soll. Ende der Geschichte." Doflamingo legte einen Arm um seine Schulter und Crocodile lehnte sich instinktiv in die Umarmung hinein. Der Geruch seines Freundes, der so nah bei ihm war, und die Berührungen seiner Hand, die sanft durch sein Haar strich, beruhigten ihn ein wenig. "Es tut mir wirklich leid, dass dir so etwas passieren musste, Wani", wiederholte Doflamingo. "Das hast du nicht verdient. Deine Eltern scheinen ja echt Idioten zu sein. Aber zumindest hast du einen Bruder und eine Schwester, die dich so akzeptieren wie du bist." "Stimmt", pflichtete Crocodile ihm bei und vergrub sein Gesicht in Doflamingos Halsbeuge. "Ich habe ihnen wirklich viel zu verdanken." Doflamingo küsste ihn auf sein Haar und schien dieses unangenehme Thema hinter sich lassen zu wollen. Er sagte: "Ich wusste gar nicht, dass du schwul bist." "Ähm, was?" Verwirrt richtete Crocodile sich auf. "Was redest du da?" "Naja", meinte Doflamingo und zuckte mit den Schultern, "wir haben da nie so deutlich wie eben drüber gesprochen." Crocodile war sich nicht sicher, ob er wirklich verstand, was sein Freund da sagte. In seinen Ohren ergaben dessen Worte nämlich überhaupt keinen Sinn. "Wir sind seit sieben Monaten in einer Liebesbeziehung", sagte er schließlich und kam sich ziemlich dämlich vor, während er das sagte. "Wenn ich nicht homosexuell wäre, dann wäre das wohl kaum der Fall, oder?" Doflamingo fuhr sich mit der Hand durch sein blondes Haar. "Das muss doch nicht unbedingt heißen, dass du homosexuell bist", räumte er ein. "Ich bin es ja auch nicht. Ich bin bi." "D-du bist bisexuell?" Doflamingo nickte. Das hatte Crocodile gar nicht gewusst. Bisher war eigentlich immer davon ausgegangen, dass sein Freund (so wie er selbst) ausschließlich Männer mochte. Allerdings musste er zugeben, dass Doflamingo das niemals behauptet hatte. Um ehrlich zu sein, sprachen sie heute zum ersten Mal über dieses Thema. Es hatte sich nie zuvor ergeben. "Ist das ein Problem für dich?", fragte sein Partner, der allem Anschein nach spürte, dass er diese Nachricht mit gemischten Gefühlen aufnahm. "Ich weiß, dass dieses Klischee vom untreuen Bisexuellen existiert. Aber ich versichere dir, dass es auf mich nicht zutrifft. Ich würde dich niemals betrügen. Weder mit einem anderen Mann noch mit einer anderen Frau. Ich verspreche es dir." Crocodile nickte matt. "Warum hast du mir das denn nicht früher erzählt?" "Keine Ahnung", gestand Doflamingo. "Ich wusste ja aber auch gar nicht, dass dir dieses Thema so wichtig ist. Wie kommt das überhaupt? Hast du schlechte Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht? Du kannst dir wirklich sicher sein: Ich interessiere mich nur für dich. Und ich möchte nur mit dir zusammen sein. Mit niemandem sonst, weder Männlein noch Weiblein." Crocodile rieb sich mit der rechten Hand die Schläfe. Dieses neue Wissen über die Sexualität seines Freundes warf ihre Pläne für heute Abend durcheinander. "Hättest du mir vorher gesagt, dass du bisexuell bist, dann hätte ich das Treffen mit meinen Geschwistern abgesagt", meinte er. Doflamingo schien ihm nicht ganz folgen zu können. "Hm? Wieso das denn? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?" Crocodile seufzte. "Es ist wegen meiner Schwester." Sein Partner gab einen verärgerten Brummlaut von sich. "Worauf willst du hinaus?", fragte er und klang ernsthaft beleidigt und vielleicht auch ein wenig verletzt. "Dass ich deine Schwester nicht kennenlernen darf, weil du befürchtest, dass ich gleich mit ihr in die Kiste springe? Unglaublich, dass du mir so etwas unterstellst! Nur weil ich bi bin, heißt das nämlich nicht, dass ich mit jeder Frau, die mir über den Weg läuft, etwas anfangen will!" "So war das nicht gemeint", erwiderte Crocodile. Ihn strengte diese Diskussion furchtbar an. "Es ist nur so, dass sie keine normale Frau ist. Sie ist eine Bombe! Einfach wunderschön! Jeder Mann, der nicht homosexuell ist, verfällt ihr sofort!" "Wenn sie eine weibliche Variante von dir ist, dann bin ich mir sicher, dass sie wunderschön aussieht. Davon musst du mich nicht erst überzeugen. Aber das bedeutet trotzdem nicht, dass ich mit ihr anbändeln will." Er hielt für einen kurzen Moment inne und sagte dann: "Eigentlich dachte ich immer, dass ich derjenige von uns beiden bin, der ständig eifersüchtig ist." "Du verstehst das nicht!" Crocodile warf einen Blick aus dem Autofenster und erkannte die Gegend, in der sie sich befanden, sofort wieder. In etwa fünf oder sechs Minuten würden sie schon an Spider's Cafe sein. Jetzt war es zu spät, um umzukehren. "Ich... als ich noch jünger war, da bin ich mal mit ein paar Typen ausgegangen, die nicht homo-, sondern bisexuell waren. Jeder einzelne von ihnen hat mich verlassen, weil sie sich in meine Schwester verliebt hatten. Sie ist nämlich nicht einfach bloß hübsch, sondern die wunderschönste Frau, die du jemals gesehen hast. Kein Mann, der Frauen mag, kann ihr widerstehen..." Doflamingo seufzte und griff nach seiner Hand. "Vielleicht hast du Recht", sagte er, während der Jaguar in die kleine Nebenstraße fuhr, in der das Cafe lag. "Vielleicht ist sie die wunderschönste Frau auf der Welt. Aber das ist mir egal. Denn ich bin in den wunderschönsten Mann auf der Welt verliebt. Bitte vertrau mir doch, Crocodile! Du musst keine Angst haben, ich verspreche es dir!" Crocodile seufzte unwillig und resignierte schließlich. "Na gut", sagte er, "wir haben sowieso keine andere Wahl." Der Jaguar war in einer Parklücke gegenüber von Spider's Cafe zum stehen gekommen und der Fahrer stieg aus, um ihnen die hintere Wagentüre zu öffnen. Es war fünf Minuten vor acht Uhr abends. Mihawk und Hancock saßen bereits an einem Tisch, als sie das kleine Cafe betraten. Sie winkten ihnen freundlich zu und deuteten an, dass er und Doflamingo sich zu ihnen setzen sollten. Crocodile schluckte. Für einen Moment versuchte er seine Schwester durch die Augen eines Mannes zu sehen, der nicht mir ihr verwandt war. Leider musste er zugeben, dass sie unglaublich schön aussah: mit ihrem dunkles Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte, der makellose Haut, den strahlend blaue Augen; außerdem war sie groß und schlank. Der Traum aller Männer! Als sie den Tisch erreicht hatten, standen seine Geschwister auf, um sie zu begrüßen und um sich Doflamingo vorzustellen, der wiederum seinen eigenen Namen nannte. Crocodile fiel auf, dass sein Freund seine Schwester keine Sekunde länger als nötig berührte. Er schüttelte ihre Hand gerade lange genug, um nicht unhöflich zu erscheinen. Überdies setzte er sich auf den freien Stuhl gegenüber Mihawk. Augenblicklich fühlte Crocodile sich erleichtert. Er war sich sicher, dass Doflamingo ihn nicht täuschte. Er war kein Mensch, der sich verstellte oder für andere verbog. Stattdessen handelte er immer nach seinen Gefühlen und jagte dem nach, was er wollte. Er war absolut authentisch. Crocodile wusste, dass Doflamingo sich nicht genieren würde, Hancock vor seinen Augen den Hof zu machen, falls er Interesse an ihr haben sollte. Da er das allerdings nicht tat, ging Crocodile beruhigt davon aus, dass sein Partner die Worte, die er vorhin im Auto zu ihm gesagt hatte, tatsächlich ernst meinte. Paula, die Besitzerin des kleinen Cafes, kam zu ihnen hinüber, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Hancock nahm einen heißen Kakao mit Sahne, Mihawk und Doflamingo beide Kaffee und Crocodile ein stilles Wasser. Er vertrug weder Kaffee noch Kakao; das eine wegen dem Koffein und das andere wegen dem Zucker. "Wie war eure Fahrt hierhin?", fragte Hancock, die anscheinend ein wenig Small-Talk betreiben wollte. "Mihawk hat mir erzählt, dass du ja jetzt bei Doflamingo wohnst. Ist das weit weg von hier?" "Ich wohne nicht richtig bei ihm", warf Crocodile sofort ein und ignorierte den unwilligen Blick seines Partners, den dieser ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch zuwarf. "Nur zur Probe. Wir wollen schauen, ob wir es dauerhaft miteinander aushalten, bevor wir eventuell zusammenziehen. Sind ja erst seit sieben Monaten ein Paar." "Aber bisher läuft es wunderbar", warf Doflamingo ein, "nicht wahr, Wani?" "Wani?", wiederholte Hancock glucksend und selbst Mihawk, der ansonsten sehr zurückhaltend war, konnte sich ein leichtes Grinsen nicht ganz verkneifen. Crocodile wurde ein wenig rot im Gesicht angesichts dieser Reaktionen. "Er gibt mir immer blöde Spitznamen", erklärte er. Doflamingo schien sich derweilen überhaupt nicht zu schämen, sondern zuckte bloß mit den Schultern. "Na und? Du hast mir doch auch einen Spitznamen gegeben." Der rote Schimmer auf Crocodiles Wangen verdunkelte sich. "Aber ich rufe dich nicht ständig so, sondern sage ihn nur, wenn wir beide allein sind." "Könntest du aber", hielt Doflamingo dagegen und schien sich bestens darüber zu amüsieren, dass seinem Freund dieses Thema peinlich war, "ich hätte da nichts gegen." "Ach, halt bloß die Klappe!", knurrte Crocodile verärgert und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ihr seid aber Streithähne", kommentierte seine Schwester munter ihren kleinen Schlagabtausch. "Wir streiten nicht", machte Doflamingo deutlich, "wir ärgern uns nur ein bisschen gegenseitig. Stimmt doch, Crocobaby, oder?" "Du bist ein blöder Idiot!", gab dieser zurück, ohne die Verschränkung seiner Arme aufzulösen. Doflamingo lachte leise und Crocodiles Geschwister stimmten mit ein. Überraschenderweise verlief der gemeinsame Cafebesuch deutlich besser als befürchtet. Doflamingo machte zwar gelegentlich ein paar unpassende Bemerkungen und riss ein paar schlechte Witze (Crocodile war fest davon überzeugt, dass sein Freund das nur tat, um ihn in Verlegenheit zu bringen), doch verhielt sich insgesamt ganz in Ordnung. Mihawk und Hancock jedenfalls schienen ihn sympathisch zu finden. Und was am allerwichtigsten war: Doflamingo zeigte lediglich das Maß an Interesse an Hancock, das ihr als Schwester seines festen Partners zustand. Er machte ihr keine Komplimente, griff nicht über den Tisch hinweg nach ihrer Hand oder tat irgendetwas anderes Verdächtiges. Stattdessen verhielt er sich ihr gegenüber in etwa so, als hätte er gar nicht mitbekommen, dass es sich bei ihr um eine Frau handelte. Allem Anschein nach schien er Crocodile tatsächlich beweisen zu wollen, dass er seine Worte ernst meinte. Sie saßen bis etwa viertel vor zehn Uhr abends beisammen, ehe sie sich voneinander trennten. Schließlich hatten sie heute alle einen schweren Arbeitstag hinter sich und sehnten sich nach einem weichen Bett, ganz gleich wie nett die Gesellschaft auch sein mochte. Crocodile übergab Mihawk -wie telefonisch besprochen- seinen Wohnungsschlüssel und machte sich danach gemeinsam mit seinem Partner auf den Weg zurück zu dessen Jaguar. "Wie findest du meine Geschwister?", fragte Crocodile, nachdem sie auf die Rückbank des Wagens geglitten waren. "Sehr nett", antwortete Doflamingo und schien ehrlich zu meinen, was er sagte. "Sie sind dir beide ziemlich ähnlich, finde ich." "Tatsächlich?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Das hat mir noch nie jemand gesagt. Die meisten Leute sagen, dass wir drei völlig unterschiedlich sind. Sie sagen, Hancock ist die Schöne, Mihawk der Stille und ich der Stolze." Bei dieser Beschreibung lachte Doflamingo. "Das stimmt nicht ganz", meinte er schließlich. "Ich finde nämlich, dass du nicht bloß stolz bist, sondern auch schön und still." Er zögerte kurz und korrigierte dann: "Nun gut, still bist du vielleicht nicht sonderlich oft. Aber stolz und schön bist du immer!" Crocodile spürte, dass sich erneut ein Rotschimmer auf seine Wangen legte. Er war es nicht gewöhnt, Komplimente zu bekommen. Zumindest keine Komplimente dieser Art. "Sag doch so etwas nicht", meinte er leise und sah aus dem Fenster, damit Doflamingo die Röte in seinem Gesicht nicht bemerkte. Inzwischen war es draußen bereits dunkel geworden. "Aber wieso denn nicht?", fragte Doflamingo und rückte nah an ihn heran. "Du bist doch schön und stolz. Oder nicht?" Er schob mit einer Hand den Schal seines Freundes zur Seite und küsste sanft dessen Hals. Augenblicklich spürte Crocodile, wie sich die feinen Haare auf seinen Armen aufstellten. "Klug bist du auch. Und elegant. Stilvoll." Als Doflamingo an seiner Haut zu saugen begann, drückte Crocodile ihn halbherzig zurück. "Wir sind gerade im Auto, Doffy", flüsterte er, damit der Fahrer, der nur durch eine dünne Zwischenwand von ihnen getrennt war, seine Worte nicht bekam. Doflamingo zuckte allerdings bloß mit den Schultern und näherte sich erneut seinem Hals. "Na und?", meinte er. "Sitzt doch keiner von uns hinter'm Steuer. Also was soll's." "Du machst mir einen Knutschfleck!" "Trägst doch sowieso immer einen Schal." Schlussendlich gab Crocodile -wie so oft ins letzter Zeit- kleinbei und ließ seinen Freund gewähren. Doflamingo saugte, küsste und leckte die empfindlichen Haut an seinem Hals. Als er allerdings spielerisch zu knabbern und zu beißen begann, konnte Crocodile ein leises Stöhnen nicht ganz unterdrücken. Er spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht in weiter unten liegende Regionen wanderte. Wenn er dieser Sache jetzt nicht Einhalt gebot, dachte er, dann würde sie außer Kontrolle geraten. Und das wollte er auf keinen Fall riskieren! (Zumindest nicht, während sie sich noch immer auf dem Rücksitz des Jaguars befanden und der Fahrer, der vorne saß und nur durch eine dünne Wand von ihnen getrennt war, alles mitanhörte.) Als er jedoch mit seiner rechten Hand den Körper seines Partners von sich fort schieben wollte, langte diese daneben und landete irgendwie in dessen blondem Haar. Crocodile fühlte die weichen Strähnen zwischen seinen Fingern und spürte, dass der Widerstand in seinem Inneren immer kleiner wurde. "Nicht im Auto", sagte er, doch die Worte klangen sogar in seinen eigenen Ohren furchtbar halbherzig. Doflamingo wiederum schien seinen fehlenden Widerstand als Einladung zu betrachten. Er löste Crocodiles Sicherheitsgurt und knöpfte ihm das Hemd auf. [zensiert] Doflamingo bemerkte seinen verwunderten Blick und grinste. "Ich glaube, Sex im Auto gefällt mir besser, wenn es nicht fährt", räumte er ein. "Lass uns das lieber im Schlafzimmer weiterführen, ja? Für mich ist es kein Problem zu warten. Und außerdem musst du dann nicht ständig Angst davor haben, dass dir jemand beim Stöhnen zuhören könnte. Es ist nämlich viel heißer, wenn du laut bist." Crocodile folgte dem Beispiel seines Partners und zog sich ebenfalls wieder vernünftig an. "Von mir aus", stimmte er Doflamingo zu, während er sein Hemd zuknöpfte, "dann machen wir eben im Bett weiter. Das ist sowieso viel bequemer, finde ich. So schick der Jaguar auch sein mag, für solche Aktivitäten ist dieser Wagen definitiv nicht geeignet." * Am Mittag des nächsten Tages fand Crocodile endlich die Zeit dazu, sich ohne seinen Partner mit seinen Geschwistern zu treffen. Sie hatten als Ort für ihr Gespräch seine Loft-Wohnung ausgemacht, was Crocodile nur recht war, weil er auf diese Weise Doflamingo gegenüber behaupten konnte, er müsste zu sich nach Hause fahren, um seine Post abzuholen. Das war zwar gelogen, doch sein Partner nahm diese einleuchtend klingende Erklärung ohne weitere Nachfragen hin und bot ihm sogar an, mit einem seiner Autos zu fahren. „Mein Fahrer könnte dich zu deiner alten Wohnung fahren", meinte er. „Der setzt dich dort ab und du könntest mit deinem Mercedes C 216 hierhin zurückfahren. Dann hast du dein eigenes Auto dauerhaft hier stehen. Das ist doch sicher praktisch, während du bei mir wohnst. Ich weiß ja, dass du gerne selber fährst." „Gute Idee!", erwiderte er, ohne sich weitere Gedanken über diesen Vorschlag zu machen. Er war bloß froh, dass Doflamingo ihm seine Lüge abkaufte und nicht etwa vorhatte ihn zu begleiten. „Es kann allerdings sein, dass ich ein wenig länger bleibe. Bestimmt wollen Mihawk und Hancock noch ein bisschen plaudern. Ich hoffe, das ist kein Problem für dich. Du weißt ja, dass ich meine Geschwister leider nicht so häufig sehen kann wie ich es gerne würde." „Natürlich ist das kein Problem für mich", erklärte Doflamingo, während sein Freund sich auf den Weg zur geräumigen Garage der Villa machte. „Und vergiss nicht, den Autoschlüssel für deinen Mercedes mitzunehmen, ja?" „Klar", erwiderte Crocodile und war froh, als Doflamingo außer Sichtweite war. Denn auch wenn er ihm in letzter Zeit oft nicht die Wahrheit sagen wollte, belastete ihn doch jede einzelne Lüge. Crocodile war ein Mensch, der es hasste angelogen zu werden und auch selber nicht gerne log. Er konnte bloß hoffen, dass Doflamingo in dieser Hinsicht nicht so streng war wie er selbst, sollte dieses Lügennetz jemals ans Tageslicht kommen. Seine Geschwister erwarteten ihn bereits gespannt, als er seine Loft-Wohnung betrat. Es war ein seltsames Gefühl, die Türe der eigenen Wohnung geöffnet zu bekommen, fand Crocodile, der die letzten vierzehn Jahre fast ausschließlich alleine gewohnt hatte. Er hatte -nachdem ihn seine Eltern auf die Straße gesetzt hatten- für drei Jahre bei seinem älteren Bruder gewohnt, war jedoch in ein eigenes Apartment gezogen, als er sein Studium begonnen hatte. Dieses hatte er für ein Semester unterbrechen müssen, als er seine Hand verlor; er war wieder zurück zu Mihawk gezogen, der sich solange um ihn gekümmert hatte, bis er dazu in der Lage war, trotz der fehlenden Hand seinen eigenen Haushalt zu führen. Gegen Ende seines Studiums hatte er dann Enel kennengelernt und war nach vier Jahren Beziehung mit diesem in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Ein weiteres Jahr hatten sie zusammengewohnt, ehe sie sich trennten. Abgesehen von diesen immer nur relativ kurz andauernden Wohngemeinschaften hatte Crocodile allerdings stets allein gewohnt. „Mihawk hat mir erzählt, dass dir ein paar schlechte Dinge widerfahren sind", sagte Hancock sofort, kaum hatte er den Flur betreten. Er nahm sich die Zeit, um seinen Mantel abzulegen und sich die Schuhe auszuziehen. Danach ging er zusammen mit seinen Geschwistern ins Wohnzimmer hinüber, wo sie sich auf der Ledercouch niederließen. Hancock setzte sich genau auf den Platz, an dem Doflamingo und er vor kurzem Sex miteinander gehabt hatte und wo nach dem Akt das Sperma seines Partners aus ihm herausgelaufen und auf der Sitzfläche der Couch gelandet war; doch nicht einmal diese peinliche Tatsache entlockte Crocodile ein Schmunzeln. Die Stimmung war sehr ernst und seine beiden Geschwister sahen ihm besorgt in die Augen. Er hätte gerne den Fernseher eingeschaltet, um die Situation ein wenig aufzulockern, doch aus irgendeinem Grund traute er sich das nicht. „Ja, das stimmt", sagte Crocodile und zögerte dann für einen Moment. Auf der einen Seite wollte er Hancock und Mihawk nicht mit seinen Sorgen belasten, doch auf der anderen Seite brannte er förmlich darauf, sein Geheimnis endlich jemandem mitzuteilen. Die Geheimnistuerei in letzter Zeit belastete ihn furchtbar. „Ist es wegen deinem Freund?", wollte sie sofort wissen. „Diesem Doflamingo? Er tut dir doch nichts an, oder? Gestern hat er sich eigentlich ganz nett benommen, aber er schien mit auch ein sehr merkwürdiger Typ zu sein." „Nein, Doflamingo ist nicht der Grund", stellte Crocodile sofort klar. Er wollte auf keinen Fall den guten Eindruck, den sein Freund bei ihrem gestrigen Treffen gemacht hatte, ruinieren. Und außerdem war er ja tatsächlich nicht die Ursache der Probleme, mit denen er derzeit zu kämpfen hatte, sondern stellte nur einen Teil davon dar. „Es geht um etwas ganz Anderes." Crocodile holte tief Luft und sagte dann: „Ich habe meinen Job verloren." Für einen Moment herrschte absolute Stille im Raum. Hancock war die erste, die wieder das Wort ergriff: „Oh je, Crocodile, das tut mir furchtbar leid für dich. Dabei hast du doch so lange studiert und so hart gearbeitet, um diesen Job zu bekommen. Das hast du wirklich nicht verdient!" „Was ist denn der Grund für deine Kündigung?", fragte Mihawk. Crocodile seufzte. „Ich habe einen Riesenfehler gemacht", erklärte er schließlich. „Dieser Fehler hat die Bank Millionen gekostet. Und eine Menge Leute mussten entlassen werden. Aber das ist nicht der einzige Grund. Denke ich jedenfalls. Fehler passieren jedem einmal, auch Fehler mit solcher Reichweite. Man hat mir nicht einmal die Chance gegeben, die Sache wiedergutzumachen. Ich vermute, dass Sengoku -er ist sozusagen der oberste Chef der Bank und mein direkter Vorgesetzter- schon länger geplant hat mich rauszuwerfen und nur nach einem Grund gesucht hat. Den er schließlich gefunden hat." „Das ist hart", sagte Mihawk. „Hast du denn eine Vermutung, wieso Sengoku dich loswerden wollte?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Da er die Entlassung sowieso nicht verhindern konnte, hatte er sich gar nicht erst die Mühe gemacht, allzu viele Gedanken an diese Frage zu verschwenden. Er war viel zu sehr mit den Folgen seiner Kündigung beschäftigt, um nach allen Gründen zu fragen. „Ich weiß es nicht. Aber wir konnten uns von Anfang an nicht leiden. Dafür sind wir einfach zu unterschiedliche Menschen. Und mit den anderen hohen Tieren der Bank habe ich auch so meine Probleme gehabt. Vor allen Dingen mit Akainu, diesem Misthund. Vielleicht hängt es damit zusammen." „Könnte es sein, dass man in der Bank von deiner sexuellen Ausrichtung erfahren hat?", vermutete Mihawk. „Ich weiß ja, dass du damit nicht allzu offen umgehst. Vielleicht handelt es sich ja um homophobe Leute, die dich aus diesem Grund loswerden wollten." „Vielleicht", erwiderte Crocodile halbherzig. „Bevor ich Doflamingo kennengelernt habe, war ich ja sehr lange single. Und Sengoku hat sicherlich mitgekriegt, dass wir jetzt ein Paar sind. Schließlich haben wir uns bei einem gemeinsamen Geschäftsessen kennengelernt. Aber schlussendlich können wir sowieso bloß Vermutungen anstellen." „Das stimmt natürlich", gab sein Bruder ihm Recht. „Und ganz gleich was die Ursache ist, es ändert ja nichts an der Situation, in der du dich jetzt befindest." „Du hast uns gar nicht erzählt, dass du Doflamingo bei einem Geschäftsessen kennengelernt hast", warf Hancock ein. Sie schien die negative Stimmung, die sich wie zu dicke Luft im Raum verbreitete, ein wenig auflösen zu wollen. „Tatsächlich nicht? Naja, er ist einer der wichtigsten Kunden der Bank, hat den Großteil seines Geldes dort angelegt. Ich darf natürlich keine genauen Zahlen nennen, aber es handelt sich um eine riesige Menge Geld. Er ist sehr reich. Jedenfalls hatte Sengoku ein Geschäftsessen mit ihm vereinbart und ich habe ihn begleitet. Ursprünglich sollte Aokiji mitgehen, aber der hatte sich am Bein verletzt und lag im Krankenhaus. Deswegen musste ich kurzfristig einspringen, obwohl ich eigentlich gar keine Lust hatte." „Eure Begegnung ist mit Sicherheit Schicksal gewesen", meinte Hancock und Crocodile musste sofort daran denken, dass seine Schwester gerne die Horoskope in Frauenzeitschriften lag. "War es Liebe auf den ersten Blick?" Crocodile schmunzelte. „Nicht ganz", gestand er schließlich. „Bei mir nicht, aber bei Doflamingo vielleicht. Er hat mich gesehen und schien sofort begeistert von mir zu sein. Hat mich zuerst begrüßt und sich mir gegenüber an den Tisch gesetzt, obwohl er ja eigentlich mit Sengoku verabredet war; schließlich ist der ja der oberste Chef der Bank und nicht ich. Aber er hat ihn kaum eines Blickes gewürdigt und ihm gar nicht zugehört." Als er an diese Situation zurückdachte, konnte Crocodile ein selbstgefälliges Grinsen nicht ganz unterdrücken. „Das hat Sengoku total geärgert, das weiß ich noch genau", sagte er. „Eigentlich wollten sie über irgendwelche Zinssätze oder so etwas sprechen, aber dazu sind sie überhaupt nicht gekommen. Weil Doflamingo sich nämlich die ganze Zeit bloß mit mir unterhalten hatte. Seine erste Frage war, wie ich denn heiße und die zweite, ob ich single wäre. Er hat den ganzen Abend lang nicht von mir abgelassen. Und Sengoku konnte natürlich nichts dagegen sagen. Schließlich ist ja Doflamingo einer seiner allerwichtigsten Kunden. Aber ich habe gemerkt, wie er innerlich immer wütender und ungehaltener geworden ist." Bei dem Gedanken an Sengoku, der so still brodelnd neben ihm gesessen hatte, lachte Crocodile leise. Er erinnerte sich daran, dass er ihm sogar unter dem Tisch hinweg einen Tritt gegen das Schienbein gegeben hatte. „Nach diesem Geschäftsessen hat Doflamingo mich auch sofort nach einem Date gefragt. Man kann also vielleicht wirklich sagen, dass es bei ihm Liebe auf den ersten Blick gewesen ist." „Und was hast du gesagt?", hakte Hancock nach. „Als er dich um das Date gebeten hat. Hast du sofort zugesagt? Und wo hat es stattgefunden?" Crocodile war es gewöhnt, dass seine Schwester sich für solche Details interessierte und er wusste genau, dass sie keine Ruhe geben würde, ehe er nicht alle Fragen beantwortet hatte. Hancock war wirklich eine typisches Frauenzimmer, was das anging. Sein Bruder Mihawk wiederum war eher ein bodenständiger Typ, der sich weder für das Liebesleben anderer Menschen interessierte noch sich darin einmischte. Dennoch schwieg er geduldig, während Crocodile fortfuhr: „Naja, ich habe mich nicht sofort auf dieses Date eingelassen. Ich weiß auch nicht genau warum. Schließlich war ich ja zu dem Zeitpunkt schon seit drei Jahren von Smoker getrennt gewesen. Ich denke, er hat mich mit seinem offenkundigen Interesse einfach ein wenig überrannt. Außerdem kannte ich ihn ja auch gar nicht. Und seine äußere Erscheinung hat auf mich auch sehr komisch gewirkt. Ihr müsst nämlich wissen, dass er einen sehr exzentrischen Kleidungsstil an den Tag legt. Gestern Abend, als ihr ihn kennengelernt habt, sah er noch verhältnismäßig normal aus. Bei dem Geschäftsessen mit Sengoku und mir hatte er ein rosafarbenes Hemd mit Schlangenprint getragen. Und zwar offen bis zum Bauchnabel! Und dazu eine schwarze Hose mit Tigermuster, die ihm kaum über die Knie ging. Es sah wirklich furchtbar aus. Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen." Hancock kicherte leise. „Er hat also zuerst sehr abschreckend auf dich gewirkt", fasste sie zusammen. „Was hat dich schlussendlich dazu bewegt, doch mit ihm auszugehen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. „Das lässt sich gar nicht so genau sagen. Er hat mich einfach so lange bedrängt, bis ich irgendwann die Nase voll hatte und mich auf ein Date mit ihm eingelassen habe. Und naja, auf dieses erste Date ist dann sehr schnell ein zweites gefolgt, darauf ein drittes und so weiter. Ehe ich mich versehen hatte, waren wir ineinander verliebt und in einer Beziehung. Ich kann gar nicht genau sagen, was ausschlaggebend gewesen ist." „Das ist eine so schöne Liebesgeschichte!", meinte Hancock und wirkte sehr begeistert. „Und ich finde es toll, dass du endlich wieder jemanden gefunden hast! Mihawk und ich haben uns schon Gedanken um dich gemacht, nachdem du so lange single geblieben bist. Dachten schon, du würdest zum Eigenbrötler werden. Du weißt ja selber, dass du viel zu viel arbeitest und dich zu wenig um soziale Kontakte kümmerst!" Ihre Stimme klang ungemein vorwurfsvoll. „Aber zum Glück bist du ja jetzt auf Doflamingo getroffen. Ich denke, die Beziehung zu ihm tut dir gut. Er scheint ja ein sehr lebensfroher Mensch zu sein. Hoffentlich färbt das ein wenig auf dich ab!" „Ich bin wirklich sehr glücklich mit ihm", gestand Crocodile. Mihawk räusperte sich. „Ich möchte eure gute Laune nur ungern trüben", sagte er, "aber ich denke, wir sollten wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren, so unangenehm es auch sein mag." Er wendete sich direkt an ihn: „Crocodile, du hast uns erzählt, dass dir bereits vor ein paar Wochen gekündigt worden ist. Wie sieht deine jetzige Jobsituation aus? Hast du bereits Bewerbungen geschrieben?" „Natürlich", erwiderte Crocodile, der sich sehr abrupt wieder auf den Boden der Tatsache zurückgeholt fühlte. Es war nett gewesen, mit Hancock über Doflamingo zu plaudern. Für einen kurzen Moment hatte er all seine Probleme völlig vergessen können. Was allerdings nicht bedeutete, dass sie sich dadurch in Luft auflösten, wie Mihawk ihm deutlich machte. „Ich habe sogar schon eine Einladung für ein Vorstellungsgespräch erhalten; für nächste Woche Montag bei einem Bauunternehmen. Darüber bin ich unglaublich glücklich, denn im Managment-Bereich ist es sehr schwierig, kurzfristig eine dauerhafte Anstellung zu finden. Ich hoffe, dass ich so schnell wie möglich neue Arbeit finden werde. Wenn es nicht anders geht, würde ich natürlich auch einen zeitlich befristeten Job annehmen. Zum Beispiel Festivals, Konzerte, Messen und so weiter organisieren. Da sind die Chancen etwas zu finden ein wenig höher. Aber am liebsten hätte ich eben doch eine feste Arbeitsstelle." „Es ist schön zu hören, dass du die Situation ernst nimmst und sofort nach neuer Arbeit Ausschau hältst", sagte Mihawk. „Vielleicht läuft dein Vorstellungsgespräch bei dieser Baufirma ja super und du wirst schnell eingestellt", warf Hancock mit munterer Stimme ein, doch weder Mihawk noch Crocodile ließen sich so leicht von ihrem Optimismus überzeugen. „Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich noch ein sehr großes Problem", sagte Crocodile. "Es hängt auch mit meiner Kündigung zusammen." „Und worum handelt es sich bei diesem Problem?" Crocodile seufzte. „Um Schulden. Und zwar nicht gerade wenig. Wie ihr wisst, bin ich ja erst vor etwa zwei Jahren in meine jetzige Wohnung eingezogen. Bei dieser Gelegenheit habe ich mir eine sehr teure Einrichtung inklusive hochwertiger Küche zugelegt. Und vor kurzem habe ich mir dann auch noch den Mercedes C 216 gekauft." „Aber nichts davon bezahlt?", mutmaßte Mihawk. „Nicht vollständig", gab Crocodile zu. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich meine Arbeit als Bankmanager schon nach zwei Jahren wieder verliere. Ich dachte, ich würde noch mindestens zehn oder fünfzehn Jahre dort arbeiten. Deswegen habe ich vieles auf Raten gekauft oder Kredite aufgenommen, um für diese Sachen aufkommen zu können. Würde ich noch weiter bei der Bank arbeiten, wäre das auch gar kein Problem. Das habe ich mir nämlich alles vorher genau ausgerechnet. Aber jetzt habe ich meine Anstellung dort so plötzlich verloren", er schluckte, „und die Kredite und Raten muss ich trotzdem bezahlen." Mihawk schwieg für einen Moment, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme sagte: „Das sind wirklich riesige Schwierigkeiten, in denen du da steckst. Hast du schon eine Idee, wie du eine Lösung finden könntest?" „Naja, ich hoffe, dass ich schnell neue Arbeit finde", erwiderte er. „Dann könnte ich meine Schulden begleichen und alles wäre in Ordnung. Da dies allerdings in absehbarer Zeit wohl kaum der Fall sein wird, musste ich mir anders helfen. Ich habe meine Loft-Wohnung gekündigt und dem Vermieter angeboten, gegen eine Entschädigung die neue Küche zu behalten, damit der Nachmieter sie nutzen kann. Gemeldet hat der sich bisher allerdings nicht. Ich werde mir eine andere Bleibe suchen müssen. Außerdem werde ich einen Teil meiner Möbel verkaufen. Und wenn es nicht anders geht, auch meinen Mercedes C 216. Mit diesem Geld werde ich dann zumindest die dringendsten Schulden begleichen können. Dann werde ich weitersehen müssen." Mihawk und Hancock sahen einander an und schauten dann zu ihm hinüber. Crocodile seufzte. „Ich weiß, dass sich das furchtbar anhört", meinte er. „Mehr als furchtbar", erwiderte Hancock. „Aber du weißt natürlich, dass du dich immer auf uns verlassen kannst", fügte Mihawk hinzu. „Wenn du möchtest, könntest du zum Beispiel bei mir einziehen, bis du eine neue Arbeit gefunden hast; ich wohne ja sowieso allein und mein Haus ist längst abbezahlt. Und, ähm, ich kann dir auch Geld leihen, wenn es hart auf hart kommt und du selbst die schlimmsten Schulden nicht mehr bezahlen kannst. Ich habe Ersparnisse von einigen Jahren auf der Bank." Crocodile schüttelte hektisch den Kopf. „Nein, auf gar keinen Fall!", meinte er mit energischer Stimme. „Ich möchte nicht auch noch meinen eigenen Geschwistern zur Last fallen. Lieber schulde ich einer Bank Geld als euch. Hinterher bin ich im schlimmsten Fall völlig bankrott und nicht dazu in der Lage, euch euer Erspartes zurückzuzahlen! Das kommt für mich unter keinen Umständen infrage!" „Aber irgendwie müssen wir dir doch helfen können!", sagte Hancock. „Wir können doch nicht tatenlos dabei zusehen, wie du vor die Hunde gehst. Irgendetwas können wir doch sicher tun!" „Ihr beide habt mir schon geholfen, indem ihr mir zugehört habt", antwortete Crocodile. „Ich mache aus meiner Kündigung schon seit Wochen ein Geheimnis und das belastet mich sehr. Es hat unendlich gutgetan, endlich jemanden davon erzählen zu können. Jetzt fühle ich mich schon viel besser." Hancock zog eine Augenbraue hoch. "Aber was ist denn mit Doflamingo?", fragte sie verwundert. "Hast du ihm noch nichts davon erzählt? Wenn er wirklich so reich ist, wie du sagst, könnte er dir in deiner Situation doch sicher helfen, oder nicht? Bestimmt hat er auch eine Menge Kontakte und könnte dir schnell eine neue Anstellung als Manager besorgen. Oder dir Geld leihen, damit du deine Schulden bezahlen kannst!" Crocodile schüttelte den Kopf. „Ich möchte mir von niemandem Geld leihen", sagte er. „Darin liegt schließlich die Wurzel all meiner Probleme, nicht wahr? Dass ich mir Geld geliehen habe, das ich nicht zurückzahlen kann. Wenn ich mir Geld von Doflamingo leihe, dann setzt sich dieser Kreislauf doch bloß weiter fort. Und was passiert, wenn wir beide uns trennen sollten? Dann wird er das geliehene Geld sicherlich sofort zurückverlangen, auch wenn es sich für ihn dabei bloß um Peanuts handelt. Und ich sitze noch mehr in der Klemme als sowieso schon. Nein danke, darauf möchte ich lieber verzichten." Er zögerte für einen Augenblick, sah seinen Geschwistern in die Augen und fügte dann hinzu: „Außerdem möchte ich überhaupt nicht, dass er von meiner derzeitigen Situation erfährt. Ich befürchte, das könnte ein Schlag sein, den unsere Beziehung nicht aushält. Und das möchte ich nicht riskieren. Er bedeutet mir nämlich unglaublich viel." „Bist du dir sicher, dass das die richtige Entscheidung ist?", hakte Mihawk nach. „Du weißt genau, dass ich mich normalerweise nicht in das Leben anderer Menschen einmische oder ihnen meine Meinung aufzwängen möchte, aber ich denke, dass du dich in dieser Sache irrst. Doflamingo scheint mir niemand zu sein, der sich wegen deinen Schulden von dir abwenden würde. Als wir ihn gestern Abend kennengelernt haben, machte er auf uns einen sehr verliebten Eindruck." Crocodile seufzte und schüttelte den Kopf. „Trotzdem! Ich möchte nicht, dass er von meiner finanziellen Situation erfährt. Ich bin mir sicher, dass ich meine Probleme alleine lösen kann. Bisher bin ich doch mit allen Herausforderungen fertig geworden. Dann werde ich auch sicher mit dieser fertig." Seine Stimme klang deutlich optimistischer als Crocodile sich fühlte, doch zum Glück ließen seine beiden Geschwister die Sache nun auf sich beruhen. Sie wiederholten ein weiteres Mal, dass er sich immer auf sie verlassen konnte, und wechselten dann das Thema, worüber Crocodile sehr dankbar war. Obwohl es ihm gutgetan hatte sich endlich jemandem anzuvertrauen, war er sich dessen bewusst, dass sich dadurch nichts an seinen eigentlichen Problemen änderte. Es lag allein an ihm, eine Lösung zu finden. Er durfte weder seine Geschwister noch seinen Partner damit belasten. Sie sprachen noch für eine Weile über andere Dinge, ehe Crocodile sich schließlich von Mihawk und Hancock verabschiedete. Als er einen Blick auf die Uhr über der Tür warf, stellte er fest, dass sie sich deutlich mehr als drei Stunden miteinander unterhalten hatten. Doflamingo wartete mit Sicherheit bereits ungeduldig auf ihn. Crocodile dachte daran, seine Post mitzunehmen (schließlich hatte er dies Doflamingo gegenüber als Grund für den Besuch seiner Wohnung genannt) und machte sich dann auf den Weg zu seinen Mercedes C 216, der in der Garage stand, die mit zu der teuren Loft-Wohnung gehörte. * Es war früher Abend am Samstag der darauf folgenden Woche und Crocodile lag in der Badewanne. Doch obwohl das Wasser eine sehr angenehme Temperatur hatte und die Wanne so geräumig war, dass er seine Beine vollständig ausstrecken konnte (bei seiner Körpergröße keine Selbstverständlichkeit!), war er einfach nicht dazu in der Lage, sich zu entspannen. In zwei Tagen stand ihm das Vorstellungsgespräch bei diesem Bauunternehmen bevor und der Gedanke daran machte ihn nervös. Vor allen Dingen, weil es sich dabei um die einzige Einladung für ein Gespräch handelte, die er bisher erhalten hatte. Crocodile hatte zwar -seit er von seiner Kündigung vor ein paar Wochen erfahren hatte- bereits gut zwei Dutzend vielversprechender Bewerbungen abgeschickt, doch bisher nur wenig positive Rückmeldungen erhalten. Als Manager war es sehr schwierig so kurzfristig eine neue Arbeitsstelle zu finden; Crocodiles Hoffnung, schnell eine neue Anstellung ausfindig zu machen und auf keinen Fall arbeitslos zu werden, schien mit jeder Absage in weitere Ferne zu rücken. Während der Tag seiner endgültigen Entlassung immer näher kam. Crocodile schluckte und ließ sich ein Stück tiefer ins warme Badewasser gleiten. Doflamingo telefonierte gerade mit irgendwelchen Freunden und er hatte diese Gelegenheit genutzt, um sich ein wenig zurückzuziehen. Dass sein Partner ihn nervte, war nicht der Fall, doch Crocodile fiel es sehr schwer über seine Zukunft nachzudenken und Vorkehrungen zu treffen, während sich Doflamingo in seiner unmittelbaren Nähe befand. Zum Glück hatte er jedoch daran gedacht, von Zuhause seinen Laptop mitzunehmen und war darum auch hier dazu in der Lage, im Internet nach Stellenausschreibungen zu suchen, per Email Bewerbungen abzuschicken und die Absagen, die er erhielt, so schnell wie möglich zu löschen. Tatsächlich stammte die einzige gute Nachricht, die er in letzter Zeit erhalten hatte, von seinem Vermieter, der inzwischen auf seine Email reagiert hatte: Er durfte zum nächsten Monat hin ohne Kündigungsfrist ausziehen, während seine neue und überaus hochwertige Küche in der Loft-Wohnung verblieb. Als Entschädigung erhielt er Dreiviertel des ursprünglichen Kaufpreises. Dabei handelte es sich um knapp 23.000 Berry; Geld, das Crocodile gut gebrauchen konnte und bereits investiert hatte, um den Teil seiner vielen Schulden auszugleichen, den er nicht mehr länger aufschieben konnte. Crocodile seufzte. Er ließ ein wenig Wasser aus der Wanne ablaufen und schüttete dann heißes Wasser neu nach. Bisher hatte er nur einen sehr kleinen Teil seiner Schulden tilgen können. Dabei hatte er sich in letzter Zeit mit allen Mitteln darum bemüht, möglichst sparsam zu leben, damit er mehr Geld für für die Bezahlung seiner Gläubiger übrig hatte. Doch im Endeffekt hatte auch das nicht geholfen. Inzwischen war er -unter Anderem durch den Verkauf seiner Küche- etwa ein Fünftel seiner Schulden losgeworden. Was Crocodile allerdings kaum trösten konnte: Ob es sich nun um 550.550 Berry oder 450.000 Berry handelte, war ihm beinahe gleichgültig. Die neue Zahl klang in seinen Ohren fast genauso wie die alte und änderte an seiner Gesamtsituation rein gar nichts. Außerdem würde er zum nächsten Monat hin obdachlos sein -und das war schon in einer Woche-, wenn er nicht geschwind eine neue und vor allem preisgünstige Wohnung fand. Oder tatsächlich dauerhaft hier einzog. Crocodile schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich das Gesicht seines Partners vorzustellen. Doflamingo hatte ihn seit ihrem Essen im Flying Lamb kein weiteres Mal auf das Thema Zusammenziehen angesprochen. Diese Tatsache stimmte Crocodile nachdenklich. Er konnte nur schwer einschätzen, ob Doflamingo seinen Vorschlag inzwischen selbst wieder verworfen hatte oder er seinen Partner einfach bloß nicht bedrängen wollte. Nachdem Crocodile eine Weile darüber nachgedacht und verschiedene Argumente gegeneinander abgewogen hatte, kam er zu dem Schluss, dass wahrscheinlich letztere Möglichkeit der Fall war. Doflamingo hatte zwar keine direkten Andeutungen zu diesem Thema gemacht, doch er schien sich über Crocodiles dauerhafte Anwesenheit in seiner Villa sehr zu freuen. Anstatt sich zurückzuziehen oder unterschwellig aggressiv zu reagieren, wenn sein Freund in der Nähe war, verbrachte er so viel Zeit wie nur möglich mit ihm und war meistens sehr gut gelaunt. Eigentlich hatte er gar keine andere Wahl als bei Doflamingo einzuziehen, dachte Crocodile und ließ seine Hand in kreisenden Bewegungen durch das warme Badewasser gleiten. Innerhalb einer Woche würde er mit Sicherheit keine vernünftige Wohnung finden. Außerdem war es sowieso ausgeschlossen, dass er in eine Wohnung ziehen würde, die seinem derzeitigen Lebensstil entsprach. Das ließ seine finanzielle Situation nicht zu. Und genau das war der springende Punkt. Crocodile seufzte. Wenn er in eine günstigere Wohnung zog, dann würde sein Partner merken, dass er gekündigt worden war. Und das wollte Crocodile noch immer unter allen Umständen vermeiden. Lieber zog er da mit ihm zusammen, auch wenn er das eigentlich noch gar nicht wollte und dadurch vor allen Dingen noch weitere Kosten auf ihn zukommen würden. Jedenfalls ging Crocodile davon aus, dass eine Menge weiterer Schulden durch ihren Zusammenzug entstehen würden. Sie hatten zwar bisher noch nicht über die Finanzierung dieser Sache gesprochen, doch für Crocodile käme es auf gar keinen Fall infrage, kostenfrei bei seinem Freund zu wohnen. Das ließ sein Stolz einfach nicht zu. Und die Villa, in der Doflamingo hauste, hatte 20.000.000 Berry gekostet. Zwanzig Millionen Berry, dachte Crocodile und ließ sich diese Zahl auf der Zunge zergehen. Sein Partner glaubte doch nicht allen Ernstes, dass er innerhalb kurzer Zeit die Hälfte dieses Betrags aufbringen konnte, oder? Doflamingo überschätzte seine finanzielle Situation, schoss es Crocodile da durch den Kopf. Er dachte, er würde als Bankmanager viele Millionen verdienen; und zwar nicht im Jahr, sondern im Monat. Deswegen hatte er ihm dieses Angebot gemacht. Weil er davon ausging, dass er eine Summe von 10.000.000 Berry leicht aufbringen konnte. Dieser Gedanke versetzte Crocodile einen Stich in sein Herz. Wenn sein Partner davon ausging, dass er nicht nur wohlhabend, sondern schwer reich war, schlussfolgerte Crocodile, dann würde er umso enttäuschter sein, sollte er jemals herausfinden, dass er seine Arbeit verloren hatte und überschuldet war. Crocodile schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Der angenehme Duft der teuren Badeöle, die er ins Wasser gegossen hatten, stiegen ihm in die Nase. Für ihn war es ganz klar, was er tun musste: Weiterhin den Schein wahren! Doflamingo durfte niemals von seiner derzeitigen Situation erfahren! Crocodile schluckte. Sogar, wenn er dafür weitere Schulden in Kauf nehmen musste. Er liebte Doflamingo mehr als er in seinem Leben jemals irgendeinen Mann geliebt hatte. Und er wollte ihn nicht verlieren! Vielleicht würde sich ja doch noch alles zum Guten wenden, dachte Crocodile. Vielleicht lief sein Vorstellungsgespräch am Montag ja unglaublich gut. Vielleicht wurde er gleich übernächsten Monat als neuer Manager dieser Baufirma eingestellt. Vielleicht bekam er ja gleich von Anfang an eine so wunderbare Bezahlung, dass er innerhalb kürzester Zeit all seine Schulden begleichen konnte! Es legte sich ein verzweifeltes Grinsen auf Crocodiles Lippen. Crocodile beschloss gerade in dem Augenblick sein Bad zu beenden und aus der Wanne zu steigen, als sich plötzlich unangemeldet die Türe zum Badezimmer öffnete und Doflamingo eintrat. Mit einem verärgerten Brummlaut glitt Crocodile zurück ins das lauwarme Badewasser und warf seinem Freund einen vorwurfsvollen Blick zu. „Wenn du wirklich möchtest, dass ich bei dir einziehe, dann solltest du dir angewöhnen anzuklopfen, bevor du ein Badezimmer betrittst", rutschte es ihm heraus, ehe er die Chance hatte, über diese unglückliche Wortwahl nachzudenken. Doflamingo allerdings schien sich gar nicht weiter daran zu stören und nahm die Sache mit Humor. „Stell dich doch nicht so an", meinte er und winkte ab, während er näherkam, „ich habe dich schon hundertmal nackt gesehen." „Trotzdem!", erwiderte Crocodile mürrisch. „Ich lege viel Wert auf meine Privatsphäre. Das solltest du respektieren!" Es ärgerte ihn, dass sein Freund es wieder einmal nicht über sich brachte, sich bei ihm zu entschuldigen, sondern stattdessen bloß sein Fehlverhalten herunterspielte. "Was machst du überhaupt hier? Wolltest du nicht mit irgendeinem Freund telefonieren?" Erst jetzt bemerkte er, dass Doflamingo sein Handy in der Hand hielt. „Stimmt", antwortete dieser. Inzwischen war er an dem Rand der Badewanne angelangt und ließ sich auf den Fußboden sinken. Da die Wanne allerdings im Boden eingelassen war, überragte er Crocodile auch im Sitzen noch um einiges. „Und genau deswegen bin ich hier. Ein paar meiner Freunde wollen heute Abend ausgehen. Du weißt schon, in einen Club. Und sie fragen, ob du und ich uns ihnen anschließen wollen." „Du willst, dass ich mit dir und deinen Freunden in einen Nachtclub gehe?" Mit einem solchen Angebot hatte Crocodile überhaupt nicht gerechnet. Er hatte den Großteil von Doflamingos Freunden zwar schon bei der einen oder anderen Gelegenheit gesehen gehabt, doch hatte eigentlich nur recht wenig mit diesen Leuten zu tun. „Klar", bestätigte sein Partner. „Wieso denn nicht? Ich dachte mir, da wir letztes Wochenende deine Geschwister getroffen haben, könnten wir dieses Wochenende etwas mit meinen Freunden unternehmen." „Ich kenne deine Freunde doch schon", hielt Crocodile dagegen, obwohl diese Aussage so nicht ganz stimmte. Er wusste zwar ihre Namen und konnte sie den entsprechenden Gesichtern zuordnen, doch wirklich kennen tat er eigentlich keinen von ihnen. Dies war allerdings nicht der einzige Grund, wieso er heute Abend nicht ausgehen wollte. Viel eher lag es daran, dass, wenn jemand wie Donquixote Doflamingo mit seinen Freunden ausging, der Abend meistens sehr teuer wurde. Denn natürlich kamen nur die allerbesten und teuersten Clubs für einen Besuch infrage. Und Crocodile hatte nicht vor, ungeheuer viel Geld für eine Nacht in einem blöden Club auszugeben. Er tanzte sowieso nicht gerne und allzu viel Alkohol vertrug sein empfindlicher Magen auch nicht. Auf der anderen Seite wäre es jetzt sicher nicht ratsam, Doflamingo zu enttäuschen oder sogar einen Streit heraufzubeschwören. Nicht, wenn vorhatte, in einer Woche bei diesem einzuziehen und außerdem den Schein des neureichen Bankmanagers zu wahren. Also seufzte Crocodile leise auf und beschloss erneut, kleinbei zu geben. „Ja, aber ich möchte gerne, dass du sie besser kennenlernst“, fuhr Doflamingo fort. „Sie sind nämlich oft bei mir zu Besuch und ich möchte, dass du sie kennst, wenn du demnächst hier einziehst. Vielleicht findest du sie ja sympathisch und dann könnte man öfter mal etwas zusammen unternehmen. Ich fände es super klasse, wenn ihr euch gut verstehen würdet." „Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass wir uns einen schönen Abend zu zweit machen wollten", sagte Crocodile, "aber na gut, dann gehen wir eben in den Club. Wann soll es denn los gehen? Ich brauche ja auch noch Zeit, um mich fertig zu machen; sitze immerhin gerade noch in der Badewanne." „Klasse!", jubelte Doflamingo. „Und keine Sorge, du hast mehr als genug Zeit, um dich fertig zu machen. Wir wollen erst so gegen Mitternacht los." Er zögerte für einen kurzen Moment und fügte dann hinzu: „Als Entschädigung machen wir beide uns einfach morgen einen schönen Tag zu zweit, in Ordnung? Ich verspreche es dir." „In Ordnung", erwiderte Crocodile. „Sag mal, ist das Badewasser eigentlich noch warm?" „Nur noch lauwarm, ich wollte das Bad gerade beenden“, antwortete Crocodile, der bereits eine üble Vermutung hatte, worauf sein Freund hinaus wollte. „Dann gieß heißes Wasser nach“, meinte dieser, während er sein Hemd aufknöpfte und den Gürtel seiner Hose öffnete. Zuletzt legte er seine Sonnenbrille ab. „Ich muss nämlich auch noch baden.“ Crocodile unterdrückte ein Seufzen und tat stattdessen wie ihm geheißen. Außerdem goss er noch ein paar weitere Badeöle in das Wasser. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust auf ein gemeinsames Bad mit Doflamingo (schließlich war er hierher gekommen, um sich ein wenig zurückzuziehen), doch allem Anschein nach hatte er keine Wahl, was das anging. Zumindest nicht, wenn er nächste Woche mit seinem Partner zusammenziehen wollte und darum jede aufkommende Streitigkeit verhindern musste; koste es, was es wolle. Doflamingo ließ sich ihm gegenüber in die geräumige Badewanne gleiten und seufzte wohlig auf. „Das Wasser hat genau die richtige Temperatur“, meinte er, während er ihm unverwandt ins Gesicht sah. „Wir sollten öfter zusammen ein Bad nehmen.“ „Wenn du meinst“, erwiderte Crocodile und wich dem Blick dem Blick seines Freundes aus. Wie immer, wenn dessen Augen nicht durch die getönten Gläser der Sonnenbrille verdeckt waren, hatte er das seltsame Gefühl geröntgt zu werden. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Doflamingo verwundert und misstrauisch. „Du wirkst so komisch.“ „Nein, mit mir ist alles okay“, antwortete Crocodile, während er seine Augen schloss und sich ein wenig tiefer in das warme Badewasser gleiten ließ. Dabei berührten seine Füße die Beine seines Partners, doch keiner von ihnen beiden schenkte diesem Kontakt besondere Aufmerksamkeit. „Bist du dir da sicher?“, hakte Doflamingo nach, den er mit seinen Worten allem Anschein nach nicht so recht hatte überzeugen können. „Wenn du... Also, wenn du keine Lust hast, heute Abend auszugehen, dann können wir auch Zuhause bleiben. Dann sage ich meinen Freunden ab und wir machen das eben ein anderes Mal. Ich möchte nicht, dass du dich wegen mir dazu verpflichtet fühlst, mitzukommen.“ „Nein, es ist schon gut“, erwiderte Crocodile. Und als er bemerkte, dass seine Worte noch immer bloß recht halbherzig klangen, fügte er hinzu: „Ich fühle mich heute ein bisschen unwohl. Du weißt schon, mein Magen macht mir etwas zu schaffen. Aber das vergeht bis heute Abend sicher wieder.“ „Oh, okay.“ Diese Erklärung schien Doflamingo glücklicherweise zu glauben. Crocodile schob es in letzter Zeit häufig auf irgendwelche Probleme mit seinem Magen, wenn er seine schlechte Laune vertuschen wollte, und bisher hatte Doflamingo ihm diese Lüge jedes Mal vorbehaltlos abgekauft. Jedenfalls entspannte sich seine Körperhaltung und er begann damit, unter Wasser mit seiner Hand über Crocodiles Fuß und Unterschenkel zu streicheln. Crocodile ließ sich dieses Verhalten gefallen, obwohl er im Augenblick nicht in der Stimmung für Sex war. Denn dass sein Partner darauf hinauswollte, war für ihn absolut eindeutig. Doflamingo wollte einfach immer Sex haben, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und Crocodile befand sich derzeit absolut nicht in der Position, um ihm diesen Wunsch verwehren zu können. „Mir fällt da eine Möglichkeit ein, wie ich dich von deinen Magenschmerzen ablenken könnte“, raunte Doflamingo und ließ seine Hand das Bein seines Partners hoch wandern. Crocodile legte den Kopf in den Nacken und bemühte sich darum, seine Muskeln zu entspannen. Da er den Geschlechtsverkehr jetzt sowieso nicht mehr verhindern konnte, machte es keinen Sinn, schlecht gelaunt und verkrampft dazuliegen. Das würde nur zu vermeidbaren Schmerzen führen. „Ach ja?“, erwiderte Crocodile, weil er seinem Freund das Gefühl geben wollte, dass er mitspielte. „Worum handelt es sich denn genau bei dieser Möglichkeit?“ Doflamingo grinste und streichelte mit seinen Fingerspitzen sanft über die Innenflächen der Oberschenkel seines Partners. Crocodile stöhnte leise und genießerisch. Zumindest schien Doflamingo heute Lust auf sanften und gefühlvollen Sex zu haben, dachte sich Crocodile, das würde es ihm leichter machen und weniger Schmerzen bereiten. Er hatte seine Augen noch immer geschlossen, wodurch ihm das warme Badewasser und die sanften Berührungen noch angenehmer erschienen. „Das wirst du noch sehen“, sagte Doflamingo. „Ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird, also lehn dich einfach entspannt zurück und lass mich mal machen.“ Damit konnte er sich durchaus arrangieren, dachte Crocodile, und folgte der Aufforderung seines Partners. [zensiert] „Hmmm, das war gut“, sagte sein Partner mit matter Stimme, als er sich wieder gesammelt hatte. „Stimmt“, gab Crocodile ihm Recht und steuerte die Dusche an. Obwohl er ein Bad genommen hatte, fühlte er sich nicht sauber - nicht nachdem, was sie beide gerade eben getan hatten. „Ich könnte auch eine Dusche vertragen“, meinte Doflamingo und folgte ihm in die Duschkabine, die beinahe ebenso geräumig wie die Badewanne war. Crocodile machte es nichts aus, dass sich sein Freund selber einlud. Da dieser bereits zum Orgasmus gekommen war, musste er nicht fürchten, in der Dusche begrabscht zu werden. Doflamingo war zwar ein großer Fan von Sex in der Dusche (vor allen Dingen morgens, wie Crocodile bereits festgestellt hatte) doch er selbst konnte dem nichts allzu viel abgewinnen. Er fand ein weiches Bett oder eine gemütliche Couch angebrachter. Aber da gingen die Geschmäcker eben auseinander. „Warum wolltest du eigentlich keinen Sex haben?“, fragte Crocodile, während sie zu zweit unter der Dusche standen. „Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ Er wusste zwar selbst nicht genau wieso, doch seltsamerweise ließ ihn diese Frage nicht los. Vielleicht lag es daran, dass sein Partner sich schrecklich untypisch verhielt, indem er ihn ablehnte. Und das verunsicherte ihn. „Wir hatten doch Sex“, erwiderte Doflamingo unbekümmert und seifte sein Haar mit Shampoo ein. „Du weißt, was ich meine“, erwiderte Crocodile spitz. Es ärgerte ihn, dass sein Freund so tat, als wüsste er nicht, worauf er hinauswollte. „Richtigen Sex. Penetration.“ „Du bist also der Meinung, dass es sich nur dann wirklich um Sex handelt, wenn ich meinen Schwanz in deinen Arsch hineinstecke?“ „Sag das nicht so ungeniert!“, wies Crocodile ihn zurecht. Er spürte, dass er rot im Gesicht wurde und drehte sich von Doflamingo weg, der die Röte allerdings bereits gesehen hatte und leise kicherte. Er könnte sich nie so ungehemmt über Geschlechtsverkehr unterhalten. „Aber wie auch immer. Ja. Es war kein richtiger Sex. Wieso wolltest du nicht?“ Doflamingo stieg aus der Duschkabine und trocknete sich ab; Crocodile folgte ihm. „Das heißt also“, sagte er, „auch wenn ich dir einen Blowjob gebe oder dich fingere oder dir sogar Sextoys in den Arsch schieben würde, dann würdest du sagen, dass wir keinen Sex gehabt hätten? Einfach bloß, weil mein Schwanz nicht in dir drin gewesen ist? Findest du das nicht ein bisschen kleinkariert?“ „Ich habe dir gesagt, dass du dich nicht so ausdrücken sollst!“, meinte Crocodile und schlüpfte in seinen Bademantel (Doflamingo hatte ihm einen besorgt, als er einmal angemerkt hatte, dass ihm seiner fehlte, den er leider bei sich Zuhause vergessen hatte). „Und wechsle nicht das Thema! Wenn es irgendeinen Grund dafür gibt, dass du keinen Lust auf Sex hattest, dann will ich den wissen.“ Doflamingo grinste und sah ihm dabei zu, wie er sich die Haare trocknete. „Eigentlich hatte ich schon Lust darauf“, antwortete er schließlich, „aber ich habe mich aus Rücksicht auf dich zurückgehalten.“ „Aus Rücksicht auf mich?“ Crocodile verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Was meinst du denn damit?“ „Naja, wenn wir jetzt Sex gehabt hätten, dann hätte dir sicher den ganzen Abend lang dein Arsch wehgetan“, erklärte Doflamingo. „Vor allen Dingen, wenn wir es ohne richtiges Gleitgel getan hätten. Und außerdem hattest du ja sowieso schon Magenschmerzen. Darum wollte ich dir das nicht zumuten; nicht, wenn wir heute Abend in einen Club gehen. Das hätte dir doch den ganzen Spaß verdorben.“ „Wirklich?“, fragte Crocodile nach. Er war sich nicht sicher, ob er dieser Erklärung Glauben schenken wollte oder nicht. „Und wann bist du zum rücksichtsvollen Menschen geworden? So kenne ich dich ja gar nicht.“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Naja, du hast doch gesagt, ich soll nicht immer nur an mich denken, oder? Du weißt schon, als wir diesen Streit wegen dieser blöden Schnepfe in deinem Büro hatten. Du hast gesagt, dass ich zu wenig an deine Bedürfnisse denke, sei das größte Problem in unserer Beziehung. Deswegen versuche ich mich in dieser Hinsicht zu ändern. Und auch öfter mal an dich zu denken.“ „Sie ist keine blöde Schnepfe, sondern heißt Tashigi und ist ein sehr liebes Mädchen“, meinte Crocodile, „aber was das Andere angeht, bin ich wirklich positiv überrascht.“ Das war er tatsächlich. Sein Freund verhielt sich ihm gegenüber zwar meistens liebevoll und fürsorglich, dennoch hatte Crocodile stets das Gefühl, dass immer Doflamingo selbst im Zentrum seiner Gedanken und Entscheidungen stand und alle anderen -inklusive seinem Partner- bloß zweitrangig waren. Damit, dass Doflamingo sich aus Rücksicht auf ihn zurückhielt, hätte Crocodile niemals gerechnet. Vor allen Dingen nicht, was den Sex anging. Auch wenn ihm natürlich bereits aufgefallen war, dass sein Freund sich in dieser Hinsicht in letzter Zeit ein wenig verändert hatte: Inzwischen ging er den Sex weniger ungeduldig und auch weniger egozentrisch an. Crocodile fragte sich, was dieser Sinneswandel wohl zu bedeuten hatte. Vielleicht wollte Doflamingo ihm beweisen, dass er ihre Beziehung wirklich ernst meinte, schoss es ihm durch den Kopf. Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte (wenn seine Vermutung tatsächlich zutraf.) Auf der einen Seite freute er sich darüber, dass er für Doflamingo nicht bloß irgendein Spielzeug oder einen netten Zeitvertreib darstellte und er ihre Beziehung nicht auf die leichte Schulter nahm, doch auf der anderen Seite verunsicherte und verängstigte ihn diese Vorstellung auch. Denn wenn Doflamingo es tatsächlich ernst mit ihnen beiden meinte, dann tat er ihm unglaubliches Unrecht an, indem er ihn jeden Tag anlog. Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Er war sich dessen bewusst, dass man in einer wirklich ernsten Beziehung immer ehrlich zueinander sein sollte. Und er log seinen Partner wegen so vieler Dinge an: seinem Job, seinen Finanzen, seiner Wohnsituation. Außerdem schob er ständig angebliche Magenschmerzen vor, wenn er wieder einmal schlecht gelaunt war. Ob Doflamingo ihm jemals verzeihen könnte, sollten diese Lügen eines Tages ans Licht kommen? Crocodile schluckte. Er konnte diese Frage nicht unzweifelhaft beantworten. Und darum blieb ihm keine andere Wahl, als zu verhindern, dass diese schreckliche Situation jemals eintreten würde! „Ist alles in Ordnung mit dir?“, riss ihn die Stimme seines Partners aus seinen Gedanken; Crocodile schreckte auf. „Du wirkst so komisch. Hast du immer noch Probleme mit deinem Magen? Wenn es heute so schlimm ist, dann können wir auch Zuhause bleiben. Ich möchte nicht, dass du dich quälst.“ „Schon gut, mein Magen ist okay“, sagte Crocodile sofort. „Ich bin eben bloß ein bisschen mit meinen Gedanken abgeschweift.“ „Wirklich?“ „Wirklich. Ich verspreche es dir. Es ist alles in Ordnung. Unserem Abend im Club steht nichts im Wege!“ „Gut“, meinte Doflamingo. „Aber wenn dein Magen doch noch Probleme machen sollte, dann sagst du es mir, ja?“ Crocodile nickte und zum Glück schien sich sein Freund damit zufrieden zu geben. Anstatt weiter auf diesem Thema herumzureiten, begann er vom bevorstehenden Abend zu schwärmen: „Ich bin mir sicher, dass es dir Spaß machen wird. Meine Freunde sind coole Leute. Ein bisschen kennst du sie ja schon. Das wird garantiert eine total klasse Nacht! Ich kann es kaum erwarten! Wir gehen viel zu selten zusammen in den Club, findest du nicht, Wani?“ „Naja“, war der einzige Kommentar, den Angesprochener über die Lippen brachte. Er war bisher nur recht selten gemeinsam mit Doflamingo in den Club oder in eine Bar gegangen. Crocodile wusste zwar, dass sein Freund sehr gerne tanzte und trank, doch für ihn war weder das eine noch das andere etwas. Darum ging Doflamingo zumeist mit seinen Freunden und ohne Crocodile aus. Ihn störte das nicht. Er vertraute darauf, dass sein Partner keine Dummheiten anstellte und verbrachte den Abend stattdessen lieber mit seinen eigenen Freunden (von denen er nicht allzu viele besaß, wenn er ehrlich war), seinen Geschwistern oder in Ruhe ganz allein. Dennoch oder womöglich genau deswegen hatte Crocodile ein äußerst ungutes Gefühl, was den bevorstehenden Abend anging. Hoffentlich würde er nicht in einem völlig Desaster enden, dachte er, ehe er gemeinsam mit Doflamingo das Badezimmer verließ. * „Möchtest du noch etwas essen, bevor wir losgehen?“, fragte ihn sein Freund. „Es ist nicht gerade vorteilhaft, wenn man auf nüchternen Magen trinkt. Dann schlägt der Alkohol nämlich gleich doppelt so heftig zu. Aber das weißt du ja sicherlich.“ „Ach, ich habe gerade keinen Hunger“, erwiderte Crocodile. „Und außerdem habe ich sowieso nicht vor, viel zu trinken.“ Sie befanden sich gerade beide im begehbaren Kleiderschrank von Doflamingo und suchten sich die Kleidungsstücke heraus, die sie heute Abend tragen wollten. Da die Villa, in der sein Partner wohnte, groß genug war und dieser eine riesige Menge Kleidung besaß, hatte er sich einen eigenen Raum eingerichtet, der nur für die Unterbringung seiner Garderobe bestimmt war. Und allein dieser begehbare Kleiderschrank war etwa halb so groß wie Crocodiles komplette Loft-Wohnung. Es erstaunte ihn immer wieder, wie viel reicher sein Freund als er doch war und wie viel luxuriöser er lebte. Crocodile besaß zwar selbst ebenfalls einen begehbaren Kleiderschrank (diesen kleinen Luxus gönnten sich inzwischen recht viele Menschen), doch dabei handelte es sich nur um ein relativ kleines Zimmer, das nicht einmal an sein Schlafzimmer angrenzte. „Wieso denn nicht?“, fragte Doflamingo nach und hielt sich abwechselnd zwei verschiedene Hemden gegen die Brust, die der Ansicht seines Partners nach allerdings beide absolut gleich furchtbar aussahen. Da sie heute Abend in einen Club gehen wollten, schien Doflamingo der Meinung zu sein, er müsste sich ganz besonders exzentrisch kleiden. „Verträgt dein Magen nicht so viel Alkohol?“ „Ähm, das ist nicht so sehr das Problem“, meinte Crocodile ausweichend. Inzwischen fühlte er sich fast jedes Mal schuldig und schlecht, wenn sie über seinen empfindlichen Magen sprachen, selbst wenn es sich diesmal sogar um die Wahrheit handelte: Tatsächlich vertrug er die meisten alkoholischen Getränke nicht gut; vor allen Dingen Bier (wegen der Kohlensäure) oder Getränke mit hohem Zuckeranteil. Häufig wurde ihm schon schlecht dabei, wenn er seinem Partner nur dabei zusah, wie dieser sich einen besonders süßen Cocktail bestellte. Normalerweise trank er bloß gelegentlich mal ein Glas Wein. Oder Wodka mit Orangensaft, schoss es Crocodile durch den Kopf und sofort spürte er, wie ihn sein schlechtes Gewissen zu beißen begann. Seit er bei Doflamingo eingezogen war, hatte er zwar keinen harten Alkohol mehr angerührt, doch er schämte sich noch immer wegen der vielen Drinks, die er sich damals in seiner Verzweiflung gegönnt hatte. Eigentlich verabscheute er es nämlich abgrundtief, wenn Menschen harten Alkohol tranken. Er hatte dem niemals viel abgewinnen können; zumindest nicht, bis er von seiner Kündigung und seinen Schulden erfahren hatte. „In welchen Club geht es heute Abend eigentlich?“, fragte Crocodile, um das Thema zu wechseln. „Haben du und deine Freunde sich da schon entschieden? Oder machen wir das ganz spontan?“ Während er sprach, griff er nach einem dunkelgrünen Hemd und schlüpfte hinein. (Doflamingo hatte -gleich nachdem er zugestimmt hatte, für drei Wochen bei ihm einzuziehen- seinen Kleiderschrank ausgemistet und Platz geschaffen für die Kleidungsstücke, die sein Partner mitbrachte.) „Wir gehen ins Skypia“, antwortete Doflamingo unbekümmert. „Das ist ein exklusiver Club. Ich weiß nicht, ob du ihn kennst. Er liegt nämlich nicht im Stadtkern, sondern etwas weiter außerhalb. Aber ich bin mir sicher, dass es dir dort gefallen wird.“ „S-skypia?!“ Crocodile stockte in seiner Bewegung und warf seinem Freund einem völlig entsetzten Blick zu. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand unerwartet einen heftigen Schlag in den Magen verpasst. Als er schlucken wollte, musste er feststellen, dass sein Mund staubtrocken war; es gelang ihm nicht, auch nur ein paar Tropfen Speichel unter der Zunge hervorzukramen. Doflamingo warf ihm einen verwunderten und misstrauischen Blick zu. „Ja. Wieso? Kennst du den Club?“ Crocodile zögerte für einen kurzen Moment, ehe er sagte: „Ähm, um ehrlich zu sein: ja.“ „Du wirkst plötzlich so komisch“, meinte Doflamingo. Er hielt noch immer die beiden furchtbaren Hemden in der Hand. „Ist es ein Problem für dich, dass wir ins Skypia gehen?“ „Nein“, erwiderte Crocodile sofort. „Nein, natürlich nicht.“ Und weil er spürte, dass er seinen Partner mit diesen recht halbherzig gesprochenen Worten nicht überzeugen konnte, fügte er noch hinzu: „Es ist nur so, dass ich schon einmal dort gewesen bin. Der Abend ist, naja, furchtbar gewesen. Und ich musste eben daran zurückdenken. Aber das ist jetzt schon einige Jahre her. Kein Grund, um ein Theater zu veranstalten.“ Er sah, dass Doflamingo eine Augenbraue hochzog. „Was ist denn an diesem Abend passiert?“, wollte er wissen. „Darüber will ich lieber nicht reden“, entgegnete Crocodile sofort. „Und blick mich nicht so furchtbar misstrauisch an, ja? Ich kann das sehen, auch wenn du deine Sonnenbrille trägt. Es gibt wirklich keinen Grund, um da einen großen Wirbel drum zu machen. Der Abend ist schrecklich gewesen und mehr gibt es dazu nicht zu sagen! Basta!“ Für einen Moment schwieg Doflamingo, ehe er sagte: „Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst. Nicht wahr?“ „Natürlich“, erwiderte Crocodile und senkte den Blick. „Es ist nur so, dass ich nicht darüber reden möchte. Respektier das bitte.“ „In Ordnung. Aber du weißt, dass ich immer bereit bin dir zuzuhören, wenn du mit mir reden möchtest. Ich, ähm, ich bin immer da für dich, wenn du mich brauchst.“ Crocodile nickte und damit beendeten sie beide zum Glück diese überaus unangenehme Diskussion. Wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich schrecklich unwohl bei dem Gedanken, heute Nacht ins Skypia zu gehen. Auch wenn sein Partner und dessen Freunde dabei waren. Crocodile schluckte. Oder vielleicht gerade deswegen? Er sollte nicht mehr daran denken. Doch ganz gleich wie sehr er sich auch darum bemühte, diese Gedanken und Erinnerungen zu verdrängen, es gelang ihm einfach nicht. Es war nun schon so lange her, redete er sich ein und ließ zu, dass Doflamingo sein dunkelgrünes Hemd knöpfte, obwohl er es eigentlich überhaupt nicht ausstehen konnte, wenn man ihm bei solchen Dingen half. Fünf Jahre war dieser Vorfall im Skypia her, rechnete er sich aus. Und auch nach fünf Jahren war Crocodile sich nicht sicher, ob er seinem Exfreund gegenübertreten könnte. Wer wusste denn schon, ob Enel überhaupt dort sein würde, versuchte er sich ein wenig zu beruhigen. Auch wenn er der Besitzer des Clubs Skypia war, bedeutete das noch lange nicht, dass er jede Nacht dort anwesend sein würde. Sengoku war schließlich auch nicht jeden Tag im Hause, obwohl er der oberste Chef in der Bank war. Wahrscheinlich würde er gar nicht erst auf Enel treffen. Er würde einfach bloß einen nette Nacht im Club zusammen mit seinem Freund und dessen Freunden verbringen. Es gab überhaupt keinen Grund, um beunruhigt zu sein. Crocodile strich sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er wusste selbst nicht genau wieso, doch aus irgendeinem Grund konnten seine eigenen Argumente ihn nicht so recht überzeugen. Allein Doflamingos Hand, die ihm sanft über den Rücken strich, vermochte ihn ein wenig zu beruhigen. Der Club Skypia sah noch beinahe genauso aus, wie Crocodile ihn in Erinnerung hatte. Es handelte sich um eine Mischung aus Diskothek und Bar, die auf sehr wohlhabende Gäste ausgerichtet war. Die Besucher des Clubs verdienten im Regelfall mindestens ebenso viel wie Crocodile selbst, wenn nicht sogar mehr. Wobei sich diese Zahl natürlich beinahe ausschließlich auf die männlichen Gäste bezog. Die meisten Frauen, die die Nacht hier verbrachten, waren Freundinnen der reichen Männer; sie besaßen selbst kein oder nur kaum Vermögen und gönnten sich dennoch eine kostspielige Lebensqualität, indem sie sich von ihren Freunden versorgen ließen. Und wenn dieser sich nach ein paar Wochen oder Monaten von ihnen trennten, dann suchten sie sich eben einen neuen Mäzen. Solche Frauen waren einer der vielen Gründe, warum Crocodile nicht gerne in Clubs ging. Er selbst ließ sich nur äußerst ungern einladen; vielleicht, weil er als homosexueller Mann mit diesen Frauen (die in seinen Augen nicht besser als Prostituierte waren) nicht auf eine Stufe gestellt werden wollte. Doflamingos Freunde warteten bereits vor dem Club, als sie beide eintrafen. Sie fuhren in einem Rolls-Royce Ghost Extended Wheelbase vor; einer schwarzen Limousine, die gut eine Viertel Millionen Berry gekostet hatte (bei weitem nicht der teuerste Wagen in der Sammlung seines Partners); Doflamingo schickte die Limousine fort, nachdem sie ausgestiegen waren. Crocodile kannte alle Anwesenden mit Namen und wurde von jedem einzelnen mit einem Handschlag begrüßt. Es handelte sich um eine Truppe von vier Menschen, die kurioser nicht hätte aussehen können. Hyena Bellamy und Donquixote Dellinger waren beide naturblond und ähnelten seinem Partner ein wenig (soweit er wusste, handelte es sich bei beiden um Cousins zweiten Grades von ihm; Doflamingo hatte so etwas mal erwähnt gehabt). Über Bellamy wusste er, dass dieser fünfundzwanzig Jahre alt war; Dellinger schätze er auf vielleicht Anfang zwanzig oder sogar noch jünger. Letzterer fiel vor allem durch die High-Heels auf, die er an den Füßen trug, und Crocodile vermutete unweigerlich, dass er homosexuell war. Was bei ihm allerdings keine großen Sympathien weckte; Crocodile selbst hatte für solche weiblichen Accessoires nicht viel übrig und war recht froh, dass auch sein Partner sich trotz seines exzentrischen Kleidungsstils zu High-Heels oder dergleichen nicht hingezogen fühlte (oder es sehr gut verbarg, falls es doch der Fall sein sollte). Tatsächlich hatte Crocodile sich in seinem ganzen Leben noch niemals auf einen Mann eingelassen, der sonderlich androgyn wirkte; Doflamingo war da mit seiner Vorliebe für die Farbe rosa und seinem ständigen Gekichere bereits das alleräußerste, was er zu tolerieren bereit war. Trafalger Law war ein brünetter Mann mit kleinem Kinnbart, etwa in Doflamingos Alter und wirkte neben Bellamy und Dellinger beinahe schon lächerlich normal. Allein die mysteriösen Tätowierungen auf seinen Fingern und Unterarmen ließen darauf schließen, dass er doch nicht so gewöhnlich war, wie man im ersten Augenblick glauben mochte. Der Vierte im Bunde war Bartholomew Kuma, ein groß gewachsener und sehr stiller Mensch, den man nur schlecht einschätzen konnte. „Wo ist denn Cirkies?“, fragte Doflamingo fröhlich, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. „Wollte er heute nicht auch kommen?“ „Er kommt nach“, antwortete Bellamy. Crocodile wusste, dass die beiden ein Paar waren. „Er hat heute Lilli, Müre und Mani besucht und du weißt ja, wie die Weiber sind. Du sagst ihnen, sie sollen um zwölf Uhr irgendwo sein und dann schicken sie dir um fünf vor zwölf eine SMS, in der steht, dass sie ihr Make-up noch nicht aufgelegt haben und später kommen.“ „Ärgere dich nicht drüber“, meinte Doflamingo und grinste. „So sind Mädchen eben. Wir können ja trotzdem schon mal hineingehen und Cirkies kommt dann mit ihnen nach.“ Bellamy seufzte. „In Ordnung. Ich ärgere mich aber trotzdem über ihn. Wozu bin ich denn mit einem Mann zusammen, wenn ich dann doch ständig wegen so einem Blödsinn wie Make-up oder Schuhen warten muss? Wenn ich Lust auf so etwas hätte, dann würde ich mir ein Weib suchen und keinen Kerl!“ Doflamingo lachte. „Ich denke nicht, dass solche Dinge etwas mit dem Geschlecht zu tun haben“, erklärte er gleichmütig, während sie den Eingang vom Skypia ansteuerten. „Schau dir doch nur mal Dellinger an: Er ist durch und durch ein Kerl und braucht trotzdem immer eine Stunde, bis er die passenden High-Heels für den Abend gefunden hat. Nicht wahr, Dellinger?“ „Stimmt doch gar nicht!“, erwiderte Dellinger trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. Angesichts dieser Reaktion lachte Doflamingo erneut; wahrscheinlich weil er wusste, dass sein Cousin ihm nicht wirklich böse war. Im Inneren des Clubs war es bereits sehr voll, auch wenn es gerade einmal fünf Minuten nach Mitternacht war. Crocodile fühlte sich sofort unwohl, kaum hatte er den Schritt über die Schwelle getan. Es lag nicht bloß daran, dass er mit großen Menschenmengen und Lärm nicht sonderlich gut zurechtkam, vielmehr war das genaue Gegenteil der Fall: Kaum hatte er das Skypia betreten, fühlte er sich auf eine seltsame Art und Weise entblößt und verletzlich. Umgehend schaute er sich um und prüfte kritisch das Gesicht von jedem einzelnen Mann, der sich in seiner Nähe aufhielt. Die Furcht Enel könnte ihn entdecken, saß ihm im Nacken. Erst als er sich absolut sicher war, dass sein Exfreund sich nicht in seiner näheren Umgebung befand, entspannte er sich ein wenig; er folgte Doflamingo und den Anderen zur Garderobe, um dort seinen Mantel abzugeben. In der nächsten halben Stunde geschah nichts Beunruhigendes. Sie bestellten sich an der Bar ihre Getränke (Crocodile nahm ein stilles Wasser; er spürte einen unangenehmen Kloß im Magen, der wahrscheinlich von seiner Nervosität herrührte, und hatte darum keine Lust auf Alkohol) und unterhielten sich unbefangen miteinander. Irgendwann tauchte Cirkies gemeinsam mit Lilli, Mani und Müre auf. Man begrüßte sich freundlich und bestellte sich neue Getränke. „Und?“, raunte Doflamingo ihm zu, als der Rest ihrer Gruppe gerade mit irgendetwas Anderem beschäftigt war. „Wie gefällt es dir bisher?“ „Ganz gut“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Tatsächlich fühlte er sich deutlich weniger verkrampft als zuvor. Da er Enel nirgendwo ausgemacht hatte, obwohl sie sich nun bereits seit etwa einer Dreiviertelstunde im Skypia befanden, ging er allmählich davon aus, dass sich sein Exfreund heute Nacht einfach nicht in seinem Club aufhielt. Worüber er unglaublich froh und erleichtert war. „Deine Freunde scheinen gut drauf und sehr nette Leute zu sein. Ich denke, du hattest Recht damit, dass es ein schöner Abend wird.“ Auch diese Worte waren nicht gelogen. Die Freunde seines Partners wirkten zwar im ersten Moment ein wenig absonderlich, aber waren eigentlich sehr heitere und freundliche Menschen. Sie schlossen Crocodile aus ihrem Kreis nicht aus, zwangen ihn allerdings auch nicht dazu, ihre gute Laune übermäßig zu teilen, und dafür war er sehr dankbar. Er hatte sowieso nicht vor, allzu lange zu bleiben. Denn auch wenn Enel gerade außer Hause war, bedeutete das noch lange nicht, dass dieser im Verlauf der Nacht seinem Club keinen Besuch abstatten würde. Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile bereits beschlossen, dass er so früh wie es möglich war (ohne unhöflich zu erscheinen) gehen würde. Man könnte einen gemeinsamen Abend mit Doflamingo und seinen Freunden ja noch einmal in einem anderen Club als dem Skypia wiederholen, dachte er sich. „Das freut mich“, sagte Doflamingo. „Ich habe -ehrlich gesagt- zuerst befürchtet, dass dir der Abend nicht gefallen würde. Wegen dem Club oder vielleicht auch wegen meinen Freunden. Aber anscheinend ist das ja nicht der Fall.“ „Es ist wirklich okay hier“, bestätigte Crocodile seinen Freund. „Obwohl ich eigentlich nicht gerne in Nachtclubs gehe.“ „Und mit deinem Magen ist auch alles in Ordnung? Mir ist nämlich aufgefallen, dass du bisher nur stilles Wasser getrunken hast.“ Crocodile nickte. „Mir geht’s gut“, sagte er. „Ehrlich! Vielleicht bestelle ich mir nachher mal einen Wodka-Orange oder so.“ Er bekam mit, dass Doflamingo eine Augenbraue hochzog und ihn misstrauisch musterte. „Wodka-Orange?“, hakte er nach. „Seit wann trinkst du denn so ein Zeug?“ Crocodile zuckte mit den Schultern und bemühte sich um einen unbefangenen Gesichtsausdruck. „Die meisten Getränke, die in Nachtclubs ausgeschenkt werden, vertrage ich nicht“, erklärte er und bemühte sich darum, so wenig wie möglich zu lügen. „Du weißt schon; zum Beispiel wegen der Kohlensäure in Bier oder dem Zucker in Cocktails. Von Cola natürlich ganz zu schweigen. Wodka-Orange gehört zu den wenigen Dingen, die ich hier trinken kann, ohne meinen Magen zu überreizen. Aber das funktioniert wegen dem Orangensaft natürlich auch nur in Maßen.“ „Oh Mann, daran habe ich gar nicht gedacht“, meinte Doflamingo und biss sich auf die Unterlippe. „Dass hier kein Wein verkauft wird, ist natürlich sonnenklar.“ „Das ist doch kein Problem“, erwiderte Crocodile sofort. Er wollte verhindern, dass sein Partner ein schlechtes Gewissen bekam und sich somit vielleicht noch den ganzen Abend ruinierte. Denn schließlich hatte er dem Besuch dieses Clubs bloß zugestimmt, um zu verhindern, dass Doflamingo schlechte Laune bekam oder sie beide sich im schlimmsten Fall sogar stritten. Eine solche Belastung konnten sie in ihrer Beziehung definitiv nicht gebrauchen; nicht, wenn Crocodiles Mietvertrag in einer Woche auslief und er darauf angewiesen war, bei seinem Freund einzuziehen. Ansonsten hätte er sich auch niemals dazu überreden lassen, mit Doflamingo und dessen Freunden das Skypia zu besuchen. „Hey, Doflamingo, Crocodile!“ Sie blickten auf und sahen zu Bellamy hinüber, der sie beide angesprochen hatte. „Wir wollen ein bisschen tanzen. Habt ihr Lust mitzukommen?“ „Klar“, antwortete Doflamingo sofort breit grinsend, Crocodile allerdings schüttelte den Kopf. „Ich tanze überhaupt nicht gerne“, erklärte er auf den enttäuschten Blick seines Partners hin. „Aber du kannst gerne mit den Anderen tanzen. Ohne mich. Da habe ich nichts gegen. Ich hole mir währenddessen meinen Wodka-Orange.“ „Wenn du meinst“, gab Doflamingo deprimiert klingend zurück. Crocodile hielt ihm am Handgelenk fest, ehe er mit Bellamy, Cirkies, Law und Kuma mitging. „Bist du jetzt sauer auf mich?“ Doflamingo schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Ich finde es bloß schade, dass du nicht tanzen möchtest. Ich meine, dafür geht man doch in einen Club, oder nicht?“ Crocodile seufzte. „Tut mir leid“, sagte er, „aber ich bin absolut kein Tänzer. Ich kann gar nicht tanzen. Ich würde mich bloß blamieren!“ „Blödsinn! Ich bin mir sicher, dass du toll tanzen kannst! Komm doch bitte mit!“ Crocodile zögerte. Auf der einen Seite hatte er überhaupt keine Lust zu tanzen (dass er es nicht konnte, war auch keine Lüge gewesen), doch auf der anderen Seite durfte er nicht riskieren, dass Doflamingo wütend auf ihn wurde oder enttäuscht von ihm war. Also gab er mal wieder kleinbei und beugte sich dem Willen seines Partners. „Ich bitte dich nur um ein einziges Lied!“ „Na gut“, sagte Crocodile schließlich und ließ zu, dass Doflamingo ihn hinter sich her und auf die Tanzfläche zog, „aber wirklich nur ein Lied! Und keine Sekunde länger!“ Gerade als sie am Rand der überfüllten Tanzfläche angekommen waren (man konnte über Enel denken, was man wollte, aber zumindest schien er seine Geschäftsidee sehr erfolgreich umgesetzt zu haben), endete der laufende Popsong und es wurde ein ruhigeres und langsameres Lied angestimmt. Doflamingo legte beide Arme um die Hüften seines Partners und zog diesen eng zu sich heran. „Und was soll ich jetzt machen?“, fragte Crocodile verunsichert und lehnte den Kopf gegen die Brust seines Freundes. „Ich kann ehrlich nicht tanzen.“ „Das wird schon gehen“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern und vollführte ein paar sehr langsame Bewegungen; Crocodile bemühte sich darum, den einfachen Tanzschritten zu folgen, was ihm überraschenderweise sogar ganz gut gelang. „Zum Glück ist es ein ruhiger Song“, murmelte er. Die Worte waren eher an ihn selbst gerichtet gewesen, doch Doflamingo, gegen den er eng gepresst wurde, bekam sie natürlich mit. „Ich glaube, es ist ein Liebeslied“, meinte dieser grinsend. „Passend, oder?“ „Dass die so etwas in einem Nachtclub spielen, hätte ich gar nicht gedacht“, erwiderte Crocodile verwundert und nachdenklich. Er spürte, dass Doflamingo mit den Schultern zuckte. „Man kann nicht die ganze Zeit nur flippige Popsongs spielen“, erklärte dieser. „Wenn die Tanzflächen zu voll sind und die Bars zu leer, dann werden ruhigere Songs abgespielt, damit die Leute aufhören zu tanzen und sich stattdessen Getränke holen gehen. Jetzt werden erst einmal ein paar Liebeslieder und etwas Hip-Hop laufen. Erst in etwa fünfzehn oder zwanzig Minuten kommen die Songs wieder, zu denen man wirklich gut tanzen kann. Das ist alles Marketing-Strategie. Als Manager solltest du dich mit solchen Dingen doch bestens auskennen, oder nicht?“ „Das musst du gerade sagen!“, entgegnete Crocodile. Da sie beide sich noch immer am Rand der Tanzfläche befanden, war es recht gut möglich, sich miteinander zu unterhalten. „Du scheinst dich ja ebenfalls wirklich gut mit Marketing-Strategien auszukennen; zumindest was Nachtclubs angeht.“ Erneut zuckte Doflamingo leicht mit den Schultern. „Ich besitze selbst drei Clubs, die ziemlich gut laufen“, meinte er. „Tatsächlich?“ Davon hörte Crocodile heute zum ersten Mal. „Das hast du nie erzählt!“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich der Besitzer von mehreren Betrieben und Firmen bin“, entgegnete Doflamingo ausweichend. „Und dazu gehören unter Anderem eben auch drei Clubs.“ Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. „Du hast mir nur von einem Immobilienunternehmen, einer kleinen Privatklinik und drei Baufirmen erzählt.“ Doflamingo seufzte. „Willst du mir jetzt verübeln, dass ich dir nicht sofort bei unserem ersten Date auf die Nase gebunden habe, dass ich drei Nachtclubs besitze? In einem davon kann man nämlich auch mehr tun, als nur mit den Mädchen tanzen; wenn du verstehst, was ich meine. So etwas kommt bei den meisten Leuten nicht sonderlich gut an. Vor allen Dingen dann nicht, wenn man sich gerade erst kennengelernt hat.“ „Du hättest es mir nicht gleich bei unserem ersten Date sagen müssen“, entgegnete Crocodile verärgert. „Aber du hättest es doch zum Beispiel beim dritten Date tun können. Oder beim fünften. Oder beim zehnten. Wenigstens dann hätte man so etwas mal einfließen lassen können, oder nicht? Ich bin jedenfalls nicht davon begeistert, dass ich erst nach über einem halben Jahr Beziehung erfahre, dass mein Freund ein verdammter Zuhälter ist!“ „Ich bin kein Zuhälter!“, zischte Doflamingo und schien mindestens ebenso verärgert zu sein wie sein Partner. „Sondern der Besitzer von drei Nachtclubs. Wüsste nicht, dass das verboten wäre. Und mit deiner Reaktion beweist du mir bloß, dass ich gut daran getan habe, dir diese Tatsache so lange zu verschweigen! Ich wünschte nur, mir wäre das eben nicht herausgerutscht.“ „Es geht nicht darum, dass du drei Nachtclubs besitzt“, entgegnete Crocodile. „Es geht auch nicht darum, dass eines davon allem Anschein nach ein Bordell ist. Sondern darum, dass du mir davon in den letzten sieben oder acht Monaten nicht ein Wort erzählt hast. Ich dachte, wir wollten keine Geheimnisse voreinander haben?!“ Nachdem Crocodile diesen letzten Satz ausgesprochen hatte, stockte er für einen Moment und senkte den Blick. Wenn er ehrlich war, dann hatte er eigentlich überhaupt gar kein Recht dazu, seinem Freund Vorwürfe zu machen, weil dieser ihm irgendetwas verschwieg. Im Grunde genommen verhielt er sich selbst keinen Deut besser. Schließlich verschwieg er seinem Partner, dass er bereits vor einigen Wochen gekündigt worden war und Schulden in Höhe von über einer halben Millionen Berry hatte. Er hatte ein so gewaltiges Lügennetz gesponnen, dass er sogar vorhatte bei ihm einzuziehen, nur um den Schein zu wahren und um zu verhindern, dass die Wahrheit jemals ans Tageslicht kam. Nein, er hatte wohl als allerletzter das Recht dazu, seinem Partner Vorwürfe zu machen, weil dieser ihm irgendwelche Details aus seinem Leben verheimlicht hatte. „Tut mir leid“, sagte Crocodile und presste seinen Kopf noch ein wenig enger an Doflamingos Brust. Trotz der Musik um sie herum konnte er dessen Herz laut und deutlich schlagen hören. „Ich wollte dir keine Vorwürfe machen. Ein Stück weit verstehe ich es auch, dass du mir nichts von den Nachtclubs und dem Bordell erzählen wolltest. Lass uns nicht unseren Abend verderben, indem wir jetzt deswegen streiten, ja? Wenn du möchtest, dann tanze ich auch noch zu einem zweiten Lied mit dir, wenn es kein blöder Popsong ist. Schließlich sind wir eben kaum zum tanzen gekommen, weil wir bloß geredet haben.“ „In Ordnung“, erwiderte Doflamingo und verstärkte den Griff um die Hüften seines Partners. „Lass uns die Sache vergessen. Du hast Recht: Wir sind hier, um Spaß zu haben und nicht, um uns zu streiten.“ „Komm schon! Noch ein Lied!“ Crocodile schüttelte den Kopf und windete sich aus der Umarmung seines Freundes heraus. „Wir haben jetzt schon zu drei Liedern getanzt“, meinte er lächelnd, „obwohl ich dir nur eins versprochen hatte. Außerdem bin ich durstig geworden. Ich hole mir an der Bar einen Wodka-Orange. Möchtest du so lange hier bei den Anderen bleiben?“ Doflamingo zögerte für einen Augenblick, ehe er nickte. „Okay. Aber komm gleich wieder her, wenn du dein Getränk hast, ja? Man weiß nie, was für Leute sich in so einem Club herumtreiben.“ Crocodile rollte mit den Augen. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen“, erwiderte er. „Ich bin ein erwachsener Mann und kein aufreizendes Mädchen. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“ „Weiß ich doch“, gab Doflamingo mit halbherzig klingender Stimme zurück und winkte ihm hinterher, als er sich allein auf den Weg zurück zur Bar machte. Tatsächlich fühlte Crocodile sich inzwischen sehr wohl. Bisher war (noch) nichts Unerwartetes oder Beunruhigendes geschehen; und dabei befanden sie sich bereits seit über einer Stunde im Skypia. Er war weder auf seinen Exfreund noch auf einen dessen Freunde gestoßen. Langsam begann er ernsthaft zu glauben, dass es wirklich eine schöne Nacht ohne besondere Zwischenfälle werden würde. Crocodile war beinahe an der Bar angelangt, die er im Visier hatte, als er plötzlich von der Seite angesprochen wurde. „Crocodile? Bist du es?“ Als Crocodile in die Richtung sah, aus der die tiefe und melodische Stimme kam, sah er einen großgewachsenen und sehr muskulösen Mann mit hellen Haaren. Sofort hielt Crocodile in seiner Bewegung inne. Er traute seinen Augen kaum. „Daz?“, fragte er verwundert. „Was... was machst du denn hier? Mit jemandem wie dir hätte ich in einem Nachtclub als letztes gerechnet!“ „Das gleiche könnte ich dich fragen“, erwiderte sein alter Freund. Daz und er hatten damals zusammen studiert und während ihrer Studienzeit sogar in nebeneinanderliegenden Apartments gewohnt. Und auch wenn sie inzwischen in unterschiedlichen Städten arbeiteten und wohnten, und sich leider nur sehr selten treffen konnten, verstanden sie sich noch immer ausgezeichnet. „Ach, ich bin nur wegen meinem Freund hier“, verteidigte Crocodile sich. Weil Daz ihm daraufhin einen fragenden Blick zuwarf, fügte er noch hinzu: „Er ist gerade auf der Tanzfläche. Wir sind mit ein paar Freunden hierher gekommen. Ich wollte mir eigentlich nur eben einen Drink holen.“ „Das trifft sich gut“, meinte Daz. „Dasselbe hatte ich nämlich auch vor.“ Gemeinsam gingen sie zur Bar hinüber. Crocodile bestellte sich einen Wodka-Orange, Daz ein Bier. Sein ehemaliger Mitstudent und Nachbar warf ihm einen skeptischen Blick zu, als er den ersten Schluck des orangefarbenen Misch-Getränks nahm. „Verträgst du so etwas überhaupt?“, wollte er wissen. Crocodile rollte mit den Augen. „Klar, ich darf bloß nicht zu viel davon trinken“, erwiderte und trank einen zweiten Schluck. Um von diesem Thema, das ihm immer ein wenig unangenehm war, schnell wieder fortzukommen, fragte er: „Bist du heute Nacht allein hier? Oder hast du auch ein paar Freunde mitgebracht?“ „Ich bin mit Paula hier“, antwortete Daz. Paula war die Besitzern von Spider's Cafe und seine Cousine, erinnerte Crocodile sich. „Aber sie hat eben zwei Freundinnen getroffen und jetzt kommen die Drei nicht mehr aus dem Quatschen raus. Du weißt ja wie die Frauen sind.“ Wenn Daz solche Dinge sagte, dann klang es meistens sehr unfreundlich, doch Crocodile kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er es gar nicht böse meinte. Er war einer dieser Typen mit einer rauen Schale und einem weichen Kern. „Sie hat mir erzählt, dass du dich letztens wieder mit Mihawk und Hancock in ihrem Cafe getroffen hast“, fuhr Daz fort. „Und mit einem Kerl, den sie allerdings nicht kannte. War das dein Freund?“ Crocodile nickte. „Richtig. Sein Name ist Donquixote Doflamingo. An diesem Abend habe ich ihn meinen Geschwistern vorgestellt gehabt.“ „Paula meinte, dass er ziemlich komisch ausgesehen haben soll. Hätte nicht einmal drinnen seine Sonnenbrille abgelegt.“ „Er wirkt vielleicht tatsächlich ein wenig sonderbar, wenn man ihn das erste Mal sieht“, gab Crocodile zu und nippte an seinem Getränk, „aber er ist ein wirklich toller Mensch. Und sehr verliebt in mich. Wir beide sind auf jeden Fall sehr glücklich miteinander.“ „Das freut mich“, erwiderte Daz und schien beruhigt zu sein. Er hatte schon damals während ihres Studiums immer ein Auge auf seinen vier Jahre jüngeren Nachbarn gehabt und sich sehr um diesen gesorgt. Ihre Beziehung war absolut ohne jede romantische oder sexuelle Komponente, aber trotzdem sehr innig. Crocodile sah Daz fast schon als eine Art zweiten großen Bruder an. „Aber sollte er Ärger machen, dann sagst du mir Bescheid.“ Das war keine Frage oder Bitte, sondern eine Feststellung. Crocodile nickte zwar, doch rollte unterdessen erneut mit den Augen. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen, Daz“, meinte er. „Doflamingo ist nicht wie Enel.“ „Das kann man nie wissen“, erwiderte dieser. „Enel hat sich während der ersten Zeit schließlich auch ganz gut verhalten. Dass er ein riesiges Arschloch ist, kam erst später heraus. Ich will nur, dass du weißt, dass du mich immer anrufen kannst, wenn irgendetwas nicht in Ordnung sein sollte.“ „Das weiß ich zu schätzen“, sagte Crocodile. „Aber Doflamingo gehört wirklich zu einer ganz anderen Sorte Mensch. Glaub mir. Er ist zwar manchmal ein bisschen egoistisch und eifersüchtig, aber diese Eigenschaften hat er nie zu verbergen versucht. Und ansonsten ist er unglaublich lieb und fürsorglich.“ „Wani?“ Crocodile wandte sich um und entdeckte seinen Partner, der anscheinend Ausschau nach ihm hielt; im Schlepptau hatte er Bellamy und Law. Crocodile winkte ihnen rasch zu, damit sie ihn leichter fanden. Keine halbe Minute später legten sich von hinten zwei kräftige Arme um seinen Oberkörper. „Da bist du ja!“, meinte Doflamingo und bettete seinen Kopf auf die Schulter seines Partners, auch wenn er sich deswegen furchtbar verbiegen musste, weil dieser nämlich deutlich kleiner war als er. „Wir hatten doch vereinbart, dass du dir nur eben ein Getränk holst und dann wiederkommst.“ Crocodile unterdrückte ein Seufzen und warf Daz, der Doflamingo skeptisch musterte, einen entschuldigenden Blick zu. Er schämte sich schrecklich für die eindeutigen Besitzansprüche, die sein Freund deutlich machte. Zum Glück hatte er seinen Studienkollegen bereits darüber informiert, dass Doflamingo schnell eifersüchtig wurde. „Wenn man vom Teufel spricht“, begrüßte Crocodile seinen Partner und schob dessen Kopf von sich fort. „Ihr habt über mich gesprochen?“, hakte Doflamingo nach, der sich zwar diese Geste gefallen ließ, dafür allerdings den Griff um den Körper seines Freundes noch weiter verstärkte. „Das ist Daz“, stellte Crocodile seine ehemaligen Mitstudenten vor. „Wir haben an der selben Universität studiert und während des Studiums nebeneinander gewohnt.“ Für einen Moment musterten Doflamingo und Daz sich gegenseitig, ehe sie beide schließlich stumm nickten. Crocodile seufzte erleichtert auf. Er hoffte, dass es zwischen seinem Partner und seinem Studienfreund zu keinen Problemen kommen würde. „Kommst du dann jetzt wieder mit?“, drängte Doflamingo und zerrte ihn mit sanfter Gewalt von dem Barhocker, auf dem er saß. „Die Anderen warten schon auf uns. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, weil du so lange weggeblieben bist.“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich auf mich aufpassen kann“, entgegnete Crocodile verärgert, ließ sich das Verhalten seines Freundes allerdings gefallen. Es empörte ihn, dass er in dieser Situation eher wie ein Gegenstand als ein selbstständiger Mensch behandelt wurde, doch er rief sich schnell ins Gedächtnis, dass dies ein schlechter Ort und Zeitpunkt war, um solche Dinge zu diskutieren. Er wendete sich Daz zu und sagte: „Ich gehe dann jetzt wieder zu meinen Leuten, wenn dich das nicht stört, Daz. Es war sehr nett, mal wieder mit dir zu plaudern. Du kannst mich gerne anrufen, wenn du demnächst mal wieder in der Gegend sein solltest.“ „In Ordnung“, erwiderte Daz, während er leicht lächelte und ihm zum Abschied zuprostete. „Bestimmt hat Paula den Plausch mit ihren Freundinnen inzwischen beendet. Dann auf Wiedersehen.“ Kaum hatte sein ehemaliger Nachbar das letzte Wort zu Ende gesprochen, nahm Doflamingo ihn an die Hand und zog ihn zu dem Platz hinüber, an dem Law und Bellamy warteten. Die beiden Freunde seines Partners hatten die Situation aus sicherer Entfernung heraus beobachtet. Sie sagten nichts, während sie sich auf den Weg zurück zur Tanzfläche machten. „Du hast also mit diesem Daz zusammen studiert?“, hakte Doflamingo nach, als der Rest ihrer Gruppe wieder in der tanzenden Menge verschwunden war. „Ja“, antwortete Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen und nahm einen Schluck seines Mischgetränks. „Das habe ich doch eben schon gesagt. Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“ Doflamingo verzog den Mund. Schließlich meinte er: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Typen sonderlich gut leiden kann.“ Crocodile seufzte und rollte mit den Augen. „Dass du immer so furchtbar eifersüchtig sein musst!“ „Ich bin nicht eifersüchtig“, entgegnete sein Freund. „Wenn ich wirklich eifersüchtig gewesen wäre, dann hätte ich mich anders verhalten. Ich möchte nur gerne über die Leute Bescheid wissen, mit denen du zu tun hast. Habt ihr zusammen in einer WG gewohnt?“ „Nein“, erwiderte Crocodile spitz und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weiß zwar nicht, was dich das angeht, aber unsere Apartments lagen nebeneinander. Ich habe während meines gesamten Studiums allein gewohnt.“ „Ist diese Paula, die er erwähnt hat, seine Freundin? Oder seine Frau?“ „Sie ist seine Cousine. Du kennst sie sogar: Ihr gehört Spider's Cafe. Dort haben wir uns mit meinen Geschwistern getroffen, wenn du dich erinnerst. Aber warum interessieren dich diese Details überhaupt?“ „Ich habe dir doch bereits erklärt, dass ich gerne über die Leute Bescheid wissen möchte, mit denen du zu tun hast.“ „Das habe ich schon verstanden“, entgegnete Crocodile. „Aber wieso?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Ich mag das nun einmal nicht, wenn mein Freund mit Männern redet, die ich nicht kenne. Vor allem in einem Nachtclub nicht!“ Crocodile sog scharf die Luft zwischen seinen Zähnen ein. „Was willst du damit sagen?!“, fragte er wütend. „Glaubst du, nur weil ich homosexuell bin, springe ich mit jedem Mann ins Bett, der mir über den Weg läuft?!“ „Ich... Nein, natürlich nicht. So war das nicht gemeint“, versuchte Doflamingo ihn zu beschwichtigen. „Es ist nur so, dass eins schnell zum anderen führt, wenn du verstehst, was ich meine: Ihr seid beides Männer. Ihr habt euch lange nicht mehr gesehen. Ihr trinkt Alkohol. Verdammt, ich weiß doch, wie solche Dinge in einem Club ablaufen.“ Crocodile fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Er konnte einfach nicht fassen, was sein Freund da gerade sagte. Als er sich schließlich wieder gesammelt hatte, wich die Fassungslosigkeit Wut und Empörung. „Hast du eigentlich noch alle Latten am Zaun?!“, brüllte er und warf seinem Partner den zornigsten Blick zu, den er im Repertoire hatte. „Ich kann es wirklich nicht glauben, dass du mir so etwas unterstellst! Ich bin in einer Beziehung noch nie fremdgegangen! Kein einziges Mal!“ „Das habe ich doch auch gar nicht behauptet!“, erwiderte Doflamingo verzweifelt. „Aber ich weiß, dass man sich anders verhält, wenn man betrunken ist. Und dass man dazu neigt, falsche Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, die man später bereut.“ „Ich habe heute Nacht bisher nur ein einziges alkoholisches Getränk getrunken!“, sagte Crocodile mit giftiger Stimme. Er war nicht nur schrecklich wütend, sondern fühlte sich durch die Aussagen seines Partners dazu auch noch sehr verletzt. Vor allen Dingen, weil er sich selbst für eine Person hielt, bei der Eifersucht und Misstrauen völlig ungerechtfertigt waren. „Ich habe Daz nicht einmal berührt. Zwischen uns war und ist überhaupt nichts. Es gab nicht den geringsten Anlass, um eifersüchtig zu reagieren. Und außerdem ist Daz sowieso heterosexuell!“ Crocodile schwieg für einen kurzen Moment. Er nahm den letzten Schluck Wodka-Orange aus seinem Glas und stellte es dann zur Seite. Diese Diskussion mit seinem Partner strengte ihn furchtbar an. Sein Atem ging schneller als üblich und außerdem wurde ihm plötzlich bewusst, wie unangenehm heiß es im Skypia doch war. Er rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn und seufzte dann. Eigentlich war er hierher gekommen, um Streit mit seinem Partner zu verhindern. Aber nun ging sein Plan völlig nach hinten los. Und zwar nur, weil Doflamingo bei jeder Kleinigkeit gleich eifersüchtig und stur reagierte! „Beenden wir diese Diskussion“, sagte Crocodile schließlich und versuchte sich zu beruhigen. „Wir sind hier, um Spaß zu haben und nicht, um wegen irgendwelcher Lappalien zu streiten. Nicht wahr? Also entschuldige dich einfach bei mir und dann lassen wir diese Sache auf sich beruhen. In Ordnung?“ Doflamingo verschränkte die Arme vor der Brust und verzog den Mund. „Wieso sollte ich mich entschuldigen?“, meinte er in einer patzigen Stimmlage. „Ich habe dir schließlich überhaupt nichts unterstellt! Was du aus meinen Worten heraushörst, ist deine Sache! Ich bin nur verantwortlich für das, was ich sage und nicht für das, was du verstehst!“ „Das ist doch jetzt wohl nicht dein Ernst!“, entgegnete Crocodile. „Du weißt doch ganz genau, was du eben gesagt hast!“ „Natürlich weiß ich, was ich eben gesagt habe“, meinte Doflamingo unerbittlich. „Und ich weiß auch, dass ich nichts gesagt habe, was eine Entschuldigung wert wäre. Ich habe dich weder beleidigt noch dir unterstellt, dass du mich betrügen würdest. Ich kann nichts dafür, wenn du so empfindlich reagierst!“ „Donquixote Doflamingo!“ Als Crocodile wutentbrannt den Namen seines Partners ausspie, zuckte dieser bloß ungerührt mit den Schultern. Und genau diese bodenlose Unverschämtheit war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Crocodile verlor jede Selbstkontrolle. Dass er nächste Woche bei seinem Partner einziehen wollte, interessierte ihn plötzlich nicht mehr. Er war völlig außer sich. „Weißt du was?!“, meinte er fuchsteufelswild. „Fick dich doch selbst, du verdammtes Arschloch! Deinen beschissenen Stolz kannst du dir sonst wohin stecken! Du kannst dich wieder bei mir melden, wenn du bereit bist dich dafür zu entschuldigen, dass du dich wie ein unreifes Kind benimmst!“ Und mit diesen Worten machte Crocodile kehrt und steuerte den Weg zurück zur Bar an. Er würde sich noch einen letzten Wodka-Orange gönnen, ehe er das Skypia verließ - und zwar für immer. Da der Mietvertrag für seine Loft-Wohnung erst in einer Woche auslief, konnte er sich zum Glück dorthin zurückziehen. Zumindest so lange, bis Doflamingo endlich zur Besinnung kam und sich bei ihm entschuldigte. „Crocodile! Hey! Warte doch!“ Crocodiles einzige Reaktion auf die Rufe seines Partners war der ausgestreckte Mittelfinger, den er ihm zeigte, ohne stehenzubleiben oder sich umzudrehen. Crocodile ließ sich seufzend auf einen freien Barhocker nieder und strich sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Ein kurzer Blick auf sein Handy sagte ihm, dass es inzwischen fast zwei Uhr nachts war. Er hatte gar nicht vorgehabt, so lange im Skypia zu bleiben. Nun ja, er würde ja sowieso gleich gehen, dachte er und wartete darauf, dass der Barkeeper auf ihn aufmerksam wurde, er gönnte sich bloß noch einen allerletzten Drink. Den hatte er nach dem Streit mit seinem Partner dringend nötig. „Einen Wodka-Orange, bitte“, sagte er, ohne auf das Gesicht des Barkeepers zu achten. „Wodka-Orange, Alligator?“, erwiderte der Mann hinter der Theke. „Verträgt dein Magen das Zeug überhaupt? Aber gut. Kommt sofort!“ Erschrocken blickte Crocodile auf und sah dem Barkeeper dabei zu, wie er den bestellten Drink mischte. Der Mann war sehr groß, verbarg den Großteil seines hellblonden Haars unter einem weißen Kopftuch und hatte eine überaus markante Nase. Das konnte nicht wahr sein! „E-enel“, meinte Crocodile mit zittriger Stimme. „Was machst du denn hier?“ Enel grinste schelmisch. „Was ich hier mache? Mir gehört der Laden. Schon vergessen?“ Immer noch grinsend reichte er seinem Exfreund den gewünschten Wodka-Orange hinüber, den dieser zögernd annahm. Crocodile fühlte sich im Moment völlig überfordert mit der gesamten Situation. Wenn er ehrlich war, dann hatte er nicht mehr damit gerechnet, auf Enel zu treffen. Nicht jetzt, wo er das Skypia sowieso gerade verlassen wollte. „Natürlich habe ich das nicht vergessen“, sagte Crocodile und nippte an seinem Getränk, damit Enel nichts von seiner Fassungslosigkeit mitbekam. „Ich wundere mich nur, dass du als Besitzer selbst hinter der Theke stehst.“ Enel zuckte mit den Schultern. „Einer der Barkeeper ist kurzfristig erkrankt und heute Nacht ist sehr viel los“, erklärte er, „da musste ich selbst einspringen. Aber mir macht das nicht viel aus. Ich bin ja gerne in meinem Club und habe Kontakt zu meinen Gästen.“ „Das ist schön zu hören“, sagte Crocodile und nahm einen großen Schluck seines Getränks. Sofort spürte er, dass der Alkohol ihn beruhigte. Ein wenig benommen rieb er sich mit der rechten Hand über die Schläfe. Es kam ihm komisch vor, so ausgesprochen freundlich und höflich mit seinem Exfreund zu reden, auch wenn ihre Trennung nun bereits schon einige Jahre her war. Schließlich hatten sie sich nach einer fast fünfjährigen Liebesbeziehung definitiv nicht im Guten getrennt. Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass es riesigen Streit geben würde, sollten sie beide jemals wieder aufeinander treffen. Nun allerdings verhielt sich Enel völlig ruhig und friedlich - und Crocodile wusste überhaupt nicht, wie er mit dieser unerwarteten Situation umgehen sollte. „Ich weiß, woran du jetzt denkst“, sagte Enel. „Sicher hast du immer geglaubt, dass wir nie wieder in einem vernünftigen Ton miteinander reden würden. Ich gebe zu, dass diese Vorstellung sicher wahr geworden wäre, wenn unser Wiedersehen ein paar Jahre früher stattgefunden hätte. Aber inzwischen habe ich mich geändert. Ich trauere unserer Beziehung nicht mehr hinterher, Alligator. Und ich würde mich gerne bei dir entschuldigen und dann das Kriegsbeil endlich begraben. Wenn du damit einverstanden bist.“ Wäre doch nur Doflamingo so reif, dachte Crocodile sich und nickte langsam. Er fühlte sich gerade wie im falschen Film. Er stritt mit Doflamingo und versöhnte sich mit Enel. In diesem Film waren die Rollen der beiden Hauptpersonen vertauscht worden. Er nahm einen weiteren Schluck Wodka-Orange. Wahrscheinlich träumte er gerade. Zumindest kam es ihm so vor. Tatsächlich spürte er sogar, wie er müde wurde. Aber das war angesichts der aktuellen Uhrzeit auch kein Wunder. „Was hältst du davon, wenn wir beide zusammen zwei Shots trinken?“, schlug Enel vor und griff bereits nach den entsprechenden Gläsern. „Um unsere Versöhnung zu besiegeln, sozusagen.“ „Klingt gut“, erwiderte Crocodile. Eigentlich hatte er vorgehabt ein wenig mehr zu sagen, doch plötzlich fühlte er sich so träge, dass er nicht mehr in der Lage dazu war. Seine Zunge lag unbeweglich in seinem Mund und sein Schädel fühlte sich so dumpf an, als wäre er mit Watte ausgestopft worden. Dabei hatte er doch gar nicht so viel getrunken. „Hier, bitte“, sagte Enel und stellte einen Shot vor seinem Exfreund ab. Das kleine Glas war mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt. Wodka, vermutete Crocodile. „Es tut mir leid, dass ich dir damals so ein schrecklicher Freund gewesen bin“, meinte Enel und hob sein eigenes Glas an. „Ich habe mich wirklich schlecht verhalten. Dafür möchte ich mich bei dir entschuldigen. Ich bereue meine Taten jeden Tag. Dass wir irgendwann einmal Freunde werden, ist vielleicht zu viel gehofft, aber zumindest hoffe ich, dass du mir verzeihen kannst.“ Nach dieser kleinen Rede prostete er Crocodile zu, der nach seinem eigenen Glas griff. Sie tranken die Shots gleichzeitig und in einem Zug aus. bye sb Kapitel 5: Kapitel 3 -------------------- Das nächste, woran Crocodile sich erinnerte, war die Toilettenkabine, in der er sich befand. Jemand hielt ihn von hinten fest und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, während er sich über die Toilettenschüssel beugte und erbrach. Er übergab sich nicht bloß ein- oder zweimal: Es kamen unzählige Schübe hintereinander, die so schnell und heftig waren, dass Crocodile nicht einmal daran dachte, sie aufzuhalten. Er fühlte sich schrecklich elend und war nicht ansprechbar, ehe die Toilettenschüssel fast bis zum Rand mit seinem Erbrochenem gefüllt war. Erst dann war er dazu in der Lage, sich (mit Unterstützung seines Helfers) gegen die Wand der Kabine zu lehnen und langsam durchzuatmen. Er fühlte sich noch immer benommen und erschöpft. Die Sicht verschwamm jedes Mal vor seinen Augen, wenn er irgendeinen Punkt in seiner Umgebung fixierte. Außerdem war er so schwach, dass er sich kaum bewegen konnte; geschweige denn aufstehen oder gehen. Als er versuchte zu sprechen, kamen bloßen unartikulierte Krächzlaute aus seinem Mund, der ganz furchtbar nach Erbrochenem und Magensäure schmeckte. Vage konnte er die Person, die sich neben ihm in der Toilettenkabine befand, als Daz identifizieren. Sein alter Studienfreund strich ihm beruhigend über den Rücken und über das Haar. Crocodile versuchte ihn zu begrüßen, doch er brachte kein einziges Wort über die Lippen. Stattdessen rief der gescheiterte Versuch nur Kopfschmerzen bei ihm hervor. Er wollte mit seiner rechten Hand seine Schläfe massieren, doch seine Bewegung war so unkoordiniert, dass seine Hand stattdessen in seinem Haar landete. Es fühlte sich ungekämmt an und das konnte er überhaupt nicht ausstehen. Irgendwann öffnete sich die Türe der Toilettenkabine. Ein Mann mit blondem Haar, schriller Kleidung und einer Sonnenbrille auf der Nase stand im Türrahmen. Crocodile benötigte einen Augenblick, um zu erkennen, dass es sich bei dieser Person um seinen Partner handelte. Er konnte sich nur noch sehr entfernt daran erinnern, dass sie in einem Streit auseinandergegangen waren. „O-oh mein Gott! Crocodile! Was zur Hölle ist passiert?!“ Obwohl sein Partner diese Frage in einer sehr lauten und hysterischen Stimmlage stellte, kam es Crocodile so vor, als wäre dessen Stimme in Watte gepackt worden. Oder würde durch Wasser schwimmen, ehe sie bis zu seinen Ohren gelangte. Es war sehr schwierig zu beschreiben. „Ich habe beobachtet, wie ihm jemand etwas in sein Getränk gemischt hat“, antwortete Daz. Seine Stimme klang ebenfalls alarmiert, doch lange nicht so hektisch wie die seines Partners. Er war generell die ruhigere und rationalere Person von beiden. „Also habe ich mich eingemischt und ihn hierher gebracht. Ich weiß nicht genau, um was für Zeug es sich handelt; vermutlich K.O.-Tropfen oder sogar etwas noch Gefährliches. Ich habe dafür gesorgt, dass er sich erbricht, damit so wenig wie möglich von dem Gift in seinen Blutkreislauf gelangt.“ „Hast du gesehen, wer es gewesen ist?“, fragte Doflamingo, während er sich vor seinem Partner hinkniete. Er klang noch immer nervös, doch der erste Schock schien verflogen zu sein. Nun kam die jahrelangen Erfahrungen als einflussreicher Geschäftsmann zum Vorschein und er verhielt sich professioneller. „Wer ihm das Gift ins Getränk gemischt hat?“ Vorsichtig streichelte er mit einer Hand über Crocodiles Wange. Daz zögerte für einen Moment. Dann sagte er mit fester Stimme: „Ja. Es ist Enel gewesen.“ Doflamingo stockte verwundert in seiner Bewegung. „Enel?“, wiederholte er. „Der Besitzer vom Skypia?“ Daz nickte. „Er ist der Exfreund von Crocodile. Hat er dir das nie erzählt? Sie waren fünf Jahre lang ein Paar. Aber er ist Crocodile gegenüber ausfallend und sogar handgreiflich geworden. Als Enel ihm den Arm gebrochen hat, hat er sich schließlich von ihm getrennt.“ „Er hat ihm den Arm gebrochen?!“ Doflamingos Stimme klang entsetzt, empört, wütend und hasserfüllt. „Warum hast du ihn davonkommen lassen, du Bastard, als du gemerkt hast, dass er Crocodile etwas ins Getränk mischt?! Umbringen sollte man diesen Typen!“ „Du kannst mir gerne glauben, dass ich nichts lieber als das getan hätte!“, erwiderte Daz scharf. „Aber ich konnte doch Crocodile nicht alleine lassen. Nicht in diesem Zustand, in dem er sich gerade befindet. Schau ihn dir nur an! Er kann sich kaum bewegen. Und eben war es noch schlimmer; da war er nämlich überhaupt nicht ansprechbar." „Verdammt!“, sagte Doflamingo und biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich schien er untypisch wortkarg geworden zu sein. „Wir haben genug geredet!“, meinte Daz. „Eigentlich schon viel zu viel. Um Enel können wir uns später noch kümmern. Jetzt sollte Crocodile unsere oberste Priorität sein. Wir müssen ihn sofort in ein Krankenhaus bringen!“ „Natürlich“, sagte Doflamingo und richtete sich wieder auf. Er holte sein Handy hervor und rief jemanden über eine Kurzwahltaste an. „Meinen Fahrer“, sagte er an Daz gewandt, „er ist in einer halben Minute hier.“ Daz nickte. Während Doflamingo rasch mit seinem Fahrer telefonierte, beugte Daz sich zu Crocodile hinunter. Dieser spürte, wie sein ehemaliger Nachbar mit einem kräftigen Arm hinter seinen Rücken und mit dem anderen unter seine Knie griff, und ihn dann hochhob. Obwohl Daz sehr bedächtig vorging, verlief die Bewegung aus Crocodiles Sicht heraus so schnell, dass ihm sofort wieder übel wurde. Er übergab sich in einem kurzen Schub über die Schulter und Brust von Daz, dem dies allerdings entweder nicht aufzufallen oder nicht zu stören schien. „Wenn wir hier drüben links gehen, kommen wir zu einem Notausgang“, meinte Doflamingo, während sie die Toilettenräume des Clubs verließen. „Dort steht auch mein Fahrer bereit.“ Daz nickte und folgte Doflamingo, der voranging. Die laute Musik und die stickige Luft innerhalb des Clubs verstärkten Crocodiles Übelkeit und Benommenheit, doch glücklicherweise dauerte es nicht allzu lange, bis sie das Skypia endlich verlassen hatten. Die kalte Nachtluft fühlte sich in seiner Nase zwar schneidend an, doch belebte seine Geister wieder ein wenig. „Da vorne“, sagte Doflamingo und deutete mit dem Finger in die Richtung, die er meinte. „Da steht mein Wagen. Der schwarze Rolls-Royce.“ Doflamingo öffnete die Türe zum Rücksitz, ehe der Fahrer die Möglichkeit dazu bekam, und blaffte diesen an, er solle sich gefälligst hinter das Steuer setzen und losfahren. Schließlich handele es sich um einen Notfall. „Zur Miracle-Sakura-Klinik“, wies er den Fahrer an, als sie sich niedergelassen hatten. „Die ist am nächsten. Außerdem gehört mir die Klinik. Man wird sich dort sofort um ihn kümmern und ihn bestmöglich behandeln.“ Daz nickte und seufzte. Er hielt Crocodile noch immer im Arm. Doflamingo, der nicht angeschnallt war, beugte sich zu seinem Partner hinüber und strich sanft eine Haarsträhne zur Seite, die diesem in die Stirn gefallen war. Er wirkte sehr nervös und gereizt, was nur selten vorkam. Außerdem schien er schrecklich besorgt zu sein. Zumindest kam es Crocodile, der seine Umgebung noch immer nur sehr undeutlich wahrnahm, so vor. „Kannst du verstehen, was ich sage?“, fragte Doflamingo. Crocodile nickte matt. Er wusste nicht, ob er sich inzwischen wieder halbwegs vernünftig artikulieren konnte, doch im Augenblick war er auch nicht sonderlich erpicht darauf, dies herauszufinden. Der Rolls-Royce fuhr nämlich unglaublich schnell und er musste sich zusammenreißen, um sich nicht erneut auf den Körper von Daz oder auf die teure Innenausstattung des Wagens zu übergeben. „Ich verspreche dir, dass alles wieder gut wird“, sagte Doflamingo. Crocodile war sich nicht ganz sicher, ob sein Partner mit diesen Worten ihn oder sich selbst beruhigen wollte. „Die Miracle-Sakura-Klinik ist das beste Krankenhaus der Stadt. Ich bin der Besitzer. Das habe ich dir mal erzählt. Erinnerst du dich daran? Dort wird man sich gut um dich kümmern. Und ehe du dich versiehst, wirst du wieder gesund sein. Du musst dir keine Sorgen machen. Und auch keine Angst haben. Daz und ich haben die Situation völlig unter Kontrolle. Es ist alles in Ordnung, Wani.“ „In zwei Minuten erreichen wir die Notaufnahme des Krankenhauses“, warf der Fahrer ein. Doflamingo nickte. „Das ist gut. Zwei Minuten hältst du noch durch, Croco, oder? Das schaffst du doch, nicht wahr?“ Erneut nickte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass er sich ein weiteres Mal erbrach, als der Rolls-Royce scharf in eine Kurve fuhr. Diesmal traf es nicht den Oberkörper von Daz, sondern den von Doflamingo. „Tut mir leid“, brachte er krächzend hervor und presste sich seine Hand auf den Mund, als er die übelriechende Flüssigkeit auf dem schrillen Hemd seines Partners sah. Tatsächlich war ihm dieser Vorfall furchtbar peinlich; Crocodile hasste nichts mehr, als anderen Menschen zur Last zu fallen oder Umstände zu bereiten. Er spürte sogar, wie er trotz seiner Benommenheit errötete. „Das macht doch nichts“, meinte Doflamingo und winkte ab. „Ist nur ein blödes Hemd. Ich besitze tausend Hemden, die genauso fürchterlich aussehen wie dieses hier.“ Diese Äußerung brachte Crocodile zum Lächeln. Sein Freund lächelte zurück. „Siehst du“, meinte er mit aufmunternder Stimme, „wenn du sogar lächeln kannst, dann kann die Situation so schlimm nicht sein. Oder?“ Kaum hatte sein Partner das letzte Wort ausgesprochen, kam der Rolls-Royce zum stehen. Doflamingo öffnete die Wagentüre und stieg als Erster aus; Daz, der mit beiden Armen Crocodile festhielt, folgte ihm. Die Nachtluft war noch immer eisig kalt und schneidend. Draußen warteten bereits in grüne Kittel gekleidete Pfleger mit einer Trage, auf die Daz ihn vorsichtig ablegte. Sobald er sich in einer liegenden Position befand und zugedeckt worden war, schloss Crocodile die Augen. Später konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob er ohnmächtig geworden oder einfach bloß eingeschlafen war. * Irgendwann wachte Crocodile wieder auf. Er fühlte sich schrecklich müde und erschöpft, ansonsten schien es ihm jedoch recht gut zu gehen. Zumindest war ihm nicht mehr schwindelig und übel; außerdem fühlte er sich nicht mehr benommen. Dafür war er nun sehr hungrig und durstig. Als er sich umsah, stellte er fest, dass er im Bett eines Zimmers lag, das vermutlich zu einem Krankenhaus gehörte. Er selbst trug entsprechende Kleidung. Rechts neben ihm stand ein Tropf, mit dem er jedoch nicht verbunden war. Und auf dem Stuhl links neben seinem Bett saß Doflamingo, der allerdings zu schlafen schien; sein Oberkörper lag auf der Matratze, seinen Kopf hatte er auf seine verschränkten Arme gebettet. Nach und nach kehrten die Erinnerungen zurück: Er hatte sich im Skypia mit Doflamingo gestritten, weil sich dieser wieder einmal unreif verhalten und sich geweigert hatte, sich bei ihm zu entschuldigen. Dann war er an der Bar auf Enel getroffen; sein Exfreund hatte sich mit ihm versöhnen wollen (oder dies zumindest vorgegeben) und sie hatten gemeinsam Alkohol getrunken, in den Enel anscheinend K.O.-Tropfen oder Ähnliches gemischt hatte. Allerdings hatte Daz ihn aufgegriffen und in eine Toilettenkabine verfrachtet, wo er sich erbrochen hatte. Irgendwann war Doflamingo dazugekommen. Und dann hatten sein ehemaliger Mitstudent und sein Partner ihn ins Krankenhaus gebracht. Wo er sich allem Anschein nach immer noch befand. Seufzend rieb Crocodile sich die Schläfe. Er konnte gar nicht so recht fassen, was ihm da gestern passiert war. Falls es gestern gewesen war. Unweigerlich fragte er sich, wie lange er nun schon im Krankenhaus lag. Da Doflamingo an seinem Bett eingeschlafen war, schien es naheliegend zu sein, dass es sich um einen längeren Zeitraum handelte. Vielleicht sogar um einen ganzen Tag. Crocodile bemerkte, dass sein Partner langsam erwachte; er richtete sich in seinem Stuhl auf und rückte verschlafen seine Sonnenbrille zurecht, die er die ganze Zeit über auf der Nase gehabt hatte. „Morgen, Doffy", begrüßte Crocodile seinen Freund, der angesichts seiner matten Stimme sofort hellwach zu werden schien. „Crocodile?", sagte er und sah ihm ins Gesicht. „Oh Mann, ich bin so froh, dass du endlich aufgewacht bist! Du ahnst gar nicht, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe! Wie geht es dir?" „Ganz gut, denke ich", antwortete Crocodile. „Ich bin nur schrecklich hungrig." „Ich kann etwas zu essen für dich holen lassen", bot Doflamingo hilfsbereit an. Crocodile zögerte und meinte dann recht verlegen: „Ich weiß nicht, ob ich die Mahlzeiten vertrage, die das Krankenhaus anbietet." Doflamingo winkte ab. „Das ist kein Problem", entgegnete er. „Mir gehört die Miracle-Sakura-Klinik, schon vergessen? Ich gebe einfach in der Küche Bescheid und dann wird man für dich eine Mahlzeit zubereiten, die dein Magen ganz sicher verträgt. Was möchtest du denn gerne essen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. „Das ist mir egal. Irgendetwas. Ich habe so großen Hunger, dass ich alles essen würde." Angesichts dieser Aussage schmunzelte sein Partner ein wenig. „Das wundert mich nicht", meinte er, während er nach seinem Handy griff. „Dein Magen müsste derzeit komplett leer sein. Du hast so gut wie den gesamten Inhalt ausgekotzt." Augenblicklich spürte Crocodile, wie er errötete. Plötzlich erinnerte er sich sehr genau daran, dass er sich sowohl auf Daz als auch auf Doflamingo erbrochen hatte. Beide Vorfälle waren ihm sehr peinlich und unangenehm. „Tut mir leid", meinte er, doch sein Freund, der gerade mit den Leuten aus der Küche telefonierte, schüttelte bloß den Kopf. Als dieser das kurze Telefonat beendet hatte, erwiderte er: „Du musst dich nicht entschuldigen." „Doch, das muss ich", sagte Crocodile und senkte den Blick. „Ich habe nicht nur mir selbst, sondern auch dir und Daz die Nacht ruiniert. Ich habe mich sogar auf euch übergeben! Du kannst nicht ahnen, wir furchtbar ich mich dafür schäme! Es tut mir wirklich sehr, sehr leid!" „Red doch keinen Unsinn!", hielt Doflamingo dagegen und griff nach der Hand seines Partners. "Du musst dich für überhaupt nichts entschuldigen und dich auch für nichts schämen. Was passiert ist, war nicht deine Schuld." „Doch, es war meine Schuld! Meine Schuld ganz allein! Wie konnte ich nur so dumm sein und auf meinen Exfreund hereinfallen?! Ich hätte klüger handeln sollen." „Du hast ja aber nicht wissen können, dass er dir K.O.-Tropfen in dein Getränk mischen würde, oder nicht? Es stimmt schon, dass das alles blöd gelaufen ist. Aber die Hauptsache ist doch, dass du das nicht gewollt oder beabsichtigt hast. Es ist Ausversehen und gegen deinen Willen geschehen. Und darum ist es auch nicht deine Schuld. Also hör auf damit, dir solche Vorwürfe zu machen. Das hast du nicht verdient. Ich für meinen Teil bin bloß froh, dass du jetzt endlich aufgewacht bist und dass es dir gut geht! Nur das und sonst nichts zählt!" Crocodile seufzte und schloss für einen Moment die Augen, ehe er nickte. „Allerdings muss ich sagen, dass es doch eine einzige Sache gibt, die du definitiv falsch gemacht hast.“ Verwundert hob Crocodile den Kopf und musterte das Gesichts seines Partners. „Und worum handelt es sich bei dieser Sache?“, fragte er ehrlich interessiert. Er selbst hatte jedenfalls keine Vorstellung davon, was sein Freund damit meinen könnte; nicht, wo dieser doch zuvor alles, wofür er sich verantwortlich fühlte, energisch dementiert hatte. „Du hättest mir vorher sagen sollen, dass der Besitzer vom Skypia dein Exfreund ist!“, meinte Doflamingo mit ernster Stimme. „Ich verstehe einfach nicht, warum du das mit keinem Wort erwähnt hast. Wenn ich das gewusst hätte, dann wäre ich doch nicht mit dir in diesem Club gefahren. Und es wäre gar nicht erst zu dieser Situation gekommen!“ „Also ist doch alles meine Schuld!“, erwiderte Crocodile und ließ sich zurück in seine Kissen sinken. An diesen Umstand hatte er überhaupt nicht gedacht. Obwohl Doflamingo natürlich Recht hatte. Er hätte sich zumindest weigern können, mit ins Skypia zu kommen. Dann wäre er niemals auf Enel getroffen und weder Doflamingo noch Daz hätten ihre Zeit opfern müssen, um sich um ihn zu kümmern und ihn ins Krankenhaus zu fahren. „So habe ich das nicht gemeint!“, warf Doflamingo sofort ein. „Es ist nur so, dass ich mir die Frage stelle, warum du mir das nicht gesagt hast.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Verschiedene Gründe“, meinte er. Und als sein Freund ihn daraufhin unter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille heraus auffordernd ansah, fuhr er schließlich fort: „Du hast dich so sehr auf diese Nacht gefreut, dass ich dir keinen Strich durch die Rechnung machen wollte. Außerdem habe ich mir eingeredet, dass meine Beziehung mit Enel nun schon lange genug her ist. Und dass er ja bestimmt überhaupt nicht dort sein würde. Und so weiter eben. Ich wollte dich nicht enttäuschen.“ „Aber wenn du mir deine Situation erklärt hättest, dann hätte ich doch sicher Verständnis für dich aufgebracht“, meinte Doflamingo mit niedergeschlagener Stimme. „Dann wären wir eben in einen anderen Club gefahren. Das wäre doch nicht so schlimm gewesen. Mich enttäuscht bloß, dass du diese Sache vor mir geheim gehalten hast, Crocodile.“ „Es tut mir leid“, wiederholte Crocodile noch einmal. „Ich habe es nicht böse gemeint.“ „Das weiß ich doch“, sagte sein Partner. „Ich unterstelle dir auch überhaupt nicht, dass du irgendeine böse Absicht gehabt hast. Aber ich dachte eigentlich, dass du mir vertraust. Dass du mir alles erzählen kannst, was dir auf dem Herzen liegt. Es...“, er zögerte kurz und sagte dann: „Es verletzt mich, dass das anscheinend nicht der Fall ist. Und ich frage mich, woran das liegt. Ich liebe dich, Crocodile! Mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt! Gibt es irgendeinen besonderen Grund dafür, dass du nicht ehrlich zu mir bist? Habe ich irgendetwas getan, um dein Vertrauen zu missbrauchen? Bitte sag mir doch, was los ist!“ Crocodile biss sich auf die Unterlippe und wich dem drängenden Blick seines Partners aus. So offen und ernst hatte er Doflamingo noch niemals erlebt. Ihre Beziehung schien ihm tatsächlich unfassbar wichtig zu sein. Während er selbst sich im Gegensatz dazu absolut unverantwortlich und fahrlässig verhielt. Er riskierte ihre Beziehung jedes Mal aufs Neue, indem er seinen Freund nun schon seit Wochen jeden Tag anlog. Doflamingo wusste noch immer nichts von seiner Kündigung. Oder von seinen Schulden. Oder davon, dass sein Mietvertrag in einer Woche auslief. Plötzlich kamen Zweifel in Crocodile auf: War dies vielleicht der richtige Zeitpunkt, um seinem Partner von all diesen Dingen, die ihn in letzter Zeit belasteten, zu erzählen? Sollte er nun endlich die vielen Lügen, die er ihm völlig schamlos aufgetischt hatte, offenlegen? Aber war es dafür nicht schon längst zu spät?! Sein Partner hatte bereits mehrmals deutlich gemacht, dass ihm Ehrlichkeit und Vertrauen in einer Beziehung sehr wichtig waren. Würde er ihm also all die Lügen und die Geheimnistuerei der letzten Wochen verzeihen können? Crocodile strich sich eine Haarsträhne hinter sein Ohr und entschied sich dagegen, Doflamingo die Wahrheit zu erzählen. Das Risiko, seinen Partner anschließend zu verlieren, war eindeutig zu hoch. Er hatte zu Beginn beschlossen, seine Probleme zu verschweigen und diese allein zu lösen - und darum blieb ihm nichts anderes übrig als weiterzumachen. Weiterhin Lügen zu erzählen, weiterhin den Schein zu wahren, weiterhin allein mit allem fertig zu werden. Crocodile war es gewohnt, seine Probleme selbst zu lösen und er war zuversichtlich, dass es ihm auch in dieser Situation gelingen würde. „Es ist nichts“, sagte er darum und bemühte sich um eine möglichst überzeugend klingende Stimmlage. „Du hast überhaupt nichts falsch gemacht. Ich bin eben ein Mensch, der anderen nicht gerne zur Last fällt oder Umstände bereitet. Du weißt, dass ich das auf den Tod nicht ausstehen kann. Es ist nicht so, als würde ich dir nicht vertrauen.“ Um diese Erklärung ein wenig zu bekräftigen und auszuführen, fügte er hinzu: „Ich bin schon immer jemand gewesen, der ungern Hilfe annimmt und seine Probleme lieber allein regelt; ich stand schon sehr früh auf eigenen Beinen. Das kam mir auch sehr zugute, als meine Eltern mich Zuhause rausgeworfen haben. Du weißt schon, weil ich mich vor ihnen geoutet habe. Ich bin dann für drei Jahre zu Mihawk gezogen; er ist ja älter als ich und hat damals bereits allein gewohnt. Als ich mein Studium begann, habe ich mir dann ein eigenes Apartment in der Nähe meiner Universität gesucht. Und, naja, ich bin gut zurecht gekommen; auch ohne Eltern oder viele Freunde. Und dann...ich, ähm, ich war damals fünfundzwanzig Jahre alt, musst du wissen... Kurz bevor ich Enel kennengelernt habe...“ Crocodile musste schlucken und dieses Schlucken war nicht geschauspielert. Auch wenn die Sache, über er die nun sprechen wollte, bereits vor vielen Jahren geschehen war, dachte er nur äußerst ungern daran zurück. „Da habe ich meine Hand verloren. Es war furchtbar! Mich hat weniger die Sache an sich gestört, sondern vor allem, dass ich in dieser Situation auf Hilfe angewiesen gewesen war. Ich... ich wusste ja gar nicht, wie man sich mit bloß einer Hand Kleidung anzieht oder wie man einen Haushalt führt oder... oder wie man Auto fährt. Ich musste sogar mein Studium für ein Semester unterbrechen, weil ich wieder zurück Mihawk gezogen bin. Er hat mir dabei geholfen, naja, damit umzugehen. Es war wirklich anstrengend: Ich musste unglaublich viele Dinge ganz neu lernen. Und ich konnte weder studieren noch arbeiten. Das war die furchtbarste Zeit meines Lebens! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie... wie nutzlos ich mich gefühlt habe. Völlig wertlos. Wie eine Belastung für alle Menschen um mich herum. Mihawk musste sich riesige Umstände wegen mir machen. Ich war heilfroh, als ich mit meinem Leben auch nur wieder halbwegs allein zurechtkam und bin dann auch sofort wieder in mein eigenes Apartment gezogen. Damals habe ich mir gesagt, dass ich es nie wieder soweit kommen lassen möchte. Dass ich niemandem zur Last fallen und niemandem Umstände bereiten möchte. Durch diesen Vorfall haben sich diese Eigenschaften noch tiefer als sowieso schon in meine Persönlichkeit eingebrannt. Ich kann da nichts gegen tun. Bitte nimm solche Dinge also nicht persönlich, ja? Ich meine es überhaupt nicht böse. Und es bedeutet auch nicht, dass ich das Gefühl hätte, ich könnte dir bestimmte Dinge nicht anvertrauen. Es ist einfach eine Charaktereigenschaft von mir, gegen die ich nichts ausrichten kann. Bitte akzeptier das! Und mach dir deswegen keine Vorwürfe! In Ordnung?“ „In Ordnung“, sagte Doflamingo und Erleichterung breitete sich in Crocodiles Körper aus. Dass ihn der Verlust seiner linken Hand damals nicht nur körperlich, sondern auch seelisch sehr stark mitgenommen hatte, war nicht gelogen oder übertrieben dargestellt gewesen. Normalerweise sprach Crocodile zwar nicht gerne über diese Zeit, strich sie normalerweise fast komplett aus seinem Gedächtnis, doch seltsamerweise fühlte er sich ein wenig besser, wenn er seinem Partner nicht bloß eine Lüge erzählte, sondern dazu auch noch eine Wahrheit über sich preisgab. Dann hatte er nämlich ein Stück weit das Gefühl, dass sich diese beiden Pole die Waage hielten. Eine Lüge und eine Wahrheit zu erzählen, dachte er in seiner verquerten Logik, war schließlich besser als bloß eine Lüge zu erzählen. Dieses Gleichgewicht beruhigte ihn ein wenig und milderte sein schlechtes Gewissen ab. Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken heraus. „Herein“, rief Doflamingo, ehe Crocodile die Möglichkeit dazu bekam, was diesen leicht verärgerte. Er beschloss allerdings, Doflamingo nicht zurechtzuweisen; zumindest nicht, während sie nicht unter sich waren, sondern Gesellschaft hatten. Durch die Tür kam nämlich eine junge Krankenschwester herein, die einen Servierwagen vor sich herschob. Augenblicklich vergaß Crocodile seinen Ärger auf Doflamingo und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf das Gericht, das die Schwester auf den geräumigen Beistelltisch neben seinem Bett abstellte. Während er mit seinem Partner gesprochen hatte, hatte er seinen Hunger ganz vergessen, doch nun spürte er wieder sehr deutlich, wie leer sein Magen doch war. „Guten Tag, Sir Crocodile“, sagte das hellblonde Mädchen mit einer freundlichen Stimme, während es eine Flasche stilles Mineralwasser und ein Glas auf den Tisch stellte. „Mein Name ist Kaya. Während Ihres Aufenthalts in unserer Klinik bin ich die für Sie zuständige Schwester. Wie geht es Ihnen heute?“ „Gut“, meinte Crocodile und warf einen Blick auf die überaus appetitlich ausschauende Mahlzeit, die für ihn angerichtet worden war. Soweit er es beurteilen konnte, handelte es sich um irgendeinen vegetarischen Gemüseauflauf, der lecker duftete. Entweder hatte die Miracle-Sakura-Klinik eine überraschend gute Küche (in seinem bisherigen Leben hatte Crocodile noch keine sonderlich guten Erfahrungen mit Krankenhausessen gemacht), dachte er, oder sein Freund, bei dem es sich schließlich um den Besitzer dieser Einrichtung handelte, hatte etwas besonders Gutes für ihn beordert. „Das freut mich zu hören“, sagte Schwester Kaya und legte eine kleine Dose, die ein paar Tabletten zu enthalten schien, neben die Wasserflasche. „Bitte nehmen Sie die grüne und die blaue Pille direkt nach ihrer Mahlzeit ein“, erklärte Kaya auf seinen fragenden Blick hin, „und die weiße Pille etwa eine halbe Stunde später. Bitte schlucken Sie sie unzerkaut hinunter und trinken zu jeder Pille etwa einen Viertelliter Wasser. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit!“ „Was sind das für Pillen?“, fragte Crocodile, während er sich Wasser in sein Glas einschenkte. Seit er vor einigen Jahren seine linke Hand verloren hatte und deswegen sehr lange viele verschiedene Medikamente hatten nehmen müssen, war er sehr misstrauisch geworden, was dieses Thema anging. Er wusste zum Beispiel, dass Patienten häufig Schmerzmittel verabreicht wurden, die überhaupt nicht notwendig waren. Und so etwas oder Ähnliches wollte er gerne vermeiden. „Es handelt sich bei der blauen und weißen Pille um Präparate, die gegen Ihre Vergiftung helfen“, erklärte Kaya, „und die grüne Pille verhindert, dass Sie sich gleich nach der Mahlzeit wieder übergeben müssen. Haben Sie noch weitere Fragen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein, danke, das wäre alles.“ „Wenn Sie noch irgendetwas brauchen sollten, können Sie mich über das Telefon zu Ihrer Rechten erreichen, indem Sie ganz einfach die Nummer 5 wählen. Ich wünsche Ihnen noch einmal einen guten Appetit. Auf Wiedersehen, Sir Crocodile!“ „Auf Wiedersehen“, verabschiedete er die junge Krankenschwester, die nach einem weiteren freundlichen Lächeln aus seinem Zimmer verschwand. „Ich wünsche dir auch einen guten Appetit“, meinte Doflamingo, der ihn dabei beobachtete, wie er sogleich nach seiner Gabel griff und zu essen begann, „obwohl ich glaube, dass du den sowieso hast.“ „Wenn du in meiner Situation wärst, würde es dir nicht anders gehen!“, verteidigte Crocodile zwischen zwei Bissen seinen Heißhunger. Er hatte das Gefühl, er könnte gleich drei oder mehr Aufläufe dieser Größe hinunterschlingen, so leer fühlte sich sein Magen an. Und dabei war er unter normalen Umständen eigentlich ein recht zurückhaltender Esser. „Soll ich noch etwas für dich nachbestellen?“, fragte Doflamingo halb ernst, halb belustigt angesichts der Geschwindigkeit, in der sein Freund seine Mahlzeit verschlang. „Du bist ein blöder Idiot!“, war der einzige Kommentar, den er zu diesem Angebot bekam. Nachdem er den vegetarischen Auflauf aufgegessen hatte -wofür er, um ehrlich zu sein, nur halb so viel Zeit gebraucht hatte wie es normalerweise der Fall gewesen wäre-, fühlte Crocodile sich schon deutlich besser. Satt und (verhältnismäßig glücklich) ließ er sich zurück in seine Kissen sinken. „Du musst deine Medikamente einnehmen“, erinnerte ihn Doflamingo und reichte ihm zuerst die kleine Dose mit den Pillen und dann ein Glas stilles Mineralwasser. „Die blaue und grüne Tablette jetzt sofort. Beide jeweils mit einem Viertelliter Wasser.“ „Ich kann mich selbst noch sehr gut daran erinnern, was die Krankenschwester gesagt hat!“, wies Crocodile seinen Partner mit verärgerter Stimme zurecht. Er hatte bereits die Erfahrung gemacht, dass, auch wenn Doflamingo für gewöhnlich ein sehr lockerer und selbstsicherer Typ war, er manchmal überraschend fürsorglich oder sogar überbesorgt wurde. Crocodile schluckte als erstes die grüne und danach die blaue Pille hinunter; beide spülte er mit ein paar Schlücken Wasser hinunter. „Jetzt zufrieden?“, fragte er seinen Freund, der ihn während dieses Vorgangs aufmerksam beobachtet hatte. „Mach dich nicht über mich lustig“, erwiderte dieser mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck, „und nimm die ganze Sache hier lieber nicht auf die leichte Schulter. Das hätte nämlich verdammt übel ausgehen können! Es ist jetzt sehr wichtig, dass du regelmäßig deine Medikamente nimmst. Das Gift, das man dir ins Getränk gemischt hat, ist von deinem Körper noch immer nicht vollständig abgebaut worden.“ „Regelmäßig meine Medikamente nehmen?“, hakte Crocodile misstrauisch nach. „Wie lange muss ich denn diese Pillen schlucken? Ich dachte, es hätte sich nur um ein paar einfache K.O.-Tropfen gehandelt? Da ist es doch sicher nicht nötig, über einen längeren Zeitraum hinweg Medikamente einzunehmen. Oder?“ Doflamingo verschränkte die Arme vor den Oberkörper und Crocodile wusste, dass sein Partner ihn sehr ernst ansah, auch wenn dessen Blick durch die getönten Gläser der Sonnenbrille verdeckt wurde. „Also, um hier mal ein paar Dinge klarzustellen: Auch nur ein paar einfache K.O.-Tropfen hätten schlimme Folgen für dich haben können. Mir wird schlecht dabei, wenn ich mir vorstelle, was dein Exfreund womöglich mit dir vorgehabt hat. Ich bin bloß froh, dass Daz dazwischen gegangen ist. Aber es hat sich überhaupt nicht um K.O.-Tropfen gehandelt.“ „Nicht?“, warf Crocodile verwundert ein. „Worum denn dann?“ „Um ein deutlich stärkeres Gift“, meinte Doflamingo. „Handelsübliche K.O.-Tropfen hätten dich ein paar Stunden lang außer Gefecht gesetzt. Das Zeug, dass dieser Hurensohn dir verabreicht hat, hätte dich allerdings für mindestens drei Tage komplett betäubt. Dein Exfreund scheint ein echter Psychopath zu sein. Wie gesagt, ich will mir nicht auch nur vorstellen, was dieser kranke Wichser geplant hatte.“ „Wow“, sagte Crocodile und rieb sich mit der rechten Hand über den Hals. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“ „Ist schon gut“, meinte Doflamingo zu ihm und seine Stimme klang nun wieder ein wenig sanfter. „Du musst überhaupt nichts sagen. Ich kann gut verstehen, dass du gerade ziemlich verwirrt und fassungslos bist. Das wäre wohl jeder in dieser Situation. Die einzige Sache, auf die du dich jetzt konzentrieren solltest, ist deine Gesundheit! Um... naja... alles andere, sagen wir mal... werde ich mich kümmern.“ „Wie lange muss ich im Krankenhaus bleiben?“, wollte Crocodile wissen. Sein Partner hatte zwar Recht damit, dass er das, was ihm passiert war, noch immer nicht so recht fassen konnte, doch nichtsdestotrotz musste er sich in seinem Leben auch um andere Dinge kümmern. Und zwar vor allen Dingen um das Bewerbungsgespräch bei diesem Bauunternehmen, das ihm am Montagmittag bevorstand. Es war für Crocodile die einzige Chance auf eine feste Arbeitsstelle und damit auch seine einzige Hoffnung. Würde es ihm gelingen einen guten Eindruck zu machen, dann würde er womöglich schon zum nächsten Monat hin eingestellt werden - und alles wäre im Lot! Er hätte wieder Arbeit, könnte seine Schulden abbezahlen und auch wieder in eine eigene Wohnung ziehen. Und er würde auch seinen Partner nicht mehr ständig anlügen oder seine finanzielle Situation vor ihm verheimlichen müssen. Dieses Gespräch war ungeheuer wichtig für ihn. Er durfte es auf keinen Fall verpassen, ganz gleich wie es gesundheitlich um ihn stand. Es handelte sich dabei um seinen einzigen Weg aus diesem Alptraum heraus, in dem er nun bereits schon seit mehreren Wochen lebte. Wenn er an diesem Bewerbungsgespräch teilnahm und den Personalchef des Unternehmens überzeugen konnte, dann wäre endlich alles wieder wie früher! „Noch mindestens drei weitere Tage“, sagte Doflamingo. „Der Arzt möchte dich unbedingt hierbehalten, um deinen Zustand zu überwachen. Wie gesagt, es befinden sich immer noch Reste des Giftes in deinem Körper.“ „So lange?“ Crocodile bemühte sich gar nicht erst darum, die Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen. Am Montag stand doch sein Bewerbungsgespräch bevor! Vielleicht würde es ihm gelingen, sich bei einer günstigen Gelegenheit aus der Klinik herauszuschleichen, überlegte Crocodile sich. Oder er würde das Gespräch frühzeitig absagen und um einen alternativen Termin bitten. Es wäre sicherlich möglich, sich eine Bescheinigung über seinen Krankenhausaufenthalt ausstellen zu lassen und diese dem Personalchef des Bauunternehmens zukommen zu lassen. „Es geht nicht anders“, meinte sein Partner. „Mir ist klar, dass sich niemand gerne in einem Krankenhaus aufhält, aber es muss nun einmal sein. Schließlich geht es hier um deine Gesundheit! Außerdem werde ich mich darum bemühen, deinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich habe mir die nächste Zeit frei genommen; das bedeutet, dass ich dich jeden Tag besuchen kann. Und morgen kommen auch Mihawk und Hancock vorbei. Ich habe die beiden angerufen und ihnen erzählt, was vorgefallen ist. Sie machen sich große Sorgen um dich.“ Crocodile nickte matt. Wenn sich so viele verschiedene Menschen um sein Krankenbett lagerten, dann war jede Möglichkeit, sich heimlich davonzumachen, definitiv ausgeschlossen. Er würde also absagen und darum bitten müssen, sich an einem anderen Tag vorstellen zu dürfen. Das waren zwar nicht unbedingt die allerbesten Voraussetzungen für ein Bewerbungsgespräch, aber allem Anschein nach konnte er an dieser Situation nichts ändern; er würde es hinnehmen müssen. „Wo ist eigentlich Daz?“, fragte Crocodile. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sowohl sein Partner als auch sein Studienfreund warten würden bis er aufgewacht war. Es war sehr untypisch für Daz, ihn nicht zu umsorgen. Früher, als sie gemeinsam studiert hatten und direkte Nachbarn gewesen waren, hatte er ständig -auch ohne besonderen Grund- nach ihm gesehen. „Er ist so lange da geblieben wie er konnte“, sagte Doflamingo, „aber leider musste er irgendwann wieder zurück nach Hause. Du weißt schon, wegen seiner Arbeit. Er hat mich allerdings darum gebeten, dir gute Besserung zu wünschen und ihm Bescheid zu geben, wenn es dir wieder besser geht. Du solltest ihn gleich mal anrufen. Er würde sich sicher darüber freuen zu hören, dass du aufgewacht bist und dass es dir den Umständen entsprechend gut geht. Er hat sich große Sorgen um dich gemacht.“ „Er musste wegen der Arbeit zurück nach Hause?“, hakte Crocodile misstrauisch nach. Ihm kam eine schreckliche Vermutung. „Wieso das denn? Welchen Tag haben wir? Ich dachte, wir hätten Sonntag!“ Doflamingo schüttelte den Kopf. Er schien die Aufregung, die seinen Partner plötzlich befallen hatte, nicht so recht nachvollziehen zu können. „Es ist Montag“, erklärte er ruhig „Vier Uhr nachmittags, um genau zu sein.“ Montag? Vier Uhr nachmittags? Verzweifelt ließ Crocodile sich zurück in die Kissen sinken, schloss die Augen und legte sich die rechte Hand auf die Stirn. Er hatte sein Bewerbungsgespräch bereits verpasst. Seine einzige Chance, sein Leben endlich wieder in den Griff zu bekommen, war vertan. Enttäuschung und Wut brachen über ihn herein wie eine kochend heiße Tsunamiwelle. Warum nur musste ausgerechnet ihm so viel Unglück zustoßen? Was hatte er verbrochen, um dieses Schicksal zu verdienen? Ganz gleich wie sehr er sich auch bemühte, er schien als gäbe es kein Entkommen aus diesem Alptraum! Crocodile musste zum ersten Mal seit sehr vielen Jahren die Tränen unterdrücken. Fragen nach Schicksal und Gerechtigkeit hatte er sich bereits gestellt, als er seine linke Hand verloren hatte und als ihm die Narbe in seinem Gesicht zugefügt worden war. Und schon damals hatte er keine befriedigende Antwort gefunden. Darum ging er nicht davon aus, dass er es jetzt tun würde. Crocodile seufzte und öffnete seine Augen wieder. Irgendwann in seinem Leben hatte er sich mit der Tatsache abgefunden, dass das Schicksal nicht fair spielte und so etwas wie Gerechtigkeit einfach nicht existierte. Wenn er Hilfe brauchte, dann musste er sich selbst helfen. So war es schon immer gewesen. „Was ist denn plötzlich los mit dir?“, fragte Doflamingo mit besorgter Stimme. „Ist dir wieder schlecht geworden oder so etwas? Soll ich den Arzt rufen?“ „Nein, ist schon gut“, erwiderte Crocodile rasch und schüttelte den Kopf. „Ich kann nur bloß nicht fassen, was mir passiert ist. Es erscheint mit alles so unwirklich. Als würde ich träumen. Ich brauche in wenig Zeit, um damit zurechtzukommen.“ Langsam schöpfte Crocodile neue Hoffnung. Es nützte nichts, sich zu beklagen und darauf zu hoffen, dass ihm irgendeine höhere Macht aus seiner Situation heraus half. Seit dem Verlust seiner Hand glaubte er an keinen Gott mehr. Er würde sich eben weiterhin bewerben und auf das Beste hoffen müssen. Eine andere Möglichkeit hatte er nicht. Er würde dieses Spiel, das er trieb, weiterspielen müssen; und zwar bis zum Game Over! „Ich kann gut verstehen, dass du geschockt bist“, meinte sein Freund. „Schließlich hat niemand damit gerechnet, dass diese Nacht im Skypia mit einem Aufenthalt im Krankenhaus enden würde. Aber das lässt sich nun einmal nicht ändern; du wirst dich damit abfinden müssen. Genug Zeit dafür hast du in den nächsten paar Tagen.“ „Ich kann nicht so lange im Krankenhaus liegen bleiben“, warf Crocodile ein. „Ich muss doch arbeiten!“ „In deinem Zustand wirst du garantiert nicht zur Arbeit gehen!“, entgegnete Doflamingo mit energischer Stimme. „Ich habe mich bereits darum gekümmert und bei der Bank angerufen.“ „Du hast was getan?!“ „Ich habe Robin angerufen“, erklärte sein Partner, „und ihr erzählt, dass du im Krankenhaus liegst und in den nächsten Tagen nicht zur Arbeit kommen kannst. Ich habe auch schon das Attest gefaxt. Du musst dich also um nichts kümmern; es ist bereits alles erledigt. Das einzige, worauf du dich in nächster Zeit konzentrieren solltest, ist deine Genesung!“ Crocodile senkte den Blick. Es behagte ihm gar nicht, dass Doflamingo mit seiner Sekretärin telefoniert hatte. Unweigerlich fragte er sich, ob sie seinem Partner womöglich von seiner Kündigung berichtet hatte. Normalerweise war Robin zwar keine Person, die sich in Angelegenheiten anderer Leute einmischte, aber hundertprozentig ausschließen konnte er diese Möglichkeit dennoch nicht. „Hat Robin vielleicht irgendetwas Ungewöhnliches erwähnt, während ihr telefoniert habt?“, wollte er mit zögerlicher Stimme wissen; es war schwierig, die Frage so zu formulieren, dass er sich nicht selbst verriet. Doflamingo hob eine Augenbraue. „Das hat sie tatsächlich“, erwiderte er. Augenblicklich rutschte Crocodile das Herz in die Hose (die er momentan nicht trug) - hatte sein Partner doch endlich von seiner Kündigung erfahren? Wie würde er reagieren? Jetzt gerade im Augenblick wirkte er jedenfalls recht enttäuscht. Machte er nun Schluss mit ihm? Hatte er sich zuvor nur so sehr um ihn gesorgt, weil er vergiftet worden war und im Krankenhaus lag? Crocodile schluckte und spürte einen schmerzhaften Kloß in seinem Magen. „Als ich sie heute Morgen angerufen habe, um dich krankzumelden, sagte sie, dass du dir heute sowieso freigenommen hättest. Davon hast du mir überhaupt nichts erzählt gehabt. Und ich frage mich, wieso. Denn wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich heute nämlich auch früher Schluss mit der Arbeit gemacht und wir hätten uns ein wenig länger sehen können. Unter normalen Umständen natürlich. Dass du im Krankenhaus landen würdest, konnte ja schließlich keiner von uns beiden ahnen.“ Crocodile rieb sich mit zwei Fingern über die Nase und ließ sich schnell irgendeine Erklärung einfallen. „Ach weißt du, Doffy“, sagte er in seiner bekümmertsten Tonfall, „ich brauchte einfach mal eine kleine Pause von der Arbeit. Du weißt ja, dass es in letzter Zeit schrecklich viel zu tun gibt. Ich fühle mich total überarbeitet und gestresst. Da habe ich mir diesen einen Tag freigenommen, damit ich ein verlängertes Wochenende habe und mich ein bisschen erholen kann. Das hatte ich einfach bitter nötig. Dir ist ja selber schon aufgefallen, dass ich seit ein paar Wochen oft sehr stark gestresst bin. Und in meiner Hektik muss ich wohl völlig vergessen haben, dir das zu erzählen. Tut mir leid; es ist wirklich keine Absicht gewesen.“ „Ist schon gut“, erwiderte Doflamingo, der seiner ausgedachten Erklärung glücklicherweise Glauben zu schenken schien. „So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Du arbeitest in letzter Zeit wirklich viel zu viel. Man merkt sehr deutlich, wie sich das auf deine psychische Verfassung auswirkt. Du solltest dir öfter mal eine Auszeit gönnen.“ „Soll das bedeuten, dass ich ein Psycho bin?!“ Crocodile war ein Mensch, der sich sehr schnell in seinem Stolz verletzt fühlte, und warf seinem Partner darum einen finsteren Blick zu. „Oder was willst du damit sagen?“ „So war das überhaupt nicht gemeint und das weißt du ganz genau!“, entgegnete Doflamingo spitz und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum musst du mir jedes Wort im Mund umdrehen?“ Seine Körperhaltung lockerte sich wieder ein wenig auf und er fügte mit einer sanfteren Stimme hinzu: „Aber du kannst doch selbst nicht verleugnen, dass es dir in letzter Zeit nicht gut geht. Du bist ständig gestresst, gereizt und hektisch. Und zwar nicht bloß seit ein paar Tagen, sondern mehreren Wochen. So ein dauerhafter Stress tut niemandem gut!“ „Lass uns dieses Thema jetzt beenden, ja?“, warf Crocodile ein. Er hatte nicht die geringste Lust dazu, sich mit seinem Partner über seine Arbeit oder seine derzeitige psychische Verfassung zu unterhalten. „Die nächsten Tage werde ich ja sowieso hier im Krankenhaus verbringen müssen. Oder nicht?“ „Aber ein Krankenhausaufenthalt ist doch kein Urlaub!“ „Das weiß ich doch selbst.“ Crocodile seufzte genervt auf. Er liebte Doflamingo mehr als jeden anderen Menschen auf dieser Welt, aber manchmal trieb ihn sein Freund auch einfach bloß in den Wahnsinn. Um diesen endlich zum Schweigen zu bringen, sagte er schließlich: „Ich habe bereits ein paar Wochen Urlaub beantragt. Gibst du nun bitte endlich Ruhe?“ Für einen Moment schwieg sein Partner tatsächlich und sah ihn verwundert an. Dann meinte er: „Davon hast du mir auch nichts erzählt. Wieso erzählst du mir solche Dinge nicht? Ab wann hast du denn Urlaub?“ „Es sollte eine Überraschung für dich werden“, lenkte Crocodile ein, während er rasch den ersten Tag errechnete, an dem er offiziell entlassen sein würde. „Weil du doch immer sagst, dass ich zu lange arbeite und wir uns deswegen zu wenig sehen. Da wollte ich dich damit überraschen, dass ich mir ein wenig freinehme und wir wieder mehr Zeit miteinander verbringen können. Außerdem steht die ganze Sache noch nicht hundertprozentig fest. Ich habe den Urlaub nämlich noch gar nicht genehmigt bekommen. Aber wenn alles wie geplant klappt, dann ist der Fünfzehnte nächsten Monats mein erster Urlaubstag.“ Ein paar Wochen Urlaub vorzutäuschen, um seine Entlassung zu vertuschen, hielt Crocodile alles in allem für eine gute Idee, auch wenn sie ihm sehr spontan gekommen war. Auf diese Weise würde es ihm gelingen, ganz einfach zu erklären, warum er morgens nicht zur Arbeit ging. Ihm war klar, dass es sich hierbei zwar nicht um eine endgültige Lösung handelte, doch zumindest würde ihm dieser Vorwand ein wenig mehr Zeit verschaffen. Und sein Geheimnis wäre für ein paar weitere Wochen gesichert. Außerdem war es tatsächlich sehr lange her, seit er das letzte Mal Urlaub von der Arbeit genommen hatte; das Szenario wirkte also durchaus realistisch. „Das ist wirklich süß von dir“, kommentierte Doflamingo die faustdicke Lüge seines Partners. „Weißt du was? Ich werde mir ab dem Fünfzehnten auch frei nehmen. Dann können wir endlich mehr Zeit miteinander verbringen und mal so richtig schön entspannen. Was hältst du davon?“ „Ähm, das klingt toll“, entgegnete Crocodile kurzerhand, weil alles Andere verdächtig gewirkt hätte. „Aber bist du dir sicher, dass du so kurzfristig überhaupt Urlaub genehmigt bekommst?“ Angesichts dieser naiven Aussage kicherte sein Partner bloß, ehe er meinte: „Bei wem soll ich denn bitteschön Urlaub anmelden, Wani? Ich bin mein eigener Chef. Und das bedeutet, dass ich mir Urlaub nehmen kann, wann und so viel ich will. Es gibt kein Limit. Das ist also kein Problem!“ „Oh, na gut.“ Crocodile war sich dessen bewusst, dass er Enthusiasmus vortäuschen musste, damit Doflamingo nicht misstrauisch werden würde. Darum fügte er in der fröhlichsten Stimme, die er heraufbeschwören konnte, hinzu: „Ich freue mich schon sehr auf unsere gemeinsame Zeit. Ein paar schöne und vor allen Dingen entspannte Urlaubstage haben wir beide uns wirklich verdient, denke ich.“ Doch obwohl Crocodile mit dieser bündigen Aussage seinen Partner schnell überzeugen konnte, gelang dies bei ihm selbst nicht auch nur halb so gut. Wenn er ehrlich war, dann lag ihm der Urlaub, den er ja bloß kurzerhand erfunden hatte, bereits jetzt wie eine schwere Ladung Steine im Magen. Er konnte bloß hoffen, dass es ihm weiterhin so gut gelingen würde geheim zu halten, dass er gekündigt worden war. Je mehr Zeit er mit seinem Freund verbrachte, desto größer wurde das Risiko, dass die Wahrheit womöglich doch ans Tageslicht kam. Allerdings blieb ihm derzeit nichts anderes übrig als dieses Risiko notgedrungen einzugehen. Das Unheil, das er selbst heraufbeschworen hatte, schien sich nicht mehr abwenden zu lassen. * Die drei Tage, die Crocodile in der Miracle-Sakura-Klinik verbringen musste, gingen überraschenderweise sehr schnell herum. Als die Zeit seiner Entlassung anstand, war er beinahe schon wehmütig; dabei konnte er Krankenhäuser normalerweise überhaupt nicht leiden. Womöglich lag dieser Umstand daran, dass er zum ersten Mal seit vielen Wochen endlich einmal dazu in der Lage war, wirklich abzuschalten. Schließlich hatte er während seines Aufenthalts nichts anderes zu tun gehabt als zu essen (und die Mahlzeiten, die Doflamingo für ihn beorderte, hatten weiterhin ausgezeichnet geschmeckt), sich mit seinen Besuchern zu unterhalten und zu schlafen. Er wurde sowohl von Daz besucht, bei dem er sich für dessen Hilfe überschwänglich bedankte, als auch von seinen beiden Geschwistern; alle Drei konnten allerdings nicht allzu lange bleiben, weil sie am Folgetag wieder arbeiten mussten; und der Weg zum Krankenhaus war sehr weit für sie, da sie alle nicht in derselben Stadt wohnten wie er. Aber dieser Umstand störte Crocodile nicht sonderlich. Er freute sich zwar sehr über seinen Besuch und die netten Geschenke, die dieser für ihn mitgebracht hatte, aber er mochte auch die Ruhe und Entspannung, die das Zimmer erfüllte, wenn niemand mehr da war - nicht einmal Doflamingo, der jeden Tag für vier oder fünf Stunden vorbeikam. „Bevor du das Krankenhaus verlässt, müssen wir noch über eine sehr wichtige Sache sprechen.“ Crocodile, der gerade in die Kleidung schlüpfte, die sein Partner für ihn mitgebracht hatte, sah verwundert und skeptisch zu diesem hinüber. Doflamingo wirkte momentan zwar nicht schlecht gelaunt, dafür allerdings sehr ernst. Unweigerlich schluckte Crocodile und ließ von seinem Hemd ab, das er gerade zuknöpfen wollte. Es kam nur sehr selten vor, dass sein Freund sich so ruhig und gemessen verhielt. Meistens ging es um irgendein sehr wichtiges Thema, wenn er diesen Ton anschlug. Crocodile spürte, wie sich Verunsicherung und Nervosität ausgehend von seinem Magen in jede Faser seines Körpers ausbreitete. Er hatte keine Ahnung, worüber Doflamingo mit ihm sprechen wollte. Doflamingo atmete zweimal tief ein und aus, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme sagte: „Du weißt, dass wir beide ausgemacht hatten, dass du für eine Zeit lang bei mir Zuhause wohnst. Zur Probe, sozusagen als eine Art Testlauf. Der Zeitraum, den wir vereinbart hatten, ist jetzt allerdings vorüber.“ Crocodile bemühte sich darum, Ruhe zu bewahren. Sein Herz schlug doppelt so schnell wie sonst in seiner Brust und er hatte das unangenehme Gefühl, dass es im Raum plötzlich sehr heiß geworden war. Natürlich hatte er gewusst, dass sein Partner irgendwann demnächst auf dieses Thema zu sprechen kommen würde. Doch er hatte nicht geahnt, dass dieser Zeitpunkt jetzt sofort eintreten würde. Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass man ihm noch ein paar weitere Tage gewähren würde, um über dieses sensible Anliegen noch einmal gründlich nachzudenken. Aber war es denn überhaupt notwendig, seine Entscheidung noch weiter hinauszuschieben? Crocodile biss sich selbst auf die Unterlippe und fixierte dann die Sonnenbrille seines Freundes. Wenn er ehrlich war, dann hatte er sich doch bereits entschieden. Es stand längst schon fest, dass er bei Doflamingo einziehen würde. Eine andere Möglichkeit gab es für ihn nicht, wenn er weiterhin den Schein des reichen Bankmanagers wahren wollte. Auch wenn sich durch diesen Schritt seine finanziellen Probleme noch weiter vergrößern würden. Er durfte dieses Kartenhaus aus Lügen, das er aufgebaut hatte, jetzt nicht zum Einsturz bringen! Doch wollte Doflamingo immer noch mit ihm zusammenziehen? Bei diesem Experiment, das sie beide durchgeführt hatten, ging es schließlich nicht bloß um seine Meinung - sondern auch um die seines Partners. Über die Option, dass Doflamingo seine Ansicht womöglich geändert hatte und überhaupt nicht mehr mit ihm zusammenwohnen wollte, hatte Crocodile sich gar keine Gedanken gemacht. Nutzte sein Freund etwa nun diese Gelegenheit, um ihm mitzuteilen, dass er seinen Vorschlag vom gemeinsamen Wohnen zurücknehmen wollte? „Ich muss gestehen“, fuhr Doflamingo fort, „dass mir die Wochen, in denen wir gemeinsam in meiner Villa gewohnt haben, unglaublich gut gefallen haben. Ich bin so glücklich gewesen wie schon lange nicht mehr.“ Ein Teil der Verunsicherung, die Crocodile gerade belastete, löste sich auf; allerdings handelte es sich dabei bloß um einen sehr kleinen Teil. Sein Partner hatte seine Meinung also doch nicht geändert. Er wollte noch immer mit ihm zusammenziehen. „Es fällt mir sehr schwer, in Worte zu fassen, wie ich mich fühle“, meinte Doflamingo und fuhr mit seiner Zunge über seine trockenen Lippen. „Ich bin nie sonderlich gut darin gewesen, meine Gefühle auszudrücken. Trotzdem weiß ich genau, dass du, Crocodile, der Mann meines Lebens bist und ich jede Minute genieße, die ich mit dir verbringen darf. Schon solche Kleinigkeiten wie morgens neben dir aufzuwachen oder mit dir gemeinsam zu frühstücken reichen aus, um mich den ganzen Tag lang glücklich zu machen. Es ist einfach wunderschön, dir so nah zu sein. Ich weiß, dass das jetzt kitschig klingt, aber ich will es trotzdem sagen: Erst seit du dich in meiner Villa aufhältst, ist sie nicht mehr nur mein Wohnsitz, sondern zu meinem Zuhause geworden. Während der Tage, die du im Krankenhaus verbringen musstest, habe ich mich lieber hier bei dir als in meiner Villa aufgehalten. Sie kommt mir einsam vor, wenn du nicht da bist. Denn mein Zuhause ist dort, wo du auf mich wartest, Crocodile.“ Doflamingo stockte für einen kurzen Moment und wich dem Blick seines Partners aus. Crocodile wusste, dass Doflamingo nur sehr selten seine Gefühlswelt offenbarte. Er grinste und kicherte zwar oft, doch dabei handelte es sich bloß um eine Maskerade. In Wirklichkeit war er ein eher zurückhaltender Mensch, der anderen keine Fläche bieten wollte, um ihn zu verletzen. Darum rührte es Crocodile sehr, dass Doflamingo nun so offen und ehrlich mit ihm sprach. Er war sich dessen bewusst, dass es nur sehr wenige Menschen gab, denen er sich aufrichtig anvertraute. Um seinem Partner die Frage, die dieser allem Anschein nach stellen wollte, ein wenig zu erleichtern, sagte Crocodile „Sprich ruhig weiter. Ich kann mir schon denken, worauf du hinaus willst. Es gibt keinen Grund, um verlegen zu werden. Doffy.“ Er nannte seinen Partner absichtlich bei dessen Kosenamen, weil er wusste, dass Doflamingo ihn sehr gerne hörte; auf eine seltsame Art und Weise schien ihm dieser Name Zuversicht zu schenken und ihn glücklich zu machen. „Mein Fahrer wartet draußen vor dem Gebäude auf uns“, fuhr Doflamingo mit fester Stimme fort. „Es gibt zwei verschiedene Ziele für unsere Fahrt, Crocodile. Aber er wird nur zu einem von beiden fahren. Was soll ich meinem Fahrer sagen, wenn er mich fragt, wohin es gehen soll? Zu dir in deine Loft-Wohnung oder zu mir in meine Villa?“ Crocodile zögerte keinen Augenblick, ehe er meinte: „Sag ihm, er soll zu meiner Wohnung fahren.“ Erst als er Doflamingos enttäuschten und fassungslosen Gesichtsausdruck sah, bemerkte er, wie missverständlich seine Aussage geklungen haben musste. Darum fügte er so rasch wie möglich hinzu: „Um meine Sachen zu holen! Du weißt schon, Kleidung und anderen Kram. Ich besitze ein paar Sachen, die ich gerne mitnehmen möchte, die ich auf jeden Fall mitnehmen muss, wenn ich bei dir einziehe. Verstanden? So habe ich es gemeint!“ Er sah, dass sich der niedergeschlagene Gesichtsausdruck seines Partners in einen verärgerten und betretenen verwandelte. „Dann sag doch das gleich, du Idiot!“, meinte er mit einer vorgeschobenen Unterlippe. „Und jag mir nicht so einen verdammten Schrecken ein!“ „Nenn mich gefälligst nicht einen Idioten!“, gab Crocodile zurück. Er konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihn beleidigte; auch wenn sein Freund dieses Schimpfwort wahrscheinlich bloß halbherzig gemeint hatte. „Und außerdem habe ich überhaupt keine böse Absicht gehabt. Deswegen habe ich mich ja sofort korrigiert, als ich bemerkt habe, dass du meine Aussage falsch verstanden hast!“ „Ich weiß, dass du es nicht böse gemeint, sondern dich bloß falsch ausgedrückt hast“, erwiderte sein Partner schnippisch. „Deswegen habe ich dich ja auch einen Idioten genannt, und nicht etwa einen Bastard oder einen Arsch.“ „Da fühle ich mich aber geehrt, dass ich in deinen Augen kein Bastard oder Arsch bin, sondern bloß ein Idiot!“ Doflamingo grinste. „Jetzt reg dich doch nicht so auf, Crocobaby“, meinte er augenzwinkernd. „Ich habe es nicht böse gemeint. Genausowenig wie du eben. Oder? Also sind wir quitt. Und jetzt lass uns endlich aus diesem Krankenhaus verschwinden, ja? Ich will dich in anderer Gesellschaft als der von weißen Wänden sehen. Man wird ganz verrückt hier drin. Kommst du?“ „Gleich“, erwiderte Crocodile. „Sei doch nicht so hektisch. Auf die paar Minuten kommt es schließlich auch nicht mehr an. Ich knöpfe noch eben mein Hemd zu Ende und dann können wir gehen.“ * Es war ein sehr seltsames Gefühl, nach Wochen der Abwesenheit seine Loft-Wohnung das erste Mal wieder zu betreten. Bedächtig, fast schon melancholisch blickte Crocodile sich um und achtete auf jedes Detail, als er die Türschwelle überquerte. Den Parkett-Boden, die Küche und die Möbel hatte er sich damals bei seinem Einzug nach reichlicher Überlegung neu angeschafft. Auch die Wände hatte er sich frisch tapezieren und streichen lassen. Er hatte sich viel Zeit genommen, um die richtige Einrichtung auszuwählen; und war auch nicht geizig gewesen. Die Farben waren genaustens aufeinander abgestimmt und auch die verschiedenen Materialien harmonierten miteinander. Denn ursprünglich hatte er vorgehabt, sehr lang in dieser Wohnung wohnen zu bleiben. Dass es am Ende doch bloß zwei Jahre werden würden, hatte er damals nicht ahnen können. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob er seine Wohnung wohl anders und womöglich kostengünstiger eingerichtet hätte, wenn er über diesen Umstand vorher Bescheid gewusst hätte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Doflamingo, der neben ihm stand. „Du wirkst plötzlich irgendwie traurig.“ „Ich bin okay“, entgegnete Crocodile, während er das Wohnzimmer ansteuerte. Das Bücherregal in diesem Raum war eine Sonderanfertigung, die ihm sehr viel bedeutete. „Es ist bloß so, dass es mir schwerer fällt als ich gedacht habe, mich von meiner Wohnung zu trennen. Eigentlich habe ich mich nie für einen sonderlich emotionalen Menschen gehalten, aber jetzt merke ich, dass ich allem Anschein nach an vielen Dingen doch sehr hänge.“ „Oh“, war für eine ganze Weile das einzige, was Doflamingo zu dieser Bekenntnis sagte. Vermutlich hatte er nicht geahnt, dass er mit seinem Wunsch, sein Partner möge rasch bei ihm einziehen, diesen so stark belastete. Er war ein Mensch, der immer durchsetzen wollte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, und häufig erst viel später über die Konsequenzen nachdachte. Sie schwiegen für einen Moment, während Crocodile seinen Blick über die Einrichtung in seinem Wohnzimmer schweifen lief: die Ledercouch, der Fernsehtisch, das Bücherregal, der Teppich, der Couchtisch, der Fernseher, die Lampe, die schweren Vorhänge vor dem Fenster und so weiter. Plötzlich fragte er sich, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, dem Zusammenzug mit seinem Freund zuzustimmen. Eigentlich wollte er doch gar nicht aus seiner Loft-Wohnung ausziehen! Crocodile zögerte und spürte schon, wie er diese überstürzte Entscheidung bereute, als er sich schließlich bewusst machte, dass sein Einzug bei Doflamingo prinzipiell nichts an seiner derzeitigen Situation änderte. Ob nun so oder so: Bleiben konnte er in seiner Loft-Wohnung sowieso nicht. Jetzt, da er seine Arbeit verloren hatte, war sie viel zu teuer geworden. Und seinem Vermieter gekündigt hatte er ebenfalls bereits. Ganz gleich, wie er die Sache auch drehte und wendete, es gab einfach keinen Weg zurück; sondern bloß die Flucht nach vorne. Er würde diesen Umzug durchstehen müssen, ob er wollte oder nicht. Nur auf diese Weise konnte er verhindern, dass sein Partner von seinen Schulden und seiner Kündigung erfuhr. „Du musst ja nicht alles zurücklassen“, durchbrach irgendwann Doflamingos Stimme die Stille. „Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, du müsstest deine Identität oder dein Leben für mich aufgeben. Ich möchte bloß, dass du einen größeren Raum in meinem Leben einnimmst. Dieser Zusammenzug soll eine Zusammenführung von uns beiden sein. Und das bedeutet natürlich auch, dass du Möbel und andere Dinge von dir mitnehmen kannst. In meiner Villa... also, in unserem Zuhause ist schließlich mehr als genug Platz vorhanden.“ „Das klingt gut“, meinte Crocodile und fühlte sich ein wenig besser; fast schon erleichtert. „Aber es gibt gar nicht allzu viele Dinge, die ich mitnehmen möchte. Der Großteil meiner Kleidung befindet sich ja sowieso schon bei dir.“ Da er für eine Vielzahl seiner Möbelstücke einen Kredit aufgenommen hatte, machte es keinen Sinn, sie bei einem Umzug auf Biegen und Brechen mitzuschleppen. Stattdessen würde er sie lieber verkaufen und mithilfe des Erlöses die ausstehende Summe des entsprechenden Kredites zahlen. Dann wäre er zwar seine exklusiv ausgewählten und sehr hochwertigen Möbel los, dafür wäre allerdings auch ein Teil seiner Schulden getilgt. Crocodile brauchte nicht viel Zeit, um diese beiden Punkte gegeneinander abzuwiegen und letzteren als wertvoller zu befinden. Jeder Berry, den er zurückzahlte, war ein weiterer Schritt auf dem Weg, der aus seiner derzeitigen schlechten Lebenssituation hinausführte. Und brauchen tat er die Möbel sowieso nicht, wenn er bei Doflamingo wohnte. Sein Partner besaß nämlich natürlich bereits jeden Luxusartikel, den man sich nur vorstellen konnte. „Was hältst du davon, wenn du dir in Ruhe überlegst, was du mitnehmen möchtest und was nicht? Und deine Auswahl teilen wir dann dem Umzugsunternehmen mit. Die restlichen Möbel werden dann entsorgt oder was auch immer du damit machen möchtest.“ „Das ist wahrscheinlich die beste Lösung“, stimmte Crocodile dem Vorschlag seines Partners zu. Gemeinsam streiften sie in einem langsamen Schritttempo durch die knapp 250 Quadratmeter zählende Loft-Wohnung; Crocodile begutachtet wehmütig alle Möbelstücke und Einrichtungsgegenstände, die er besaß. Während er sich Gedanken darüber machte, was bereits abbezahlt war, was wie teuer gewesen, wovon er sich trennen und was er unbedingt mitnehmen wollte, hielt Doflamingo sich größtenteils zurück. Er sprach sehr wenig und mischte sich nicht in die Entscheidungen seines Freundes ein, was ein sehr untypischen Verhalten für ihn war. Anscheinend war er der Ansicht, dass es sich hierbei um eine sehr emotionale und intime Situation handelte, in der er seinem Partner lieber ein wenig Ruhe und Raum gewähren sollte. „Ich sollte mir am besten aufschreiben, was ich mitnehmen werde und was nicht“, meinte Crocodile, als er irgendwann feststellte, dass es sich doch um mehr Dinge handelte als er sich im Kopf merken konnte. „In meinem Arbeitszimmer müssten Papier und Stifte sein.“ Gemeinsam mit Doflamingo suchte er also sein Arbeitszimmer auf, das sie bisher noch nicht betreten hatten. Der Anblick des großen Mahagoni-Schreibtisches versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich. Für einen Manager war es natürlich unumgänglich, sich auch Zuhause ein Büro einzurichten. Immer wieder musste man Arbeit mit nach Hause nehmen und auch in seiner Freizeit dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Crocodile hatte in den letzten zwei Jahren sehr viel Zeit an diesem Schreibtisch verbracht. Er hatte hart gearbeitet und immer sein Bestes gegeben. Und am Ende war doch alles umsonst gewesen. Crocodile musste hart schlucken. Dieser Schreibtisch aus dunklem Mahagoni machte ihm auf eine ganz furchtbare Art und Weise deutlich, dass er versagt hatte. Er war nicht gut genug gewesen. Er hatte sein Leben verpfuscht. Die vielen Jahre, die er studiert und sich hochgearbeitet hatte, waren umsonst gewesen. Bedächtig umrundete Crocodile seinen Schreibtisch. Neben dem Computer standen einige eingerahmte Fotos. Eines zeigte ihn gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern; Hancock lächelte fröhlich in die Kamera, Mihawk wirkte stoisch wie immer und er selbst hatte einen recht genervten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Er wusste gar nicht mehr genau, wann oder wo das Bild aufgenommen worden war, doch es gefiel ihm sehr gut. Seiner Meinung nach waren ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten sehr lebensecht festgehalten worden. Auf einem weiteren Foto war Doflamingo abgebildet: Er trug ein orangefarbenes, nur halb zugeknöpftes Hemd und grinste frech in die Kamera. Ein drittes Foto zeigte Daz und ihn in ihrer Studienzeit. Sein alter Freund hatte brüderlich einen Arm um ihn gelegt. Sie waren auf einer Party gewesen, als das Foto aufgenommen worden war: Im Hintergrund sah man ein paar Menschen (seinen Exfreund Marco eingeschlossen), die ausgelassen feierten und sich miteinander unterhielten. Außerdem hielten sie alkoholische Getränke in ihren Händen; Daz ein Bier und er selbst eine kleine Flasche Wein. Damals hatte er noch beide seiner Hände gehabt und auch sein Gesicht war noch von keiner Narbe verunstaltet worden. „Bist du das?“, fragte sein Partner verwundert, während er das eingerahmte Foto betrachtete, das vor vielleicht zwölf oder dreizehn Jahren aufgenommen worden war. Doflamingo hatte sich bisher nie sonderlich oft oder lange in seinem Arbeitszimmer aufgehalten, daher kannte er die Bilder, die dort auf dem Schreibtisch standen, nicht. „Man erkennt dich kaum wieder. So ganz ohne Narbe und mit beiden Händen.“ Crocodile nickte. „Es ist ein sehr altes Bild“, erklärte er. „Daz und ich sind auf einer Studentenparty gewesen. Die Sache mit meiner Hand ist erst gegen Ende meines Studiums passiert. Und meine Narbe ist sowieso erst deutlich später noch dazu gekommen.“ Besagte Party hatte in der Wohnung von Marco stattgefunden, doch Crocodile hielt es für ratsam, diesen Umstand seinem derzeitigen Partner lieber zu verschweigen. Doflamingo reagierte sehr schnell eifersüchtig. Außerdem war diese Tatsache sowieso belanglos. Er hatte seinen Exfreund schließlich seit über zehn Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen; es war bloß eine unbedeutende Jugendliebe gewesen. „Also, ich wollte damit auf keinen Fall sagen, dass du heute schlechter aussiehst!“, warf Doflamingo sofort hektisch aus. „Mir machen deine Narbe und deine fehlende Hand überhaupt nichts aus; schließlich habe ich dich so kennengelernt. Du sahst damals nur eben anders aus. Ganz ungewohnt.“ Crocodile winkte ab. „Ist schon okay, mach dir keine Gedanken.“ Zu Beginn hatte er selbst zwar sehr große Schwierigkeiten damit gehabt, sich an diese beiden Verunstaltungen seines Körpers zu gewöhnen, doch inzwischen hatte er sich damit abgefunden. Ihm machte es nicht aus, wenn sein Partner dieses Thema ansprach, auch wenn jener anscheinend glaubte, dass es sich dabei um einen seiner wunden Punkt handelte. „Wer sind denn die Leute im Hintergrund?“, fragte Doflamingo. Vermutlich wollte er rasch das Gesprächsthema wechseln. „Ach, bloß ein paar Mitstudenten“, erwiderte Crocodile ausweichend und suchte nach einem Stück Papier und einem Stift. Schließlich waren sie deswegen überhaupt ins Arbeitszimmer gegangen; und nicht, um sich alte Fotos von ihm anzuschauen und gegebenenfalls Diskussionen über seinen Exfreund zu führen. „Abgesehen von Daz habe ich eigentlich gar keinen Kontakt mehr zu irgendwelchen Leuten von der Universität. Nach dem Abschluss verliert man sich sehr leicht aus den Augen.“ Er fand schließlich einen unbenutzten Schreibblock und notierte Fotos ganz oben auf der Seite. Dann fügte er einen kleinen Pfeil hinzu und schrieb vorher aussortieren daneben. „Ich habe noch eine Menge anderer Fotos“, meinte er auf den fragenden Blick seines Partners hin. „Du weißt schon, alte Kinderfotos und so einen Kram. Die werde ich bestimmt nicht alle mitnehmen. Es macht nämlich einfach keinen Sinn, hunderte lose Fotos mitzunehmen, die ich mir sowieso nie anschaue. Ich sollte diesen Umzug als Anlass nehmen, um zu sortieren, welche ich mitnehmen möchte und welche nicht.“ „Klingt logisch“, entgegnete Doflamingo. „Wenn du möchtest, dann kann ich dir dabei helfen. Ich würde gerne mal ein paar Kinderfotos von dir sehen. Und was hältst du davon, wenn wir uns ein paar hübsche Fotoalben zulegen? Dann können wir die ganzen losen Fotos einkleben. Ich finde Fotoalben nämlich total romantisch! Das ist so schön altmodisch.“ Crocodile rollte mit den Augen, ergab sich schlussendlich aber doch den Wünschen seines Freundes. „Du stehst doch auf alles, was altmodisch ist. Oder eher kitschig. Aber von mir aus können wir das machen. Wie wäre es mit morgen Nachmittag?“ „Gerne“, sagte Doflamingo, der auf die abfällige Aussage seines Partners hin bloß angefangen hatte zu kichern. „Ich freue mich schon darauf.“ „Wie auch immer“, erwiderte Crocodile und versuchte, die Aufmerksamkeit von ihnen beiden wieder auf den eigentlichen Grund hinzulenken, weswegen sie hier waren. „Jetzt sortieren wir erstmal die Möbel, wenn dir das nichts ausmacht. Um die Fotos kümmern wir uns morgen. Ich möchte möglichst schnell fertig werden. Die Luft hier in der Wohnung ist nämlich furchtbar stickig. Kein Wunder: Schließlich ist wochenlang kaum gelüftet worden.“ Die Raumluft war tatsächlich sehr schlecht, doch wenn er ehrlich war, dann war dieser Grund bloß ein Vorwand für seine Eile. In Wirklichkeit wollte Crocodile bloß die Beine in die Hand nehmen, damit er zum einen nicht mehr den Anblick seines teuren Mahagoni-Schreibtisches ertragen musste und zum anderen, weil er sich sputen musste, was den bevorstehenden Umzug anging - schließlich lief sein Mietvertrag bereits in nur zwei Wochen aus. Bis dato mussten all seine Habseligkeiten entweder vernichtet, abgegeben oder in Doflamingos Villa einquartiert sein. Und das waren bei Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen, die sich auf insgesamt 250 Quadratmeter Wohnfläche verteilten, nicht unbedingt eine leichte Aufgabe. * Am nächsten Tag riefen sie ein Umzugsunternehmen an. Es war früher Abend und sowohl Doflamingo als auch Crocodile waren bereits von ihrer Arbeit ins heimische Wohnzimmer zurückgekehrt. Letzterer fühlte sich ein wenig ausgelaugt, weil seine Arbeit in der Bank heute besonders zermürbend gewesen war und weil er sich noch immer nicht daran gewöhnt hatte, nach Feierabend eine fast einstündige Autofahrt auf sich nehmen zu müssen, um zu der Villa seines Partners zu gelangen, doch er bemühte sich so gut wie möglich darum, diesen Umstand zu verschleiern. „Für wann wollen wir die Möbelpacker denn bestellen?“, fragte Doflamingo, der das Telefon in der Hand hielt. „Gibt es irgendeinen Termin, der dir besonders gut passt?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Mir ist das eigentlich relativ egal“, sagte er wahrheitsgemäß. Als ihm jedoch der kurze Zeitraum einfiel, den er nur noch für den Auszug aus seiner Loft-Wohnung übrig hatte, fügte er rasch hinzu: „Aber am besten natürlich so schnell wie möglich. Die wichtigsten Sachen sind ja sowieso schon geklärt; also, welche Möbel ich gerne mitnehmen möchte und welche nicht. Von mir aus können wir die Möbelpacker schon für nächstes Wochenende bestellen.“ „Klingt gut“, erwiderte Doflamingo fröhlich; seit der Entlassung seines Partners aus dem Krankenhaus und dessen fester Zusage, bei ihm in die Villa einzuziehen, schien er ständig bester Laune zu sein. Nichts konnte ihm die gute Stimmung verderben. Und offenbar sehnte er sich den bevorstehenden Umzug seines Freundes ebenfalls rasch herbei; jedenfalls machte er den Anschein, als hätte er überhaupt gar kein Problem mit Crocodiles großer Eile. „Passt dir Samstag? Das ist der Dritte nächsten Monats.“ „Samstag passt“, entgegnete Crocodile. „Super“, sagte Doflamingo, während er die Nummer des Umzugsunternehmen, das er herausgesucht hatte, in das Telefon eintippe. Angesichts dieses Verhaltens legte Crocodile die Stirn in Falten. „Warum rufst du an?“, fragte er seinen Partner mit mürrischer und vorwurfsvoller Stimme. „Schließlich ziehe ich um und nicht du. Ich sollte lieber mit dem Umzugsunternehmen sprechen!“ Doflamingo allerdings winkte bloß ab. „Das ist doch völlig egal, oder nicht?“, meinte er unbeeindruckt, während er darauf wartete, dass am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde. „Nein, ist es nicht“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du weißt genau, dass ich es überhaupt nicht leiden kann, wenn man mir irgendetwas abnimmt!“ Doflamingo wollte zu einer Erwiderung ansetzen, verstummte allerdings, als sich per Telefon besagtes Umzugsunternehmen meldete. Er ignorierte den finsteren Blick, den sein Freund ihm zuwarf, und erklärte stattdessen den Umzugsleuten ihre Situation; er nannte auch den Termin, den sie beide sich wünschten. Es dauerte etwa eine Viertelstunde, bis alle wichtigen Fragen geklärt worden waren. „Jetzt sei doch nicht so furchtbar eingeschnappt“, sagte Doflamingo, als sein Partner sich auch nach Ende des Telefonats noch immer nicht wieder eingekriegt hatte. „Ich habe allen Grund dazu, eingeschnappt zu sein“, entgegnete dieser giftig. „Du nimmst mir meine Telefonate ab! Es geht hier um meinen Umzug, nicht um deinen. Demnächst geht es noch so weit, dass du Termine beim Zahnarzt für mich ausmachst! Gott behüte!“ Wie so häufig nahm Doflamingo seinen Ärger jedoch nicht sonderlich ernst. „Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?“, fragte er grinsend und kichernd. „Was wäre denn so schlimm daran, wenn ich Zahnarzttermine für dich ausmachen würde? Wir sind doch schließlich ein Paar, oder nicht? Ein gemeinsames Team.“ „Du tust so, als wären wir seit zwanzig Jahren verheiratet“, sagte Crocodile augenrollend, spürte allerdings bereits wieder, wie sich sein Ärger langsam in Luft auflöste. Er konnte seinem Freund einfach nie lange böse sein; zumindest nicht, wenn es sich bloß um irgendwelche Kleinigkeiten handelte. „Mir kommt es eben so vor, als würden wir uns schon ewig kennen“, erwiderte Doflamingo, während er einen Arm um seinen Partner legte und diesen näher zu sich heranzog. „Man sagt doch immer, dass die Zeit schnell vergeht, wenn man sie mit jemanden verbringt, den man sehr gerne mag, oder nicht?“ „Wir sind erst seit sieben oder acht Monaten ein Paar“, meinte Crocodile und versucht die Röte zu verbergen, die seinen Hals hinaufkroch. Es war ihm immer ein wenig unangenehm, wenn man ihm Komplimente machte. Doflamingo kicherte keck und rückte noch näher an ihn heran. Crocodile konnte den Atem seines Partners an den Spitzen seiner Ohren fühlen. Sofort wurde ihm sehr warm. Er ahnte bereits, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. „Es kommt mir viel länger vor“, sagte Doflamingo und knabberte sanft an der Ohrmuschel seines Partners. Augenblicklich spürte dieser, wie ihm ein angenehmer Schauer über den Rücken lief. Seine Ohren gehörten nach seinem Hals und seinen Brustwarzen zu seinen empfindlichsten Körperstellen. Worüber Doflamingo ganz genau Bescheid wusste. „Ich kann es mir gar nicht mehr vorstellen, mein Leben ohne dich zu verbringen. Ich hoffe, dass wir beide für immer zusammen bleiben werden.“ „Das hoffe ich auch“, erwiderte Crocodile, während Doflamingos Mund von seinem Ohr hinab zu seinem Hals glitt und dort seine Tätigkeit fortführte. Er bearbeitete sowohl mit seinen Zähnen als auch mit seinen Lippen und seiner Zunge eingehend die überaus empfindliche Haut an dieser Stelle. Sie hatten wegen des Zwischenfalls im Skypia und Crocodiles mehrtägigem Krankenhausaufenthalt, der daraus resultiert war, seit letztem Wochenende keinen Sex mehr gehabt. In ihrer Beziehung und vor allen Dingen für Doflamingo war das ein sehr langer Zeitraum; sein Partner hatte nämlich am liebsten jeden Tag Sex. Mindestens einmal, gerne aber auch zweimal oder öfter. Erst seit sie beide zusammenwohnten und sich jeden Tag sahen, war Crocodile wirklich bewusst geworden, welchen großen Raum Sexualität im Leben seines Freundes tatsächlich einnahm. Und wie sehr sich Doflamingo in den vielen Monaten, als sie noch getrennt gewohnt hatten und sich darum bloß bestenfalls dreimal in der Woche sehen konnten, zusammengerissen und zurückgehalten haben musste. Zumindest ging Crocodile davon aus, dass sein Partner ihm in ihrer Beziehung immer treu geblieben war, auch wenn sie damals nicht ganz so oft Sex miteinander haben konnten, wie dieser es sich gewünscht hätte. Der Gedanke daran, dass Doflamingo ihn womöglich betrügen oder betrogen haben könnte, sorgte bei Crocodile für ein flaues Gefühl im Magen. Schließlich war er in den letzten Wochen und Monaten häufig sehr gereizt und übellaunig gewesen; außerdem hatte er ihrer Liebesbeziehung durch viele Überstunden und abgesagten Verabredungen noch weniger Zeit als sowieso schon eingeräumt. Wäre es da verwunderlich, wenn Doflamingo sich in besonders einsamen Stunden die Zeit mit einem anderen Mann vertrieben hätte? Oder mit einer Frau. Schließlich war sein Partner nicht wie er selbst homo-, sondern bisexuell. Sehnte sich Doflamingo vielleicht gelegentlich nach weiblicher Gesellschaft? „Du wirkst ganz abwesend“, riss ihn die vorwurfsvolle Stimme besagter Person aus den Gedanken. Doflamingo, der sich inzwischen daran gemacht hatte, das Hemd seines Partners aufzuknöpfen, warf ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen abschätzenden Blick zu. „Gefällt dir nicht, was ich mache? Oder bist du heute nicht in der Stimmung für Sex?“ „Doch, doch“, erwiderte Crocodile, der sich ein wenig ertappt fühlte, hastig und rieb sich mit der rechten Hand die Schläfe. „Ich bin nicht wirklich abwesend, ich genieße bloß dein schönes Verwöhnprogramm.“ Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Oder wünschst du dir, dass ich etwas aktiver werde? Wenn du möchtest, dann kann ich heute oben sein?“ Doflamingo schüttelte langsam den Kopf. „Nein, ist schon gut. Ich bin gerne oben, das weißt du doch. Außerdem hast du dir nach deinem Aufenthalt im Krankenhaus ein wenig Entspannung und Zuwendung redlich verdient, finde ich. Also lass dich einfach darauf ein, ja? Ich kümmere mich um dich und bemühe mich darum, dir ein paar schöne Momente zu bescheren.“ Die letzten Worte sprach Doflamingo mit einem lüsternen Grinsen im Gesicht aus. „Ein paar schöne Momente?“, wiederholte Crocodile und versuchte die Instruktionen seines Partners in die Tat umzusetzen. Er schob die Gedanken daran, dass Doflamingo ihn womöglich betrügen könnte, zur Seite und konzentrierte sich stattdessen auf das, was nun geschehen würde. Schließlich hatte er nicht den geringsten Beweis, was das Fremdgehen anging; es handelte sich bloß um eine haltlose Vermutung seinerseits. Vermutlich tat er Doflamingo sogar großes Unrecht damit, dass er an so etwas auch nur dachte. Während ihrer gesamten Beziehung hatte ihm sein Partner jedenfalls noch nie einen ernsthaften Grund zur Eifersucht gegeben. „Ganz genau“, bestätigte Doflamingo, während er die Sonnenbrille ablegte und seine stechend grünen Augen freilegte. Wie immer, wenn sein Freund ihn völlig unverwandt anblickte, lief Crocodile prickelnd ein Schauer über den Rücken; außerdem stellten sich die feinen Härchen an seinen Armen und in seinem Nacken auf. Doflamingo nahm seine Sonnenbrille nämlich nur zum Schlafen und zum Sex ab. Während Crocodile sich noch recht ahnungslos fragte, was sein Freund wohl mit ihm vorhatte, langte dieser zum Couchtisch hinüber. Der Tisch war zwar niedrig, aber recht breit und bestand unter der Platte aus drei großen Schubladen, die man lautlos öffnen konnte und die sich ebenso lautlos wieder schließen ließen. Doflamingo griff in die mittlere Schublade hinein und holte Massageöl, Gleitgel und zwei weiche schwarze Schals hervor. Mit einem der Schals band er Crocodile beide Arme hinter dem Rücken zusammen und mit dem anderen verband er ihm den Mund, sodass er nicht mehr sprechen konnte. „Fühlt sich das okay an?“, fragte sein Partner ihn zur Sicherheit, doch Crocodile nickte bloß rasch. Die Knoten waren zwar relativ fest, doch schmerzten nicht; sie fühlten sich nicht einmal sonderlich unangenehm an. Das wunderte Crocodile allerdings nicht: Schließlich handelte es sich hier nicht um Seile oder Metallhandschellen, sondern um ein paar weiche Seidenschals. Ihm war sofort klar, dass es Doflamingo nicht darum ging, ihn durch Fesselung tatsächlich in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken; vielmehr wollte er bloß seine Dominanz deutlich machen und eine erotische Atmosphäre erschaffen. Anschließend zog Doflamingo seinem Partner noch dessen Hose, die Socken und die Boxershorts aus, bis dieser nur noch durch die beiden schwarzen Schals, mit denen er gefesselt war, bekleidet vor ihm lag. Crocodile wehrte sich nicht gegen diese Behandlung; er kannte solche Spielchen schon und war bereit, sich darauf einzulassen. Außerdem verhielt sich Doflamingo sowieso nicht brutal oder grob, sondern sehr sanft und leidenschaftlich. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht und funkelnden Augen ließ dieser seinen Blick und seine beiden Hände über den Körper seines Freundes gleiten. Langsam berührte und erkundete er jeden Flecken Haut, den er interessant oder aufreizend fand. Crocodile spürte, wie er unter dieser Musterung erneut errötete, doch da er weder seine Arme noch seine Lippen bewegen konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sie hinzunehmen. Außerdem wäre es gelogen, wenn er behaupten würde, dass ihm diese Behandlung nicht gefiel. Tatsächlich spürte er nämlich bereits, wie sich sein halb steifes Glied zu seiner vollen Größe und Härte aufrichtete. „Na, macht es dich etwa an, so hilflos vor mir zu liegen?“, fragte Doflamingo spielerisch und leckte sich lasziv über die Lippen. Crocodiles Rötung verfärbte sich noch ein wenig dunkler und weil er nicht sprechen konnte, begnügte er sich damit, seinem Freund einen giftigen Blick zuzuwerfen. „Du siehst verdammt sexy aus“, fuhr Doflamingo fort, ohne seinen Blick vom Körper seines Partners abzuwenden; mit der rechten Hand tastete er nach dem Fläschchen Massageöl, das hinter ihm auf der Couch lag. „Aber eingeölt gefällst du mir noch besser. Ich steh drauf, wenn Haut ganz weich und glänzend ist. Und duftet. Ich hoffe, du magst den Duft von Wildrose.“ Da Doflamingo sowieso nicht damit rechnete, eine Antwort zu erhalten, vergeudete er keine Zeit damit, auf eine zu warten. Stattdessen gab er ein wenig Massageöl auf seine Hände und wärmte es durch Reibung auf, ehe er damit begann, das Öl in kreisenden Bewegungen sanft in die blasse Haut seines Partners einzumassieren. Crocodile schloss seine Augen und genoss das Verwöhnprogramm, das sein Freund ihm zuteil werden ließ. Er wurde sehr gerne massiert und darum war es ein glücklicher Zufall, dass Doflamingo zwei sehr talentierte und weiche Hände besaß. Das Schnurren, das leise durch den Schal um seinen Mund drang, verwandelte sich in ein Stöhnen, als Doflamingo zu dem Schluss kam, dass seine Brust, sein Bauch und seine Beine ausreichend massiert worden waren, und er sich nun lieber seinem Penis und seinen Hoden zuwendete. Bedächtig spreizte er mit beiden Händen die Beine seines Partners, um freie Sicht auf dessen Intimbereich zu bekommen. Er schmierte auch ein wenig Massageöl auf Crocodiles Eingang; als er allerdings feststellte, dass der Hintern seines Partners wegen dessen Position recht schwer zugänglich war, griff er kurzerhand nach einem weichen Couchkissen, um Abhilfe zu schaffen. Crocodile hob bereitwillig die Hüfte an, damit Doflamingo ihm besagtes Kissen unter die Hüfte schieben konnte. Ihm war im Moment sehr heiß und er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sein Freund möglichst rasch fortführen würde, was auch immer er für den heutigen Abend und für ihn geplant hatte. Doflamingo massierte in fast schon quälend langsamen Bewegungen das Glied, die Hoden und die Spalte seines Partners. Erst nachdem jeder Zentimeter von Crocodiles Intimbereich mit warmen Massageöl eingerieben worden war, begann er schließlich damit, dessen Glied zu pumpen. Crocodile hätte am liebsten laut gestöhnt und auf diese Weise seinen Freund dazu ermuntert, die Geschwindigkeit seiner Pumpbewegungen zu erhöhen, doch leider dämpfte der Schal um seinen Mund fast jedes Geräusch ab. Glücklicherweise schien Doflamingo trotzdem zu verstehen, wonach er sich sehnte, und kam seinem Wunsch schnell nach. „Na, gefällt dir das?“, fragte er grinsend, während er das Glied seines Partners mit immer schneller und intensiver werdenden Pumpbewegungen verwöhnte. Crocodile, der ja sowieso nicht sprechen konnte und im Augenblick auch viel zu beschäftigt mit der Lust war, die sich in seinem Unterleib ausbreitete, nickte bloß abwesend. Das Grinsen in Doflamingos Gesicht wurde noch breiter, als er den Handjob schließlich einstellte und sagte: „Ich möchte nicht, dass du jetzt schon kommst. Ich habe nämlich noch andere Dinge mit dir vor. Sehr schöne Dinge. Dafür solltest du fit sein.“ Crocodile wollte protestieren, weil er zum einen diesen Handjob sehr gerne noch etwas länger genossen hätte und zum anderen, weil er definitiv nicht zu der Sorte Mann gehörte, die nach einem einzigen Orgasmus zu nichts mehr zu gebrauchen waren. (Was Doflamingo im Übrigens auch ganz genau wusste. Vermutlich wollte er ihn mit seinen Worten bloß ein wenig ärgern und aufreizen.) Crocodiles Protest verwandelte sich allerdings in einen hellen Stöhnlaut, als er spürte, wie einer der Finger seines Partners leicht in ihn eindrang. Doflamingo kicherte leise. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir ein paar schöne Momente bereiten werde“, meinte er, während er Crocodile mit einer langsamen Bewegung fingerte. „Also mach dir keine Sorgen: Du wirst schon noch voll auf deine Kosten kommen.“ Crocodile legte seinen Kopf, der auf der Lehne der Couch ruhte, in den Nacken und genoss in vollen Zügen den Finger seines Partners in ihm. Nachdem er für vielleicht eine oder zwei Minuten mit bloß einem Finger verwöhnt wurde, nahm Doflamingo schließlich noch einen zweiten hinzu. Zum Glück wusste sein Freund inzwischen recht gut, was Crocodile beim Fingern gerne mochte: Doflamingo stieß seine beiden Finger nicht bloß in einer monotonen Bewegung in ihn hinein, sondern drehte und spreizte sie, und variierte auch die Geschwindigkeit gelegentlich. Es fühlte sich unfassbar gut an. Crocodiles Kopf war wie leergefegt. Im Augenblick hatte er nichts anderes als Doflamingos Finger im Sinn. Am liebsten würde er jetzt bald schon kommen, allerdings erinnerte er sich an die Worte seines Partners und bemühte sich deshalb darum, seinen Höhepunkt noch für eine Weile zurückzuhalten. Erst als Crocodile sehr deutlich spürte, dass ihm dies nicht mehr allzu lange gelingen würde, entzog ihm Doflamingo seine beiden Finger. Diesmal protestierte Crocodile nicht. Er ahnte bereits, dass es sich nicht um das endgültige Ende handelte. Vermutlich wollte sein Freund nun zum Sex übergehen, mutmaßte er. Allerdings wunderte es ihn, dass Doflamingo ihn bloß mit zwei Fingern vorbereitet hatte; normalerweise nahm er dafür drei, weil er nämlich einen sehr großen Penis hatte und der Sex dann besser funktionierte. Crocodiles Vermutung zum weiteren Vorgehen wurde widerlegt, als sein Partner erneut zum Couchtisch hinübergriff - und einen vielleicht zwölf oder dreizehn Zentimeter langen Vibrator hervorholte. „Ein hübsches Ding, nicht?“, meinte Doflamingo grinsend, während er besagtes Gerät großzügig mit Gleitgel einrieb. Crocodile beäugte unterdessen neugierig den Vibrator. Wenn er ehrlich war, dann hatte er bisher noch nicht allzu viele Erfahrungen mit Vibratoren gemacht. Die meisten seiner Exfreunde waren generell nicht sonderlich experimentierfreudig gewesen, was Sexspielzeug anging, und bei One-Night-Stands kam so etwas im Regelfall auch nicht zum Einsatz. Trotzdem fühlte Crocodile sich in der jetzigen Situation nicht verlegen oder unwohl, ganz im Gegenteil: Er war sehr gespannt auf die Gefühle, die ihm dieser Vibrator bereiten würde. Außerdem vertraute er natürlich darauf, dass sein Partner sich rücksichtsvoll verhalten und aufhören würde, sollte ihm dieses Gerät gegebenenfalls zu viel werden. Doflamingo war zwar ein sehr selbstsüchtiger Mensch, aber bisher hatte er es (was Sex anging) noch niemals zu weit getrieben oder Dinge getan, die Crocodile nicht wollte. „Ursprünglich war dieser Vibrator für unseren nächsten Monatstag gedacht“, meinte Doflamingo, „aber ich denke, du hast in dir schon heute verdient. Lehn dich einfach zurück und bleib ganz entspannt. Der ist sowieso kaum dicker als meine beiden Finger. Siehst du?“ Zum Beweis hielt sein Partner den Vibrator gegen seine zusammengepressten Zeige- und Mittelfinger und Crocodile stellte fest, dass er tatsächlich nicht allzu viel dicker war. Vermutlich wollte Doflamingo, der nicht wusste, wie viel Erfahrungen sein Freund mit dieser Art von Sexspielzeug bereits gesammelt hatte, ihn nicht gleich zu Beginn mit einem übergroßen Exemplar verschrecken. Crocodile nickte, um Doflamingo verständlich zu machen, dass er dazu bereit war, sich auf den Vibrator einzulassen. Er legte erneut seinen Kopf in den Nacken, schloss seine Augen und wartete darauf, dass sein Freund ihm den reichlich eingeölten Fremdkörper einführen würde. Doflamingo ließ nicht viel Zeit verstreichen; er stellte die erste Vibrationsstufe ein und schob dann mit leichtem Druck die Spitze des Vibrators in den Eingang seines Partners hinein. Seine freie Hand legte er auf dessen Hüfte und streichelte sie sanft. Crocodile empfand den Vibrator im ersten Moment als ein wenig unangenehm. Auch wenn die Form dem männlichen Glied nachempfunden war, fühlte er sich überhaupt nicht an wie ein Penis. Der Vibrator war nämlich viel kühler und härter; außerdem war Crocodile das Gefühl von (wenn auch nur leichter) Vibration im Unterleib fremd. Trotzdem bemühte er sich darum, sich zu entspannen und sich auf dieses sonderbare Gefühl einzulassen. Aus eigener Erfahrung wusste Crocodile nämlich recht gut, dass viele Praktiken beim Analverkehr gerade zu Anfang ein wenig schmerzten oder unangenehm waren und sich die Lust erst etwas später einstellte. Hätte er sich von den Schmerzen, die er bei seinem ersten Mal gefühlt hatte, beeindrucken lassen, wäre sein Sexleben wahrscheinlich völlig anders verlaufen. „Entspann dich einfach“, flüsterte Doflamingo geduldig, während er ihm zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Nachdem er ihm die Spitze des Vibrators eingeführt hatte, hatte er gestoppt; vermutlich hatte er bemerkt, dass sein Partner mit dem vibrierenden Fremdkörper in seinem Inneren nicht so gut wie geplant zurechtkam. Crocodile nickte zaghaft. Tatsächlich hatte er sich nach etwa zwei oder drei Minuten an den Vibrator gewöhnt. Er signalisierte Doflamingo, dass dieser weitermachen durfte, und bemühte sich darum, entspannt zu bleiben. Da er bereits durch die Finger seines Partners vorbereitet worden war und der Vibrator tatsächlich nicht sonderlich dick war, fiel es nicht schwer, ihn weiter in seinen Eingang hineinzuschieben. Als der Vibrator fast vollständig im Inneren seines Freundes verschwunden war, erhöhte Doflamingo die Stufe der Vibration; anschließend zog er ihn sachte aus Crocodile zurück, bis sich wieder bloß die Spitze in dessen Eingang befand. Dann begann er damit, mit dem Vibrator langsame, aber feste und intensive Stoßbewegungen auszuführen. Crocodile konnte ein lustvolles Stöhnen nicht unterdrücken, als der Vibrator sich in ihm zu bewegen begann. Die langsamen Stoßbewegungen, die Doflamingo ausführte, erinnerten ihn an Sex, während die mittelstarke Vibration, die gleichzeitig stattfand, eine neue Erfahrung für ihn war. Es war ein unfassbar sinnliches und lustvolles Gefühl, gleichzeitig auf zwei verschiedene Arten stimuliert zu werden; es dauerte nicht lange, ehe Crocodile es vollständig genießen konnte und sich sogar noch mehr wünschte. Eine stärkere Vibration und stärkere Stöße seitens Doflamingo. Er wäre sogar dazu bereit gewesen, um mehr zu bitten (und normalerweise bat Crocodile niemals um irgendetwas, nicht einmal im Bett), doch leider war sein Mund noch immer durch den schwarzen Seidenschal bedeckt, den sein Partner ihm umgelegt hatte; also musste es wohl bei eindeutigen Lustgeräuschen bleiben, die gedämpft durch den Stoff drangen. Zum Glück kam Doflamingo auch ohne Bitten seinen Wünschen nach: Er hielt für einen kurzen Moment inne, um den Vibrator auf eine höhere Stufe zu stellen, und fuhr dann mit ebenfalls in der Geschwindigkeit erhöhten Stößen fort. Crocodile hatte das Gefühl, zu verbrennen. Seine Lust sammelte sich nicht mehr bloß in seinem Unterleib, sondern breitete sich prickelnd in jeder Faser seines Körpers aus. Er stöhnte und seufzte laut, auch wenn die Geräusche wegen des Schals wahrscheinlich kaum bis zu seinem Partner durchdrangen, der eifrig damit beschäftigt war, ihn zu verwöhnen. „Ach, scheiß auf Bondage!“, meinte Doflamingo allerdings recht bald und befreite den Mund seines Freundes von dem schwarzen Schal. „Ich will dich stöhnen hören, Wani! Das hört sich einfach so verdammt sexy an!“ Crocodile wäre sowieso mehr als bereit dazu gewesen, seinem Partner diesen Wunsch zu erfüllen, doch allem Anschein nach wollte Doflamingo ihm noch einen weiteren Grund geben, um laut zu schreien: Ohne die Stoßbewegungen mit dem Vibrator auch nur für einen kurzen Moment zu unterbrechen, beugte er sich hinunter, um mit seiner freien Hand das erigierte Glied seines Partners zu umfassen und dann seinen Mund um die Eichel zu stülpen. Crocodile musste sich zusammenreißen, um nicht sofort zum Orgasmus zu kommen, als er Doflamingos heiße und nasse Lippen um seine Eichel herum spürte. Er hätte sich mit seinen Fingern gerne an der Couchgarnitur unter ihm oder an den Schultern seines Freundes über ihm festgehalten, doch leider war dieser nicht gnädig genug gewesen, auch die Fessel an seinen Armen zu lösen. Also blieb Crocodile nichts anderes übrig, als mithilfe reiner Willenskraft diese doppelte und dreifache Stimulation auszuhalten und sich darum zu bemühen, noch ein paar Sekunden länger auszuhalten und dieses wundervolle Gefühl zu genießen, ehe er sich in den Mund von Doflamingo ergießen würde. Sein Partner nahm sein Glied so tief wie möglich in seinen Mund, saugte daran und fuhr mit seiner Zunge spielerisch um die Eichel, während er mit seiner rechten Hand sanft seine Hoden massierte und mit seiner linken Hand immer wieder den Vibrator tief in ihn hineinstieß. Crocodile stöhnte und schrie, um sich in dieser Situation ein wenig Abhilfe zu schaffen, doch irgendwann hielt er er diese absolute Überreizung seiner Lustzentren einfach nicht mehr aus. Er biss sich auf die Unterlippe, öffnete die Augen und blickte Doflamingo starr ins Gesicht, als er sich in sieben oder acht heftigen Schüben in dessen Mund ergoss. Doflamingo schluckte alles an Sperma duldsam hinunter und leckte nach dem Höhepunkt seines Partners sogar noch dessen Eichel mit seiner Zunge sauber. Dann schaltete er den Vibrator aus, entfernte ihn vorsichtig aus dem Unterleib seines Partners und legte ihn ungerührt auf die Tischplatte des kleines Couchtisches. „Und?“, meinte Doflamingo breit grinsend, während er sich langsam aufrichtete. „Hat es dir gefallen, Crocobaby?“ Crocodile war zu keiner Antwort fähig. Aber das konnte sein Freund natürlich selbst sehr gut sehen; wie immer wollte er ihn bloß ärgern, vermutete Crocodile. Er lag mit noch immer gefesselten Armen nackt auf der Couch, hatte seine Augen inzwischen wieder geschlossen und bemühte sich darum, zu Atem zu kommen. Er fühlte sich völlig ausgelaugt. Und ein wenig benommen. Er würde ein paar Minuten Ruhe brauchen, ehe er wieder ansprechbar sein würde. Im Augenblick fühlte er sich nämlich weniger wie eine echte Person, sondern eher bloß wie ein zusammengesunkener, heißer und schwer atmender Haufen menschlichen Fleischs. Der Sex mit seinem Freund war zwar meistens gut, doch dieses Mal hatte Doflamingo sich wirklich selbst übertroffen. (Obwohl es sich technisch gesehen nicht einmal wirklich um Sex gehandelt hatte: Schließlich hatte Doflamingo ihn nicht mit seinem Penis penetriert.) „Mach meine Arme los!“, war das erste, was Crocodile sagte, als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte. Jetzt, da er sich nicht mehr in einer erotischen Situation befand, gefiel ihm auch das Gefühl nicht mehr, nackt und gefesselt zu sein, während sein Partner noch immer vollständig bekleidet war. Doflamingo kicherte, doch kam seiner Anordnung rasch nach und befreite ihn von den beiden schwarzen Schals, die er anschließend neben den Vibrator auf den Couchtisch legte. „Und wie hat es dir nun gefallen?“ „Als wüsstest du das nicht schon...!“, erwiderte Crocodile bloß seufzend. Er wollte gerade seine Kleidung zusammensuchen, sie sich überstreifen und sich dann ein großes Glas Wasser besorgen (aus irgendeinem Grund war er im Moment sehr durstig), als ihm plötzlich bewusst wurde, was es bedeutete, dass sein Partner noch immer vollständig bekleidet war: Mal wieder war Crocodile von Doflamingo -ohne danach fragen zu müssen- sexuell verwöhnt worden, während dieser selbst vielmehr zurückgesteckt hatte. Sofort überkamen Crocodile Schuldgefühle: Ganz gleich wie erschöpft und durstig er sich gerade fühlte, konnte er doch seinen Freund, der ihm so viel Gutes getan hatte, nicht einfach unbefriedigt sitzen lassen. Er wusste, dass es sein Pflicht war, den Gefallen zurückzugeben. Crocodile wollte keiner dieser Liebhaber sein, die immer nur nahmen, aber niemals bereit waren, zu geben. Also strich er sich die Haare aus dem Gesicht, anstatt nach seiner auf dem Fußboden liegenden Hose zu greifen, und beugte sich zu Doflamingo hinüber, der am anderen Ende der Couch saß. „Was kann ich tun, um den Gefallen, den du mir erwiesen hast, zurückzugeben?“, fragte er mit gleichzeitig matter und lasziver Stimme. „Dich ausruhen und dir eine Zigarre gönnen“, erwiderte Doflamingo noch immer grinsend, während er ihm mit einer Hand zärtlich durchs Haar fuhr. „Was?“, hakte Crocodile überrascht nach; mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Eher damit, dass sein Partner sich so schnell wie nur irgendwie möglich aus seiner Hose schälen und sich auf ihn stürzen würde. Da er ja sowieso eben sowohl mittels Finger als auch mittels Vibrator verwöhnt und geweitet worden war, wäre schließlich nicht einmal eine erneute Vorbereitung notwendig. Er könnte sofort loslegen. Wenn er denn wöllte. „Dich ausruhen und dir eine Zigarre gönnen“, wiederholte Doflamingo. „Du siehst ziemlich fertig aus. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie laut du eben geschrien hast.“ „Aber willst du denn nicht weitermachen? Du bist doch noch gar nicht auf deine Kosten gekommen!“ Solche Situationen wie diese hier geschahen in letzter Zeit recht häufig, fand Crocodile. Doflamingo verwöhnte ihn auf irgendeine Art und Weise, hatte es dann allerdings nicht sonderlich eilig, seinen eigenen Anteil einzufordern. Dabei konnte sein Freund doch gerade von Sex normalerweise nie genug bekommen! Crocodile kam nicht umhin, sich erneut zu fragen, ob Doflamingo womöglich eine Affäre hatte. Das würde zumindest erklären, wieso dessen Verlangen nach Sex in letzter Zeit ein wenig abgesunken war. Auf der anderen Seite fragte Crocodile sich allerdings, wieso dieser sich dann überhaupt die Mühe machte, eine erotische Situation heraufzubeschwören und ihn zu verwöhnen; vor allen Dingen dann, wenn er selbst keine Signale setzte, die darauf hindeuten würden, dass er gerade Lust auf Sex hatte. Dieses paradoxe Verhalten seines Partners gab Crocodile Rätsel auf; so kannte er ihn überhaupt nicht. „Natürlich will ich weitermachen“, meinte Doflamingo und gab ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. „Aber ich möchte auch, dass es dir gefällt.“ Er zögerte für einen kurzen Moment und holte dann aus: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass du es als Pflicht ansiehst, mit mir zu schlafen.Vor allem, wenn ich dir vorher zum Beispiel einen Blowjob gegeben habe oder ich dich wie eben mit dem Vibrator überrascht habe. Aber das möchte ich nicht. Ich möchte nicht, dass du den Sex mit mir bloß als eine Verpflichtung ansiehst; sondern, dass du mit mir schläfst, weil du selber Lust darauf hast und das möchtest. Um ehrlich zu sein, kann ich diese Wenn du mir etwas Gutes tust, muss ich dir um jeden Preis auch etwas Gutes tun-Logik überhaupt nicht leiden.“ „Ich... tut mir leid“, war das einzige, was Crocodile angesichts dieser unerwarteten Beichte hervorbrachte. Er fühlte sich geschockt und sehr überfordert mir diesem Gespräch, das sie beide gerade führten. „Ich...ähm... ich wusste nicht, dass mein Verhalten beim Sex so... so komisch und zwanghaft wirkt.“ „Das soll kein Vorwurf sein!“, warf sein Freund sofort ein, als er bemerkte, dass Crocodile sich ertappt fühlte. „Ich weiß doch, dass du mir nichts Böses willst. Ganz im Gegenteil: Du willst mir ja sogar etwas Gutes tun. Aber ich habe eben oft das Gefühl, dass du das hauptsächlich aus deinem Pflichtbewusstsein heraus tust. Und, ähm, darum bitte ich dich darum, dieses Verhalten einzustellen. Zu versuchen, es einzustellen! Ich möchte nämlich, dass unser Sex ganz locker und entspannt abläuft. Ohne irgendwelche Zwänge und Pflichten. Es ist sowieso unmöglich, eine Art absolute Gleichheit herzustellen. Mal hat der Eine mehr Lust beim Sex und mal der Andere. Und das ist auch überhaupt nicht schlimm. Deswegen mach dir bitte nicht immer selbst so einen fürchterlichen Druck, ja?“ „Ähm, klar“, sagte Crocodile und nickte. Er war sich durchaus dessen bewusst, dass Doflamingo mit seiner Beobachtung genau ins Schwarze getroffen hatte; allerdings war Crocodile nie klar gewesen, dass er beim Sex so schrecklich offensichtlich nach seinem Pflichtgefühl handelte. Und vor allen Dingen wäre er auch niemals auf die Idee gekommen, dass dieses Verhalten einen seiner Sexualpartner stören könnte. Er hatte mit seinen Exfreunden und One-Night-Stands bisher sogar eher noch die Erfahrung gemacht, dass sein Sinn für ausgleichende Gerechtigkeit im Bett sehr gern gesehen wurde. „Ich hoffe, du fühlst dich jetzt nicht verletzt“, sagte Doflamingo und umarmte ihn sanft. „Ich weiß, dass Sex in jeder Beziehung ein sehr sensibles Thema ist und dass es dir ganz besonders schwer fällt, darüber zu sprechen. Sei bitte nicht wütend auf mich, ja? Es ist doch wirklich bloß eine Kleinigkeit, die mich stört. Nichts Schlimmes. Alles andere an dir finde ich super!“ „Nein, ist schon gut, ich bin nicht wütend“, erwiderte Crocodile. Diesmal log er nicht; er war tatsächlich nicht wütend, fühlte sich eher ein wenig vor den Kopf gestoßen. Er schwieg für einen Moment, ehe er zu einer Erwiderung ansetzte: „Aber so einfach wie du dieses Prinzip darstellt, ist es in der Realität nicht umzusetzen! Stell dir das doch nur mal vor: Du gibst mir einen... naja, einen richtig tollen Blowjob oder so etwas in der Art... und dann sage ich einfach Danke, das reicht mir, ich habe keine Lust weiterzumachen. Vielleicht morgen. Dann wärst du doch sicher enttäuscht von mir, oder nicht? Was in dieser Situation natürlich auch völlig verständlich wäre. Und ich möchte dich einfach nicht enttäuschen. Vor allen Dingen beim Sex nicht; ich weiß doch, wie wichtig dir guter Sex in einer Beziehung ist!“ „Klar ist mir guter Sex wichtig“, meinte Doflamingo. „Wenn der Sex nicht gut läuft, dann läuft die gesamte Beziehung nicht gut. Aber genau deswegen möchte ich ja, dass du dich nicht unter Druck setzt. Du sollst den Sex genießen und ihn nicht als lästige Verpflichtung ansehen!“ „Sex ist für mich keine lästige Verpflichtung!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist völlig übertrieben ausgedrückt! Mir gefällt unser Sex doch! Ich brauche bloß manchmal einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Ich bin ja nicht frigide. Oder bist du etwa der Meinung, in letzter Zeit hätten wir eine Flaute im Bett?“ „Nein, natürlich nicht.“ Doflamingo schien langsam, aber sicher zu verzweifeln. „Verdammt, Crocodile, du weißt doch, was ich meine. Ich möchte dich einfach nur darum bitten, unseren Sex ein wenig lockerer und entspannter anzugehen. Und weniger auf irgendeine ausgleichende Gerechtigkeit fixiert zu sein. Um deinetwillen möchte ich dich darum bitten. Auf etwas anderes wollte ich doch gar nicht hinaus!“ „Ist ja schon gut“, versuchte Crocodile seinen Partner ein wenig zu beschwichtigen. Er verstand schließlich schon, worauf dieser hinauswollte. Irgendwo gab er ihm vielleicht sogar ein wenig Recht. Es war nicht gelogen, wenn Doflamingo behauptete, dass er bestimmte sexuelle Handlungen aus einem Pflichtgefühl heraus tat. Er wollte seinen Freund eben nicht enttäuschen. Außerdem befand sich ihre Liebesbeziehung derzeit sowieso in einer sehr heiklen und sensiblen Phase: Es ging nicht nur darum, dass Crocodile letztens nur wenig Zeit für Doflamingo übrig hatte, weil er sehr viel arbeitete, um seine Schulden abbezahlen zu können, sondern auch um ihrem Zusammenzug, in dem sie beide mittendrin steckten. Er hatte ihre Beziehung nur nicht noch stärker belasten wollen, indem er sich lustlos zeigte oder seinen Partner sogar den Sex verweigerte. Aber allem Anschein nach hatte er Doflamingo auch mit dieser Taktik nicht zufriedenstellen können. Crocodile hatte das unangenehme Gefühl, dass er -ganz gleich, was auch immer er tat- nichts richtig machte. Jede Entscheidung, die er traf, war die Falsche. Er würde es seinem Partner niemals recht machen können! Dieses Eingeständnis frustrierte Crocodile. „Na gut“, sagte er einfach bloß, um Doflamingo seine eigene Medizin schmecken zu lassen, „wenn es dich nicht stört, dann rauche ich jetzt in Ruhe eine oder zwei Zigarren und trinke außerdem ein Glas Wasser. Ich hoffe, dass dir das nichts ausmacht!“ „Nur zu“, erwiderte Doflamingo lächelnd und ohne auf den deutlichen Sarkasmus in der Stimme seines Partners einzugehen. „Lass dir ruhig so viel Zeit wie du brauchst. Wir machen dann weiter, wenn du dich bereit dazu fühlst, Wani!“ Doflamingos Unbefangenheit verstärkte Crocodiles Frust noch weiter; er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Freund sich tatsächlich so ohne jeden Missmut an sein eigenes Wort halten würde. Auf der anderen Seite allerdings kam ihm dieses Verhalten natürlich zu gute: Er war im Moment wirklich sehr durstig und sehnte sich nach ein paar Schlücken stilles Mineralwasser. Schlussendlich entschied Crocodile sich also dafür, sich lose seine Hose überzustreifen, ein großes Glas Wasser zu trinken, eine Zigarre zu rauchen und zur Toilette zu gehen, ehe er endlich zu seinem Partner, der die ganze Zeit über überraschend still und geduldig auf der Couch gewartet hatte, zurückkehrte. * Nach dem Sex (der zu Crocodiles Unmut mindestens ebenso gut gewesen war wie das Vorspiel), duschten sie gemeinsam und aßen zu Abend, ehe sie sich ihrem Vorhaben zuwendeten, die vielen Fotos, die Crocodile besaß, zu sortieren und in Fotoalben einzukleben. Damit sie nicht nur deswegen noch einmal zurück zu seiner alten Loft-Wohnung fahren mussten, hatte er die vielen losen Fotos am vorherigen Tag gleich mitgenommen. Vor allen Dingen Doflamingo schien sehr gespannt zu sein. „Ich kann es kaum noch abwarten, endlich die vielen Fotos von dir zu sehen“, meinte er gut gelaunt und aufgeregt, während sie es sich an einem großen Tisch gemütlich machten. Auf der Tischplatte lagen schon sowohl die Fotos als auch verschiedene Fotoalben bereit, die Doflamingo besorgt hatte; dazu natürlich auch Schere und Klebstoff. Der Tisch stand weder im Wohn- noch im Esszimmer der großen Villa, sondern in einem separaten Raum im Erdgeschoss, der zum Garten hinausging. Der Raum war mittelgroß, lichtdurchflutet und sehr gemütlich eingerichtet. Crocodile fragte sich unweigerlich, für welchen Zweck er vorgesehen war, wenn es nicht gerade darum ging, ein paar Bastelarbeiten mit Fotos vorzunehmen. Allerdings wagte er es nicht, seinen Partner zu fragen. Er selbst hatte niemals in einer so unfassbar teuren und luxuriösen Villa wie dieser hier gewohnt und er wollte sich nicht in eine peinliche Situation bringen, weil er sich mit der Raumteilung nicht auskannte. Außerdem, dachte er, umfasste Doflamingos Domizil sicherlich mehrere tausend Quadratmeter und wenn man nicht wollte, dass die Hälfte der Räume völlig leer standen, musste man sie ja schließlich auf die eine oder andere Weise einrichten. „Es sind doch nur ein paar alte Fotos“, meinte Crocodile, der die Aufregung seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen konnte. „Nichts besonderes.“ „Für mich sind sie etwas besonderes“, erwiderte Doflamingo breit grinsend. „Ich habe dir doch schon mal erklärt gehabt, dass ich gerne mehr über dich erfahren würde. Du weißt schon, über deine Vergangenheit und deine Familie. Ich möchte einfach alles über dich wissen!“ „Da gibt es doch gar nicht so viel zu wissen“, entgegnete Crocodile und suchte sich relativ wahllos eines der vielen Fotoalben heraus, die sein Freund gekauft hatte. „Ich bin kein Superstar, Doflamingo, sondern bloß ein ganz normaler Mensch. Es gibt mit Sicherheit hunderttausend Personen, die interessanter sind als ich.“ „Nicht für mich“, gurrte Angesprochener, ehe er per Zufallsprinzip nach einen kleinen Stapel Fotos griff. Der große Haufen, der vor ihnen auf dem Tisch lag, war völlig unsortiert; Crocodile hatte seit seinem Einzug in seine Loft-Wohnung keinen Blick mehr auf die vielen Fotos geworfen. Eigentlich hatte er sie damals schon loswerden wollen, doch seine Schwester Hancock, die eine echte Schwäche für Kinder- und Familienfotos hatte, hatte ihn dazu gedrängt, sie zu behalten. Also hatte er sie kurzerhand in irgendeine freie Schublade verfrachtet und für eine lange Zeit nicht mehr daran zurückgedacht. „Oh, das ist ein Foto von Mihawks achtem Geburtstag“, erklärte Crocodile seinem Partner überflüssigerweise, als sie beide einen Blick auf das Bild warfen, das sich dieser herausgesucht hatte: Mihawk saß am Küchentisch und blies die acht bunten Kerzen auf seiner Geburtstagstorte aus. Mit der rechten Hand stützte er sich an der Tischkante ab; mit der linken hielt er Crocodile, der auf dem Schoß seines älteren Bruders saß, fest umschlungen. Zu diesem Zeitpunkt war er noch ein Kleinkind gewesen. „Du warst ein süßes Baby“, sagte Doflamingo, während er entsprechendes Bild so begeistert betrachtete als handelte es sich dabei nicht um ein langweiliges Kinderfoto, sondern um das Werk eines berühmten Künstlers. „Findest du?“, erwiderte Crocodile skeptisch. „Das kannst du doch gar nicht beurteilen. Auf dem Foto bin ich doch gar kein Baby mehr. Als Mihawk acht Jahre alt geworden ist, müsste ich so etwa zweieinhalb gewesen sein. Also eher ein Kleinkind als ein Baby.“ „Dann warst du eben ein süßes Kleinkind“, meinte Doflamingo unbeirrt. „Jedenfalls müssen wir dieses Foto unbedingt einkleben. Am besten wir sortieren die Fotoalben nach Lebensphasen. Alle Fotos, auf denen du als Baby oder Kleinkind zu sehen bist, legen wir auf diesen Stapel hier.“ Er legte das Foto, das er in der Hand hielt, zur Seite und machte somit den Beginn entsprechenden Stapels fest. „Die kommen dann gleich, wenn wir mit dem Sortieren fertig sind, in das erste Fotoalbum. In Ordnung?“ „Klar“, sagte Crocodile, dem die gesamte Sache relativ gleichgültig war. Ihn interessierten Bilder aus alter Zeit nicht allzu sehr. Vor allen Dingen die vielen Kinder- und Familienfotos sah er sich nicht gerne an; sie erinnerten ihn an seine Eltern, zu denen er seit fast zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Denn auch wenn so viel Zeit seit dem Rauswurf aus seinem Elternhaus vergangen war, schmerzten ihn die Erinnerungen manchmal doch mehr als er jemals zugeben würde. Eigentlich hatte er dem Wunsch seines Partners, die vielen Fotos zu sortieren und einzukleben, bloß nachgegeben, weil er diesen bei Laune halten und nicht enttäuschen wollte. Doflamingo griff nach einem weiteren Foto. Es zeigte seine beiden Geschwister und ihn im Kindesalter wie sie auf dem Fußboden im Wohnzimmer saßen und ein paar Ostersüßigkeiten verputzten. „Wie alt bist du auf diesem Foto?“, fragte Doflamingo interessiert nach. Crocodile warf einen etwas genaueren Blick auf entsprechendes Bild und zuckte dann mit den Schultern. „Keine Ahnung“, meinte er schließlich, „vielleicht fünf oder sechs?“ „Okay, dann kommt dieses Foto auf einen neuen Stapel“, bestimmte sein Partner und legte das Foto zur Seite, ehe er nach einem anderen griff. Es kamen eine ganze Menge weitere Fotos zutage, die eine Mischung aus besonderen Ereignissen wie zum Beispiel Geburtstagen, Feiertagen oder Familienfesten und aus relativ alltäglichen Handlungen wie etwa Spielsituationen darstellten: Mihawk, Crocodile und Hancock jeweils bei ihrer Einschulung; Crocodile als Zwölfjähriger auf dem Rummelplatz; Mihawk und Crocodile, die miteinander auf dem Fußboden spielten; Crocodile, der Hancocks Haare zu Zöpfen band; Crocodile, der mit ein paar Freunden im Garten Fußball spielte; Mihawk und Crocodile, die die neugeborene Hancock bestaunten und so weiter. Crocodile selbst empfand die vielen Fotos als relativ unspektakulär; sie weckten höchstens ein wenig Wehmut und Sehnsucht nach einer intakten Familie in ihm. Doflamingo allerdings schien jedes einzelne Foto unfassbar interessant und sogar fesselnd zu finden. Er stellte ständig Fragen nach irgendwelchen Details, an die sich nicht einmal Crocodile (der eigentlich ein recht gutes Gedächtnis besaß) erinnern konnte und ordnete mit fast schon peinlicher Genauigkeit jedes Foto dem richtigen Stapel zu. Crocodile rollte angesichts dieser für seinen Partner untypischen Sorgfalt bloß mit den Augen. „Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, was du an diesen blöden Fotos so toll findest“, sagte er, während er Doflamingo dabei zusah, wie dieser die ersten Fotos in eines der Alben klebte. „Die sind nun wirklich nichts besonderes.“ „Für mich sind sie das“, war allerdings wieder die einzige Erwiderung, die er seitens seines Partners erhielt. „Schau mal, auf diesem Foto bist du schon älter“, meinte Doflamingo, nachdem er sich ein neues Bild aus dem stetig kleiner werdenden Haufen vor ihnen herausgesucht hatte. „Zwanzig oder so.“ Crocodile beugte sich zu seinem Partner hinüber, um einen etwas genaueren Blick auf das entsprechende Foto zu werfen. Es zeigte Daz und ihn beim Kochen. „Einundzwanzig, um genau zu sein“, erwiderte er schließlich. „Dieses Foto wurde aufgenommen, als ich mein Studium begonnen habe. Ich hatte dir ja schon erzählt, dass Daz und ich während unseres Studiums nebeneinander gewohnt haben. Wir haben oft zusammen gekocht, weil es ziemlich lästig und irgendwie einsam ist, wenn man nur für sich selbst kocht, finde ich.“ Für einen kurzen Moment schwelgte Crocodile in ein paar schönen Erinnerungen, ehe er fortfuhr: „Außerdem wollte Daz sichergehen, dass ich auch genug essen. Er hat mich schon damals als eine Art kleinen Bruder betrachtet, um den er sich kümmern muss. Manchmal, wenn ich mitten im Prüfungsstress war und keine Zeit zum Kochen gefunden hatte, ist er rüber zu mir in die Wohnung gekommen und hat für mich gekocht. Dann hat er mir meine Bücher und Notizen weggenommen und gesagt, dass ich sie erst wieder bekäme, wenn ich etwas gegessen hätte.“ Crocodile kam nicht umhin selig zu lächeln, als er an dieses bemutternde Verhalten seines alten Freundes zurückdachte. Er war sehr froh darüber, dass er Daz kennengelernt hatte. Vor allen Dingen während seines Studiums war ihm der Andere eine große Stütze und ein guter Freund gewesen. Er wusste nicht, wo er heute wäre, wenn Daz sich nicht immer so gut um ihn gekümmert hätte. „Daz ist wirklich ein echt guter Kerl, denke ich“, meinte auch Doflamingo und legte das Foto auf einen neuen Stapel. „Ich bin froh, dass du einen so guten Freund wie ihn hast.“ Angesichts dieser Aussage zog Crocodile überrascht eine Augenbraue hoch und warf seinem Partner einen überaus verwunderten Blick zu. Normalerweise reagierte Doflamingo auf jede Person, die seinem Freund nahestand, sehr eifersüchtig. Die einzigen Ausnahmen dieser Regel bildeten höchstens Crocodiles beide Geschwister. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal so einen Satz aus deinem Mund hören würde“, sagte Crocodile darum recht erstaunt. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Du hast mir doch mal gesagt gehabt, dass er hetero ist, oder nicht?“, meinte sein Partner schließlich in einem Tonfall, der so ruhig und gefasst klang, dass man meinen könnte, diese Tatsache würde seine fehlende Eifersucht ganz plausibel erklären. „Also gibt es keinen Grund für mich, um eifersüchtig zu reagieren. Ich habe ja nichts dagegen, wenn du ein paar gute Freunde hast. Ich kann es nur nicht leiden, wenn ich mir ständig die Frage stellen muss, ob diese Freunde dir nicht womöglich an die Wäsche wollen.“ „Aber die Frage nach dem Geschlecht oder der Sexualität einer Person hat dich in dieser Hinsicht doch noch niemals interessiert“, warf Crocodile berechtigterweise ein. Und um seine Aussage mittels eines Beispiels zu untermauern, fügte er hinzu: „Du hast sogar eifersüchtig reagiert, als Tashigi sich in meinem Büro die Kaffeeflecken auf ihrer Bluse ausgewaschen hast. Erinnerst du dich noch? Wir hatten einen riesigen Streit deswegen gehabt!“ „Ich habe nicht eifersüchtig reagiert, weil sie in deinem Büro ihre Bluse ausgewaschen hast, sondern weil sie halbnackt vor deinem Schreibtisch stand, während draußen an der Türklinke ein Bitte nicht stören-Schild hing“, korrigierte Doflamingo ihn spitz. „Und ich bin übrigens immer noch der Meinung, dass du mir wegen meines Verhaltens absolut keinen Vorwurf machen kannst! Jeder, der seinen Partner in einer solchen Situation sieht, hätte eifersüchtig reagiert. Und außerdem wusste ich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht darüber Bescheid, dass du homosexuell bist. Ich konnte nicht ausschließen, dass du (so wie ich) vielleicht bi bist.“ „Wie auch immer“, meinte Crocodile, der wegen dieses Vorfalls, der nun schon weit über einen Monat zurücklag, keinen erneuten Streit entfachen wollte. „Trotzdem verhältst du dich ziemlich untypisch, was Daz angeht. Als ich mich an der Bar im Skypia mit ihm unterhalten habe, hast du nämlich noch völlig anders reagiert. Das kannst du nicht abstreiten.“ „Mag sein“, erwiderte Doflamingo, dem diese Diskussion langsam lästig zu werden schien. „Aber das war ja auch, ehe diese Sache mit deinem Exfreund passiert ist. Ich bin Daz sehr dankbar dafür, dass er in die Situation eingegriffen und sich um dich gekümmert hat. Ich will gar nicht wissen, wie es ausgegangen wäre, wenn er nicht zur Stelle gewesen wäre. Ich hätte es mir niemals verzeihen können, wenn dir etwas zugestoßen wäre! Also, etwas noch Schlimmeres, als das Geschehene. Und dass es dazu nicht gekommen ist, war leider nicht mein Verdienst, sondern der von Daz. Wie kann ich also jemanden verunglimpfen, dem ich so unglaublich viel schuldig bin?“ „Ja, ich bin auch sehr froh, dass er mich vor Enel gerettet hat“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. Eigentlich fühlte er sich in der Opferrolle nicht sonderlich wohl, doch er war sich dessen bewusst, dass Daz ihm wirklich geholfen hatte. Schließlich hatte ihm Enel nicht bloß ein paar handelsübliche K.O.-Tropfen in sein Getränk gemischt, sondern ein starkes Gift, das ihn für mehrere Tage komplett außer Gefecht gesetzt hätte. Allein die Vorstellung an die Dinge, die sein Exfreund womöglich mit ihm vorgehabt haben könnte, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. „Wir, also Daz und ich, haben auch miteinander geredet, während du im Krankenhaus lagst und wir darauf gewartet haben, dass du wieder aufwachst. Er hat mir von eurer Zeit an der Universität erzählt. Und von Enel. Wie er dich behandelt hat.“ Crocodile seufzte. „Können wir bitte das Thema wechseln?“ Er hatte im Augenblick überhaupt keine Lust dazu, sich mit Doflamingo über seine ehemaligen Partner zu unterhalten; und vor allen Dingen nicht über Enel. Am liebsten würde Crocodile niemals wieder an die Zeit, die er mit ihm verbracht hatte, zurückdenken. Es handelte sich hierbei nämlich definitiv um eines der dunkelsten Kapitel in seinem Leben. Nichts, was besprochen werden sollte, während man sich gerade ein paar alte Fotos aus Kinder- und Unitagen anschaute und sie in Fotoalben einklebte. Doflamingo schien zu spüren, dass er einen sehr empfindlichen Punkt bei seinem Partner getroffen hatte, denn glücklicherweise bohrte er nicht weiter nach, was dieses Thema anging. Anstatt weitere Fragen zu stellen, griff er nach dem nächsten Foto, das auf dem Tisch lag. Der Haufen Fotos, der vor ihnen lag, war inzwischen beträchtlich kleiner geworden; es handelte sich um vielleicht noch ein Viertel oder Fünftel der ursprünglichen Menge. Die meisten Bilder waren von Doflamingo bereits peinlich genau sortiert oder sogar schon in Fotoalben eingeklebt worden. Crocodile rechnete damit, dass sie ihre Aufgabe innerhalb der nächsten halben Stunde beenden würden; worüber er überaus dankbar war. Er hatte es längst satt, in Erinnerungen von weit zurückliegenden Tagen zu schwelgen. Die Gegenwart bereitete ihm bereits mehr als genug Probleme, mit denen er zu kämpfen hatte, fand Crocodile. Da musste er sich nicht auch noch zusätzlich mit unangenehmen Details aus seiner Vergangenheit auseinandersetzen. Seine Eltern wollten nichts von ihm wissen und seine Beziehung zu Enel war seit vielen Jahren beendet. Das waren Tatsachen, die sich nicht ändern ließen und die er auch nicht ändern wollte. Basta. Doflamingo förderte noch ein paar weitere Bilder aus der Studienzeit seines Partners zutage. Die meisten Foto zeigten Crocodile gemeinsam mit Daz: Wie sie gemeinsam kochten, für Prüfungen lernten und vor allen Dingen wie sie sich auf Parties amüsierten. Crocodile war kein fauler Student gewesen, der seine Zeit an der Universität damit verplempert hatte, Studentenparties zu besuchen; doch natürlich hatte er sich das eine oder andere Mal von Freunden dazu überreden lassen, mitzukommen. Und auf einer Party wurden eben deutlich mehr Fotos geschossen als in eher alltäglichen Situationen, wodurch sich auch recht einfach die erhöhte Zahl Fotos dieser Art erklären ließ. Viele Parties hatten in der Wohnung von Marco, seinem Exfreund, stattgefunden. Crocodile hatte ihn kennengelernt, als er im dritten Semester studierte, und sie waren rasch ein Paar geworden. Ihre Beziehung hatte allerdings nicht allzu lange gehalten; nach etwa einem gemeinsamen Jahr gingen sie bereits wieder getrennte Wege. Das Ende der Beziehung war von Crocodile ausgegangen: Es hatte ihn furchtbar genervt, dass Marco ständig (und zwar nicht bloß am Wochenende) Alkohol trank und seine Zeit auf Parties verschwendete, anstatt sich mit seinen Vorlesungen und Prüfungen zu beschäftigen. Crocodile war ein sehr ehrgeiziger Student gewesen und hatte befürchtet, diese Verhaltensweisen könnten auf ihn abfärben. Und tatsächlich hatte Marco sein Studium etwa ein Semester nach ihrer Trennung abgebrochen. Crocodile hatte ihn seitdem nicht mehr zu Gesicht bekommen und wusste auch nicht, was aus ihm geworden war. Da auf den meisten Fotos, die in der Wohnung seines Exfreundes geschossen worden waren, dieser bloß im Hintergrund zu sehen war, hielt Crocodile es nicht für notwendig, seinen Partner darauf hinzuweisen, um wen es sich bei dieser Person handelte. Die Fotos, auf denen Marco und er zu zweit zu sehen waren, sowie andere Andenken an die gemeinsame Beziehung, hatte er sowieso gleich nach ihrer Trennung entsorgt. Er war kein Mensch, der Erinnerungen an seine ehemaligen Partner mit sich herumschleppte. Seiner Meinung nach deutete ein solches Verhalten nämlich bloß darauf hin, dass man über jene Person noch nicht hinweg war. Doflamingo und er waren gerade bei den letzten zehn oder fünfzehn Fotos angekommen, als Crocodile auf überaus unangenehme Weise klar wurde, dass er wohl doch nicht alle Aufnahmen, die ihn gemeinsam mit seinem Exfreund Marco zeigten, entsorgt hatte. Ob er dieses Foto absichtlich vor dem Mülleimer verschont hatte oder ob es ihm einfach irgendwie durch die Lappen gegangen war, wusste Crocodile nicht mehr. Jedenfalls hielt sein aktueller Freund nun ein Foto in den Händen, das Marco und ihn zeigte: Sein Exfreund hatte ihn in eine Umarmung gezogen und küsste ihn innig. Sie hatten beide ihre Augen geschlossen und wirkten sehr verliebt. „Oh verdammt“, sagte Crocodile und entriss seinem Partner rasch entsprechendes Bild. „Tut mir leid, Doffy, ich muss versäumt haben, dieses Foto wegzuschmeißen. Das mache ich sofort, wenn wir hier fertig sind. Versprochen.“ Crocodile war zwar durchaus der Meinung, dass er nichts Verwerfliches getan hatte (schließlich war seine Beziehung mit Marco etwa zwölf Jahre her und dieses Foto ebenfalls mindestens genauso alt), doch natürlich war ihm bewusst, dass niemand gerne Bilder sah, die seinem Partner mit dessen Exfreund zeigten. Die ganze Situation war ihm sehr unangenehm. Er hoffte bloß, dass Doflamingo wegen dieses alten Fotos nicht allzu eingeschnappt reagieren würde. „Wer ist das auf dem Foto gewesen?“, fragte Doflamingo sofort, während er versuchte, das Foto von seinem Freund wiederzubekommen. „Mein Exfreund“, antwortete Crocodile, der sich dazu entschied bei der Wahrheit zu bleiben, und sich gleichzeitig darum bemühte, das Foto von seinem Freund fernzuhalten, der wiederum ständig versuchte, es zu fassen zu bekommen. „Was für ein Exfreund?“, hakte Doflamingo nach. Soweit Crocodile beurteilen konnte, klang die Stimme seines Partners nicht wirklich wütend, doch definitiv aufgebracht und eingeschnappt. Schließlich gelang es ihm sogar, Crocodile das Foto abzuluchsen, sodass er einen erneuten Blick auf die Kussszene werfen konnte. „Wir waren zusammen, als ich noch zur Uni gegangen bin“, erklärte Crocodile, dem die ganze Situation furchtbar peinlich war. „Ich habe schon seit mehr als zehn Jahren nichts mehr von ihm gehört. Und wir waren damals auch nicht sonderlich lange ein Paar. Nur für etwa ein Jahr. Ich weiß es gar nicht mehr genau. Es war bloß eine unbedeutende Jugendliebe.“ Er stockte für einen kurzen Moment und fügte dann noch hinzu: „Nachdem ich mit ihm Schluss gemacht hatte, habe ich alle gemeinsamen Erinnerungsfotos entsorgt. Dieses hier ist wohl aus Versehen verschont geblieben.“ Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass Doflamingo angesichts dieser Informationen fuchsteufelswild werden würde. Dass er eifersüchtig reagieren und furchtbar wütend werden würde. Dass er laut schrie und zum nächsten Kamin hastete, wo er dieses Foto, das seinen Partner und dessen Exfreund zeigte, in die Flammen werfen würde. Und dass er erst sich erst zwei oder drei Gläsern harten Alkohol wieder halbwegs beruhigt hätte. Zu seiner Überraschung geschah allerdings nichts von alledem. Anstatt auszurasten, betrachtete Doflamingo bloß stumm und mit völlig undurchsichtiger Miene das Foto, das er in seinen Händen hielt. Zum ersten Mal seit langem wünschte sich Crocodile, Doflamingo möge seine Sonnenbrille ablegen, damit er in dessen Augen sehen und dessen Gefühle ablesen könnte. Doch leider tat ihm sein Freund diesen Gefallen nicht. „Doflamingo?“, fragte Crocodile zaghaft, als Angesprochener auch nach zwei weiteren Minuten, in denen er bloß auf das Bild, das Marco und ihn zeigte, starrte, kein Wort gesagt hatte. Erst als Crocodile vorsichtig an seinem Ärmel zupfte, erwachte Doflamingo wieder zum Leben. Er legte das Foto zur Seite (weit abseits von den Stapeln, die seinen Partner in harmlosen Situationen zeigten, wie Crocodile auffiel) und meinte dann: „Wir werfen es einfach weg, wenn wir mit dem Einkleben der anderen Fotos fertig sind. So wie du es vorgeschlagen hast. Okay?“ „Klar“, erwiderte Crocodile, der sich über die ruhige und gefasste Stimme seines Partners wunderte. Doflamingo verhielt sich im Augenblick sehr untypisch und wenn er ehrlich war, dann verunsicherte ihn dieser Umstand stark. Auch wenn Crocodile oft so tat, als würde ihn die ewig gute Laune und Unbefangenheit seines Freundes stören, so liebte er diese Eigenschaften doch eigentlich besonders an ihm. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass Doflamingo plötzlich so gefühlskalt wirkte. „Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung mit dir ist?“, fragte Crocodile nach, während sein Partner nach dem nächsten Foto griff. „Du wirkst plötzlich so komisch. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Dass du dieses blöde Bild gesehen hast, tut mir leid. Ich kann mir gut vorstellen, dass du nicht gerade begeistert davon bist, mich mit...“ „Es ist nicht wegen dem Foto“, unterbrach ihn Doflamingo. Plötzlich wirkte er nicht mehr so gefasst und unterkühlt wie eben noch, sondern eher aufgebracht. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch seine kurzen blonden Haare und rückte dann seine Sonnenbrille zurecht. „Und weswegen ist es dann?“, hakte Crocodile nach. Um ehrlich zu sein, begriff er überhaupt nicht, wo das Problem seines Partner lag. Eben war doch noch alles in Ordnung gewesen. Sie hatten gemeinsam die Fotos sortiert, eingeklebt und sich dabei ein wenig unterhalten. Es war überhaupt nichts Unvorhergesehenes geschehen - natürlich bis auf die Entdeckung des Fotos, das ihn gemeinsam mit seinem Exfreund zeigte. Doch abgesehen davon fiel Crocodile beim besten Willen einfach kein Grund ein, der Doflamingos seltsames und sehr untypisches Verhalten erklären könnte. Doflamingo zögerte für einen kurzen Augenblick, ehe er sich schließlich überwand und mit merkwürdig leiser Stimme meinte: „Es ist wegen dem, was du gesagt hast.“ „Wegen dem, was ich gesagt habe?“, wiederholte Crocodile verwundert. „Aber was habe ich denn gesagt? Verdammt noch mal, Doflamingo, drück dich bitte verständlich aus. Ich kann es nicht leiden, wenn du dich so komisch verhältst. Sag mir doch einfach, was los ist!“ „Naja, du...“, sein Partner stockte kurz, ehe er fortfuhr, „du hast gesagt, dass dein Exfreund für dich bloß eine Jugendliebe war. Eine völlig unbedeutende Liebe. Dass du ihn fast schon komplett aus deiner Erinnerung gelöscht hast. Weil ihr, naja, nur etwa ein Jahr lang zusammengewesen wart.“ „Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinauswillst“, erwiderte Crocodile. „Natürlich habe ich ihn fast schon vergessen gehabt. Die Beziehung zu ihm ist zwölf oder dreizehn Jahre her. Und wir waren wirklich bloß ein Jahr oder vielleicht eineinhalb Jahre zusammen. Ich weiß es gar nicht mehr genau. Es war nichts Ernstes. Darum verstehe ich ja auch nicht, warum dich das so sehr interessiert!“ „Weil wir beide noch nicht einmal ein Jahr lang ein Paar sind“, rückte Doflamingo endlich mit der Sprache heraus. „Heißt das also, dass unsere Beziehung für dich ebenfalls nichts Ernstes ist?“ Crocodile fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Für eine oder zwei lange Minuten war er überhaupt nicht dazu in der Lage, etwas zu sagen oder auch nur zu denken. Stattdessen starrte er seinen Partner einfach bloß stumm und mit einem entsetzten Gesichtsausdruck an. Er fühlte sich völlig geschockt. „W-was?“, war irgendwann der erste artikulierte Laut, der ihm über die Lippen glitt. „Wir sind erst seit knapp acht Monaten ein Paar“, wiederholte Doflamingo. „Und anscheinend ist das für dich keine allzu lange Zeit. Ich meine, Daz hat mir erzählt, dass du mit Enel fünf Jahre lang zusammengewesen bist. Und jetzt erfahre ich, dass du mit einem anderen Exfreund für ein Jahr oder eineinhalb Jahre in einer Beziehung gewesen bist. Ich habe irgendwie das Gefühl, gegen solche langen Zeiträume nicht ankommen zu können. Wenn du schon Beziehungen, die länger als ein Jahr gehalten haben, als unbedeutend bezeichnest... wie ernst ist dir dann unsere Beziehung, die seit gerade einmal ein paar Monaten läuft?“ Langsam gewann Crocodile seine Fassung zurück. Er seufzte laut, rieb sich mit der rechten Hand über seine Schläfe und überlegte sich, wie er die Unsicherheit seines Partners bezüglich ihrer gemeinsamen Beziehung am besten zerstreuen könnte. „Das ist etwas völlig Anderes, Doflamingo“, sagte er schließlich in einer recht unbeholfen klingenden Stimmlage. „Als ich mit Marco zusammengewesen bin, war ich noch ein völlig anderer Mensch. Ein junger Student, der noch ganz grün hinter den Ohren war. Du kannst die Beziehung, die ich vor so vielen Jahren mit ihm geführt habe, nicht mit der Beziehung vergleichen, die wir beide jetzt führen.“ „Und was ist mit Enel?“, hakte Doflamingo nach. „Die Beziehung zu ihm ist noch nicht so lange her. Und mit ihm bist du fünf Jahre lang zusammengewesen!“ „Wir sind seit mehr als fünf Jahren getrennt“, entgegnete Crocodile mit verzweifelt klingender Stimme, „und das aus gutem Grund!“ Er hatte nicht damit gerechnet, dass er sich jemals vor Doflamingo würde rechtfertigen müssen, was seine ehemaligen Beziehungen anging. Sie hatten niemals zuvor über irgendwelche Exfreunde oder -freundinnen gesprochen. „Oh Mann, Doflamingo!“, meinte er irgendwann recht energisch, weil er sich bedrängt fühlte und nicht mehr anders zu helfen wusste. „Wir sind doch keine sechzehn Jahre alt! Es ist absolut selbstverständlich, dass wir beide schon Liebesbeziehungen mit anderen Menschen hatten, bevor wir uns getroffen haben. Oder willst du mir tatsächlich erzählen, dass du dich noch niemals mit irgendjemandem verabredet hast, ehe wir uns bei diesem Geschäftsessen mit Sengoku kennengelernt haben? Ich meine, wir sind beide in unseren Dreißigern! Ja, ich hatte schon mehrere feste Beziehungen gehabt, bevor ich mich in dich verliebt habe. Na und? Das spielt doch keine Rolle! Und es spielt genausowenig eine Rolle, wie lang diese Beziehungen gehalten haben; schlussendlich hat es immer einen Grund gegeben, um sich zu trennen. Wichtig ist doch nur, dass ich jetzt mit dir zusammen bin. Wenn dir acht Monate zu wenig sind und du dich darum verunsichert fühlst, dann sorge eben dafür, dass aus diesen acht Monaten ein Jahr werden. Oder zwei Jahre. Oder zehn. Oder fünfzig.“ „Du hast vermutlich recht“, sagte Doflamingo mit weicher Stimme und griff nach seiner Hand. „Wir beide sind jetzt ein glückliches Paar und das ist das einzige, was zählt.“ „Schön, dass du das endlich eingesehen hast“, erwiderte Crocodile und ließ zu, dass sein Partner ihn sanft auf die Lippen küsste. „Können wir beide jetzt bitte zur Normalität zurückkehren und die restlichen Fotos einkleben?“ „Gefällt es dir etwa nicht, wenn ich mal ernst bin?“, gab Doflamingo keck zurück. „Sonst beschwerst du dich doch immer darüber, dass ich alles ins Lächerliche ziehen würde. Man kann es dir eben nie recht machen, Wani!“ „Ich habe absolut nichts dagegen, wenn du dich ab und zu mal wie ein reifer Erwachsener verhältst“, meinte Crocodile spitz, während er nach dem nächsten Foto griff. „Aber gerade warst du nicht ernst, sondern einfach bloß merkwürdig. Ich habe nicht damit gerechnet, dass dich ein einzelnes Foto so stark aus der Fassung bringen könnte.“ „Naja, mir gefällt der Gedanke, dass du vor mir schon mehrere feste Beziehungen gehabt hast, eben einfach nicht. Aber damit werde ich mich wohl abfinden müssen. Du hast ja recht, wenn du sagst, dass wir keine Sechzehnjährigen mehr sind.“ „Ich habe ebenfalls keine große Lust, mir vorzustellen, wie viele Partner (ob männlich oder weiblich) du bereits vor mir gehabt hast“, erwiderte Crocodile, um auszudrücken, dass es ihm nicht viel anders ging. „Und ich veranstalte deswegen auch kein Theater! Wir beide sind erwachsene Menschen und sollten uns dementsprechend auch verhalten. Außerdem gibt es sowieso keinen Grund, um auf einen Exfreund oder in deinem Fall vielleicht auch auf eine Exfreundin eifersüchtig zu sein; schließlich werden diese Beziehungen nicht ohne einen guten Grund zu Bruch gegangen sein. Nicht wahr?“ „Richtig“, stimmte Doflamingo ihm zu und griff nach dem letzten Foto, das auf dem Tisch lag. Es zeigte Crocodile gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern und ein paar Freunden an Mihawks fünfundzwanzigstem Geburtstag. Hancock hatte eine wunderschöne Torte für ihren älteren Bruder gebacken und fünfundzwanzig bunte Kerzen hineingesteckt, die dieser auspusten sollte. Mihawk hielt als Erwachsener von solchen kindischen Traditionen zwar nicht sonderlich viel, doch war dem Wunsch seiner Schwester trotzdem nachgekommen, um dieser eine Freude zu machen. „Mir fällt es trotzdem schwer, zu akzeptieren, dass du vor mir bereits mehrere Partner gehabt hast“, meinte Doflamingo, wähend er das letzte Foto sorgfältig in eines der Alben einklebte, „weil du nämlich mein erster (und hoffentlich auch letzter) fester Partner bist.“ „Ähm, was?“ Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. „Du bist mein erster wirklich fester Partner“, wiederholte Doflamingo seelenruhig, während er das Fotoalbum, das er gerade in den Händen hielt, zuklappte. „Das soll doch wohl ein Witz sein, oder?“, fragte Crocodile nach, doch die Miene seines Freundes blieb völlig ernst. „Wie gesagt: Wir sind beide in unseren Dreißigern, Doflamingo! Und du willst mir erzählen, dass du vor mir noch niemals einen festen Partner gehabt hast?“ „Ich habe es dir doch schon mal erklärt gehabt, Crocy“, entgegnete Doflamingo, der die Aufregung seines Partners anscheinend überhaupt nicht nachvollziehen konnte. „Erinnerst du dich nicht mehr? Als ich dich zum Essen ins Flying Lamb eingeladen habe und wir das erste Mal darüber gesprochen haben, zusammenzuziehen? Ich hatte in meinem Leben schon eine Menge Freunde und Freundinnen. Doch all diese Beziehungen haben nicht lange gehalten, weil sie bloß auf Äußerlichkeiten aufgebaut waren. Meistens war schon nach ein paar Wochen oder sogar nach nur ein paar Tagen wieder Schluss. Du bist der einzige, den ich jemals aufrichtig geliebt habe. Und auch der einzige, mit dem ich jemals in einer wirklich festen und ernsten Beziehung gewesen bin. Mir jedenfalls ist unsere Beziehung sehr wichtig. Am liebsten möchte ich bis zum Ende meines Lebens mit dir zusammenbleiben.“ „Ähm, wow“, sagte Crocodile, der sich von dieser Beichte völlig überrannt fühlte. Normalerweise öffnete sich sein Partner ihm nur sehr selten auf emotionaler Ebene. Und weil Crocodile der Meinung war, dass er diesem Verhalten durch seine Antwort nicht ausreichend Würdigung entgegengebracht hatte, fügte er rasch noch hinzu: „Das wünsche ich mir auch. Und, ähm, wenn es weiterhin so gut zwischen uns beiden läuft, spricht doch nichts dagegen, oder? Mir ist unsere Beziehung auch sehr wichtig, Doffy. Wenn sie das nicht wäre, hätte ich mich wohl kaum dazu entschlossen, nach so verhältnismäßig kurzer Zeit mit dir zusammenzuziehen. Dass wir bald zusammenwohnen werden, ist wohl der unmissverständliche Beweis dafür, dass wir eine ernste Beziehung führen. Nicht wahr?“ „Das sehe ich genauso“, erwiderte Doflamingo und es legte sich ein breites Grinsen auf seine Lippen. „Unser Zusammenzug ist Beweis unserer Liebe. Zumindest ein erster Beweis.“ Crocodile musste angesichts dieser zweideutigen Ausdrucksweise schlucken. Er hoffte bloß, dass sein Partner nicht womöglich vorhatte, ihm einen noch deutlicheren Beweis seiner Liebe abzuliefern. Zumindest nicht in nächster Zeit. Doch was dachte er hier überhaupt? Sie waren erst seit knapp acht Monaten ein Paar und auch gerade erste zusammengezogen. Sicherlich hatte Doflamingo nicht vor, ihn zu heiraten. So etwas tat man erst, wenn man allermindestens drei oder vier Jahre lang zusammengelebt hatte. Auf der anderen Seite hatte Crocodile allerdings auch nicht damit gerechnet, dass sein Partner ihn nach nur so wenigen Monaten Liebesbeziehung darum bitten würde, bei ihm einzuziehen. Doflamingo, für den es sich um die erste feste Beziehung handelte, schien diese um jeden Preis rasch verfestigen zu wollen. Crocodile bemühte sich darum, diesen angsteinflößenden Gedanken so gut wie möglich zu verdrängen. Vermutlich hatte sein Partner an die Wahl seiner Worte nicht allzu viele Gedanken verschwendet. Doflamingo war niemand, der so etwas tat. Er war ein junger Mann, der sein Leben in vollen Zügen genoss und am Wochenende gerne mit seinen Freunden ausging und Party machte. Crocodile konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sein Partner selbst auf den Gedanken kommen würde, seiner Freiheit durch einer Heirat den Riegel vorzuschieben. Doflamingo erschien ihm nicht gerade wie jemand, der an den heiligen Bund der Ehe glaubte. Außerdem war es Crocodile sowieso nicht möglich, ihn in nächster Zeit zu heiraten. Seine Schulden beliefen sich noch immer auf mehrere hunderttausend Berry und auch eine neue Arbeitsstelle hatte er noch immer nicht gefunden. Das waren keine Bedingungen, unter denen man eine Ehe einging. Denn wenn sie beide tatsächlich heiraten würden, dann wären seine Schulden natürlich auch die seines... seines Ehemannes. Und das war etwas, was Crocodile unter keinen Umständen verantworten konnte. „Was hältst du davon, wenn wir ein bisschen fernsehen und ein paar leckere Snacks verputzen, bevor wir uns schlafen legen?“, schlug Doflamingo vor. „Ein bisschen Entspannung haben wir beide uns redlich verdient, finde ich; wenn man mal bedenkt, wie viel Arbeit wir damit hatten, die vielen Fotos einzukleben.“ Er kicherte leise und warf einen stolzen Blick auf die fertiggestellten Fotoalben, die auf dem Tisch lagen. „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile mit matter Stimme und strich sich ein paar Haarsträhnen aus seinem Gesicht, das sich plötzlich unangenehm heißt anfühlte. „Ich fühle mich ziemlich erschöpft. Ich denke, ich werde mich sofort ins Bett legen. Aber du kannst gerne noch eine Weile fernsehen und dann später nachkommen. Mir macht das nicht aus.“ bye sb Kapitel 6: Kapitel 3 (zensiert) ------------------------------- Das nächste, woran Crocodile sich erinnerte, war die Toilettenkabine, in der er sich befand. Jemand hielt ihn von hinten fest und strich ihm die Haare aus dem Gesicht, während er sich über die Toilettenschüssel beugte und erbrach. Er übergab sich nicht bloß ein- oder zweimal: Es kamen unzählige Schübe hintereinander, die so schnell und heftig waren, dass Crocodile nicht einmal daran dachte, sie aufzuhalten. Er fühlte sich schrecklich elend und war nicht ansprechbar, ehe die Toilettenschüssel fast bis zum Rand mit seinem Erbrochenem gefüllt war. Erst dann war er dazu in der Lage, sich (mit Unterstützung seines Helfers) gegen die Wand der Kabine zu lehnen und langsam durchzuatmen. Er fühlte sich noch immer benommen und erschöpft. Die Sicht verschwamm jedes Mal vor seinen Augen, wenn er irgendeinen Punkt in seiner Umgebung fixierte. Außerdem war er so schwach, dass er sich kaum bewegen konnte; geschweige denn aufstehen oder gehen. Als er versuchte zu sprechen, kamen bloßen unartikulierte Krächzlaute aus seinem Mund, der ganz furchtbar nach Erbrochenem und Magensäure schmeckte. Vage konnte er die Person, die sich neben ihm in der Toilettenkabine befand, als Daz identifizieren. Sein alter Studienfreund strich ihm beruhigend über den Rücken und über das Haar. Crocodile versuchte ihn zu begrüßen, doch er brachte kein einziges Wort über die Lippen. Stattdessen rief der gescheiterte Versuch nur Kopfschmerzen bei ihm hervor. Er wollte mit seiner rechten Hand seine Schläfe massieren, doch seine Bewegung war so unkoordiniert, dass seine Hand stattdessen in seinem Haar landete. Es fühlte sich ungekämmt an und das konnte er überhaupt nicht ausstehen. Irgendwann öffnete sich die Türe der Toilettenkabine. Ein Mann mit blondem Haar, schriller Kleidung und einer Sonnenbrille auf der Nase stand im Türrahmen. Crocodile benötigte einen Augenblick, um zu erkennen, dass es sich bei dieser Person um seinen Partner handelte. Er konnte sich nur noch sehr entfernt daran erinnern, dass sie in einem Streit auseinandergegangen waren. „O-oh mein Gott! Crocodile! Was zur Hölle ist passiert?!“ Obwohl sein Partner diese Frage in einer sehr lauten und hysterischen Stimmlage stellte, kam es Crocodile so vor, als wäre dessen Stimme in Watte gepackt worden. Oder würde durch Wasser schwimmen, ehe sie bis zu seinen Ohren gelangte. Es war sehr schwierig zu beschreiben. „Ich habe beobachtet, wie ihm jemand etwas in sein Getränk gemischt hat“, antwortete Daz. Seine Stimme klang ebenfalls alarmiert, doch lange nicht so hektisch wie die seines Partners. Er war generell die ruhigere und rationalere Person von beiden. „Also habe ich mich eingemischt und ihn hierher gebracht. Ich weiß nicht genau, um was für Zeug es sich handelt; vermutlich K.O.-Tropfen oder sogar etwas noch Gefährliches. Ich habe dafür gesorgt, dass er sich erbricht, damit so wenig wie möglich von dem Gift in seinen Blutkreislauf gelangt.“ „Hast du gesehen, wer es gewesen ist?“, fragte Doflamingo, während er sich vor seinem Partner hinkniete. Er klang noch immer nervös, doch der erste Schock schien verflogen zu sein. Nun kam die jahrelangen Erfahrungen als einflussreicher Geschäftsmann zum Vorschein und er verhielt sich professioneller. „Wer ihm das Gift ins Getränk gemischt hat?“ Vorsichtig streichelte er mit einer Hand über Crocodiles Wange. Daz zögerte für einen Moment. Dann sagte er mit fester Stimme: „Ja. Es ist Enel gewesen.“ Doflamingo stockte verwundert in seiner Bewegung. „Enel?“, wiederholte er. „Der Besitzer vom Skypia?“ Daz nickte. „Er ist der Exfreund von Crocodile. Hat er dir das nie erzählt? Sie waren fünf Jahre lang ein Paar. Aber er ist Crocodile gegenüber ausfallend und sogar handgreiflich geworden. Als Enel ihm den Arm gebrochen hat, hat er sich schließlich von ihm getrennt.“ „Er hat ihm den Arm gebrochen?!“ Doflamingos Stimme klang entsetzt, empört, wütend und hasserfüllt. „Warum hast du ihn davonkommen lassen, du Bastard, als du gemerkt hast, dass er Crocodile etwas ins Getränk mischt?! Umbringen sollte man diesen Typen!“ „Du kannst mir gerne glauben, dass ich nichts lieber als das getan hätte!“, erwiderte Daz scharf. „Aber ich konnte doch Crocodile nicht alleine lassen. Nicht in diesem Zustand, in dem er sich gerade befindet. Schau ihn dir nur an! Er kann sich kaum bewegen. Und eben war es noch schlimmer; da war er nämlich überhaupt nicht ansprechbar." „Verdammt!“, sagte Doflamingo und biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich schien er untypisch wortkarg geworden zu sein. „Wir haben genug geredet!“, meinte Daz. „Eigentlich schon viel zu viel. Um Enel können wir uns später noch kümmern. Jetzt sollte Crocodile unsere oberste Priorität sein. Wir müssen ihn sofort in ein Krankenhaus bringen!“ „Natürlich“, sagte Doflamingo und richtete sich wieder auf. Er holte sein Handy hervor und rief jemanden über eine Kurzwahltaste an. „Meinen Fahrer“, sagte er an Daz gewandt, „er ist in einer halben Minute hier.“ Daz nickte. Während Doflamingo rasch mit seinem Fahrer telefonierte, beugte Daz sich zu Crocodile hinunter. Dieser spürte, wie sein ehemaliger Nachbar mit einem kräftigen Arm hinter seinen Rücken und mit dem anderen unter seine Knie griff, und ihn dann hochhob. Obwohl Daz sehr bedächtig vorging, verlief die Bewegung aus Crocodiles Sicht heraus so schnell, dass ihm sofort wieder übel wurde. Er übergab sich in einem kurzen Schub über die Schulter und Brust von Daz, dem dies allerdings entweder nicht aufzufallen oder nicht zu stören schien. „Wenn wir hier drüben links gehen, kommen wir zu einem Notausgang“, meinte Doflamingo, während sie die Toilettenräume des Clubs verließen. „Dort steht auch mein Fahrer bereit.“ Daz nickte und folgte Doflamingo, der voranging. Die laute Musik und die stickige Luft innerhalb des Clubs verstärkten Crocodiles Übelkeit und Benommenheit, doch glücklicherweise dauerte es nicht allzu lange, bis sie das Skypia endlich verlassen hatten. Die kalte Nachtluft fühlte sich in seiner Nase zwar schneidend an, doch belebte seine Geister wieder ein wenig. „Da vorne“, sagte Doflamingo und deutete mit dem Finger in die Richtung, die er meinte. „Da steht mein Wagen. Der schwarze Rolls-Royce.“ Doflamingo öffnete die Türe zum Rücksitz, ehe der Fahrer die Möglichkeit dazu bekam, und blaffte diesen an, er solle sich gefälligst hinter das Steuer setzen und losfahren. Schließlich handele es sich um einen Notfall. „Zur Miracle-Sakura-Klinik“, wies er den Fahrer an, als sie sich niedergelassen hatten. „Die ist am nächsten. Außerdem gehört mir die Klinik. Man wird sich dort sofort um ihn kümmern und ihn bestmöglich behandeln.“ Daz nickte und seufzte. Er hielt Crocodile noch immer im Arm. Doflamingo, der nicht angeschnallt war, beugte sich zu seinem Partner hinüber und strich sanft eine Haarsträhne zur Seite, die diesem in die Stirn gefallen war. Er wirkte sehr nervös und gereizt, was nur selten vorkam. Außerdem schien er schrecklich besorgt zu sein. Zumindest kam es Crocodile, der seine Umgebung noch immer nur sehr undeutlich wahrnahm, so vor. „Kannst du verstehen, was ich sage?“, fragte Doflamingo. Crocodile nickte matt. Er wusste nicht, ob er sich inzwischen wieder halbwegs vernünftig artikulieren konnte, doch im Augenblick war er auch nicht sonderlich erpicht darauf, dies herauszufinden. Der Rolls-Royce fuhr nämlich unglaublich schnell und er musste sich zusammenreißen, um sich nicht erneut auf den Körper von Daz oder auf die teure Innenausstattung des Wagens zu übergeben. „Ich verspreche dir, dass alles wieder gut wird“, sagte Doflamingo. Crocodile war sich nicht ganz sicher, ob sein Partner mit diesen Worten ihn oder sich selbst beruhigen wollte. „Die Miracle-Sakura-Klinik ist das beste Krankenhaus der Stadt. Ich bin der Besitzer. Das habe ich dir mal erzählt. Erinnerst du dich daran? Dort wird man sich gut um dich kümmern. Und ehe du dich versiehst, wirst du wieder gesund sein. Du musst dir keine Sorgen machen. Und auch keine Angst haben. Daz und ich haben die Situation völlig unter Kontrolle. Es ist alles in Ordnung, Wani.“ „In zwei Minuten erreichen wir die Notaufnahme des Krankenhauses“, warf der Fahrer ein. Doflamingo nickte. „Das ist gut. Zwei Minuten hältst du noch durch, Croco, oder? Das schaffst du doch, nicht wahr?“ Erneut nickte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass er sich ein weiteres Mal erbrach, als der Rolls-Royce scharf in eine Kurve fuhr. Diesmal traf es nicht den Oberkörper von Daz, sondern den von Doflamingo. „Tut mir leid“, brachte er krächzend hervor und presste sich seine Hand auf den Mund, als er die übelriechende Flüssigkeit auf dem schrillen Hemd seines Partners sah. Tatsächlich war ihm dieser Vorfall furchtbar peinlich; Crocodile hasste nichts mehr, als anderen Menschen zur Last zu fallen oder Umstände zu bereiten. Er spürte sogar, wie er trotz seiner Benommenheit errötete. „Das macht doch nichts“, meinte Doflamingo und winkte ab. „Ist nur ein blödes Hemd. Ich besitze tausend Hemden, die genauso fürchterlich aussehen wie dieses hier.“ Diese Äußerung brachte Crocodile zum Lächeln. Sein Freund lächelte zurück. „Siehst du“, meinte er mit aufmunternder Stimme, „wenn du sogar lächeln kannst, dann kann die Situation so schlimm nicht sein. Oder?“ Kaum hatte sein Partner das letzte Wort ausgesprochen, kam der Rolls-Royce zum stehen. Doflamingo öffnete die Wagentüre und stieg als Erster aus; Daz, der mit beiden Armen Crocodile festhielt, folgte ihm. Die Nachtluft war noch immer eisig kalt und schneidend. Draußen warteten bereits in grüne Kittel gekleidete Pfleger mit einer Trage, auf die Daz ihn vorsichtig ablegte. Sobald er sich in einer liegenden Position befand und zugedeckt worden war, schloss Crocodile die Augen. Später konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob er ohnmächtig geworden oder einfach bloß eingeschlafen war. * Irgendwann wachte Crocodile wieder auf. Er fühlte sich schrecklich müde und erschöpft, ansonsten schien es ihm jedoch recht gut zu gehen. Zumindest war ihm nicht mehr schwindelig und übel; außerdem fühlte er sich nicht mehr benommen. Dafür war er nun sehr hungrig und durstig. Als er sich umsah, stellte er fest, dass er im Bett eines Zimmers lag, das vermutlich zu einem Krankenhaus gehörte. Er selbst trug entsprechende Kleidung. Rechts neben ihm stand ein Tropf, mit dem er jedoch nicht verbunden war. Und auf dem Stuhl links neben seinem Bett saß Doflamingo, der allerdings zu schlafen schien; sein Oberkörper lag auf der Matratze, seinen Kopf hatte er auf seine verschränkten Arme gebettet. Nach und nach kehrten die Erinnerungen zurück: Er hatte sich im Skypia mit Doflamingo gestritten, weil sich dieser wieder einmal unreif verhalten und sich geweigert hatte, sich bei ihm zu entschuldigen. Dann war er an der Bar auf Enel getroffen; sein Exfreund hatte sich mit ihm versöhnen wollen (oder dies zumindest vorgegeben) und sie hatten gemeinsam Alkohol getrunken, in den Enel anscheinend K.O.-Tropfen oder Ähnliches gemischt hatte. Allerdings hatte Daz ihn aufgegriffen und in eine Toilettenkabine verfrachtet, wo er sich erbrochen hatte. Irgendwann war Doflamingo dazugekommen. Und dann hatten sein ehemaliger Mitstudent und sein Partner ihn ins Krankenhaus gebracht. Wo er sich allem Anschein nach immer noch befand. Seufzend rieb Crocodile sich die Schläfe. Er konnte gar nicht so recht fassen, was ihm da gestern passiert war. Falls es gestern gewesen war. Unweigerlich fragte er sich, wie lange er nun schon im Krankenhaus lag. Da Doflamingo an seinem Bett eingeschlafen war, schien es naheliegend zu sein, dass es sich um einen längeren Zeitraum handelte. Vielleicht sogar um einen ganzen Tag. Crocodile bemerkte, dass sein Partner langsam erwachte; er richtete sich in seinem Stuhl auf und rückte verschlafen seine Sonnenbrille zurecht, die er die ganze Zeit über auf der Nase gehabt hatte. „Morgen, Doffy", begrüßte Crocodile seinen Freund, der angesichts seiner matten Stimme sofort hellwach zu werden schien. „Crocodile?", sagte er und sah ihm ins Gesicht. „Oh Mann, ich bin so froh, dass du endlich aufgewacht bist! Du ahnst gar nicht, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe! Wie geht es dir?" „Ganz gut, denke ich", antwortete Crocodile. „Ich bin nur schrecklich hungrig." „Ich kann etwas zu essen für dich holen lassen", bot Doflamingo hilfsbereit an. Crocodile zögerte und meinte dann recht verlegen: „Ich weiß nicht, ob ich die Mahlzeiten vertrage, die das Krankenhaus anbietet." Doflamingo winkte ab. „Das ist kein Problem", entgegnete er. „Mir gehört die Miracle-Sakura-Klinik, schon vergessen? Ich gebe einfach in der Küche Bescheid und dann wird man für dich eine Mahlzeit zubereiten, die dein Magen ganz sicher verträgt. Was möchtest du denn gerne essen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. „Das ist mir egal. Irgendetwas. Ich habe so großen Hunger, dass ich alles essen würde." Angesichts dieser Aussage schmunzelte sein Partner ein wenig. „Das wundert mich nicht", meinte er, während er nach seinem Handy griff. „Dein Magen müsste derzeit komplett leer sein. Du hast so gut wie den gesamten Inhalt ausgekotzt." Augenblicklich spürte Crocodile, wie er errötete. Plötzlich erinnerte er sich sehr genau daran, dass er sich sowohl auf Daz als auch auf Doflamingo erbrochen hatte. Beide Vorfälle waren ihm sehr peinlich und unangenehm. „Tut mir leid", meinte er, doch sein Freund, der gerade mit den Leuten aus der Küche telefonierte, schüttelte bloß den Kopf. Als dieser das kurze Telefonat beendet hatte, erwiderte er: „Du musst dich nicht entschuldigen." „Doch, das muss ich", sagte Crocodile und senkte den Blick. „Ich habe nicht nur mir selbst, sondern auch dir und Daz die Nacht ruiniert. Ich habe mich sogar auf euch übergeben! Du kannst nicht ahnen, wir furchtbar ich mich dafür schäme! Es tut mir wirklich sehr, sehr leid!" „Red doch keinen Unsinn!", hielt Doflamingo dagegen und griff nach der Hand seines Partners. "Du musst dich für überhaupt nichts entschuldigen und dich auch für nichts schämen. Was passiert ist, war nicht deine Schuld." „Doch, es war meine Schuld! Meine Schuld ganz allein! Wie konnte ich nur so dumm sein und auf meinen Exfreund hereinfallen?! Ich hätte klüger handeln sollen." „Du hast ja aber nicht wissen können, dass er dir K.O.-Tropfen in dein Getränk mischen würde, oder nicht? Es stimmt schon, dass das alles blöd gelaufen ist. Aber die Hauptsache ist doch, dass du das nicht gewollt oder beabsichtigt hast. Es ist Ausversehen und gegen deinen Willen geschehen. Und darum ist es auch nicht deine Schuld. Also hör auf damit, dir solche Vorwürfe zu machen. Das hast du nicht verdient. Ich für meinen Teil bin bloß froh, dass du jetzt endlich aufgewacht bist und dass es dir gut geht! Nur das und sonst nichts zählt!" Crocodile seufzte und schloss für einen Moment die Augen, ehe er nickte. „Allerdings muss ich sagen, dass es doch eine einzige Sache gibt, die du definitiv falsch gemacht hast.“ Verwundert hob Crocodile den Kopf und musterte das Gesichts seines Partners. „Und worum handelt es sich bei dieser Sache?“, fragte er ehrlich interessiert. Er selbst hatte jedenfalls keine Vorstellung davon, was sein Freund damit meinen könnte; nicht, wo dieser doch zuvor alles, wofür er sich verantwortlich fühlte, energisch dementiert hatte. „Du hättest mir vorher sagen sollen, dass der Besitzer vom Skypia dein Exfreund ist!“, meinte Doflamingo mit ernster Stimme. „Ich verstehe einfach nicht, warum du das mit keinem Wort erwähnt hast. Wenn ich das gewusst hätte, dann wäre ich doch nicht mit dir in diesem Club gefahren. Und es wäre gar nicht erst zu dieser Situation gekommen!“ „Also ist doch alles meine Schuld!“, erwiderte Crocodile und ließ sich zurück in seine Kissen sinken. An diesen Umstand hatte er überhaupt nicht gedacht. Obwohl Doflamingo natürlich Recht hatte. Er hätte sich zumindest weigern können, mit ins Skypia zu kommen. Dann wäre er niemals auf Enel getroffen und weder Doflamingo noch Daz hätten ihre Zeit opfern müssen, um sich um ihn zu kümmern und ihn ins Krankenhaus zu fahren. „So habe ich das nicht gemeint!“, warf Doflamingo sofort ein. „Es ist nur so, dass ich mir die Frage stelle, warum du mir das nicht gesagt hast.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Verschiedene Gründe“, meinte er. Und als sein Freund ihn daraufhin unter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille heraus auffordernd ansah, fuhr er schließlich fort: „Du hast dich so sehr auf diese Nacht gefreut, dass ich dir keinen Strich durch die Rechnung machen wollte. Außerdem habe ich mir eingeredet, dass meine Beziehung mit Enel nun schon lange genug her ist. Und dass er ja bestimmt überhaupt nicht dort sein würde. Und so weiter eben. Ich wollte dich nicht enttäuschen.“ „Aber wenn du mir deine Situation erklärt hättest, dann hätte ich doch sicher Verständnis für dich aufgebracht“, meinte Doflamingo mit niedergeschlagener Stimme. „Dann wären wir eben in einen anderen Club gefahren. Das wäre doch nicht so schlimm gewesen. Mich enttäuscht bloß, dass du diese Sache vor mir geheim gehalten hast, Crocodile.“ „Es tut mir leid“, wiederholte Crocodile noch einmal. „Ich habe es nicht böse gemeint.“ „Das weiß ich doch“, sagte sein Partner. „Ich unterstelle dir auch überhaupt nicht, dass du irgendeine böse Absicht gehabt hast. Aber ich dachte eigentlich, dass du mir vertraust. Dass du mir alles erzählen kannst, was dir auf dem Herzen liegt. Es...“, er zögerte kurz und sagte dann: „Es verletzt mich, dass das anscheinend nicht der Fall ist. Und ich frage mich, woran das liegt. Ich liebe dich, Crocodile! Mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt! Gibt es irgendeinen besonderen Grund dafür, dass du nicht ehrlich zu mir bist? Habe ich irgendetwas getan, um dein Vertrauen zu missbrauchen? Bitte sag mir doch, was los ist!“ Crocodile biss sich auf die Unterlippe und wich dem drängenden Blick seines Partners aus. So offen und ernst hatte er Doflamingo noch niemals erlebt. Ihre Beziehung schien ihm tatsächlich unfassbar wichtig zu sein. Während er selbst sich im Gegensatz dazu absolut unverantwortlich und fahrlässig verhielt. Er riskierte ihre Beziehung jedes Mal aufs Neue, indem er seinen Freund nun schon seit Wochen jeden Tag anlog. Doflamingo wusste noch immer nichts von seiner Kündigung. Oder von seinen Schulden. Oder davon, dass sein Mietvertrag in einer Woche auslief. Plötzlich kamen Zweifel in Crocodile auf: War dies vielleicht der richtige Zeitpunkt, um seinem Partner von all diesen Dingen, die ihn in letzter Zeit belasteten, zu erzählen? Sollte er nun endlich die vielen Lügen, die er ihm völlig schamlos aufgetischt hatte, offenlegen? Aber war es dafür nicht schon längst zu spät?! Sein Partner hatte bereits mehrmals deutlich gemacht, dass ihm Ehrlichkeit und Vertrauen in einer Beziehung sehr wichtig waren. Würde er ihm also all die Lügen und die Geheimnistuerei der letzten Wochen verzeihen können? Crocodile strich sich eine Haarsträhne hinter sein Ohr und entschied sich dagegen, Doflamingo die Wahrheit zu erzählen. Das Risiko, seinen Partner anschließend zu verlieren, war eindeutig zu hoch. Er hatte zu Beginn beschlossen, seine Probleme zu verschweigen und diese allein zu lösen - und darum blieb ihm nichts anderes übrig als weiterzumachen. Weiterhin Lügen zu erzählen, weiterhin den Schein zu wahren, weiterhin allein mit allem fertig zu werden. Crocodile war es gewohnt, seine Probleme selbst zu lösen und er war zuversichtlich, dass es ihm auch in dieser Situation gelingen würde. „Es ist nichts“, sagte er darum und bemühte sich um eine möglichst überzeugend klingende Stimmlage. „Du hast überhaupt nichts falsch gemacht. Ich bin eben ein Mensch, der anderen nicht gerne zur Last fällt oder Umstände bereitet. Du weißt, dass ich das auf den Tod nicht ausstehen kann. Es ist nicht so, als würde ich dir nicht vertrauen.“ Um diese Erklärung ein wenig zu bekräftigen und auszuführen, fügte er hinzu: „Ich bin schon immer jemand gewesen, der ungern Hilfe annimmt und seine Probleme lieber allein regelt; ich stand schon sehr früh auf eigenen Beinen. Das kam mir auch sehr zugute, als meine Eltern mich Zuhause rausgeworfen haben. Du weißt schon, weil ich mich vor ihnen geoutet habe. Ich bin dann für drei Jahre zu Mihawk gezogen; er ist ja älter als ich und hat damals bereits allein gewohnt. Als ich mein Studium begann, habe ich mir dann ein eigenes Apartment in der Nähe meiner Universität gesucht. Und, naja, ich bin gut zurecht gekommen; auch ohne Eltern oder viele Freunde. Und dann...ich, ähm, ich war damals fünfundzwanzig Jahre alt, musst du wissen... Kurz bevor ich Enel kennengelernt habe...“ Crocodile musste schlucken und dieses Schlucken war nicht geschauspielert. Auch wenn die Sache, über er die nun sprechen wollte, bereits vor vielen Jahren geschehen war, dachte er nur äußerst ungern daran zurück. „Da habe ich meine Hand verloren. Es war furchtbar! Mich hat weniger die Sache an sich gestört, sondern vor allem, dass ich in dieser Situation auf Hilfe angewiesen gewesen war. Ich... ich wusste ja gar nicht, wie man sich mit bloß einer Hand Kleidung anzieht oder wie man einen Haushalt führt oder... oder wie man Auto fährt. Ich musste sogar mein Studium für ein Semester unterbrechen, weil ich wieder zurück Mihawk gezogen bin. Er hat mir dabei geholfen, naja, damit umzugehen. Es war wirklich anstrengend: Ich musste unglaublich viele Dinge ganz neu lernen. Und ich konnte weder studieren noch arbeiten. Das war die furchtbarste Zeit meines Lebens! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie... wie nutzlos ich mich gefühlt habe. Völlig wertlos. Wie eine Belastung für alle Menschen um mich herum. Mihawk musste sich riesige Umstände wegen mir machen. Ich war heilfroh, als ich mit meinem Leben auch nur wieder halbwegs allein zurechtkam und bin dann auch sofort wieder in mein eigenes Apartment gezogen. Damals habe ich mir gesagt, dass ich es nie wieder soweit kommen lassen möchte. Dass ich niemandem zur Last fallen und niemandem Umstände bereiten möchte. Durch diesen Vorfall haben sich diese Eigenschaften noch tiefer als sowieso schon in meine Persönlichkeit eingebrannt. Ich kann da nichts gegen tun. Bitte nimm solche Dinge also nicht persönlich, ja? Ich meine es überhaupt nicht böse. Und es bedeutet auch nicht, dass ich das Gefühl hätte, ich könnte dir bestimmte Dinge nicht anvertrauen. Es ist einfach eine Charaktereigenschaft von mir, gegen die ich nichts ausrichten kann. Bitte akzeptier das! Und mach dir deswegen keine Vorwürfe! In Ordnung?“ „In Ordnung“, sagte Doflamingo und Erleichterung breitete sich in Crocodiles Körper aus. Dass ihn der Verlust seiner linken Hand damals nicht nur körperlich, sondern auch seelisch sehr stark mitgenommen hatte, war nicht gelogen oder übertrieben dargestellt gewesen. Normalerweise sprach Crocodile zwar nicht gerne über diese Zeit, strich sie normalerweise fast komplett aus seinem Gedächtnis, doch seltsamerweise fühlte er sich ein wenig besser, wenn er seinem Partner nicht bloß eine Lüge erzählte, sondern dazu auch noch eine Wahrheit über sich preisgab. Dann hatte er nämlich ein Stück weit das Gefühl, dass sich diese beiden Pole die Waage hielten. Eine Lüge und eine Wahrheit zu erzählen, dachte er in seiner verquerten Logik, war schließlich besser als bloß eine Lüge zu erzählen. Dieses Gleichgewicht beruhigte ihn ein wenig und milderte sein schlechtes Gewissen ab. Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken heraus. „Herein“, rief Doflamingo, ehe Crocodile die Möglichkeit dazu bekam, was diesen leicht verärgerte. Er beschloss allerdings, Doflamingo nicht zurechtzuweisen; zumindest nicht, während sie nicht unter sich waren, sondern Gesellschaft hatten. Durch die Tür kam nämlich eine junge Krankenschwester herein, die einen Servierwagen vor sich herschob. Augenblicklich vergaß Crocodile seinen Ärger auf Doflamingo und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf das Gericht, das die Schwester auf den geräumigen Beistelltisch neben seinem Bett abstellte. Während er mit seinem Partner gesprochen hatte, hatte er seinen Hunger ganz vergessen, doch nun spürte er wieder sehr deutlich, wie leer sein Magen doch war. „Guten Tag, Sir Crocodile“, sagte das hellblonde Mädchen mit einer freundlichen Stimme, während es eine Flasche stilles Mineralwasser und ein Glas auf den Tisch stellte. „Mein Name ist Kaya. Während Ihres Aufenthalts in unserer Klinik bin ich die für Sie zuständige Schwester. Wie geht es Ihnen heute?“ „Gut“, meinte Crocodile und warf einen Blick auf die überaus appetitlich ausschauende Mahlzeit, die für ihn angerichtet worden war. Soweit er es beurteilen konnte, handelte es sich um irgendeinen vegetarischen Gemüseauflauf, der lecker duftete. Entweder hatte die Miracle-Sakura-Klinik eine überraschend gute Küche (in seinem bisherigen Leben hatte Crocodile noch keine sonderlich guten Erfahrungen mit Krankenhausessen gemacht), dachte er, oder sein Freund, bei dem es sich schließlich um den Besitzer dieser Einrichtung handelte, hatte etwas besonders Gutes für ihn beordert. „Das freut mich zu hören“, sagte Schwester Kaya und legte eine kleine Dose, die ein paar Tabletten zu enthalten schien, neben die Wasserflasche. „Bitte nehmen Sie die grüne und die blaue Pille direkt nach ihrer Mahlzeit ein“, erklärte Kaya auf seinen fragenden Blick hin, „und die weiße Pille etwa eine halbe Stunde später. Bitte schlucken Sie sie unzerkaut hinunter und trinken zu jeder Pille etwa einen Viertelliter Wasser. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit!“ „Was sind das für Pillen?“, fragte Crocodile, während er sich Wasser in sein Glas einschenkte. Seit er vor einigen Jahren seine linke Hand verloren hatte und deswegen sehr lange viele verschiedene Medikamente hatten nehmen müssen, war er sehr misstrauisch geworden, was dieses Thema anging. Er wusste zum Beispiel, dass Patienten häufig Schmerzmittel verabreicht wurden, die überhaupt nicht notwendig waren. Und so etwas oder Ähnliches wollte er gerne vermeiden. „Es handelt sich bei der blauen und weißen Pille um Präparate, die gegen Ihre Vergiftung helfen“, erklärte Kaya, „und die grüne Pille verhindert, dass Sie sich gleich nach der Mahlzeit wieder übergeben müssen. Haben Sie noch weitere Fragen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein, danke, das wäre alles.“ „Wenn Sie noch irgendetwas brauchen sollten, können Sie mich über das Telefon zu Ihrer Rechten erreichen, indem Sie ganz einfach die Nummer 5 wählen. Ich wünsche Ihnen noch einmal einen guten Appetit. Auf Wiedersehen, Sir Crocodile!“ „Auf Wiedersehen“, verabschiedete er die junge Krankenschwester, die nach einem weiteren freundlichen Lächeln aus seinem Zimmer verschwand. „Ich wünsche dir auch einen guten Appetit“, meinte Doflamingo, der ihn dabei beobachtete, wie er sogleich nach seiner Gabel griff und zu essen begann, „obwohl ich glaube, dass du den sowieso hast.“ „Wenn du in meiner Situation wärst, würde es dir nicht anders gehen!“, verteidigte Crocodile zwischen zwei Bissen seinen Heißhunger. Er hatte das Gefühl, er könnte gleich drei oder mehr Aufläufe dieser Größe hinunterschlingen, so leer fühlte sich sein Magen an. Und dabei war er unter normalen Umständen eigentlich ein recht zurückhaltender Esser. „Soll ich noch etwas für dich nachbestellen?“, fragte Doflamingo halb ernst, halb belustigt angesichts der Geschwindigkeit, in der sein Freund seine Mahlzeit verschlang. „Du bist ein blöder Idiot!“, war der einzige Kommentar, den er zu diesem Angebot bekam. Nachdem er den vegetarischen Auflauf aufgegessen hatte -wofür er, um ehrlich zu sein, nur halb so viel Zeit gebraucht hatte wie es normalerweise der Fall gewesen wäre-, fühlte Crocodile sich schon deutlich besser. Satt und (verhältnismäßig glücklich) ließ er sich zurück in seine Kissen sinken. „Du musst deine Medikamente einnehmen“, erinnerte ihn Doflamingo und reichte ihm zuerst die kleine Dose mit den Pillen und dann ein Glas stilles Mineralwasser. „Die blaue und grüne Tablette jetzt sofort. Beide jeweils mit einem Viertelliter Wasser.“ „Ich kann mich selbst noch sehr gut daran erinnern, was die Krankenschwester gesagt hat!“, wies Crocodile seinen Partner mit verärgerter Stimme zurecht. Er hatte bereits die Erfahrung gemacht, dass, auch wenn Doflamingo für gewöhnlich ein sehr lockerer und selbstsicherer Typ war, er manchmal überraschend fürsorglich oder sogar überbesorgt wurde. Crocodile schluckte als erstes die grüne und danach die blaue Pille hinunter; beide spülte er mit ein paar Schlücken Wasser hinunter. „Jetzt zufrieden?“, fragte er seinen Freund, der ihn während dieses Vorgangs aufmerksam beobachtet hatte. „Mach dich nicht über mich lustig“, erwiderte dieser mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck, „und nimm die ganze Sache hier lieber nicht auf die leichte Schulter. Das hätte nämlich verdammt übel ausgehen können! Es ist jetzt sehr wichtig, dass du regelmäßig deine Medikamente nimmst. Das Gift, das man dir ins Getränk gemischt hat, ist von deinem Körper noch immer nicht vollständig abgebaut worden.“ „Regelmäßig meine Medikamente nehmen?“, hakte Crocodile misstrauisch nach. „Wie lange muss ich denn diese Pillen schlucken? Ich dachte, es hätte sich nur um ein paar einfache K.O.-Tropfen gehandelt? Da ist es doch sicher nicht nötig, über einen längeren Zeitraum hinweg Medikamente einzunehmen. Oder?“ Doflamingo verschränkte die Arme vor den Oberkörper und Crocodile wusste, dass sein Partner ihn sehr ernst ansah, auch wenn dessen Blick durch die getönten Gläser der Sonnenbrille verdeckt wurde. „Also, um hier mal ein paar Dinge klarzustellen: Auch nur ein paar einfache K.O.-Tropfen hätten schlimme Folgen für dich haben können. Mir wird schlecht dabei, wenn ich mir vorstelle, was dein Exfreund womöglich mit dir vorgehabt hat. Ich bin bloß froh, dass Daz dazwischen gegangen ist. Aber es hat sich überhaupt nicht um K.O.-Tropfen gehandelt.“ „Nicht?“, warf Crocodile verwundert ein. „Worum denn dann?“ „Um ein deutlich stärkeres Gift“, meinte Doflamingo. „Handelsübliche K.O.-Tropfen hätten dich ein paar Stunden lang außer Gefecht gesetzt. Das Zeug, dass dieser Hurensohn dir verabreicht hat, hätte dich allerdings für mindestens drei Tage komplett betäubt. Dein Exfreund scheint ein echter Psychopath zu sein. Wie gesagt, ich will mir nicht auch nur vorstellen, was dieser kranke Wichser geplant hatte.“ „Wow“, sagte Crocodile und rieb sich mit der rechten Hand über den Hals. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“ „Ist schon gut“, meinte Doflamingo zu ihm und seine Stimme klang nun wieder ein wenig sanfter. „Du musst überhaupt nichts sagen. Ich kann gut verstehen, dass du gerade ziemlich verwirrt und fassungslos bist. Das wäre wohl jeder in dieser Situation. Die einzige Sache, auf die du dich jetzt konzentrieren solltest, ist deine Gesundheit! Um... naja... alles andere, sagen wir mal... werde ich mich kümmern.“ „Wie lange muss ich im Krankenhaus bleiben?“, wollte Crocodile wissen. Sein Partner hatte zwar Recht damit, dass er das, was ihm passiert war, noch immer nicht so recht fassen konnte, doch nichtsdestotrotz musste er sich in seinem Leben auch um andere Dinge kümmern. Und zwar vor allen Dingen um das Bewerbungsgespräch bei diesem Bauunternehmen, das ihm am Montagmittag bevorstand. Es war für Crocodile die einzige Chance auf eine feste Arbeitsstelle und damit auch seine einzige Hoffnung. Würde es ihm gelingen einen guten Eindruck zu machen, dann würde er womöglich schon zum nächsten Monat hin eingestellt werden - und alles wäre im Lot! Er hätte wieder Arbeit, könnte seine Schulden abbezahlen und auch wieder in eine eigene Wohnung ziehen. Und er würde auch seinen Partner nicht mehr ständig anlügen oder seine finanzielle Situation vor ihm verheimlichen müssen. Dieses Gespräch war ungeheuer wichtig für ihn. Er durfte es auf keinen Fall verpassen, ganz gleich wie es gesundheitlich um ihn stand. Es handelte sich dabei um seinen einzigen Weg aus diesem Alptraum heraus, in dem er nun bereits schon seit mehreren Wochen lebte. Wenn er an diesem Bewerbungsgespräch teilnahm und den Personalchef des Unternehmens überzeugen konnte, dann wäre endlich alles wieder wie früher! „Noch mindestens drei weitere Tage“, sagte Doflamingo. „Der Arzt möchte dich unbedingt hierbehalten, um deinen Zustand zu überwachen. Wie gesagt, es befinden sich immer noch Reste des Giftes in deinem Körper.“ „So lange?“ Crocodile bemühte sich gar nicht erst darum, die Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen. Am Montag stand doch sein Bewerbungsgespräch bevor! Vielleicht würde es ihm gelingen, sich bei einer günstigen Gelegenheit aus der Klinik herauszuschleichen, überlegte Crocodile sich. Oder er würde das Gespräch frühzeitig absagen und um einen alternativen Termin bitten. Es wäre sicherlich möglich, sich eine Bescheinigung über seinen Krankenhausaufenthalt ausstellen zu lassen und diese dem Personalchef des Bauunternehmens zukommen zu lassen. „Es geht nicht anders“, meinte sein Partner. „Mir ist klar, dass sich niemand gerne in einem Krankenhaus aufhält, aber es muss nun einmal sein. Schließlich geht es hier um deine Gesundheit! Außerdem werde ich mich darum bemühen, deinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich habe mir die nächste Zeit frei genommen; das bedeutet, dass ich dich jeden Tag besuchen kann. Und morgen kommen auch Mihawk und Hancock vorbei. Ich habe die beiden angerufen und ihnen erzählt, was vorgefallen ist. Sie machen sich große Sorgen um dich.“ Crocodile nickte matt. Wenn sich so viele verschiedene Menschen um sein Krankenbett lagerten, dann war jede Möglichkeit, sich heimlich davonzumachen, definitiv ausgeschlossen. Er würde also absagen und darum bitten müssen, sich an einem anderen Tag vorstellen zu dürfen. Das waren zwar nicht unbedingt die allerbesten Voraussetzungen für ein Bewerbungsgespräch, aber allem Anschein nach konnte er an dieser Situation nichts ändern; er würde es hinnehmen müssen. „Wo ist eigentlich Daz?“, fragte Crocodile. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sowohl sein Partner als auch sein Studienfreund warten würden bis er aufgewacht war. Es war sehr untypisch für Daz, ihn nicht zu umsorgen. Früher, als sie gemeinsam studiert hatten und direkte Nachbarn gewesen waren, hatte er ständig -auch ohne besonderen Grund- nach ihm gesehen. „Er ist so lange da geblieben wie er konnte“, sagte Doflamingo, „aber leider musste er irgendwann wieder zurück nach Hause. Du weißt schon, wegen seiner Arbeit. Er hat mich allerdings darum gebeten, dir gute Besserung zu wünschen und ihm Bescheid zu geben, wenn es dir wieder besser geht. Du solltest ihn gleich mal anrufen. Er würde sich sicher darüber freuen zu hören, dass du aufgewacht bist und dass es dir den Umständen entsprechend gut geht. Er hat sich große Sorgen um dich gemacht.“ „Er musste wegen der Arbeit zurück nach Hause?“, hakte Crocodile misstrauisch nach. Ihm kam eine schreckliche Vermutung. „Wieso das denn? Welchen Tag haben wir? Ich dachte, wir hätten Sonntag!“ Doflamingo schüttelte den Kopf. Er schien die Aufregung, die seinen Partner plötzlich befallen hatte, nicht so recht nachvollziehen zu können. „Es ist Montag“, erklärte er ruhig „Vier Uhr nachmittags, um genau zu sein.“ Montag? Vier Uhr nachmittags? Verzweifelt ließ Crocodile sich zurück in die Kissen sinken, schloss die Augen und legte sich die rechte Hand auf die Stirn. Er hatte sein Bewerbungsgespräch bereits verpasst. Seine einzige Chance, sein Leben endlich wieder in den Griff zu bekommen, war vertan. Enttäuschung und Wut brachen über ihn herein wie eine kochend heiße Tsunamiwelle. Warum nur musste ausgerechnet ihm so viel Unglück zustoßen? Was hatte er verbrochen, um dieses Schicksal zu verdienen? Ganz gleich wie sehr er sich auch bemühte, er schien als gäbe es kein Entkommen aus diesem Alptraum! Crocodile musste zum ersten Mal seit sehr vielen Jahren die Tränen unterdrücken. Fragen nach Schicksal und Gerechtigkeit hatte er sich bereits gestellt, als er seine linke Hand verloren hatte und als ihm die Narbe in seinem Gesicht zugefügt worden war. Und schon damals hatte er keine befriedigende Antwort gefunden. Darum ging er nicht davon aus, dass er es jetzt tun würde. Crocodile seufzte und öffnete seine Augen wieder. Irgendwann in seinem Leben hatte er sich mit der Tatsache abgefunden, dass das Schicksal nicht fair spielte und so etwas wie Gerechtigkeit einfach nicht existierte. Wenn er Hilfe brauchte, dann musste er sich selbst helfen. So war es schon immer gewesen. „Was ist denn plötzlich los mit dir?“, fragte Doflamingo mit besorgter Stimme. „Ist dir wieder schlecht geworden oder so etwas? Soll ich den Arzt rufen?“ „Nein, ist schon gut“, erwiderte Crocodile rasch und schüttelte den Kopf. „Ich kann nur bloß nicht fassen, was mir passiert ist. Es erscheint mit alles so unwirklich. Als würde ich träumen. Ich brauche in wenig Zeit, um damit zurechtzukommen.“ Langsam schöpfte Crocodile neue Hoffnung. Es nützte nichts, sich zu beklagen und darauf zu hoffen, dass ihm irgendeine höhere Macht aus seiner Situation heraus half. Seit dem Verlust seiner Hand glaubte er an keinen Gott mehr. Er würde sich eben weiterhin bewerben und auf das Beste hoffen müssen. Eine andere Möglichkeit hatte er nicht. Er würde dieses Spiel, das er trieb, weiterspielen müssen; und zwar bis zum Game Over! „Ich kann gut verstehen, dass du geschockt bist“, meinte sein Freund. „Schließlich hat niemand damit gerechnet, dass diese Nacht im Skypia mit einem Aufenthalt im Krankenhaus enden würde. Aber das lässt sich nun einmal nicht ändern; du wirst dich damit abfinden müssen. Genug Zeit dafür hast du in den nächsten paar Tagen.“ „Ich kann nicht so lange im Krankenhaus liegen bleiben“, warf Crocodile ein. „Ich muss doch arbeiten!“ „In deinem Zustand wirst du garantiert nicht zur Arbeit gehen!“, entgegnete Doflamingo mit energischer Stimme. „Ich habe mich bereits darum gekümmert und bei der Bank angerufen.“ „Du hast was getan?!“ „Ich habe Robin angerufen“, erklärte sein Partner, „und ihr erzählt, dass du im Krankenhaus liegst und in den nächsten Tagen nicht zur Arbeit kommen kannst. Ich habe auch schon das Attest gefaxt. Du musst dich also um nichts kümmern; es ist bereits alles erledigt. Das einzige, worauf du dich in nächster Zeit konzentrieren solltest, ist deine Genesung!“ Crocodile senkte den Blick. Es behagte ihm gar nicht, dass Doflamingo mit seiner Sekretärin telefoniert hatte. Unweigerlich fragte er sich, ob sie seinem Partner womöglich von seiner Kündigung berichtet hatte. Normalerweise war Robin zwar keine Person, die sich in Angelegenheiten anderer Leute einmischte, aber hundertprozentig ausschließen konnte er diese Möglichkeit dennoch nicht. „Hat Robin vielleicht irgendetwas Ungewöhnliches erwähnt, während ihr telefoniert habt?“, wollte er mit zögerlicher Stimme wissen; es war schwierig, die Frage so zu formulieren, dass er sich nicht selbst verriet. Doflamingo hob eine Augenbraue. „Das hat sie tatsächlich“, erwiderte er. Augenblicklich rutschte Crocodile das Herz in die Hose (die er momentan nicht trug) - hatte sein Partner doch endlich von seiner Kündigung erfahren? Wie würde er reagieren? Jetzt gerade im Augenblick wirkte er jedenfalls recht enttäuscht. Machte er nun Schluss mit ihm? Hatte er sich zuvor nur so sehr um ihn gesorgt, weil er vergiftet worden war und im Krankenhaus lag? Crocodile schluckte und spürte einen schmerzhaften Kloß in seinem Magen. „Als ich sie heute Morgen angerufen habe, um dich krankzumelden, sagte sie, dass du dir heute sowieso freigenommen hättest. Davon hast du mir überhaupt nichts erzählt gehabt. Und ich frage mich, wieso. Denn wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich heute nämlich auch früher Schluss mit der Arbeit gemacht und wir hätten uns ein wenig länger sehen können. Unter normalen Umständen natürlich. Dass du im Krankenhaus landen würdest, konnte ja schließlich keiner von uns beiden ahnen.“ Crocodile rieb sich mit zwei Fingern über die Nase und ließ sich schnell irgendeine Erklärung einfallen. „Ach weißt du, Doffy“, sagte er in seiner bekümmertsten Tonfall, „ich brauchte einfach mal eine kleine Pause von der Arbeit. Du weißt ja, dass es in letzter Zeit schrecklich viel zu tun gibt. Ich fühle mich total überarbeitet und gestresst. Da habe ich mir diesen einen Tag freigenommen, damit ich ein verlängertes Wochenende habe und mich ein bisschen erholen kann. Das hatte ich einfach bitter nötig. Dir ist ja selber schon aufgefallen, dass ich seit ein paar Wochen oft sehr stark gestresst bin. Und in meiner Hektik muss ich wohl völlig vergessen haben, dir das zu erzählen. Tut mir leid; es ist wirklich keine Absicht gewesen.“ „Ist schon gut“, erwiderte Doflamingo, der seiner ausgedachten Erklärung glücklicherweise Glauben zu schenken schien. „So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Du arbeitest in letzter Zeit wirklich viel zu viel. Man merkt sehr deutlich, wie sich das auf deine psychische Verfassung auswirkt. Du solltest dir öfter mal eine Auszeit gönnen.“ „Soll das bedeuten, dass ich ein Psycho bin?!“ Crocodile war ein Mensch, der sich sehr schnell in seinem Stolz verletzt fühlte, und warf seinem Partner darum einen finsteren Blick zu. „Oder was willst du damit sagen?“ „So war das überhaupt nicht gemeint und das weißt du ganz genau!“, entgegnete Doflamingo spitz und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum musst du mir jedes Wort im Mund umdrehen?“ Seine Körperhaltung lockerte sich wieder ein wenig auf und er fügte mit einer sanfteren Stimme hinzu: „Aber du kannst doch selbst nicht verleugnen, dass es dir in letzter Zeit nicht gut geht. Du bist ständig gestresst, gereizt und hektisch. Und zwar nicht bloß seit ein paar Tagen, sondern mehreren Wochen. So ein dauerhafter Stress tut niemandem gut!“ „Lass uns dieses Thema jetzt beenden, ja?“, warf Crocodile ein. Er hatte nicht die geringste Lust dazu, sich mit seinem Partner über seine Arbeit oder seine derzeitige psychische Verfassung zu unterhalten. „Die nächsten Tage werde ich ja sowieso hier im Krankenhaus verbringen müssen. Oder nicht?“ „Aber ein Krankenhausaufenthalt ist doch kein Urlaub!“ „Das weiß ich doch selbst.“ Crocodile seufzte genervt auf. Er liebte Doflamingo mehr als jeden anderen Menschen auf dieser Welt, aber manchmal trieb ihn sein Freund auch einfach bloß in den Wahnsinn. Um diesen endlich zum Schweigen zu bringen, sagte er schließlich: „Ich habe bereits ein paar Wochen Urlaub beantragt. Gibst du nun bitte endlich Ruhe?“ Für einen Moment schwieg sein Partner tatsächlich und sah ihn verwundert an. Dann meinte er: „Davon hast du mir auch nichts erzählt. Wieso erzählst du mir solche Dinge nicht? Ab wann hast du denn Urlaub?“ „Es sollte eine Überraschung für dich werden“, lenkte Crocodile ein, während er rasch den ersten Tag errechnete, an dem er offiziell entlassen sein würde. „Weil du doch immer sagst, dass ich zu lange arbeite und wir uns deswegen zu wenig sehen. Da wollte ich dich damit überraschen, dass ich mir ein wenig freinehme und wir wieder mehr Zeit miteinander verbringen können. Außerdem steht die ganze Sache noch nicht hundertprozentig fest. Ich habe den Urlaub nämlich noch gar nicht genehmigt bekommen. Aber wenn alles wie geplant klappt, dann ist der Fünfzehnte nächsten Monats mein erster Urlaubstag.“ Ein paar Wochen Urlaub vorzutäuschen, um seine Entlassung zu vertuschen, hielt Crocodile alles in allem für eine gute Idee, auch wenn sie ihm sehr spontan gekommen war. Auf diese Weise würde es ihm gelingen, ganz einfach zu erklären, warum er morgens nicht zur Arbeit ging. Ihm war klar, dass es sich hierbei zwar nicht um eine endgültige Lösung handelte, doch zumindest würde ihm dieser Vorwand ein wenig mehr Zeit verschaffen. Und sein Geheimnis wäre für ein paar weitere Wochen gesichert. Außerdem war es tatsächlich sehr lange her, seit er das letzte Mal Urlaub von der Arbeit genommen hatte; das Szenario wirkte also durchaus realistisch. „Das ist wirklich süß von dir“, kommentierte Doflamingo die faustdicke Lüge seines Partners. „Weißt du was? Ich werde mir ab dem Fünfzehnten auch frei nehmen. Dann können wir endlich mehr Zeit miteinander verbringen und mal so richtig schön entspannen. Was hältst du davon?“ „Ähm, das klingt toll“, entgegnete Crocodile kurzerhand, weil alles Andere verdächtig gewirkt hätte. „Aber bist du dir sicher, dass du so kurzfristig überhaupt Urlaub genehmigt bekommst?“ Angesichts dieser naiven Aussage kicherte sein Partner bloß, ehe er meinte: „Bei wem soll ich denn bitteschön Urlaub anmelden, Wani? Ich bin mein eigener Chef. Und das bedeutet, dass ich mir Urlaub nehmen kann, wann und so viel ich will. Es gibt kein Limit. Das ist also kein Problem!“ „Oh, na gut.“ Crocodile war sich dessen bewusst, dass er Enthusiasmus vortäuschen musste, damit Doflamingo nicht misstrauisch werden würde. Darum fügte er in der fröhlichsten Stimme, die er heraufbeschwören konnte, hinzu: „Ich freue mich schon sehr auf unsere gemeinsame Zeit. Ein paar schöne und vor allen Dingen entspannte Urlaubstage haben wir beide uns wirklich verdient, denke ich.“ Doch obwohl Crocodile mit dieser bündigen Aussage seinen Partner schnell überzeugen konnte, gelang dies bei ihm selbst nicht auch nur halb so gut. Wenn er ehrlich war, dann lag ihm der Urlaub, den er ja bloß kurzerhand erfunden hatte, bereits jetzt wie eine schwere Ladung Steine im Magen. Er konnte bloß hoffen, dass es ihm weiterhin so gut gelingen würde geheim zu halten, dass er gekündigt worden war. Je mehr Zeit er mit seinem Freund verbrachte, desto größer wurde das Risiko, dass die Wahrheit womöglich doch ans Tageslicht kam. Allerdings blieb ihm derzeit nichts anderes übrig als dieses Risiko notgedrungen einzugehen. Das Unheil, das er selbst heraufbeschworen hatte, schien sich nicht mehr abwenden zu lassen. * Die drei Tage, die Crocodile in der Miracle-Sakura-Klinik verbringen musste, gingen überraschenderweise sehr schnell herum. Als die Zeit seiner Entlassung anstand, war er beinahe schon wehmütig; dabei konnte er Krankenhäuser normalerweise überhaupt nicht leiden. Womöglich lag dieser Umstand daran, dass er zum ersten Mal seit vielen Wochen endlich einmal dazu in der Lage war, wirklich abzuschalten. Schließlich hatte er während seines Aufenthalts nichts anderes zu tun gehabt als zu essen (und die Mahlzeiten, die Doflamingo für ihn beorderte, hatten weiterhin ausgezeichnet geschmeckt), sich mit seinen Besuchern zu unterhalten und zu schlafen. Er wurde sowohl von Daz besucht, bei dem er sich für dessen Hilfe überschwänglich bedankte, als auch von seinen beiden Geschwistern; alle Drei konnten allerdings nicht allzu lange bleiben, weil sie am Folgetag wieder arbeiten mussten; und der Weg zum Krankenhaus war sehr weit für sie, da sie alle nicht in derselben Stadt wohnten wie er. Aber dieser Umstand störte Crocodile nicht sonderlich. Er freute sich zwar sehr über seinen Besuch und die netten Geschenke, die dieser für ihn mitgebracht hatte, aber er mochte auch die Ruhe und Entspannung, die das Zimmer erfüllte, wenn niemand mehr da war - nicht einmal Doflamingo, der jeden Tag für vier oder fünf Stunden vorbeikam. „Bevor du das Krankenhaus verlässt, müssen wir noch über eine sehr wichtige Sache sprechen.“ Crocodile, der gerade in die Kleidung schlüpfte, die sein Partner für ihn mitgebracht hatte, sah verwundert und skeptisch zu diesem hinüber. Doflamingo wirkte momentan zwar nicht schlecht gelaunt, dafür allerdings sehr ernst. Unweigerlich schluckte Crocodile und ließ von seinem Hemd ab, das er gerade zuknöpfen wollte. Es kam nur sehr selten vor, dass sein Freund sich so ruhig und gemessen verhielt. Meistens ging es um irgendein sehr wichtiges Thema, wenn er diesen Ton anschlug. Crocodile spürte, wie sich Verunsicherung und Nervosität ausgehend von seinem Magen in jede Faser seines Körpers ausbreitete. Er hatte keine Ahnung, worüber Doflamingo mit ihm sprechen wollte. Doflamingo atmete zweimal tief ein und aus, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme sagte: „Du weißt, dass wir beide ausgemacht hatten, dass du für eine Zeit lang bei mir Zuhause wohnst. Zur Probe, sozusagen als eine Art Testlauf. Der Zeitraum, den wir vereinbart hatten, ist jetzt allerdings vorüber.“ Crocodile bemühte sich darum, Ruhe zu bewahren. Sein Herz schlug doppelt so schnell wie sonst in seiner Brust und er hatte das unangenehme Gefühl, dass es im Raum plötzlich sehr heiß geworden war. Natürlich hatte er gewusst, dass sein Partner irgendwann demnächst auf dieses Thema zu sprechen kommen würde. Doch er hatte nicht geahnt, dass dieser Zeitpunkt jetzt sofort eintreten würde. Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass man ihm noch ein paar weitere Tage gewähren würde, um über dieses sensible Anliegen noch einmal gründlich nachzudenken. Aber war es denn überhaupt notwendig, seine Entscheidung noch weiter hinauszuschieben? Crocodile biss sich selbst auf die Unterlippe und fixierte dann die Sonnenbrille seines Freundes. Wenn er ehrlich war, dann hatte er sich doch bereits entschieden. Es stand längst schon fest, dass er bei Doflamingo einziehen würde. Eine andere Möglichkeit gab es für ihn nicht, wenn er weiterhin den Schein des reichen Bankmanagers wahren wollte. Auch wenn sich durch diesen Schritt seine finanziellen Probleme noch weiter vergrößern würden. Er durfte dieses Kartenhaus aus Lügen, das er aufgebaut hatte, jetzt nicht zum Einsturz bringen! Doch wollte Doflamingo immer noch mit ihm zusammenziehen? Bei diesem Experiment, das sie beide durchgeführt hatten, ging es schließlich nicht bloß um seine Meinung - sondern auch um die seines Partners. Über die Option, dass Doflamingo seine Ansicht womöglich geändert hatte und überhaupt nicht mehr mit ihm zusammenwohnen wollte, hatte Crocodile sich gar keine Gedanken gemacht. Nutzte sein Freund etwa nun diese Gelegenheit, um ihm mitzuteilen, dass er seinen Vorschlag vom gemeinsamen Wohnen zurücknehmen wollte? „Ich muss gestehen“, fuhr Doflamingo fort, „dass mir die Wochen, in denen wir gemeinsam in meiner Villa gewohnt haben, unglaublich gut gefallen haben. Ich bin so glücklich gewesen wie schon lange nicht mehr.“ Ein Teil der Verunsicherung, die Crocodile gerade belastete, löste sich auf; allerdings handelte es sich dabei bloß um einen sehr kleinen Teil. Sein Partner hatte seine Meinung also doch nicht geändert. Er wollte noch immer mit ihm zusammenziehen. „Es fällt mir sehr schwer, in Worte zu fassen, wie ich mich fühle“, meinte Doflamingo und fuhr mit seiner Zunge über seine trockenen Lippen. „Ich bin nie sonderlich gut darin gewesen, meine Gefühle auszudrücken. Trotzdem weiß ich genau, dass du, Crocodile, der Mann meines Lebens bist und ich jede Minute genieße, die ich mit dir verbringen darf. Schon solche Kleinigkeiten wie morgens neben dir aufzuwachen oder mit dir gemeinsam zu frühstücken reichen aus, um mich den ganzen Tag lang glücklich zu machen. Es ist einfach wunderschön, dir so nah zu sein. Ich weiß, dass das jetzt kitschig klingt, aber ich will es trotzdem sagen: Erst seit du dich in meiner Villa aufhältst, ist sie nicht mehr nur mein Wohnsitz, sondern zu meinem Zuhause geworden. Während der Tage, die du im Krankenhaus verbringen musstest, habe ich mich lieber hier bei dir als in meiner Villa aufgehalten. Sie kommt mir einsam vor, wenn du nicht da bist. Denn mein Zuhause ist dort, wo du auf mich wartest, Crocodile.“ Doflamingo stockte für einen kurzen Moment und wich dem Blick seines Partners aus. Crocodile wusste, dass Doflamingo nur sehr selten seine Gefühlswelt offenbarte. Er grinste und kicherte zwar oft, doch dabei handelte es sich bloß um eine Maskerade. In Wirklichkeit war er ein eher zurückhaltender Mensch, der anderen keine Fläche bieten wollte, um ihn zu verletzen. Darum rührte es Crocodile sehr, dass Doflamingo nun so offen und ehrlich mit ihm sprach. Er war sich dessen bewusst, dass es nur sehr wenige Menschen gab, denen er sich aufrichtig anvertraute. Um seinem Partner die Frage, die dieser allem Anschein nach stellen wollte, ein wenig zu erleichtern, sagte Crocodile „Sprich ruhig weiter. Ich kann mir schon denken, worauf du hinaus willst. Es gibt keinen Grund, um verlegen zu werden. Doffy.“ Er nannte seinen Partner absichtlich bei dessen Kosenamen, weil er wusste, dass Doflamingo ihn sehr gerne hörte; auf eine seltsame Art und Weise schien ihm dieser Name Zuversicht zu schenken und ihn glücklich zu machen. „Mein Fahrer wartet draußen vor dem Gebäude auf uns“, fuhr Doflamingo mit fester Stimme fort. „Es gibt zwei verschiedene Ziele für unsere Fahrt, Crocodile. Aber er wird nur zu einem von beiden fahren. Was soll ich meinem Fahrer sagen, wenn er mich fragt, wohin es gehen soll? Zu dir in deine Loft-Wohnung oder zu mir in meine Villa?“ Crocodile zögerte keinen Augenblick, ehe er meinte: „Sag ihm, er soll zu meiner Wohnung fahren.“ Erst als er Doflamingos enttäuschten und fassungslosen Gesichtsausdruck sah, bemerkte er, wie missverständlich seine Aussage geklungen haben musste. Darum fügte er so rasch wie möglich hinzu: „Um meine Sachen zu holen! Du weißt schon, Kleidung und anderen Kram. Ich besitze ein paar Sachen, die ich gerne mitnehmen möchte, die ich auf jeden Fall mitnehmen muss, wenn ich bei dir einziehe. Verstanden? So habe ich es gemeint!“ Er sah, dass sich der niedergeschlagene Gesichtsausdruck seines Partners in einen verärgerten und betretenen verwandelte. „Dann sag doch das gleich, du Idiot!“, meinte er mit einer vorgeschobenen Unterlippe. „Und jag mir nicht so einen verdammten Schrecken ein!“ „Nenn mich gefälligst nicht einen Idioten!“, gab Crocodile zurück. Er konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihn beleidigte; auch wenn sein Freund dieses Schimpfwort wahrscheinlich bloß halbherzig gemeint hatte. „Und außerdem habe ich überhaupt keine böse Absicht gehabt. Deswegen habe ich mich ja sofort korrigiert, als ich bemerkt habe, dass du meine Aussage falsch verstanden hast!“ „Ich weiß, dass du es nicht böse gemeint, sondern dich bloß falsch ausgedrückt hast“, erwiderte sein Partner schnippisch. „Deswegen habe ich dich ja auch einen Idioten genannt, und nicht etwa einen Bastard oder einen Arsch.“ „Da fühle ich mich aber geehrt, dass ich in deinen Augen kein Bastard oder Arsch bin, sondern bloß ein Idiot!“ Doflamingo grinste. „Jetzt reg dich doch nicht so auf, Crocobaby“, meinte er augenzwinkernd. „Ich habe es nicht böse gemeint. Genausowenig wie du eben. Oder? Also sind wir quitt. Und jetzt lass uns endlich aus diesem Krankenhaus verschwinden, ja? Ich will dich in anderer Gesellschaft als der von weißen Wänden sehen. Man wird ganz verrückt hier drin. Kommst du?“ „Gleich“, erwiderte Crocodile. „Sei doch nicht so hektisch. Auf die paar Minuten kommt es schließlich auch nicht mehr an. Ich knöpfe noch eben mein Hemd zu Ende und dann können wir gehen.“ * Es war ein sehr seltsames Gefühl, nach Wochen der Abwesenheit seine Loft-Wohnung das erste Mal wieder zu betreten. Bedächtig, fast schon melancholisch blickte Crocodile sich um und achtete auf jedes Detail, als er die Türschwelle überquerte. Den Parkett-Boden, die Küche und die Möbel hatte er sich damals bei seinem Einzug nach reichlicher Überlegung neu angeschafft. Auch die Wände hatte er sich frisch tapezieren und streichen lassen. Er hatte sich viel Zeit genommen, um die richtige Einrichtung auszuwählen; und war auch nicht geizig gewesen. Die Farben waren genaustens aufeinander abgestimmt und auch die verschiedenen Materialien harmonierten miteinander. Denn ursprünglich hatte er vorgehabt, sehr lang in dieser Wohnung wohnen zu bleiben. Dass es am Ende doch bloß zwei Jahre werden würden, hatte er damals nicht ahnen können. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob er seine Wohnung wohl anders und womöglich kostengünstiger eingerichtet hätte, wenn er über diesen Umstand vorher Bescheid gewusst hätte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Doflamingo, der neben ihm stand. „Du wirkst plötzlich irgendwie traurig.“ „Ich bin okay“, entgegnete Crocodile, während er das Wohnzimmer ansteuerte. Das Bücherregal in diesem Raum war eine Sonderanfertigung, die ihm sehr viel bedeutete. „Es ist bloß so, dass es mir schwerer fällt als ich gedacht habe, mich von meiner Wohnung zu trennen. Eigentlich habe ich mich nie für einen sonderlich emotionalen Menschen gehalten, aber jetzt merke ich, dass ich allem Anschein nach an vielen Dingen doch sehr hänge.“ „Oh“, war für eine ganze Weile das einzige, was Doflamingo zu dieser Bekenntnis sagte. Vermutlich hatte er nicht geahnt, dass er mit seinem Wunsch, sein Partner möge rasch bei ihm einziehen, diesen so stark belastete. Er war ein Mensch, der immer durchsetzen wollte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, und häufig erst viel später über die Konsequenzen nachdachte. Sie schwiegen für einen Moment, während Crocodile seinen Blick über die Einrichtung in seinem Wohnzimmer schweifen lief: die Ledercouch, der Fernsehtisch, das Bücherregal, der Teppich, der Couchtisch, der Fernseher, die Lampe, die schweren Vorhänge vor dem Fenster und so weiter. Plötzlich fragte er sich, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, dem Zusammenzug mit seinem Freund zuzustimmen. Eigentlich wollte er doch gar nicht aus seiner Loft-Wohnung ausziehen! Crocodile zögerte und spürte schon, wie er diese überstürzte Entscheidung bereute, als er sich schließlich bewusst machte, dass sein Einzug bei Doflamingo prinzipiell nichts an seiner derzeitigen Situation änderte. Ob nun so oder so: Bleiben konnte er in seiner Loft-Wohnung sowieso nicht. Jetzt, da er seine Arbeit verloren hatte, war sie viel zu teuer geworden. Und seinem Vermieter gekündigt hatte er ebenfalls bereits. Ganz gleich, wie er die Sache auch drehte und wendete, es gab einfach keinen Weg zurück; sondern bloß die Flucht nach vorne. Er würde diesen Umzug durchstehen müssen, ob er wollte oder nicht. Nur auf diese Weise konnte er verhindern, dass sein Partner von seinen Schulden und seiner Kündigung erfuhr. „Du musst ja nicht alles zurücklassen“, durchbrach irgendwann Doflamingos Stimme die Stille. „Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast, du müsstest deine Identität oder dein Leben für mich aufgeben. Ich möchte bloß, dass du einen größeren Raum in meinem Leben einnimmst. Dieser Zusammenzug soll eine Zusammenführung von uns beiden sein. Und das bedeutet natürlich auch, dass du Möbel und andere Dinge von dir mitnehmen kannst. In meiner Villa... also, in unserem Zuhause ist schließlich mehr als genug Platz vorhanden.“ „Das klingt gut“, meinte Crocodile und fühlte sich ein wenig besser; fast schon erleichtert. „Aber es gibt gar nicht allzu viele Dinge, die ich mitnehmen möchte. Der Großteil meiner Kleidung befindet sich ja sowieso schon bei dir.“ Da er für eine Vielzahl seiner Möbelstücke einen Kredit aufgenommen hatte, machte es keinen Sinn, sie bei einem Umzug auf Biegen und Brechen mitzuschleppen. Stattdessen würde er sie lieber verkaufen und mithilfe des Erlöses die ausstehende Summe des entsprechenden Kredites zahlen. Dann wäre er zwar seine exklusiv ausgewählten und sehr hochwertigen Möbel los, dafür wäre allerdings auch ein Teil seiner Schulden getilgt. Crocodile brauchte nicht viel Zeit, um diese beiden Punkte gegeneinander abzuwiegen und letzteren als wertvoller zu befinden. Jeder Berry, den er zurückzahlte, war ein weiterer Schritt auf dem Weg, der aus seiner derzeitigen schlechten Lebenssituation hinausführte. Und brauchen tat er die Möbel sowieso nicht, wenn er bei Doflamingo wohnte. Sein Partner besaß nämlich natürlich bereits jeden Luxusartikel, den man sich nur vorstellen konnte. „Was hältst du davon, wenn du dir in Ruhe überlegst, was du mitnehmen möchtest und was nicht? Und deine Auswahl teilen wir dann dem Umzugsunternehmen mit. Die restlichen Möbel werden dann entsorgt oder was auch immer du damit machen möchtest.“ „Das ist wahrscheinlich die beste Lösung“, stimmte Crocodile dem Vorschlag seines Partners zu. Gemeinsam streiften sie in einem langsamen Schritttempo durch die knapp 250 Quadratmeter zählende Loft-Wohnung; Crocodile begutachtet wehmütig alle Möbelstücke und Einrichtungsgegenstände, die er besaß. Während er sich Gedanken darüber machte, was bereits abbezahlt war, was wie teuer gewesen, wovon er sich trennen und was er unbedingt mitnehmen wollte, hielt Doflamingo sich größtenteils zurück. Er sprach sehr wenig und mischte sich nicht in die Entscheidungen seines Freundes ein, was ein sehr untypischen Verhalten für ihn war. Anscheinend war er der Ansicht, dass es sich hierbei um eine sehr emotionale und intime Situation handelte, in der er seinem Partner lieber ein wenig Ruhe und Raum gewähren sollte. „Ich sollte mir am besten aufschreiben, was ich mitnehmen werde und was nicht“, meinte Crocodile, als er irgendwann feststellte, dass es sich doch um mehr Dinge handelte als er sich im Kopf merken konnte. „In meinem Arbeitszimmer müssten Papier und Stifte sein.“ Gemeinsam mit Doflamingo suchte er also sein Arbeitszimmer auf, das sie bisher noch nicht betreten hatten. Der Anblick des großen Mahagoni-Schreibtisches versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich. Für einen Manager war es natürlich unumgänglich, sich auch Zuhause ein Büro einzurichten. Immer wieder musste man Arbeit mit nach Hause nehmen und auch in seiner Freizeit dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Crocodile hatte in den letzten zwei Jahren sehr viel Zeit an diesem Schreibtisch verbracht. Er hatte hart gearbeitet und immer sein Bestes gegeben. Und am Ende war doch alles umsonst gewesen. Crocodile musste hart schlucken. Dieser Schreibtisch aus dunklem Mahagoni machte ihm auf eine ganz furchtbare Art und Weise deutlich, dass er versagt hatte. Er war nicht gut genug gewesen. Er hatte sein Leben verpfuscht. Die vielen Jahre, die er studiert und sich hochgearbeitet hatte, waren umsonst gewesen. Bedächtig umrundete Crocodile seinen Schreibtisch. Neben dem Computer standen einige eingerahmte Fotos. Eines zeigte ihn gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern; Hancock lächelte fröhlich in die Kamera, Mihawk wirkte stoisch wie immer und er selbst hatte einen recht genervten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Er wusste gar nicht mehr genau, wann oder wo das Bild aufgenommen worden war, doch es gefiel ihm sehr gut. Seiner Meinung nach waren ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten sehr lebensecht festgehalten worden. Auf einem weiteren Foto war Doflamingo abgebildet: Er trug ein orangefarbenes, nur halb zugeknöpftes Hemd und grinste frech in die Kamera. Ein drittes Foto zeigte Daz und ihn in ihrer Studienzeit. Sein alter Freund hatte brüderlich einen Arm um ihn gelegt. Sie waren auf einer Party gewesen, als das Foto aufgenommen worden war: Im Hintergrund sah man ein paar Menschen (seinen Exfreund Marco eingeschlossen), die ausgelassen feierten und sich miteinander unterhielten. Außerdem hielten sie alkoholische Getränke in ihren Händen; Daz ein Bier und er selbst eine kleine Flasche Wein. Damals hatte er noch beide seiner Hände gehabt und auch sein Gesicht war noch von keiner Narbe verunstaltet worden. „Bist du das?“, fragte sein Partner verwundert, während er das eingerahmte Foto betrachtete, das vor vielleicht zwölf oder dreizehn Jahren aufgenommen worden war. Doflamingo hatte sich bisher nie sonderlich oft oder lange in seinem Arbeitszimmer aufgehalten, daher kannte er die Bilder, die dort auf dem Schreibtisch standen, nicht. „Man erkennt dich kaum wieder. So ganz ohne Narbe und mit beiden Händen.“ Crocodile nickte. „Es ist ein sehr altes Bild“, erklärte er. „Daz und ich sind auf einer Studentenparty gewesen. Die Sache mit meiner Hand ist erst gegen Ende meines Studiums passiert. Und meine Narbe ist sowieso erst deutlich später noch dazu gekommen.“ Besagte Party hatte in der Wohnung von Marco stattgefunden, doch Crocodile hielt es für ratsam, diesen Umstand seinem derzeitigen Partner lieber zu verschweigen. Doflamingo reagierte sehr schnell eifersüchtig. Außerdem war diese Tatsache sowieso belanglos. Er hatte seinen Exfreund schließlich seit über zehn Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen; es war bloß eine unbedeutende Jugendliebe gewesen. „Also, ich wollte damit auf keinen Fall sagen, dass du heute schlechter aussiehst!“, warf Doflamingo sofort hektisch aus. „Mir machen deine Narbe und deine fehlende Hand überhaupt nichts aus; schließlich habe ich dich so kennengelernt. Du sahst damals nur eben anders aus. Ganz ungewohnt.“ Crocodile winkte ab. „Ist schon okay, mach dir keine Gedanken.“ Zu Beginn hatte er selbst zwar sehr große Schwierigkeiten damit gehabt, sich an diese beiden Verunstaltungen seines Körpers zu gewöhnen, doch inzwischen hatte er sich damit abgefunden. Ihm machte es nicht aus, wenn sein Partner dieses Thema ansprach, auch wenn jener anscheinend glaubte, dass es sich dabei um einen seiner wunden Punkt handelte. „Wer sind denn die Leute im Hintergrund?“, fragte Doflamingo. Vermutlich wollte er rasch das Gesprächsthema wechseln. „Ach, bloß ein paar Mitstudenten“, erwiderte Crocodile ausweichend und suchte nach einem Stück Papier und einem Stift. Schließlich waren sie deswegen überhaupt ins Arbeitszimmer gegangen; und nicht, um sich alte Fotos von ihm anzuschauen und gegebenenfalls Diskussionen über seinen Exfreund zu führen. „Abgesehen von Daz habe ich eigentlich gar keinen Kontakt mehr zu irgendwelchen Leuten von der Universität. Nach dem Abschluss verliert man sich sehr leicht aus den Augen.“ Er fand schließlich einen unbenutzten Schreibblock und notierte Fotos ganz oben auf der Seite. Dann fügte er einen kleinen Pfeil hinzu und schrieb vorher aussortieren daneben. „Ich habe noch eine Menge anderer Fotos“, meinte er auf den fragenden Blick seines Partners hin. „Du weißt schon, alte Kinderfotos und so einen Kram. Die werde ich bestimmt nicht alle mitnehmen. Es macht nämlich einfach keinen Sinn, hunderte lose Fotos mitzunehmen, die ich mir sowieso nie anschaue. Ich sollte diesen Umzug als Anlass nehmen, um zu sortieren, welche ich mitnehmen möchte und welche nicht.“ „Klingt logisch“, entgegnete Doflamingo. „Wenn du möchtest, dann kann ich dir dabei helfen. Ich würde gerne mal ein paar Kinderfotos von dir sehen. Und was hältst du davon, wenn wir uns ein paar hübsche Fotoalben zulegen? Dann können wir die ganzen losen Fotos einkleben. Ich finde Fotoalben nämlich total romantisch! Das ist so schön altmodisch.“ Crocodile rollte mit den Augen, ergab sich schlussendlich aber doch den Wünschen seines Freundes. „Du stehst doch auf alles, was altmodisch ist. Oder eher kitschig. Aber von mir aus können wir das machen. Wie wäre es mit morgen Nachmittag?“ „Gerne“, sagte Doflamingo, der auf die abfällige Aussage seines Partners hin bloß angefangen hatte zu kichern. „Ich freue mich schon darauf.“ „Wie auch immer“, erwiderte Crocodile und versuchte, die Aufmerksamkeit von ihnen beiden wieder auf den eigentlichen Grund hinzulenken, weswegen sie hier waren. „Jetzt sortieren wir erstmal die Möbel, wenn dir das nichts ausmacht. Um die Fotos kümmern wir uns morgen. Ich möchte möglichst schnell fertig werden. Die Luft hier in der Wohnung ist nämlich furchtbar stickig. Kein Wunder: Schließlich ist wochenlang kaum gelüftet worden.“ Die Raumluft war tatsächlich sehr schlecht, doch wenn er ehrlich war, dann war dieser Grund bloß ein Vorwand für seine Eile. In Wirklichkeit wollte Crocodile bloß die Beine in die Hand nehmen, damit er zum einen nicht mehr den Anblick seines teuren Mahagoni-Schreibtisches ertragen musste und zum anderen, weil er sich sputen musste, was den bevorstehenden Umzug anging - schließlich lief sein Mietvertrag bereits in nur zwei Wochen aus. Bis dato mussten all seine Habseligkeiten entweder vernichtet, abgegeben oder in Doflamingos Villa einquartiert sein. Und das waren bei Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen, die sich auf insgesamt 250 Quadratmeter Wohnfläche verteilten, nicht unbedingt eine leichte Aufgabe. * Am nächsten Tag riefen sie ein Umzugsunternehmen an. Es war früher Abend und sowohl Doflamingo als auch Crocodile waren bereits von ihrer Arbeit ins heimische Wohnzimmer zurückgekehrt. Letzterer fühlte sich ein wenig ausgelaugt, weil seine Arbeit in der Bank heute besonders zermürbend gewesen war und weil er sich noch immer nicht daran gewöhnt hatte, nach Feierabend eine fast einstündige Autofahrt auf sich nehmen zu müssen, um zu der Villa seines Partners zu gelangen, doch er bemühte sich so gut wie möglich darum, diesen Umstand zu verschleiern. „Für wann wollen wir die Möbelpacker denn bestellen?“, fragte Doflamingo, der das Telefon in der Hand hielt. „Gibt es irgendeinen Termin, der dir besonders gut passt?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Mir ist das eigentlich relativ egal“, sagte er wahrheitsgemäß. Als ihm jedoch der kurze Zeitraum einfiel, den er nur noch für den Auszug aus seiner Loft-Wohnung übrig hatte, fügte er rasch hinzu: „Aber am besten natürlich so schnell wie möglich. Die wichtigsten Sachen sind ja sowieso schon geklärt; also, welche Möbel ich gerne mitnehmen möchte und welche nicht. Von mir aus können wir die Möbelpacker schon für nächstes Wochenende bestellen.“ „Klingt gut“, erwiderte Doflamingo fröhlich; seit der Entlassung seines Partners aus dem Krankenhaus und dessen fester Zusage, bei ihm in die Villa einzuziehen, schien er ständig bester Laune zu sein. Nichts konnte ihm die gute Stimmung verderben. Und offenbar sehnte er sich den bevorstehenden Umzug seines Freundes ebenfalls rasch herbei; jedenfalls machte er den Anschein, als hätte er überhaupt gar kein Problem mit Crocodiles großer Eile. „Passt dir Samstag? Das ist der Dritte nächsten Monats.“ „Samstag passt“, entgegnete Crocodile. „Super“, sagte Doflamingo, während er die Nummer des Umzugsunternehmen, das er herausgesucht hatte, in das Telefon eintippe. Angesichts dieses Verhaltens legte Crocodile die Stirn in Falten. „Warum rufst du an?“, fragte er seinen Partner mit mürrischer und vorwurfsvoller Stimme. „Schließlich ziehe ich um und nicht du. Ich sollte lieber mit dem Umzugsunternehmen sprechen!“ Doflamingo allerdings winkte bloß ab. „Das ist doch völlig egal, oder nicht?“, meinte er unbeeindruckt, während er darauf wartete, dass am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde. „Nein, ist es nicht“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du weißt genau, dass ich es überhaupt nicht leiden kann, wenn man mir irgendetwas abnimmt!“ Doflamingo wollte zu einer Erwiderung ansetzen, verstummte allerdings, als sich per Telefon besagtes Umzugsunternehmen meldete. Er ignorierte den finsteren Blick, den sein Freund ihm zuwarf, und erklärte stattdessen den Umzugsleuten ihre Situation; er nannte auch den Termin, den sie beide sich wünschten. Es dauerte etwa eine Viertelstunde, bis alle wichtigen Fragen geklärt worden waren. „Jetzt sei doch nicht so furchtbar eingeschnappt“, sagte Doflamingo, als sein Partner sich auch nach Ende des Telefonats noch immer nicht wieder eingekriegt hatte. „Ich habe allen Grund dazu, eingeschnappt zu sein“, entgegnete dieser giftig. „Du nimmst mir meine Telefonate ab! Es geht hier um meinen Umzug, nicht um deinen. Demnächst geht es noch so weit, dass du Termine beim Zahnarzt für mich ausmachst! Gott behüte!“ Wie so häufig nahm Doflamingo seinen Ärger jedoch nicht sonderlich ernst. „Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?“, fragte er grinsend und kichernd. „Was wäre denn so schlimm daran, wenn ich Zahnarzttermine für dich ausmachen würde? Wir sind doch schließlich ein Paar, oder nicht? Ein gemeinsames Team.“ „Du tust so, als wären wir seit zwanzig Jahren verheiratet“, sagte Crocodile augenrollend, spürte allerdings bereits wieder, wie sich sein Ärger langsam in Luft auflöste. Er konnte seinem Freund einfach nie lange böse sein; zumindest nicht, wenn es sich bloß um irgendwelche Kleinigkeiten handelte. „Mir kommt es eben so vor, als würden wir uns schon ewig kennen“, erwiderte Doflamingo, während er einen Arm um seinen Partner legte und diesen näher zu sich heranzog. „Man sagt doch immer, dass die Zeit schnell vergeht, wenn man sie mit jemanden verbringt, den man sehr gerne mag, oder nicht?“ „Wir sind erst seit sieben oder acht Monaten ein Paar“, meinte Crocodile und versucht die Röte zu verbergen, die seinen Hals hinaufkroch. Es war ihm immer ein wenig unangenehm, wenn man ihm Komplimente machte. Doflamingo kicherte keck und rückte noch näher an ihn heran. Crocodile konnte den Atem seines Partners an den Spitzen seiner Ohren fühlen. Sofort wurde ihm sehr warm. Er ahnte bereits, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. „Es kommt mir viel länger vor“, sagte Doflamingo und knabberte sanft an der Ohrmuschel seines Partners. Augenblicklich spürte dieser, wie ihm ein angenehmer Schauer über den Rücken lief. Seine Ohren gehörten nach seinem Hals und seinen Brustwarzen zu seinen empfindlichsten Körperstellen. Worüber Doflamingo ganz genau Bescheid wusste. „Ich kann es mir gar nicht mehr vorstellen, mein Leben ohne dich zu verbringen. Ich hoffe, dass wir beide für immer zusammen bleiben werden.“ „Das hoffe ich auch“, erwiderte Crocodile, während Doflamingos Mund von seinem Ohr hinab zu seinem Hals glitt und dort seine Tätigkeit fortführte. Er bearbeitete sowohl mit seinen Zähnen als auch mit seinen Lippen und seiner Zunge eingehend die überaus empfindliche Haut an dieser Stelle. Sie hatten wegen des Zwischenfalls im Skypia und Crocodiles mehrtägigem Krankenhausaufenthalt, der daraus resultiert war, seit letztem Wochenende keinen Sex mehr gehabt. In ihrer Beziehung und vor allen Dingen für Doflamingo war das ein sehr langer Zeitraum; sein Partner hatte nämlich am liebsten jeden Tag Sex. Mindestens einmal, gerne aber auch zweimal oder öfter. Erst seit sie beide zusammenwohnten und sich jeden Tag sahen, war Crocodile wirklich bewusst geworden, welchen großen Raum Sexualität im Leben seines Freundes tatsächlich einnahm. Und wie sehr sich Doflamingo in den vielen Monaten, als sie noch getrennt gewohnt hatten und sich darum bloß bestenfalls dreimal in der Woche sehen konnten, zusammengerissen und zurückgehalten haben musste. Zumindest ging Crocodile davon aus, dass sein Partner ihm in ihrer Beziehung immer treu geblieben war, auch wenn sie damals nicht ganz so oft Sex miteinander haben konnten, wie dieser es sich gewünscht hätte. Der Gedanke daran, dass Doflamingo ihn womöglich betrügen oder betrogen haben könnte, sorgte bei Crocodile für ein flaues Gefühl im Magen. Schließlich war er in den letzten Wochen und Monaten häufig sehr gereizt und übellaunig gewesen; außerdem hatte er ihrer Liebesbeziehung durch viele Überstunden und abgesagten Verabredungen noch weniger Zeit als sowieso schon eingeräumt. Wäre es da verwunderlich, wenn Doflamingo sich in besonders einsamen Stunden die Zeit mit einem anderen Mann vertrieben hätte? Oder mit einer Frau. Schließlich war sein Partner nicht wie er selbst homo-, sondern bisexuell. Sehnte sich Doflamingo vielleicht gelegentlich nach weiblicher Gesellschaft? „Du wirkst ganz abwesend“, riss ihn die vorwurfsvolle Stimme besagter Person aus den Gedanken. Doflamingo, der sich inzwischen daran gemacht hatte, das Hemd seines Partners aufzuknöpfen, warf ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen abschätzenden Blick zu. „Gefällt dir nicht, was ich mache? Oder bist du heute nicht in der Stimmung für Sex?“ „Doch, doch“, erwiderte Crocodile, der sich ein wenig ertappt fühlte, hastig und rieb sich mit der rechten Hand die Schläfe. „Ich bin nicht wirklich abwesend, ich genieße bloß dein schönes Verwöhnprogramm.“ Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Oder wünschst du dir, dass ich etwas aktiver werde? Wenn du möchtest, dann kann ich heute oben sein?“ Doflamingo schüttelte langsam den Kopf. „Nein, ist schon gut. Ich bin gerne oben, das weißt du doch. Außerdem hast du dir nach deinem Aufenthalt im Krankenhaus ein wenig Entspannung und Zuwendung redlich verdient, finde ich. Also lass dich einfach darauf ein, ja? Ich kümmere mich um dich und bemühe mich darum, dir ein paar schöne Momente zu bescheren.“ Die letzten Worte sprach Doflamingo mit einem lüsternen Grinsen im Gesicht aus. „Ein paar schöne Momente?“, wiederholte Crocodile und versuchte die Instruktionen seines Partners in die Tat umzusetzen. Er schob die Gedanken daran, dass Doflamingo ihn womöglich betrügen könnte, zur Seite und konzentrierte sich stattdessen auf das, was nun geschehen würde. Schließlich hatte er nicht den geringsten Beweis, was das Fremdgehen anging; es handelte sich bloß um eine haltlose Vermutung seinerseits. Vermutlich tat er Doflamingo sogar großes Unrecht damit, dass er an so etwas auch nur dachte. Während ihrer gesamten Beziehung hatte ihm sein Partner jedenfalls noch nie einen ernsthaften Grund zur Eifersucht gegeben. „Ganz genau“, bestätigte Doflamingo, während er die Sonnenbrille ablegte und seine stechend grünen Augen freilegte. Wie immer, wenn sein Freund ihn völlig unverwandt anblickte, lief Crocodile prickelnd ein Schauer über den Rücken; außerdem stellten sich die feinen Härchen an seinen Armen und in seinem Nacken auf. Doflamingo nahm seine Sonnenbrille nämlich nur zum Schlafen und zum Sex ab. [zensiert] „Und?“, meinte Doflamingo breit grinsend, während er sich langsam aufrichtete. „Hat es dir gefallen, Crocobaby?“ Crocodile war zu keiner Antwort fähig. Aber das konnte sein Freund natürlich selbst sehr gut sehen; wie immer wollte er ihn bloß ärgern, vermutete Crocodile. Er lag mit noch immer gefesselten Armen nackt auf der Couch, hatte seine Augen inzwischen wieder geschlossen und bemühte sich darum, zu Atem zu kommen. Er fühlte sich völlig ausgelaugt. Und ein wenig benommen. Er würde ein paar Minuten Ruhe brauchen, ehe er wieder ansprechbar sein würde. Im Augenblick fühlte er sich nämlich weniger wie eine echte Person, sondern eher bloß wie ein zusammengesunkener, heißer und schwer atmender Haufen menschlichen Fleischs. Der Sex mit seinem Freund war zwar meistens gut, doch dieses Mal hatte Doflamingo sich wirklich selbst übertroffen. (Obwohl es sich technisch gesehen nicht einmal wirklich um Sex gehandelt hatte: Schließlich hatte Doflamingo ihn nicht mit seinem Penis penetriert.) „Mach meine Arme los!“, war das erste, was Crocodile sagte, als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte. Jetzt, da er sich nicht mehr in einer erotischen Situation befand, gefiel ihm auch das Gefühl nicht mehr, nackt und gefesselt zu sein, während sein Partner noch immer vollständig bekleidet war. Doflamingo kicherte, doch kam seiner Anordnung rasch nach und befreite ihn von den beiden schwarzen Schals, die er anschließend neben den Vibrator auf den Couchtisch legte. „Und wie hat es dir nun gefallen?“ „Als wüsstest du das nicht schon...!“, erwiderte Crocodile bloß seufzend. Er wollte gerade seine Kleidung zusammensuchen, sie sich überstreifen und sich dann ein großes Glas Wasser besorgen (aus irgendeinem Grund war er im Moment sehr durstig), als ihm plötzlich bewusst wurde, was es bedeutete, dass sein Partner noch immer vollständig bekleidet war: Mal wieder war Crocodile von Doflamingo -ohne danach fragen zu müssen- sexuell verwöhnt worden, während dieser selbst vielmehr zurückgesteckt hatte. Sofort überkamen Crocodile Schuldgefühle: Ganz gleich wie erschöpft und durstig er sich gerade fühlte, konnte er doch seinen Freund, der ihm so viel Gutes getan hatte, nicht einfach unbefriedigt sitzen lassen. Er wusste, dass es sein Pflicht war, den Gefallen zurückzugeben. Crocodile wollte keiner dieser Liebhaber sein, die immer nur nahmen, aber niemals bereit waren, zu geben. Also strich er sich die Haare aus dem Gesicht, anstatt nach seiner auf dem Fußboden liegenden Hose zu greifen, und beugte sich zu Doflamingo hinüber, der am anderen Ende der Couch saß. „Was kann ich tun, um den Gefallen, den du mir erwiesen hast, zurückzugeben?“, fragte er mit gleichzeitig matter und lasziver Stimme. „Dich ausruhen und dir eine Zigarre gönnen“, erwiderte Doflamingo noch immer grinsend, während er ihm mit einer Hand zärtlich durchs Haar fuhr. „Was?“, hakte Crocodile überrascht nach; mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Eher damit, dass sein Partner sich so schnell wie nur irgendwie möglich aus seiner Hose schälen und sich auf ihn stürzen würde. Da er ja sowieso eben sowohl mittels Finger als auch mittels Vibrator verwöhnt und geweitet worden war, wäre schließlich nicht einmal eine erneute Vorbereitung notwendig. Er könnte sofort loslegen. Wenn er denn wöllte. „Dich ausruhen und dir eine Zigarre gönnen“, wiederholte Doflamingo. „Du siehst ziemlich fertig aus. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie laut du eben geschrien hast.“ „Aber willst du denn nicht weitermachen? Du bist doch noch gar nicht auf deine Kosten gekommen!“ Solche Situationen wie diese hier geschahen in letzter Zeit recht häufig, fand Crocodile. Doflamingo verwöhnte ihn auf irgendeine Art und Weise, hatte es dann allerdings nicht sonderlich eilig, seinen eigenen Anteil einzufordern. Dabei konnte sein Freund doch gerade von Sex normalerweise nie genug bekommen! Crocodile kam nicht umhin, sich erneut zu fragen, ob Doflamingo womöglich eine Affäre hatte. Das würde zumindest erklären, wieso dessen Verlangen nach Sex in letzter Zeit ein wenig abgesunken war. Auf der anderen Seite fragte Crocodile sich allerdings, wieso dieser sich dann überhaupt die Mühe machte, eine erotische Situation heraufzubeschwören und ihn zu verwöhnen; vor allen Dingen dann, wenn er selbst keine Signale setzte, die darauf hindeuten würden, dass er gerade Lust auf Sex hatte. Dieses paradoxe Verhalten seines Partners gab Crocodile Rätsel auf; so kannte er ihn überhaupt nicht. „Natürlich will ich weitermachen“, meinte Doflamingo und gab ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. „Aber ich möchte auch, dass es dir gefällt.“ Er zögerte für einen kurzen Moment und holte dann aus: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass du es als Pflicht ansiehst, mit mir zu schlafen.Vor allem, wenn ich dir vorher zum Beispiel einen Blowjob gegeben habe oder ich dich wie eben mit dem Vibrator überrascht habe. Aber das möchte ich nicht. Ich möchte nicht, dass du den Sex mit mir bloß als eine Verpflichtung ansiehst; sondern, dass du mit mir schläfst, weil du selber Lust darauf hast und das möchtest. Um ehrlich zu sein, kann ich diese Wenn du mir etwas Gutes tust, muss ich dir um jeden Preis auch etwas Gutes tun-Logik überhaupt nicht leiden.“ „Ich... tut mir leid“, war das einzige, was Crocodile angesichts dieser unerwarteten Beichte hervorbrachte. Er fühlte sich geschockt und sehr überfordert mir diesem Gespräch, das sie beide gerade führten. „Ich...ähm... ich wusste nicht, dass mein Verhalten beim Sex so... so komisch und zwanghaft wirkt.“ „Das soll kein Vorwurf sein!“, warf sein Freund sofort ein, als er bemerkte, dass Crocodile sich ertappt fühlte. „Ich weiß doch, dass du mir nichts Böses willst. Ganz im Gegenteil: Du willst mir ja sogar etwas Gutes tun. Aber ich habe eben oft das Gefühl, dass du das hauptsächlich aus deinem Pflichtbewusstsein heraus tust. Und, ähm, darum bitte ich dich darum, dieses Verhalten einzustellen. Zu versuchen, es einzustellen! Ich möchte nämlich, dass unser Sex ganz locker und entspannt abläuft. Ohne irgendwelche Zwänge und Pflichten. Es ist sowieso unmöglich, eine Art absolute Gleichheit herzustellen. Mal hat der Eine mehr Lust beim Sex und mal der Andere. Und das ist auch überhaupt nicht schlimm. Deswegen mach dir bitte nicht immer selbst so einen fürchterlichen Druck, ja?“ „Ähm, klar“, sagte Crocodile und nickte. Er war sich durchaus dessen bewusst, dass Doflamingo mit seiner Beobachtung genau ins Schwarze getroffen hatte; allerdings war Crocodile nie klar gewesen, dass er beim Sex so schrecklich offensichtlich nach seinem Pflichtgefühl handelte. Und vor allen Dingen wäre er auch niemals auf die Idee gekommen, dass dieses Verhalten einen seiner Sexualpartner stören könnte. Er hatte mit seinen Exfreunden und One-Night-Stands bisher sogar eher noch die Erfahrung gemacht, dass sein Sinn für ausgleichende Gerechtigkeit im Bett sehr gern gesehen wurde. „Ich hoffe, du fühlst dich jetzt nicht verletzt“, sagte Doflamingo und umarmte ihn sanft. „Ich weiß, dass Sex in jeder Beziehung ein sehr sensibles Thema ist und dass es dir ganz besonders schwer fällt, darüber zu sprechen. Sei bitte nicht wütend auf mich, ja? Es ist doch wirklich bloß eine Kleinigkeit, die mich stört. Nichts Schlimmes. Alles andere an dir finde ich super!“ „Nein, ist schon gut, ich bin nicht wütend“, erwiderte Crocodile. Diesmal log er nicht; er war tatsächlich nicht wütend, fühlte sich eher ein wenig vor den Kopf gestoßen. Er schwieg für einen Moment, ehe er zu einer Erwiderung ansetzte: „Aber so einfach wie du dieses Prinzip darstellt, ist es in der Realität nicht umzusetzen! Stell dir das doch nur mal vor: Du gibst mir einen... naja, einen richtig tollen Blowjob oder so etwas in der Art... und dann sage ich einfach Danke, das reicht mir, ich habe keine Lust weiterzumachen. Vielleicht morgen. Dann wärst du doch sicher enttäuscht von mir, oder nicht? Was in dieser Situation natürlich auch völlig verständlich wäre. Und ich möchte dich einfach nicht enttäuschen. Vor allen Dingen beim Sex nicht; ich weiß doch, wie wichtig dir guter Sex in einer Beziehung ist!“ „Klar ist mir guter Sex wichtig“, meinte Doflamingo. „Wenn der Sex nicht gut läuft, dann läuft die gesamte Beziehung nicht gut. Aber genau deswegen möchte ich ja, dass du dich nicht unter Druck setzt. Du sollst den Sex genießen und ihn nicht als lästige Verpflichtung ansehen!“ „Sex ist für mich keine lästige Verpflichtung!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist völlig übertrieben ausgedrückt! Mir gefällt unser Sex doch! Ich brauche bloß manchmal einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Ich bin ja nicht frigide. Oder bist du etwa der Meinung, in letzter Zeit hätten wir eine Flaute im Bett?“ „Nein, natürlich nicht.“ Doflamingo schien langsam, aber sicher zu verzweifeln. „Verdammt, Crocodile, du weißt doch, was ich meine. Ich möchte dich einfach nur darum bitten, unseren Sex ein wenig lockerer und entspannter anzugehen. Und weniger auf irgendeine ausgleichende Gerechtigkeit fixiert zu sein. Um deinetwillen möchte ich dich darum bitten. Auf etwas anderes wollte ich doch gar nicht hinaus!“ „Ist ja schon gut“, versuchte Crocodile seinen Partner ein wenig zu beschwichtigen. Er verstand schließlich schon, worauf dieser hinauswollte. Irgendwo gab er ihm vielleicht sogar ein wenig Recht. Es war nicht gelogen, wenn Doflamingo behauptete, dass er bestimmte sexuelle Handlungen aus einem Pflichtgefühl heraus tat. Er wollte seinen Freund eben nicht enttäuschen. Außerdem befand sich ihre Liebesbeziehung derzeit sowieso in einer sehr heiklen und sensiblen Phase: Es ging nicht nur darum, dass Crocodile letztens nur wenig Zeit für Doflamingo übrig hatte, weil er sehr viel arbeitete, um seine Schulden abbezahlen zu können, sondern auch um ihrem Zusammenzug, in dem sie beide mittendrin steckten. Er hatte ihre Beziehung nur nicht noch stärker belasten wollen, indem er sich lustlos zeigte oder seinen Partner sogar den Sex verweigerte. Aber allem Anschein nach hatte er Doflamingo auch mit dieser Taktik nicht zufriedenstellen können. Crocodile hatte das unangenehme Gefühl, dass er -ganz gleich, was auch immer er tat- nichts richtig machte. Jede Entscheidung, die er traf, war die Falsche. Er würde es seinem Partner niemals recht machen können! Dieses Eingeständnis frustrierte Crocodile. „Na gut“, sagte er einfach bloß, um Doflamingo seine eigene Medizin schmecken zu lassen, „wenn es dich nicht stört, dann rauche ich jetzt in Ruhe eine oder zwei Zigarren und trinke außerdem ein Glas Wasser. Ich hoffe, dass dir das nichts ausmacht!“ „Nur zu“, erwiderte Doflamingo lächelnd und ohne auf den deutlichen Sarkasmus in der Stimme seines Partners einzugehen. „Lass dir ruhig so viel Zeit wie du brauchst. Wir machen dann weiter, wenn du dich bereit dazu fühlst, Wani!“ Doflamingos Unbefangenheit verstärkte Crocodiles Frust noch weiter; er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Freund sich tatsächlich so ohne jeden Missmut an sein eigenes Wort halten würde. Auf der anderen Seite allerdings kam ihm dieses Verhalten natürlich zu gute: Er war im Moment wirklich sehr durstig und sehnte sich nach ein paar Schlücken stilles Mineralwasser. Schlussendlich entschied Crocodile sich also dafür, sich lose seine Hose überzustreifen, ein großes Glas Wasser zu trinken, eine Zigarre zu rauchen und zur Toilette zu gehen, ehe er endlich zu seinem Partner, der die ganze Zeit über überraschend still und geduldig auf der Couch gewartet hatte, zurückkehrte. * Nach dem Sex (der zu Crocodiles Unmut mindestens ebenso gut gewesen war wie das Vorspiel), duschten sie gemeinsam und aßen zu Abend, ehe sie sich ihrem Vorhaben zuwendeten, die vielen Fotos, die Crocodile besaß, zu sortieren und in Fotoalben einzukleben. Damit sie nicht nur deswegen noch einmal zurück zu seiner alten Loft-Wohnung fahren mussten, hatte er die vielen losen Fotos am vorherigen Tag gleich mitgenommen. Vor allen Dingen Doflamingo schien sehr gespannt zu sein. „Ich kann es kaum noch abwarten, endlich die vielen Fotos von dir zu sehen“, meinte er gut gelaunt und aufgeregt, während sie es sich an einem großen Tisch gemütlich machten. Auf der Tischplatte lagen schon sowohl die Fotos als auch verschiedene Fotoalben bereit, die Doflamingo besorgt hatte; dazu natürlich auch Schere und Klebstoff. Der Tisch stand weder im Wohn- noch im Esszimmer der großen Villa, sondern in einem separaten Raum im Erdgeschoss, der zum Garten hinausging. Der Raum war mittelgroß, lichtdurchflutet und sehr gemütlich eingerichtet. Crocodile fragte sich unweigerlich, für welchen Zweck er vorgesehen war, wenn es nicht gerade darum ging, ein paar Bastelarbeiten mit Fotos vorzunehmen. Allerdings wagte er es nicht, seinen Partner zu fragen. Er selbst hatte niemals in einer so unfassbar teuren und luxuriösen Villa wie dieser hier gewohnt und er wollte sich nicht in eine peinliche Situation bringen, weil er sich mit der Raumteilung nicht auskannte. Außerdem, dachte er, umfasste Doflamingos Domizil sicherlich mehrere tausend Quadratmeter und wenn man nicht wollte, dass die Hälfte der Räume völlig leer standen, musste man sie ja schließlich auf die eine oder andere Weise einrichten. „Es sind doch nur ein paar alte Fotos“, meinte Crocodile, der die Aufregung seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen konnte. „Nichts besonderes.“ „Für mich sind sie etwas besonderes“, erwiderte Doflamingo breit grinsend. „Ich habe dir doch schon mal erklärt gehabt, dass ich gerne mehr über dich erfahren würde. Du weißt schon, über deine Vergangenheit und deine Familie. Ich möchte einfach alles über dich wissen!“ „Da gibt es doch gar nicht so viel zu wissen“, entgegnete Crocodile und suchte sich relativ wahllos eines der vielen Fotoalben heraus, die sein Freund gekauft hatte. „Ich bin kein Superstar, Doflamingo, sondern bloß ein ganz normaler Mensch. Es gibt mit Sicherheit hunderttausend Personen, die interessanter sind als ich.“ „Nicht für mich“, gurrte Angesprochener, ehe er per Zufallsprinzip nach einen kleinen Stapel Fotos griff. Der große Haufen, der vor ihnen auf dem Tisch lag, war völlig unsortiert; Crocodile hatte seit seinem Einzug in seine Loft-Wohnung keinen Blick mehr auf die vielen Fotos geworfen. Eigentlich hatte er sie damals schon loswerden wollen, doch seine Schwester Hancock, die eine echte Schwäche für Kinder- und Familienfotos hatte, hatte ihn dazu gedrängt, sie zu behalten. Also hatte er sie kurzerhand in irgendeine freie Schublade verfrachtet und für eine lange Zeit nicht mehr daran zurückgedacht. „Oh, das ist ein Foto von Mihawks achtem Geburtstag“, erklärte Crocodile seinem Partner überflüssigerweise, als sie beide einen Blick auf das Bild warfen, das sich dieser herausgesucht hatte: Mihawk saß am Küchentisch und blies die acht bunten Kerzen auf seiner Geburtstagstorte aus. Mit der rechten Hand stützte er sich an der Tischkante ab; mit der linken hielt er Crocodile, der auf dem Schoß seines älteren Bruders saß, fest umschlungen. Zu diesem Zeitpunkt war er noch ein Kleinkind gewesen. „Du warst ein süßes Baby“, sagte Doflamingo, während er entsprechendes Bild so begeistert betrachtete als handelte es sich dabei nicht um ein langweiliges Kinderfoto, sondern um das Werk eines berühmten Künstlers. „Findest du?“, erwiderte Crocodile skeptisch. „Das kannst du doch gar nicht beurteilen. Auf dem Foto bin ich doch gar kein Baby mehr. Als Mihawk acht Jahre alt geworden ist, müsste ich so etwa zweieinhalb gewesen sein. Also eher ein Kleinkind als ein Baby.“ „Dann warst du eben ein süßes Kleinkind“, meinte Doflamingo unbeirrt. „Jedenfalls müssen wir dieses Foto unbedingt einkleben. Am besten wir sortieren die Fotoalben nach Lebensphasen. Alle Fotos, auf denen du als Baby oder Kleinkind zu sehen bist, legen wir auf diesen Stapel hier.“ Er legte das Foto, das er in der Hand hielt, zur Seite und machte somit den Beginn entsprechenden Stapels fest. „Die kommen dann gleich, wenn wir mit dem Sortieren fertig sind, in das erste Fotoalbum. In Ordnung?“ „Klar“, sagte Crocodile, dem die gesamte Sache relativ gleichgültig war. Ihn interessierten Bilder aus alter Zeit nicht allzu sehr. Vor allen Dingen die vielen Kinder- und Familienfotos sah er sich nicht gerne an; sie erinnerten ihn an seine Eltern, zu denen er seit fast zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Denn auch wenn so viel Zeit seit dem Rauswurf aus seinem Elternhaus vergangen war, schmerzten ihn die Erinnerungen manchmal doch mehr als er jemals zugeben würde. Eigentlich hatte er dem Wunsch seines Partners, die vielen Fotos zu sortieren und einzukleben, bloß nachgegeben, weil er diesen bei Laune halten und nicht enttäuschen wollte. Doflamingo griff nach einem weiteren Foto. Es zeigte seine beiden Geschwister und ihn im Kindesalter wie sie auf dem Fußboden im Wohnzimmer saßen und ein paar Ostersüßigkeiten verputzten. „Wie alt bist du auf diesem Foto?“, fragte Doflamingo interessiert nach. Crocodile warf einen etwas genaueren Blick auf entsprechendes Bild und zuckte dann mit den Schultern. „Keine Ahnung“, meinte er schließlich, „vielleicht fünf oder sechs?“ „Okay, dann kommt dieses Foto auf einen neuen Stapel“, bestimmte sein Partner und legte das Foto zur Seite, ehe er nach einem anderen griff. Es kamen eine ganze Menge weitere Fotos zutage, die eine Mischung aus besonderen Ereignissen wie zum Beispiel Geburtstagen, Feiertagen oder Familienfesten und aus relativ alltäglichen Handlungen wie etwa Spielsituationen darstellten: Mihawk, Crocodile und Hancock jeweils bei ihrer Einschulung; Crocodile als Zwölfjähriger auf dem Rummelplatz; Mihawk und Crocodile, die miteinander auf dem Fußboden spielten; Crocodile, der Hancocks Haare zu Zöpfen band; Crocodile, der mit ein paar Freunden im Garten Fußball spielte; Mihawk und Crocodile, die die neugeborene Hancock bestaunten und so weiter. Crocodile selbst empfand die vielen Fotos als relativ unspektakulär; sie weckten höchstens ein wenig Wehmut und Sehnsucht nach einer intakten Familie in ihm. Doflamingo allerdings schien jedes einzelne Foto unfassbar interessant und sogar fesselnd zu finden. Er stellte ständig Fragen nach irgendwelchen Details, an die sich nicht einmal Crocodile (der eigentlich ein recht gutes Gedächtnis besaß) erinnern konnte und ordnete mit fast schon peinlicher Genauigkeit jedes Foto dem richtigen Stapel zu. Crocodile rollte angesichts dieser für seinen Partner untypischen Sorgfalt bloß mit den Augen. „Ich kann immer noch nicht nachvollziehen, was du an diesen blöden Fotos so toll findest“, sagte er, während er Doflamingo dabei zusah, wie dieser die ersten Fotos in eines der Alben klebte. „Die sind nun wirklich nichts besonderes.“ „Für mich sind sie das“, war allerdings wieder die einzige Erwiderung, die er seitens seines Partners erhielt. „Schau mal, auf diesem Foto bist du schon älter“, meinte Doflamingo, nachdem er sich ein neues Bild aus dem stetig kleiner werdenden Haufen vor ihnen herausgesucht hatte. „Zwanzig oder so.“ Crocodile beugte sich zu seinem Partner hinüber, um einen etwas genaueren Blick auf das entsprechende Foto zu werfen. Es zeigte Daz und ihn beim Kochen. „Einundzwanzig, um genau zu sein“, erwiderte er schließlich. „Dieses Foto wurde aufgenommen, als ich mein Studium begonnen habe. Ich hatte dir ja schon erzählt, dass Daz und ich während unseres Studiums nebeneinander gewohnt haben. Wir haben oft zusammen gekocht, weil es ziemlich lästig und irgendwie einsam ist, wenn man nur für sich selbst kocht, finde ich.“ Für einen kurzen Moment schwelgte Crocodile in ein paar schönen Erinnerungen, ehe er fortfuhr: „Außerdem wollte Daz sichergehen, dass ich auch genug essen. Er hat mich schon damals als eine Art kleinen Bruder betrachtet, um den er sich kümmern muss. Manchmal, wenn ich mitten im Prüfungsstress war und keine Zeit zum Kochen gefunden hatte, ist er rüber zu mir in die Wohnung gekommen und hat für mich gekocht. Dann hat er mir meine Bücher und Notizen weggenommen und gesagt, dass ich sie erst wieder bekäme, wenn ich etwas gegessen hätte.“ Crocodile kam nicht umhin selig zu lächeln, als er an dieses bemutternde Verhalten seines alten Freundes zurückdachte. Er war sehr froh darüber, dass er Daz kennengelernt hatte. Vor allen Dingen während seines Studiums war ihm der Andere eine große Stütze und ein guter Freund gewesen. Er wusste nicht, wo er heute wäre, wenn Daz sich nicht immer so gut um ihn gekümmert hätte. „Daz ist wirklich ein echt guter Kerl, denke ich“, meinte auch Doflamingo und legte das Foto auf einen neuen Stapel. „Ich bin froh, dass du einen so guten Freund wie ihn hast.“ Angesichts dieser Aussage zog Crocodile überrascht eine Augenbraue hoch und warf seinem Partner einen überaus verwunderten Blick zu. Normalerweise reagierte Doflamingo auf jede Person, die seinem Freund nahestand, sehr eifersüchtig. Die einzigen Ausnahmen dieser Regel bildeten höchstens Crocodiles beide Geschwister. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal so einen Satz aus deinem Mund hören würde“, sagte Crocodile darum recht erstaunt. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Du hast mir doch mal gesagt gehabt, dass er hetero ist, oder nicht?“, meinte sein Partner schließlich in einem Tonfall, der so ruhig und gefasst klang, dass man meinen könnte, diese Tatsache würde seine fehlende Eifersucht ganz plausibel erklären. „Also gibt es keinen Grund für mich, um eifersüchtig zu reagieren. Ich habe ja nichts dagegen, wenn du ein paar gute Freunde hast. Ich kann es nur nicht leiden, wenn ich mir ständig die Frage stellen muss, ob diese Freunde dir nicht womöglich an die Wäsche wollen.“ „Aber die Frage nach dem Geschlecht oder der Sexualität einer Person hat dich in dieser Hinsicht doch noch niemals interessiert“, warf Crocodile berechtigterweise ein. Und um seine Aussage mittels eines Beispiels zu untermauern, fügte er hinzu: „Du hast sogar eifersüchtig reagiert, als Tashigi sich in meinem Büro die Kaffeeflecken auf ihrer Bluse ausgewaschen hast. Erinnerst du dich noch? Wir hatten einen riesigen Streit deswegen gehabt!“ „Ich habe nicht eifersüchtig reagiert, weil sie in deinem Büro ihre Bluse ausgewaschen hast, sondern weil sie halbnackt vor deinem Schreibtisch stand, während draußen an der Türklinke ein Bitte nicht stören-Schild hing“, korrigierte Doflamingo ihn spitz. „Und ich bin übrigens immer noch der Meinung, dass du mir wegen meines Verhaltens absolut keinen Vorwurf machen kannst! Jeder, der seinen Partner in einer solchen Situation sieht, hätte eifersüchtig reagiert. Und außerdem wusste ich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht darüber Bescheid, dass du homosexuell bist. Ich konnte nicht ausschließen, dass du (so wie ich) vielleicht bi bist.“ „Wie auch immer“, meinte Crocodile, der wegen dieses Vorfalls, der nun schon weit über einen Monat zurücklag, keinen erneuten Streit entfachen wollte. „Trotzdem verhältst du dich ziemlich untypisch, was Daz angeht. Als ich mich an der Bar im Skypia mit ihm unterhalten habe, hast du nämlich noch völlig anders reagiert. Das kannst du nicht abstreiten.“ „Mag sein“, erwiderte Doflamingo, dem diese Diskussion langsam lästig zu werden schien. „Aber das war ja auch, ehe diese Sache mit deinem Exfreund passiert ist. Ich bin Daz sehr dankbar dafür, dass er in die Situation eingegriffen und sich um dich gekümmert hat. Ich will gar nicht wissen, wie es ausgegangen wäre, wenn er nicht zur Stelle gewesen wäre. Ich hätte es mir niemals verzeihen können, wenn dir etwas zugestoßen wäre! Also, etwas noch Schlimmeres, als das Geschehene. Und dass es dazu nicht gekommen ist, war leider nicht mein Verdienst, sondern der von Daz. Wie kann ich also jemanden verunglimpfen, dem ich so unglaublich viel schuldig bin?“ „Ja, ich bin auch sehr froh, dass er mich vor Enel gerettet hat“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. Eigentlich fühlte er sich in der Opferrolle nicht sonderlich wohl, doch er war sich dessen bewusst, dass Daz ihm wirklich geholfen hatte. Schließlich hatte ihm Enel nicht bloß ein paar handelsübliche K.O.-Tropfen in sein Getränk gemischt, sondern ein starkes Gift, das ihn für mehrere Tage komplett außer Gefecht gesetzt hätte. Allein die Vorstellung an die Dinge, die sein Exfreund womöglich mit ihm vorgehabt haben könnte, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. „Wir, also Daz und ich, haben auch miteinander geredet, während du im Krankenhaus lagst und wir darauf gewartet haben, dass du wieder aufwachst. Er hat mir von eurer Zeit an der Universität erzählt. Und von Enel. Wie er dich behandelt hat.“ Crocodile seufzte. „Können wir bitte das Thema wechseln?“ Er hatte im Augenblick überhaupt keine Lust dazu, sich mit Doflamingo über seine ehemaligen Partner zu unterhalten; und vor allen Dingen nicht über Enel. Am liebsten würde Crocodile niemals wieder an die Zeit, die er mit ihm verbracht hatte, zurückdenken. Es handelte sich hierbei nämlich definitiv um eines der dunkelsten Kapitel in seinem Leben. Nichts, was besprochen werden sollte, während man sich gerade ein paar alte Fotos aus Kinder- und Unitagen anschaute und sie in Fotoalben einklebte. Doflamingo schien zu spüren, dass er einen sehr empfindlichen Punkt bei seinem Partner getroffen hatte, denn glücklicherweise bohrte er nicht weiter nach, was dieses Thema anging. Anstatt weitere Fragen zu stellen, griff er nach dem nächsten Foto, das auf dem Tisch lag. Der Haufen Fotos, der vor ihnen lag, war inzwischen beträchtlich kleiner geworden; es handelte sich um vielleicht noch ein Viertel oder Fünftel der ursprünglichen Menge. Die meisten Bilder waren von Doflamingo bereits peinlich genau sortiert oder sogar schon in Fotoalben eingeklebt worden. Crocodile rechnete damit, dass sie ihre Aufgabe innerhalb der nächsten halben Stunde beenden würden; worüber er überaus dankbar war. Er hatte es längst satt, in Erinnerungen von weit zurückliegenden Tagen zu schwelgen. Die Gegenwart bereitete ihm bereits mehr als genug Probleme, mit denen er zu kämpfen hatte, fand Crocodile. Da musste er sich nicht auch noch zusätzlich mit unangenehmen Details aus seiner Vergangenheit auseinandersetzen. Seine Eltern wollten nichts von ihm wissen und seine Beziehung zu Enel war seit vielen Jahren beendet. Das waren Tatsachen, die sich nicht ändern ließen und die er auch nicht ändern wollte. Basta. Doflamingo förderte noch ein paar weitere Bilder aus der Studienzeit seines Partners zutage. Die meisten Foto zeigten Crocodile gemeinsam mit Daz: Wie sie gemeinsam kochten, für Prüfungen lernten und vor allen Dingen wie sie sich auf Parties amüsierten. Crocodile war kein fauler Student gewesen, der seine Zeit an der Universität damit verplempert hatte, Studentenparties zu besuchen; doch natürlich hatte er sich das eine oder andere Mal von Freunden dazu überreden lassen, mitzukommen. Und auf einer Party wurden eben deutlich mehr Fotos geschossen als in eher alltäglichen Situationen, wodurch sich auch recht einfach die erhöhte Zahl Fotos dieser Art erklären ließ. Viele Parties hatten in der Wohnung von Marco, seinem Exfreund, stattgefunden. Crocodile hatte ihn kennengelernt, als er im dritten Semester studierte, und sie waren rasch ein Paar geworden. Ihre Beziehung hatte allerdings nicht allzu lange gehalten; nach etwa einem gemeinsamen Jahr gingen sie bereits wieder getrennte Wege. Das Ende der Beziehung war von Crocodile ausgegangen: Es hatte ihn furchtbar genervt, dass Marco ständig (und zwar nicht bloß am Wochenende) Alkohol trank und seine Zeit auf Parties verschwendete, anstatt sich mit seinen Vorlesungen und Prüfungen zu beschäftigen. Crocodile war ein sehr ehrgeiziger Student gewesen und hatte befürchtet, diese Verhaltensweisen könnten auf ihn abfärben. Und tatsächlich hatte Marco sein Studium etwa ein Semester nach ihrer Trennung abgebrochen. Crocodile hatte ihn seitdem nicht mehr zu Gesicht bekommen und wusste auch nicht, was aus ihm geworden war. Da auf den meisten Fotos, die in der Wohnung seines Exfreundes geschossen worden waren, dieser bloß im Hintergrund zu sehen war, hielt Crocodile es nicht für notwendig, seinen Partner darauf hinzuweisen, um wen es sich bei dieser Person handelte. Die Fotos, auf denen Marco und er zu zweit zu sehen waren, sowie andere Andenken an die gemeinsame Beziehung, hatte er sowieso gleich nach ihrer Trennung entsorgt. Er war kein Mensch, der Erinnerungen an seine ehemaligen Partner mit sich herumschleppte. Seiner Meinung nach deutete ein solches Verhalten nämlich bloß darauf hin, dass man über jene Person noch nicht hinweg war. Doflamingo und er waren gerade bei den letzten zehn oder fünfzehn Fotos angekommen, als Crocodile auf überaus unangenehme Weise klar wurde, dass er wohl doch nicht alle Aufnahmen, die ihn gemeinsam mit seinem Exfreund Marco zeigten, entsorgt hatte. Ob er dieses Foto absichtlich vor dem Mülleimer verschont hatte oder ob es ihm einfach irgendwie durch die Lappen gegangen war, wusste Crocodile nicht mehr. Jedenfalls hielt sein aktueller Freund nun ein Foto in den Händen, das Marco und ihn zeigte: Sein Exfreund hatte ihn in eine Umarmung gezogen und küsste ihn innig. Sie hatten beide ihre Augen geschlossen und wirkten sehr verliebt. „Oh verdammt“, sagte Crocodile und entriss seinem Partner rasch entsprechendes Bild. „Tut mir leid, Doffy, ich muss versäumt haben, dieses Foto wegzuschmeißen. Das mache ich sofort, wenn wir hier fertig sind. Versprochen.“ Crocodile war zwar durchaus der Meinung, dass er nichts Verwerfliches getan hatte (schließlich war seine Beziehung mit Marco etwa zwölf Jahre her und dieses Foto ebenfalls mindestens genauso alt), doch natürlich war ihm bewusst, dass niemand gerne Bilder sah, die seinem Partner mit dessen Exfreund zeigten. Die ganze Situation war ihm sehr unangenehm. Er hoffte bloß, dass Doflamingo wegen dieses alten Fotos nicht allzu eingeschnappt reagieren würde. „Wer ist das auf dem Foto gewesen?“, fragte Doflamingo sofort, während er versuchte, das Foto von seinem Freund wiederzubekommen. „Mein Exfreund“, antwortete Crocodile, der sich dazu entschied bei der Wahrheit zu bleiben, und sich gleichzeitig darum bemühte, das Foto von seinem Freund fernzuhalten, der wiederum ständig versuchte, es zu fassen zu bekommen. „Was für ein Exfreund?“, hakte Doflamingo nach. Soweit Crocodile beurteilen konnte, klang die Stimme seines Partners nicht wirklich wütend, doch definitiv aufgebracht und eingeschnappt. Schließlich gelang es ihm sogar, Crocodile das Foto abzuluchsen, sodass er einen erneuten Blick auf die Kussszene werfen konnte. „Wir waren zusammen, als ich noch zur Uni gegangen bin“, erklärte Crocodile, dem die ganze Situation furchtbar peinlich war. „Ich habe schon seit mehr als zehn Jahren nichts mehr von ihm gehört. Und wir waren damals auch nicht sonderlich lange ein Paar. Nur für etwa ein Jahr. Ich weiß es gar nicht mehr genau. Es war bloß eine unbedeutende Jugendliebe.“ Er stockte für einen kurzen Moment und fügte dann noch hinzu: „Nachdem ich mit ihm Schluss gemacht hatte, habe ich alle gemeinsamen Erinnerungsfotos entsorgt. Dieses hier ist wohl aus Versehen verschont geblieben.“ Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass Doflamingo angesichts dieser Informationen fuchsteufelswild werden würde. Dass er eifersüchtig reagieren und furchtbar wütend werden würde. Dass er laut schrie und zum nächsten Kamin hastete, wo er dieses Foto, das seinen Partner und dessen Exfreund zeigte, in die Flammen werfen würde. Und dass er erst sich erst zwei oder drei Gläsern harten Alkohol wieder halbwegs beruhigt hätte. Zu seiner Überraschung geschah allerdings nichts von alledem. Anstatt auszurasten, betrachtete Doflamingo bloß stumm und mit völlig undurchsichtiger Miene das Foto, das er in seinen Händen hielt. Zum ersten Mal seit langem wünschte sich Crocodile, Doflamingo möge seine Sonnenbrille ablegen, damit er in dessen Augen sehen und dessen Gefühle ablesen könnte. Doch leider tat ihm sein Freund diesen Gefallen nicht. „Doflamingo?“, fragte Crocodile zaghaft, als Angesprochener auch nach zwei weiteren Minuten, in denen er bloß auf das Bild, das Marco und ihn zeigte, starrte, kein Wort gesagt hatte. Erst als Crocodile vorsichtig an seinem Ärmel zupfte, erwachte Doflamingo wieder zum Leben. Er legte das Foto zur Seite (weit abseits von den Stapeln, die seinen Partner in harmlosen Situationen zeigten, wie Crocodile auffiel) und meinte dann: „Wir werfen es einfach weg, wenn wir mit dem Einkleben der anderen Fotos fertig sind. So wie du es vorgeschlagen hast. Okay?“ „Klar“, erwiderte Crocodile, der sich über die ruhige und gefasste Stimme seines Partners wunderte. Doflamingo verhielt sich im Augenblick sehr untypisch und wenn er ehrlich war, dann verunsicherte ihn dieser Umstand stark. Auch wenn Crocodile oft so tat, als würde ihn die ewig gute Laune und Unbefangenheit seines Freundes stören, so liebte er diese Eigenschaften doch eigentlich besonders an ihm. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass Doflamingo plötzlich so gefühlskalt wirkte. „Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung mit dir ist?“, fragte Crocodile nach, während sein Partner nach dem nächsten Foto griff. „Du wirkst plötzlich so komisch. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Dass du dieses blöde Bild gesehen hast, tut mir leid. Ich kann mir gut vorstellen, dass du nicht gerade begeistert davon bist, mich mit...“ „Es ist nicht wegen dem Foto“, unterbrach ihn Doflamingo. Plötzlich wirkte er nicht mehr so gefasst und unterkühlt wie eben noch, sondern eher aufgebracht. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch seine kurzen blonden Haare und rückte dann seine Sonnenbrille zurecht. „Und weswegen ist es dann?“, hakte Crocodile nach. Um ehrlich zu sein, begriff er überhaupt nicht, wo das Problem seines Partner lag. Eben war doch noch alles in Ordnung gewesen. Sie hatten gemeinsam die Fotos sortiert, eingeklebt und sich dabei ein wenig unterhalten. Es war überhaupt nichts Unvorhergesehenes geschehen - natürlich bis auf die Entdeckung des Fotos, das ihn gemeinsam mit seinem Exfreund zeigte. Doch abgesehen davon fiel Crocodile beim besten Willen einfach kein Grund ein, der Doflamingos seltsames und sehr untypisches Verhalten erklären könnte. Doflamingo zögerte für einen kurzen Augenblick, ehe er sich schließlich überwand und mit merkwürdig leiser Stimme meinte: „Es ist wegen dem, was du gesagt hast.“ „Wegen dem, was ich gesagt habe?“, wiederholte Crocodile verwundert. „Aber was habe ich denn gesagt? Verdammt noch mal, Doflamingo, drück dich bitte verständlich aus. Ich kann es nicht leiden, wenn du dich so komisch verhältst. Sag mir doch einfach, was los ist!“ „Naja, du...“, sein Partner stockte kurz, ehe er fortfuhr, „du hast gesagt, dass dein Exfreund für dich bloß eine Jugendliebe war. Eine völlig unbedeutende Liebe. Dass du ihn fast schon komplett aus deiner Erinnerung gelöscht hast. Weil ihr, naja, nur etwa ein Jahr lang zusammengewesen wart.“ „Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinauswillst“, erwiderte Crocodile. „Natürlich habe ich ihn fast schon vergessen gehabt. Die Beziehung zu ihm ist zwölf oder dreizehn Jahre her. Und wir waren wirklich bloß ein Jahr oder vielleicht eineinhalb Jahre zusammen. Ich weiß es gar nicht mehr genau. Es war nichts Ernstes. Darum verstehe ich ja auch nicht, warum dich das so sehr interessiert!“ „Weil wir beide noch nicht einmal ein Jahr lang ein Paar sind“, rückte Doflamingo endlich mit der Sprache heraus. „Heißt das also, dass unsere Beziehung für dich ebenfalls nichts Ernstes ist?“ Crocodile fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Für eine oder zwei lange Minuten war er überhaupt nicht dazu in der Lage, etwas zu sagen oder auch nur zu denken. Stattdessen starrte er seinen Partner einfach bloß stumm und mit einem entsetzten Gesichtsausdruck an. Er fühlte sich völlig geschockt. „W-was?“, war irgendwann der erste artikulierte Laut, der ihm über die Lippen glitt. „Wir sind erst seit knapp acht Monaten ein Paar“, wiederholte Doflamingo. „Und anscheinend ist das für dich keine allzu lange Zeit. Ich meine, Daz hat mir erzählt, dass du mit Enel fünf Jahre lang zusammengewesen bist. Und jetzt erfahre ich, dass du mit einem anderen Exfreund für ein Jahr oder eineinhalb Jahre in einer Beziehung gewesen bist. Ich habe irgendwie das Gefühl, gegen solche langen Zeiträume nicht ankommen zu können. Wenn du schon Beziehungen, die länger als ein Jahr gehalten haben, als unbedeutend bezeichnest... wie ernst ist dir dann unsere Beziehung, die seit gerade einmal ein paar Monaten läuft?“ Langsam gewann Crocodile seine Fassung zurück. Er seufzte laut, rieb sich mit der rechten Hand über seine Schläfe und überlegte sich, wie er die Unsicherheit seines Partners bezüglich ihrer gemeinsamen Beziehung am besten zerstreuen könnte. „Das ist etwas völlig Anderes, Doflamingo“, sagte er schließlich in einer recht unbeholfen klingenden Stimmlage. „Als ich mit Marco zusammengewesen bin, war ich noch ein völlig anderer Mensch. Ein junger Student, der noch ganz grün hinter den Ohren war. Du kannst die Beziehung, die ich vor so vielen Jahren mit ihm geführt habe, nicht mit der Beziehung vergleichen, die wir beide jetzt führen.“ „Und was ist mit Enel?“, hakte Doflamingo nach. „Die Beziehung zu ihm ist noch nicht so lange her. Und mit ihm bist du fünf Jahre lang zusammengewesen!“ „Wir sind seit mehr als fünf Jahren getrennt“, entgegnete Crocodile mit verzweifelt klingender Stimme, „und das aus gutem Grund!“ Er hatte nicht damit gerechnet, dass er sich jemals vor Doflamingo würde rechtfertigen müssen, was seine ehemaligen Beziehungen anging. Sie hatten niemals zuvor über irgendwelche Exfreunde oder -freundinnen gesprochen. „Oh Mann, Doflamingo!“, meinte er irgendwann recht energisch, weil er sich bedrängt fühlte und nicht mehr anders zu helfen wusste. „Wir sind doch keine sechzehn Jahre alt! Es ist absolut selbstverständlich, dass wir beide schon Liebesbeziehungen mit anderen Menschen hatten, bevor wir uns getroffen haben. Oder willst du mir tatsächlich erzählen, dass du dich noch niemals mit irgendjemandem verabredet hast, ehe wir uns bei diesem Geschäftsessen mit Sengoku kennengelernt haben? Ich meine, wir sind beide in unseren Dreißigern! Ja, ich hatte schon mehrere feste Beziehungen gehabt, bevor ich mich in dich verliebt habe. Na und? Das spielt doch keine Rolle! Und es spielt genausowenig eine Rolle, wie lang diese Beziehungen gehalten haben; schlussendlich hat es immer einen Grund gegeben, um sich zu trennen. Wichtig ist doch nur, dass ich jetzt mit dir zusammen bin. Wenn dir acht Monate zu wenig sind und du dich darum verunsichert fühlst, dann sorge eben dafür, dass aus diesen acht Monaten ein Jahr werden. Oder zwei Jahre. Oder zehn. Oder fünfzig.“ „Du hast vermutlich recht“, sagte Doflamingo mit weicher Stimme und griff nach seiner Hand. „Wir beide sind jetzt ein glückliches Paar und das ist das einzige, was zählt.“ „Schön, dass du das endlich eingesehen hast“, erwiderte Crocodile und ließ zu, dass sein Partner ihn sanft auf die Lippen küsste. „Können wir beide jetzt bitte zur Normalität zurückkehren und die restlichen Fotos einkleben?“ „Gefällt es dir etwa nicht, wenn ich mal ernst bin?“, gab Doflamingo keck zurück. „Sonst beschwerst du dich doch immer darüber, dass ich alles ins Lächerliche ziehen würde. Man kann es dir eben nie recht machen, Wani!“ „Ich habe absolut nichts dagegen, wenn du dich ab und zu mal wie ein reifer Erwachsener verhältst“, meinte Crocodile spitz, während er nach dem nächsten Foto griff. „Aber gerade warst du nicht ernst, sondern einfach bloß merkwürdig. Ich habe nicht damit gerechnet, dass dich ein einzelnes Foto so stark aus der Fassung bringen könnte.“ „Naja, mir gefällt der Gedanke, dass du vor mir schon mehrere feste Beziehungen gehabt hast, eben einfach nicht. Aber damit werde ich mich wohl abfinden müssen. Du hast ja recht, wenn du sagst, dass wir keine Sechzehnjährigen mehr sind.“ „Ich habe ebenfalls keine große Lust, mir vorzustellen, wie viele Partner (ob männlich oder weiblich) du bereits vor mir gehabt hast“, erwiderte Crocodile, um auszudrücken, dass es ihm nicht viel anders ging. „Und ich veranstalte deswegen auch kein Theater! Wir beide sind erwachsene Menschen und sollten uns dementsprechend auch verhalten. Außerdem gibt es sowieso keinen Grund, um auf einen Exfreund oder in deinem Fall vielleicht auch auf eine Exfreundin eifersüchtig zu sein; schließlich werden diese Beziehungen nicht ohne einen guten Grund zu Bruch gegangen sein. Nicht wahr?“ „Richtig“, stimmte Doflamingo ihm zu und griff nach dem letzten Foto, das auf dem Tisch lag. Es zeigte Crocodile gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern und ein paar Freunden an Mihawks fünfundzwanzigstem Geburtstag. Hancock hatte eine wunderschöne Torte für ihren älteren Bruder gebacken und fünfundzwanzig bunte Kerzen hineingesteckt, die dieser auspusten sollte. Mihawk hielt als Erwachsener von solchen kindischen Traditionen zwar nicht sonderlich viel, doch war dem Wunsch seiner Schwester trotzdem nachgekommen, um dieser eine Freude zu machen. „Mir fällt es trotzdem schwer, zu akzeptieren, dass du vor mir bereits mehrere Partner gehabt hast“, meinte Doflamingo, wähend er das letzte Foto sorgfältig in eines der Alben einklebte, „weil du nämlich mein erster (und hoffentlich auch letzter) fester Partner bist.“ „Ähm, was?“ Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. „Du bist mein erster wirklich fester Partner“, wiederholte Doflamingo seelenruhig, während er das Fotoalbum, das er gerade in den Händen hielt, zuklappte. „Das soll doch wohl ein Witz sein, oder?“, fragte Crocodile nach, doch die Miene seines Freundes blieb völlig ernst. „Wie gesagt: Wir sind beide in unseren Dreißigern, Doflamingo! Und du willst mir erzählen, dass du vor mir noch niemals einen festen Partner gehabt hast?“ „Ich habe es dir doch schon mal erklärt gehabt, Crocy“, entgegnete Doflamingo, der die Aufregung seines Partners anscheinend überhaupt nicht nachvollziehen konnte. „Erinnerst du dich nicht mehr? Als ich dich zum Essen ins Flying Lamb eingeladen habe und wir das erste Mal darüber gesprochen haben, zusammenzuziehen? Ich hatte in meinem Leben schon eine Menge Freunde und Freundinnen. Doch all diese Beziehungen haben nicht lange gehalten, weil sie bloß auf Äußerlichkeiten aufgebaut waren. Meistens war schon nach ein paar Wochen oder sogar nach nur ein paar Tagen wieder Schluss. Du bist der einzige, den ich jemals aufrichtig geliebt habe. Und auch der einzige, mit dem ich jemals in einer wirklich festen und ernsten Beziehung gewesen bin. Mir jedenfalls ist unsere Beziehung sehr wichtig. Am liebsten möchte ich bis zum Ende meines Lebens mit dir zusammenbleiben.“ „Ähm, wow“, sagte Crocodile, der sich von dieser Beichte völlig überrannt fühlte. Normalerweise öffnete sich sein Partner ihm nur sehr selten auf emotionaler Ebene. Und weil Crocodile der Meinung war, dass er diesem Verhalten durch seine Antwort nicht ausreichend Würdigung entgegengebracht hatte, fügte er rasch noch hinzu: „Das wünsche ich mir auch. Und, ähm, wenn es weiterhin so gut zwischen uns beiden läuft, spricht doch nichts dagegen, oder? Mir ist unsere Beziehung auch sehr wichtig, Doffy. Wenn sie das nicht wäre, hätte ich mich wohl kaum dazu entschlossen, nach so verhältnismäßig kurzer Zeit mit dir zusammenzuziehen. Dass wir bald zusammenwohnen werden, ist wohl der unmissverständliche Beweis dafür, dass wir eine ernste Beziehung führen. Nicht wahr?“ „Das sehe ich genauso“, erwiderte Doflamingo und es legte sich ein breites Grinsen auf seine Lippen. „Unser Zusammenzug ist Beweis unserer Liebe. Zumindest ein erster Beweis.“ Crocodile musste angesichts dieser zweideutigen Ausdrucksweise schlucken. Er hoffte bloß, dass sein Partner nicht womöglich vorhatte, ihm einen noch deutlicheren Beweis seiner Liebe abzuliefern. Zumindest nicht in nächster Zeit. Doch was dachte er hier überhaupt? Sie waren erst seit knapp acht Monaten ein Paar und auch gerade erste zusammengezogen. Sicherlich hatte Doflamingo nicht vor, ihn zu heiraten. So etwas tat man erst, wenn man allermindestens drei oder vier Jahre lang zusammengelebt hatte. Auf der anderen Seite hatte Crocodile allerdings auch nicht damit gerechnet, dass sein Partner ihn nach nur so wenigen Monaten Liebesbeziehung darum bitten würde, bei ihm einzuziehen. Doflamingo, für den es sich um die erste feste Beziehung handelte, schien diese um jeden Preis rasch verfestigen zu wollen. Crocodile bemühte sich darum, diesen angsteinflößenden Gedanken so gut wie möglich zu verdrängen. Vermutlich hatte sein Partner an die Wahl seiner Worte nicht allzu viele Gedanken verschwendet. Doflamingo war niemand, der so etwas tat. Er war ein junger Mann, der sein Leben in vollen Zügen genoss und am Wochenende gerne mit seinen Freunden ausging und Party machte. Crocodile konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sein Partner selbst auf den Gedanken kommen würde, seiner Freiheit durch einer Heirat den Riegel vorzuschieben. Doflamingo erschien ihm nicht gerade wie jemand, der an den heiligen Bund der Ehe glaubte. Außerdem war es Crocodile sowieso nicht möglich, ihn in nächster Zeit zu heiraten. Seine Schulden beliefen sich noch immer auf mehrere hunderttausend Berry und auch eine neue Arbeitsstelle hatte er noch immer nicht gefunden. Das waren keine Bedingungen, unter denen man eine Ehe einging. Denn wenn sie beide tatsächlich heiraten würden, dann wären seine Schulden natürlich auch die seines... seines Ehemannes. Und das war etwas, was Crocodile unter keinen Umständen verantworten konnte. „Was hältst du davon, wenn wir ein bisschen fernsehen und ein paar leckere Snacks verputzen, bevor wir uns schlafen legen?“, schlug Doflamingo vor. „Ein bisschen Entspannung haben wir beide uns redlich verdient, finde ich; wenn man mal bedenkt, wie viel Arbeit wir damit hatten, die vielen Fotos einzukleben.“ Er kicherte leise und warf einen stolzen Blick auf die fertiggestellten Fotoalben, die auf dem Tisch lagen. „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile mit matter Stimme und strich sich ein paar Haarsträhnen aus seinem Gesicht, das sich plötzlich unangenehm heißt anfühlte. „Ich fühle mich ziemlich erschöpft. Ich denke, ich werde mich sofort ins Bett legen. Aber du kannst gerne noch eine Weile fernsehen und dann später nachkommen. Mir macht das nicht aus.“ bye sb Kapitel 7: Kapitel 4 -------------------- Crocodile saß gerade gemeinsam mit seinem Partner auf der Couch im Wohnzimmer der Villa. Doflamingo hatte vorgeschlagen einen Film anzusehen, und Crocodile hatte zugestimmt, auch wenn er im Moment eigentlich keine große Lust auf fernsehen hatte. Viel lieber hätte er sich mit seinem Laptop in irgendeine stille Ecke verzogen und seine Emails gecheckt oder neue Bewerbungen geschrieben. Da er in letzter Zeit sehr viele Überstunden machte und die Fahrtzeit von Doflamingos Villa bis zur Bank fast eine Stunde betrug, bot sich nur verhältnismäßig selten die Möglichkeit dazu, sich um seine Jobsuche zu kümmern. Gleichzeitig war Crocodile sich aber natürlich dessen bewusst, dass auch sein Freund ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit von ihm verlangte. Im Prinzip steckte er dauernd in einem Dilemma: Entweder er vernachlässigte seine Arbeit beziehungsweise seine Jobsuche oder aber er vernachlässigte die Beziehung zu seinem Partner. Crocodile bemühte sich so gut wie nur möglich darum, einen Mittelweg zu finden, der alle Parteien zufrieden stellte, doch musste leider sehr häufig feststellen, dass dies ziemlich schwierig war. Vor allen Dingen, weil sich Doflamingo in letzter Zeit zu einer sehr anhänglichen Person entwickelt hatte. Crocodiles Befürchtung, er würde seinem Freund langweilig werden, wenn er erst einmal einen so großen Raum in dessen Leben einnahm, hatte sich bisher kein Stück bestätigt. Eher war das Gegenteil eingetroffen: Doflamingo schien jede freie Minute mit ihm verbringen wollen. Und er schien nicht zu bemerken, dass er seinen Partner mit seinem Verhalten gelegentlich ganz schön einengte. Es fiel Crocodile immer schwerer, sein Geheimnis zu bewahren. Sie waren fast beim Ende des Films angekommen (Crocodile hatte den Streifen mit eher geringem Interesse verfolgt), als sein Handy klingelte. Hastig kramte er es aus seiner Hosentasche; der Display zeigte an, dass der Anruf von seiner Schwester Hancock stammte. Um Doflamingo nicht zu stören, verließ Crocodile auf leisen Sohlen das große Wohnzimmer, ehe er abnahm. "Hallo?" "Hi, Crocodile!", kam ihm sofort die hohe und fröhliche Stimme seiner jüngeren Schwester entgegen. "Wie geht's dir?" "Ganz gut, denke ich", antwortete Crocodile. Er sprach möglichst leise und bemühte sich darum, durch seine Worte keinen Verdacht zu erregen; schließlich trennte ihn nur eine einzige Wand von seinem Partner und wer wusste schon, wie viel der vielleicht mitbekam. "Und dir?" "Oh, mir geht's super", erwiderte Hancock. "Ich habe derzeit viel zu tun, weil ich mit den Vorbereitungen für Mihawks Geburtstagsparty beschäftigt bin. Aber ich will mich nicht beschweren. Du weißt ja, dass mir so etwas Spaß macht. Heute habe ich sogar schon alle nötigen Zutaten für die Torte, die ich ihm machen werde, eingekauft." "Schön, dass du schon so fleißig bist", lobte Crocodile sie und hoffte, dass man ihm seine Überraschung nicht anmerkte. Er hatte völlig vergessen, dass sein Bruder in knapp eineinhalb Woche, am neunten März, seinen vierzigsten Geburtstag feierte. Und dabei hatte er normalerweise ein recht gutes Gedächtnis, was Zahlen und Daten anging. "Die Party findet Freitagabend bei ihm Zuhause statt. Er hat ja ein so großes Haus und wohnt alleine, da bietet sich das natürlich an." "Weiß er denn überhaupt von der Party?", wollte Crocodile wissen und empfand die Frage als überaus berechtigt. Es wäre nämlich beileibe nicht die erste Überraschungsparty gewesen, die Hancock organisierte. Er selbst war an seinem letzten Geburtstag das Opfer der Partywut seiner Schwester geworden. Sie liebte es einfach, anderen Leuten eine (vermeintliche) Freude zu machen, Geschenke zu kaufen und Torten zu backen (bei letzterem war sie allerdings tatsächlich ein echtes Talent, wie Crocodile zugeben musste). "Klar weiß er davon", erwiderte Hancock. "Ich musste ihn zwar ein wenig überreden, bis er endlich einer Party zugestimmt hat, aber du weißt ja selbst, wie das ist: Meine beiden großen Brüder können mir einfach nichts abschlagen! Außerdem bin ich mir sicher, dass es ihm gefallen wird. An einem runden Geburtstag schmeißt doch schließlich jeder eine Party, nicht wahr?" "So gut wie jeder", gab Crocodile zu, obwohl er sich bei seinem Bruder nicht vorstellen konnte, dass dieser sonderlich begeistert gewesen war angesichts dieses Vorschlags. Wahrscheinlich hatte er bloß zugestimmt, um Hancock nicht zu enttäuschen. Eigentlich war Mihawk nämlich kein Fan von großen Parties. Er war ein stiller und eher zurückgezogen lebender Mensch, der wenig Wert auf Materielles legte und nur ungern im Rampenlicht stand. "Jedenfalls weißt du ja jetzt über die Party Bescheid. Offizieller Beginn ist gegen zwanzig Uhr. Doflamingo ist übrigens auch herzlich eingeladen!" "Ich werde es ihm ausrichten", meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er von dieser Einladung halten sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein so extravaganter Mensch wie Doflamingo Spaß bei einer Geburtstagsparty in der Vorstadt haben würde. "Allerdings kann ich nicht garantieren, dass er die Zeit finden wird, um zu kommen. Er hat in letzter Zeit sehr viel zu tun. Wer ist denn sonst noch alles eingeladen?" "Lass mich kurz überlegen, es wird ja doch eine etwas größere Party", sagte Hancock, ehe sie rasch fortfuhr: "Es kommen ein paar von Mihawks Schülern: Zoro, Perona und Tashigi. Dann seine Freunde: Moria, Shanks, Yasopp, Kuma und..." "Kuma?" Crocodile stockte. Irgendwoher kam ihm dieser Name bekannt vor. Es dauerte einige Sekunden, ehe ihm schließlich einfiel, dass Kuma beim Besuch im Skypia mit dabei gewesen war. Er war ein recht enger Freund seines Partners. "So ein großer, breit gebauter Typ mit dunkelbraunen Haaren?", hakte Crocodile zur Sicherheit nach. "Aber sehr still?" "Ja, die Beschreibung trifft genau auf ihn zu", sagte Hancock mit Verwunderung in der Stimme. "Mihawk und er haben sich vor einigen Monaten auf einer Buchmesse kennengelernt. Ich wusste nicht, dass du ihn auch kennst." "Er ist ein guter Freund von Doflamingo", meinte Crocodile wahrheitsgemäß. "Aber ich hatte bisher noch nie sonderlich viel mit ihm zu tun. Das ist aber ein großer Zufall, dass ausgerechnet die beiden sich kennen." "Ich finde, dass sie echt gut zusammenpassen", erwiderte Hancock. "Sie sind beide ziemlich stille und schräge Typen." Sie kicherte kurz. "Ich meine: Allein schon, dass sie sich auf einer Buchmesse kennengelernt haben. Es war auch nur eine sehr kleine Messe. Irgendetwas zum Thema Mittelalter oder sowas. Da wundert es mich nicht, dass sie sich sofort angefreundet haben. Gleich und gleich gesellt sich eben gern." "Vielleicht hast du Recht", gestand Crocodile schließlich, obwohl es ihm noch immer ein wenig seltsam vorkam, dass ausgerechnet sein Bruder und einer der besten Freunde seines Partners sich vor einigen Monaten kennengelernt hatten. Aber was dachte er hier überhaupt? Um etwas anderes als einen sonderbaren Zufall konnte es sich ja gar nicht handeln. "Daz und Paula kommen auch. Außerdem noch ein paar Leute aus dem Baratie. Mihawk freundet sich wirklich mit den ungewöhnlichsten Menschen an." Sie nannte noch einige weitere Namen, die Crocodile zumindest auf Anhieb nichts sagten. Zum Abschluss meinte sie dann noch: "Mein Freund Luffy kommt übrigens auch." "Dein Freund?", hakte Crocodile skeptisch nach. "Du meinst deinen festen Freund? Oder nur einen ganz normalen Freund?" "Mein fester Freund Luffy", gab Hancock schließlich freudestrahlend zu. "Wir haben uns vor ein paar Wochen bei einem Konzert kennengelernt. Und ich dachte mir, dass Mihawks Geburtstagsparty eine gute Gelegenheit wäre, um ihn euch vorzustellen, ohne dass er sich wie auf dem Präsentierteller fühlt." "Warum hast du ihn vorher noch nie erwähnt?", fragte Crocodile und spürte sofort, dass eine Art brüderlicher Beschützerinstinkt in ihm wach wurde. Da Hancock wunderhübsch aussah, wurde sie ständig von sehr vielen Männern umworben und hatte sich bereits das eine oder andere Mal für den Falschen entschieden. Sie beschwerte sich häufig bei Crocodile darüber, dass man sie ständig bloß auf ihr Äußeres reduzierte und die Männer immer nur Sex wollten; kaum jemand legte auch Wert auf die inneren Werte. "Und wie ist er so drauf?" "Mach dir keine Sorgen um mich", meinte Hancock sofort. "Er ist ein wirklich netter Typ. Und der erste, den ich umwerben musste. Zuerst hat er nämlich kein allzu großes Interesse an mir gezeigt. Das Äußere scheint ihm gar nicht so wichtig zu sein. Ich habe wirklich ein gutes Gefühl bei ihm!" "Dann ist ja gut", erwiderte Crocodile, auch wenn er noch nicht ganz überzeugt war. Er nahm sich auf jeden Fall vor, bei der Party ein Auge auf den neuen Freund seiner jüngeren Schwester zu werfen. "Du klingst ganz schrecklich negativ", warf Hancock ihm vor und klang plötzlich gar nicht mehr so fröhlich wie noch vor einer halben Minute. "Wehe, du verschreckst ihn mir bei Mihawks Party! Er ist der erste Mann seit langem, mit dem ich mir etwas wirklich Ernstes vorstellen kann. Mach mir das bitte nicht kaputt!" "Ich will dir überhaupt nichts kaputt machen", lenkte Crocodile sofort ein. "Ich mache mir doch nur Sorgen um dich. So ist das eben mit großen Brüdern." "Weiß ich doch", meinte Hancock und schien sich wieder beruhigt zu haben. "Und ich kann auch verstehen, dass du sehr sensibel bist, was solche Dinge angeht. Schließlich hast du ja schon selber Erfahrungen mit gewalttätigen Beziehungen sammeln müssen und möchtest mir dieses Schicksal ersparen. Aber ich kann dir wirklich versichern, dass es sich bei Luffy nicht um eine solche Sorte Mann handelt! Ganz sicher!" "Können wir bitte das Thema wechseln?", sagte Crocodile sofort, damit Hancock gar nicht erst die Gelegenheit dazu bekam, näher auf ihn und seine Ex-Beziehung zu Enel zu sprechen zu kommen. Er erinnerte sich nur ungern an dieses dunkle Kapitel seines Lebens zurück; nicht einmal mit seinen Geschwistern redete er gern darüber. "Von mir aus", erwiderte Hancock, die auch nicht sonderlich erpicht darauf zu sein schien, diese Diskussion fortzuführen. "Also: Freitagabend bei Mihawk Zuhause. Und denk bitte dran, auch Doflamingo Bescheid zu sagen!" "Mach ich", sagte Crocodile. "Dann bis Freitag." "Bis Freitag!" Leise seufzend legte Crocodile auf. Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass Mihawk nächste Woche Geburtstag feierte; und noch dazu einen runden. In seiner derzeitigen Lebenssituation hatte er, um ehrlich zu sein, für kaum noch irgendetwas den Kopf, abgesehen von seiner Jobsuche und seiner Beziehung zu Doflamingo. Und die Party würde bereits in ein wenigen Tagen stattfinden. Was sollte er seinem Bruder bloß schenken? Crocodile war niemals sonderlich kreativ gewesen, was Geschenkideen anging. Ein wenig niedergeschlagen kehrte Crocodile ins Wohnzimmer zurück. Doflamingo saß noch immer auf der Couch, doch der Film war bereits zu Ende; auf dem Bildschirm des Fernsehers war bloß noch der Abspann zu sehen. Hatte er doch so lange mit Hancock telefoniert? "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte sein Freund ihn, kaum hatte er sich neben diesen gesetzt. "Klar, was sollte nicht in Ordnung sein?", erwiderte Crocodile mit relativ wenig Elan und steckte sein Handy zurück in seine Hosentasche. "Wer hat dich angerufen?" "Hancock. Sie hat mich daran erinnert, dass Mihawk nächsten Freitag Geburtstag feiert." Crocodile sah, dass Doflamingo eine Augenbraue nach oben zog und ihm durch seine Sonnenbrille hindurch einen skeptischen Blick zuwarf. "Du klingst nicht sonderlich begeistert. Magst du Geburtstagsparties etwa nicht?" "Darum geht es nicht", meinte Crocodile. "Es ist bloß so, dass ich die ganze Sache völlig vergessen habe. Und jetzt muss ich bis Freitag irgendein Geschenk auftreiben, das Mihawk gefallen könnte. Darin bin ich nicht sonderlich gut." "Schenk ihm doch einfach Geld", schlug Doflamingo schulterzuckend vor. "Geld kommt bei jedem gut an. Oder Schmuck oder so etwas." Crocodile schüttelte den Kopf. "Bei Mihawk nicht. Er legt überhaupt keinen Wert auf materielle Wertgegenstände wie Schmuck. Er möchte, dass sich seine Gäste Gedanken darüber machen, was ihm gefallen könnte. Über zum Beispiel Geld würde er sich nicht freuen, sondern eher noch beleidigt fühlen. Ich bin mir sicher: Ich könnte ihm sogar eine Millionen Berry schenken und er würde sie bloß an mich zurückgeben mit dem Vorwurf, dass ich mir keine Mühe gegeben hätte, ihm etwas wirklich Schönes zu besorgen. Das Problem ist nur, dass ich alles andere als ein Talent dafür habe, irgendwelche gut durchdachten Geschenke aufzutreiben." "Das ist natürlich echt blöd", warf Doflamingo mitfühlend ein und legte einen Arm um seine Schulter. Crocodile lehnte sich in die angebotene Umarmung hinein. Sofort spürte er, wie ihn der Körperkontakt zu seinem Partner ein wenig beruhigte. "Aber du wirst schon noch etwas Passendes finden. Da bin ich mir ganz sicher. Und ein paar Tage hast du ja auch noch Zeit, um darüber nachzudenken", versuchte Doflamingo ihn ein wenig aufzumuntern. "Du bist übrigens auch eingeladen", erinnerte Crocodile sich. "Falls du Lust hast, zu kommen." Sofort verwandelte sich Doflamingo mitfühlendes Gesicht in ein hellauf strahlendes. "Wirklich? Natürlich habe ich Lust, zu kommen! Wieso sollte ich keine Lust darauf haben? Schließlich bekomme ich auf diese Weise die Möglichkeit, deine beiden Geschwister noch näher kennenzulernen. Bisher habe ich sie ja nur ein einziges Mal getroffen." "Überleg es dir lieber gut", warnte Crocodile seinen Partner vor. "Bei diesem Geburtstag wird es sich um eine ganz andere Art von Party handeln als du es gewohnt bist. Mihawk ist kein Mensch, der bei solchen Gelegenheiten dick aufträgt. Es wird bloß eine kleine Party bei ihm Zuhause sein. Und ich bin mir sicher, dass nicht mehr als zwanzig Leute eingeladen wurden. Bestimmt wirst du dich dort furchtbar langweilen." "Ach, Quatsch!", erwiderte Doflamingo sofort; die Worte seines Partners schienen seiner Begeisterung keinen Dämpfer verpasst zu haben. "Eine gute Party hängt doch nicht von der Frage ab, wie viele Leute eingeladen wurden. Ich jedenfalls finde es überhaupt nicht schlimm, dass Mihawk in einem eher kleinen Kreis seinen Geburtstag feiert. Ganz im Gegenteil: Wenn nur wenige Leute kommen, freue ich mich umso mehr, dass ich eingeladen wurde. Das bedeutet wohl, dass ich auf deine Geschwister einen ganz guten Eindruck gemacht habe." Doflamingo klang beinahe schon unangemessen stolz, als er letztere Aussage tätigte. "Sie finden dich nett", bestätigte Crocodile die Vermutung seines Partners. "Außerdem bringt Hancock auch ihren neuen Freund mit. Ich bin schon echt gespannt, was das für ein Typ sein wird." "Warum interessiert dich das so sehr?", fragte Doflamingo nach. "Sie ist eine erwachsene Frau; sie wird schon wissen, auf wen sie sich einlässt." "Genau das ist eben nicht der Fall!", erwiderte Crocodile energisch. "Sie hat nämlich bereits schon mehrere Beziehungen geführt, die absolut nicht gut liefen. Du hast sie doch selbst schon kennengelernt und weißt, wie sie aussieht: Alle Männer sind bloß an ihrem Äußeren interessiert; niemand kümmert sich um ihren Charakter. Dabei ist sie ein so fröhliches und nettes Mädchen! Ich möchte einfach nicht, dass sie an den falschen Typen gerät!" "Natürlich möchtest du das nicht; das kann ich verstehen", meinte Doflamingo besänftigend, fügte dann jedoch hinzu: "Trotzdem sollte man sich in fremde Beziehungen nicht zu sehr einmischen. So etwas habe ich selbst nämlich auch schon einmal getan und es ist alles andere als gut für mich ausgegangen. Lass den Dingen am besten ihren Lauf." "Und wenn er ihr nun etwas antut?", hielt Crocodile dagegen, der die Ansicht seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen konnte. "Vielleicht verarscht er sie und ist bloß an Sex mit ihr interessiert; es wäre nicht das erste Mal, dass Hancock auf eine solche Art Mann hereinfällt. Und meistens ist sie so blind vor Liebe, dass sie jede Ausrede glaubt und erst viel zu spät bemerkt, worauf sie sich eingelassen hat." Obwohl Doflamingo seine Sonnenbrille trug, wusste Crocodile ganz genau, dass sein Freund mit den Augen rollte. Anscheinend nahm er die Situation nicht annähernd so ernst wie sein Gesprächspartner. "Du kennst ihn doch noch gar nicht", meinte er schließlich. "Gib ihm zumindest eine faire Chance. Wenn du bemerkst, dass er sie tatsächlich nur ausnutzt oder er ihr sogar etwas antut, kannst du immer noch einschreiten. Aber du solltest Hancock nicht verärgern, indem du die Beziehung von Anfang an verteufelst." Crocodile murrte unwillig und verschränkte die Arme vor der Brust. Ob er es nun zugeben wollte oder nicht: Der Vorschlag, den Doflamingo eben gemacht hatte, klang nicht unklug. "Vielleicht hast du Recht", gab er schließlich zu. Crocodile wusste ja selbst, dass er gelegentlich dazu neigte, übertrieben fürsorglich zu werden; zumindest, was seine jüngere Schwester anging. Wahrscheinlich war diese Verhaltensweise von Daz auf ihn abgefärbt. "Trotzdem werde ich ihn bei Mihawks Party genau unter die Lupe nehmen." "Tu, was du nicht lassen kannst", war der einzige Kommentar, den Doflamingo abschließend zu dieser Diskussion übrig hatte; er klang beinahe schon ein wenig amüsiert angesichts der Starrköpfigkeit seines Partners. Dann wechselte er unvermittelt das Thema: "Sag mal, wieso verlässt du eigentlich immer den Raum, wenn du an dein Handy gehst?" Crocodile, der mit einer solchen Frage nicht gerechnet hatte und darum sehr überrascht war, wusste nicht so recht, was er darauf antworten sollte. Er schwieg für eine Weile, ehe er schließlich ein wenig unbeholfen, doch wahrheitsgemäß meinte: "Naja, du hast dir doch den Film angesehen. Ich wollte dich durch mein Telefonat nicht stören." "Aber du gehst immer aus dem Raum, bevor du abnimmst", hielt Doflamingo dagegen. "Nicht nur, wenn wir gerade fernsehen. Mich stört es nicht, wenn du in meinem Beisein telefonierst. Nicht im Mindesten. Auch nicht, wenn der Fernseher läuft. Du kannst gerne bei mir sitzen bleiben, wenn du an dein Handy gehst." "Ähm, okay", erwiderte Crocodile. Er wusste nicht so recht, was er von diesem Angebot seitens seines Partners halten sollte. Vor allen Dingen war er sich nicht sicher, ob Doflamingo ihm bloß keine Umstände bereiten wollte oder ob hier irgendwelche Eifersuchtsgründe im Spiel waren. Aus eigener Erfahrung wusste Crocodile nämlich bereits, dass sein Freund gelegentlich ganz schön eifersüchtig und sehr besitzergreifend werden konnte. Hoffentlich würde sich dieser Zustand nicht noch weiter steigern. Je misstrauischer Doflamingo wurde, desto schwieriger würde er es für ihn werden, sein Geheimnis, das er aus seiner Kündigung und seinen Schulden machte, zu bewahren. Außerdem gab es für Doflamingo überhaupt keinen Grund, um eifersüchtig zu sein: Trotz seiner schwierigen Lebenssituation war Crocodile nämlich sehr glücklich mit seinem Partner; eine Trennung kam für ihn überhaupt nicht infrage. Und an eine Affäre oder Ähnliches dachte er selbstverständlich auch nicht. Er hatte einer monogamen Lebensform zugestimmt und an dieses Abkommen würde er sich halten, solange ihre Beziehung Bestand hatte. "Du hast das Ende des Films gar nicht mitbekommen", sagte Doflamingo und wechselte damit erneut relativ abrupt das Thema. "Wenn du möchtest, dann spule ich zurück und wir schauen es uns noch einmal zusammen an." "Okay", war die einzige Erwiderung, die Crocodile über die Lippen brachte. Irgendwie fühlte er sich ein wenig überrannt von dem seltsamen Verhalten seines Partners und wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Stumm sah er dabei zu, wie Doflamingo den Film bis zu der Stelle zurückspulte, an der er wegen des Telefonats mit Hancock den Raum verlassen hatte. Er hatte den Film von Anfang an mit eher geringen Interesse verfolgt, doch Crocodile hielt es für klüger, diese Tatsache für sich zu behalten. * Am Wochenende kam die Auswahl der Möbel, die Crocodile unbedingt mit in sein neues Zuhause nehmen wollte. Darunter befanden sich unter Anderem sein liebstes Bücherregal, sein Lesesessel und der dazugehörige Beistelltisch. Insgesamt handelte es sich um weit weniger Möbelstücke als zuerst vermutet. Der Grund dafür bestand darin, dass sein Partner bereits alles besaß, was zum Wohnen notwendig war und dazu noch einiges mehr, was zwar nicht unbedingt notwendig, aber doch sehr schick anzusehen war. Also galt es für Crocodile, recht wenig mitzunehmen. Er hatte sich die Möbel ausgesucht, die ihm etwas bedeuteten; darauf, dass ein Stück besonders nützlich oder praktisch gewesen wäre, hatte er keinen Wert legen müssen. Allerdings waren die Möbel nicht das einzige, was die angeheuerten Umzugsleute in die Villa seines Partners transportieren. Dazu kamen nämlich noch einige Dutzend große Pappkartons, die Crocodiles Hab und Gut enthielten: Ordner mit wichtigen Dokumenten aller Arten, Bücher und Filme, seine restliche Kleidung, eingerahmte Fotos, sein Lieblingskopfkissen und noch einiger anderer Kram. Die fünf jungen Männer vom Umzugsunternehmen luden erst einmal alle Habseligkeiten vom Lastwagen hinunter und deponierten diese im Foyer der Villa, ehe sie sie in die entsprechenden Räume transportierten. Wenn er ehrlich war, dann wurde Crocodile doch ein wenig flau im Magen, als er seine Möbel und die Pappkartons auf dem teuren Fußboden liegen sah. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich alle Dinge, die ihm etwas bedeuteten, so einfach und schnell zusammenpacken ließen; und auch nicht damit, dass es sich dabei um nur so wenig handeln würde. Crocodile kam es fast so vor, als läge da sein Leben vor ihm auf dem Boden ausgebreitet. Oder zumindest der klägliche Rest, der davon übrig geblieben war. Die Loft-Wohnung, in der er bisher gewohnt hatte, hatte 250 Quadratmeter gezählt und war überaus stilvoll eingerichtet gewesen. Und nun hatte man alles aus dieser Wohnung, was ihm in irgendeiner Form wichtig war, auf nicht einmal ein Zwanzigstel der ursprünglichen Fläche zusammengescharrt. Er war geschrumpft, er war mickrig geworden und hatte an Wert verloren. Plötzlich kamen Crocodile Zweifel. Ob es wohl doch die richtige Entscheidung gewesen war, nach nicht einmal einem Jahr Beziehung mit seinem Freund zusammenzuziehen? Er wäre lieber in seiner Loft-Wohnung wohnen gewesen, musste er ehrlich zugeben, und diese Erkenntnis hinterließ einen bitteren Geschmack auf seine Lippen. Unsinn, schoss es ihm allerdings sogleich durch den Kopf. Sein Auszug aus seiner Loft-Wohnung hatte prinzipiell doch überhaupt nichts mit seinem Einzug in die Villa seines Partners zu tun. Nach seiner Entlassung hätte er sich die teure Loft-Wohnung im Stadtzentrum sowieso nicht mehr leisten können; so oder so hätte er in eine deutlich kleine Wohnung ziehen und sich einschränken müssen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass eine kleine Wohnung wohl deutlich günstiger gewesen wäre als der Zusammenzug mit seinem Freund. Um die 20.000.000 Millionen Berry hatte die Villa gekostet, wie Crocodile wusste. Und da er ab heute ganz offiziell ebenfalls hier wohnte, würde er für die Hälfte dieses Betrags aufkommen müssen. Unweigerlich schluckte Crocodile. Seine Schulden standen ihm inzwischen bis zum Hals. Wie sollte er da nur die gewaltige Summe von 10.000.000 Berry aufbringen? Nicht einmal annähernd so viel verdiente er in einem ganzen Jahr. Oder hatte er in einem Jahr verdient; selbst zu seinen besten Zeiten hätte er eine solch gewaltige Summe Geld nicht einfach aus dem Ärmel schütteln können! Und noch immer hatte Crocodile keine Vorstellung davon, wie er seinem Freund diese Tatsache schmackhaft machen sollte. Im schlimmsten Fall forderte dieser den vollen Betrag sofort ein. Und Crocodile würde nicht dazu in der Lage sein, ihn zu bezahlen. Wie sollte er ihm das nur erklären? Und vor allen Dingen: Würde es ihm gelingen, seine Kündigung und seine Schulden weiterhin geheim zu halten, wenn Doflamingo Geld von ihm forderte? Womöglich verlangte er sogar Einsicht in seine Dokumente, um festzustellen, ob er überhaupt dazu in der Lage war, zu zahlen. Dann würden seine vielen Lügen ans Licht kommen und alles wäre zunichte. Dieses fürchterliche Horrorszenario musste er um jeden Preis verhindern! Sollte ihm dies nicht gelingen, dann ginge seine Beziehung zu Doflamingo mit Sicherheit sofort in die Brüche! Die große Frage war nun: Wie stellte er es bloß an, sein Geheimnis zu bewahren? Die jungen Leute vom Umzugsunternehmen waren fertig damit, Crocodiles Hab und Gut in das Foyer der Villa zu laden. Einer von ihnen, ein Mann mit schwarzen Locken, der schwarze Stiefel und ein ärmellosen Hemd trug, wandte sich anschließend an Doflamingo und fragte höflich: "In welche Räume sollen die einzelnen Möbelstücke gebracht werden, Herr Donquixote?" Auch wenn es Crocodile ärgerte, dass der Mann vom Umzugsunternehmen nicht mit ihm, sondern seinem Partner sprach (schließlich war nicht Doflamingo, sondern er derjenige, der umzog und dem all die zu transportierenden Möbel gehörten!), ließ er sich seinen Unmut nicht anmerken; zumindest nicht, so lange sie Gesellschaft hatten. Crocodile war kein Mensch, der einen Streit vom Zaun brach, während andere Menschen anwesend waren. Ein solches Verhalten hielt er nämlich für überaus unhöflich und unfair. "Bringt die Möbel in den ersten Stock", erwiderte Doflamingo, der es wohl für völlig selbstverständlich hielt, dass er der Ansprechpartner der Umzugsleute war. "Die Dienstmädchen werden euch den Raum zeigen, in dem sie stehen sollen." Dann fügte er, diesmal an Crocodile gewandt, hinzu: "Ich habe ein wunderschönes Zimmer für dein Bücherregal und den Sessel ausgesucht. Es ist nicht weit von unserem Schlafzimmer entfernt und hat einen Balkon, der zum Garten hinausgeht. Dort kannst du deine eigene kleine Wohlfühl-Oase einrichten. Ist das nicht schön?" Ein unwilliger Brummlaut war die einzige Erwiderung, die er seitens seines Partners erhielt. Noch immer war Crocodile eingeschnappt, weil Doflamingo es sich erlaubte, ihm seine Arbeit abzunehmen. Da es sich hierbei um seinen Umzug handelte und nicht um den seines Freundes, hielt Crocodile es für absolut selbstverständlich und indiskutabel, dass auch er allein das Anweisen der Umzugsleute übernahm. Crocodile war ein Mensch, der es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man ihn in seiner Verantwortung und Autorität einschränkte. Es war ihm bereits genug, dass er wegen seiner kurz bevorstehenden Entlassung auf der Arbeit kaum mehr irgendetwas zu sagen hatte - da wollte er wenigstens in seinem Privatleben selbstbestimmt bleiben und die Oberhand behalten. Doflamingo warf seinem Partner durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen verwunderten und misstrauischen Blick zu, als er bemerkte, dass seine Aussage nicht die gewünschte Begeisterung hervorrief. "Was hast du denn?", fragte er und klang überaus enttäuscht. "Ich dachte, dass du dich darüber freuen würdest! Du hattest mir doch mal gesagt gehabt, dass ich mehr Rücksicht auf deine Bedürfnisse und deine Privatsphäre legen soll. Deswegen habe ich mir diese Sache mit deinem eigenem Lesezimmer als Rückzugsort überlegt. Wieso bist du jetzt so furchtbar schlecht gelaunt?" "Ich bin nicht wegen dem Zimmer schlecht gelaunt", erwiderte Crocodile und löste seine vor der Brust verschränkten Arme auf. "Ganz im Gegenteil: Ich finde es wirklich schön, dass du dir Gedanken darüber gemacht hast, womit du mir eine Freude bereiten könntest." "Du klingst aber nicht gerade sonderlich glücklich", hielt Doflamingo mit einer vorwurfsvoll klingenden Stimme dagegen. Er schien tatsächlich sehr enttäuscht zu sein, weil die Überraschung bei seinem Freund nicht so gut wie erwartet angekommen war. Crocodile druckste für eine Weile herum, ehe er schließlich zugab: "Es ist wegen den Umzugsleuten." Verwundert hob Doflamingo eine Augenbraue hoch; mit einer solchen Antwort schien er nicht gerechnet zu haben. "Den Umzugsleuten?", wiederholte er skeptisch. "Was ist denn da nicht in Ordnung? Sie machen ihren Job doch ganz gut, finde ich." Er zögerte kurz, ehe er hinzufügte: "Oder haben sie vielleicht irgendetwas kaputt gemacht oder in deiner alten Wohnung vergessen?" "Nein, das ist es nicht", sagte Crocodile hastig, ehe sein Partner einen schlechten Eindruck von dem angeheuerten Umzugsunternehmen bekam, das bisher tatsächlich überaus pünktlich und zuverlässig seine Arbeit erledigt hatte. "Es ist bloß so, dass es mich total ärgert, dass die Umzugsleute die ganze Zeit nur mit dir sprechen. Dabei sind das doch meine Möbel. Und es ist mein Umzug. Ich verstehe einfach nicht, wieso ich komplett übergangen werde und stattdessen du die ganze Arbeit übernimmst!" "Das ist dein Problem?", hakte Doflamingo ungläubig nach. "Du bist wütend, weil du weniger tun musst? Also, die Logik verstehe ich nicht! Freu dich doch lieber darüber, dass man dir die Arbeit abnimmt und du dich stattdessen entspannt zurücklehnen kannst. Das ist doch nun wirklich kein Grund, um verärgert zu sein!" "Oh doch, das ist es!", hielt Crocodile dagegen; ihm erschien die Argumentation seines Partners völlig unsinnig. "Du weißt ganz genau, dass ich es hasse, wenn man mir irgendetwas aus der Hand nimmt. Ich bin ein erwachsener Mann und das bedeutet, dass ich Dinge wie zum Beispiel einen Umzug auch selbst geregelt bekomme. Ich brauche keine Hilfe!" Doflamingo seufzte halb amüsiert, halb genervt auf. "Jetzt sind wir wieder bei diesem Thema angelangt", meinte er und legte den Kopf in den Nacken. "Wie oft muss ich dir das denn noch erklären: Dass man Hilfe annimmt, bedeutet nicht, dass man unselbstständig oder schwach ist! Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, was du so schlimm daran findest, wenn man dich bei irgendeiner Sache unterstützt. Wir beide sind ein Paar und das bedeutet für mich, dass wir uns gegenseitig helfen und unterstützen, wo wir können. Das ist doch absolut selbstverständlich und überhaupt nicht verwerflich." "Natürlich sollte man sich gegenseitig unterstützen, wenn man in einer Beziehung ist", gab Crocodile zu. "Aber das bedeutete doch nicht, dass du alles regelst und ich überhaupt nichts zu sagen habe. Die Umzugsleute haben ja nicht einmal auch nur ein einziges Wort mit mir gewechselt!" "Aber das liegt doch nicht daran, dass du unselbstständig bist oder Hilfe brauchst!", erwiderte Doflamingo, der sehr überzeugt von seinen eigenen Worten klang. "Und woran liegt es dann, bitteschön?", wollte Crocodile wissen. "Na, es liegt natürlich daran, dass ich derjenige gewesen bin, der mit dem Umzugsunternehmen telefoniert hat, wenn du dich recht erinnerst", erklärte Doflamingo. "Der ganze Auftrag läuft über meinen Namen und über mein Konto. Da ist es doch völlig logisch, dass sich die Umzugsleute an mich wenden und nicht an dich." Er seufzte kurz und rieb sich die Schläfe. Trotzdem wirkte er (wie fast immer) nicht wirklich genervt; überhaupt schien Doflamingo die gesamte Sachlage nicht sonderlich ernst zu nehmen. Crocodile bekam beinahe sogar das Gefühl, er amüsierte sich eher noch darüber, dass sein Freund so verärgert und gekränkt war. "Dass du auch immer nach Gründen suchen musst, um dich in deinem Stolz verletzt zu fühlen", murmelte Doflamingo schließlich liebevoll grinsend. Er beugte sich zu seinem Partner hinunter, um diesen einen sanften Kuss auf die Lippen zu geben und die Arme um dessen Oberkörper zu schlingen. Crocodile ließ es zu, auch wenn er sich noch immer nicht ganz überzeugt fühlte. Erst als Doflamingo wieder von ihm abließ, fiel ihm plötzlich auf, mit welchem Teil dessen Aussage er sich nicht so einfach abfinden konnte: "Der Auftrag läuft über dein Bankkonto?", wiederholte Crocodile und stutzte. "Was meinst du denn damit? Ich dachte eigentlich, dass man mir eine Rechnung schicken würde. Bist du etwa in Vorkasse gegangen? Hat das Umzugsunternehmen das verlangt? Wie viel hast du bezahlt? Wenn du mir die Kontonummer gibst und den Betrag nennst, dann überweise ich dir..." "Vergiss es!", unterbrach Doflamingo ihn sogleich und klang plötzlich untypisch ernst. "Ich werde garantiert kein Geld von dir annehmen! Das Unternehmen ist bereits von mir bezahlt worden und ich möchte unter keinen Umständen die Kosten von dir erstattet bekommen!" "Aber es ist doch mein Umzug gewesen", hielt Crocodile dagegen. "Meine Möbel und meine Klamotten sind transportiert worden, nicht deine. Darum liegt es natürlich auch an mir, die Rechnung des Umzugsunternehmens zu tragen." "Prinzipiell hast du ja Recht", lenkte Doflamingo ein. "Und ich weiß auch, dass du es nicht leiden kannst, wenn man dir irgendetwas ausgibt. Trotzdem bestehe ich darauf, dass ich die Kosten übernehme. Schließlich bin ich derjenige gewesen, der gewollt hat, dass wir beide zusammenziehen. Darum ist es für mich auch ganz selbstverständlich, dass ich dir so wenig Umstände wie möglich bereite, was diesen Umzug angeht." "Du musst wirklich nicht für mich bezahlen, Doflamingo, das ist nicht nötig...!" "Ich weiß, dass es nicht nötig ist. Aber ich tue es gerne. Sieh die bezahlte Rechnung als eine Art Willkommensgeschenk an. Für mich sind das sowieso nur Peanuts. Du weißt doch, dass ich mehr als genug Geld habe." Er stockte kurz und fügte dann noch hinzu: "Außerdem verstehe ich sowieso nicht, wieso du so stark auf getrennte Kassen bestehst. Ich meine, wir beide sind doch ein Paar. Da ist es doch ganz normal, dass der eine mal dem anderen was ausgibt. Ich sehe das alles nicht so streng." "Na gut, von mir aus", gab Crocodile sich schließlich geschlagen. "Aber wenn du das nächste Mal auf die wahnwitzige Idee kommst, eine Rechnung von mir bezahlen zu wollen, dann informiere mich bitte vorher und warte nicht darauf, dass mir die Sache irgendwann von selbst auffällt." "Wenn ich dir vorher Bescheid geben würde, dann würdest du niemals zulassen, dass ich bezahle", entgegnete Doflamingo, doch er sagte es so leise, dass Crocodile es nicht für angemessen hielt, auf diese Aussage zu reagieren. Einige Minuten später waren die jungen Männer vom Umzugsunternehmen mit ihrer Arbeit fertig. Nachdem Doflamingo sie entlassen hatte (nicht ohne jedem ein saftiges Trinkgeld auszuhändigen, als er glaubte, dass sein Freund nicht hinsah), besichtigten Crocodile und er den neu geschaffenen Raum, den Doflamingo so stolz als kleine Wohlfühl-Oase bezeichnet hatte. Das Lesezimmer, mit dem Doflamingo ihm eine Freude hatte machen wollen, war vollständig eingerichtet worden. Sowohl das Bücherregal als auch der Lesesessel mit dem Beistelltisch befanden sich an der richtigen Stelle; sogar die Bücher, die Crocodile aus seiner Loft-Wohnung mitgenommen hatte, waren bereits einsortiert worden. Alles in allem hatten die Umzugsleute wirklich sehr gute Arbeit geleistet, musste Crocodile zugeben. Durch die verglasten Balkontüren schien eine Menge Sonnenlicht in den Raum und die Wände des Zimmers waren in einem ruhigen Beigeton gestrichen worden, der an Strandurlaub erinnerte. Crocodile trat mit bedächtigen Schritten hinaus auf den Balkon. Er lag zum weitläufigen Garten der Villa hin. Vor dem Balkon wuchs ein hoher Baum (Crocodile wusste nicht, um welche Art Baum es sich handelte; er kannte sich mit Pflanzen nicht sonderlich gut aus), der wohl das Zuhause einiger Singvögel darstellte, die Crocodile zwar im Moment nicht sehen, dafür allerdings sehr deutlich hören konnte. "Gefällt es dir?", fragte Doflamingo interessiert und schlang von hinten die Arme um den Oberkörper seines Partners. "Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, was dir gefallen könnte. Und da du in letzter Zeit so oft gestresst bist, du weißt schon, wegen deinem Job, dachte ich mir, dass ein hübsches Lesezimmer genau der richtige Ort für dich wäre. Hierhin kannst du dich zurückziehen, wenn's dir mal wieder zu viel wird, um ganz entspannt ein paar Romane lesen oder dir auf dem Balkon die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Schließlich sind das ja genau die Dinge gewesen, die ich dir versprochen habe, als wir beide im Flying Lamb das erste Mal über's Zusammenziehen geredet haben." Crocodile erinnerte sich daran, dass Doflamingo tatsächlich etwas Ähnliches gesagt hatte, als dieser das erste Mal das Thema Zusammenziehen angeschnitten hatte. "Es gefällt mir sehr gut", meinte Crocodile, und weil ihm das so kurz angebunden vorkam, fügte er noch hinzu: "Ich freue mich vor allen Dingen über den Balkon. In meiner Loft-Wohnung hat es ja leider keinen gegeben. Du hast aus diesem Zimmer wirklich eine echte Wohlfühl-Oase gezaubert. Es ist sehr lieb von dir, dass du dir nur für mich so viel Mühe und so viele Umstände gemacht hast, Doffy. Damit hätte ich nie im Leben gerechnet." "Ich habe es sehr gerne gemacht", erwiderte Doflamingo mit glücklicher Stimme und verstärkte den Griff um den Körper seines Partners. "Schließlich möchte ich, dass du dich in deinem neuen Zuhause wohl fühlst. Dieses Zimmer gehört dir ganz allein. Ich habe mir sogar vorgenommen, anzuklopfen, bevor ich reinkomme!" "Oh, tatsächlich?" Crocodile konnte sich ein Grinsen gepaart mit rollenden Augen nicht ganz verkneifen. "Da fühle ich mich aber geehrt, dass der werte Herr Donquixote sich nur für mich ein manierliches und rücksichtsvolles Verhalten zulegen möchte. Das hätte ich ihm nämlich ebenfalls niemals zugetraut." "Du tust immer so, als wäre ich ein fürchterlicher Rüpel", entgegnete Doflamingo gespielt beleidigt und lachte leise. "Und als hätte ich keine Manieren!" "Die hast du auch nicht!", meinte Crocodile und lehnte sich nach hinten gegen die breite Brust seines Partners, genoss dessen Körperwärme. "Du kommst zum Beispiel ständig zu spät. Und klopfst nie an, bevor du einen Raum betrittst - nicht einmal, wenn ich im Bad bin. Außerdem genießt du es, mich vor anderen Leuten in Verlegenheit zu bringen!" "Das Letzte liegt aber bloß daran, dass du immer ganz rote Ohren kriegst, wenn du dich schämst, und das total niedlich aussieht", säuselte Doflamingo, der die Kritik seitens seines Partners (natürlich) nicht im geringsten ernst nahm. "Niedlich?" Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. "Mir fällt kein Wort ein, mit dem man mich weniger passend beschreiben könnte als niedlich!" "Unsinn", entgegnete Doflamingo, noch immer säuselnd. "Du bist der niedlichste Mensch, den ich kenne. Und es ist ganz besonders niedlich, wenn du rot wirst. Warte, ich beweise es dir!" Crocodile hatte kaum Gelegenheit dazu, sich zu fragen, was für eine lächerliche Art von Beweis sein Partner wohl anführen wollte, als er plötzlich dessen Zunge an seinem rechten Ohr spürte. Seine Ohren gehörten neben dem Hals zu seinen empfindlichsten Körperstellen - worüber Doflamingo selbstverständlich ganz genau Bescheid wusste. Crocodile konnte nicht verhindern, dass er spürte, wie Hitze sich auf seinen Wangen ausbreitete. Währenddessen fuhr Doflamingo mit seiner Zunge Crocodiles Ohrmuschel entlang, ehe er unten beim Ohrläppchen ankam und genüsslich den goldenen Ohrring liebkoste. Sofort überkam Crocodile heiße Erregung und er konnte ganz genau spüren, dass sein Glied sich bereits aufzurichten begann. Und wenn er die große Beule, die von hinten gegen sein Steißbein drückte, nicht vollkommen missverstand, dann ging es seinem Partner nicht anders. "Siehst du, ich hatte doch Recht", flüsterte Doflamingo und sein heißer Atem schlug gegen Crocodiles hoch sensibles Ohr. "Jetzt sind dein Gesicht und deine Ohren knallrot. Sieht wirklich niedlich aus. Sogar mehr als niedlich. Eher ziemlich heiß. Es ist ein wirklich schöner Kontrast zu deiner sonst so blassen Haut. Schade, dass es hier keinen Spiegel gibt. Du solltest dich selbst sehen können." Doflamingo schwieg kurz, ehe er in einer bedenklich ernst klingenden Stimmlage hinzufügte: "Das ist eigentlich wirklich keine schlechte Idee: Sex vor dem Spiegel. Na, was hältst du davon, Wani? Wenn ich dich das nächste Mal nehme, dann darfst du dich dabei selbst in einem Spiegel betrachten...." "Doflamingo!", fluchte Crocodile, konnte gleichzeitig allerdings nicht verhindern, dass die perverse Fantasie seines Partners ihn noch weiter erregte. "Ist ja schon gut", meinte Doflamingo, der sehr amüsiert klang angesichts der Verlegenheit seines Partners. "Hier gibt es sowieso keinen Spiegel. Das heben wir uns wirklich erst für's nächste Mal auf." Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, veränderte Doflamingo den festen Griff um den Körper seines Partners, ohne diesen aufzulösen: Er nahm seine rechte Hand von Crocodiles Oberkörper fort und presste sie stattdessen gegen dessen Schritt. "Obwohl du von der Idee ja echt angetan zu sein scheinst, zumindest deinem harten Schwanz nach zu urteilen." Er lachte selbstgefällig, lüstern und voller Vorfreude. Dann begann er damit, mit der Fläche der rechten Hand rhythmisch über die noch durch zwei dünne Lagen Stoff getrennte Erektion seines Partners zu reiben. "Doflamingo", zischte Crocodile, der sich hin- und hergerissen fühlte zwischen einerseits dem Wunsch, jetzt sofort an Ort und Stelle mit seinem Freund intim zu werden und andererseits der hinderlichen Tatsache, dass sie sich noch immer auf dem Balkon des Lesezimmers befanden. Der Balkon ging zum Garten hinaus und das bedeutete, dass jeder, der vorbeikam und zufällig einen Blick nach oben warf, sie beide beim Sex sehen würde. Und Crocodile war sich nicht sicher, ob er das wollte. "Der Balkon!" "Was ist mit dem Balkon?", fragte Doflamingo und tat so, als wüsste er nicht, was Crocodile mit seinem Einwand meinen könnte. Er presste seine Hand besonders fest gegen die Beule in der Hose seines Freundes und fuhr damit fort, dessen Ohr mit seiner Zunge zu bearbeiten. "Nicht hier", sagte Crocodile und war selbst überrascht darüber, wie erbärmlich halbherzig seine Stimme doch klang. "Hier kann man uns sehen." "Aber gerade das macht doch den Spaß aus", gurrte Doflamingo, ehe er plötzlich stockte. Er schwieg für eine Weile und übte auch keinen weiteren Druck auf die Erektion seines Partner aus. Dann meinte er in einem unerwartet ruhigen und ernsten Tonfall: "Ich will nichts tun, was du nicht möchtest, Crocodile." Nachdem er diesen einen Satz gesagt hatte, schwieg Doflamingo erneut für einige Sekunden, ehe er fast schon unbeholfen hinzufügte: "Aber manchmal fällt es mir schwer, auseinanderzuhalten, ob du ein Nein wirklich ernst meinst oder ob es sozusagen mit zum Spiel gehört. Deswegen frage ich dich jetzt ganz unmissverständlich: Draußen auf dem Balkon oder drinnen im Zimmer?" Crocodile war völlig überrascht angesichts der unerwarteten Rücksichtnahme seines Partners. Er brauchte eine Weile, um sich zu sammeln, ehe er über eine Antwort nachdenken konnte. Um ehrlich zu sein, fiel sie Crocodile nicht sonderlich schwer: Er mochte es, wenn sein Partner gelegentlich mit der Angst spielte, ihnen könnte jemand beim Sex zusehen oder zuhören. Wie damals bei dem Blowjob im Jaguar auf dem Rückweg von Spider's Cafe nach Hause. Doch Crocodile mochte es nicht, wenn diese Angst zu weit führte. Einen Blowjob auf einem abgeschirmten Wagenrücksitz zu bekommen war etwas völlig anderes als Sex auf einem Balkon zu haben, der für jeden, der zufällig vorbeikam, einsichtig war. Ihn hatte die Befürchtung, ein Gärtner oder ein Dienstmädchen könnte sie beide zufällig entdecken, zwar zu Beginn sehr erregt, doch wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann wünschte er sich nicht, dass dieses Szenario tatsächlich eintrat. Vor allem wollte er nicht, dass ihn irgendjemand außer Doflamingo nackt sah. Crocodile war, was Nacktheit anging, ein extrem schamhafter Mensch. Dies lag unter anderem daran, dass er durchaus nicht immer nur positive Reaktionen bezüglich des Armstumpfes auf seiner linken Seite erhalten hatte. Er wollte nicht, dass man seinen Armstumpf sehen konnte. "Drinnen", war also die eindeutige Antwort, für die Crocodile sich entschied. Er spürte, dass sein Freund augenblicklich von ihm abließ. Verwundert und auch ein wenig eingeschüchtert angesichts dieses plötzlichen Entzugs des Körperkontakts wandte Crocodile sich um. Hatte er die falsche Entscheidung getroffen? Dass sein Partner ihm die Wahl ließ, weil er sich ihm nicht aufdrängen wollte, bedeutete schließlich nicht automatisch, dass dieser auch mit der Alternative einverstanden war. Würde Doflamingo nun das Vorspiel abbrechen, weil er keine Lust darauf hatte, den Sex drinnen auszuführen? Hatte dieser sich womöglich so sehr auf den Outdoor-Sex gefreut, dass ihm die Vorstellung, es im Lesezimmer zu tun, überhaupt nicht mehr zusagte? Doflamingo ging hastig zur Balkontüre hinüber und öffnete diese. Dann sah er zu Crocodile hinüber, der verunsichert an Ort und Stelle stehen geblieben war. Er wusste nicht, was sein Partner nun von ihm erwartete. "Wo bleibst du denn?", meinte Doflamingo und seine Stimme war ebenso ungeduldig wie die hektischen Bewegungen, die er ausführte. Er streckte eine Hand einladend nach seinem Freund aus, während er mit der anderen die Balkontüre festhielt, die ansonsten von selbst wieder zufallen würde. "Komm schon! Ich dachte, wir beiden wollen drinnen weitermachen? Oder möchtest du jetzt gar nicht mehr?" "Doch, ich... ich..." Crocodile brachte den Satz nicht zu Ende, sondern huschte eilig zu seinem Partner hinüber und griff nach der angebotenen Hand. Doflamingo zog ihn sanft zu sich in das Innere des Zimmers hinein und ließ dann die gläserne Balkontüre hinter ihnen beiden zufallen. Kaum war die Türe ins Schloss gefallen, fiel Doflamingo erneut über seinen Partner her. Während er mit seinen Händen eifrig über dessen Hinterkopf, Rücken, Hüften und Hintern fuhr, presste er seine Lippen fest auf die seines Gegenübers. Crocodile wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah, so überrascht fühlte er sich von der heftigen Leidenschaft seitens seines Freundes. In der ersten halben Minute stand er einfach bloß wie versteinert dar und ließ die Berührungen relativ passiv geschehen; erst nachdem er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte, erwiderte er die Liebkosungen. Irgendwann lösten sie sich voneinander. Crocodile nutzte die Gelegenheit, um sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, während Doflamingo sich daran machte, ungeduldig das Hemd seines Partners zu aufzuknöpfen. Nachdem ihm dies gelungen war, streifte er es ihm von den Schultern. Dann zog er sich sein eigenes Hemd (heute trug er helles Rosa) kurzerhand über den Kopf aus. Beide Kleidungsstücke landeten achtlos auf dem Teppichboden. Als er den nackten Oberkörper seines Partners sah, richtete sich Crocodiles Glied in seiner Hose erneut auf. Doflamingo war nämlich unglaublich gut gebaut. Soweit Crocodile wusste, trieb er sehr viel Sport, um sich fit zu halten. (Er selbst war zwar ebenfalls alles andere als außer Form, doch ihm war trotzdem klar, dass er mit dem Adonis-Körper seines Freundes nicht mithalten konnte. Vor allen Dingen seit der Doppelbelastung durch seine Kündigung und die vielen Schulden hatte er kaum Zeit gefunden, um Sport zu treiben.) Crocodile fuhr mit seiner rechten Hand ungeniert über die definierten Bauchmuskeln seines Partners, während seine Lippen dessen linken Nippel umschlossen und sanft daran zu saugen begannen. Das leise Stöhnen, das daraufhin über Doflamingos Lippen kam, verschaffte Crocodile ein wenig Genugtuung. Für seinen Geschmack hatte er heute viel zu wenig zu sagen gehabt - da wollte er nun wenigstens nicht auch noch beim Sex völlig passiv und unterwürfig sein. Außerdem, fand Crocodile, hatte sich sein Freund auf jeden Fall eine Belohnung verdient für die Überraschung, die dieser ihm mit dem Lesezimmer bereitet hatte. Nachdem er auch dem rechten Nippel ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt hatte, wandte Crocodile sich dem Hosenbund seines Partners zu. Mit einer gekonnten Bewegung öffnete er dessen Gürtel, dann den Hosenknopf und den Reißverschluss. Anschließend ließ Crocodile sich auf die Knie sinken und zog dabei gleichzeitig auch Doflamingos Hose mit nach unten, bis diese ihm nur noch lose um die Knöchel hing. Noch immer trugen sie beide Schuhe. Crocodile verschwendete keine Sekunde. Sofort umschloss er mit seinen Lippen die bereits feucht glänzende Eichel seines Partners. Er quälte ihn eine Weile, indem er seine Zunge unten flach gegen die Eichel presste und in langsamen Bewegungen auf- und abfuhr. Doflamingo, der sehr ungeduldig war, griff mit einer Hand in das Haar seines Freundes und versuchte, dessen Kopfbewegungen zu beschleunigen. Crocodile allerdings bemühte sich darum, nicht auf diesen Manipulationsversuch einzugehen. Erst als der Griff in seinem Haar wirklich schmerzhaft zu werden begann, erbarmte Crocodile sich und erhöhte seine Geschwindigkeit. Außerdem fuhr er mit seiner Zunge nun nicht mehr nur über die Eichel, sondern auch über die Länge des Glieds (zumindest so weit, wie er sie in seinen Mund hinein bekam, ohne dass er würgen musste). Anscheinend hatte Doflamingo eine Menge Druck gehabt; es dauerte nicht lange, bis er sich in den Mund seines Partners ergoss. Während des Höhepunkts wurde der Griff in Crocodiles Haaren so fest, dass es stark zu schmerzen begann, doch weil er den Orgasmus seines Freundes nicht ruinieren wollte, ließ er es stumm über sich ergehen. Nachdem Doflamingos Orgasmus abgeklungen war, suchte Crocodile in seinen Hosentaschen hastig nach einem Taschentuch. Glücklicherweise fand er rasch eines, das er sich auseinandergefaltet vor den Mund hielt, um das Sperma hineinzuspucken. Das durchnässte Taschentuch legte er dann auf den kleinen Beistelltisch neben dem Lesesessel. Er würde sich einfach niemals an den widerlichen Geschmack und die Konsistenz von Ejakulat gewöhnen. Doflamingo wirkte ganz weggetreten. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen und er wippte langsam vor und zurück. Nach etwa einer halben Minute hatte er sich allerdings wieder gefangen. Er öffnete seine Augen, fuhr mit einer Hand durch das kurzes blondes Haar und leckte sich dann mit der Zunge lasziv über die Lippen. Sein lüsterner Blick war auf seinen Freund gerichtet. In zwei Schritten überbrückte er den kurzen Abstand zwischen ihnen beiden und presste seine Handfläche erneut gegen die dicke Beule in Crocodiles Hose, was diesem ein überraschtes Keuchen entlockte. „Der Blowjob war wirklich super“, schnurrte Doflamingo und massierte durch den Stoff hindurch die Erektion seines Partners. „Ich würde mich sehr gerne revanchieren. Hast du etwas dagegen?“ „Nicht im geringsten“, erwiderte Crocodile und ließ zu, dass Doflamingo seinen Gürtel öffnete, während er selbst hastig aus seinen Schuhen herausglitt. Anschließend zog sein Partner ihm die Hose mitsamt Unterwäsche bis zu den Knöcheln hinunter, sodass Crocodile die Gelegenheit dazu bekam, komplett aus dem Stoff herauszuschlüpfen. Doflamingo tat es ihm gleich. Außerdem nahm er auch seine Sonnenbrille von der Nase und legte sie auf den kleinen Beistelltisch neben dem Sessel. Nun standen sie beide splitterfasernackt voreinander. Crocodile störte es nicht. Im Augenblick war er mit anderen Dingen beschäftigt. Durch den Blowjob, den er eben seinem Freund gegeben hatte, und durch dessen heißes Versprechen, sich zu revanchieren, war seine Erektion inzwischen zur vollen Größe aufgerichtet; sie pochte hart und Crocodile fragte sich, was sein Partner wohl mit ihm vorhatte. Hoffentlich würde er selbst ebenfalls einen Blowjob bekommen. „Zu stehen ist irgendwie ziemlich ungemütlich“, meinte Doflamingo mit sanfter Stimme. „Findest du nicht auch? Warum machst du es dir nicht bequem und setzt dich hin?“ Auch wenn Crocodile ein wenig verwundert war angesichts dieser seltsamen Aufforderung, kam er ihr nach, ohne sich weitere Gedanken darüber zu machen. Da das einzige Möbelstück im Lesezimmer, auf das man sich niederlassen konnte, der Sessel war, wählte er kurzerhand diesen aus. Doflamingo legte ihm ein Kissen auf die Sitzfläche, damit er es weicher hatte. Nachdem Crocodile sich hingesetzt hatte, ging dieser vor ihm auf die Knie und griff mit seinen Händen nach den Unterschenkeln seines Partners und spreizte dessen Beine. Sofort spürte Crocodile, wie sich Hitze sowohl in seinem Gesicht als auch in seinem Unterleib ausbreitete. Er liebte es, wenn Doflamingo nicht einfach bloß wie ein wildes Tier über ihn herfiel, sondern ihn zuerst sorgsam begutachtete. „Beine gespreizt lassen“, murmelte dieser, ehe er sich endlich dem Intimbereich seines Freundes zuwendete. Crocodile hätte das erleichterte Stöhnen, das ihm über die Lippen kam, als Doflamingos Hand sich um sein erigiertes Glied legte und es langsam zu pumpen begann, nicht unterdrücken können, selbst wenn er es gewollt hätte. Sein Partner wiederum quittierte diese eindeutige Reaktion mit einem breiten Grinsen und einem gesäuselten „Aber, aber, ist da jemand vielleicht ungeduldig?“; wahrscheinlich tat er dies, um ihn ein wenig zu necken, doch Crocodile ließ sich auf diese Provokation überhaupt nicht ein. Er schwebte gerade im siebten Himmel und hatte keine Lust, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren als auf seinen Penis, der von seinem Partner in einem gleichmäßigen Rhythmus massiert wurde. Während Doflamingos rechte Hand mit dem Glied seines Freundes beschäftigt war, blieb die linke nicht untätig: Mal knetete sie dessen Hoden, mal kniff sie in einen Nippel hinein, mal strich sie über das Innere der Oberschenkel. Crocodile genoss diese zusätzliche Stimulation und kam nicht umhin, sich ständig zu fragen, an welcher Stelle die zweite Hand ihn als nächstes berühren würde. Irgendwann ließen Doflamingos Hände (sehr zu Crocodiles Leidwesen) von seinem Körper ab. Crocodile gab einen unwilligen Brummlaut von sich und hoffte, dass dies nicht das Ende des Verwöhnprogramms darstellte. Zumindest er für seinen Teil hätte nichts dagegen gehabt, es noch eine Weile länger zu genießen. „Keine Sorge“, sagte Doflamingo, der die Gedanken seines Freundes wohl erraten hatte, noch immer grinsend. „Es geht gleich weiter. Habe ich dich jemals unbefriedigt bleiben lassen?“ Crocodile musste zugeben, dass -so unmanierlich und unzuverlässig Doflamingo auch in fast jeder anderen Hinsicht sein mochte- er das tatsächlich noch niemals getan hatte. Im sexuellen Bereich erwies er sich als überaus zuverlässig und rücksichtsvoll. Also versuchte Crocodile sich wieder zu entspannen; er schloss seine Augen, legte den Kopf in den Nacken, lockerte die Muskeln in seinen noch immer gespreizten Beinen und wartete auf das, was auch immer als nächstes geschehen würde. Nur wenige Sekunden später spürte er, wie sich ein Paar weiche, warme und feuchte Lippen um seine Eichel stülpten. Die Lippen lutschten für eine Weile seine Eichel und nahmen dabei auch ohne zu zögern die ersten Lusttropfen auf, die entkamen. Crocodile stöhnte genüsslich, während die Lippen langsam und gleichmäßig seinen Penis auf- und abfuhren. Wenig später gesellte sich zu dem Lippenpaar eine ebenso warme und noch viel feuchtere Zunge, die fest gegen die Unterseite seines Glieds gedrückt wurde und in einer nun erhöhten Geschwindigkeit auf- und abfuhr. Doch Doflamingo ließ es nicht monoton und langweilig werden: Immer wieder wich seine Zunge von der gewohnten Bahn ab, indem sie zum Beispiel über die Eichel glitt oder bis ganz nach unten zur Wurzel des Glieds. Crocodile Stöhnen wurde lauter und höher, als sein Partner einmal sogar noch weiter nach unten glitt und einen der beiden Hoden in den Mund nahm. Die Hitze in seinem Unterleib schien bis ins Unermessliche zu steigen, als er spürte, wie Doflamingo an der überaus empfindlichen Haut an dieser Stelle saugte. Nachdem er den einen Hoden bearbeitet hatte, nahm er den anderen ebenfalls in den Mund und wiederholte das Prozedere. Anschließend gelang es ihm sogar, beide Hoden auf einmal, also fast den gesamten Hodensack, in den Mund zu nehmen. Dieses Gefühl war einfach unglaublich! Crocodile keuchte laut auf. Die Haut an den Hoden war bei jedem Mann sehr sensibel und plötzlich zu spüren, wie sie von einem warmen, feuchten und weichen Mund umschlossen wurde, ließ Crocodile völlig verrückt werden. Er glaubte schon, es nicht länger aushalten zu können, als Doflamingo erneut komplett von ihm abließ. „Ein bisschen noch!“, bettelte Crocodile sofort und öffnete seine Augen. Die kalte Luft, die nun gegen seine warmen und feuchten Hoden schlug, fühlte sich nämlich alles andere als angenehm an; da war ihm der Mund seines Partners um einiges lieber. „Nur eine Minute! Eine halbe! Bitte!“ Er konnte Doflamingo selbstgefällig schmunzeln hören. „Du weiß doch, was man sagt, Wani“, meinte er. „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Aber keine Angst: Wir hören natürlich noch nicht ganz auf.“ Letztere Aussage beruhigte Crocodile ein wenig. Er hätte zwar Doflamingos Mund um seinen Hodensack gerne noch ein wenig länger genossen (vermutlich hätte er tatsächlich nicht mehr als eine halbe Minute gebraucht, ehe er zum Orgasmus gekommen wäre), doch er wusste, dass nun etwas folgen würde, was ihm noch ein wenig besser gefallen würde. Zumindest hoffte er darauf. Crocodile beobachtete verwundert, wie sein Freund die Schublade, die zum Beistelltisch des Sessels gehörte, öffnete und eine Tube Gleitgel hervorholte; außerdem machte er die Umrisse eines weiteren Gegenstandes aus, der allerdings nur so kurz zu sehen war, dass Crocodile nicht genau erkennen konnte, worum es sich handelte. Im Augenblick war er jedoch sowieso mit anderen Dingen beschäftigt: Er hatte nämlich keine Ahnung, wie das Gleitgel und der ominöse andere Gegenstand in die Schublade seines Tisches gelangt waren; keines von beidem gehörte ihm. „Von mir ist das nicht“, meinte er darum und beäugte misstrauisch die Tube Gleitgel, die sein Partner in der Hand hielt. Die Tube sah ungeöffnet und neu aus. Es handelte sich auch nicht um die Marke, die Crocodile üblicherweise kaufte. „Ich weiß“, erwiderte Doflamingo, als würde es sich dabei um die normalste Sache der Welt handeln. „Das ist meins.“ Verwirrt zog Crocodile eine Augenbraue hoch. „Deins?“, hakte er skeptisch nach. „Wie zur Hölle kommt denn dein Gleitgel und... was auch immer du da sonst noch drin hast... in die Schublade von meinem Tisch?“ „Na, ich habe es natürlich hineingelegt“, antwortete sein Partner, während er die Tube öffnete, einen Klacks Gleitgel auf seine Finger gab und zerrieb, damit die Flüssigkeit warm wurde. „Oder glaubst du etwa, die Umzugsleute hätte den Kram da hinein getan?“ Er kicherte kurz angesichts des Witzes, den er selber gerissen hatte, ehe er wieder ein klein wenig ernster wurde. „Soll das etwa heißen, dass du das geplant hast? Also, den Sex. Hier im Zimmer?“ „Schuldig im Sinne der Anklage“, erwiderte Doflamingo noch immer grinsend. „Ich habe tatsächlich schon von Anfang an geplant gehabt, dein neues Zimmer, naja, angemessen einzuweihen. Und jetzt lehn dich schön zurück und entspann dich, ja? Schließlich sind wir noch lange nicht am Ende der Einweihungsfeier angelangt.“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Freund da zu ihm sagte. Er wusste nicht recht, ob er sich geschmeichelt fühlen oder empört sein sollte angesichts dieser Dreistigkeit. Trotzdem beschloss Crocodile, den Anweisungen Doflamingos folge zu leisten. Denn noch immer spürte er, wie sein pochendes Glied sich nach Aufmerksamkeit sehnte und er selbst sich nach Befriedigung. Seiner Erregung hatte ihr kurzes Zwischengespräch jedenfalls keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil: prickelnde Hitze breitete sich erneut in Crocodiles Unterleib und Gesicht aus, als er einen Blick auf die mit reichlich Gleitgel benetzten Finger seines Partners warf. Crocodile hatte bereits eine Ahnung, worauf Doflamingos Revanche vermutlich hinauslaufen würde. Und er musste ehrlich zugeben, dass er gegen dieses Vorhaben nicht das geringste einzuwenden hatte. Ein Keuchen verließ Crocodiles Mund, als Doflamingo mit zwei Fingern durch die Spalte seines Hintern fuhr. Seine Bewegungen waren nicht ungeduldig oder hitzig, sondern beinahe schon quälend sanft und langsam. Crocodile erwischte sich selbst dabei, wie er dachte, Doflamingo sollte ein wenig schneller machen. Da er noch immer mit gespreizten Beinen auf dem Lesesessel saß und zuvor ein weiches Kissen untergelegt hatte, wurde Doflamingo, der vor ihm auf dem Teppichboden hockte, idealer Zugang zum Intimbereich seines Partners gewährt. Ohne sich verbiegen zu müssen, konnte er an jede Stelle gelangen, die er interessant fand und die er berühren wollte. Nachdem Doflamingo wohl zu der Ansicht gekommen war, er hätte Crocodile ausreichend geneckt (und gleichzeitig genug warmes Gleitgel in dessen Spalte verteilt), presste er endlich die Spitze seines rechten Zeigefingers gegen den engen Eingang seines Partners und drang schließlich vorsichtig in ihn ein. Crocodile schloss seine Augen, stöhnte leise und genoss dieses atemberaubend schöne Gefühl, das ihn jedes Mal aufs Neue überfiel, wenn sein Partner ihn penetrierte. Es machte ihn völlig wehrlos. Crocodile liebte es einfach, wenn Doflamingo in ihn eindrang; ganz gleich ob mit seinem Glied oder bloß mit einem Finger. Er würde lügen, wenn er behauptete, ihm würde passiver Analsex nicht gefallen. Mit Genuss und weiterhin leise stöhnend spürte Crocodile, wie Doflamingo seinen Finger in ihm stetig vor- und zurückbewegte und gelegentlich drehte. Eine Weile später (Crocodile hatte sein Gefühl für feste Zeitangaben längst verloren) fühlte er dann erneut zwei warme und feuchte Lippen, die seine Eichel fest umschlossen und an ihr zu saugen begannen. Auch wenn Doflamingo dies zuvor schon getan hatte, waren die beiden Male nicht miteinander vergleichbar: Es war schwer in Worte zu fassen, doch aus irgendeinem Grund fühlten sich das Paar Lippen an seiner Eichel, durch die Penetration seines Eingangs, noch um ein vielfaches intensiver als sowieso schon an. Crocodile konnte sich diese seltsame Wechselwirkung nicht ganz erklären (vor allen Dingen, da beide Bereiche nicht direkt zusammenhingen); er wusste nur, dass sie existierte. Und ihn völlig verrückt werden ließ. Die zeitgleiche Stimulation seiner beiden Hauptlustzentren ließ Crocodiles Erregung ins Unermessliche ansteigen. Sein Kopf fühlte sich wie leergefegt an und sein Körper völlig taub. Es war, als würde sich seine ganze Empfindsamkeit bloß auf diese beiden Stellen, sein Eingang und seine Eichel, reduzieren. Crocodile war sich sicher, dass wenn die Stimulation, die sein Partner an beiden Punkten ausübte, nur ein klein wenig schneller und intensiver wäre, er bereits längst zum Höhepunkt gekommen wäre. Dazu fehlte nämlich nicht mehr viel. Crocodile war zu benebelt, um auf den Gedanken zu kommen, dass ihn Doflamingo vermutlich absichtlich so lange hinhielt. Stattdessen murmelte und schnurrte er ständig bloß „Bitte schneller!“ oder „Bitte mehr!“ und ärgerte sich stumm darüber, dass sein Freund ihm diesen Gefallen nicht tun wollte. Zumindest nicht sofort. Dafür war Crocodile Lust und Freude umso größer, als er schließlich doch spürte, dass Doflamingo endlich auch mit einem zweiten Finger in ihn eindrang. Ein hoher und spitzer Stöhnlaut entkam ihm, als sein Partner nicht bloß die Geschwindigkeit seiner Stoßbewegungen erhöhte, sondern gleichzeitig auch mit seinen Lippen und seiner Zunge die volle Länge seines Glieds zu liebkosen begann. „Das halte ich nicht mehr lange aus“, murmelte Crocodile zwischen zwei genießerischen Seufzern. „Ich komme gleich.“ Doflamingo erwiderte auf diese Aussage nichts; zumindest nicht mittels gesprochenen Worten. Stattdessen glitt er mit seinem Mund bis ganz nach unten zur Peniswurzel. Dort saugte er für eine Weile an der Scham (die Behaarung an dieser Stelle wurde von Crocodile stets auf wenige Millimeter gestutzt) und hinterließ ein paar dunkelrote Flecken. Anschließend ging Doflamingo noch ein Stück weiter nach unten und wendete sich erneut den Hoden seines Freundes zu. Diesmal nahm er sie allerdings nicht sofort in den Mund. Dafür leckte er mit seiner langen und geschickten Zunge über die sehr empfindliche Haut am Hodensack, befeuchtete sie mit seinem warmen Speichel. Währenddessen unterbrach er niemals die Bewegungen seiner Finger, die noch immer Crocodiles Eingang stimulierten. Crocodile spürte, dass er dem Höhepunkt sehr nah war. Er fühlte sich völlig ausgelaugt; allein in seinem Unterleib hielt ein heißes Kribbeln vor, dem er nicht Herr werden konnte. Und weil es sich unwahrscheinlich gut anfühlte, bemühte er sich mit aller Kraft darum, seinen Orgasmus noch ein wenig aufzuschieben. Er wollte das angenehme Kribbeln noch eine Weile länger genießen, es noch für ein paar Sekunden in seinem Unterleib festhalten... Als Doflamingo jedoch plötzlich mit seinem Mund beide Hoden auf einmal fest umschloss und gleichzeitig mit seinen Fingerspitzen seine Prostata streifte, gab es für Crocodile kein Halten. Er hatte keine Kontrolle mehr über seinen Höhepunkt, der über ihn hereinbrach wie eine riesige Tsunamiwelle. Für einen Moment verstummte er und wurde ganz starr, nur um sich eine halbe Sekunde später lauthals schreiend und mit zuckenden Bauchmuskeln auf seinen eigenen Oberkörper zu ergießen. Doflamingo ließ nicht sofort von ihm ab. Er fuhr damit fort, an den Hoden zu lutschen und seine Finger in den Eingang seines Partners zu stoßen; solange, bis Crocodiles Orgasmus endlich vorüber war und dieser durch das Anziehen seiner Beine deutlich machte, dass er genug hatte. Entkräftet und völlig erschöpft sank Crocodile auf dem Lesesessel zusammen. Doflamingo kniete noch immer vor ihm und warf ihm mit seinen grünen Augen einen selbstgefälligen und neugierigen Blick zu. Seine Lippen zierte ein breites Grinsen. Insgesamt wirkte er überaus zufrieden mit sich selbst. Da er dies allerdings zurecht tat, störte Crocodile sich nicht weiter daran. Im Augenblick war er sowieso zu müde und fühlte sich viel zu wohl, um sich über seinen Freund zu ärgern. „Na? Wie hat es dir gefallen? Bin ich gut gewesen?“ „Der Beste“, hauchte Crocodile schwer atmend und beobachtete, wie Doflamingos Grinsen noch ein wenig breiter wurde, falls dies überhaupt möglich war. „Freut mich, dass es dir gefallen hat. Brauchst du eine Pause, bevor wir weitermachen? Oder hast du genug?“ „Gib mir fünf Minuten“, antwortete Crocodile und streckte seine Beine, damit die Muskeln sich an- und anschließend entspannen konnte. Während er von seinem Partner verwöhnt worden war, hatte er daran keinen Gedanken verschwendet, doch nun im Nachhinein spürte er, wie anstrengend es gewesen war, die Beine so lange gespreizt zu halten. Die Muskeln fühlten sich stark strapaziert an. „Tut es weh?“, fragte Doflamingo und leichte Besorgnis schwang in seiner Stimme mit. „Hast du vielleicht einen Krampf oder so etwas bekommen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein, es ist alles Ordnung“, meinte er. „Es ist nur sehr anstrengend gewesen, die Beine so lange in einer Position zu halten. Die Muskeln in den Oberschenkeln sind noch immer angespannt. Aber mach dir keine Sorgen, das legt sich sicher gleich wieder. Ich will mich jedenfalls nicht beschweren. Das ist es nämlich auf jeden Fall wert gewesen!“ „Wir können ja gleich eine Stellung aussuchen, die die Muskeln in deinen Beinen nicht allzu sehr beansprucht“, schlug Doflamingo entgegenkommend vor. „Löffelchen oder so.“ Crocodile nickte zustimmend und massierte mit der rechten Hand die entsprechenden Muskeln in seinen Oberschenkeln. Mit diesem Deal konnte er gut leben. Er spürte bereits wieder, wie die Anspannung langsam nachließ und stattdessen die Erregung erneut wuchs. Nach dem Sex (in der Löffelchen-Stellung auf dem kuschelig weichen Teppichboden des Lesezimmers) standen sie nicht sofort gleich wieder auf und zogen sich an, sondern blieben noch für einige Minuten fest aneinandergepresst liegen. Crocodile atmete schwer und pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Sex, den er mit Doflamingo gehabt hatte, war mindestens ebenso gut und befriedigend wie das Vorspiel gewesen. Außerdem genoss er den Körperkontakt zu seinem Partner; Doflamingo war nämlich angenehm warm und in seinen Armen zu liegen, gab Crocodile ein Gefühl von Geborgenheit, das so unglaublich schön war, dass er es kaum fassen konnte. Während er so beschützt und geborgen da lag, kamen ihm seine Kündigung und seine Schulden auf einmal sehr weit weg und völlig unwichtig vor. In den Armen seines Freundes fühlte er sich absolut sicher. Crocodile wünschte sich, sie beide könnten ewig auf diesem flauschigen Teppichboden liegen bleiben. Leider konnten sie das nicht. Doflamingo schien zwar das Kuscheln nach dem Sex ebenfalls sehr genossen zu haben, doch nach einer Weile löste er den Griff um seinen Partner und erhob sich. Crocodile blieb nichts anderes übrig, als es ihm gleichzutun. Kaum hatte Doflamingo ihn losgelassen, wurde Crocodile plötzlich eiskalt; er spürte, wie sich Gänsehaut auf seinem gesamten Körper ausbreitete. Dazu gesellte sich ein flaues Gefühl im Magen. Eilig huschte Crocodile zu der Packung Taschentücher hinüber, die er auf den Beistelltisch abgelegt hatte, und nahm sich eines heraus; hastig wischte er das Sperma seines Partners weg, das aus seinem Eingang heraus und über seine Oberschenkel lief, und schlüpfte dann sofort wieder in seine Kleidung. Sie wärmte ihn nicht annähernd so gut wie es der eng an ihn gepresste Körper seines Freundes getan hatte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, hörte er Doflamingo mit skeptischer und besorgter Stimme fragen. Anscheinend hatte er es nicht so eilig wie sein Partner, denn er stand noch immer nackt da und musterte diesen aus seinen stechend grünen Augen. Anscheinend fror er auch nicht. „Klar“, erwiderte Crocodile rasch. Wie immer, wenn sein Freund keine Sonnenbrille trug und ihn beobachtete, bekam er das überaus unangenehme Gefühl, geröntgt zu werden. Seine Gänsehaut verstärkte sich noch weiter. „Du verhältst dich plötzlich so komisch“, fuhr Doflamingo in einem nicht sonderlich überzeugt klingenden Tonfall fort. „Ich merke doch, das irgendetwas los ist. Hast du wieder Magenschmerzen bekommen?“ Crocodile schüttelte den Kopf, obwohl sich sein Magen tatsächlich ein wenig flau anfühlte. Er verwendete diese Ausrede in letzter Zeit sehr oft; darum kam sie ihm inzwischen irgendwie ganz flach und unglaubwürdig vor, sogar wenn es sich um die Wahrheit handelte. Da er allerdings nicht so recht in Worte fassen konnte, wieso er sich auf einmal so seltsam fühlte und verhielt, meinte er bloß: „Mir ist ein bisschen kalt geworden. Du weißt schon, weil du mich losgelassen hast. Dein Körper wird beim Kuscheln nämlich immer sehr warm.“ „Oh, achso.“ Dieser (nur halb gelogene) Ausrede schien sein Freund glücklicherweise Glauben zu schenken. „Was hältst du dann von einer heißen Dusche? Zu zweit natürlich. Und danach gibt es Mittagessen.“ „Duschen hört sich gut an“, erwiderte Crocodile, der sich nach dem Sex immer ganz schmutzig fühlte und deswegen gegen eine kurze Dusche nichts einzuwenden hatte. „Aber Hunger habe ich noch keinen.“ „Immer noch nicht?“ Doflamingo klang stutzig. „Dabei hast du doch kaum gefrühstückt. Und wir hatten eben super geilen Sex! Wie kann man denn da nicht hungrig geworden sein?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ist halt eben so“, meinte er und klang recht abgegriffen. Wenn er ehrlich war, dann hatte er gerade überhaupt keine Lust dazu, irgendwelche Diskussionen zu führen. Er fühlte sich ganz lethargisch und erschöpft. Am liebsten würde er jetzt duschen, sich danach mit seinem Partner ins Bett legen und bis morgen Nachmittag schlafen. Und zwar ohne auch nur ein einziges Wort mit Doflamingo zu wechseln. Denn jäh wurde ihm klar, dass er nicht bloß keine Lust auf Diskussionen hatte, sondern auf Gespräche jedweder Art. Er wollte einfach bloß seine Ruhe haben. Schwermütig beobachtete Crocodile seinen Freund dabei, wie dieser in seine Kleidung hineinschlüpfte. Währenddessen fielen ihm auch zwei mittelgroße Flecken auf dem neuen Teppichboden auf; sie befanden sich genau dort, wo Doflamingo und er eben noch gelegen hatten. Man brauchte also wirklich kein Genie zu sein, um sich auszumalen, woher die dunklen Flecken wohl stammen mochten. Auch wenn Crocodile sich gerade müde fühlte und ganz zerstreut war, konnte er nicht verhindern, dass Schamesröte seinen Hals hinaufkroch. Beschämt bedeckte er seinen Blick mit seiner rechten Hand. Das herzhafte Kichern seines Partners entging ihm trotzdem nicht. „Mach dir nichts draus“, hörte er Doflamingo mit amüsierter Stimme sagen. „Das ist kein Problem, auch wenn der Teppich neu ist. Ich werde einfach eine Putzfrau bestellen, die sich darum kümmert. Hinterher wird man es nicht mehr sehen.“ Crocodile erwiderte auf diese Aussage nichts, nahm allerdings seine Hand wieder herunter. Sein Blick wanderte zu dem Beistelltisch hinüber, der neben dem (zum Glück unversehrten) Lesesessel stand. Unweigerlich fragte Crocodile sich, welcher Gegenstand wohl in der Schublade lag. Doflamingo war schließlich nicht dazu gekommen, ihn einzusetzen, und er selbst hatte ihn nur so kurz gesehen, dass er nicht sicher sagen konnte, worum es sich handelte. Vielleicht um einen Vibrator? Aber der Vibrator, den sie damals benutzt hatten, war nicht schwarz gewesen, erinnerte Crocodile sich gedankenverloren. Außerdem hatte er eine etwas andere Form gehabt als der ominöse Gegenstand, über den er sich gerade den Kopf zerbrach. Doflamingo schien sich zuerst ein wenig verunsichert zu fühlen angesichts seines plötzlich so weggetretenen Partners; kaum allerdings folgte er dessen gedankenverlorenen Blick und gelangt beim Beistelltisch an, legte sich erneut ein breites Grinsen auf seine Lippen. Er ging zu dem kleinen Tisch hinüber und griff nach seiner Sonnenbrille, die auf der Tischplatte lag. Nachdem er sie sich auf die Nase gesetzt hatte, drehte er sich (noch immer breit grinsend) zu Crocodile um und meinte: „Na, neugierig?“ Auch wenn die Frage sehr unspezifisch war, wusste Crocodile sofort, wovon sein Partner sprach. Augenblicklich kehrte die gerade erst verschwundene Schamesröte in sein Gesicht zurück und er wandte sofort den Blick von dem kleinen Beistelltisch ab. „Ph!“, machte Crocodile, der sich seine Verlegenheit nicht anmerken wollte, und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kein bisschen. Und jetzt lass uns endlich gehen! Wollten wir nicht duschen?“ Doflamingo lachte. „Komm schon“, meinte er und schien sich herrlich über seinen peinlich berührten Freund zu amüsieren. „Möchtest du nicht wissen, was in der Schublade ist?“ Um ehrlich zu sein, wollte Crocodile sehr gerne wissen, worum es sich bei dem rätselhaften Gegenstand handelte: einen neuen Vibrator? Einen Dildo? Oder vielleicht einen Plug? Denn auch wenn das Sextoy heute noch nicht zum Einsatz gekommen war, hätte er zumindest etwas, worauf er sich für das nächste Mal freuen könnte. Crocodile musste nämlich wohl oder übel zugeben, dass er alle Erfahrungen, die er in dieser Beziehung bisher mit Sexspielzeug gemacht hatte, sehr genossen hatte. Doflamingo schien echtes Talent dafür zu haben, seinen Geschmack zu treffen. Auf der anderen Seite allerdings war Crocodile ein schrecklich schamhafter Mensch. Er würde sich niemals vor seinem Partner eine Blöße geben und offen zugeben, dass er nur zu gerne wüsste, welches Sextoy dieser für ihn (oder für sie beide) besorgt hatte. Also schluckte Crocodile seine Neugierde notgedrungen herunter und meinte in einem möglichst gleichgültig klingenden Tonfall: „Nein, ich möchte es nicht wissen. Und jetzt hör endlich auf mit diesem Blödsinn, ja? Ich will duschen!“ Leider klangen diese Worte nicht halb so überzeugend wie er es gehofft hatte. Zu seinem Pech schien auch Doflamingo diesen Umstand mitbekommen zu haben, denn er brach in ungehaltenes Gelächter aus. Als er sich schließlich wieder gefangen hatte, meinte er: „Es ist wirklich unfassbar niedlich, wie sehr du dich sträubst, Crocobaby. Wie kommt es nur, dass du so stolz bist? Wie auch immer... Ich weiß genau, dass du unheimlich gerne wissen möchtest, was sich in dieser Schublade befindet. Und weil ich heute besonders gut drauf bin, lass ich dich nicht länger zappeln und löse das Rätsel auf!“ Doflamingo log nicht; tatsächlich griff er mit der rechten Hand nach der Schublade des kleinen Beistelltisches und öffnete diese mit einen kurzen Ruck. Der Gegenstand, der zum Vorschein kam, verschlug Crocodile den Atem. Es vergingen zwei Sekunden, in denen er sich absolut sicher war, dass sein Herz ausgesetzt hatte, nur um gleich danach mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu schlagen. Die Schamesröte in seinem Gesicht färbte sich noch um einiges dunkler. Doflamingo brach nicht noch einmal in lautes Gelächter aus; er blieb ganz still. Stattdessen allerdings legte sich das breiteste Grinsen, das Crocodile jemals bei ihm gesehen hatte, auf seine Lippen, während er den entsprechenden Gegenstand aus der Schublade herausholte und vor dem Gesicht seines Partners neckisch hin- und herschwenkte. „Du bist ein verdammter Idiot, Donquixote Doflamingo!“, war das einzige, was schließlich ungestüm aus Crocodile herausbrach. Die Haut in seinem Gesicht brannte heiß, während er erfolglos versuchte, den Blick von dem Toy abzuwenden. Es handelte sich um eine Analkette. Ein Sexspielzeug, das Crocodile zwar vom Hörensagen kannte, bei ihm selbst jedoch noch niemals Anwendung gefunden hatte. Was sein Partner anscheinend vorhatte, demnächst zu ändern. „Eigentlich wollte ich die Kette heute ausprobieren“, meinte Doflamingo in einem so selbstverständlichen Tonfall, dass man meinen könnte, er spräche über irgendein neues Haushaltsgerät. „Aber da du schon so früh zum Orgasmus gekommen bist, werden wir das wohl aufs nächste Mal verschieben müssen.“ Nachdem er dies gesagt hatte, legte sich ein neckisches Grinsen auf seine schmalen Lippen. „Naja, wenigstens hast du jetzt etwas Schönes, worauf du dich freuen kannst, Wani. Ich bin mir sicher, dass du es kaum abwarten kannst, nicht wahr?“ „Du spinnst wohl!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor die Brust. Wenn er ehrlich war, dann hatte er zwar tatsächlich nichts dagegen, die Analkette beim nächsten Mal auszuprobieren, doch er war ein viel zu schamhafter Mensch, als dass er diese Tatsache sich selbst hätte eingestehen können. Crocodile fühlte sich völlig überfordert von dem so offenem Verhalten seines Freundes. Wie gelang es Doflamingo bloß immer, so ungeniert und schamlos über Sex zu sprechen? Er selbst könnte so etwas nie. „Ach, sei doch nicht so verklemmt“, redete Doflamingo auf ihn ein; insgesamt schien er den Widerstand seitens seines Partners nicht sonderlich ernst zu nehmen. Vermutlich kannte er ihn gut genug, um ihn zu durchschauen und zu wissen, dass er seinen Starrsinn nicht ganz ernst meinte. „Ich meine, überleg doch mal, was für einen tollen Orgasmus du heute -nur durch einen Blowjob und ein bisschen fingern- gehabt hast“, fuhr er also ungerührt fort. „Wie unglaublich wird dein Höhepunkt dann erst werden, wenn anstatt meiner Finger die Analkette zum Einsatz kommt? Du weißt doch sicher, dass man sagte, Analketten intensivieren den Orgasmus um ein vielfaches! Ich glaube dir nicht, wenn du mir sagst, dass du keine Lust auf diese Erfahrung hast! Schließlich bekommt doch jeder gerne schöne Orgasmen, nicht wahr?“ „Doflamingo“, sagte Crocodile und er schämte sich dafür, wie schwach und befangen seine Stimme klang, während er den Namen seines Partners aussprach. Am liebsten würde Crocodile im Erdboden versinken. Dass Doflamingo so hemmungslos über Orgasmen sprach, die er ihm gerne bereiten würde, war einfach zu viel für ihn. Crocodile war es nicht gewohnt, so zwanglos über solche empfindlichen und persönlichen Details zu sprechen; jedenfalls hatte keiner seiner Exfreunde jemals dieses Thema angeschnitten. Er fühlte sich komplett verunsichert. „Können wir bitte endlich duschen gehen?“, brachte er schließlich verzweifelt über seine Lippen, während er mit der rechten Hand über den Ellenbogen des linken Arms rieb. „I-ich kann einfach nicht über Sex sprechen. Ich bin da nicht so ungezwungen wie du. Akzeptiere das bitte, okay?“ „Ist schon gut“, erwiderte Doflamingo und klang plötzlich überraschend sanft und verständnisvoll. Anscheinend hatte er begriffen, dass er ihn mit seinen Worten nicht mehr bloß neckte, sondern ernsthaft in die Enge trieb. „Ich erlöse dich: Komm, wir machen uns jetzt auf den Weg zum Bad.“ Er griff nach der Hand seines Partners und zog diesen sacht hinter sich her. Crocodile, der sehr erleichtert war angesichts der unerwarteten Rücksichtnahme seitens seines Freundes, ließ es sich gefallen. Er war bloß froh darüber, dass dieses peinliche Gespräch endlich ein Ende gefunden hatte. Auch wenn er zugeben musste, dass er es durchaus nicht bereute, nun über die Analkette Bescheid zu wissen; tatsächlich war Crocodile sehr neugierig geworden, was dieses neue Sexspielzeug anging. Er konnte dies gegenüber Doflamingo bloß einfach nicht zeigen. „Wie kommt es eigentlich, dass du so unfassbar prüde bist?“, fuhr sein Partner fort, während er die Türe zum Badezimmer öffnete. „Hast du etwa eine streng katholische Erziehung genossen? Nicht, dass es mich stören würde; schließlich ist es wirklich niedlich, dass du jedes Mal knallrot wirst, wenn wir über Sex reden. Ich wüsste nur gerne, woran es liegt...“ Hatte er sich nicht eben noch darüber gefreut, dass Doflamingo sich rücksichtsvoll und diskret verhielt? Crocodile kam nicht umhin, leise zu seufzen und die Augen zu rollen. Sein Partner war und blieb einfach unverbesserlich, schoss es ihm durch den Kopf. „Müssen wir gleich das nächste unangenehme Gespräch beginnen?“, erwiderte er also in einem sarkastisch klingenden Tonfall. „Mir hat unsere Unterhaltung eben schon mehr als gereicht. Können wir beide nicht einfach duschen und uns anschweigen? Das wäre mir am allerliebsten.“ Doflamingo lachte lauthals angesichts dieser bissigen Erwiderung, sagte allerdings zu Crocodiles Erstaunen kein Wort mehr, ehe sie die gemeinsame Dusche beendet hatten. * „Das führt doch zu nichts“, meinte Crocodile mit mauliger Stimme, während er sich mit zwei Fingern die Schläfe massierte. „Wir laufen nun schon seit mehr als zwei Stunden durch die Gegend und haben immer noch nichts Passendes gefunden. Vielleicht sollten wir lieber nach Hause fahren und ein andern Mal wiederkommen!“ „Nur nicht die Geduld verlieren“, war die gelassen klingende Erwiderung, die er seitens seines Partners erhielt.. „Wir finden schon noch das Richtige; da bin ich mir ganz sicher. Außerdem ist die Party doch schon am Freitag. Das bedeutet, wir werden angesichts der wenigen Zeit, die uns noch bleibt, wohl kaum eine andere Gelegenheit finden.“ Crocodile seufzte genervt auf, doch musste sich wohl oder übel eingestehen, dass Doflamingo mit dieser Aussage durchaus nicht Unrecht hatte. Also schluckte er notgedrungen seinen Unwillen hinunter und folgte seinem Partner in das nächste Geschäft. Sie waren gemeinsam in die Einkaufsmeile der Stadt gefahren, um nach einem passenden Geschenk für Mihawks Geburtstag an diesem Wochenende Ausschau zu halten. Leider verlief ihre Suche bisher äußerst erfolglos. Doflamingo kam zwar ständig auf neue Geschenkideen, doch Crocodile musste ihm jedes Mal aufs Neue einen Strich durch die Rechnung machen, weil der Vorschlag einfach nicht zu seinem äußerst eigensinnigen Bruder passte. Tatsächlich war Mihawk eine sehr spezielle Person und genau darum war es auch so schwierig, ein Geschenk zu finden, dass diesem gefallen könnte. Kinogutscheine, Konzertkarten oder Ähnliches waren eine schlechte Idee, weil Mihawk Menschenaufläufe nicht leiden konnte; aus Geld und Schmuck machte er sich nichts; und abgesehen vom Fechten und Forschen über das Mittelalter hatte er nicht allzu viele Hobbies. „Wie wäre es mit einem schicken Parfuem?“, schlug Doflamingo vor, der ihn prompt in eine naheliegende Parfuemerie lotze. „Gut duften tut doch schließlich jeder gerne, oder nicht?“ „Ich glaube nicht, dass Mihawk viel Wert auf das richtige Parfuem legt“, hielt Crocodile dagegen, während er seinen Freund dabei beobachtete, wie dieser den Gang mit den Herrendüften ansteuerte. Doflamingo schien sich nicht viel aus seiner Kritik zu machen; jedenfalls griff er ungerührt nach einem Pafuemflakon, das als Tester zur Verfügung stand, und hielt ihn sich an die Nase. Der Duft schien ihm nicht zu gefallen, denn schnell stellte er das Fläschchen zurück und griff nach einem anderen. „Wie wäre es hiermit?“, fragte er schließlich und hielt seinem Partner einen ausgewählten Flakon hin. Relativ lustlos nahm Crocodile ihn entgegen und schnüffelte daran; es war ein fruchtiger Geruch, der ihm überhaupt nicht zusagte. Angewidert verzog er das Gesicht, schüttelte den Kopf und gab das Parfuem an seinen Freund zurück. Das schien diesem Antwort genug zu sein, denn er stellte das Fläschchen zurück und suchte sogleich nach einem passenderen Duft. Wenn er ehrlich war, dann hatte Crocodile eigentlich keine große Lust darauf, mit Doflamingo verschiedene Düfte auszuprobieren. Er war sich sehr sicher, dass Mihawk sich über ein Parfuem nicht sonderlich freuen würde, und darum hielt er den Aufenthalt in diesem Geschäft für relativ unnötig. Auf der anderen Seite allerdings wollte er seinen Partner nicht verärgern: Doflamingo schien nämlich sehr gerne einkaufen zu gehen und Crocodile wollte ihm nicht den Tag verderben, indem er ihn mit seiner schlechten Laune nervte. „Was hältst du von diesem?“, riss Doflamingos fröhliche Stimme ihn aus seinen Gedanken. Crocodile schreckte auf, nahm allerdings geistesgegenwärtigen den Flakon entgegen, den sein Freund ihm hinhielt, und roch auch an diesem. „Besser“, gab Crocodile zu, fügte dann allerdings an: „Trotzdem glaube ich nicht, dass ein Parfuem das richtige Geschenk für Mihawk ist. Wir sollten uns lieber woanders umschauen.“ „Wir können ja gleich noch in ein paar andere Geschäfte gehen“, erwiderte Doflamingo, der gar nicht zu bemerken schien, dass sein Partner sich genervt fühlte. „Aber erst möchte ich noch ein paar weitere Düfte ausprobieren. Oder hast du es eilig? Ich dachte, du hättest heute keine weiteren Termine mehr.“ „Ich habe es nicht eilig“, gab Crocodile zu, während Doflamingo ihm einen anderen Flakon in die Hand drückte. „Aber ich finde es ganz schön frustrierend, dass wir beide nun schon so lange nach einem schönen Geschenk suchen, und noch immer nichts gefunden haben. Eine kleine Pause würde mir guttun.“ „Wir sind doch erst seit zwei Stunden unterwegs“, hielt Doflamingo dagegen. Noch während er sprach, tauschte er den Parfuemflakon in der Hand seines Freundes gegen einen anderen ein, den dieser bewerten sollte. „Das ist noch nicht sonderlich lange, finde ich. Wenn ich mit Bellamy oder Dellinger shoppen gehe, sind wir manchmal von morgens bis abends auf den Beinen. Gehst du denn nicht gerne shoppen?“ „Doch, eigentlich schon“, erwiderte Crocodile und roch an dem Flakon; zu seiner Überraschung hatte Doflamingo endlich einmal einen Duft ausgewählt, der sehr angenehm roch. „Aber nicht stundenlang. Außerdem sind wir doch gar nicht shoppen: Wir suchen nach einem Geschenk. Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas für sich oder für jemand anderen sucht, finde ich jedenfalls.“ „Vielleicht hast du Recht“, gab Doflamingo schließlich zu und schien sich darüber zu freuen, einen Duft gefunden zu haben, der seinem Partner gefiel. „Wie wäre es mit einem Kompromiss: Wenn wir hier in der Parfuemerie fertig sind, dann suchen wir beide uns ein nettes Cafe und machen ein wenig Pause, bevor es weitergeht. In Ordnung?“ „In Ordnung“, sagte Crocodile und fühlte sich erleichtert angesichts dieser Aussicht. Eine Pause hatte er dringend nötig. Die Suche nach einem passenden Geschenk für seinen Bruder stresste ihn deutlich mehr als er es zu Beginn vermutet hatte. Wahrscheinlich lag dies daran, dass er sowieso schon dauernd unter viel zu viel Stress stand. Da war eine solche zusätzliche Belastung nicht sonderlich hilfreich. „Stört es dich, wenn ich draußen warte?“, fragte er darum seinen Partner. „Ich würde gerne eine Zigarre rauchen. Außerdem steigen mir die vielen verschiedenen Düfte langsam zu Kopf.“ „Das ist kein Problem“, antwortete Doflamingo. „Ich möchte ja nicht, dass dir schlecht wird. Warte du draußen vor dem Geschäft, ich komme dann gleich nach.“ Crocodile nickte, gab seinem Freund einen kurzen Kuss auf die Lippen und verließ dann froh die Parfuemerie. Dass er die vielen verschiedenen Düfte, die in der Luft lagen, nicht gut vertrug, war nicht einmal eine Lüge gewesen. Kaum hatte er das Geschäft verlassen und atmete draußen die frische Luft ein, ging es ihm schon ein wenig besser. Gedankenverloren zündete Crocodile sich eine Zigarre an und beobachtete die belebte Einkaufstraße, während er den ersten Zug nahm. Er hoffte von ganzem Herzen, dass sie bald irgendetwas fanden, das Mihawk gefallen würde. Diese Shoppingtour mit seinem Freund raubte ihm den letzten Nerv. Er war bloß froh, dass sie gleich eine Pause einlegen würden und er sich ein wenig hinsetzen konnte. Inzwischen fühlte Crocodile sich nämlich nicht nur bloß genervt, sondern auch sehr erschöpft und entkräftet. Wenn er wieder in der Villa seines Partners war, würde er auf jeden Fall noch vor dem Abendessen ein entspannendes Bad nehmen. Crocodile hatte kaum aufgeraucht, als Doflamingo endlich die Parfuemerie verließ. „Ich bin fertig“, trällerte dieser fröhlich; er wirkte nicht im geringsten müde oder ausgelaugt. „Von mir aus können wir jetzt nach einem Cafe Ausschau halten. Gegen einen Kaffee hätte ich nämlich nichts einzuwenden.“ Crocodile erwiderte nichts, sondern nickte bloß zustimmend und folgte seinem Freund die Straße hinunter. „Wollen wir mal da drüben rein?“, fragte Crocodile und deutete auf einen kleines Antiquitäten-Geschäft, das zwischen den vielen Ladenketten irgendwie ein wenig fehl am Platz wirkte. „Mihawk steht auf antiken Kram und solche Dinge. Vielleicht finden wir dort irgendetwas, das ihm gefallen könnte.“ „Klar, wieso nicht“, war die leichthin gesprochene Erwiderung seitens Doflamingo. Gemeinsam steuerten sie also das kleine Geschäft an; es wirkte sehr altmodisch und war von oben bis unten vollgestopft mit Krempel jeder Art. Neugierig blickte Crocodile sich um und versuchte Gegenstände auszumachen, die für Mihawk interessant sein könnten. Doflamingo hingegen schien sich ausnahmsweise einmal recht verloren zu fühlen und musterte eher verschüchtert den schmuddeligen Laden; vermutlich war er es nicht gewohnt, Geschäfte dieser Art zu betreten, schoss es Crocodile durch den Kopf. Sie sahen sich einige Minuten lang stillschweigend um, ehe aus dem hinteren Bereich des Geschäfts jemand zum Vorschein kam und sie ansprach. „Guten Tag, meine Name ist Hocha“, stellte sich die überraschend junge und geschmackvoll gekleidete Frau vor. Ihr blondes Haar trug sie modisch kurz geschnitten. Sie hätte eher als Kellnerin in ein kultiviertes Lokal gepasst als in ein solch altmodisches Geschäft, fand Crocodile. „Ich bin die Besitzerin dieses Antiquitäten-Ladens. Kann ich Ihnen helfen?“ „Das können Sie vielleicht wirklich“, meinte Crocodile, während er sich überlegte, wie er sein Anliegen am besten erklärte. „Ich bin auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für meinen Bruder. Er mag Antiquitäten und vor allem Dinge, die aus dem Mittelalter stammen. Haben sie vielleicht etwas Entsprechendes da?“ „Hm“, machte Hocha und legte den Kopf schief. „Da sind Sie richtig in meinem Laden; wir führen nämlich eine ganze Menge Gegenstände, die aus diesem Zeitraum stammen. Es würde sehr lange dauern, Ihnen alles vorzustellen. Können Sie womöglich eingrenzen, wonach Sie suchen? Wo liegen denn zum Beispiel die Interessen Ihres Bruders?“ „Er interessiert sich sehr stark fürs Fechten. Und für den Schwertkampf allgemein“, fiel Crocodile sofort ein. Schließlich hatte Mihawk sein Hobby zum Beruf gemacht und arbeitete bereits seit vielen Jahren als selbstständiger Fechtlehrer. „Führen Sie vielleicht antike Waffen? Degen, Säbel, alte Schwerter, vielleicht auch Messer... irgendetwas in dieser Art?“ Erneut legte Hocha den Kopf schief, ehe sie sagte: „Ja, das tun wir in der Tat. Würden Sie mir bitte in die hinteren Räume des Ladens folgen? Waffen stellen wir nur ungern vorne aus, wo leicht Unfälle passieren können.“ „Natürlich“, erwiderte Crocodile und folgte der jungen Frau tiefer in den Antiquitäten-Laden hinein. Doflamingo, der sich inzwischen wohl an die kuriose Atmosphäre, die herrschte, gewöhnt hatte, ging ebenfalls mit. Zu dritt blieben sie vor einem Regal stehen, in dem viele verschiedene Schwerter ausgestellt wurden; Crocodile konnte sich kaum satt sehen. Er selbst war zwar nicht so unglaublich wie Mihawk in den Schwertkampf vernarrt, doch er konnte nicht verleugnen, dass ein wenig des Interesses seines Bruders auch auf ihn abgefärbt war; von den Hobbies seiner Geschwister bekam man eben doch immer das eine oder andere mit. „Dieses hier“, Hocha deutete auf ein sehr alt wirkendes Schwert auf Augenhöhe, „stammt aus dem Italien des 16. Jahrhunderts. Anhand der Verzierungen am Griff lässt sich erkennen, dass...“ Sie fuhr fort und verlor sich in einer Fülle an Details, die Crocodile, der bei weitem nicht so geschichtskundig wie sein Bruder war, nicht allzu viel sagten. Dennoch hörte er höflich zu und warf zwischendurch unauffällige Blicke auf die anderen Schwerter und Waffen, die zu sehen waren. Vor allen Dingen ein bestimmtes Schwert erregte seine Aufmerksamkeit: Es wirkte noch ein wenig älter als jenes, über das Hocha gerade sprach, und besaß einen überaus kunstvoll verzierten Griff. Die Klinge war mit Sicherheit länger als einen Meter und sehr breit. Europäisches Breitschwert, schoss es Crocodile daraufhin sogleich durch den Kopf. „Um was für ein Schwert handelt es sich bei diesem hier?“, fragte er darum interessiert nach, nachdem Hocha ihren Monolog schließlich beendet hatte. Sie schien einen kurzen Moment lang ihr Wissen zu ordnen, ehe sie erklärte: „Ein Ritterschwert aus Mitteleuropa. Aufgrund der typischen Kreuzform, der breiten Klinge und der Ornamente am Griff lässt es sich leicht dem zehnten bis vierzehnten Jahrhundert zuordnen. Dieses Exemplar ist fast siebenhundert Jahre alt und darum sehr wertvoll. Selbstverständlich bin ich in Besitz der entsprechenden Nachweise.“ Sie wurde durch das Läuten der Türklingel unterbrochen. „Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment“, sagte Hocha, ehe sie zurück in den vorderen Bereich des Antiquitäten-Ladens huschte. „Ich bin sofort wieder bei Ihnen.“ Dann ließ sie sie für einige Minuten allein. „Und?“, wollte Doflamingo, der sich bisher noch überhaupt gar nicht geäußert hatte, wissen. „Glaubst du, dass es sich bei einem solchen Schwert um ein gutes Geschenk für Mihawk handelt?“ „Auf jeden Fall“, erwiderte Crocodile und warf einen erneuten Blick auf das europäische Ritterschwert. „Darüber wird er sich mit Sicherheit freuen. Er liebt das Mittelalter und er liebt Schwerter. Und bei diesem Geschenk wären beide Bereiche abgedeckt. Es ist absolut ideal; etwas Besseres werden wir kaum finden.“ „Dann lass es uns nehmen“, meinte Doflamingo und deutete auf das Schwert, über das Hocha und er eben noch gesprochen hatten. Crocodile zögerte. Er erinnerte sich daran, dass Hocha gesagt hatte, dieses Schwert wäre unglaublich wertvoll. Und eigentlich befand er sich derzeit überhaupt nicht dazu in der Lage, um Geld für teure Geburtstagsgeschenke aus dem Fenster zu werfen. Seine Schulden standen ihm sowieso schon bis zum Hals; wie sollte er in dieser Situation ein antikes Schwert bezahlen, dass sicherlich mehrere hundert Berry kostete? Wenn nicht sogar einen vierstelligen Betrag! Crocodile wollte schlucken, doch spürte auf einmal einen dicken Kloß im Hals, der dieses Vorhaben unmöglich machte. Ihm kam plötzlich in den Sinn, dass er noch immer nicht mit seinem Partner über das Geld gesprochen hatte, das er diesem wegen seines Einzugs in dessen Villa schuldete. Dabei handelte es sich bereits um eine gigantische Summe von 10.000.000 Berry. Er konnte es sich einfach nicht leisten, dass sich seine Schulden noch weiter vergrößerten. Er kam doch bereits in seiner derzeitigen Lage kaum hinterher, was die Tilgung seiner vielen Kredite anging. Auf der anderen Seite allerdings handelte es sich um das Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder. Crocodile wollte vor seiner Familie nicht geizig erscheinen; schon gar nicht vor Mihawk. Sein älterer Bruder hatte ihn bei sich aufgenommen, nachdem ihre Eltern ihn wegen seiner Homosexualität rausgeschmissen hatten. Ganze drei Jahre lang hatte er bei diesem gewohnt, ohne dass Mihawk auch nur einen einzigen Berry von ihm angenommen hatte. Nicht einmal an den Nebenkosten oder den Wocheneinkäufen hatte er sich beteiligen dürfen. Und als er gegen Ende seines Studiums seine rechte Hand verloren hatte und auf Unterstützung angewiesen war, hatte sein Bruder ihn erneut für mehrere Monate aufgenommen und sich aufopfernd um ihn gekümmert und ihn unterstützt. Crocodile biss sich auf die Unterlippe, als er sich daran zurückerinnerte, wie viele Stunden Zeit Mihawk geduldig geopfert hatte, allein um ihm dabei zu helfen, das Hemdknöpfen mit nur einer Hand zu lernen. Ganz zu schweigen von den vielen anderen Dingen, die er ganz neu hatte lernen müssen: Autofahren. Geschirr abwaschen. Sich die Schuhe binden. Und bei allem hatte Mihawk ihm absolut selbstlos geholfen. „Du hast Recht, wir sollten es nehmen“, meinte Crocodile schließlich. „Es ist genau das richtige Geschenk für Mihawk. Er wird sich riesig freuen, ganz sicher!“ Kaum hatten sie beide sich für den Kauf des Schwertes entschieden, betrat Hocha erneut den hinteren Bereich des Antiquitäten-Ladens. „Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung“, sagte sie freundlich, ehe sie sich wieder ihren beiden Kunden und dem Ritterschwert, für das diese sich interessierten, zuwandte. „Haben Sie sich inzwischen entschieden? Oder soll ich ihnen lieber noch eine weitere Auswahl vorführen?“ „Wir haben uns entschieden“, meinte Doflamingo, ehe Crocodile die Gelegenheit dazu bekam, Hocha zu antworten. „Wir möchten das europäische Ritterschwert kaufen. Zusammen mit sämtlichen Nachweisen über die Herkunft natürlich.“ „Sehr gerne“, erwiderte Hocha. „Bitte entschuldigen Sie mich kurz; ich werde eben die entsprechenden Dokumente holen.“ Sie verschwand erneut für wenige Minuten, ehe sie mit ein paar sehr formell wirkenden und sauber abgehefteten Papieren in der Hand zurückkehrte. Anschließend nahm sie vorsichtig das antike Schwert vom Regal hinunter. Mit beidem machte sie sich dann auf den Weg zur Kasse im vorderen Bereich des Antiquitäten-Ladens. Doflamingo und Crocodile folgten ihr auf dem Fuße. Hocha erklärte ihnen, was die Dokumente zu bedeuten hatten, welches Siegel wofür stand und wie seriös welcher Nachweis war, ehe sie das Schwert behutsam in eine gefütterte Schachtel legte und diese verschloss. Wenn er ehrlich war, dann wurde Crocodile plötzlich doch sehr unwohl, als er einen Blick auf die verschlossene Schachtel warf. Außerdem wurde ihm klar, dass er einen essentiellen Fehler begangen hatte: Er hatte nicht nach dem Preis des Schwertes gefragt, ehe er (oder besser gesagt: Doflamingo) dem Kauf zugestimmt hatte. Nun gab es kein Zurück mehr, ganz gleich wie teuer diese Antiquität auch sein würde. Wenn er sich nicht vor seinem Partner blamieren wollte, musste er dieses Schwert zu jedem Preis kaufen. „Das macht dreitausendvierhundert Berry“, sagte Hocha gelassen, während sie den Preis von Hand in die kleine Kasse eingab. Crocodile verschlug diese Summe wortwörtlich den Atem. Das Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder sollte mehr als 3.000 Berry kosten? Eine solche Rechnung war ein herber Schlag für seine sowieso schon überaus empfindliche Finanzsituation. Wie sollte er eine Summe in dieser Höhe nur wieder ausgleichen? „Bitte geben Sie ihren Pin über diese Tastatur ein.“ Hochas unbekümmerte Stimme riss Crocodile aus seinen Gedanken. Erschreckt beobachtete er, wie Doflamingo einen vierstelligen Pin über die Tastatur des Kartenlesegerätes eingab; in entsprechendem Gerät steckte bereits eine der vielen Kreditkarten seines Partners. „Was tust du denn da?“, fragte Crocodile bestürzt. „Na, ich bezahle das Schwert“, gab Doflamingo zurück und klang dabei so gelassen, dass man meinen könnte, es handelte sich dabei um eine absolute Selbstverständlichkeit. „Aber wieso das denn?“, wollte Crocodile wissen. „Mihawk ist doch mein Bruder, nicht deiner!“ Er fühlte sich völlig überfordert mit der derzeit herrschenden Situation. Was sollte er denn jetzt nur tun? Die Kreditkarte seines Freundes aus dem Lesegerät reißen und stattdessen seine eigene hineinstecken? Peinlich berührt musste Crocodile sich eingestehen, dass er nicht einmal wusste, ob er überhaupt noch eine Karte besaß, mit der er eine Summe von 3.400 Berry bezahlen könnte. „Na, einer von uns muss doch die Rechnung bezahlen, oder nicht?“, erwiderte Doflamingo, während er die Kreditkarte aus dem Lesegerät wieder entnahm. Anscheinend war die Zahlung bereits problemlos erfolgt. „Oder hast du zufällig genau eintausendsiebenhundert Berry in bar im Portemonnaie dabei? Ich jedenfalls nicht. Deswegen habe ich jetzt erstmal bezahlt.“ „Na gut“, erwiderte Crocodile verdattert. Noch immer wusste er nicht so recht, was er von dem Verhalten seines Partners halten sollte. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Dann zahle ich dir die Hälfte demnächst zurück“, meinte er schließlich. Doflamingo seufzte bloß halbherzig und winkte ab angesichts dieses Versprechens. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht so stark auf getrennte Kassen bestehe“, sagte er schließlich. „Es ist doch nicht schlimm, wenn ich mal für dich mitbezahle. Die paar Tausender sind sowieso nur Peanuts für mich. Ob du mir das Geld zurückzahlst oder nicht, würde mir nicht einmal auffallen. Da kannst du es genauso gut gleich behalten.“ „Trotzdem“, hielt Crocodile dagegen, dem es sehr komisch vorkam, dass eine Summe, die in seinen Augen sehr hoch war, von seinem Partner bloß als Peanuts bezeichnet wurde. „Ich möchte nicht in deiner Schuld stehen. Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn man mir etwas ausgibt. Und außerdem hast du doch letztens erst die Rechnung des Umzugsunternehmens übernommen!“ Auch wenn Doflamingo wie üblich seine Sonnenbrille mit den bunt getönten Gläsern trug, wusste Crocodile genau, dass sein Freund mit den Augen rollte. „Lass uns jetzt nicht deswegen streiten, in Ordnung?“, meinte dieser schließlich und griff nach der Schachtel, die das mehrere tausend Berry teure Schwert enthielt. „In letzter Zeit reden wir ständig nur über Geld. Darauf habe ich jetzt aber gar keine Lust. Lass uns nach Hause fahren und zusammen zu Abend essen, bevor wir uns ins Bett legen, ja? Und über das Geld reden wir ein andern Mal. Ich fand den Nachmittag mit dir in der Einkaufsmeile sehr schön und ich möchte nicht, dass diese Shoppingtour in einem Streit endet.“ „Von mir aus“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen und folgte seinem Partner durch den Ausgang des kleinen Antiquitäten-Geschäfts. „Aber zurück bekommst du das Geld trotzdem.Wann auch immer.“ Um ehrlich zu sein, dann erleichterte ihn der zeitliche Aufschub, den sein Freund ihm gewährte, doch deutlich mehr als er zu Beginn vermutet hätte. Dass Doflamingo nicht sofort das Geld verlangte, das Crocodile ihm schuldete, bedeutete für ihn, dass er bessere Gelegenheit dazu bekam, seine Finanzen zu ordnen und auf diesen Schlag vorzubereiten. Insgesamt handelte es sich um einen riesigen Vorteil für Crocodile. * Es war Donnerstagnachmittag; morgen würde Mihawks Geburtstagsparty stattfinden. Crocodile und Doflamingo aßen gemeinsam zu Abend. Obwohl es sich nicht um die erste Mahlzeit handelte, die Crocodile zusammen mit seinem Partner in dessen Villa einnahm, kam es ihm noch immer ein wenig seltsam vor. Die Sache war nämlich die, dass Doflamingo nicht selbst kochte, sondern Leute eingestellt hatte, die diese Aufgabe für ihn erledigten. Er brauchte sich also bloß noch an den angerichteten Tisch zu setzen und bedienen zu lassen. Überhaupt schien er in seinem Haushalt keinen Finger zu rühren: Geputzt und aufgeräumt wurde von Reinigungskräften, eingekauft und gekocht von Haushältern, weitere Aufgaben wurden von Angestellten und Dienstmädchen erledigt. Crocodile musste zugeben, dass er seinen eigenen Haushalt auch nicht komplett allein bewältigt hatte; zumindest für lästige Aufgaben wie zum Beispiel das Fensterputzen oder Teppichreinigen hatte er sich ebenfalls professionelle Reinigungskräfte bestellt. Doch wenigstens die Aufgaben, die alltäglich anfielen, hatte er selbst erledigt. Niemals wäre er auf den Gedanken gekommen, sich Zuhause von einer Person, die er eigens zu diesem Zweck eingestellt hätte, bekochen zu lassen. Wenn er ehrlich war, dann fühlte sich Crocodile in der Villa seines Partners wie in einem luxuriösen Hotel, aber eben nicht wie Zuhause. Er begann seine Loft-Wohnung zu vermissen, die ihm in diesem Vergleich plötzlich wie ein kleiner, schlichter und sehr behaglicher Ort vorkam. (Dabei war diese bereits so groß und hochwertig ausgestattet gewesen, dass die Finanzierung für einen Normalverdiener nicht möglich gewesen wäre.) Wieder überkam Crocodile das äußerst unangenehme Gefühl, dass er, was die Lebensqualität anging, einfach nicht mit Doflamingo mithalten konnte; selbst, wenn er seine Arbeit nicht verloren hätte, hätte er es nicht gekonnt. Natürlich hatte Crocodile von vorneherein gewusst, wie viel Geld sein Freund besaß (oder zumindest wie viel er bei der Bank, die Crocodile managte, angelegt hatte) und er war sich ebenfalls im Klaren darüber gewesen, dass zwischen den Einkommen von ihnen beiden eine große Lücke klaffte. Dennoch hätte er niemals geahnt, dass sich diese Lücke in der Praxis so deutlich zeigte. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie sich eher relativierte; dass sich der Unterschied zwischen einem reichen Mann und einem super-reichen Mann nicht allzu gravierend äußern würde. Leider lag er komplett falsch, was diese Vermutung anging. Eher war das Gegenteil eingetreten: Je länger ihre Liebesbeziehung andauerte, desto unpassender und unzulänglicher kam Crocodile sich vor. Im Augenblick fühlte er sich wie ein Bauer, der von einem Adligen zum Abendessen eingeladen worden war. (Ein Bauer, der sich absolut dessen bewusst war, dass es sich bei ihm um nichts weiter als einen armen, erbärmlichen und wertlosen Mann handelte.) „Ist etwas nicht in Ordnung, Croco?“ Crocodile schreckte auf, als er die misstrauische und besorgte Stimme seines Partners hörte, die ihn aus seinen Gedanken riss. Gedankenverloren blickte er zu Doflamingo hinüber, der ihn durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch musterte. „Was hast du gesagt?“, fragte Crocodile nach; er hatte die Worte seines Freundes zwar gehört, doch er war eben so abwesend gewesen, dass sie gar nicht bis zu seinem Gehirn durchgedrungen waren. „Ob alles in Ordnung mit dir ist“, wiederholte Doflamingo und klang noch einen Deut misstrauischer als beim ersten Mal. „Du hast dein Essen kaum angerührt und wirkst irgendwie ganz fahrig und geistesabwesend.“ „Ich bin okay“, erwiderte Crocodile hastig und es überraschte ihn, wie selbstverständlich diese gelogenen Worte über seine Lippen kam. Er hatte in den letzten Wochen so oft gelogen, dass er sich inzwischen bereits zu einem recht guten Schauspieler entwickelt hatte. „Die Arbeit war nur sehr anstrengend und jetzt fühle ich mich ein wenig ausgelaugt.“ Wie zur Untermauerung seiner Worte rieb er sich mit ein paar Fingern über die rechte Schläfe. „Du scheinst mir in letzter Zeit wirklich viele anstrengende Arbeitstage zu haben“, hielt Doflamingo ihm vor und zeigte anklagend mit seiner Gabel auf die Brust seines Partners. „Und außerdem machst du immer noch ständig Überstunden, obwohl du mir versprochen hattest, dass du dich darum bemühst, pünktlich Arbeitsschluss zu machen.“ „Tut mir leid“, meinte Crocodile sofort, der sich ertappt fühlte. Sehr gut erinnerte er sich daran, dass er seinem Freund tatsächlich gesagt hatte, er würde zusehen, dass er weniger Überstunden machte. Bei diesem Versprechen hatte es sich allerdings bloß wieder um eine weitere Lüge seinerseits gehandelt. Ehrlich gesagt bemühte er sich sogar noch darum, möglichst viele Stunden zusätzlich zu arbeiten, damit sein letzter Gehaltscheck ein wenig üppiger ausfiel und er einen größeren Teil seiner Schulden tilgen könnte. Bei der nächsten Woche handelte es sich nämlich um die allerletzte Arbeitswoche vor seiner endgültigen Entlassung und damit auch um die letzte Gelegenheit, durch Überstunden noch ein wenig mehr Geld zu verdienen. „Aber du stellst dir das auch viel zu einfach vor“, fuhr Crocodile fort, um sich zu verteidigen. „Wenn es noch Arbeit gibt, die erledigt werden muss, dann kann ich eben nicht einfach pünktlich um siebzehn Uhr den Kugelschreiber fallen lassen. Und in letzter Zeit häuft sich sehr viel zusätzliche Arbeit an. Da kann ich mich nicht gegen wehren, ich muss es machen, wenn ich keinen Ärger mit meinem Chef bekommen will. Aber du kannst das nicht verstehen, fürchte ich: Du bist ja seit jeher dein eigener Chef.“ „Aber wenn es doch so viel Zusätzliches zu tun gibt, warum stellt dieser Idiot Sengoku dann nicht mehr Leute ein? Warum muss denn die ganze Arbeit allein an dir hängen bleiben?“ „Keine Ahnung, wieso er nicht mehr Leute einstellt“, log Crocodile. „Aber was soll ich denn auch tun? Ich kann ihn schließlich nicht dazu zwingen, zusätzliche Hilfen einzustellen. Das ist nicht meine Befugnis; es ist und bleibt Sengokus Entscheidung, ob ich es nun gutheiße oder nicht.“ „Aber du bist doch derjenige, der unter dieser Entscheidung leidet!“, hielt Doflamingo dagegen. „So ist das nun einmal in der Arbeitswelt!“, erwiderte Crocodile; es kam ihm sehr komisch vor, solche grundlegenden Prinzipien einem erfahrenen Geschäftsmann wie Donquixote Doflamingo zu erklären. Sollte sein Freund sich mit solchen Dingen nicht auskennen? „Sengoku ist der oberste Chef in der Bank. Was er sagt, gilt. Ob es mir oder dir nun passt oder nicht. Damit müssen wir beide uns eben abfinden.“ Angesichts dieser düsteren Prognose murrte Doflamingo unwillig und verschränkte die Arme vor der Brust. Crocodile wusste genau, dass sein Partner es hasste, wenn er seinen Willen nicht bekam und er sich jemand anderem unterordnen musste. Vermutlich war er es einfach nicht gewöhnt. „Außerdem bleibt die zusätzliche Arbeit nicht bloß an mir hängen“, fügte Crocodile an. „Alle Mitarbeiter stehen unter Spannung und müssen Überstunden machen; nicht nur ich allein.“ „Ich halte es für ziemlich dumm und sehr gewagt von Sengoku, dir so viele Überstunden aufzuhalsen“, meinte Doflamingo plötzlich mit überraschend berechnender Stimme. Crocodile zog eine Augenbraue hoch. „Dumm? Gewagt? Inwiefern?“, fragte er irritiert, ehe er nach seinem Glas griff und einen Schluck Wasser trank. „Naja“, meinte Doflamingo, „Sengoku weiß doch sicherlich darüber Bescheid, dass wir beide ein Paar sind, oder nicht? Schließlich habe ich dich bei diesem Geschäftsessen kennengelernt, wo er ebenfalls anwesend war. Erinnerst du dich?“ „Nur zu gut“, gab Crocodile gedankenverloren zurück. Wie könnte er ihr kurioses erstes Treffen nur je vergessen? Crocodile erinnerte sich vor allem sehr gut daran, wie wütend Sengoku auf ihn gewesen war. Doflamingo hatte diesen nämlich kaum beachtet und sich allein auf seinen (inzwischen) Partner konzentriert. Es hatte sich gar nicht erst die Möglichkeit ergeben, über den eigentlichen Grund für das Essen zu sprechen zu kommen. Stattdessen hatte Doflamingo ihn gegen Ende um ein Date gebeten (das Crocodile allerdings verschüchtert ausgeschlagen hatte. Erst ein wenig später ließ er sich auf eine private Verabredung ein). „Wir gehen also davon aus, dass er darüber informiert ist, dass wir nun schon seit fast einem Jahr in einer festen Liebesbeziehung sind.“ Crocodile hielt es für sehr draufgängerisch, nicht einmal neun Monate auf ein ganzes Jahr aufzurunden, doch er unterbrach seinen Partner nicht. „Außerdem weiß er, dass ich der beste Kunde seiner Bank bin. Hast du eine ungefähre Vorstellung davon, wie viel meines Geldes auf den Konten seiner Bank liegen, Wani?“ Crocodile nickte rasch, ehe Doflamingo fortfuhr: „Anbetracht dieser beiden Punkte halte ich es für sehr dumm, dir so viele Überstunden aufzuhalsen. Oder wie siehst du das? Hältst du es etwa für klug, den festen Partner deines allerbesten und wichtigsten Kunden mit verlängerten Arbeitszeiten zu nerven? Ich jedenfalls würde als taktisch denkender Geschäftsmann ein solche Situation vermeiden.“ „So habe ich die Sache noch nie gesehen“, erwiderte Crocodile nachdenklich, „aber Unrecht hast du nicht. Dabei habe ich Sengoku eigentlich niemals für einen dummen oder waghalsigen Mann gehalten, ganz im Gegenteil: Meistens denkt er sehr rational und taktisch klug. Keine Ahnung, was er sich bei dieser Angelegenheit gedacht hat.“ Tatsächlich hielt Crocodile diesen Einwand seitens seines Partner für nicht unberechtigt. Vor allen Dingen anbetracht der Tatsache, dass Sengoku ihm keine Überstunden aufhalste (schließlich log er Doflamingo in dieser Hinsicht an; die Überstunden nahm er freiwillig), sondern ihm sogar gekündigt hatte. Müsste er denn nicht davon ausgehen, dass er diesem Umstand seinem festen Partner mitteilte? Und sich dies negativ auf sein Geschäft auswirken würde? Oder verließ er sich auf Crocodiles Stolz und darauf, dass er seine Kündigung für sich behalten würde? Doch auch wenn er mit letzterer Vermutung auf den richtigen Zug aufgesprungen war, passte ein solch untypisch riskantes Verhalten überhaupt nicht zu dem ansonsten so nüchternen Sengoku. Crocodile konnte sich einfach nicht vorstellen, was hinter dieser rätselhaften Entscheidung steckte. Stattdessen griff er unwirsch nach seiner Gabel und schob das Gemüse, das sich auf seinem Teller befand, von der einen Seite zur anderen. Das Gespräch mit seinem Partner bezüglich seiner Arbeit hatte Crocodile erneut daran erinnert, dass sie noch immer nicht über das Geld gesprochen hatten, dass er diesem aufgrund seines Einzugs schuldete. Eigentlich sollte Crocodile sich darüber freuen, dass Doflamingo diese Sache nicht allzu ungeduldig anging und die ausstehende Summe nicht sofort einforderte, doch dem entgegengesetzt stand, dass dieser ungeklärte Sachverhalt beständig an ihm nagte. Immer wieder fragte Crocodile sich, wann sein Partner wohl darauf zu sprechen käme. Und wie viel Geld er genau von ihm fordern würde. Die Summe von 20.000.000 Berry, die Crocodile im Kopf hatte, war schließlich bloß ein gerundeter Wert; es bestand also durchaus die Möglichkeit, dass er sogar mehr als die kalkulierten 10.000.000 Berry zahlen müsste. Vielleicht kostete die Villa 20.000.000 Berry, vielleicht aber auch 21.000.000 oder 22.000.000 Berry; in Doflamingos Augen handelte es sich hierbei sicherlich bloß um Abweichungen, die so geringfügig waren, das er sich nicht einmal die Mühe machte, sie zu erwähnen. Peanuts würde er sagen, schoss es Crocodile durch den Kopf. Er schluckte. Inzwischen beliefen sich seine Schulden auf circa 420.000 Berry. Der Zusammenzug mit seinem Partner würde diesen Schuldenberg auf deutlich mehr als das zehnfache ansteigen lassen. 10.420.000 Berry Schulden. Crocodile musste einen großen Schluck Wasser trinken, weil sich seine Kehle plötzlich furchtbar trocken anfühlte. Wie sollte er eine solch riesige Summe jemals bezahlen? Trotz der realistischen Befürchtung, den von ihm geforderten Anteil nicht bezahlen zu können, wollte Crocodile endlich Gewissheit über die Höhe des Betrags haben. Er war ein Mensch, der es nicht leiden konnte, im Dunkeln umher zu tappen. Nur wenn er wusste, was auf ihn zukommen würde, bekam er die Möglichkeit dazu, sich auf diese Situation einzustellen. Zumindest sagte ihm dies sein Manager-Verstand. Außerdem ließ es sein Stolz nicht zu, kostenlos bei seinem Freund zu wohnen. Trotz der schrecklichen finanziellen Lage, in der er sich derzeit befand, brachte Crocodile es einfach nicht über sich, sich von einer anderen Person versorgen zu lassen. Er hasste nichts mehr, als von jemand anderem abhängig zu sein; und sei es sein fester Partner. Eine solche Lebensweise konnte er einfach nicht mit sich selbst vereinbaren, ganz gleich in welcher Situation er sich auch befinden mochte. Crocodile kaute gerade unwillig auf einem weichen Stück Möhre herum, als er den mutigen Beschluss fasste, seinen Partner endlich auf dieses empfindliche Thema anzusprechen. Er hielt die Ungewissheit einfach nicht mehr länger aus. Er hatte keine Lust mehr darauf, sich ständig Gedanken und Sorgen zu machen, immer wieder neue Vermutungen anzustellen - er wollte endlich genau wissen, woran er war. Crocodile nahm einen weiteren Schluck Wasser, während er sich überlegte, wie er sein Anliegen am besten formulieren sollte. Er probierte gedanklich einige Varianten aus, ehe er sich schließlich räusperte und doch ein wenig verhalten meinte: „Ich weiß, dass du nicht gerne über Geld redest, Doffy... Da ich inzwischen allerdings vollständig bei dir eingezogen bin und du für mich sogar das Lesezimmer hergerichtet hast, denke ich, dass sich dieses Thema nicht länger hinausschieben lässt.“ Doflamingo nahm rasch einen Schluck seines eigenen Getränks, ehe er erwiderte: „Ich habe dir bereits gesagt, dass ich kein Geld von dir annehmen möchte, Crocodile, und daran halte ich fest. Ich finde es schön, dass du bei mir wohnst, und von mir aus musst du keinen einzigen Berry an mich bezahlen. Schließlich hat dein Einzug mir bisher nur Vorteile gebracht. Also lassen wir dieses Thema am besten einfach unter den Tisch fallen, ja?“ Crocodile seufzte und kniff einen kurzen Moment lang seine Augen zusammen. „Du weiß genau, dass es für mich nicht infrage kommt, unentgeltlich bei dir zu wohnen“, meinte er schließlich. „Ich will niemand sein, der auf Kosten eines anderen lebt.“ „Aber du verursachst doch überhaupt gar keine Kosten“, hielt Doflamingo dagegen. „Die Villa ist längst bezahlt. Das einzige, was anfällt, sind minimal erhöhte Wasser- und Stromkosten, die sich auf vielleicht ein paar hundert Berry im Monat summieren. Ich käme mir lächerlich dabei vor, dir jeden Monat einen Betrag von, was weiß ich, dreihundert Berry abzuknöpfen, weil du bei mir duschst und den Föhn benutzt.“ „Und was ist mit Lebensmitteln?“, wandte Crocodile ein und deutete auf das Gericht, das vor ihm auf dem Esstisch stand. „Da fallen doch auch Kosten an! Ganz zu schweigen von der Bezahlung des Hauspersonals. Schließlich kochst du nicht selber.“ „Wegen deines Einzugs musste ich nicht einen einzigen weiteren Angestellten einsetzen. Ob nun für eine oder zwei Personen gekocht, gewaschen und so weiter wird, macht nämlich kaum einen Unterschied. Über die Bezahlung des Personals musst du dir also keine Gedanken machen.“ Crocodile seufzte unwillig. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Die Argumente, die sein Partner anbrachte, klangen definitiv nicht unsinnig. Aus dieser Perspektive hatte er den Sachverhalt niemals gesehen. Dennoch wollte er sich nicht mit der derzeitigen Lage abfinden. Eine so stolze Person wie Crocodile brachte es einfach nicht über sich, völlig kostenfrei bei seinem Freund zu wohnen. „Trotzdem!“, meinte er also und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich möchte, dass du durch unseren Zusammenzug Vorteile genießt. Wenn ich keinen einzigen Berry für unseren Lebensunterhalt dazu gebe, dann bringt es dir doch überhaupt nichts, dass ich zu dir gezogen bin. Es soll sich doch auf für dich lohnen!“ „Das tut es!“, meinte Doflamingo im Brustton der Überzeugung. „Überleg dir doch nur einmal: Bevor wir beide zusammengezogen sind, konnten wir uns vielleicht zwei- oder dreimal in der Woche treffen. Seit wir beide allerdings zusammenwohnen, sehen wir uns jeden Tag. Für mich ist das bereits ein riesiger Vorteil! Ich finde es nämlich sehr angenehm, dich immer in meiner Nähe zu haben und nicht erst eine einstündige Autofahrt auf mich nehmen zu müssen, um dich zu Gesicht zu bekommen.“ „Dass wir beide zusammenwohnen, ist wirklich schön“, gab Crocodile ehrlich zu. „Außerdem sprichst du hier nur von meinen Vorteilen“, fuhr Doflamingo fort, „aber wie sieht es denn mit deinen Vorteilen aus? Ich weiß, dass du für unseren Zusammenzug eine Menge Opfer gebracht hast. Oder glaubst du etwa, ich hätte nicht bemerkt, wie schwer es dir gefallen ist, deine alte Wohnung hinter dir zu lassen? Überdies musst du inzwischen jeden Tag eine Stunde Auto fahren, um zu deiner Arbeit zu kommen. Plus eine weitere Stunde Rückweg natürlich. Um ehrlich zu sein, hatte ich zwischenzeitlich wirklich ein schlechtes Gewissen, weil dir durch unseren Zusammenzug so viele Nachteile entstanden sind. Darum würde ich mich schämen, auch noch Geld von dir zu verlangen!“ „Aber bei dir einzuziehen, war doch meine eigene freie Entscheidung!“, hielt Crocodile dagegen. „Ich hätte mich schließlich auch weigern können, mit dir zusammenzuziehen. Also macht es keinen Sinn, wenn du irgendwelche Vor- und Nachteile verrechnest!“ „Aber es ist doch unfair, wenn ich all die Vorteile genießen darf, während du bloß Nachteile hast“, meinte Doflamingo spitz. „Natürlich war unser Zusammenzug deine freie Entscheidung. Aber du vergisst, dass ich ja zum Beispiel auch bei dir hätte einziehen können, anstatt du bei mir. Dann hättest du einen Vorteil dadurch gehabt, dass du nur noch die Hälfte an Miete, Nebenkosten und so weiter bezahlen müsstest. Und dazu einen viel kürzeren Weg zur Arbeit gehabt hättest. Aber dieser Fall ist nicht eingetreten, stattdessen wohnen wir beide hier bei mir und dir sind durch unseren Zusammenzug eine Menge Nachteile entstanden. Ich möchte diese nachteilige Lage einfach nicht noch weiter verstärken, indem ich einen riesigen Geldbetrag von dir verlange. Sonst beschließt du hinterher womöglich noch, dass es dir in deiner alten Wohnung viel besser gefallen hat und das Leben dort viel kostengünstiger gewesenen ist. Und worin bestünde die Konsequenz dieses Beschlusses: Dass du wieder zurückziehst. Und genau dieses Szenarium möchte ich vermeiden!“ „Du glaubst also, dass, wenn du Geld wegen meines Einzugs von mir verlangst, ich lieber wieder zurück in meine Loft-Wohnung ziehen würde?“, fasste Crocodile verwirrt zusammen. Ihm schwirrte der Kopf angesichts des komplexen Gedankengangs seines Partners. „So in etwa“, bestätige Doflamingo. „Die Villa hat schließlich mehr als zwanzig Millionen Berry gekostet. Bist du etwa davon ausgegangen, ich würde von heute auf morgen einen Betrag von zehn Millionen Berry von dir verlangen? Ich bitte dich, Crocodile! Das ist doch völlig abwegig! Mir ist klar, dass du als Manager nicht schlecht verdienst, aber eine Summe von zehn Millionen Berry innerhalb weniger Wochen zu verlangen, ist absolut überzogen. Wo solltest du einen solch riesigen Geldbetrag denn hernehmen?“ „Naja“, war der einzige Laut, den Crocodile angesichts dieser Aussage über seine Lippen brachte. Wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich im Augenblick sehr überfordert mit diesem Gespräch. Doflamingo verlangte also gar nicht, dass er die Hälfte der Villa bezahlte? Er bestand sogar darauf, dass er kostenlos bei ihm wohnte? Mit dieser Sachlage hatte er überhaupt nicht gerechnet. Was sollte er denn jetzt sagen oder tun? Überfordert rieb Crocodile mit zwei Fingern über seine Schläfe. „Ich fasse es nicht“, sagte Doflamingo und seine Stimme spiegelte die exakte Entsprechung seiner Äußerung wieder. „Du hast wirklich geglaubt, dass ich in nächster Zeit zehn Millionen Berry von dir einfordern würde? Was hast du dir bei diesem Unfug denn nur gedacht? Die Villa ist doch längst bezahlt! Hast du etwa gemeint, ich würde mich an dir bereichern wollen? An unserem Zusammenzug? Das finde ich nicht nur lachhaft, Crocodile, sondern auch sehr verletzend. Habe ich dir jemals einen Anlass gegeben, um zu glauben, ich würde dich finanziell ausnutzen wollen?“ „Natürlich nicht“, erwiderte Crocodile, der sich langsam wieder sammelte und zur Besinnung kam. „Aber genau das ist doch der Punkt: Ich möchte dir nicht das Gefühl geben, ich würde dich ausnutzen und mich auf deinem Reichtum ausruhen. Verstehst du das denn nicht?“ Um seine Aussage zu untermauern, fügte Crocodile ein Beispiel an: „Du hast mir doch des Öfteren schon erzählt, dass du früher eine Menge Freundinnen und Freunde gehabt hast, die nur an deinem Geld interessiert waren und überhaupt nicht an dir als Person. Frauen und Männer, die dich mit Sex und Zuneigung bezahlt haben, damit du ihnen teure Geschenke machst. Und zu dieser Gruppe möchte ich auf keinen Fall dazu zählen! Ich bin mit dir in einer Beziehung, Doffy, weil ich dich liebe. Aus keinem anderen Grund sonst. Und ich möchte auch keinen anderen Eindruck erwecken. Deswegen hasse ich es, wenn du mich einlädst oder meine Rechnungen übernimmst. Da du deutlich mehr verdienst als ich, wirkt es gleich so, als würde ich dich ausnehmen.“ „Aber das ist doch Quatsch“, gab Doflamingo zurück, auch wenn er deutlich besänftigt wirkte. „Du hast mich doch niemals darum gebeten, dir irgendetwas zu kaufen oder auszugeben. Ich biete diese Gefälligkeiten doch selbst an. Niemand würde vermuten, dass du mich ausnimmst!“ „Wie auch immer“, meinte Crocodile und zuckte mit den Schultern. „Ich denke, wir haben einen toten Punkt erreicht. Du möchtest nicht, dass ich die Hälfte der Villa bezahle, weil es den Eindruck erweckt, du würdest dich an meinem Einzug bereichern; und weil du fürchtest, ich würde lieber wieder zurück in meine kostengünstigere Loft-Wohnung ziehen. Und ich möchte nicht kostenfrei bei dir wohnen, weil es dann wirkt, als würde ich mich wie ein Schmarotzer von dir versorgen lassen. Irgendwelche Vorschläge für einen Kompromiss?“ Für eine Weile erfüllte nachdenkliches Schweigen das Esszimmer, ehe sich schließlich Doflamingo zu Wort meldete. „Wie wäre es mit einer Art symbolischen Summe?“, schlug er vor. Skeptisch zog Crocodile eine Augenbraue hoch. „Symbolische Summe?“, hakte er irritiert nach. Unter diesem Begriff konnte er es nichts vorstellen. „Was meinst du damit?“ „Naja, einen Geldbetrag, den du mir zahlst, der aber eben nur symbolisch gemeint ist. Um deutlich zu machen, dass wir uns gegenseitig nicht ausnehmen, sondern zusammenwohnen, weil wir diesen Schritt als Paar gemeinsam gegangen sind. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Viertel der Miete, die du für deine alte Wohnung gezahlt hast? Du musst also nicht für die Hälfte der Villa aufkommen, wohnst hier allerdings auch nicht völlig kostenfrei. Und du hast durch deinen Einzug sogar noch einen finanziellen Vorteil gewonnen. Wäre ich zu dir gezogen, anstatt du zu mir, hättest du schließlich auch bloß noch einen verminderten Mietpreis zahlen müssen, weil ich mich natürlich an der Miete beteiligt hätte. Wäre diese symbolische Summe in Ordnung für dich?“ „Du hättest dich also an dem Unterhalt meiner Loft-Wohnung beteiligt, möchtest aber nicht, dass ich für die Hälfte der Villa aufkomme?“, hakte Crocodile nach. Doflamingo gab ein liebevoll-genervtes Seufzen von sich. „Der Unterschied besteht darin, dass meine Villa bereits bezahlt ist, du in deiner Loft-Wohnung allerdings zur Miete gewohnt hast, Wani“, erklärte er. „Du hättest also laufende Kosten gehabt, die ich hier nicht habe. Die wir hier nicht haben. Es gibt einfach nichts, woran du dich beteiligen könntest. Darum habe ich ja auch den Vorschlag mit dem symbolischen Betrag gemacht. Stimmst du nun zu oder nicht?“ „In Ordnung“, sagte Crocodile schließlich und er meinte sein Wort tatsächlich ernst. Mit dem Kompromiss, den sein Partner vorgeschlagen hatte, konnte er sich guten Gewissens abfinden: Er bekam nicht das unangenehme Gefühl, diesem auf der Tasche zu liegen, erhöhte allerdings auch nicht seinen Schuldenberg ins Unermessliche. Ganz im Gegenteil: Er sparte sogar einiges an Geld, weil er deutlich weniger Miete bezahlen musste als er es für seine Loft-Wohnung getan hatte. Insgesamt, musste Crocodile zugeben, hatten sie eine wirklich gute Lösung für sie beide gefunden. „Was hältst du von einem leckeren Eisbecher als Nachtisch?“, sagte Doflamingo wahrscheinlich, weil er das Thema wechseln wollte. „Um deinen Einzug zu feiern? Du bekommst ihn aber erst, wenn du deinen Teller leer gegessen hast!“ Crocodile, der sich inzwischen sehr erleichtert fühlte, konnte ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken. „Ich bin nicht bestechlich, Doflamingo“, erwidere er leicht grinsend. „Außerdem vertrage ich Eiscreme nicht.“ Doflamingo seufzte gespielt entnervt auf. „Wie schade! Dann habe ich ja gar kein Druckmittel, um dich zu zwingen, aufzuessen. Dabei hast du dein Abendessen kaum angerührt! Nur zur Information: Ich finde es überhaupt nicht attraktiv, wenn man völlig abgemagert ist; weder bei Frauen noch bei Männern.“ „Weiß ich doch“, erwiderte Crocodile sanft. „Und du brauchst dir keine Sorgen zu machen: Ich habe nicht vor, mich auf Diät zu setzen.“ „Vernünftig“, kommentierte Doflamingo diese Aussage seitens seines Partners. „Du musst doch sowieso schon auf so viele Lebensmittel verzichten; wenn du zusätzlich auch noch Diät machen würdest, dürftest du ja überhaupt nichts mehr essen! Da fällt mir ein: Ich habe deine Lieblings-Cracker besorgt. Wie wäre es mit denen als Bestechungsmittel?“ „Den ganzen Teller leerzuessen, schaffe ich aber nicht“, meinte Crocodile wahrheitsgemäß. „Außerdem ist das Essen längst schon kalt!“ „Tja, dann gibt es wohl keine Cracker für dich“, hielt Doflamingo grinsend und schulterzuckend dagegen. „Du bist ein gemeiner Idiot!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie wäre es mit einem weiteren Kompromiss?“, lenkte sein Freund schließlich ein. „Du bekommst die Cracker, wenn du zumindest die Möhrchen aufisst. Die kann man nämlich auch gut kalt essen.“ „In Ordnung“, stimmte Crocodile halbherzig seufzend zu. „Aber das funktioniert wirklich nur dieses eine Mal: Normalerweise bin ich unbestechlich!“ „Weiß ich doch“, hörte er seinen Partner liebevoll sagen. Doflamingo sah dabei zu, wie er brav die restlichen Möhren auf seine Gabel schob; anschließend rief er ein Dienstmädchen herbei und beauftragte es dazu, einen großen Eisbecher sowie eine Packung Cracker herzubringen. * Es war Freitagabend um neunzehn Uhr dreißig. Crocodile war erst vor kurzem von der Arbeit nach Hause gekommen; er hatte kaum genug Zeit gehabt, um zu duschen und in frische Kleidung zu schlüpfen, ehe sein Freund ihn dazu drängte, sich endlich auf den Weg zu der Geburtstagsparty seines Bruders zu machen. „Wir sind sowieso schon spät dran“, meinte Doflamingo mit ungeduldiger Stimme. „Die Party beginnt in einer halben Stunde!“ „Na und?“, erwiderte Crocodile abgehetzt. „Du legst doch sonst nie Wert auf Pünktlichkeit. Außerdem handelt es sich hierbei nicht um ein Geschäftsessen, sondern um eine Party. Es macht doch nichts, wenn wir ein bisschen später kommen. Ich hatte noch nicht einmal die Gelegenheit dazu, etwas zu essen.“ „Es wird dort sicher etwas zu essen geben“, hielt Doflamingo dagegen. „Je früher wir da sind, desto eher bekommst du etwas in den Magen. Also los, komm schon: Mein Fahrer wartet schon ungeduldig!“ „Ich habe eher das Gefühl, dass du derjenige bist, der ungeduldig ist“, meinte Crocodile. „Was ist denn nur plötzlich in dich gefahren, Doflamingo?“ „Na, ich möchte eben keinen schlechten Eindruck auf deine Geschwister und die anderen Gäste machen, indem ich als Allerletzter komme“, erklärte sein Partner sich. „Aber du kennst meine Geschwister doch schon“, erwiderte Crocodile verwundert. „Es gibt also keinen Grund, um nervös zu sein. Beruhige dich ein wenig, ja?“ „Ich bin nicht nervös“, meinte Doflamingo sofort und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich nehme den Anlass nur ernst! Du solltest dich lieber darüber freuen, dass es mir wichtig ist, einen guten Eindruck auf deine Familie zu machen. Oder fändest du es besser, wenn mir Mihawks Geburtstagsparty ganz egal wäre?“ „So habe ich es doch gar nicht gemeint!“, sagte Crocodile und es ärgerte ihn, dass sein Freund ihm die Worte im Mund herum drehte. „Natürlich finde es ich gut, dass du die Party als Gelegenheit nutzen möchtest, um ein weiteres Mal einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass es keinen Grund gibt, um so furchtbar ungeduldig zu werden. Du hetzt mich total! Ich bin gerade einmal vor einer halben Stunde von der Arbeit nach Hause gekommen!“ „Ich will dich nicht hetzen“, lenkte Doflamingo rasch ein und löste die vor der Brust verschränkten Arme auf. „Wahrscheinlich hast du Recht: Ich sollte mich nicht verrückt machen. Schließlich habe ich mich ja schon beim ersten Kennenlernen ganz gut gemacht, denke ich. Aber ich möchte eben, dass dies auch so bleibt. Mir ist es sehr wichtig, was deine Familie von mir hält!“ „Aber warum denn nur?“, fragte Crocodile. „Mir ist es, um ehrlich zu sein, nicht sonderlich wichtig, was meine Geschwister von dir denken. Also, versteh mich nicht falsch: Natürlich ist es besser, wenn ihr euch gut versteht. Aber für mich würde es nichts an der Situation ändern, wenn ihr euch nicht leiden könntet. Deswegen würde ich die Beziehung zu dir nicht beenden. Also mach dir nicht so einen Kopf, Doffy, alles ist halb so schlimm.“ „Trotzdem!“, meinte Doflamingo unbeirrt. „Aber wie auch immer. Bist du jetzt endlich fertig? Wir haben schon neunzehn Uhr vierzig!“ „Jaja, ist schon gut, wir können jetzt los“, gab Crocodile augenrollend klein bei und machte sich gemeinsam mit seinem Partner auf den Weg zur Auffahrt, wo tatsächlich bereits der Fahrer auf sie beide wartete. Er stand neben einem dunkelblau lackierten Aston Martin DBS V12, wenn Crocodile sich nicht irrte. Seufzend blieb er stehen und hielt sich mit der rechten Hand den Kopf. Doflamingo warf ihm einen irritierten Blick zu. „Was ist denn los?“, fragte er skeptisch und sein Blick schweifte zwischen seinem Partner und dem bereit stehenden Aston Martin hin und her. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ „Wir können nicht mit diesem Wagen fahren!“, meinte Crocodile und fragte sich, was sein Freund sich bei der Wahl dieses Wagens nur gedacht hatte. „Aber wieso denn nicht?“, wollte Doflamingo wissen und klang ehrlich verwundert. „Was stimmt denn mit dem Wagen nicht?“ „Hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel dieser Aston Martin wert ist?“ „Klar, schließlich habe ich ihn gekauft. So etwa zweihundertfünfzigtausend Berry. Aber wieso ist das denn wichtig?“ „Na, weil wir auf keinen Fall mit einem Wagen vorfahren können, der gut eine Viertelmillionen Berry gekostet hat!“ Als bei Doflamingo der Groschen noch immer nicht gefallen war, fuhr Crocodile fort: „Mein Bruder arbeitet als selbstständiger Fechtlehrer in der Vorstadt. Nicht einmal sein ganzes Haus ist so viel wert wie dieses Auto. Kannst du dir denn nicht vorstellen, was für einen arroganten und überheblichen Eindruck es machen würde, mit diesem Aston Martin bei seiner Geburtstagsparty aufzutauchen? Es wäre absolut rücksichtslos! Lass uns lieber einen anderen Wagen nehmen!“ „Ähm, okay“, meinte Doflamingo, der sich wohl ein wenig überfordert fühlte, was nur sehr selten vorkam. Es dauerte einige Sekunden, ehe er sich wieder gefangen hatte: „Welchen Wagen würdest du denn alternativ vorschlagen?“ „Irgendeinen, der weniger als hunderttausend Berry wert ist“, antwortete Crocodile sofort. Doflamingo schwieg für eine Weile, ehe er fast schon peinlich berührt zugab: „Ich denke nicht, dass ich einen Wagen besitze, der weniger als hunderttausend Berry gekostet hat.“ Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um angesichts dieser Beichte nicht zu schlucken oder laut zu husten. Er war sich zwar durchaus dessen bewusst gewesen, dass sein Partner mehr als ein Dutzend verschiedener Wagen besaß, doch dass in dieser Sammlung nicht einmal ein einziger vorhanden war, der weniger als 100.000 Berry wert war, überraschte ihn nun doch. Plötzlich wurde ihm ganz schlecht bei dem Gedanken, demnächst seinen Mercedes C 216 Coupe aufgeben zu müssen; es handelte sich um das einzige Auto, das er besaß, und es hatte einen Neuwert von knapp 100.000 Berry. Im direkten Vergleich zu Doflamingo kam Crocodile sich auf einmal wie ein furchtbar armer Schlucker vor. „Dann lass uns einfach meinen Mercedes nehmen“, meinte Crocodile, um zu verhindern, dass sich zwischen ihnen beiden ein unangenehmes Schweigen ausbreitete. Gleichzeitig bemühte er sich mit aller Kraft darum, nicht in Schamesröte auszubrechen oder zu stottern. „Und ich fahre selbst. Mit einem Fahrer aufzuschlagen wirkt genauso aufschneiderisch wie mit einem Aston Martin vorzufahren. Und vor meinen Geschwistern möchte ich unter keinen Umständen wie ein eingebildeter Angeber wirken. Komm schon, wir sind spät dran. Und hast du überhaupt daran gedacht, das Geschenk einzupacken?“ bye sb Kapitel 8: Kapitel 4 (zensiert) ------------------------------- Crocodile saß gerade gemeinsam mit seinem Partner auf der Couch im Wohnzimmer der Villa. Doflamingo hatte vorgeschlagen einen Film anzusehen, und Crocodile hatte zugestimmt, auch wenn er im Moment eigentlich keine große Lust auf fernsehen hatte. Viel lieber hätte er sich mit seinem Laptop in irgendeine stille Ecke verzogen und seine Emails gecheckt oder neue Bewerbungen geschrieben. Da er in letzter Zeit sehr viele Überstunden machte und die Fahrtzeit von Doflamingos Villa bis zur Bank fast eine Stunde betrug, bot sich nur verhältnismäßig selten die Möglichkeit dazu, sich um seine Jobsuche zu kümmern. Gleichzeitig war Crocodile sich aber natürlich dessen bewusst, dass auch sein Freund ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit von ihm verlangte. Im Prinzip steckte er dauernd in einem Dilemma: Entweder er vernachlässigte seine Arbeit beziehungsweise seine Jobsuche oder aber er vernachlässigte die Beziehung zu seinem Partner. Crocodile bemühte sich so gut wie nur möglich darum, einen Mittelweg zu finden, der alle Parteien zufrieden stellte, doch musste leider sehr häufig feststellen, dass dies ziemlich schwierig war. Vor allen Dingen, weil sich Doflamingo in letzter Zeit zu einer sehr anhänglichen Person entwickelt hatte. Crocodiles Befürchtung, er würde seinem Freund langweilig werden, wenn er erst einmal einen so großen Raum in dessen Leben einnahm, hatte sich bisher kein Stück bestätigt. Eher war das Gegenteil eingetroffen: Doflamingo schien jede freie Minute mit ihm verbringen wollen. Und er schien nicht zu bemerken, dass er seinen Partner mit seinem Verhalten gelegentlich ganz schön einengte. Es fiel Crocodile immer schwerer, sein Geheimnis zu bewahren. Sie waren fast beim Ende des Films angekommen (Crocodile hatte den Streifen mit eher geringem Interesse verfolgt), als sein Handy klingelte. Hastig kramte er es aus seiner Hosentasche; der Display zeigte an, dass der Anruf von seiner Schwester Hancock stammte. Um Doflamingo nicht zu stören, verließ Crocodile auf leisen Sohlen das große Wohnzimmer, ehe er abnahm. "Hallo?" "Hi, Crocodile!", kam ihm sofort die hohe und fröhliche Stimme seiner jüngeren Schwester entgegen. "Wie geht's dir?" "Ganz gut, denke ich", antwortete Crocodile. Er sprach möglichst leise und bemühte sich darum, durch seine Worte keinen Verdacht zu erregen; schließlich trennte ihn nur eine einzige Wand von seinem Partner und wer wusste schon, wie viel der vielleicht mitbekam. "Und dir?" "Oh, mir geht's super", erwiderte Hancock. "Ich habe derzeit viel zu tun, weil ich mit den Vorbereitungen für Mihawks Geburtstagsparty beschäftigt bin. Aber ich will mich nicht beschweren. Du weißt ja, dass mir so etwas Spaß macht. Heute habe ich sogar schon alle nötigen Zutaten für die Torte, die ich ihm machen werde, eingekauft." "Schön, dass du schon so fleißig bist", lobte Crocodile sie und hoffte, dass man ihm seine Überraschung nicht anmerkte. Er hatte völlig vergessen, dass sein Bruder in knapp eineinhalb Woche, am neunten März, seinen vierzigsten Geburtstag feierte. Und dabei hatte er normalerweise ein recht gutes Gedächtnis, was Zahlen und Daten anging. "Die Party findet Freitagabend bei ihm Zuhause statt. Er hat ja ein so großes Haus und wohnt alleine, da bietet sich das natürlich an." "Weiß er denn überhaupt von der Party?", wollte Crocodile wissen und empfand die Frage als überaus berechtigt. Es wäre nämlich beileibe nicht die erste Überraschungsparty gewesen, die Hancock organisierte. Er selbst war an seinem letzten Geburtstag das Opfer der Partywut seiner Schwester geworden. Sie liebte es einfach, anderen Leuten eine (vermeintliche) Freude zu machen, Geschenke zu kaufen und Torten zu backen (bei letzterem war sie allerdings tatsächlich ein echtes Talent, wie Crocodile zugeben musste). "Klar weiß er davon", erwiderte Hancock. "Ich musste ihn zwar ein wenig überreden, bis er endlich einer Party zugestimmt hat, aber du weißt ja selbst, wie das ist: Meine beiden großen Brüder können mir einfach nichts abschlagen! Außerdem bin ich mir sicher, dass es ihm gefallen wird. An einem runden Geburtstag schmeißt doch schließlich jeder eine Party, nicht wahr?" "So gut wie jeder", gab Crocodile zu, obwohl er sich bei seinem Bruder nicht vorstellen konnte, dass dieser sonderlich begeistert gewesen war angesichts dieses Vorschlags. Wahrscheinlich hatte er bloß zugestimmt, um Hancock nicht zu enttäuschen. Eigentlich war Mihawk nämlich kein Fan von großen Parties. Er war ein stiller und eher zurückgezogen lebender Mensch, der wenig Wert auf Materielles legte und nur ungern im Rampenlicht stand. "Jedenfalls weißt du ja jetzt über die Party Bescheid. Offizieller Beginn ist gegen zwanzig Uhr. Doflamingo ist übrigens auch herzlich eingeladen!" "Ich werde es ihm ausrichten", meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er von dieser Einladung halten sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein so extravaganter Mensch wie Doflamingo Spaß bei einer Geburtstagsparty in der Vorstadt haben würde. "Allerdings kann ich nicht garantieren, dass er die Zeit finden wird, um zu kommen. Er hat in letzter Zeit sehr viel zu tun. Wer ist denn sonst noch alles eingeladen?" "Lass mich kurz überlegen, es wird ja doch eine etwas größere Party", sagte Hancock, ehe sie rasch fortfuhr: "Es kommen ein paar von Mihawks Schülern: Zoro, Perona und Tashigi. Dann seine Freunde: Moria, Shanks, Yasopp, Kuma und..." "Kuma?" Crocodile stockte. Irgendwoher kam ihm dieser Name bekannt vor. Es dauerte einige Sekunden, ehe ihm schließlich einfiel, dass Kuma beim Besuch im Skypia mit dabei gewesen war. Er war ein recht enger Freund seines Partners. "So ein großer, breit gebauter Typ mit dunkelbraunen Haaren?", hakte Crocodile zur Sicherheit nach. "Aber sehr still?" "Ja, die Beschreibung trifft genau auf ihn zu", sagte Hancock mit Verwunderung in der Stimme. "Mihawk und er haben sich vor einigen Monaten auf einer Buchmesse kennengelernt. Ich wusste nicht, dass du ihn auch kennst." "Er ist ein guter Freund von Doflamingo", meinte Crocodile wahrheitsgemäß. "Aber ich hatte bisher noch nie sonderlich viel mit ihm zu tun. Das ist aber ein großer Zufall, dass ausgerechnet die beiden sich kennen." "Ich finde, dass sie echt gut zusammenpassen", erwiderte Hancock. "Sie sind beide ziemlich stille und schräge Typen." Sie kicherte kurz. "Ich meine: Allein schon, dass sie sich auf einer Buchmesse kennengelernt haben. Es war auch nur eine sehr kleine Messe. Irgendetwas zum Thema Mittelalter oder sowas. Da wundert es mich nicht, dass sie sich sofort angefreundet haben. Gleich und gleich gesellt sich eben gern." "Vielleicht hast du Recht", gestand Crocodile schließlich, obwohl es ihm noch immer ein wenig seltsam vorkam, dass ausgerechnet sein Bruder und einer der besten Freunde seines Partners sich vor einigen Monaten kennengelernt hatten. Aber was dachte er hier überhaupt? Um etwas anderes als einen sonderbaren Zufall konnte es sich ja gar nicht handeln. "Daz und Paula kommen auch. Außerdem noch ein paar Leute aus dem Baratie. Mihawk freundet sich wirklich mit den ungewöhnlichsten Menschen an." Sie nannte noch einige weitere Namen, die Crocodile zumindest auf Anhieb nichts sagten. Zum Abschluss meinte sie dann noch: "Mein Freund Luffy kommt übrigens auch." "Dein Freund?", hakte Crocodile skeptisch nach. "Du meinst deinen festen Freund? Oder nur einen ganz normalen Freund?" "Mein fester Freund Luffy", gab Hancock schließlich freudestrahlend zu. "Wir haben uns vor ein paar Wochen bei einem Konzert kennengelernt. Und ich dachte mir, dass Mihawks Geburtstagsparty eine gute Gelegenheit wäre, um ihn euch vorzustellen, ohne dass er sich wie auf dem Präsentierteller fühlt." "Warum hast du ihn vorher noch nie erwähnt?", fragte Crocodile und spürte sofort, dass eine Art brüderlicher Beschützerinstinkt in ihm wach wurde. Da Hancock wunderhübsch aussah, wurde sie ständig von sehr vielen Männern umworben und hatte sich bereits das eine oder andere Mal für den Falschen entschieden. Sie beschwerte sich häufig bei Crocodile darüber, dass man sie ständig bloß auf ihr Äußeres reduzierte und die Männer immer nur Sex wollten; kaum jemand legte auch Wert auf die inneren Werte. "Und wie ist er so drauf?" "Mach dir keine Sorgen um mich", meinte Hancock sofort. "Er ist ein wirklich netter Typ. Und der erste, den ich umwerben musste. Zuerst hat er nämlich kein allzu großes Interesse an mir gezeigt. Das Äußere scheint ihm gar nicht so wichtig zu sein. Ich habe wirklich ein gutes Gefühl bei ihm!" "Dann ist ja gut", erwiderte Crocodile, auch wenn er noch nicht ganz überzeugt war. Er nahm sich auf jeden Fall vor, bei der Party ein Auge auf den neuen Freund seiner jüngeren Schwester zu werfen. "Du klingst ganz schrecklich negativ", warf Hancock ihm vor und klang plötzlich gar nicht mehr so fröhlich wie noch vor einer halben Minute. "Wehe, du verschreckst ihn mir bei Mihawks Party! Er ist der erste Mann seit langem, mit dem ich mir etwas wirklich Ernstes vorstellen kann. Mach mir das bitte nicht kaputt!" "Ich will dir überhaupt nichts kaputt machen", lenkte Crocodile sofort ein. "Ich mache mir doch nur Sorgen um dich. So ist das eben mit großen Brüdern." "Weiß ich doch", meinte Hancock und schien sich wieder beruhigt zu haben. "Und ich kann auch verstehen, dass du sehr sensibel bist, was solche Dinge angeht. Schließlich hast du ja schon selber Erfahrungen mit gewalttätigen Beziehungen sammeln müssen und möchtest mir dieses Schicksal ersparen. Aber ich kann dir wirklich versichern, dass es sich bei Luffy nicht um eine solche Sorte Mann handelt! Ganz sicher!" "Können wir bitte das Thema wechseln?", sagte Crocodile sofort, damit Hancock gar nicht erst die Gelegenheit dazu bekam, näher auf ihn und seine Ex-Beziehung zu Enel zu sprechen zu kommen. Er erinnerte sich nur ungern an dieses dunkle Kapitel seines Lebens zurück; nicht einmal mit seinen Geschwistern redete er gern darüber. "Von mir aus", erwiderte Hancock, die auch nicht sonderlich erpicht darauf zu sein schien, diese Diskussion fortzuführen. "Also: Freitagabend bei Mihawk Zuhause. Und denk bitte dran, auch Doflamingo Bescheid zu sagen!" "Mach ich", sagte Crocodile. "Dann bis Freitag." "Bis Freitag!" Leise seufzend legte Crocodile auf. Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass Mihawk nächste Woche Geburtstag feierte; und noch dazu einen runden. In seiner derzeitigen Lebenssituation hatte er, um ehrlich zu sein, für kaum noch irgendetwas den Kopf, abgesehen von seiner Jobsuche und seiner Beziehung zu Doflamingo. Und die Party würde bereits in ein wenigen Tagen stattfinden. Was sollte er seinem Bruder bloß schenken? Crocodile war niemals sonderlich kreativ gewesen, was Geschenkideen anging. Ein wenig niedergeschlagen kehrte Crocodile ins Wohnzimmer zurück. Doflamingo saß noch immer auf der Couch, doch der Film war bereits zu Ende; auf dem Bildschirm des Fernsehers war bloß noch der Abspann zu sehen. Hatte er doch so lange mit Hancock telefoniert? "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte sein Freund ihn, kaum hatte er sich neben diesen gesetzt. "Klar, was sollte nicht in Ordnung sein?", erwiderte Crocodile mit relativ wenig Elan und steckte sein Handy zurück in seine Hosentasche. "Wer hat dich angerufen?" "Hancock. Sie hat mich daran erinnert, dass Mihawk nächsten Freitag Geburtstag feiert." Crocodile sah, dass Doflamingo eine Augenbraue nach oben zog und ihm durch seine Sonnenbrille hindurch einen skeptischen Blick zuwarf. "Du klingst nicht sonderlich begeistert. Magst du Geburtstagsparties etwa nicht?" "Darum geht es nicht", meinte Crocodile. "Es ist bloß so, dass ich die ganze Sache völlig vergessen habe. Und jetzt muss ich bis Freitag irgendein Geschenk auftreiben, dass Mihawk gefallen könnte. Darin bin ich nicht sonderlich gut." "Schenk ihm doch einfach Geld", schlug Doflamingo schulterzuckend vor. "Geld kommt bei jedem gut an. Oder Schmuck oder so etwas." Crocodile schüttelte den Kopf. "Bei Mihawk nicht. Er legt überhaupt keinen Wert auf materielle Wertgegenstände wie Schmuck. Er möchte, dass sich seine Gäste Gedanken darüber machen, was ihm gefallen könnte. Über zum Beispiel Geld würde er sich nicht freuen, sondern eher noch beleidigt fühlen. Ich bin mir sicher: Ich könnte ihm sogar eine Millionen Berry schenken und er würde sie bloß an mich zurückgeben mit dem Vorwurf, dass ich mir keine Mühe gegeben hätte, ihm etwas wirklich Schönes zu besorgen. Das Problem ist nur, dass ich alles andere als ein Talent dafür habe, irgendwelche gut durchdachten Geschenke aufzutreiben." "Das ist natürlich echt blöd", warf Doflamingo mitfühlend ein und legte einen Arm um seine Schulter. Crocodile lehnte sich in die angebotene Umarmung hinein. Sofort spürte er, wie ihn der Körperkontakt zu seinem Partner ein wenig beruhigte. "Aber du wirst schon noch etwas Passendes finden. Da bin ich mir ganz sicher. Und ein paar Tage hast du ja auch noch Zeit, um darüber nachzudenken", versuchte Doflamingo ihn ein wenig aufzumuntern. "Du bist übrigens auch eingeladen", erinnerte Crocodile sich. "Falls du Lust hast, zu kommen." Sofort verwandelte sich Doflamingo mitfühlendes Gesicht in ein hellauf strahlendes. "Wirklich? Natürlich habe ich Lust, zu kommen! Wieso sollte ich keine Lust darauf haben? Schließlich bekomme ich auf diese Weise die Möglichkeit, deine beiden Geschwister noch näher kennenzulernen. Bisher habe ich sie ja nur ein einziges Mal getroffen." "Überleg es dir lieber gut", warnte Crocodile seinen Partner vor. "Bei diesem Geburtstag wird es sich um eine ganz andere Art von Party handeln als du es gewohnt bist. Mihawk ist kein Mensch, der bei solchen Gelegenheiten dick aufträgt. Es wird bloß eine kleine Party bei ihm Zuhause sein. Und ich bin mir sicher, dass nicht mehr als zwanzig Leute eingeladen wurden. Bestimmt wirst du dich dort furchtbar langweilen." "Ach, Quatsch!", erwiderte Doflamingo sofort; die Worte seines Partners schienen seiner Begeisterung keinen Dämpfer verpasst zu haben. "Eine gute Party hängt doch nicht von der Frage ab, wie viele Leute eingeladen wurden. Ich jedenfalls finde es überhaupt nicht schlimm, dass Mihawk in einem eher kleinen Kreis seinen Geburtstag feiert. Ganz im Gegenteil: Wenn nur wenige Leute kommen, freue ich mich umso mehr, dass ich eingeladen wurde. Das bedeutet wohl, dass ich auf deine Geschwister einen ganz guten Eindruck gemacht habe." Doflamingo klang beinahe schon unangemessen stolz, als er letztere Aussage tätigte. "Sie finden dich nett", bestätigte Crocodile die Vermutung seines Partners. "Außerdem bringt Hancock auch ihren neuen Freund mit. Ich bin schon echt gespannt, was das für ein Typ sein wird." "Warum interessiert dich das so sehr?", fragte Doflamingo nach. "Sie ist eine erwachsene Frau; sie wird schon wissen, auf wen sie sich einlässt." "Genau das ist eben nicht der Fall!", erwiderte Crocodile energisch. "Sie hat nämlich bereits schon mehrere Beziehungen geführt, die absolut nicht gut liefen. Du hast sie doch selbst schon kennengelernt und weißt, wie sie aussieht: Alle Männer sind bloß an ihrem Äußeren interessiert; niemand kümmert sich um ihren Charakter. Dabei ist sie ein so fröhliches und nettes Mädchen! Ich möchte einfach nicht, dass sie an den falschen Typen gerät!" "Natürlich möchtest du das nicht; das kann ich verstehen", meinte Doflamingo besänftigend, fügte dann jedoch hinzu: "Trotzdem sollte man sich in fremde Beziehungen nicht zu sehr einmischen. So etwas habe ich selbst nämlich auch schon einmal getan und es ist alles andere als gut für mich ausgegangen. Lass den Dingen am besten ihren Lauf." "Und wenn er ihr nun etwas antut?", hielt Crocodile dagegen, der die Ansicht seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen konnte. "Vielleicht verarscht er sie und ist bloß an Sex mit ihr interessiert; es wäre nicht das erste Mal, dass Hancock auf eine solche Art Mann hereinfällt. Und meistens ist sie so blind vor Liebe, dass sie jede Ausrede glaubt und erst viel zu spät bemerkt, worauf sie sich eingelassen hat." Obwohl Doflamingo seine Sonnenbrille trug, wusste Crocodile ganz genau, dass sein Freund mit den Augen rollte. Anscheinend nahm er die Situation nicht annähernd so ernst wie sein Gesprächspartner. "Du kennst ihn doch noch gar nicht", meinte er schließlich. "Gib ihm zumindest eine faire Chance. Wenn du bemerkst, dass er sie tatsächlich nur ausnutzt oder er ihr sogar etwas antut, kannst du immer noch einschreiten. Aber du solltest Hancock nicht verärgern, indem du die Beziehung von Anfang an verteufelst." Crocodile murrte unwillig und verschränkte die Arme vor der Brust. Ob er es nun zugeben wollte oder nicht: Der Vorschlag, den Doflamingo eben gemacht hatte, klang nicht unklug. "Vielleicht hast du Recht", gab er schließlich zu. Crocodile wusste ja selbst, dass er gelegentlich dazu neigte, übertrieben fürsorglich zu werden; zumindest, was seine jüngere Schwester anging. Wahrscheinlich war diese Verhaltensweise von Daz auf ihn abgefärbt. "Trotzdem werde ich ihn bei Mihawks Party genau unter die Lupe nehmen." "Tu, was du nicht lassen kannst", war der einzige Kommentar, den Doflamingo abschließend zu dieser Diskussion übrig hatte; er klang beinahe schon ein wenig amüsiert angesichts der Starrköpfigkeit seines Partners. Dann wechselte er unvermittelt das Thema: "Sag mal, wieso verlässt du eigentlich immer den Raum, wenn du an dein Handy gehst?" Crocodile, der mit einer solchen Frage nicht gerechnet hatte und darum sehr überrascht war, wusste nicht so recht, was er darauf antworten sollte. Er schwieg für eine Weile, ehe er schließlich ein wenig unbeholfen, doch wahrheitsgemäß meinte: "Naja, du hast dir doch den Film angesehen. Ich wollte dich durch mein Telefonat nicht stören." "Aber du gehst immer aus dem Raum, bevor du abnimmst", hielt Doflamingo dagegen. "Nicht nur, wenn wir gerade fernsehen. Mich stört es nicht, wenn du in meinem Beisein telefonierst. Nicht im Mindesten. Auch nicht, wenn der Fernseher läuft. Du kannst gerne bei mir sitzen bleiben, wenn du an dein Handy gehst." "Ähm, okay", erwiderte Crocodile. Er wusste nicht so recht, was er von diesem Angebot seitens seines Partners halten sollte. Vor allen Dingen war er sich nicht sicher, ob Doflamingo ihm bloß keine Umstände bereiten wollte oder ob hier irgendwelche Eifersuchtsgründe im Spiel waren. Aus eigener Erfahrung wusste Crocodile nämlich bereits, dass sein Freund gelegentlich ganz schön eifersüchtig und sehr besitzergreifend werden konnte. Hoffentlich würde sich dieser Zustand nicht noch weiter steigern. Je misstrauischer Doflamingo wurde, desto schwieriger würde er es für ihn werden, sein Geheimnis, das er aus seiner Kündigung und seinen Schulden machte, zu bewahren. Außerdem gab es für Doflamingo überhaupt keinen Grund, um eifersüchtig zu sein: Trotz seiner schwierigen Lebenssituation war Crocodile nämlich sehr glücklich mit seinem Partner; eine Trennung kam für ihn überhaupt nicht infrage. Und an eine Affäre oder Ähnliches dachte er selbstverständlich auch nicht. Er hatte einer monogamen Lebensform zugestimmt und an dieses Abkommen würde er sich halten, solange ihre Beziehung Bestand hatte. "Du hast das Ende des Films gar nicht mitbekommen", sagte Doflamingo und wechselte damit erneut relativ abrupt das Thema. "Wenn du möchtest, dann spule ich zurück und wir schauen es uns noch einmal zusammen an." "Okay", war die einzige Erwiderung, die Crocodile über die Lippen brachte. Irgendwie fühlte er sich ein wenig überrannt von dem seltsamen Verhalten seines Partners und wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Stumm sah er dabei zu, wie Doflamingo den Film bis zu der Stelle zurückspulte, an der er wegen des Telefonats mit Hancock den Raum verlassen hatte. Er hatte den Film von Anfang an mit eher geringen Interesse verfolgt, doch Crocodile hielt es für klüger, diese Tatsache für sich zu behalten. * Am Wochenende kam die Auswahl der Möbel, die Crocodile unbedingt mit in sein neues Zuhause nehmen wollte. Darunter befanden sich unter Anderem sein liebstes Bücherregal, sein Lesesessel und der dazugehörige Beistelltisch. Insgesamt handelte es sich um weit weniger Möbelstücke als zuerst vermutet. Der Grund dafür bestand darin, dass sein Partner bereits alles besaß, was zum Wohnen notwendig war und dazu noch einiges mehr, was zwar nicht unbedingt notwendig, aber doch sehr schick anzusehen war. Also galt es für Crocodile, recht wenig mitzunehmen. Er hatte sich die Möbel ausgesucht, die ihm etwas bedeuteten; darauf, dass ein Stück besonders nützlich oder praktisch gewesen wäre, hatte er keinen Wert legen müssen. Allerdings waren die Möbel nicht das einzige, was die angeheuerten Umzugsleute in die Villa seines Partners transportieren. Dazu kamen nämlich noch einige Dutzend große Pappkartons, die Crocodiles Hab und Gut enthielten: Ordner mit wichtigen Dokumenten aller Arten, Bücher und Filme, seine restliche Kleidung, eingerahmte Fotos, sein Lieblingskopfkissen und noch einiger anderer Kram. Die fünf jungen Männer vom Umzugsunternehmen luden erst einmal alle Habseligkeiten vom Lastwagen hinunter und deponierten diese im Foyer der Villa, ehe sie sie in die entsprechenden Räume transportierten. Wenn er ehrlich war, dann wurde Crocodile doch ein wenig flau im Magen, als er seine Möbel und die Pappkartons auf dem teuren Fußboden liegen sah. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich alle Dinge, die ihm etwas bedeuteten, so einfach und schnell zusammenpacken ließen; und auch nicht damit, dass es sich dabei um nur so wenig handeln würde. Crocodile kam es fast so vor, als läge da sein Leben vor ihm auf dem Boden ausgebreitet. Oder zumindest der klägliche Rest, der davon übrig geblieben war. Die Loft-Wohnung, in der er bisher gewohnt hatte, hatte 250 Quadratmeter gezählt und war überaus stilvoll eingerichtet gewesen. Und nun hatte man alles aus dieser Wohnung, was ihm in irgendeiner Form wichtig war, auf nicht einmal ein Zwanzigstel der ursprünglichen Fläche zusammengescharrt. Er war geschrumpft, er war mickrig geworden und hatte an Wert verloren. Plötzlich kamen Crocodile Zweifel. Ob es wohl doch die richtige Entscheidung gewesen war, nach nicht einmal einem Jahr Beziehung mit seinem Freund zusammenzuziehen? Er wäre lieber in seiner Loft-Wohnung wohnen gewesen, musste er ehrlich zugeben, und diese Erkenntnis hinterließ einen bitteren Geschmack auf seine Lippen. Unsinn, schoss es ihm allerdings sogleich durch den Kopf. Sein Auszug aus seiner Loft-Wohnung hatte prinzipiell doch überhaupt nichts mit seinem Einzug in die Villa seines Partners zu tun. Nach seiner Entlassung hätte er sich die teure Loft-Wohnung im Stadtzentrum sowieso nicht mehr leisten können; so oder so hätte er in eine deutlich kleine Wohnung ziehen und sich einschränken müssen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass eine kleine Wohnung wohl deutlich günstiger gewesen wäre als der Zusammenzug mit seinem Freund. Um die 20.000.000 Millionen Berry hatte die Villa gekostet, wie Crocodile wusste. Und da er ab heute ganz offiziell ebenfalls hier wohnte, würde er für die Hälfte dieses Betrags aufkommen müssen. Unweigerlich schluckte Crocodile. Seine Schulden standen ihm inzwischen bis zum Hals. Wie sollte er da nur die gewaltige Summe von 10.000.000 Berry aufbringen? Nicht einmal annähernd so viel verdiente er in einem ganzen Jahr. Oder hatte er in einem Jahr verdient; selbst zu seinen besten Zeiten hätte er eine solch gewaltige Summe Geld nicht einfach aus dem Ärmel schütteln können! Und noch immer hatte Crocodile keine Vorstellung davon, wie er seinem Freund diese Tatsache schmackhaft machen sollte. Im schlimmsten Fall forderte dieser den vollen Betrag sofort ein. Und Crocodile würde nicht dazu in der Lage sein, ihn zu bezahlen. Wie sollte er ihm das nur erklären? Und vor allen Dingen: Würde es ihm gelingen, seine Kündigung und seine Schulden weiterhin geheim zu halten, wenn Doflamingo Geld von ihm forderte? Womöglich verlangte er sogar Einsicht in seine Dokumente, um festzustellen, ob er überhaupt dazu in der Lage war, zu zahlen. Dann würden seine vielen Lügen ans Licht kommen und alles wäre zunichte. Dieses fürchterliche Horrorszenario musste er um jeden Preis verhindern! Sollte ihm dies nicht gelingen, dann ginge seine Beziehung zu Doflamingo mit Sicherheit sofort in die Brüche! Die große Frage war nun: Wie stellte er es bloß an, sein Geheimnis zu bewahren? Die jungen Leute vom Umzugsunternehmen waren fertig damit, Crocodiles Hab und Gut in das Foyer der Villa zu laden. Einer von ihnen, ein Mann mit schwarzen Locken, der schwarze Stiefel und ein ärmellosen Hemd trug, wandte sich anschließend an Doflamingo und fragte höflich: "In welche Räume sollen die einzelnen Möbelstücke gebracht werden, Herr Donquixote?" Auch wenn es Crocodile ärgerte, dass der Mann vom Umzugsunternehmen nicht mit ihm, sondern seinem Partner sprach (schließlich war nicht Doflamingo, sondern er derjenige, der umzog und dem all die zu transportierenden Möbel gehörten!), ließ er sich seinen Unmut nicht anmerken; zumindest nicht, so lange sie Gesellschaft hatten. Crocodile war kein Mensch, der einen Streit vom Zaun brach, während andere Menschen anwesend waren. Ein solches Verhalten hielt er nämlich für überaus unhöflich und unfair. "Bringt die Möbel in den ersten Stock", erwiderte Doflamingo, der es wohl für völlig selbstverständlich hielt, dass er der Ansprechpartner der Umzugsleute war. "Die Dienstmädchen werden euch den Raum zeigen, in dem sie stehen sollen." Dann fügte er, diesmal an Crocodile gewandt, hinzu: "Ich habe ein wunderschönes Zimmer für dein Bücherregal und den Sessel ausgesucht. Es ist nicht weit von unserem Schlafzimmer entfernt und hat einen Balkon, der zum Garten hinausgeht. Dort kannst du deine eigene kleine Wohlfühl-Oase einrichten. Ist das nicht schön?" Ein unwilliger Brummlaut war die einzige Erwiderung, die er seitens seines Partners erhielt. Noch immer war Crocodile eingeschnappt, weil Doflamingo es sich erlaubte, ihm seine Arbeit abzunehmen. Da es sich hierbei um seinen Umzug handelte und nicht um den seines Freundes, hielt Crocodile es für absolut selbstverständlich und indiskutabel, dass auch er allein das Anweisen der Umzugsleute übernahm. Crocodile war ein Mensch, der es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man ihn in seiner Verantwortung und Autorität einschränkte. Es war ihm bereits genug, dass er wegen seiner kurz bevorstehenden Entlassung auf der Arbeit kaum mehr irgendetwas zu sagen hatte - da wollte er wenigstens in seinem Privatleben selbstbestimmt bleiben und die Oberhand behalten. Doflamingo warf seinem Partner durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen verwunderten und misstrauischen Blick zu, als er bemerkte, dass seine Aussage nicht die gewünschte Begeisterung hervorrief. "Was hast du denn?", fragte er und klang überaus enttäuscht. "Ich dachte, dass du dich darüber freuen würdest! Du hattest mir doch mal gesagt gehabt, dass ich mehr Rücksicht auf deine Bedürfnisse und deine Privatsphäre legen soll. Deswegen habe ich mir diese Sache mit deinem eigenem Lesezimmer als Rückzugsort überlegt. Wieso bist du jetzt so furchtbar schlecht gelaunt?" "Ich bin nicht wegen dem Zimmer schlecht gelaunt", erwiderte Crocodile und löste seine vor der Brust verschränkten Arme auf. "Ganz im Gegenteil: Ich finde es wirklich schön, dass du dir Gedanken darüber gemacht hast, womit du mir eine Freude bereiten könntest." "Du klingst aber nicht gerade sonderlich glücklich", hielt Doflamingo mit einer vorwurfsvoll klingenden Stimme dagegen. Er schien tatsächlich sehr enttäuscht zu sein, weil die Überraschung bei seinem Freund nicht so gut wie erwartet angekommen war. Crocodile druckste für eine Weile herum, ehe er schließlich zugab: "Es ist wegen den Umzugsleuten." Verwundert hob Doflamingo eine Augenbraue hoch; mit einer solchen Antwort schien er nicht gerechnet zu haben. "Den Umzugsleuten?", wiederholte er skeptisch. "Was ist denn da nicht in Ordnung? Sie machen ihren Job doch ganz gut, finde ich." Er zögerte kurz, ehe er hinzufügte: "Oder haben sie vielleicht irgendetwas kaputt gemacht oder in deiner alten Wohnung vergessen?" "Nein, das ist es nicht", sagte Crocodile hastig, ehe sein Partner einen schlechten Eindruck von dem angeheuerten Umzugsunternehmen bekam, das bisher tatsächlich überaus pünktlich und zuverlässig seine Arbeit erledigt hatte. "Es ist bloß so, dass es mich total ärgert, dass die Umzugsleute die ganze Zeit nur mit dir sprechen. Dabei sind das doch meine Möbel. Und es ist mein Umzug. Ich verstehe einfach nicht, wieso ich komplett übergangen werde und stattdessen du die ganze Arbeit übernimmst!" "Das ist dein Problem?", hakte Doflamingo ungläubig nach. "Du bist wütend, weil du weniger tun musst? Also, die Logik verstehe ich nicht! Freu dich doch lieber darüber, dass man dir die Arbeit abnimmt und du dich stattdessen entspannt zurücklehnen kannst. Das ist doch nun wirklich kein Grund, um verärgert zu sein!" "Oh doch, das ist es!", hielt Crocodile dagegen; ihm erschien die Argumentation seines Partners völlig unsinnig. "Du weißt ganz genau, dass ich es hasse, wenn man mir irgendetwas aus der Hand nimmt. Ich bin ein erwachsener Mann und das bedeutet, dass ich Dinge wie zum Beispiel einen Umzug auch selbst geregelt bekomme. Ich brauche keine Hilfe!" Doflamingo seufzte halb amüsiert, halb genervt auf. "Jetzt sind wir wieder bei diesem Thema angelangt", meinte er und legte den Kopf in den Nacken. "Wie oft muss ich dir das denn noch erklären: Dass man Hilfe annimmt, bedeutet nicht, dass man unselbstständig oder schwach ist! Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, was du so schlimm daran findest, wenn man dich bei irgendeiner Sache unterstützt. Wir beide sind ein Paar und das bedeutet für mich, dass wir uns gegenseitig helfen und unterstützen, wo wir können. Das ist doch absolut selbstverständlich und überhaupt nicht verwerflich." "Natürlich sollte man sich gegenseitig unterstützen, wenn man in einer Beziehung ist", gab Crocodile zu. "Aber das bedeutete doch nicht, dass du alles regelst und ich überhaupt nichts zu sagen habe. Die Umzugsleute haben ja nicht einmal auch nur ein einziges Wort mit mir gewechselt!" "Aber das liegt doch nicht daran, dass du unselbstständig bist oder Hilfe brauchst!", erwiderte Doflamingo, der sehr überzeugt von seinen eigenen Worten klang. "Und woran liegt es dann, bitteschön?", wollte Crocodile wissen. "Na, es liegt natürlich daran, dass ich derjenige gewesen bin, der mit dem Umzugsunternehmen telefoniert hat, wenn du dich recht erinnerst", erklärte Doflamingo. "Der ganze Auftrag läuft über meinen Namen und über mein Konto. Da ist es doch völlig logisch, dass sich die Umzugsleute an mich wenden und nicht an dich." Er seufzte kurz und rieb sich die Schläfe. Trotzdem wirkte er (wie fast immer) nicht wirklich genervt; überhaupt schien Doflamingo die gesamte Sachlage nicht sonderlich ernst zu nehmen. Crocodile bekam beinahe sogar das Gefühl, er amüsierte sich eher noch darüber, dass sein Freund so verärgert und gekränkt war. "Dass du auch immer nach Gründen suchen musst, um dich in deinem Stolz verletzt zu fühlen", murmelte Doflamingo schließlich liebevoll grinsend. Er beugte sich zu seinem Partner hinunter, um diesen einen sanften Kuss auf die Lippen zu geben und die Arme um dessen Oberkörper zu schlingen. Crocodile ließ es zu, auch wenn er sich noch immer nicht ganz überzeugt fühlte. Erst als Doflamingo wieder von ihm abließ, fiel ihm plötzlich auf, mit welchem Teil dessen Aussage er sich nicht so einfach abfinden konnte: "Der Auftrag läuft über dein Bankkonto?", wiederholte Crocodile und stutzte. "Was meinst du denn damit? Ich dachte eigentlich, dass man mir eine Rechnung schicken würde. Bist du etwa in Vorkasse gegangen? Hat das Umzugsunternehmen das verlangt? Wie viel hast du bezahlt? Wenn du mir die Kontonummer gibst und den Betrag nennst, dann überweise ich dir..." "Vergiss es!", unterbrach Doflamingo ihn sogleich und klang plötzlich untypisch ernst. "Ich werde garantiert kein Geld von dir annehmen! Das Unternehmen ist bereits von mir bezahlt worden und ich möchte unter keinen Umständen die Kosten von dir erstattet bekommen!" "Aber es ist doch mein Umzug gewesen", hielt Crocodile dagegen. "Meine Möbel und meine Klamotten sind transportiert worden, nicht deine. Darum liegt es natürlich auch an mir, die Rechnung des Umzugsunternehmens zu tragen." "Prinzipiell hast du ja Recht", lenkte Doflamingo ein. "Und ich weiß auch, dass du es nicht leiden kannst, wenn man dir irgendetwas ausgibt. Trotzdem bestehe ich darauf, dass ich die Kosten übernehme. Schließlich bin ich derjenige gewesen, der gewollt hat, dass wir beide zusammenziehen. Darum ist es für mich auch ganz selbstverständlich, dass ich dir so wenig Umstände wie möglich bereite, was diesen Umzug angeht." "Du musst wirklich nicht für mich bezahlen, Doflamingo, das ist nicht nötig...!" "Ich weiß, dass es nicht nötig ist. Aber ich tue es gerne. Sieh die bezahlte Rechnung als eine Art Willkommensgeschenk an. Für mich sind das sowieso nur Peanuts. Du weißt doch, dass ich mehr als genug Geld habe." Er stockte kurz und fügte dann noch hinzu: "Außerdem verstehe ich sowieso nicht, wieso du so stark auf getrennte Kassen bestehst. Ich meine, wir beide sind doch ein Paar. Da ist es doch ganz normal, dass der eine mal dem anderen was ausgibt. Ich sehe das alles nicht so streng." "Na gut, von mir aus", gab Crocodile sich schließlich geschlagen. "Aber wenn du das nächste Mal auf die wahnwitzige Idee kommst, eine Rechnung von mir bezahlen zu wollen, dann informiere mich bitte vorher und warte nicht darauf, dass mir die Sache irgendwann von selbst auffällt." "Wenn ich dir vorher Bescheid geben würde, dann würdest du niemals zulassen, dass ich bezahle", entgegnete Doflamingo, doch er sagte es so leise, dass Crocodile es nicht für angemessen hielt, auf diese Aussage zu reagieren. Einige Minuten später waren die jungen Männer vom Umzugsunternehmen mit ihrer Arbeit fertig. Nachdem Doflamingo sie entlassen hatte (nicht ohne jedem ein saftiges Trinkgeld auszuhändigen, als er glaubte, dass sein Freund nicht hinsah), besichtigten Crocodile und er den neu geschaffenen Raum, den Doflamingo so stolz als kleine Wohlfühl-Oase bezeichnet hatte. Das Lesezimmer, mit dem Doflamingo ihm eine Freude hatte machen wollen, war vollständig eingerichtet worden. Sowohl das Bücherregal als auch der Lesesessel mit dem Beistelltisch befanden sich an der richtigen Stelle; sogar die Bücher, die Crocodile aus seiner Loft-Wohnung mitgenommen hatte, waren bereits einsortiert worden. Alles in allem hatten die Umzugsleute wirklich sehr gute Arbeit geleistet, musste Crocodile zugeben. Durch die verglasten Balkontüren schien eine Menge Sonnenlicht in den Raum und die Wände des Zimmers waren in einem ruhigen Beigeton gestrichen worden, der an Strandurlaub erinnerte. Crocodile trat mit bedächtigen Schritten hinaus auf den Balkon. Er lag zum weitläufigen Garten der Villa hin. Vor dem Balkon wuchs ein hoher Baum (Crocodile wusste nicht, um welche Art Baum es sich handelte; er kannte sich mit Pflanzen nicht sonderlich gut aus), der wohl das Zuhause einiger Singvögel darstellte, die Crocodile zwar im Moment nicht sehen, dafür allerdings sehr deutlich hören konnte. "Gefällt es dir?", fragte Doflamingo interessiert und schlang von hinten die Arme um den Oberkörper seines Partners. "Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, was dir gefallen könnte. Und da du in letzter Zeit so oft gestresst bist, du weißt schon, wegen deinem Job, dachte ich mir, dass ein hübsches Lesezimmer genau der richtige Ort für dich wäre. Hierhin kannst du dich zurückziehen, wenn's dir mal wieder zu viel wird, um ganz entspannt ein paar Romane lesen oder dir auf dem Balkon die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Schließlich sind das ja genau die Dinge gewesen, die ich dir versprochen habe, als wir beide im Flying Lamb das erste Mal über's Zusammenziehen geredet haben." Crocodile erinnerte sich daran, dass Doflamingo tatsächlich etwas Ähnliches gesagt hatte, als dieser das erste Mal das Thema Zusammenziehen angeschnitten hatte. "Es gefällt mir sehr gut", meinte Crocodile, und weil ihm das so kurz angebunden vorkam, fügte er noch hinzu: "Ich freue mich vor allen Dingen über den Balkon. In meiner Loft-Wohnung hat es ja leider keinen gegeben. Du hast aus diesem Zimmer wirklich eine echte Wohlfühl-Oase gezaubert. Es ist sehr lieb von dir, dass du dir nur für mich so viel Mühe und so viele Umstände gemacht hast, Doffy. Damit hätte ich nie im Leben gerechnet." "Ich habe es sehr gerne gemacht", erwiderte Doflamingo mit glücklicher Stimme und verstärkte den Griff um den Körper seines Partners. "Schließlich möchte ich, dass du dich in deinem neuen Zuhause wohl fühlst. Dieses Zimmer gehört dir ganz allein. Ich habe mir sogar vorgenommen, anzuklopfen, bevor ich reinkomme!" "Oh, tatsächlich?" Crocodile konnte sich ein Grinsen gepaart mit rollenden Augen nicht ganz verkneifen. "Da fühle ich mich aber geehrt, dass der werte Herr Donquixote sich nur für mich ein manierliches und rücksichtsvolles Verhalten zulegen möchte. Das hätte ich ihm nämlich ebenfalls niemals zugetraut." "Du tust immer so, als wäre ich ein fürchterlicher Rüpel", entgegnete Doflamingo gespielt beleidigt und lachte leise. "Und als hätte ich keine Manieren!" "Die hast du auch nicht!", meinte Crocodile und lehnte sich nach hinten gegen die breite Brust seines Partners, genoss dessen Körperwärme. "Du kommst zum Beispiel ständig zu spät. Und klopfst nie an, bevor du einen Raum betrittst - nicht einmal, wenn ich im Bad bin. Außerdem genießt du es, mich vor anderen Leuten in Verlegenheit zu bringen!" "Das Letzte liegt aber bloß daran, dass du immer ganz rote Ohren kriegst, wenn du dich schämst, und das total niedlich aussieht", säuselte Doflamingo, der die Kritik seitens seines Partners (natürlich) nicht im geringsten ernst nahm. "Niedlich?" Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. "Mir fällt kein Wort ein, mit dem man mich weniger passend beschreiben könnte als niedlich!" "Unsinn", entgegnete Doflamingo, noch immer säuselnd. "Du bist der niedlichste Mensch, den ich kenne. Und es ist ganz besonders niedlich, wenn du rot wirst. Warte, ich beweise es dir!" Crocodile hatte kaum Gelegenheit dazu, sich zu fragen, was für eine lächerliche Art von Beweis sein Partner wohl anführen wollte, als er plötzlich dessen Zunge an seinem rechten Ohr spürte. Seine Ohren gehörten neben dem Hals zu seinen empfindlichsten Körperstellen - worüber Doflamingo selbstverständlich ganz genau Bescheid wusste. Crocodile konnte nicht verhindern, dass er spürte, wie Hitze sich auf seinen Wangen ausbreitete. Währenddessen fuhr Doflamingo mit seiner Zunge Crocodiles Ohrmuschel entlang, ehe er unten beim Ohrläppchen ankam und genüsslich den goldenen Ohrring liebkoste. Sofort überkam Crocodile heiße Erregung und er konnte ganz genau spüren, dass sein Glied sich bereits aufzurichten begann. Und wenn er die große Beule, die von hinten gegen sein Steißbein drückte, nicht vollkommen missverstand, dann ging es seinem Partner nicht anders. "Siehst du, ich hatte doch Recht", flüsterte Doflamingo und sein heißer Atem schlug gegen Crocodiles hoch sensibles Ohr. "Jetzt sind dein Gesicht und deine Ohren knallrot. Sieht wirklich niedlich aus. Sogar mehr als niedlich. Eher ziemlich heiß. Es ist ein wirklich schöner Kontrast zu deiner sonst so blassen Haut. Schade, dass es hier keinen Spiegel gibt. Du solltest dich selbst sehen können." Doflamingo schwieg kurz, ehe er in einer bedenklich ernst klingenden Stimmlage hinzufügte: "Das ist eigentlich wirklich keine schlechte Idee: Sex vor dem Spiegel. Na, was hältst du davon, Wani? Wenn ich dich das nächste Mal nehme, dann darfst du dich dabei selbst in einem Spiegel betrachten...." "Doflamingo!", fluchte Crocodile, konnte gleichzeitig allerdings nicht verhindern, dass die perverse Fantasie seines Partners ihn noch weiter erregte. "Ist ja schon gut", meinte Doflamingo, der sehr amüsiert klang angesichts der Verlegenheit seines Partners. "Hier gibt es sowieso keinen Spiegel. Das heben wir uns wirklich erst für's nächste Mal auf." Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, veränderte Doflamingo den festen Griff um den Körper seines Partners, ohne diesen aufzulösen: Er nahm seine rechte Hand von Crocodiles Oberkörper fort und presste sie stattdessen gegen dessen Schritt. "Obwohl du von der Idee ja echt angetan zu sein scheinst, zumindest deinem harten Schwanz nach zu urteilen." Er lachte selbstgefällig, lüstern und voller Vorfreude. Dann begann er damit, mit der Fläche der rechten Hand rhythmisch über die noch durch zwei dünne Lagen Stoff getrennte Erektion seines Partners zu reiben. "Doflamingo", zischte Crocodile, der sich hin- und hergerissen fühlte zwischen einerseits dem Wunsch, jetzt sofort an Ort und Stelle mit seinem Freund intim zu werden und andererseits der hinderlichen Tatsache, dass sie sich noch immer auf dem Balkon des Lesezimmers befanden. Der Balkon ging zum Garten hinaus und das bedeutete, dass jeder, der vorbeikam und zufällig einen Blick nach oben warf, sie beide beim Sex sehen würde. Und Crocodile war sich nicht sicher, ob er das wollte. "Der Balkon!" "Was ist mit dem Balkon?", fragte Doflamingo und tat so, als wüsste er nicht, was Crocodile mit seinem Einwand meinen könnte. Er presste seine Hand besonders fest gegen die Beule in der Hose seines Freundes und fuhr damit fort, dessen Ohr mit seiner Zunge zu bearbeiten. "Nicht hier", sagte Crocodile und war selbst überrascht darüber, wie erbärmlich halbherzig seine Stimme doch klang. "Hier kann man uns sehen." "Aber gerade das macht doch den Spaß aus", gurrte Doflamingo, ehe er plötzlich stockte. Er schwieg für eine Weile und übte auch keinen weiteren Druck auf die Erektion seines Partner aus. Dann meinte er in einem unerwartet ruhigen und ernsten Tonfall: "Ich will nichts tun, was du nicht möchtest, Crocodile." Nachdem er diesen einen Satz gesagt hatte, schwieg Doflamingo erneut für einige Sekunden, ehe er fast schon unbeholfen hinzufügte: "Aber manchmal fällt es mir schwer, auseinanderzuhalten, ob du ein Nein wirklich ernst meinst oder ob es sozusagen mit zum Spiel gehört. Deswegen frage ich dich jetzt ganz unmissverständlich: Draußen auf dem Balkon oder drinnen im Zimmer?" Crocodile war völlig überrascht angesichts der unerwarteten Rücksichtnahme seines Partners. Er brauchte eine Weile, um sich zu sammeln, ehe er über eine Antwort nachdenken konnte. Um ehrlich zu sein, fiel sie Crocodile nicht sonderlich schwer: Er mochte es, wenn sein Partner gelegentlich mit der Angst spielte, ihnen könnte jemand beim Sex zusehen oder zuhören. Wie damals bei dem Blowjob im Jaguar auf dem Rückweg von Spider's Cafe nach Hause. Doch Crocodile mochte es nicht, wenn diese Angst zu weit führte. Einen Blowjob auf einem abgeschirmten Wagenrücksitz zu bekommen war etwas völlig anderes als Sex auf einem Balkon zu haben, der für jeden, der zufällig vorbeikam, einsichtig war. Ihn hatte die Befürchtung, ein Gärtner oder ein Dienstmädchen könnte sie beide zufällig entdecken, zwar zu Beginn sehr erregt, doch wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, dann wünschte er sich nicht, dass dieses Szenario tatsächlich eintrat. Vor allem wollte er nicht, dass ihn irgendjemand außer Doflamingo nackt sah. Crocodile war, was Nacktheit anging, ein extrem schamhafter Mensch. Dies lag unter anderem daran, dass er durchaus nicht immer nur positive Reaktionen bezüglich des Armstumpfes auf seiner linken Seite erhalten hatte. Er wollte nicht, dass man seinen Armstumpf sehen konnte. "Drinnen", war also die eindeutige Antwort, für die Crocodile sich entschied. Er spürte, dass sein Freund augenblicklich von ihm abließ. Verwundert und auch ein wenig eingeschüchtert angesichts dieses plötzlichen Entzugs des Körperkontakts wandte Crocodile sich um. Hatte er die falsche Entscheidung getroffen? Dass sein Partner ihm die Wahl ließ, weil er sich ihm nicht aufdrängen wollte, bedeutete schließlich nicht automatisch, dass dieser auch mit der Alternative einverstanden war. Würde Doflamingo nun das Vorspiel abbrechen, weil er keine Lust darauf hatte, den Sex drinnen auszuführen? Hatte dieser sich womöglich so sehr auf den Outdoor-Sex gefreut, dass ihm die Vorstellung, es im Lesezimmer zu tun, überhaupt nicht mehr zusagte? Doflamingo ging hastig zur Balkontüre hinüber und öffnete diese. Dann sah er zu Crocodile hinüber, der verunsichert an Ort und Stelle stehen geblieben war. Er wusste nicht, was sein Partner nun von ihm erwartete. "Wo bleibst du denn?", meinte Doflamingo und seine Stimme war ebenso ungeduldig wie die hektischen Bewegungen, die er ausführte. Er streckte eine Hand einladend nach seinem Freund aus, während er mit der anderen die Balkontüre festhielt, die ansonsten von selbst wieder zufallen würde. "Komm schon! Ich dachte, wir beiden wollen drinnen weitermachen? Oder möchtest du jetzt gar nicht mehr?" "Doch, ich... ich..." Crocodile brachte den Satz nicht zu Ende, sondern huschte eilig zu seinem Partner hinüber und griff nach der angebotenen Hand. Doflamingo zog ihn sanft zu sich in das Innere des Zimmers hinein und ließ dann die gläserne Balkontüre hinter ihnen beiden zufallen. Kaum war die Türe ins Schloss gefallen, fiel Doflamingo erneut über seinen Partner her. Während er mit seinen Händen eifrig über dessen Hinterkopf, Rücken, Hüften und Hintern fuhr, presste er seine Lippen fest auf die seines Gegenübers. Crocodile wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah, so überrascht fühlte er sich von der heftigen Leidenschaft seitens seines Freundes. In der ersten halben Minute stand er einfach bloß wie versteinert dar und ließ die Berührungen relativ passiv geschehen; erst nachdem er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte, erwiderte er die Liebkosungen. Irgendwann lösten sie sich voneinander. Crocodile nutzte die Gelegenheit, um sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, während Doflamingo sich daran machte, ungeduldig das Hemd seines Partners zu aufzuknöpfen. Nachdem ihm dies gelungen war, streifte er es ihm von den Schultern. Dann zog er sich sein eigenes Hemd (heute trug er helles Rosa) kurzerhand über den Kopf aus. Beide Kleidungsstücke landeten achtlos auf dem Teppichboden. Als er den nackten Oberkörper seines Partners sah, richtete sich Crocodiles Glied in seiner Hose erneut auf. Doflamingo war nämlich unglaublich gut gebaut. Soweit Crocodile wusste, trieb er sehr viel Sport, um sich fit zu halten. (Er selbst war zwar ebenfalls alles andere als außer Form, doch ihm war trotzdem klar, dass er mit dem Adonis-Körper seines Freundes nicht mithalten konnte. Vor allen Dingen seit der Doppelbelastung durch seine Kündigung und die vielen Schulden hatte er kaum Zeit gefunden, um Sport zu treiben.) Crocodile fuhr mit seiner rechten Hand ungeniert über die definierten Bauchmuskeln seines Partners, während seine Lippen dessen linken Nippel umschlossen und sanft daran zu saugen begannen. Das leise Stöhnen, das daraufhin über Doflamingos Lippen kam, verschaffte Crocodile ein wenig Genugtuung. Für seinen Geschmack hatte er heute viel zu wenig zu sagen gehabt - da wollte er nun wenigstens nicht auch noch beim Sex völlig passiv und unterwürfig sein. Außerdem, fand Crocodile, hatte sich sein Freund auf jeden Fall eine Belohnung verdient für die Überraschung, die dieser ihm mit dem Lesezimmer bereitet hatte. Nachdem er auch dem rechten Nippel ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt hatte, wandte Crocodile sich dem Hosenbund seines Partners zu. Mit einer gekonnten Bewegung öffnete er dessen Gürtel, dann den Hosenknopf und den Reißverschluss. Anschließend ließ Crocodile sich auf die Knie sinken und zog dabei gleichzeitig auch Doflamingos Hose mit nach unten, bis diese ihm nur noch lose um die Knöchel hing. Noch immer trugen sie beide Schuhe. [zensiert] Entkräftet und völlig erschöpft sank Crocodile auf dem Lesesessel zusammen. Doflamingo kniete noch immer vor ihm und warf ihm mit seinen grünen Augen einen selbstgefälligen und neugierigen Blick zu. Seine Lippen zierte ein breites Grinsen. Insgesamt wirkte er überaus zufrieden mit sich selbst. Da er dies allerdings zurecht tat, störte Crocodile sich nicht weiter daran. Im Augenblick war er sowieso zu müde und fühlte sich viel zu wohl, um sich über seinen Freund zu ärgern. „Na? Wie hat es dir gefallen? Bin ich gut gewesen?“ „Der Beste“, hauchte Crocodile schwer atmend und beobachtete, wie Doflamingos Grinsen noch ein wenig breiter wurde, falls dies überhaupt möglich war. „Freut mich, dass es dir gefallen hat. Brauchst du eine Pause, bevor wir weitermachen? Oder hast du genug?“ „Gib mir fünf Minuten“, antwortete Crocodile und streckte seine Beine, damit die Muskeln sich an- und anschließend entspannen konnte. Während er von seinem Partner verwöhnt worden war, hatte er daran keinen Gedanken verschwendet, doch nun im Nachhinein spürte er, wie anstrengend es gewesen war, die Beine so lange gespreizt zu halten. Die Muskeln fühlten sich stark strapaziert an. „Tut es weh?“, fragte Doflamingo und leichte Besorgnis schwang in seiner Stimme mit. „Hast du vielleicht einen Krampf oder so etwas bekommen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein, es ist alles Ordnung“, meinte er. „Es ist nur sehr anstrengend gewesen, die Beine so lange in einer Position zu halten. Die Muskeln in den Oberschenkeln sind noch immer angespannt. Aber mach dir keine Sorgen, das legt sich sicher gleich wieder. Ich will mich jedenfalls nicht beschweren. Das ist es nämlich auf jeden Fall wert gewesen!“ „Wir können ja gleich eine Stellung aussuchen, die die Muskeln in deinen Beinen nicht allzu sehr beansprucht“, schlug Doflamingo entgegenkommend vor. „Löffelchen oder so.“ Crocodile nickte zustimmend und massierte mit der rechten Hand die entsprechenden Muskeln in seinen Oberschenkeln. Mit diesem Deal konnte er gut leben. Er spürte bereits wieder, wie die Anspannung langsam nachließ und stattdessen die Erregung erneut wuchs. Nach dem Sex (in der Löffelchen-Stellung auf dem kuschelig weichen Teppichboden des Lesezimmers) standen sie nicht sofort gleich wieder auf und zogen sich an, sondern blieben noch für einige Minuten fest aneinandergepresst liegen. Crocodile atmete schwer und pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Sex, den er mit Doflamingo gehabt hatte, war mindestens ebenso gut und befriedigend wie das Vorspiel gewesen. Außerdem genoss er den Körperkontakt zu seinem Partner; Doflamingo war nämlich angenehm warm und in seinen Armen zu liegen, gab Crocodile ein Gefühl von Geborgenheit, das so unglaublich schön war, dass er es kaum fassen konnte. Während er so beschützt und geborgen da lag, kamen ihm seine Kündigung und seine Schulden auf einmal sehr weit weg und völlig unwichtig vor. In den Armen seines Freundes fühlte er sich absolut sicher. Crocodile wünschte sich, sie beide könnten ewig auf diesem flauschigen Teppichboden liegen bleiben. Leider konnten sie das nicht. Doflamingo schien zwar das Kuscheln nach dem Sex ebenfalls sehr genossen zu haben, doch nach einer Weile löste er den Griff um seinen Partner und erhob sich. Crocodile blieb nichts anderes übrig, als es ihm gleichzutun. Kaum hatte Doflamingo ihn losgelassen, wurde Crocodile plötzlich eiskalt; er spürte, wie sich Gänsehaut auf seinem gesamten Körper ausbreitete. Dazu gesellte sich ein flaues Gefühl im Magen. Eilig huschte Crocodile zu der Packung Taschentücher hinüber, die er auf den Beistelltisch abgelegt hatte, und nahm sich eines heraus; hastig wischte er das Sperma seines Partners weg, das aus seinem Eingang heraus und über seine Oberschenkel lief, und schlüpfte dann sofort wieder in seine Kleidung. Sie wärmte ihn nicht annähernd so gut wie es der eng an ihn gepresste Körper seines Freundes getan hatte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, hörte er Doflamingo mit skeptischer und besorgter Stimme fragen. Anscheinend hatte er es nicht so eilig wie sein Partner, denn er stand noch immer nackt da und musterte diesen aus seinen stechend grünen Augen. Anscheinend fror er auch nicht. „Klar“, erwiderte Crocodile rasch. Wie immer, wenn sein Freund keine Sonnenbrille trug und ihn beobachtete, bekam er das überaus unangenehme Gefühl, geröntgt zu werden. Seine Gänsehaut verstärkte sich noch weiter. „Du verhältst dich plötzlich so komisch“, fuhr Doflamingo in einem nicht sonderlich überzeugt klingenden Tonfall fort. „Ich merke doch, das irgendetwas los ist. Hast du wieder Magenschmerzen bekommen?“ Crocodile schüttelte den Kopf, obwohl sich sein Magen tatsächlich ein wenig flau anfühlte. Er verwendete diese Ausrede in letzter Zeit sehr oft; darum kam sie ihm inzwischen irgendwie ganz flach und unglaubwürdig vor, sogar wenn es sich um die Wahrheit handelte. Da er allerdings nicht so recht in Worte fassen konnte, wieso er sich auf einmal so seltsam fühlte und verhielt, meinte er bloß: „Mir ist ein bisschen kalt geworden. Du weißt schon, weil du mich losgelassen hast. Dein Körper wird beim Kuscheln nämlich immer sehr warm.“ „Oh, achso.“ Dieser (nur halb gelogene) Ausrede schien sein Freund glücklicherweise Glauben zu schenken. „Was hältst du dann von einer heißen Dusche? Zu zweit natürlich. Und danach gibt es Mittagessen.“ „Duschen hört sich gut an“, erwiderte Crocodile, der sich nach dem Sex immer ganz schmutzig fühlte und deswegen gegen eine kurze Dusche nichts einzuwenden hatte. „Aber Hunger habe ich noch keinen.“ „Immer noch nicht?“ Doflamingo klang stutzig. „Dabei hast du doch kaum gefrühstückt. Und wir hatten eben super geilen Sex! Wie kann man denn da nicht hungrig geworden sein?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ist halt eben so“, meinte er und klang recht abgegriffen. Wenn er ehrlich war, dann hatte er gerade überhaupt keine Lust dazu, irgendwelche Diskussionen zu führen. Er fühlte sich ganz lethargisch und erschöpft. Am liebsten würde er jetzt duschen, sich danach mit seinem Partner ins Bett legen und bis morgen Nachmittag schlafen. Und zwar ohne auch nur ein einziges Wort mit Doflamingo zu wechseln. Denn jäh wurde ihm klar, dass er nicht bloß keine Lust auf Diskussionen hatte, sondern auf Gespräche jedweder Art. Er wollte einfach bloß seine Ruhe haben. Schwermütig beobachtete Crocodile seinen Freund dabei, wie dieser in seine Kleidung hineinschlüpfte. Währenddessen fielen ihm auch zwei mittelgroße Flecken auf dem neuen Teppichboden auf; sie befanden sich genau dort, wo Doflamingo und er eben noch gelegen hatten. Man brauchte also wirklich kein Genie zu sein, um sich auszumalen, woher die dunklen Flecken wohl stammen mochten. Auch wenn Crocodile sich gerade müde fühlte und ganz zerstreut war, konnte er nicht verhindern, dass Schamesröte seinen Hals hinaufkroch. Beschämt bedeckte er seinen Blick mit seiner rechten Hand. Das herzhafte Kichern seines Partners entging ihm trotzdem nicht. „Mach dir nichts draus“, hörte er Doflamingo mit amüsierter Stimme sagen. „Das ist kein Problem, auch wenn der Teppich neu ist. Ich werde einfach eine Putzfrau bestellen, die sich darum kümmert. Hinterher wird man es nicht mehr sehen.“ Crocodile erwiderte auf diese Aussage nichts, nahm allerdings seine Hand wieder herunter. Sein Blick wanderte zu dem Beistelltisch hinüber, der neben dem (zum Glück unversehrten) Lesesessel stand. Unweigerlich fragte Crocodile sich, welcher Gegenstand wohl in der Schublade lag. Doflamingo war schließlich nicht dazu gekommen, ihn einzusetzen, und er selbst hatte ihn nur so kurz gesehen, dass er nicht sicher sagen konnte, worum es sich handelte. Vielleicht um einen Vibrator? Aber der Vibrator, den sie damals benutzt hatten, war nicht schwarz gewesen, erinnerte Crocodile sich gedankenverloren. Außerdem hatte er eine etwas andere Form gehabt als der ominöse Gegenstand, über den er sich gerade den Kopf zerbrach. Doflamingo schien sich zuerst ein wenig verunsichert zu fühlen angesichts seines plötzlich so weggetretenen Partners; kaum allerdings folgte er dessen gedankenverlorenen Blick und gelangt beim Beistelltisch an, legte sich erneut ein breites Grinsen auf seine Lippen. Er ging zu dem kleinen Tisch hinüber und griff nach seiner Sonnenbrille, die auf der Tischplatte lag. Nachdem er sie sich auf die Nase gesetzt hatte, drehte er sich (noch immer breit grinsend) zu Crocodile um und meinte: „Na, neugierig?“ Auch wenn die Frage sehr unspezifisch war, wusste Crocodile sofort, wovon sein Partner sprach. Augenblicklich kehrte die gerade erst verschwundene Schamesröte in sein Gesicht zurück und er wandte sofort den Blick von dem kleinen Beistelltisch ab. „Ph!“, machte Crocodile, der sich seine Verlegenheit nicht anmerken wollte, und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kein bisschen. Und jetzt lass uns endlich gehen! Wollten wir nicht duschen?“ Doflamingo lachte. „Komm schon“, meinte er und schien sich herrlich über seinen peinlich berührten Freund zu amüsieren. „Möchtest du nicht wissen, was in der Schublade ist?“ Um ehrlich zu sein, wollte Crocodile sehr gerne wissen, worum es sich bei dem rätselhaften Gegenstand handelte: einen neuen Vibrator? Einen Dildo? Oder vielleicht einen Plug? Denn auch wenn das Sextoy heute noch nicht zum Einsatz gekommen war, hätte er zumindest etwas, worauf er sich für das nächste Mal freuen könnte. Crocodile musste nämlich wohl oder übel zugeben, dass er alle Erfahrungen, die er in dieser Beziehung bisher mit Sexspielzeug gemacht hatte, sehr genossen hatte. Doflamingo schien echtes Talent dafür zu haben, seinen Geschmack zu treffen. Auf der anderen Seite allerdings war Crocodile ein schrecklich schamhafter Mensch. Er würde sich niemals vor seinem Partner eine Blöße geben und offen zugeben, dass er nur zu gerne wüsste, welches Sextoy dieser für ihn (oder für sie beide) besorgt hatte. Also schluckte Crocodile seine Neugierde notgedrungen herunter und meinte in einem möglichst gleichgültig klingenden Tonfall: „Nein, ich möchte es nicht wissen. Und jetzt hör endlich auf mit diesem Blödsinn, ja? Ich will duschen!“ Leider klangen diese Worte nicht halb so überzeugend wie er es gehofft hatte. Zu seinem Pech schien auch Doflamingo diesen Umstand mitbekommen zu haben, denn er brach in ungehaltenes Gelächter aus. Als er sich schließlich wieder gefangen hatte, meinte er: „Es ist wirklich unfassbar niedlich, wie sehr du dich sträubst, Crocobaby. Wie kommt es nur, dass du so stolz bist? Wie auch immer... Ich weiß genau, dass du unheimlich gerne wissen möchtest, was sich in dieser Schublade befindet. Und weil ich heute besonders gut drauf bin, lass ich dich nicht länger zappeln und löse das Rätsel auf!“ Doflamingo log nicht; tatsächlich griff er mit der rechten Hand nach der Schublade des kleinen Beistelltisches und öffnete diese mit einen kurzen Ruck. Der Gegenstand, der zum Vorschein kam, verschlug Crocodile den Atem. Es vergingen zwei Sekunden, in denen er sich absolut sicher war, dass sein Herz ausgesetzt hatte, nur um gleich danach mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu schlagen. Die Schamesröte in seinem Gesicht färbte sich noch um einiges dunkler. Doflamingo brach nicht noch einmal in lautes Gelächter aus; er blieb ganz still. Stattdessen allerdings legte sich das breiteste Grinsen, das Crocodile jemals bei ihm gesehen hatte, auf seine Lippen, während er den entsprechenden Gegenstand aus der Schublade herausholte und vor dem Gesicht seines Partners neckisch hin- und herschwenkte. „Du bist ein verdammter Idiot, Donquixote Doflamingo!“, war das einzige, was schließlich ungestüm aus Crocodile herausbrach. Die Haut in seinem Gesicht brannte heiß, während er erfolglos versuchte, den Blick von dem Toy abzuwenden. Es handelte sich um eine Analkette. Ein Sexspielzeug, das Crocodile zwar vom Hörensagen kannte, bei ihm selbst jedoch noch niemals Anwendung gefunden hatte. Was sein Partner anscheinend vorhatte, demnächst zu ändern. „Eigentlich wollte ich die Kette heute ausprobieren“, meinte Doflamingo in einem so selbstverständlichen Tonfall, dass man meinen könnte, er spräche über irgendein neues Haushaltsgerät. „Aber da du schon so früh zum Orgasmus gekommen bist, werden wir das wohl aufs nächste Mal verschieben müssen.“ Nachdem er dies gesagt hatte, legte sich ein neckisches Grinsen auf seine schmalen Lippen. „Naja, wenigstens hast du jetzt etwas Schönes, worauf du dich freuen kannst, Wani. Ich bin mir sicher, dass du es kaum abwarten kannst, nicht wahr?“ „Du spinnst wohl!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor die Brust. Wenn er ehrlich war, dann hatte er zwar tatsächlich nichts dagegen, die Analkette beim nächsten Mal auszuprobieren, doch er war ein viel zu schamhafter Mensch, als dass er diese Tatsache sich selbst hätte eingestehen können. Crocodile fühlte sich völlig überfordert von dem so offenem Verhalten seines Freundes. Wie gelang es Doflamingo bloß immer, so ungeniert und schamlos über Sex zu sprechen? Er selbst könnte so etwas nie. „Ach, sei doch nicht so verklemmt“, redete Doflamingo auf ihn ein; insgesamt schien er den Widerstand seitens seines Partners nicht sonderlich ernst zu nehmen. Vermutlich kannte er ihn gut genug, um ihn zu durchschauen und zu wissen, dass er seinen Starrsinn nicht ganz ernst meinte. „Ich meine, überleg doch mal, was für einen tollen Orgasmus du heute -nur durch einen Blowjob und ein bisschen fingern- gehabt hast“, fuhr er also ungerührt fort. „Wie unglaublich wird dein Höhepunkt dann erst werden, wenn anstatt meiner Finger die Analkette zum Einsatz kommt? Du weißt doch sicher, dass man sagte, Analketten intensivieren den Orgasmus um ein vielfaches! Ich glaube dir nicht, wenn du mir sagst, dass du keine Lust auf diese Erfahrung hast! Schließlich bekommt doch jeder gerne schöne Orgasmen, nicht wahr?“ „Doflamingo“, sagte Crocodile und er schämte sich dafür, wie schwach und befangen seine Stimme klang, während er den Namen seines Partners aussprach. Am liebsten würde Crocodile im Erdboden versinken. Dass Doflamingo so hemmungslos über Orgasmen sprach, die er ihm gerne bereiten würde, war einfach zu viel für ihn. Crocodile war es nicht gewohnt, so zwanglos über solche empfindlichen und persönlichen Details zu sprechen; jedenfalls hatte keiner seiner Exfreunde jemals dieses Thema angeschnitten. Er fühlte sich komplett verunsichert. „Können wir bitte endlich duschen gehen?“, brachte er schließlich verzweifelt über seine Lippen, während er mit der rechten Hand über den Ellenbogen des linken Arms rieb. „I-ich kann einfach nicht über Sex sprechen. Ich bin da nicht so ungezwungen wie du. Akzeptiere das bitte, okay?“ „Ist schon gut“, erwiderte Doflamingo und klang plötzlich überraschend sanft und verständnisvoll. Anscheinend hatte er begriffen, dass er ihn mit seinen Worten nicht mehr bloß neckte, sondern ernsthaft in die Enge trieb. „Ich erlöse dich: Komm, wir machen uns jetzt auf den Weg zum Bad.“ Er griff nach der Hand seines Partners und zog diesen sacht hinter sich her. Crocodile, der sehr erleichtert war angesichts der unerwarteten Rücksichtnahme seitens seines Freundes, ließ es sich gefallen. Er war bloß froh darüber, dass dieses peinliche Gespräch endlich ein Ende gefunden hatte. Auch wenn er zugeben musste, dass er es durchaus nicht bereute, nun über die Analkette Bescheid zu wissen; tatsächlich war Crocodile sehr neugierig geworden, was dieses neue Sexspielzeug anging. Er konnte dies gegenüber Doflamingo bloß einfach nicht zeigen. „Wie kommt es eigentlich, dass du so unfassbar prüde bist?“, fuhr sein Partner fort, während er die Türe zum Badezimmer öffnete. „Hast du etwa eine streng katholische Erziehung genossen? Nicht, dass es mich stören würde; schließlich ist es wirklich niedlich, dass du jedes Mal knallrot wirst, wenn wir über Sex reden. Ich wüsste nur gerne, woran es liegt...“ Hatte er sich nicht eben noch darüber gefreut, dass Doflamingo sich rücksichtsvoll und diskret verhielt? Crocodile kam nicht umhin, leise zu seufzen und die Augen zu rollen. Sein Partner war und blieb einfach unverbesserlich, schoss es ihm durch den Kopf. „Müssen wir gleich das nächste unangenehme Gespräch beginnen?“, erwiderte er also in einem sarkastisch klingenden Tonfall. „Mir hat unsere Unterhaltung eben schon mehr als gereicht. Können wir beide nicht einfach duschen und uns anschweigen? Das wäre mir am allerliebsten.“ Doflamingo lachte lauthals angesichts dieser bissigen Erwiderung, sagte allerdings zu Crocodiles Erstaunen kein Wort mehr, ehe sie die gemeinsame Dusche beendet hatten. * „Das führt doch zu nichts“, meinte Crocodile mit mauliger Stimme, während er sich mit zwei Fingern die Schläfe massierte. „Wir laufen nun schon seit mehr als zwei Stunden durch die Gegend und haben immer noch nichts Passendes gefunden. Vielleicht sollten wir lieber nach Hause fahren und ein andern Mal wiederkommen!“ „Nur nicht die Geduld verlieren“, war die gelassen klingende Erwiderung, die er seitens seines Partners erhielt.. „Wir finden schon noch das Richtige; da bin ich mir ganz sicher. Außerdem ist die Party doch schon am Freitag. Das bedeutet, wir werden angesichts der wenigen Zeit, die uns noch bleibt, wohl kaum eine andere Gelegenheit finden.“ Crocodile seufzte genervt auf, doch musste sich wohl oder übel eingestehen, dass Doflamingo mit dieser Aussage durchaus nicht Unrecht hatte. Also schluckte er notgedrungen seinen Unwillen hinunter und folgte seinem Partner in das nächste Geschäft. Sie waren gemeinsam in die Einkaufsmeile der Stadt gefahren, um nach einem passenden Geschenk für Mihawks Geburtstag an diesem Wochenende Ausschau zu halten. Leider verlief ihre Suche bisher äußerst erfolglos. Doflamingo kam zwar ständig auf neue Geschenkideen, doch Crocodile musste ihm jedes Mal aufs Neue einen Strich durch die Rechnung machen, weil der Vorschlag einfach nicht zu seinem äußerst eigensinnigen Bruder passte. Tatsächlich war Mihawk eine sehr spezielle Person und genau darum war es auch so schwierig, ein Geschenk zu finden, dass diesem gefallen könnte. Kinogutscheine, Konzertkarten oder Ähnliches waren eine schlechte Idee, weil Mihawk Menschenaufläufe nicht leiden konnte; aus Geld und Schmuck machte er sich nichts; und abgesehen vom Fechten und Forschen über das Mittelalter hatte er nicht allzu viele Hobbies. „Wie wäre es mit einem schicken Parfuem?“, schlug Doflamingo vor, der ihn prompt in eine naheliegende Parfuemerie lotze. „Gut duften tut doch schließlich jeder gerne, oder nicht?“ „Ich glaube nicht, dass Mihawk viel Wert auf das richtige Parfuem legt“, hielt Crocodile dagegen, während er seinen Freund dabei beobachtete, wie dieser den Gang mit den Herrendüften ansteuerte. Doflamingo schien sich nicht viel aus seiner Kritik zu machen; jedenfalls griff er ungerührt nach einem Pafuemflakon, das als Tester zur Verfügung stand, und hielt ihn sich an die Nase. Der Duft schien ihm nicht zu gefallen, denn schnell stellte er das Fläschchen zurück und griff nach einem anderen. „Wie wäre es hiermit?“, fragte er schließlich und hielt seinem Partner einen ausgewählten Flakon hin. Relativ lustlos nahm Crocodile ihn entgegen und schnüffelte daran; es war ein fruchtiger Geruch, der ihm überhaupt nicht zusagte. Angewidert verzog er das Gesicht, schüttelte den Kopf und gab das Parfuem an seinen Freund zurück. Das schien diesem Antwort genug zu sein, denn er stellte das Fläschchen zurück und suchte sogleich nach einem passenderen Duft. Wenn er ehrlich war, dann hatte Crocodile eigentlich keine große Lust darauf, mit Doflamingo verschiedene Düfte auszuprobieren. Er war sich sehr sicher, dass Mihawk sich über ein Parfuem nicht sonderlich freuen würde, und darum hielt er den Aufenthalt in diesem Geschäft für relativ unnötig. Auf der anderen Seite allerdings wollte er seinen Partner nicht verärgern: Doflamingo schien nämlich sehr gerne einkaufen zu gehen und Crocodile wollte ihm nicht den Tag verderben, indem er ihn mit seiner schlechten Laune nervte. „Was hältst du von diesem?“, riss Doflamingos fröhliche Stimme ihn aus seinen Gedanken. Crocodile schreckte auf, nahm allerdings geistesgegenwärtigen den Flakon entgegen, den sein Freund ihm hinhielt, und roch auch an diesem. „Besser“, gab Crocodile zu, fügte dann allerdings an: „Trotzdem glaube ich nicht, dass ein Parfuem das richtige Geschenk für Mihawk ist. Wir sollten uns lieber woanders umschauen.“ „Wir können ja gleich noch in ein paar andere Geschäfte gehen“, erwiderte Doflamingo, der gar nicht zu bemerken schien, dass sein Partner sich genervt fühlte. „Aber erst möchte ich noch ein paar weitere Düfte ausprobieren. Oder hast du es eilig? Ich dachte, du hättest heute keine weiteren Termine mehr.“ „Ich habe es nicht eilig“, gab Crocodile zu, während Doflamingo ihm einen anderen Flakon in die Hand drückte. „Aber ich finde es ganz schön frustrierend, dass wir beide nun schon so lange nach einem schönen Geschenk suchen, und noch immer nichts gefunden haben. Eine kleine Pause würde mir guttun.“ „Wir sind doch erst seit zwei Stunden unterwegs“, hielt Doflamingo dagegen. Noch während er sprach, tauschte er den Parfuemflakon in der Hand seines Freundes gegen einen anderen ein, den dieser bewerten sollte. „Das ist noch nicht sonderlich lange, finde ich. Wenn ich mit Bellamy oder Dellinger shoppen gehe, sind wir manchmal von morgens bis abends auf den Beinen. Gehst du denn nicht gerne shoppen?“ „Doch, eigentlich schon“, erwiderte Crocodile und roch an dem Flakon; zu seiner Überraschung hatte Doflamingo endlich einmal einen Duft ausgewählt, der sehr angenehm roch. „Aber nicht stundenlang. Außerdem sind wir doch gar nicht shoppen: Wir suchen nach einem Geschenk. Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas für sich oder für jemand anderen sucht, finde ich jedenfalls.“ „Vielleicht hast du Recht“, gab Doflamingo schließlich zu und schien sich darüber zu freuen, einen Duft gefunden zu haben, der seinem Partner gefiel. „Wie wäre es mit einem Kompromiss: Wenn wir hier in der Parfuemerie fertig sind, dann suchen wir beide uns ein nettes Cafe und machen ein wenig Pause, bevor es weitergeht. In Ordnung?“ „In Ordnung“, sagte Crocodile und fühlte sich erleichtert angesichts dieser Aussicht. Eine Pause hatte er dringend nötig. Die Suche nach einem passenden Geschenk für seinen Bruder stresste ihn deutlich mehr als er es zu Beginn vermutet hatte. Wahrscheinlich lag dies daran, dass er sowieso schon dauernd unter viel zu viel Stress stand. Da war eine solche zusätzliche Belastung nicht sonderlich hilfreich. „Stört es dich, wenn ich draußen warte?“, fragte er darum seinen Partner. „Ich würde gerne eine Zigarre rauchen. Außerdem steigen mir die vielen verschiedenen Düfte langsam zu Kopf.“ „Das ist kein Problem“, antwortete Doflamingo. „Ich möchte ja nicht, dass dir schlecht wird. Warte du draußen vor dem Geschäft, ich komme dann gleich nach.“ Crocodile nickte, gab seinem Freund einen kurzen Kuss auf die Lippen und verließ dann froh die Parfuemerie. Dass er die vielen verschiedenen Düfte, die in der Luft lagen, nicht gut vertrug, war nicht einmal eine Lüge gewesen. Kaum hatte er das Geschäft verlassen und atmete draußen die frische Luft ein, ging es ihm schon ein wenig besser. Gedankenverloren zündete Crocodile sich eine Zigarre an und beobachtete die belebte Einkaufstraße, während er den ersten Zug nahm. Er hoffte von ganzem Herzen, dass sie bald irgendetwas fanden, das Mihawk gefallen würde. Diese Shoppingtour mit seinem Freund raubte ihm den letzten Nerv. Er war bloß froh, dass sie gleich eine Pause einlegen würden und er sich ein wenig hinsetzen konnte. Inzwischen fühlte Crocodile sich nämlich nicht nur bloß genervt, sondern auch sehr erschöpft und entkräftet. Wenn er wieder in der Villa seines Partners war, würde er auf jeden Fall noch vor dem Abendessen ein entspannendes Bad nehmen. Crocodile hatte kaum aufgeraucht, als Doflamingo endlich die Parfuemerie verließ. „Ich bin fertig“, trällerte dieser fröhlich; er wirkte nicht im geringsten müde oder ausgelaugt. „Von mir aus können wir jetzt nach einem Cafe Ausschau halten. Gegen einen Kaffee hätte ich nämlich nichts einzuwenden.“ Crocodile erwiderte nichts, sondern nickte bloß zustimmend und folgte seinem Freund die Straße hinunter. „Wollen wir mal da drüben rein?“, fragte Crocodile und deutete auf einen kleines Antiquitäten-Geschäft, das zwischen den vielen Ladenketten irgendwie ein wenig fehl am Platz wirkte. „Mihawk steht auf antiken Kram und solche Dinge. Vielleicht finden wir dort irgendetwas, das ihm gefallen könnte.“ „Klar, wieso nicht“, war die leichthin gesprochene Erwiderung seitens Doflamingo. Gemeinsam steuerten sie also das kleine Geschäft an; es wirkte sehr altmodisch und war von oben bis unten vollgestopft mit Krempel jeder Art. Neugierig blickte Crocodile sich um und versuchte Gegenstände auszumachen, die für Mihawk interessant sein könnten. Doflamingo hingegen schien sich ausnahmsweise einmal recht verloren zu fühlen und musterte eher verschüchtert den schmuddeligen Laden; vermutlich war er es nicht gewohnt, Geschäfte dieser Art zu betreten, schoss es Crocodile durch den Kopf. Sie sahen sich einige Minuten lang stillschweigend um, ehe aus dem hinteren Bereich des Geschäfts jemand zum Vorschein kam und sie ansprach. „Guten Tag, meine Name ist Hocha“, stellte sich die überraschend junge und geschmackvoll gekleidete Frau vor. Ihr blondes Haar trug sie modisch kurz geschnitten. Sie hätte eher als Kellnerin in ein kultiviertes Lokal gepasst als in ein solch altmodisches Geschäft, fand Crocodile. „Ich bin die Besitzerin dieses Antiquitäten-Ladens. Kann ich Ihnen helfen?“ „Das können Sie vielleicht wirklich“, meinte Crocodile, während er sich überlegte, wie er sein Anliegen am besten erklärte. „Ich bin auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für meinen Bruder. Er mag Antiquitäten und vor allem Dinge, die aus dem Mittelalter stammen. Haben sie vielleicht etwas Entsprechendes da?“ „Hm“, machte Hocha und legte den Kopf schief. „Da sind Sie richtig in meinem Laden; wir führen nämlich eine ganze Menge Gegenstände, die aus diesem Zeitraum stammen. Es würde sehr lange dauern, Ihnen alles vorzustellen. Können Sie womöglich eingrenzen, wonach Sie suchen? Wo liegen denn zum Beispiel die Interessen Ihres Bruders?“ „Er interessiert sich sehr stark fürs Fechten. Und für den Schwertkampf allgemein“, fiel Crocodile sofort ein. Schließlich hatte Mihawk sein Hobby zum Beruf gemacht und arbeitete bereits seit vielen Jahren als selbstständiger Fechtlehrer. „Führen Sie vielleicht antike Waffen? Degen, Säbel, alte Schwerter, vielleicht auch Messer... irgendetwas in dieser Art?“ Erneut legte Hocha den Kopf schief, ehe sie sagte: „Ja, das tun wir in der Tat. Würden Sie mir bitte in die hinteren Räume des Ladens folgen? Waffen stellen wir nur ungern vorne aus, wo leicht Unfälle passieren können.“ „Natürlich“, erwiderte Crocodile und folgte der jungen Frau tiefer in den Antiquitäten-Laden hinein. Doflamingo, der sich inzwischen wohl an die kuriose Atmosphäre, die herrschte, gewöhnt hatte, ging ebenfalls mit. Zu dritt blieben sie vor einem Regal stehen, in dem viele verschiedene Schwerter ausgestellt wurden; Crocodile konnte sich kaum satt sehen. Er selbst war zwar nicht so unglaublich wie Mihawk in den Schwertkampf vernarrt, doch er konnte nicht verleugnen, dass ein wenig des Interesses seines Bruders auch auf ihn abgefärbt war; von den Hobbies seiner Geschwister bekam man eben doch immer das eine oder andere mit. „Dieses hier“, Hocha deutete auf ein sehr alt wirkendes Schwert auf Augenhöhe, „stammt aus dem Italien des 16. Jahrhunderts. Anhand der Verzierungen am Griff lässt sich erkennen, dass...“ Sie fuhr fort und verlor sich in einer Fülle an Details, die Crocodile, der bei weitem nicht so geschichtskundig wie sein Bruder war, nicht allzu viel sagten. Dennoch hörte er höflich zu und warf zwischendurch unauffällige Blicke auf die anderen Schwerter und Waffen, die zu sehen waren. Vor allen Dingen ein bestimmtes Schwert erregte seine Aufmerksamkeit: Es wirkte noch ein wenig älter als jenes, über das Hocha gerade sprach, und besaß einen überaus kunstvoll verzierten Griff. Die Klinge war mit Sicherheit länger als einen Meter und sehr breit. Europäisches Breitschwert, schoss es Crocodile daraufhin sogleich durch den Kopf. „Um was für ein Schwert handelt es sich bei diesem hier?“, fragte er darum interessiert nach, nachdem Hocha ihren Monolog schließlich beendet hatte. Sie schien einen kurzen Moment lang ihr Wissen zu ordnen, ehe sie erklärte: „Ein Ritterschwert aus Mitteleuropa. Aufgrund der typischen Kreuzform, der breiten Klinge und der Ornamente am Griff lässt es sich leicht dem zehnten bis vierzehnten Jahrhundert zuordnen. Dieses Exemplar ist fast siebenhundert Jahre alt und darum sehr wertvoll. Selbstverständlich bin ich in Besitz der entsprechenden Nachweise.“ Sie wurde durch das Läuten der Türklingel unterbrochen. „Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment“, sagte Hocha, ehe sie zurück in den vorderen Bereich des Antiquitäten-Ladens huschte. „Ich bin sofort wieder bei Ihnen.“ Dann ließ sie sie für einige Minuten allein. „Und?“, wollte Doflamingo, der sich bisher noch überhaupt gar nicht geäußert hatte, wissen. „Glaubst du, dass es sich bei einem solchen Schwert um ein gutes Geschenk für Mihawk handelt?“ „Auf jeden Fall“, erwiderte Crocodile und warf einen erneuten Blick auf das europäische Ritterschwert. „Darüber wird er sich mit Sicherheit freuen. Er liebt das Mittelalter und er liebt Schwerter. Und bei diesem Geschenk wären beide Bereiche abgedeckt. Es ist absolut ideal; etwas Besseres werden wir kaum finden.“ „Dann lass es uns nehmen“, meinte Doflamingo und deutete auf das Schwert, über das Hocha und er eben noch gesprochen hatten. Crocodile zögerte. Er erinnerte sich daran, dass Hocha gesagt hatte, dieses Schwert wäre unglaublich wertvoll. Und eigentlich befand er sich derzeit überhaupt nicht dazu in der Lage, um Geld für teure Geburtstagsgeschenke aus dem Fenster zu werfen. Seine Schulden standen ihm sowieso schon bis zum Hals; wie sollte er in dieser Situation ein antikes Schwert bezahlen, dass sicherlich mehrere hundert Berry kostete? Wenn nicht sogar einen vierstelligen Betrag! Crocodile wollte schlucken, doch spürte auf einmal einen dicken Kloß im Hals, der dieses Vorhaben unmöglich machte. Ihm kam plötzlich in den Sinn, dass er noch immer nicht mit seinem Partner über das Geld gesprochen hatte, das er diesem wegen seines Einzugs in dessen Villa schuldete. Dabei handelte es sich bereits um eine gigantische Summe von 10.000.000 Berry. Er konnte es sich einfach nicht leisten, dass sich seine Schulden noch weiter vergrößerten. Er kam doch bereits in seiner derzeitigen Lage kaum hinterher, was die Tilgung seiner vielen Kredite anging. Auf der anderen Seite allerdings handelte es sich um das Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder. Crocodile wollte vor seiner Familie nicht geizig erscheinen; schon gar nicht vor Mihawk. Sein älterer Bruder hatte ihn bei sich aufgenommen, nachdem ihre Eltern ihn wegen seiner Homosexualität rausgeschmissen hatten. Ganze drei Jahre lang hatte er bei diesem gewohnt, ohne dass Mihawk auch nur einen einzigen Berry von ihm angenommen hatte. Nicht einmal an den Nebenkosten oder den Wocheneinkäufen hatte er sich beteiligen dürfen. Und als er gegen Ende seines Studiums seine rechte Hand verloren hatte und auf Unterstützung angewiesen war, hatte sein Bruder ihn erneut für mehrere Monate aufgenommen und sich aufopfernd um ihn gekümmert und ihn unterstützt. Crocodile biss sich auf die Unterlippe, als er sich daran zurückerinnerte, wie viele Stunden Zeit Mihawk geduldig geopfert hatte, allein um ihm dabei zu helfen, das Hemdknöpfen mit nur einer Hand zu lernen. Ganz zu schweigen von den vielen anderen Dingen, die er ganz neu hatte lernen müssen: Autofahren. Geschirr abwaschen. Sich die Schuhe binden. Und bei allem hatte Mihawk ihm absolut selbstlos geholfen. „Du hast Recht, wir sollten es nehmen“, meinte Crocodile schließlich. „Es ist genau das richtige Geschenk für Mihawk. Er wird sich riesig freuen, ganz sicher!“ Kaum hatten sie beide sich für den Kauf des Schwertes entschieden, betrat Hocha erneut den hinteren Bereich des Antiquitäten-Ladens. „Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung“, sagte sie freundlich, ehe sie sich wieder ihren beiden Kunden und dem Ritterschwert, für das diese sich interessierten, zuwandte. „Haben Sie sich inzwischen entschieden? Oder soll ich ihnen lieber noch eine weitere Auswahl vorführen?“ „Wir haben uns entschieden“, meinte Doflamingo, ehe Crocodile die Gelegenheit dazu bekam, Hocha zu antworten. „Wir möchten das europäische Ritterschwert kaufen. Zusammen mit sämtlichen Nachweisen über die Herkunft natürlich.“ „Sehr gerne“, erwiderte Hocha. „Bitte entschuldigen Sie mich kurz; ich werde eben die entsprechenden Dokumente holen.“ Sie verschwand erneut für wenige Minuten, ehe sie mit ein paar sehr formell wirkenden und sauber abgehefteten Papieren in der Hand zurückkehrte. Anschließend nahm sie vorsichtig das antike Schwert vom Regal hinunter. Mit beidem machte sie sich dann auf den Weg zur Kasse im vorderen Bereich des Antiquitäten-Ladens. Doflamingo und Crocodile folgten ihr auf dem Fuße. Hocha erklärte ihnen, was die Dokumente zu bedeuten hatten, welches Siegel wofür stand und wie seriös welcher Nachweis war, ehe sie das Schwert behutsam in eine gefütterte Schachtel legte und diese verschloss. Wenn er ehrlich war, dann wurde Crocodile plötzlich doch sehr unwohl, als er einen Blick auf die verschlossene Schachtel warf. Außerdem wurde ihm klar, dass er einen essentiellen Fehler begangen hatte: Er hatte nicht nach dem Preis des Schwertes gefragt, ehe er (oder besser gesagt: Doflamingo) dem Kauf zugestimmt hatte. Nun gab es kein Zurück mehr, ganz gleich wie teuer diese Antiquität auch sein würde. Wenn er sich nicht vor seinem Partner blamieren wollte, musste er dieses Schwert zu jedem Preis kaufen. „Das macht dreitausendvierhundert Berry“, sagte Hocha gelassen, während sie den Preis von Hand in die kleine Kasse eingab. Crocodile verschlug diese Summe wortwörtlich den Atem. Das Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder sollte mehr als 3.000 Berry kosten? Eine solche Rechnung war ein herber Schlag für seine sowieso schon überaus empfindliche Finanzsituation. Wie sollte er eine Summe in dieser Höhe nur wieder ausgleichen? „Bitte geben Sie ihren Pin über diese Tastatur ein.“ Hochas unbekümmerte Stimme riss Crocodile aus seinen Gedanken. Erschreckt beobachtete er, wie Doflamingo einen vierstelligen Pin über die Tastatur des Kartenlesegerätes eingab; in entsprechendem Gerät steckte bereits eine der vielen Kreditkarten seines Partners. „Was tust du denn da?“, fragte Crocodile bestürzt. „Na, ich bezahle das Schwert“, gab Doflamingo zurück und klang dabei so gelassen, dass man meinen könnte, es handelte sich dabei um eine absolute Selbstverständlichkeit. „Aber wieso das denn?“, wollte Crocodile wissen. „Mihawk ist doch mein Bruder, nicht deiner!“ Er fühlte sich völlig überfordert mit der derzeit herrschenden Situation. Was sollte er denn jetzt nur tun? Die Kreditkarte seines Freundes aus dem Lesegerät reißen und stattdessen seine eigene hineinstecken? Peinlich berührt musste Crocodile sich eingestehen, dass er nicht einmal wusste, ob er überhaupt noch eine Karte besaß, mit der er eine Summe von 3.400 Berry bezahlen könnte. „Na, einer von uns muss doch die Rechnung bezahlen, oder nicht?“, erwiderte Doflamingo, während er die Kreditkarte aus dem Lesegerät wieder entnahm. Anscheinend war die Zahlung bereits problemlos erfolgt. „Oder hast du zufällig genau eintausendsiebenhundert Berry in bar im Portemonnaie dabei? Ich jedenfalls nicht. Deswegen habe ich jetzt erstmal bezahlt.“ „Na gut“, erwiderte Crocodile verdattert. Noch immer wusste er nicht so recht, was er von dem Verhalten seines Partners halten sollte. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Dann zahle ich dir die Hälfte demnächst zurück“, meinte er schließlich. Doflamingo seufzte bloß halbherzig und winkte ab angesichts dieses Versprechens. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht so stark auf getrennte Kassen bestehe“, sagte er schließlich. „Es ist doch nicht schlimm, wenn ich mal für dich mitbezahle. Die paar Tausender sind sowieso nur Peanuts für mich. Ob du mir das Geld zurückzahlst oder nicht, würde mir nicht einmal auffallen. Da kannst du es genauso gut gleich behalten.“ „Trotzdem“, hielt Crocodile dagegen, dem es sehr komisch vorkam, dass eine Summe, die in seinen Augen sehr hoch war, von seinem Partner bloß als Peanuts bezeichnet wurde. „Ich möchte nicht in deiner Schuld stehen. Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn man mir etwas ausgibt. Und außerdem hast du doch letztens erst die Rechnung des Umzugsunternehmens übernommen!“ Auch wenn Doflamingo wie üblich seine Sonnenbrille mit den bunt getönten Gläsern trug, wusste Crocodile genau, dass sein Freund mit den Augen rollte. „Lass uns jetzt nicht deswegen streiten, in Ordnung?“, meinte dieser schließlich und griff nach der Schachtel, die das mehrere tausend Berry teure Schwert enthielt. „In letzter Zeit reden wir ständig nur über Geld. Darauf habe ich jetzt aber gar keine Lust. Lass uns nach Hause fahren und zusammen zu Abend essen, bevor wir uns ins Bett legen, ja? Und über das Geld reden wir ein andern Mal. Ich fand den Nachmittag mit dir in der Einkaufsmeile sehr schön und ich möchte nicht, dass diese Shoppingtour in einem Streit endet.“ „Von mir aus“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen und folgte seinem Partner durch den Ausgang des kleinen Antiquitäten-Geschäfts. „Aber zurück bekommst du das Geld trotzdem.Wann auch immer.“ Um ehrlich zu sein, dann erleichterte ihn der zeitliche Aufschub, den sein Freund ihm gewährte, doch deutlich mehr als er zu Beginn vermutet hätte. Dass Doflamingo nicht sofort das Geld verlangte, das Crocodile ihm schuldete, bedeutete für ihn, dass er bessere Gelegenheit dazu bekam, seine Finanzen zu ordnen und auf diesen Schlag vorzubereiten. Insgesamt handelte es sich um einen riesigen Vorteil für Crocodile. * Es war Donnerstagnachmittag; morgen würde Mihawks Geburtstagsparty stattfinden. Crocodile und Doflamingo aßen gemeinsam zu Abend. Obwohl es sich nicht um die erste Mahlzeit handelte, die Crocodile zusammen mit seinem Partner in dessen Villa einnahm, kam es ihm noch immer ein wenig seltsam vor. Die Sache war nämlich die, dass Doflamingo nicht selbst kochte, sondern Leute eingestellt hatte, die diese Aufgabe für ihn erledigten. Er brauchte sich also bloß noch an den angerichteten Tisch zu setzen und bedienen zu lassen. Überhaupt schien er in seinem Haushalt keinen Finger zu rühren: Geputzt und aufgeräumt wurde von Reinigungskräften, eingekauft und gekocht von Haushältern, weitere Aufgaben wurden von Angestellten und Dienstmädchen erledigt. Crocodile musste zugeben, dass er seinen eigenen Haushalt auch nicht komplett allein bewältigt hatte; zumindest für lästige Aufgaben wie zum Beispiel das Fensterputzen oder Teppichreinigen hatte er sich ebenfalls professionelle Reinigungskräfte bestellt. Doch wenigstens die Aufgaben, die alltäglich anfielen, hatte er selbst erledigt. Niemals wäre er auf den Gedanken gekommen, sich Zuhause von einer Person, die er eigens zu diesem Zweck eingestellt hätte, bekochen zu lassen. Wenn er ehrlich war, dann fühlte sich Crocodile in der Villa seines Partners wie in einem luxuriösen Hotel, aber eben nicht wie Zuhause. Er begann seine Loft-Wohnung zu vermissen, die ihm in diesem Vergleich plötzlich wie ein kleiner, schlichter und sehr behaglicher Ort vorkam. (Dabei war diese bereits so groß und hochwertig ausgestattet gewesen, dass die Finanzierung für einen Normalverdiener nicht möglich gewesen wäre.) Wieder überkam Crocodile das äußerst unangenehme Gefühl, dass er, was die Lebensqualität anging, einfach nicht mit Doflamingo mithalten konnte; selbst, wenn er seine Arbeit nicht verloren hätte, hätte er es nicht gekonnt. Natürlich hatte Crocodile von vorneherein gewusst, wie viel Geld sein Freund besaß (oder zumindest wie viel er bei der Bank, die Crocodile managte, angelegt hatte) und er war sich ebenfalls im Klaren darüber gewesen, dass zwischen den Einkommen von ihnen beiden eine große Lücke klaffte. Dennoch hätte er niemals geahnt, dass sich diese Lücke in der Praxis so deutlich zeigte. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie sich eher relativierte; dass sich der Unterschied zwischen einem reichen Mann und einem super-reichen Mann nicht allzu gravierend äußern würde. Leider lag er komplett falsch, was diese Vermutung anging. Eher war das Gegenteil eingetreten: Je länger ihre Liebesbeziehung andauerte, desto unpassender und unzulänglicher kam Crocodile sich vor. Im Augenblick fühlte er sich wie ein Bauer, der von einem Adligen zum Abendessen eingeladen worden war. (Ein Bauer, der sich absolut dessen bewusst war, dass es sich bei ihm um nichts weiter als einen armen, erbärmlichen und wertlosen Mann handelte.) „Ist etwas nicht in Ordnung, Croco?“ Crocodile schreckte auf, als er die misstrauische und besorgte Stimme seines Partners hörte, die ihn aus seinen Gedanken riss. Gedankenverloren blickte er zu Doflamingo hinüber, der ihn durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch musterte. „Was hast du gesagt?“, fragte Crocodile nach; er hatte die Worte seines Freundes zwar gehört, doch er war eben so abwesend gewesen, dass sie gar nicht bis zu seinem Gehirn durchgedrungen waren. „Ob alles in Ordnung mit dir ist“, wiederholte Doflamingo und klang noch einen Deut misstrauischer als beim ersten Mal. „Du hast dein Essen kaum angerührt und wirkst irgendwie ganz fahrig und geistesabwesend.“ „Ich bin okay“, erwiderte Crocodile hastig und es überraschte ihn, wie selbstverständlich diese gelogenen Worte über seine Lippen kam. Er hatte in den letzten Wochen so oft gelogen, dass er sich inzwischen bereits zu einem recht guten Schauspieler entwickelt hatte. „Die Arbeit war nur sehr anstrengend und jetzt fühle ich mich ein wenig ausgelaugt.“ Wie zur Untermauerung seiner Worte rieb er sich mit ein paar Fingern über die rechte Schläfe. „Du scheinst mir in letzter Zeit wirklich viele anstrengende Arbeitstage zu haben“, hielt Doflamingo ihm vor und zeigte anklagend mit seiner Gabel auf die Brust seines Partners. „Und außerdem machst du immer noch ständig Überstunden, obwohl du mir versprochen hattest, dass du dich darum bemühst, pünktlich Arbeitsschluss zu machen.“ „Tut mir leid“, meinte Crocodile sofort, der sich ertappt fühlte. Sehr gut erinnerte er sich daran, dass er seinem Freund tatsächlich gesagt hatte, er würde zusehen, dass er weniger Überstunden machte. Bei diesem Versprechen hatte es sich allerdings bloß wieder um eine weitere Lüge seinerseits gehandelt. Ehrlich gesagt bemühte er sich sogar noch darum, möglichst viele Stunden zusätzlich zu arbeiten, damit sein letzter Gehaltscheck ein wenig üppiger ausfiel und er einen größeren Teil seiner Schulden tilgen könnte. Bei der nächsten Woche handelte es sich nämlich um die allerletzte Arbeitswoche vor seiner endgültigen Entlassung und damit auch um die letzte Gelegenheit, durch Überstunden noch ein wenig mehr Geld zu verdienen. „Aber du stellst dir das auch viel zu einfach vor“, fuhr Crocodile fort, um sich zu verteidigen. „Wenn es noch Arbeit gibt, die erledigt werden muss, dann kann ich eben nicht einfach pünktlich um siebzehn Uhr den Kugelschreiber fallen lassen. Und in letzter Zeit häuft sich sehr viel zusätzliche Arbeit an. Da kann ich mich nicht gegen wehren, ich muss es machen, wenn ich keinen Ärger mit meinem Chef bekommen will. Aber du kannst das nicht verstehen, fürchte ich: Du bist ja seit jeher dein eigener Chef.“ „Aber wenn es doch so viel Zusätzliches zu tun gibt, warum stellt dieser Idiot Sengoku dann nicht mehr Leute ein? Warum muss denn die ganze Arbeit allein an dir hängen bleiben?“ „Keine Ahnung, wieso er nicht mehr Leute einstellt“, log Crocodile. „Aber was soll ich denn auch tun? Ich kann ihn schließlich nicht dazu zwingen, zusätzliche Hilfen einzustellen. Das ist nicht meine Befugnis; es ist und bleibt Sengokus Entscheidung, ob ich es nun gutheiße oder nicht.“ „Aber du bist doch derjenige, der unter dieser Entscheidung leidet!“, hielt Doflamingo dagegen. „So ist das nun einmal in der Arbeitswelt!“, erwiderte Crocodile; es kam ihm sehr komisch vor, solche grundlegenden Prinzipien einem erfahrenen Geschäftsmann wie Donquixote Doflamingo zu erklären. Sollte sein Freund sich mit solchen Dingen nicht auskennen? „Sengoku ist der oberste Chef in der Bank. Was er sagt, gilt. Ob es mir oder dir nun passt oder nicht. Damit müssen wir beide uns eben abfinden.“ Angesichts dieser düsteren Prognose murrte Doflamingo unwillig und verschränkte die Arme vor der Brust. Crocodile wusste genau, dass sein Partner es hasste, wenn er seinen Willen nicht bekam und er sich jemand anderem unterordnen musste. Vermutlich war er es einfach nicht gewöhnt. „Außerdem bleibt die zusätzliche Arbeit nicht bloß an mir hängen“, fügte Crocodile an. „Alle Mitarbeiter stehen unter Spannung und müssen Überstunden machen; nicht nur ich allein.“ „Ich halte es für ziemlich dumm und sehr gewagt von Sengoku, dir so viele Überstunden aufzuhalsen“, meinte Doflamingo plötzlich mit überraschend berechnender Stimme. Crocodile zog eine Augenbraue hoch. „Dumm? Gewagt? Inwiefern?“, fragte er irritiert, ehe er nach seinem Glas griff und einen Schluck Wasser trank. „Naja“, meinte Doflamingo, „Sengoku weiß doch sicherlich darüber Bescheid, dass wir beide ein Paar sind, oder nicht? Schließlich habe ich dich bei diesem Geschäftsessen kennengelernt, wo er ebenfalls anwesend war. Erinnerst du dich?“ „Nur zu gut“, gab Crocodile gedankenverloren zurück. Wie könnte er ihr kurioses erstes Treffen nur je vergessen? Crocodile erinnerte sich vor allem sehr gut daran, wie wütend Sengoku auf ihn gewesen war. Doflamingo hatte diesen nämlich kaum beachtet und sich allein auf seinen (inzwischen) Partner konzentriert. Es hatte sich gar nicht erst die Möglichkeit ergeben, über den eigentlichen Grund für das Essen zu sprechen zu kommen. Stattdessen hatte Doflamingo ihn gegen Ende um ein Date gebeten (das Crocodile allerdings verschüchtert ausgeschlagen hatte. Erst ein wenig später ließ er sich auf eine private Verabredung ein). „Wir gehen also davon aus, dass er darüber informiert ist, dass wir nun schon seit fast einem Jahr in einer festen Liebesbeziehung sind.“ Crocodile hielt es für sehr draufgängerisch, nicht einmal neun Monate auf ein ganzes Jahr aufzurunden, doch er unterbrach seinen Partner nicht. „Außerdem weiß er, dass ich der beste Kunde seiner Bank bin. Hast du eine ungefähre Vorstellung davon, wie viel meines Geldes auf den Konten seiner Bank liegen, Wani?“ Crocodile nickte rasch, ehe Doflamingo fortfuhr: „Anbetracht dieser beiden Punkte halte ich es für sehr dumm, dir so viele Überstunden aufzuhalsen. Oder wie siehst du das? Hältst du es etwa für klug, den festen Partner deines allerbesten und wichtigsten Kunden mit verlängerten Arbeitszeiten zu nerven? Ich jedenfalls würde als taktisch denkender Geschäftsmann ein solche Situation vermeiden.“ „So habe ich die Sache noch nie gesehen“, erwiderte Crocodile nachdenklich, „aber Unrecht hast du nicht. Dabei habe ich Sengoku eigentlich niemals für einen dummen oder waghalsigen Mann gehalten, ganz im Gegenteil: Meistens denkt er sehr rational und taktisch klug. Keine Ahnung, was er sich bei dieser Angelegenheit gedacht hat.“ Tatsächlich hielt Crocodile diesen Einwand seitens seines Partner für nicht unberechtigt. Vor allen Dingen anbetracht der Tatsache, dass Sengoku ihm keine Überstunden aufhalste (schließlich log er Doflamingo in dieser Hinsicht an; die Überstunden nahm er freiwillig), sondern ihm sogar gekündigt hatte. Müsste er denn nicht davon ausgehen, dass er diesem Umstand seinem festen Partner mitteilte? Und sich dies negativ auf sein Geschäft auswirken würde? Oder verließ er sich auf Crocodiles Stolz und darauf, dass er seine Kündigung für sich behalten würde? Doch auch wenn er mit letzterer Vermutung auf den richtigen Zug aufgesprungen war, passte ein solch untypisch riskantes Verhalten überhaupt nicht zu dem ansonsten so nüchternen Sengoku. Crocodile konnte sich einfach nicht vorstellen, was hinter dieser rätselhaften Entscheidung steckte. Stattdessen griff er unwirsch nach seiner Gabel und schob das Gemüse, das sich auf seinem Teller befand, von der einen Seite zur anderen. Das Gespräch mit seinem Partner bezüglich seiner Arbeit hatte Crocodile erneut daran erinnert, dass sie noch immer nicht über das Geld gesprochen hatten, dass er diesem aufgrund seines Einzugs schuldete. Eigentlich sollte Crocodile sich darüber freuen, dass Doflamingo diese Sache nicht allzu ungeduldig anging und die ausstehende Summe nicht sofort einforderte, doch dem entgegengesetzt stand, dass dieser ungeklärte Sachverhalt beständig an ihm nagte. Immer wieder fragte Crocodile sich, wann sein Partner wohl darauf zu sprechen käme. Und wie viel Geld er genau von ihm fordern würde. Die Summe von 20.000.000 Berry, die Crocodile im Kopf hatte, war schließlich bloß ein gerundeter Wert; es bestand also durchaus die Möglichkeit, dass er sogar mehr als die kalkulierten 10.000.000 Berry zahlen müsste. Vielleicht kostete die Villa 20.000.000 Berry, vielleicht aber auch 21.000.000 oder 22.000.000 Berry; in Doflamingos Augen handelte es sich hierbei sicherlich bloß um Abweichungen, die so geringfügig waren, das er sich nicht einmal die Mühe machte, sie zu erwähnen. Peanuts würde er sagen, schoss es Crocodile durch den Kopf. Er schluckte. Inzwischen beliefen sich seine Schulden auf circa 420.000 Berry. Der Zusammenzug mit seinem Partner würde diesen Schuldenberg auf deutlich mehr als das zehnfache ansteigen lassen. 10.420.000 Berry Schulden. Crocodile musste einen großen Schluck Wasser trinken, weil sich seine Kehle plötzlich furchtbar trocken anfühlte. Wie sollte er eine solch riesige Summe jemals bezahlen? Trotz der realistischen Befürchtung, den von ihm geforderten Anteil nicht bezahlen zu können, wollte Crocodile endlich Gewissheit über die Höhe des Betrags haben. Er war ein Mensch, der es nicht leiden konnte, im Dunkeln umher zu tappen. Nur wenn er wusste, was auf ihn zukommen würde, bekam er die Möglichkeit dazu, sich auf diese Situation einzustellen. Zumindest sagte ihm dies sein Manager-Verstand. Außerdem ließ es sein Stolz nicht zu, kostenlos bei seinem Freund zu wohnen. Trotz der schrecklichen finanziellen Lage, in der er sich derzeit befand, brachte Crocodile es einfach nicht über sich, sich von einer anderen Person versorgen zu lassen. Er hasste nichts mehr, als von jemand anderem abhängig zu sein; und sei es sein fester Partner. Eine solche Lebensweise konnte er einfach nicht mit sich selbst vereinbaren, ganz gleich in welcher Situation er sich auch befinden mochte. Crocodile kaute gerade unwillig auf einem weichen Stück Möhre herum, als er den mutigen Beschluss fasste, seinen Partner endlich auf dieses empfindliche Thema anzusprechen. Er hielt die Ungewissheit einfach nicht mehr länger aus. Er hatte keine Lust mehr darauf, sich ständig Gedanken und Sorgen zu machen, immer wieder neue Vermutungen anzustellen - er wollte endlich genau wissen, woran er war. Crocodile nahm einen weiteren Schluck Wasser, während er sich überlegte, wie er sein Anliegen am besten formulieren sollte. Er probierte gedanklich einige Varianten aus, ehe er sich schließlich räusperte und doch ein wenig verhalten meinte: „Ich weiß, dass du nicht gerne über Geld redest, Doffy... Da ich inzwischen allerdings vollständig bei dir eingezogen bin und du für mich sogar das Lesezimmer hergerichtet hast, denke ich, dass sich dieses Thema nicht länger hinausschieben lässt.“ Doflamingo nahm rasch einen Schluck seines eigenen Getränks, ehe er erwiderte: „Ich habe dir bereits gesagt, dass ich kein Geld von dir annehmen möchte, Crocodile, und daran halte ich fest. Ich finde es schön, dass du bei mir wohnst, und von mir aus musst du keinen einzigen Berry an mich bezahlen. Schließlich hat dein Einzug mir bisher nur Vorteile gebracht. Also lassen wir dieses Thema am besten einfach unter den Tisch fallen, ja?“ Crocodile seufzte und kniff einen kurzen Moment lang seine Augen zusammen. „Du weiß genau, dass es für mich nicht infrage kommt, unentgeltlich bei dir zu wohnen“, meinte er schließlich. „Ich will niemand sein, der auf Kosten eines anderen lebt.“ „Aber du verursachst doch überhaupt gar keine Kosten“, hielt Doflamingo dagegen. „Die Villa ist längst bezahlt. Das einzige, was anfällt, sind minimal erhöhte Wasser- und Stromkosten, die sich auf vielleicht ein paar hundert Berry im Monat summieren. Ich käme mir lächerlich dabei vor, dir jeden Monat einen Betrag von, was weiß ich, dreihundert Berry abzuknöpfen, weil du bei mir duschst und den Föhn benutzt.“ „Und was ist mit Lebensmitteln?“, wandte Crocodile ein und deutete auf das Gericht, das vor ihm auf dem Esstisch stand. „Da fallen doch auch Kosten an! Ganz zu schweigen von der Bezahlung des Hauspersonals. Schließlich kochst du nicht selber.“ „Wegen deines Einzugs musste ich nicht einen einzigen weiteren Angestellten einsetzen. Ob nun für eine oder zwei Personen gekocht, gewaschen und so weiter wird, macht nämlich kaum einen Unterschied. Über die Bezahlung des Personals musst du dir also keine Gedanken machen.“ Crocodile seufzte unwillig. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Die Argumente, die sein Partner anbrachte, klangen definitiv nicht unsinnig. Aus dieser Perspektive hatte er den Sachverhalt niemals gesehen. Dennoch wollte er sich nicht mit der derzeitigen Lage abfinden. Eine so stolze Person wie Crocodile brachte es einfach nicht über sich, völlig kostenfrei bei seinem Freund zu wohnen. „Trotzdem!“, meinte er also und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich möchte, dass du durch unseren Zusammenzug Vorteile genießt. Wenn ich keinen einzigen Berry für unseren Lebensunterhalt dazu gebe, dann bringt es dir doch überhaupt nichts, dass ich zu dir gezogen bin. Es soll sich doch auf für dich lohnen!“ „Das tut es!“, meinte Doflamingo im Brustton der Überzeugung. „Überleg dir doch nur einmal: Bevor wir beide zusammengezogen sind, konnten wir uns vielleicht zwei- oder dreimal in der Woche treffen. Seit wir beide allerdings zusammenwohnen, sehen wir uns jeden Tag. Für mich ist das bereits ein riesiger Vorteil! Ich finde es nämlich sehr angenehm, dich immer in meiner Nähe zu haben und nicht erst eine einstündige Autofahrt auf mich nehmen zu müssen, um dich zu Gesicht zu bekommen.“ „Dass wir beide zusammenwohnen, ist wirklich schön“, gab Crocodile ehrlich zu. „Außerdem sprichst du hier nur von meinen Vorteilen“, fuhr Doflamingo fort, „aber wie sieht es denn mit deinen Vorteilen aus? Ich weiß, dass du für unseren Zusammenzug eine Menge Opfer gebracht hast. Oder glaubst du etwa, ich hätte nicht bemerkt, wie schwer es dir gefallen ist, deine alte Wohnung hinter dir zu lassen? Überdies musst du inzwischen jeden Tag eine Stunde Auto fahren, um zu deiner Arbeit zu kommen. Plus eine weitere Stunde Rückweg natürlich. Um ehrlich zu sein, hatte ich zwischenzeitlich wirklich ein schlechtes Gewissen, weil dir durch unseren Zusammenzug so viele Nachteile entstanden sind. Darum würde ich mich schämen, auch noch Geld von dir zu verlangen!“ „Aber bei dir einzuziehen, war doch meine eigene freie Entscheidung!“, hielt Crocodile dagegen. „Ich hätte mich schließlich auch weigern können, mit dir zusammenzuziehen. Also macht es keinen Sinn, wenn du irgendwelche Vor- und Nachteile verrechnest!“ „Aber es ist doch unfair, wenn ich all die Vorteile genießen darf, während du bloß Nachteile hast“, meinte Doflamingo spitz. „Natürlich war unser Zusammenzug deine freie Entscheidung. Aber du vergisst, dass ich ja zum Beispiel auch bei dir hätte einziehen können, anstatt du bei mir. Dann hättest du einen Vorteil dadurch gehabt, dass du nur noch die Hälfte an Miete, Nebenkosten und so weiter bezahlen müsstest. Und dazu einen viel kürzeren Weg zur Arbeit gehabt hättest. Aber dieser Fall ist nicht eingetreten, stattdessen wohnen wir beide hier bei mir und dir sind durch unseren Zusammenzug eine Menge Nachteile entstanden. Ich möchte diese nachteilige Lage einfach nicht noch weiter verstärken, indem ich einen riesigen Geldbetrag von dir verlange. Sonst beschließt du hinterher womöglich noch, dass es dir in deiner alten Wohnung viel besser gefallen hat und das Leben dort viel kostengünstiger gewesenen ist. Und worin bestünde die Konsequenz dieses Beschlusses: Dass du wieder zurückziehst. Und genau dieses Szenarium möchte ich vermeiden!“ „Du glaubst also, dass, wenn du Geld wegen meines Einzugs von mir verlangst, ich lieber wieder zurück in meine Loft-Wohnung ziehen würde?“, fasste Crocodile verwirrt zusammen. Ihm schwirrte der Kopf angesichts des komplexen Gedankengangs seines Partners. „So in etwa“, bestätige Doflamingo. „Die Villa hat schließlich mehr als zwanzig Millionen Berry gekostet. Bist du etwa davon ausgegangen, ich würde von heute auf morgen einen Betrag von zehn Millionen Berry von dir verlangen? Ich bitte dich, Crocodile! Das ist doch völlig abwegig! Mir ist klar, dass du als Manager nicht schlecht verdienst, aber eine Summe von zehn Millionen Berry innerhalb weniger Wochen zu verlangen, ist absolut überzogen. Wo solltest du einen solch riesigen Geldbetrag denn hernehmen?“ „Naja“, war der einzige Laut, den Crocodile angesichts dieser Aussage über seine Lippen brachte. Wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich im Augenblick sehr überfordert mit diesem Gespräch. Doflamingo verlangte also gar nicht, dass er die Hälfte der Villa bezahlte? Er bestand sogar darauf, dass er kostenlos bei ihm wohnte? Mit dieser Sachlage hatte er überhaupt nicht gerechnet. Was sollte er denn jetzt sagen oder tun? Überfordert rieb Crocodile mit zwei Fingern über seine Schläfe. „Ich fasse es nicht“, sagte Doflamingo und seine Stimme spiegelte die exakte Entsprechung seiner Äußerung wieder. „Du hast wirklich geglaubt, dass ich in nächster Zeit zehn Millionen Berry von dir einfordern würde? Was hast du dir bei diesem Unfug denn nur gedacht? Die Villa ist doch längst bezahlt! Hast du etwa gemeint, ich würde mich an dir bereichern wollen? An unserem Zusammenzug? Das finde ich nicht nur lachhaft, Crocodile, sondern auch sehr verletzend. Habe ich dir jemals einen Anlass gegeben, um zu glauben, ich würde dich finanziell ausnutzen wollen?“ „Natürlich nicht“, erwiderte Crocodile, der sich langsam wieder sammelte und zur Besinnung kam. „Aber genau das ist doch der Punkt: Ich möchte dir nicht das Gefühl geben, ich würde dich ausnutzen und mich auf deinem Reichtum ausruhen. Verstehst du das denn nicht?“ Um seine Aussage zu untermauern, fügte Crocodile ein Beispiel an: „Du hast mir doch des Öfteren schon erzählt, dass du früher eine Menge Freundinnen und Freunde gehabt hast, die nur an deinem Geld interessiert waren und überhaupt nicht an dir als Person. Frauen und Männer, die dich mit Sex und Zuneigung bezahlt haben, damit du ihnen teure Geschenke machst. Und zu dieser Gruppe möchte ich auf keinen Fall dazu zählen! Ich bin mit dir in einer Beziehung, Doffy, weil ich dich liebe. Aus keinem anderen Grund sonst. Und ich möchte auch keinen anderen Eindruck erwecken. Deswegen hasse ich es, wenn du mich einlädst oder meine Rechnungen übernimmst. Da du deutlich mehr verdienst als ich, wirkt es gleich so, als würde ich dich ausnehmen.“ „Aber das ist doch Quatsch“, gab Doflamingo zurück, auch wenn er deutlich besänftigt wirkte. „Du hast mich doch niemals darum gebeten, dir irgendetwas zu kaufen oder auszugeben. Ich biete diese Gefälligkeiten doch selbst an. Niemand würde vermuten, dass du mich ausnimmst!“ „Wie auch immer“, meinte Crocodile und zuckte mit den Schultern. „Ich denke, wir haben einen toten Punkt erreicht. Du möchtest nicht, dass ich die Hälfte der Villa bezahle, weil es den Eindruck erweckt, du würdest dich an meinem Einzug bereichern; und weil du fürchtest, ich würde lieber wieder zurück in meine kostengünstigere Loft-Wohnung ziehen. Und ich möchte nicht kostenfrei bei dir wohnen, weil es dann wirkt, als würde ich mich wie ein Schmarotzer von dir versorgen lassen. Irgendwelche Vorschläge für einen Kompromiss?“ Für eine Weile erfüllte nachdenkliches Schweigen das Esszimmer, ehe sich schließlich Doflamingo zu Wort meldete. „Wie wäre es mit einer Art symbolischen Summe?“, schlug er vor. Skeptisch zog Crocodile eine Augenbraue hoch. „Symbolische Summe?“, hakte er irritiert nach. Unter diesem Begriff konnte er es nichts vorstellen. „Was meinst du damit?“ „Naja, einen Geldbetrag, den du mir zahlst, der aber eben nur symbolisch gemeint ist. Um deutlich zu machen, dass wir uns gegenseitig nicht ausnehmen, sondern zusammenwohnen, weil wir diesen Schritt als Paar gemeinsam gegangen sind. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Viertel der Miete, die du für deine alte Wohnung gezahlt hast? Du musst also nicht für die Hälfte der Villa aufkommen, wohnst hier allerdings auch nicht völlig kostenfrei. Und du hast durch deinen Einzug sogar noch einen finanziellen Vorteil gewonnen. Wäre ich zu dir gezogen, anstatt du zu mir, hättest du schließlich auch bloß noch einen verminderten Mietpreis zahlen müssen, weil ich mich natürlich an der Miete beteiligt hätte. Wäre diese symbolische Summe in Ordnung für dich?“ „Du hättest dich also an dem Unterhalt meiner Loft-Wohnung beteiligt, möchtest aber nicht, dass ich für die Hälfte der Villa aufkomme?“, hakte Crocodile nach. Doflamingo gab ein liebevoll-genervtes Seufzen von sich. „Der Unterschied besteht darin, dass meine Villa bereits bezahlt ist, du in deiner Loft-Wohnung allerdings zur Miete gewohnt hast, Wani“, erklärte er. „Du hättest also laufende Kosten gehabt, die ich hier nicht habe. Die wir hier nicht haben. Es gibt einfach nichts, woran du dich beteiligen könntest. Darum habe ich ja auch den Vorschlag mit dem symbolischen Betrag gemacht. Stimmst du nun zu oder nicht?“ „In Ordnung“, sagte Crocodile schließlich und er meinte sein Wort tatsächlich ernst. Mit dem Kompromiss, den sein Partner vorgeschlagen hatte, konnte er sich guten Gewissens abfinden: Er bekam nicht das unangenehme Gefühl, diesem auf der Tasche zu liegen, erhöhte allerdings auch nicht seinen Schuldenberg ins Unermessliche. Ganz im Gegenteil: Er sparte sogar einiges an Geld, weil er deutlich weniger Miete bezahlen musste als er es für seine Loft-Wohnung getan hatte. Insgesamt, musste Crocodile zugeben, hatten sie eine wirklich gute Lösung für sie beide gefunden. „Was hältst du von einem leckeren Eisbecher als Nachtisch?“, sagte Doflamingo wahrscheinlich, weil er das Thema wechseln wollte. „Um deinen Einzug zu feiern? Du bekommst ihn aber erst, wenn du deinen Teller leer gegessen hast!“ Crocodile, der sich inzwischen sehr erleichtert fühlte, konnte ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken. „Ich bin nicht bestechlich, Doflamingo“, erwidere er leicht grinsend. „Außerdem vertrage ich Eiscreme nicht.“ Doflamingo seufzte gespielt entnervt auf. „Wie schade! Dann habe ich ja gar kein Druckmittel, um dich zu zwingen, aufzuessen. Dabei hast du dein Abendessen kaum angerührt! Nur zur Information: Ich finde es überhaupt nicht attraktiv, wenn man völlig abgemagert ist; weder bei Frauen noch bei Männern.“ „Weiß ich doch“, erwiderte Crocodile sanft. „Und du brauchst dir keine Sorgen zu machen: Ich habe nicht vor, mich auf Diät zu setzen.“ „Vernünftig“, kommentierte Doflamingo diese Aussage seitens seines Partners. „Du musst doch sowieso schon auf so viele Lebensmittel verzichten; wenn du zusätzlich auch noch Diät machen würdest, dürftest du ja überhaupt nichts mehr essen! Da fällt mir ein: Ich habe deine Lieblings-Cracker besorgt. Wie wäre es mit denen als Bestechungsmittel?“ „Den ganzen Teller leerzuessen, schaffe ich aber nicht“, meinte Crocodile wahrheitsgemäß. „Außerdem ist das Essen längst schon kalt!“ „Tja, dann gibt es wohl keine Cracker für dich“, hielt Doflamingo grinsend und schulterzuckend dagegen. „Du bist ein gemeiner Idiot!“, erwiderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie wäre es mit einem weiteren Kompromiss?“, lenkte sein Freund schließlich ein. „Du bekommst die Cracker, wenn du zumindest die Möhrchen aufisst. Die kann man nämlich auch gut kalt essen.“ „In Ordnung“, stimmte Crocodile halbherzig seufzend zu. „Aber das funktioniert wirklich nur dieses eine Mal: Normalerweise bin ich unbestechlich!“ „Weiß ich doch“, hörte er seinen Partner liebevoll sagen. Doflamingo sah dabei zu, wie er brav die restlichen Möhren auf seine Gabel schob; anschließend rief er ein Dienstmädchen herbei und beauftragte es dazu, einen großen Eisbecher sowie eine Packung Cracker herzubringen. * Es war Freitagabend um neunzehn Uhr dreißig. Crocodile war erst vor kurzem von der Arbeit nach Hause gekommen; er hatte kaum genug Zeit gehabt, um zu duschen und in frische Kleidung zu schlüpfen, ehe sein Freund ihn dazu drängte, sich endlich auf den Weg zu der Geburtstagsparty seines Bruders zu machen. „Wir sind sowieso schon spät dran“, meinte Doflamingo mit ungeduldiger Stimme. „Die Party beginnt in einer halben Stunde!“ „Na und?“, erwiderte Crocodile abgehetzt. „Du legst doch sonst nie Wert auf Pünktlichkeit. Außerdem handelt es sich hierbei nicht um ein Geschäftsessen, sondern um eine Party. Es macht doch nichts, wenn wir ein bisschen später kommen. Ich hatte noch nicht einmal die Gelegenheit dazu, etwas zu essen.“ „Es wird dort sicher etwas zu essen geben“, hielt Doflamingo dagegen. „Je früher wir da sind, desto eher bekommst du etwas in den Magen. Also los, komm schon: Mein Fahrer wartet schon ungeduldig!“ „Ich habe eher das Gefühl, dass du derjenige bist, der ungeduldig ist“, meinte Crocodile. „Was ist denn nur plötzlich in dich gefahren, Doflamingo?“ „Na, ich möchte eben keinen schlechten Eindruck auf deine Geschwister und die anderen Gäste machen, indem ich als Allerletzter komme“, erklärte sein Partner sich. „Aber du kennst meine Geschwister doch schon“, erwiderte Crocodile verwundert. „Es gibt also keinen Grund, um nervös zu sein. Beruhige dich ein wenig, ja?“ „Ich bin nicht nervös“, meinte Doflamingo sofort und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich nehme den Anlass nur ernst! Du solltest dich lieber darüber freuen, dass es mir wichtig ist, einen guten Eindruck auf deine Familie zu machen. Oder fändest du es besser, wenn mir Mihawks Geburtstagsparty ganz egal wäre?“ „So habe ich es doch gar nicht gemeint!“, sagte Crocodile und es ärgerte ihn, dass sein Freund ihm die Worte im Mund herum drehte. „Natürlich finde es ich gut, dass du die Party als Gelegenheit nutzen möchtest, um ein weiteres Mal einen guten Eindruck zu hinterlassen. Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass es keinen Grund gibt, um so furchtbar ungeduldig zu werden. Du hetzt mich total! Ich bin gerade einmal vor einer halben Stunde von der Arbeit nach Hause gekommen!“ „Ich will dich nicht hetzen“, lenkte Doflamingo rasch ein und löste die vor der Brust verschränkten Arme auf. „Wahrscheinlich hast du Recht: Ich sollte mich nicht verrückt machen. Schließlich habe ich mich ja schon beim ersten Kennenlernen ganz gut gemacht, denke ich. Aber ich möchte eben, dass dies auch so bleibt. Mir ist es sehr wichtig, was deine Familie von mir hält!“ „Aber warum denn nur?“, fragte Crocodile. „Mir ist es, um ehrlich zu sein, nicht sonderlich wichtig, was meine Geschwister von dir denken. Also, versteh mich nicht falsch: Natürlich ist es besser, wenn ihr euch gut versteht. Aber für mich würde es nichts an der Situation ändern, wenn ihr euch nicht leiden könntet. Deswegen würde ich die Beziehung zu dir nicht beenden. Also mach dir nicht so einen Kopf, Doffy, alles ist halb so schlimm.“ „Trotzdem!“, meinte Doflamingo unbeirrt. „Aber wie auch immer. Bist du jetzt endlich fertig? Wir haben schon neunzehn Uhr vierzig!“ „Jaja, ist schon gut, wir können jetzt los“, gab Crocodile augenrollend klein bei und machte sich gemeinsam mit seinem Partner auf den Weg zur Auffahrt, wo tatsächlich bereits der Fahrer auf sie beide wartete. Er stand neben einem dunkelblau lackierten Aston Martin DBS V12, wenn Crocodile sich nicht irrte. Seufzend blieb er stehen und hielt sich mit der rechten Hand den Kopf. Doflamingo warf ihm einen irritierten Blick zu. „Was ist denn los?“, fragte er skeptisch und sein Blick schweifte zwischen seinem Partner und dem bereit stehenden Aston Martin hin und her. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ „Wir können nicht mit diesem Wagen fahren!“, meinte Crocodile und fragte sich, was sein Freund sich bei der Wahl dieses Wagens nur gedacht hatte. „Aber wieso denn nicht?“, wollte Doflamingo wissen und klang ehrlich verwundert. „Was stimmt denn mit dem Wagen nicht?“ „Hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel dieser Aston Martin wert ist?“ „Klar, schließlich habe ich ihn gekauft. So etwa zweihundertfünfzigtausend Berry. Aber wieso ist das denn wichtig?“ „Na, weil wir auf keinen Fall mit einem Wagen vorfahren können, der gut eine Viertelmillionen Berry gekostet hat!“ Als bei Doflamingo der Groschen noch immer nicht gefallen war, fuhr Crocodile fort: „Mein Bruder arbeitet als selbstständiger Fechtlehrer in der Vorstadt. Nicht einmal sein ganzes Haus ist so viel wert wie dieses Auto. Kannst du dir denn nicht vorstellen, was für einen arroganten und überheblichen Eindruck es machen würde, mit diesem Aston Martin bei seiner Geburtstagsparty aufzutauchen? Es wäre absolut rücksichtslos! Lass uns lieber einen anderen Wagen nehmen!“ „Ähm, okay“, meinte Doflamingo, der sich wohl ein wenig überfordert fühlte, was nur sehr selten vorkam. Es dauerte einige Sekunden, ehe er sich wieder gefangen hatte: „Welchen Wagen würdest du denn alternativ vorschlagen?“ „Irgendeinen, der weniger als hunderttausend Berry wert ist“, antwortete Crocodile sofort. Doflamingo schwieg für eine Weile, ehe er fast schon peinlich berührt zugab: „Ich denke nicht, dass ich einen Wagen besitze, der weniger als hunderttausend Berry gekostet hat.“ Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um angesichts dieser Beichte nicht zu schlucken oder laut zu husten. Er war sich zwar durchaus dessen bewusst gewesen, dass sein Partner mehr als ein Dutzend verschiedener Wagen besaß, doch dass in dieser Sammlung nicht einmal ein einziger vorhanden war, der weniger als 100.000 Berry wert war, überraschte ihn nun doch. Plötzlich wurde ihm ganz schlecht bei dem Gedanken, demnächst seinen Mercedes C 216 Coupe aufgeben zu müssen; es handelte sich um das einzige Auto, das er besaß, und es hatte einen Neuwert von knapp 100.000 Berry. Im direkten Vergleich zu Doflamingo kam Crocodile sich auf einmal wie ein furchtbar armer Schlucker vor. „Dann lass uns einfach meinen Mercedes nehmen“, meinte Crocodile, um zu verhindern, dass sich zwischen ihnen beiden ein unangenehmes Schweigen ausbreitete. Gleichzeitig bemühte er sich mit aller Kraft darum, nicht in Schamesröte auszubrechen oder zu stottern. „Und ich fahre selbst. Mit einem Fahrer aufzuschlagen wirkt genauso aufschneiderisch wie mit einem Aston Martin vorzufahren. Und vor meinen Geschwistern möchte ich unter keinen Umständen wie ein eingebildeter Angeber wirken. Komm schon, wir sind spät dran. Und hast du überhaupt daran gedacht, das Geschenk einzupacken?“ bye sb Kapitel 9: Kapitel 5 -------------------- Sie erreichten um etwa zwanzig Uhr dreißig das Haus, in dem Mihawk wohnte und in dem auch dessen Geburtstagsparty stattfand. Der lauten Musik, die bis nach draußen dröhnte, nach zu urteilen, war die Feier bereits in vollem Gange. Unwirsch stieg Crocodile aus seinem Mercedes aus und bekam nur am Rande mir, dass Doflamingo auf der Beifahrerseite dasselbe tat. Er umrundete den Wagen, um das Geschenk für seinen Bruder aus dem Kofferraum zu holen, ehe er sich gemeinsam mit seinem Partner auf den Weg zu dem mittelgroßen Einfamilienhaus machte. Seinen Mercedes C 216 hatte er absichtlich ein Stück weiter die Straße hinunter geparkt. Während sie den kurzen Fußweg zur Party seines Bruder zurücklegten, fragte Crocodile sich unweigerlich, was Doflamingo wohl von dessen Haus halten mochte. Bisher hatte sich sein Freund zu diesem Thema noch gar nicht geäußert; überhaupt war er die fast einstündige Autofahrt über relativ wortkarg gewesen, was eigentlich sehr untypisch für den ansonsten so redseligen und extrovertierten Mann war. Crocodile musterte das Haus, in dem Mihawk wohnte, ganz genau und bemühte sich darum, es durch die Augen seines Partners zu sehen: Es war ein mittelgroßes Einfamilienhaus mit Garten. Typisch für die Vorstadt. Das Haus war -ganz nach dem altmodischen Geschmack seines Bruders- mit viel Stuck verziert. Nebenan stand eine einzelne Garage. Das Auto, das darin stand, konnte man nicht erkennen, da die Garagentüre geschlossen war; doch Crocodile wusste, dass Mihawk einen Ford Mondeo fuhr. Der Wagen hatte neu nicht einmal 25.000 Berry gekostet und plötzlich war Crocodile sehr froh darüber, dass der Ford in der verschlossenen Garage stand. Er musste daran zurückdenken, wie sein Freund gemeint hätte, er besäße nicht ein einziges Auto, das weniger als 100.000 Berry wert war, und schämte sich plötzlich dafür, dass er aus einer nur mittelständischen Familie stammte. Die Haustüre war bloß angelehnt. Eine Tradition, die man in der Vorstadt nicht nur bei Feiern und Familienfesten gerne pflegte, in der Großstadt allerdings undenkbar wäre. Crocodile hatte in seiner Loft-Wohnung niemals auch nur ein Fenster offen gelassen, wenn er sich nicht in dem entsprechenden Raum aufhielt; geschweige denn, wenn er das Haus verließ. Da er im ersten Stockwerk gewohnt hatte, war das Risiko eines Einbruchs trotz Alarmanlage nicht auszuschließen gewesen. Bei seinen Nachbarn aus dem Erdgeschoss war vor kaum eineinhalb Jahren eingebrochen worden; die Diebe hatten alle Wertgegenstände, die sie in die Finger bekamen, mitgehen lassen. Es war ein Schaden von insgesamt mehr als 15.000 Berry entstanden. Glücklicherweise waren die Leute allerdings entsprechend versichert gewesen. Crocodile schob die Haustüre mit seinem Armstumpf auf der linken Seite auf; in der rechten Hand hielt er das hübsch verpackte Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder fest. Sie gelangten in einen langen und schmalen Flur, von dem rechterhand eine große Küche abzweigte, linkerhand das Wohnzimmer. Aus beiden Räumen war sowohl Partymusik als auch munteres Stimmengewirr zu hören. Crocodile zögerte für einen kurzen Augenblick, ehe er sich kurzerhand dazu entschloss, zuerst die Küche anzusteuern. Doflamingo folgte ihm auf dem Fuße. Die Küche war recht groß und sehr gemütlich eingerichtet; die Fronten der Küchenschränke waren aus demselben Kirschbaumholz gefertigt wie der Esstisch. Außerdem schien Hancock sich sehr viel Mühe mit dem Essen gemacht zu haben: Sowohl auf der Arbeitsfläche der Küche als auch auf dem großen Tisch standen heiße und kalte Köstlichkeiten verschiedener Art bereit. Den absoluten Höhepunkt allerdings stellte eine riesige und wunderschöne Torte dar. Sie war zweistöckig und mit weißem Fondant überzogen, außerdem mit hübschen Blumen aus Marzipan und Blütenblättern aus Minze dekoriert; obenauf thronten als Highlight zwei sich kreuzende Degen, gleich über dem verschnörkelten Schriftzug Happy Birthday, Mihawk!. Selbst Crocodile, der für solche Dinge nicht viel übrig hatte, musste zugeben, dass sich seine Schwester mit dieser Torte selbst übertroffen hatte. Da war es wirklich sehr schade, dass sein Magen etwas so Süßes nicht vertrug. Kaum hatten sie beide die Küche betreten, wandten sich ihnen die Menschen zu, die sich dort aufhielten; derzeit waren es Hancock, Mihawk und dessen bester Freund Shanks. Crocodiles Schwester kam sofort zum ihm herüber geeilt und schloss ihn in die Arme. Mihawk und Shanks folgten ein wenig gemächlicher. „Crocodile! Wie geht es dir?“, wurde er von Hancock begrüßt, noch ehe diese ihn losließ. „Ganz gut“, erwiderte er wahrheitsgemäß und erkundigte sich freundlich nach ihrem Befinden. Sie betrieben ein klein wenig Small-Talk, ehe Hancock zu Doflamingo hinüber huschte und Crocodile sich endlich seinem Bruder zuwenden konnte; schließlich handelte es sich bei diesem um das Geburtstagskind. „Alles Gute zum Geburtstag, Mihawk!“ Sie umarmten sich, was sie eigentlich nur zu besonderen Anlässen taten. (Weder Crocodile noch Mihawk waren so herzliche Menschen wie ihre jüngere Schwester.) „Danke“, meinte Mihawk. „Es freut mich, dass du und Doflamingo hier seid.“ „Von mir auch alles Gute zum Geburtstag!“, warf dieser rasch ein, als er mitbekam, dass der Bruder seines Partners auch ihn angesprochen hatte. Bis gerade eben war er noch damit beschäftigt gewesen, Hancock zu begrüßen. „Danke. Doflamingo, darf ich dir meinen besten Freund Akagami Shanks vorstellen?“ Mihawk deutete auf den rothaarigen Mann an seiner Seite, der freundlich lächelte und ihm die Hand hinhielt. Doflamingo schlug ein. „Shanks, das ist Donquixote Doflamingo, der feste Partner meines Bruders.“ „Donquixote?“, wiederholte Shanks noch immer lächelnd, doch mit nachdenklich zusammengezogenen Augenbrauen. „Dieser Name kommt mir bekannt vor. Heißt nicht so der neue Besitzer des Rain Dinners-Casinos? Aber wahrscheinlich ist es sowieso nur eine zufällige Namensgleichheit.“ „Nein, nein, du liegst schon richtig“, erwiderte Doflamingo zur Überraschung seines Partners. „Ich habe das Casino tatsächlich vor einigen Wochen erworben. Allerdings leite ich es nicht persönlich. Diese Aufgabe übernimmt einer meiner Mitarbeiter.“ Crocodile warf seinem Freund einen verwunderten Blick zu. Er hatte ihm gegenüber mit keinem Wort erwähnt gehabt, dass er das bekannte Rain Dinners-Casino gekauft hatte. Es war ein sehr großes und gut laufendes Lokal, das nicht allzu weit von Mihawks Wohnort entfernt lag. Crocodile hatte dort selbst für etwa zwei Jahre lang gearbeitet, ehe er sein Studium begann; doch über diesen Umstand wusste sein Partner selbstverständlich nicht Bescheid. Schließlich lag diese Zeit mehr als fünfzehn Jahr lang zurück. Doflamingo plauderte noch für eine Weile recht interessiert mit Shanks, ehe er sich endlich wieder seinem Freund und anschließend Mihawk zuwandte: „Wie wäre es, wenn du dem Geburtstagskind sein Geschenk überreichst, Wani?“ Crocodile warf seinem Partner einen finsteren Blick zu, weil dieser ihn in der Öffentlichkeit mit seinem peinlichen Spitznamen angesprochen hatte (Shanks' leichtes Grinsen war ihm nicht entgangen), ehe er seinem Bruder das längliche und hübsch eingepackte Paket überreichte. Mihawk nahm es neugierig dreinblickend entgegen. „Doflamingo und ich haben viel Zeit damit verbracht, uns ein Geschenk einfallen zu lassen, über das du dich freust“, erklärte Crocodile, während Mihawk die Schleife des Pakets löste. „Hoffentlich gefällt es dir!“ Kaum hatte er zu Ende gesprochen, war das Geschenk ausgepackt und das wertvolle Ritterschwert, das sie beide gekauft hatten, kam zum Vorschein. Crocodile konnte praktisch sehen, wie Mihawk der Atem stockte. Mit großen Augen begutachtet er das Schwert, ehe er vorsichtig, beinahe schon zärtlich mit den Fingern über die breite Klinge und den kunstvoll gearbeiteten Griff fuhr. Shanks, der -wie Crocodile wusste- sich ebenfalls sehr stark für den Schwertkampf interessierte, lehnte sich über die Schulter seines besten Freundes, um auch einen Blick auf das wertvolle Schwert werfen zu können. Währenddessen tauschten Crocodile und Doflamingo triumphierende Blicke aus. Mihawk schien sich tatsächlich unfassbar über sein Geburtstagsgeschenk zu freuen; die Überraschung war also gelungen. „Es ist ein Ritterschwert aus dem vierzehnten Jahrhundert“, meinte Crocodile und bemerkte stolz, dass sowohl Mihawk als auch Shanks überaus interessiert seiner Erklärung lauschte. „Es stammt aus Mitteleuropa. Detaillierte Informationen darüber, wem es gehört hat und wo es eingesetzt wurde, findet ihr in den entsprechenden Nachweisen. Als wir das Schwert gekauft haben“, Doflamingo hatte es gekauft, nicht er, schoss es Crocodile plötzlich unzusammenhängend durch den Kopf, während er sprach, „haben wir eine ganze Menge Dokumente dazu bekommen. Da steht alles mögliche Wissenswerte zu dem Schwert drin. Natürlich auch die Beweise, die belegen, dass es wirklich echt ist und keine Fälschung.“ „Wow, ich... Doflamingo, Crocodile... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, meinte Mihawk, während sein begeisterter Blick immer wieder zwischen seinen beiden Gästen und dem Geschenk, das diese ihm besorgt hatten, hin und her schweifte. „Danke! Ich bin so glücklich! Dieses Schwert gehört mit Sicherheit zu den allerbesten Geschenken, die ich jemals bekommen habe! Vielen Dank, ihr beiden! Das ist wirklich eine unglaublich schöne Überraschung!“ Und dann tat er etwas, was für Mihawk sehr untypisch war: Er umarmte noch einmal seinen jüngeren Bruder und gleich danach Doflamingo. Normalerweise war er nämlich ein recht zurückhaltender Mensch, der viel Zeit brauchte, ehe er jemanden nah an sich heran ließ. Sein Geburtstagsgeschenk schien ihn also tatsächlich sehr bewegt zu haben. Auch Doflamingo lächelte glücklich und schien ungeheuer zufrieden mit sich selbst zu sein. Wahrscheinlich freute er sich, vermutete Crocodile, weil sein Vorhaben, ein weiteres Mal einen guten Eindruck auf die Geschwister seines Partners zu machen, so gut gelungen war. „Gern geschehen“, sagte er. „Crocodile und mich freut es sehr, dass dir das Geschenk so gut gefällt.“ „Dieses Ritterschwert ist wirklich wunderschön“, stimmte auch Shanks zu, der seinen Blick noch immer nicht ganz von dem wertvollen Stück losreißen konnte. „Und trotz des hohen Alters unglaublich gut erhalten. Ich bin echt neidisch, Mipo! Nur zu gerne hätte ich auch ein so schönes Schwert!“ „Mipo?“ Crocodile gelang es nicht, ein leichtes zu Grinsen zu unterdrücken. Und auch der finstere Blick, den sein Bruder ihm zuwarf, vermochte es nicht, ihn zum Stillschweigen zu bewegen. „Du bist der letzte, der über peinliche Spitznamen lachen sollte, Wani“, entgegnete Mihawk rasch. Crocodile, der sich ertappt fühlte, spürte sogleich, wie ihm die Röte in die Wangen schoss. „Na und?“, meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Doflamingo darf mich ruhig so nennen, schließlich sind wir beide in einer Liebesbeziehung. Was man von dir und Shanks nicht behaupten kann. Oder hat sich eure Freundschaft weiterentwickelt, ohne dass ich etwas davon mitbekommen habe?“ „Hey, jetzt beruhigt euch mal wieder“, mischte sich Hancock ein und bemühte sich um ein versöhnlichen Gesichtsausdruck. „Dass ihr beide auch so furchtbar stur und stolz sein müsst! Mihawk, möchtest du nicht deiner Pflicht als Gastgeber nachkommen und deinen beiden neuen Gästen Getränke anbieten?“ „Sicher“, erwiderte Mihawk und ließ nach einem letzten intensiven Blick den Schlagabtausch mit seinem jüngeren Bruder auf sich beruhen. Crocodile tat es ihm gleich. Obwohl Mihawk eher ein ruhiger Mensch war, zankten sie beide sich eben doch gelegentlich, ohne es böse zu meinen. „Was darf ich euch anbieten?“ „Ein Bier, bitte“, meinte Doflamingo. „Und für mich ein Wasser“, fügte Crocodile hinzu. „Nach dem Vorfall im Skypia verzichtest du wohl lieber auf Alkohol, was?“, mutmaßte Mihawk, während er zuerst für Doflamingo eine Flasche Bier öffnete und danach seinem Bruder stilles Mineralwasser in ein Glas einschenkte. „Falls du doch etwas trinken möchtest: Wir haben für dich einen echt guten Wein besorgt. Und Wodka plus Mischgetränke sind sowieso da.“ „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile und nahm das Glas Wasser entgegen. Er erinnerte sich nur äußerst ungern an die Geschehnisse zurück, die im Skypia passiert war. Diese neue Erinnerung an seinen Exfreund wollte er am liebsten genauso verdrängen wie die absolut furchtbare Beziehung, die er fünf Jahre lang mit diesem geführt hatte. „Ich bin sowieso mit dem Auto da.“ Nachdem sie noch für eine Weile miteinander geplaudert und die eine oder andere Kleinigkeit vom Buffet genascht hatten, machten sie sich alle gemeinsam auf den Weg hinüber ins Wohnzimmer. Tatsächlich war Doflamingos Befürchtung, sie könnten als Allerletzte auftauchen, nicht unbegründet gewesen: Obwohl es noch nicht einmal einundzwanzig Uhr war, war der Großteil der Gäste bereits erschienen. Eine Geburtstagsfeier im Vorort war eben doch etwas anderes als eine Party in der Großstadt, dachte Crocodile, während er seinen Blick über die Gäste schweifen ließ. Hätte zum Beispiel sein Partner in seiner Villa eine Party für acht Uhr abends gekündigt, wären die ersten Gäste frühestens um halb zehn aufgetaucht. Allerfrühestens. In Mihawks geräumigen Wohnzimmer tummelten sich vielleicht fünfzehn, zwanzig Menschen, von denen Crocodile die meisten zumindest vom Gesicht her kannte. Zuerst war er ein wenig überrascht, als er Tashigi in der Menge ausmachte, ehe ihm einfiel, dass sie doch Fechtstunden bei Mihawk nahm. Sie war auf den Geschmack gekommen, während Crocodile noch mit ihrem älteren Bruder Smoker zusammengewesen war, und er hatte sie netterweise an Mihawk vermittelt, der ein überaus talentierter Fechtlehrer war. Laut seinem Bruder war sie durchaus eine passable Fechterin, obwohl sie auf Crocodile stets einen recht ungeschickten Eindruck machte. „Was zur Hölle macht denn diese blöde Tussi hier?!“ Anscheinend hatte auch Doflamingo die junge Frau, die derzeit als Praktikantin in derselben Bank wie Crocodile tätig war, wiedererkannt. Und er schien überhaupt nicht begeistert von ihrer Anwesenheit zu sein. Crocodile rollte mit den Augen. „Erstens ist sie keine blöde Tussi, Doflamingo“, wies er seinen Partner streng zurecht, „und zweitens dachte ich eigentlich, dass wir dieses Sache geklärt hätten. Es hat sich um ein Missverständnis gehandelt und um nichts weiter. Also benimm dich bitte vernünftig, ja?“ „Ist ja schon gut“, erwiderte Doflamingo halbherzig und ohne den Blick von der jungen Praktikantin abzulassen. „Ich werde ihr schon nicht den Kopf abreißen, Wani, versprochen. Aber trotzdem verstehe ich nicht, wieso sie hier ist. Woher kennt sie denn deinen Bruder?“ „Sie nimmt Fechtstunden bei ihm“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß, ließ allerdings wohlweislich die Tatsache außen vor, dass es sich bei Tashigi um die jüngere Schwester seines Exfreundes handelte. Smoker und er waren sowieso schon seit mehr als drei Jahren voneinander getrennt, und der zerbrochenen Beziehung trauerte keiner von ihnen beiden hinterher. Es war also nichts, was eine Erwähnung wert gewesen wäre. „Ausgerechnet bei Mihawk?“, hakte Doflamingo misstrauisch nach. „Das ist ein seltsamer Zufall. Vielleicht heftet sie sich an deinen Bruder, um durch ihn an dich heranzukommen!“ Crocodile seufzte und rollte erneut mit den Augen. „Ich bitte dich, Doflamingo!“, sagte er in einem bereits recht genervten Tonfall; er hatte nämlich im Augenblick überhaupt keine Lust auf irgendeine Eifersuchtsszene seitens seines Freundes wegen eines Missverständnisses, das bereits Wochen zurück lag. „Sie nimmt schon seit mehr als vier Jahren Fechtstunden bei meinem Bruder und hat noch niemals auch nur angedeutet, dass sie Interesse an mir hätte. Abgesehen davon bin ich doch sowieso homosexuell. Also gibt es keinen Grund zur Eifersucht.“ „Trotzdem kommt mir diese Sache komisch vor.“ „Die Welt ist klein“, meinte Crocodile und hoffte, dieses Thema rasch beenden zu können, ehe sein Partner dahinter stieg, dass es sich tatsächlich nicht um einen seltsamen Zufall handelte. „Zum Beispiel habe ich vor kurzem erfahren, dass Mihawk mit deinem Kumpel Kuma befreundet ist. Auch ein seltsamer Zufall, nicht wahr?“ Doflamingo gab einen unwilligen Brummlaut von sich, ließ dieses Thema dann aber glücklicherweise endlich auf sich beruhen. Er wandte den Blick von Tashigi ab und sah sich stattdessen die anderen Partygäste näher an. Ab und an wurde Crocodile von der ein oder anderen Person wiedererkannt und begrüßt. Er bemühte sich darum, fröhlich zurück zu grüßen und ein wenig Small-Talk zu betreiben, obwohl er eigentlich kein allzu großer Fan von Geburtstagsfeiern war. Tatsächlich gaben Mihawk und Crocodile selbst zu ihren jeweiligen Geburtstagen nur deshalb eine Party, weil ihre jüngere Schwester sie mehr oder weniger dazu drängte. Hancock liebte es, Festlichkeiten vorzubereiten und war (wie man sah) ein echtes Talent, wenn es darum ging, schöne Torten zu kreieren. Außerdem stellte Crocodile jedem Partygast, der neugierig wirkte, seinen Freund Doflamingo vor, auch wenn er normalerweise kein Mensch war, der seine Liebesbeziehung gern zur Schau stellte. Doflamingo selbst allerdings schien sich sehr darüber zu freuen, dass sein Partner so offen zu ihm stand, und war sehr erpicht darauf, jede einzelne Person kennenzulernen. Oft fragte er Crocodile sogar, wie gut und wie lange er wen schon kannte und woher. Abgesehen vom Fall Tashigi gab er immer eine ehrliche Antwort. Um kurz nach einundzwanzig Uhr trudelten die letzten Partygäste ein; dazu zählten auch Daz und seine Cousine Paula, die Besitzerin von Spider's Cafe. „Hey, Crocodile“, begrüßte ihn sein alter Studienfreund, nachdem er Mihawk seine Glückwünsche ausgesprochen und sein Geschenk (eine hochwertige Fechtmaske) überreicht hatte. Paula hatte ihn ebenfalls begrüßt, doch war gleich darauf in ein Gespräch mit irgendeiner guten Freundin verwickelt worden. Doflamingo war in der Küche verloren gegangen; ursprünglich wollte er sich bloß ein neues Getränk besorgen, doch Crocodile vermutete, dass er sich mit Shanks unterhielt, der sich zufälligerweise ebenfalls dort aufhielt, und darum ein wenig länger brauchte. „Schön dich zu sehen, Daz“ meinte Crocodile und begrüßte seinen alten Freund mit einem brüderlichen Handschlag. „Wie geht es dir?“ „Gut“, erwiderte Daz, der ihn skeptisch musterte. „Und dir? Hast du dich vernünftig erholt von dem Vorfall im Skypia? Es tut mir leid, dass ich nicht im Krankenhaus bleiben konnte, bis du aufgewacht bist. Wie lange musstest du noch dort bleiben?“ „Dir muss überhaupt nichts leid tun!“, lenkte Crocodile sofort ein und nippte verlegen an seinem Wasserglas. Warum wurde er auf dieser Geburtstagsparty nur so oft zu diesem Thema ausgefragt? Eigentlich wollte Crocodile nämlich weder über seinen Exfreund Enel noch über die Geschehnisse im Skypia sprechen. Trotzdem meinte er: „Ich bin dir unendlich dankbar für deine Hilfe; das weißt du doch. Ich will gar nicht wissen, was mit mir passiert wäre, wenn du nicht eingegriffen hättest. Also mach dir bitte keine Vorwürfe, ja? Du bist der Letzte, der das tun sollte. Eher mache ich mir selbst Vorwürfe, weil ich dumm genug war, um auf meinen geisteskranken Exfreund hereinzufallen.“ „Unsinn!“, tadelte Daz und schüttelte den Kopf. „Nichts von dem, was passiert ist, ist deine Schuld gewesen. Die Schuld trifft allein Enel, diesen widerwärtigen Hund! Du kannst mir glauben, dass, wenn ich diesen feigen Bastard in die Finger bekommen sollte, selbst der beste Chirurg sein Gesicht nicht mehr retten kann!“ „Das glaube ich gern“, erwiderte Crocodile beschwichtigend und kam nicht umhin, sich darüber bewusst zu werden, um was für einen großen und muskulösen Mann es sich bei Daz doch handelte. Crocodile zweifelte nicht daran, dass er durchaus dazu in der Lage wäre, Enel grün und blau zu schlagen. Und auch daran nicht, dass er es tatsächlich tun würde, sollte ihm dieser jemals über den Weg laufen. Daz war niemand, der sinnlos rohe Gewalt einsetzte, doch er hatte definitiv nichts dagegen, Feiglingen wie Enel ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Nur zu gut erinnerte Crocodile sich daran, wie das Gesicht eines Mitstudenten ausgesehen hatte, nachdem dieser ihm gegenüber ausfallend geworden war. Daz hatte sofort eingegriffen. Danach hatte sich entsprechender Student niemals mehr getraut, auch nur den Blick mit einem von ihnen zu kreuzen. „Also: Wie lange musstest du noch im Krankenhaus bleiben?“, hakte Daz nach. „Hoffentlich nicht allzu lange. Und ist das Gift inzwischen vollkommen aus deinem Körper verschwunden oder sind immer noch Reste vorhanden? Ich weiß, dass es Stoffe gibt, die der menschliche Körper erst nach Wochen oder Monaten vollständig abbaut.“ „Es ist alles in Ordnung, Daz“, meinte Crocodile und bemühte sich um einen möglichst beschwichtigenden Tonfall, ehe sein alter Studienfreund begann, sich unnötig zu sorgen. „Ich wurde nach drei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen und inzwischen geht es mir wieder gut. Keine Schwächeanfälle oder Ähnliches. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis!“ „Dann ist ja gut“, erwiderte Daz schließlich, obwohl er seinem skeptischen Tonfall nach zu urteilen überhaupt nicht überzeugt klang. „Hey Daz, schön, dass du auch endlich da bist!“ Es war die laute und fröhliche Stimme von Doflamingo, die glücklicherweise dieses furchtbar unangenehme Gespräch zwischen ihnen beiden beendete. Crocodiles Partner schien bester Laune zu sein: Ein breites Lächeln zierte seine Lippen und in der rechten Hand hielt er halb leeres Glas, das anscheinend irgendwelchen hochprozentigen Alkohol enthielt, während er in seinem typisch o-beinigen Gang auf ihn und Daz zugelaufen kam. „Hallo Doflamingo“, begrüßte Daz ihn und sie gaben sich beinahe schon freundschaftlich die Hand. „Wie geht’s dir?“ „Gut, gut, ich kann mich nicht beklagen“, erwiderte Doflamingo. „Es ist eine sehr nette Geburtstagsparty. Eben habe ich mich mit Kuma, einen sehr guten Freund von mir, unterhalten. Er war auch bei dem Abend im Skypia mit dabei, wenn du dich erinnerst. Ein groß gewachsener Typ, aber sehr still und unauffällig. Du erkennst ihn wieder, wenn du ihn gleich siehst.“ Na klasse, dachte Crocodile verdrossen und unterdrückte mit großer Mühe ein genervtes Seufzen. Jetzt waren die beiden schon wieder bei diesem Thema angelangt. Er konnte nur hoffen, dass sie weder auf sein Zusammentreffen mit Enel noch auf seinen Krankenhausaufenthalt zu sprechen kommen würden, denn wenn er ehrlich war, dann hatte er keine Lust weder über das eine noch über das andere zu sprechen. „Apropos Skypia“, meinte Daz just, „hast du vielleicht nähere Informationen zu Crocodiles Gesundheitszustand? Ist das Gift inzwischen vollständig aus seinem Körper verschwunden? Oder muss er noch Medikamente nehmen?“ „Zum Glück sind keine Reste des Giftes mehr in seinem Kreislauf vorhanden“, antwortete Doflamingo, der es überhaupt nicht seltsam oder aufdringlich zu finden schien, dass Daz nach solchen Details fragte. „Und Medikamente muss er auch keine mehr nehmen. Allerdings hat er, während er noch im Krankenhaus lag, ständig irgendwelche Pillencocktails verabreicht bekommen. Zum Glück gehört mir die Miracle-Sakura-Klinik und ich kenne den Arzt, der Crocodile behandelt hat, persönlich: Doktor Tony Chopper, ein überaus kompetenter und erfahrener Mediziner. Dank ihm ist Crocodile inzwischen wieder auf den Beinen.“ „Entschuldigung mal, aber ihr beide habt hoffentlich nicht vergessen, dass ich immer noch direkt neben euch stehe, oder?“ Crocodile fand es unfassbar, dass sein Partner und sein bester Freund sich über ihn und seinen Gesundheitszustand austauschten, als wäre er überhaupt nicht anwesend. Schließlich war er nicht irgendein dahergelaufener Partygast, über den man lästern konnte wie man wollte! „Ach, jetzt sei doch nicht gleich wieder beleidigt, Croco“, meinte Doflamingo und schien den Ärger seines Freundes gar nicht nachvollziehen zu können. „Daz macht sich eben Sorgen um dich. Da er bei diesem Vorfall im Skypia mit dabei gewesen ist, kann ich das auch wirklich gut nachvollziehen.“ „Ich habe mich bei Daz für sein Eingreifen bereits bedankt“, merkte Crocodile, noch immer deutlich verärgert, an. Er konnte es nämlich überhaupt nicht leiden und war es auch absolut nicht gewohnt, ignoriert zu werden. Mit seiner imposanten Körpergröße und der Autorität, die er ganz natürlich ausstrahlte, wagte es kaum jemand so zu tun, als wäre er nicht anwesend. Bloß sein alter Freund und sein Partner schienen von dieser Ausstrahlung von Macht und Dominanz nichts mitzubekommen. Ehe es zu einem ernsthaften Streit kommen konnte, wurden sie durch das Geräusch einer Gabel, die gegen ein leeres Weinglas geschlagen wurde, unterbrochen; außerdem wurde die laute Partymusik auf ein Minimum heruntergeschraubt. Die Partygäste, Crocodile, Doflamingo und Daz inklusive, wandten sich Hancock zu, die die Verursacherin der Unterbrechung war. Neben ihr stand Mihawk, der wohl lieber seiner fröhlichen Schwester das Wort überließ, anstatt selbst zu sprechen: „Mihawk und ich begrüßen herzlich alle Gäste, die heute Abend erschienen sind, um seinen vierzigsten Geburtstag zu feiern. Außerdem möchte er sich für die vielen Glückwünsche und die wundervollen Geschenke bedanken. Er freut sich wirklich sehr! Und da wir nun endlich vollzählig sind, würde ich vorschlagen, dass endlich die Geburtstagstorte angeschnitten wird!“ Vor allen Dingen letztere Aussage rief einen allgemeinen Jubel hervor, denn natürlich hatte bereits jeder die wunderschöne Torte in der Küche gesehen und sehnsüchtig auf den Moment gewartet, da er ein Stück abbekommen würde. Die Musik wurde wieder aufgedreht und die Gäste strömten vom Wohnzimmer in die geräumige Küche des Einfamilienhauses. Obwohl ihm ein Stück Torte ja doch nichts nützen würde, schloss sich Crocodile Daz und Doflamingo an, die gemeinsam mit dem Rest hinübergingen. „Die Torte ist wirklich bezaubernd“, meinte Doflamingo, der sich gleich neben Hancock gestellt hatte und einen guten Blick auf die tatsächlich wunderhübsche Torte hatte. „Darf ich fragen, wo du sie bestellt hast, Hancock?“ „Bestellt?“ Crocodiles jüngere Schwester wirkte für einen kurzen Moment lang ganz verwirrt und konfus, ehe sie erwiderte: „Oh nein, die Torte ist nicht bestellt worden. Ich habe sie selbst gemacht.“ Doflamingo zog bewundernd eine Augenbraue nach oben. „Wirklich?“, meinte er und warf noch einmal einen Blick auf die zweistöckige, mit Blumen aus Marzipan und Blütenblättern aus Minze dekorierte Torte, deren Höhepunkt die beiden sich überkreuzenden Degen darstellte. „Dann hast du aber wirklich ein Händchen fürs Torten machen, Hancock! Ich habe in meinem Leben nämlich bisher nur selten so eine wunderhübsche Torte wie diese hier gesehen. Du könntest locker in den professionellen Bereich gehen!“ Crocodile presste seine beiden Lippen fest aufeinander und mied den Blickkontakt zu seinem Freund, während dieser sprach. Wenn er ehrlich war, dann gefiel es ihm ganz und gar nicht, dass Doflamingo seiner jüngeren Schwester so viele schöne Komplimente machte. Unweigerlich wurde ihm wieder bewusst, dass sein Partner nicht homo-, sondern bisexuell war. Crocodile hatte, als er jünger war, bereits mehrere feste Freunde gehabt, die ebenfalls bisexuell gewesen waren. Und sie alle hatten ihn schlussendlich verlassen, weil sie sich in seine Schwester Hancock verliebt hatten. „Findest du?“ Hancock wirkte sichtlich angetan wegen der netten Komplimente. Dabei wurden ihre Torten doch ständig gelobt! Dies hier war beileibe nicht die erste schöne Torte, die sie gemacht hatte. Crocodile konnte nicht verhindern, dass sich die Eifersucht wie heiße Säure in seinem Körper ausbreitete. Wieder fragte er sich, ob Doflamingo sich wohl ab und an nach einer Frau, nach einem weiblichen Körper sehnte. Reichte er seinem Freund vielleicht nicht mehr aus? Schließlich hatte dieser, gerade was die Auslebung sexueller Neigungen anging, vor Beginn ihrer Beziehung überaus freizügig gelebt und sich niemals aus irgendeinem Grund zurückhalten müssen. Vermisste Doflamingo etwa diese Zeit? Vermisste er das Gefühl von weichen Brüsten und einem warmen, feuchten Schoß? Allein schon bei dieser Vorstellung wurde Crocodile schlecht. Er wusste ganz genau, dass er in einem direkten Vergleich mit seiner Schwester nur verlieren konnte: Hancock war eine natürliche Schönheit, ein echtes Topmodel. Jeder Mann, der nicht homosexuell war, machte ihr den Hof. Während Crocodile bloß noch eine Hand hatte und sein äußeres Erscheinungsbild zusätzlich noch durch die Narbe, die sich quer über sein Gesicht zog, verunstaltet wurde. Auf einmal kam er sich selbst furchtbar hässlich und unzulänglich vor. Wie hatte er jemals nur glauben können, gegen die vielen Schönheiten, die sein Freund zuvor bestiegen hatte, oder gegen seine eigene Schwester ankommen zu können? Es war töricht von ihm gewesen, zu glauben, Doflamingo würde sich für ihn anstatt für Hancock entscheiden. Und hatte sein Partner ihm nicht erst vor kurzem deutlich gemacht, dass er mit ihrem Sexleben unzufrieden war? Weil er sich viel zu verkrampft und gar nicht authentisch verhielt? Dass er so fürchterlich gezwungen wirkte, dass dieser sogar schon das Gefühl bekam, er würde aus reinem Pflichtbewusstsein heraus mit ihm schlafen? Plötzlich spürte Crocodile einen harten Kloß in seiner Kehle. Er versuchte ihn hinunterzuschlucken, doch musste feststellen, dass dies nicht funktionierte. Außerdem wurden seine Augen plötzlich ganz schwer. Unwirsch schüttelte Crocodile den Kopf. Er hatte seit vielen Jahren nicht mehr geweint und er hatte auch nicht vor, jetzt wieder damit anzufangen. Auch wenn er zugeben musste, dass die Vorstellung von der wundervollen Schönheit und dem charismatischen Millionär, die gemeinsam einen romantischen Spaziergang am Strand unternahmen, ihm einen schrecklich schmerzhaften Stich genau ins Herz verpasste. „Ganz sicher!“, hörte er Doflamingo zuversichtlich sprechen. „Ein Freund von mir hat einmal mehr als zweitausend Berry für eine Torte ausgegeben, die nicht halb so schön aussah wie diese hier, die du gemacht hast. Wenn Crocodile und ich heiraten, dann werde ich auf jeden Fall dich engagieren, damit du für uns beide eine wunderschöne Hochzeitstorte machst!“ Crocodile musste so heftig husten, dass der Kloß in seinem Hals furchtbar zu schmerzen anfing. Panisch presste er sich seine rechte Hand gegen den Mund und bemühte sich darum, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen. Auf einmal wurde ihm sehr heiß und schwindelig; er fühlte sich beinahe, als wäre er plötzlich fieberkrank geworden. Seine Gedanken huschten so schnell durch seinen Kopf, dass er nicht einen einzigen von ihnen zu fassen bekam. Selbst die Hand seines Partners, die ihm wegen des Hustens behutsam auf den Rücken klopfte, nahm er nur am Rande war. Da just in diesem Moment endlich vom Gastgeber die Torte angeschnitten wurde, achtete glücklicherweise niemand der anderen Partygäste auf Crocodile - bis auf Doflamingo natürlich. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck beugte er sich zu seinem Freund hinunter und ließ die Torte, die er eben noch so hoch gelobt hatte, links liegen. „Ist alles in Ordnung mit dir, Wani?“, fragte er und Besorgnis schwang ganz deutlich in seiner Stimme mit. Mühsam nickte Crocodile. Der Hustenfall hatte sich inzwischen wieder verflüchtigt, doch noch immer war ihm sehr heiß und vor seinen Augen drehte sich die Umgebung. Trotzdem nickte er: „Ich habe mich nur verschluckt. Kein Grund zur Aufregung. Hol dir lieber erst einmal ein Stück Torte, bevor gleich alles weg ist. Ich bin mir nämlich sicher, dass Hancocks Torten mindestens genauso gut schmecken wie sie aussehen.“ „Scheiß auf die blöde Torte“, meinte Doflamingo und wandte den Blick nicht von ihm ab. „Du bist plötzlich leichenblass. Möchtest du hinsetzen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Ist schon gut. Wirklich. Alles in Ordnung.“ Doch selbst in seinen eigenen Ohren klang seine Stimme schrecklich schwach und halbherzig. Diese Andeutung, die Doflamingo eben gemacht hatte, hatte ihn einfach völlig umgehauen. Wenn Crocodile und ich heiraten..., hallte die fröhliche Stimme seines Freundes in Crocodiles Kopf wieder. Er hatte so geklungen, als handelte es sich dabei um eine feststehende Tatsache. Als wären sie beide längst verlobt und als stünde ihre Hochzeit in drei Monaten bevor. Aber das ist doch Unsinn, redete Crocodile sich ein und rieb sich über die Schläfe. Sie waren seit kaum neun Monaten ein Paar. Und es machte doch kein Mensch seinem Partner nach nur neun Monaten Liebesbeziehung einen Heiratsantrag. Oder? Plötzlich wurde Crocodile wieder schlecht. Hoffentlich hatte es sich bei dieser Aussage nicht um eine Andeutung, einen Hinweis gehandelt. Hoffentlich war es bloß eine unbedeutende Bemerkung seitens Doflamingo gewesen. Sein Freund dachte schließlich beileibe nicht so viel, wie er quasselte. Langsam beruhigte Crocodile sich wieder. Doflamingo war ein Mann, der gerne ausging. Der vor ihm bereits mit dutzenden, vielleicht sogar hunderten Frauen und Männer geschlafen und (wenn auch nicht lange andauernde) Beziehungen geführt hatte. Der noch niemals zuvor angedeutet hatte, dass er an den heiligen Bund der Ehe glaubte. Oder auch nur daran, dass dauerhafte monogame Beziehungen überhaupt funktionieren konnten. Er war sicherlich der letzte Mensch auf Erden, der ans Heiraten dachte! „Soll ich dir irgendetwas zu essen oder zu trinken bringen? Willst du vielleicht ein Stück Torte haben?“ Allmählich fasste Crocodile sich wieder. Er atmete zweimal tief ein und aus, und strich dann in einer lässigen Bewegungen ein paar Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht gefallen waren, zurück an ihren angestammten Platz. „Wenn du nicht möchtest, dass ich schon wieder im Krankenhaus lande, dann solltest du mir lieber kein Stück Torte bringen, Doflamingo“, meinte er und bemühte sich um einen möglichst unbefangenen Tonfall. „Bei so viel Zucker, wie da bestimmt drin ist, würde mein Magen praktisch explodieren.“ Doflamingo schlug sich selbst mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Verdammt, daran habe ich überhaupt nicht gedacht! Und ich habe auch noch die ganze Zeit davon geschwärmt, wie toll die Torte aussieht, während du direkt neben mir standest. Ich bin wirklich ein rücksichtsloser Idiot!“ „Ist schon gut“, lenkte Crocodile ein. Er war sehr überrascht angesichts der unerwarteten Bereitschaft seitens seines Freunden, einen Fehltritt einzugestehen. Normalerweise behauptete Doflamingo nämlich in absolut jeder Situation steif und fest, dass er im Recht wäre. „Du hast es ja nicht absichtlich gemacht. Das macht dich also vielleicht zu einem Idioten, aber wenigstens nicht zu einem rücksichtslosen Idioten. Und du kannst dieses Malheur ganz einfach wieder gut machen, indem du mir jetzt ein Glas stilles Mineralwasser bringst! Mein Hals hat wegen meinem Hustenanfall eben angefangen, ein wenig zu schmerzen.“ „Sofort“, meinte Doflamingo und verschwand für einen kurzen Moment, um die Bitte seines Freundes zu erfüllen. Crocodile wiederum nutzte diese Gelegenheit, um sich endgültig wieder zu sammeln. Er rieb sich noch ein letztes Mal über die Schläfe und schüttelte kurz den Kopf, als wollte er irgendwelche unerwünschten Gedanken loswerden. Anschließend wartete er recht gefasst auf die Rückkehr seines Partners. „Hier, bitteschön.“ Doflamingo reichte ihm ein großes Glas Wasser. „Danke“, meinte Crocodile, während er es entgegennahm; inzwischen fühlte er sich wieder relativ wohl. „Und du bist dir ganz sicher, dass es dir gut geht? Du warst eben wirklich leichenblass und sahst aus, als müsstest du dich jeden Moment übergeben. Hast du vielleicht irgendetwas gegessen, was dein Magen nicht verträgt? Die kleinen Frikadellen vom Buffet fand ich persönlich jedenfalls ziemlich scharf. Hast du davon nicht auch eine oder zwei gegessen gehabt?“ „Nein, habe ich nicht. Und du musst dir keine Sorgen um mich machen. Versprochen. Mit mir ist alles in Ordnung.“ Als allerdings der skeptische Gesichtsausdruck von Doflamingos Gesicht noch immer nicht verschwand, fügte Crocodile schließlich hinzu: „Was hältst du davon, wenn wir beide ein bisschen tanzen gehen? Im Wohnzimmer gibt es eine kleine Tanzfläche. Um dir zu beweisen, dass es mir wirklich gut geht?“ Crocodile konnte genau sehen, dass sein Partner hin- und hergerissen war: Auf der einen Seite wollte er nicht riskieren, dass sein Freund, der im Augenblick ein wenig geschwächt wirkte, mitten auf der Tanzfläche umkippte oder Ähnliches... doch auf der anderen Seite tanzte er wirklich gerne. Vor allen Dingen mit Crocodile. Und es war das allererste Mal, dass dieser von sich aus anbot, tanzen zu gehen. Schließlich entschied Doflamingo sich dafür, die Sorge beiseite zu schieben und den Spaß regieren zu lassen. „Na gut“, meinte er und nahm Crocodile bei der Hand. „Aber falls dir wieder schlecht werden sollte oder so etwas in der Art, dann sagst du mir Bescheid, in Ordnung?“ „Klar“, gab Crocodile relativ leichtfertig zurück und folgte seinem Freund hinüber ins Wohnzimmer. Wenn er ehrlich war, dann hatte er diesen Vorschlag bloß gemacht, damit Doflamingo endlich von ihm locker ließ und nicht den ganzen Abend damit verbrachte, sich um ihn zu sorgen. Und auch, um sich selbst ein wenig abzulenken. Beim Tanzen dachte man nämlich nicht nach, hatte Crocodile festgestellt. Und ganz genau das war es, was er gerade brauchte und wollte: nicht nachzudenken. Vor allen Dingen nicht über diese furchtbar eindeutige Anspielung seitens Doflamingo. Noch immer konnte er dessen Stimme so deutlich in seinem Kopf hören, als würde er ihm die Worte geradewegs ins Ohr flüstern: Wenn Crocodile und ich heiraten... …dann wären alle meine Schulden auch deine, beendete er stumm den Satz. Denn dann wärst du mein rechtlich anerkannter Ehemann. Und das durfte unter keinen Umständen passieren. Inzwischen war es zehn Uhr dreißig abends. Mihawks Geburtstagsparty war voll im Gange: Die Leute unterhielten sich und lachten fröhlich, lobten die wundervolle Torte und das tolle Buffet, und tanzten gelegentlich. Außerdem wurde eine ganze Menge Alkohol getrunken. Tatsächlich schien es sich bei Crocodile um den einzigen Partygast zu handeln, der heute Abend abstinent blieb. Trotzdem hatte sogar er eine ganze Menge Spaß, auch wenn er dies nicht unbedingt zugegeben hätte: Er tanzte zusammen mit Doflamingo zu ein paar Liedern im Wohnzimmer. Er genoss einige Köstlichkeiten vom Buffet in der Küche (Hancock war zuvorkommend genug gewesen, um verschiedene Imbisse anzubieten, die auch ihr Bruder mit seinem empfindlichen Magen vertrug). Und er unterhielt sich mit vielen intelligenten und interessanten Menschen. Insgesamt war er es eine wirklich sehr erfolgreiche Party. Auch seine stille Befürchtung, Doflamingo würde sich bei dieser Geburtstagsfeier in der Vorstadt schrecklich langweilen, war nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil: Sein Partner schien sehr viel Spaß zu haben. Er klammerte sich nicht an die wenigen Personen, mit denen er bereits bekannt war, sondern lernte rasch neue Leute kennen und führte gut gelaunte Unterhaltungen verschiedener Art. Er trank viel Bier und zwischendurch immer mal wieder ein wenig Hochprozentiges, aber niemals zu viel. Crocodile machte sich keine Sorgen um ihn. Er vertraute darauf, dass ein Mann in Doflamingos Alter seine Grenze kannte und diese nicht überschritt. Sein Partner war niemand, der sich über alle Maßen betrank und dann irgendwelchen Blödsinn anstellte. Ein solches Verhalten hätte Crocodile übrigens auch niemals toleriert. (Nur zu gut erinnerte er sich daran, dass damals aus ähnlichen Gründen seine Beziehung zu Marco in die Brüche gegangen war.) Crocodile hielt zwei kleine Weintrauben-Käse-Spieße in der Hand, während er seinen Blick durch das große Wohnzimmer schweifen lief. Neben ihm stand Doflamingo, der gerade mit seinem guten Freund Kuma sprach. Auf der Couch saßen Mihawk, Daz und Shanks, die sich über Kampfsport und Schwertkampf austauschten. Nicht weit von ihnen entfernt unterhielten sich Tashigi, Perona, Zoro und ein schwarzhaariger Junge mit einer kleinen Narbe unter dem linken Auge miteinander; Crocodile kannte den Jungen nicht, doch ging davon aus, dass es sich entweder ebenfalls um einen Schüler seines Bruders handelte oder aber um einen Freund, den die anderen Drei mitgebracht hatten. In der Nähe des Fensters standen Moria, Yasopp und Hancock zusammen. Im restlichen Raum verteilt hielten sich noch weitere Partygäste auf, die Crocodile allerdings größtenteils bloß vom Gesicht her kannte. „Wen suchst du?“, unterbrach ihn die neugierige Stimme seines Freundes, der sein Gespräch mit Kuma anscheinend beendet hatte. „Ach“, meinte Crocodile ein wenig verlegen und steckte sich einen der Weintrauben-Käse-Spieße in den Mund, „niemand Besonderem. Ich habe mich nur ein wenig umgesehen.“ Doflamingo brach in leises Gelächter aus. „Ich merke genau, dass du nicht die Wahrheit sagst“, meinte er breit grinsend und stieß ihm neckisch mit dem Ellbogen in die Seite. „Du hältst nach Hancocks neuem Freund Ausschau, nicht wahr?“ Crocodile fühlte sich ertappt und steckte sich den zweiten Spieß in den Mund. Er bemühte sich darum, möglichst gleichgültig mit den Schultern zu zucken, was ihm allerdings nicht ganz so gut gelang. Doflamingo jedenfalls wirkte nicht überzeugt. Und als sein Freund nicht zu kichern aufhörte, gab Crocodile schließlich unwillig zu: „Dann halte ich eben nach Hancocks Freund Ausschau. Na und? Wüsste nicht, dass das ein Verbrechen wäre. Außerdem bin ich doch ihr älterer Bruder! Ich muss einfach wissen, mit wem meine Schwester ausgeht! Das gehört sich nun mal eben so!“ Obwohl Doflamingo wie immer seine Sonnenbrille mit den getönten Gläsern trug, wusste Crocodile genau, dass sein Freund mit den Augen rollte. „Findest du diese Einstellung nicht ein wenig altmodisch?“, meinte er schließlich. „Hancock ist eine erwachsene Frau. Außerdem leben wir im einundzwanzigsten Jahrhundert.“ „Meine Sorge hat überhaupt nichts mit der Frage zu tun, in welchem Jahrhundert wir leben!“, warf Crocodile rasch ein. „Männer, die ihren Freundinnen etwas antun, existieren nämlich leider auch im einundzwanzigsten Jahrhundert. Da muss man sich überhaupt nichts vormachen. Außerdem möchte ich ihn ja nur mal sehen. Und ihm nicht gleich den Kopf abreißen.“ Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Aber ich vermute, dass daraus heute sowieso nichts mehr wird. Anscheinend ist er doch nicht gekommen. Jedenfalls sehe ich hier keinen Mann, der in ihrem Alter ist und für sie infrage käme.“ „Woher willst du wissen, dass er in ihrem Alter ist?“, meinte Doflamingo. „Hancock ist eine wirklich sehr attraktive Frau. Sie könnte sich sicherlich auch einen jüngeren Mann angeln. Du bist doch schließlich auch einige Jahre älter als ich.“ Crocodiles gab einen unwilligen Brummlaut von sich, ehe er erwiderte: „Ich glaube, dass er einfach nicht da ist. Vielleicht ist er verhindert. Wegen seiner Arbeit oder etwas Ähnlichem. Bestimmt stellt Hancock ihn mir das nächste Mal vor.“ „Du solltest dir nicht so viele Gedanken darum machen“, sagte Doflamingo. „Glaub mir: Meistens führt es sowieso zu nichts, wenn man sich in anderer Leute Beziehungen einmischt. Höchstens zu Streit.“ „Ich gehe wieder in die Küche“, meinte Crocodile, um diesem unangenehmen Gespräch zu entfliehen. „Die Käse-Weintrauben-Spieße sind wirklich lecker. Ich sichere mir lieber noch welche, bevor sie nachher alle weg sind.“ Und mit diesen Worten ließ er seinen ein wenig verdattert wirkenden Partner stehen. In der Küche schnappte sich Crocodile tatsächlich zwei, drei Spieße, ließ sich allerdings anschließend am Esstisch auf der gemütlichen Sitzbank nieder. Im Augenblick war er die einzige Person im Raum; alle anderen Partygäste hielten sich im Wohnzimmer auf. Nicht einmal Doflamingo, der wegen des unerwarteten Abgangs seines Freundes wahrscheinlich ein wenig eingeschnappt war, war ihm gefolgt. Nun, da Crocodile von der ausgelassenen Partystimmung abgeschnitten war, verflüchtigte sich plötzlich auch die gute Laune, die er bis eben noch gehabt hatte. Unwirsch ließ er seinen Blick über die vielen Köstlichkeiten, die in der Küche angerichtet waren, schweifen und fragte sich unweigerlich, wieso der neue Freund seiner Schwester heute nicht erschienen war. Zwar hatte er Doflamingo gegenüber recht überzeugend dargestellt, dass dieser womöglich aus einem seriösen Grund verhindert war, doch ihm selbst sagte sein sechster Sinn, dass er mit dieser Vermutung falsch lag. Vielleicht hatten die beiden Schluss gemacht, schoss es Crocodile durch den Kopf, während er einem Käse-Weintrauben-Spieß vernaschte. Es kam durchaus vor, dass Paare sich schon nach wenigen Tagen oder Wochen wieder voneinander trennten. Man siehe sich da nur Doflamingo an: Wenn er seinem Partner Glauben schenken konnte, dann hatte dieser noch niemals zuvor eine Beziehung geführt, die länger als ein paar Wochen gehalten hatte, und er war etwa im selben Alter wie seine Schwester. Oder aber Hancock hielt ihren neuen Freund vor ihm geheim, mutmaßte Crocodile, und diese Vorstellung sagte ihm ganz und gar nicht zu. Es war niemals ein gutes Zeichen, wenn man eine Liebesbeziehung vor seiner Familie verheimlichte. Schließlich hatte sogar er selbst den Mut dazu aufgebracht, seinen beiden Geschwistern seinen Partner vorzustellen, und Doflamingo stellte mit seiner exzentrischen Art und seinem extravaganten Kleidungsstil beileibe keinen einfachen Fall dar. Als Crocodile auf diesen Gedanken kam, breitete sich in seinem Körper sofort ein unangenehmes Gefühl von Misstrauen und Sorge aus. Was nur könnte der Grund dafür dass, sein Hancock ihm ihren neuen Freund nicht vorstellen wollte? Hatte er seine Schwester bei ihrem Telefongespräch neulich etwa so abgeschreckt, dass sie es für ratsamer hielt, noch ein wenig Zeit ins Land gehen zu lassen, ehe sie einander bekannt machen wollte? Oder war der Grund ein völlig anderer? Crocodile wurde aus seinen sorgenvollen Gedanken gerissen, als er hörte, dass eine weitere Person die Küche betrat. Und als er aufblickte, sah er ausgerechnet in das Gesicht von Hancock. Ehrlich gesagt war er ein wenig überrascht darüber, dass ausgerechnet sie hier auftauchte, doch Hancock selbst schien sich überhaupt nicht darüber zu wundern, dass er sich allein in der Küche aufhielt. Wahrscheinlich war sie ihm also gefolgt. „Wie gefällt dir die Party bisher?“, fragte ihn seine jüngere Schwester, und obwohl sie sich um einen unbekümmerten Tonfall bemühte, spürte Crocodile ganz deutlich, dass sie ihm irgendetwas Wichtiges zu sagen hatte. Wollte sie vielleicht jetzt auf ihren Freund zu sprechen kommen? Ihm erklären, wieso dieser nicht zur Geburtstagsfeier ihres Bruders erschienen war? Trotzdem beschloss Crocodile, erst einmal auf den Zug aufzuspringen. „Sehr gut“, erwiderte er also und steckte sich den letzten Käse-Weintrauben-Spieß, den er in der Hand hielt, in den Mund. „Die Party scheint ein voller Erfolg zu sein.“ „Finde ich auch“, meinte Hancock und wich seinem Blick aus. „Ich bin mir sicher, dass Mihawk sehr glücklich ist, auch wenn er es nicht unbedingt sonderlich deutlich zeigt. Du weißt ja, wie er ist. Vor allen Dingen über das Geschenk, das du und Doflamingo ihm gemacht habt, freut er sich wirklich sehr.“ „Das ist schön zu hören“, sagte Crocodile; doch auch wenn es ihn stolz machte, dass das Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder so gut angekommen war, blieb seine Aufmerksamkeit bei seiner Schwester haften. Noch immer wurde er das Gefühl nicht los, dass diese ihm irgendetwas sagen wollte. „Und wie gefällt es Doflamingo bisher? Er ist als reicher Geschäftsmann doch sicher Parties in einer ganz anderen Größenordnung gewohnt, oder nicht?“ „Keine Sorge, Doflamingo amüsiert sich sehr gut“, erwiderte er. „Er hat bereits viele neue Leute kennengelernt. Vor allen Dingen mit Shanks scheint er sich gut zu verstehen.“ „Das freut mich.“ Als Hancock noch immer herumdruckste und nervös mit den Füßen scharrte, ohne auf den Punkt zu kommen, wurde es Crocodile schließlich zu viel. Er bemühte sich zwar um eine freundlich Stimmlage, doch kam endlich ganz direkt auf das Thema zu sprechen, das schon die ganze Zeit über unausgesprochen zwischen ihnen in der Luft hing: „Sag mal, ist dein Freund heute nicht da? Ich habe ihn noch gar nicht gesehen.“ „Um ehrlich zu sein, möchte ich genau darüber mit dir reden“, erwiderte Hancock und Crocodile war sich nicht ganz sicher, ob sie erleichtert darüber war oder es als bedrückend empfand, dass er dieses empfindliche Thema angeschnitten hatte. „Darüber mit mir reden?“, hakte Crocodile skeptisch nach und zog eine Augenbraue hoch. „Genau“, sagte Hancock, ehe sie mit einer ein wenig gefestigteren Stimme fortfuhr: „Bevor ich ihn dir vorstelle, möchte ich nämlich einige Dinge mit dir abklären.“ Crocodile verstand zwar nicht ganz, worauf seine Schwester hinauswollte (ihr neuer Freund war doch gar nicht anwesend, oder?), doch schwieg und hörte ihr genau zu, während sie sprach: „Ich weiß, dass du dich als mein großer Bruder sehr um mich sorgst. Was ich übrigens sehr nett und rührend finde. Allerdings will ich, dass du dir einer Sache ganz deutlich bewusst wirst: Ich bin für mein Leben selbst verantwortlich und treffe meine eigenen Entscheidungen, ganz gleich ob sie dir gefallen oder nicht. Schließlich bin ich eine erwachsene und selbstständige Frau. Wenn du also mit der Wahl meines Partners nicht einverstanden sein solltest, dann werde ich deine Meinung zwar akzeptieren, aber ich werde mich nicht von ihr beeinflussen lassen. Immerhin wäre es andersherum ja genauso: Auch wenn Mihawk und ich Doflamingo nicht leiden könnten, würdest du deswegen die Beziehung zu ihm nicht beenden.“ „Natürlich nicht“, gab Crocodile wahrheitsgemäß zu, auch wenn ihm bereits Böses schwante. Hancock hielt sicherlich nicht ohne Grund eine solch alarmierende Rede. Crocodile malte sich bereits aus, dass der neue Freund seiner Schwester womöglich ein Schwerverbrecher war oder vielleicht ein Drogenabhängiger, wenn nicht sogar Schlimmeres. Er schluckte unweigerlich, als sie meinte: „Warte bitte eben hier, ja? Ich hole ihn rüber, damit ihr beide euch kennenlernen könnt.“ Während Hancock ins Wohnzimmer hinüber huschte, um ihren neuen Freund hereinzuholen, schossen Crocodile mindestens eintausend verschiedene Gedanken durch den Kopf, von denen der eine beunruhigender als der andere war. Zwar hatte er keine genaue Vorstellung davon, was ihn gleich erwarten würde, doch Crocodile war sich sicher, dass er nicht begeistert sein würde von der Partnerwahl seiner Schwester. Warum sonst würde sie so viel Aufwand betreiben, um ihn vorzuwarnen? Hoffentlich war es zumindest niemand, der ihr Gewalt antat. Eine solche Beziehung, wie er sie selbst mit Enel geführt hatte, wünschte Crocodile wirklich niemandem. Und am allerwenigsten seiner eigenen Schwester. Crocodile hatte kaum genug Zeit, um sich seelisch auf das jetzt Folgende vorzubereiten. Noch bevor er seinen Gedankengang zu Ende gebracht hatte, betrat Hancock erneut die Küche; an der Hand hielt sie einen Jungen mit schwarzem Haar, der unbekümmert grinste. Was auch immer Crocodile erwartet hatte: Dies war es auf jeden Fall nicht gewesen. Völlig verdattert und unfähig, auch nur einen einzigen artikulierten Laut über die Lippen zu bringen, musterte er den neuen Freund seiner Schwester. Es dauerte einige Sekunden, ehe er ihn anhand seiner markanten Narbe als den Jungen wiedererkannte, der mit Tashigi, Perona und Zoro zusammen auf der Couch im Wohnzimmer gesessen und sich unterhalten hatte. Demnach war er also doch den ganzen Abend über anwesend gewesen. Crocodile wäre bloß niemals auf den Gedanken gekommen, dass es sich bei diesem... diesem Kind um den neuen Freund seiner Schwester handeln könnte. „Luffy, das ist mein älterer Bruder Crocodile“, meinte Hancock, die wohlweislich so tat, als hätte sie seinen Schock überhaupt nicht mitbekommen. „Crocodile, das ist mein Freund Monkey D. Luffy. Wir sind seit fünf Wochen ein Paar.“ „Freut mich, dich kennenzulernen“, fügte Luffy, noch immer breit und unbekümmert grinsend, hinzu. Freundlich hielt er ihm seine rechte Hand hin. „Ich habe schon sehr viel von dir gehört.“ Ohne dass Crocodile seine Einwilligung dazu gegeben hätte, sah er, wie seine eigene Hand ganz automatisch in die ihm hingehaltene einschlug. Er war sich sicher, dass er in seinem ganzen Leben noch niemals einen so laffen und kraftlosen Handschlag gegeben hatte. „Ähm, jetzt habt ihr euch beide ja endlich kennengelernt“, meinte Hancock recht angespannt. Sie schien zu ahnen, dass ihr Bruder sich jeden Moment vom ersten Schock erholen würde, weswegen sie an ihren Freund gewandte sagte: „Luffy, warum gehst du nicht zurück ins Wohnzimmer und unterhältst dich ein wenig mit Zoro? Ich würde sehr gerne noch einmal unter vier Augen mit meinem Bruder sprechen. Ist das in Ordnung für dich?“ „Klar“, gab Luffy kurzerhand zurück. Sie küssten sich kurz, ehe er anschließend die Küche wieder verließ. Kaum war der Junge außer Sichtweite, spürte Crocodile, dass er sich endlich wieder einigermaßen gesammelt hatte. Völlig entsetzt und wutentbrannt sah er zu seiner Schwester hinüber, die ihm wiederum einen äußerst unwilligen Blick zuwarf. „Das ist doch nicht dein ernst, Hancock, oder?“, meinte Crocodile und seine Stimme klang deutlich schärfer als beabsichtigt. „Ich wusste, dass du nicht einverstanden sein würdest!“, erwiderte seine Schwester schwermütig seufzend. „Aber wie auch immer: Ich habe dir bereits gesagt, dass deine Meinung nichts an meiner Beziehung zu Luffy ändern wird. Er ist und bleibt mein Freund, ob es dir nun passt oder nicht!“ „Hancock!“, warf Crocodile aufgebracht ein und verstand überhaupt nicht, wie sie in dieser Hinsicht bloß so ignorant sein konnte. „Das ist kein Mann, sondern ein Junge. Ich bitte dich! Wie alt ist er? Sechzehn?!“ Sie schwieg für einen Moment, ehe sie schließlich unwillig zugab: „Siebzehn.“ „Und du bist Anfang dreißig!“ „Na und?“, erwiderte Hancock, die plötzlich auf Konfrontationskurs zu gehen schien: „Dass wir beide in einer Beziehung sind, ist nicht strafbar. Außerdem ist Luffy emotional viel reifer als Andere in seinem Alter. Ich jedenfalls finde, dass wir beide sehr gut zusammen passen und ich werde mir unsere Beziehung von dir nicht madig machen lassen!“ „Ob es strafbar ist oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle!“, gab Crocodile mit lauter Stimme zurück. „Es ist nämlich auf jeden Fall moralisch höchst verwerflich! Wahrscheinlich geht er sogar noch zur Schule! Hancock, du solltest als erwachsene Frau wirklich klüger handeln!“ „Was hat denn die Frage, ob er noch zur Schule geht, damit zu tun?“, versuchte sie vom Thema abzulenken und ihn in die Ecke zu drängen. „Sein Alter und sein derzeitiger Berufsstand spielen doch überhaupt keine Rolle. Für mich zählt nur, dass er sehr liebenswert und fürsorglich ist. Es angelt sich eben nicht jeder einen Multimillionär, Crocodile!“ Crocodile ignorierte diesen gemeinem Seitenhieb und setzte stattdessen zur Gegenwehr an: „Du bist fast doppelt so alt wie er, Hancock! Wie soll denn eure Beziehung in zehn oder zwanzig Jahren aussehen? Glaubst du wirklich, dass er, wenn er Ende zwanzig ist, mit einer Vierzigjährigen ausgehen will? Das ist doch völlig absurd!“ „Warum nicht? Ich bin mir sicher, dass ich auch noch mit vierzig sehr attraktiv aussehen werde“, warf sie ein. „Und außerdem sieht es bei dir und Doflamingo doch gar nicht so anders aus: Schließlich bist du auch mehr als fünf Jahre älter als er!“ „Wir sind beide zumindest volljährig, Hancock!“, entkräftete Crocodile ihr Argument. „Und außerdem in unseren Dreißigern. Das kannst du nicht miteinander vergleichen.“ Er schwieg für einen kurzen Moment und schüttelte den Kopf, ehe er schließlich mit energischer Stimme hinzufügte: „Warum nur willst du denn keine Vernunft annehmen, Hancock? Eure Beziehung hat keine Zukunft. Ihr beide seid einfach zu unterschiedlich. Früher oder später werdet ihr euch trennen. Das Beste ist, wenn du diese Beziehung jetzt gleich beendest. Glaub mir: Du wirst dir eine Menge Ärger und Tränen ersparen. Ganz sicher!“ „Du bist der allerletzte Mensch auf Erden, Crocodile, von dem ich einen Rat annehmen würde, wenn es um die Frage geht, wie man eine gut funktionierende Beziehung führt!“, spie Hancock ihm wutentbrannt entgegen. „Schließlich bist du derjenige von uns beiden gewesen, der fünf Jahre lang mit einem Mann zusammen geblieben ist, der dir immer wieder Gewalt angetan hat! Du hast nicht auf Mihawk und mich hören wollen, obwohl er dich jeden Tag niedergemacht, getreten und geschlagen hat. Ganz zu schweigen von dieser furchtbaren Sache, die vor kurzem erst im Skypia vorgefallen ist! Vielleicht ist Luffy nicht der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde. Das kann ich noch nicht sagen. Aber wenigstens weiß ich ganz genau, dass er mich -ganz gleich, was auch geschehen mag- niemals so schrecklich behandeln wird, wie Enel dich behandelt hat! Also sag du mir gefälligst nicht, wie ich mein Leben zu führen habe!“ Crocodile fühlte sich völlig überfordert und seltsam leer angesichts dieses schrecklichen Wutanfalls, der eben so heftig wie eine Tsunami-Welle über ihn hereingebrochen war. Er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Verdammt, er konnte nicht einmal genau sagen, was er fühlte. In seiner Brust rangen die verschiedensten Emotionen miteinander, doch keine erlangte die Vorherrschaft. Stattdessen wechselten sich Verletztheit, Wut, Erleichterung, Schuld, Machtlosigkeit, Bewunderung, Hass und Selbsthass in einem schnellen und unregelmäßigen Rhythmus ab. Seine ehemalige Beziehung zu Enel war für Crocodile ein absolutes Tabu-Thema; und irgendwann hatten sich auch seine beiden Geschwister damit abgefunden, dass er nicht über seinen selbstsüchtigen und gewalttätigen Exfreund reden wollte. Sie hatten es sich zu einem unbestimmten Zeitpunkt einfach abgewöhnt, über diesen Abschnitt in seinem Leben zu sprechen und taten zumeist so, als hätte diese Beziehung niemals existiert. Tatsächlich war es das allererste Mal, dass seine Schwester sich so deutlich und auch so schrecklich herablassend zu diesem Thema äußerte. Kaum erkannte Hancock, was sie angerichtet hatte, verwandelte sich ihr wütender in einen mitleidigen und schuldigen Blick. „Es tut mir leid, Crocodile“, sagte sie mit sanfter Stimme und kam einen Schritt auf ihn zu. „Ich... Ich wollte nicht... Das hätte ich einfach nicht sagen dürfen! Ich weiß doch, dass du dir nur Sorgen um mich machst... Bitte, ich...“ Hancock ging einen weiteren Schritt auf ihn zu und drang in seinen persönlichen Raum ein. Crocodile sagte nichts. Er äußerte sich überhaupt nicht zu der plötzlichen Reue seitens seiner Schwester. Stattdessen machte er auf dem Absatz kehrte und stürmte aus der Küche. Es versetzte ihn einen weiteren Schock, als er sah, dass sich sein Freund Doflamingo im Flur aufhielt. „Was zur Hölle machst du denn hier?“, brachte er mit erstickter Stimme zustande. „Wie viel hast du... Ach, verdammt...! Scheiß drauf!“ Crocodile lief an Doflamingo vorbei und riss sich mit einem kräftigen Ruck aus dessen Griff, als dieser versuchte, ihn am Hemdsärmel festzuhalten. Er stürmte zu der Gästetoilette hinüber, die sich ebenfalls im Erdgeschoss befand, und verriegelte die Tür hinter sich, ehe Hancock oder Doflamingo ihn davon abhalten konnten. Völlig durcheinander und ungeheuer verletzt ließ er sich auf dem heruntergeklappten Toilettendeckel nieder und unterdrückte mit aller Kraft die aufkommenden Tränen. Auch nach fünf Minuten, in denen Crocodile halbwegs erfolgreich die Tränen zurückgehalten hatte, war er immer noch nicht dazu in der Lage, zu fassen, wie sich seine eigene Schwester so unsensibel und verletzend zu der gewaltätigen Beziehung, in der fünf schreckliche Jahre lang gelebt hatte, äußern konnte. Sie war doch überhaupt nicht fähig dazu, nachzuvollziehen, was ihn davon abgehalten hatte, sich nicht schon früher von Enel abzuwenden! Sie wusste überhaupt nichts! Und doch machte sie ihn für dieses dunkle Kapitel in seinem Leben selbst verantwortlich! Wieso nur demütigte sie ihn und streute Salz in seine Wunden, die auch fünf Jahre nach der Trennung von seinem psychopathischen Exfreund noch nicht verheilt waren? Geistesabwesend strich Crocodile sich mit seiner rechten Hand über die Narbe, die quer und geradelinig über sein gesamtes Gesicht verlief. Dass sowohl Doflamingo als auch Hancock an die Türe der kleinen Gästetoilette klopften und ihn dazu aufforderten, diese zu öffnen, bekam Crocodile nur am Rande mit. Er hatte seinen beiden Geschwistern niemals verraten, dass es Enel gewesen war, der ihm diese Verletzung zugefügt hatte. Wenige Wochen nach dem Ende ihrer Beziehung war er spätabends erneut auf seinen Exfreund getroffen, der wohl auf der Lauer gelegen hatte und sich an ihm rächen wollte. Crocodile war allein gewesen, sein linker Arm noch immer eingegipst (Enel hatte ihm diesen gebrochen, was überhaupt erst der Anlass für die Trennung gewesen war) und sein Exfreund hatte ein Messer dabei gehabt. Crocodile hatte weder fliehen noch sich wehren können. Nachdem Enel ihm das Gesicht aufgeschlitzt hatte, war er rasch wieder verschwunden. Crocodile, der sich unfassbar gedemütigt und erniedrigt fühlte, hatte sein Portemonnaie und seinen teuren Mantel in eine große Mülltonne ein paar Straßen weiter geworfen, ehe er den Notarzt rief. Seinen beiden Geschwistern und Daz hatte er anschließend aufgetischt, er wäre auf eine Gruppe bewaffneter Delinquenten gestoßen, die ihn ausgeraubt und verletzt hätten. Außerdem hatte er ihnen glaubhaft gemacht, dass diese behauptet hätten, sie würden ihn erneut aufspüren, wenn er den Vorfall meldete, weswegen es niemals zu einer polizeilichen Ermittlung gekommen war. Enel war für seine Tat also niemals zur Rechenschaft gezogen worden. Nachfolgend hatte Crocodile auch die Anzeige wegen seines gebrochenen Arms zurückgezogen. Crocodile zog schnaufend die Nase hoch und griff nach ein paar Fetzen Toilettenpapier, um sie sich auf seine feuchten Augen zu pressen. Noch waren keine Tränen geflossen, doch er spürte deutlich, dass sie im Kommen waren. Es war das erste Mal seit Jahren, dass Crocodile sich wieder an diesem schrecklichen Vorfall erinnert hatte. Erneut spürte er, wie heiße Wut in ihm hochkochte, als er daran zurückdachte, was Hancock eben zu ihm gesagt hatte. Du bist derjenige von uns beiden, der fünf Jahre lang mit einem Mann, der dir immer wieder Gewalt angetan hat, zusammengeblieben ist! Du hast nicht auf Mihawk und mich hören wollen, obwohl er dich jeden Tag niedergemacht, getreten und geschlagen hat, konnte Crocodile die Stimme seiner Schwester hören, als würde sie neben ihm stehen und ihm die Worte direkt ins Ohr flüstern. Und je öfter er diese Worte in seinem Kopf wiederholte, desto vorwurfsvoller, beleidigender und demütigender klangen sie. Was wollte Hancock ihm damit sagen? Dass er es verdient hatte, jeden Tag misshandelt zu werden, nur weil es ihm nicht sofort gelungen war, sich aus der Beziehung zu Enel zu befreien? Dass es absolut legitim und gerecht war, dass sein Exfreund ihm seinen Arm gebrochen und sein Gesicht aufgeschlitzt hatte? Du hast nicht auf Mihawk und mich hören wollen, hörte er eine unsichtbare Hancock sagen, und darum hast du es auch verdient, so schlecht behandelt worden zu sein! „Verdammt, Crocodile!“ Es war Doflamingos laute und besorgte Stimme, die Crocodile schlussendlich aus seinen Erinnerungen riss. Er schüttelte den Kopf, als wollte er irgendwelche unerwünschten Gedanken einfach abschütteln, ehe er sich wieder zu sammeln begann. „Entweder du öffnest jetzt diese verfluchte Türe oder ich trete sie ein!“ „Dann bekommst du aber großen Ärger mit Mihawk“, erwiderte Crocodile und er wusste nicht, ob er diese Aussage ernst oder neckisch meinte. Noch immer hatte er seine Gefühle nicht geordent. Er schwankte irgendwo zwischem dem selbstsicheren und dem verletzlichen Crocodile. Und er war sich nicht sicher, ob er bereit dazu war, dieses zwielichte Mittelstadium seinen Partner zu offenbaren. Zwar war Crocodile ein Mensch, der sich schnell beleidigt fühlte oder rasch sehr wütend wurde, doch bisher war es noch niemals vorgekommen, dass Doflamingo ihn in einem solch gekränkten Zustand wie jetzt gerade erlebt hatte. „Ist mir egal!“, meinte dieser. „Ich kauf ihm eine neue Tür.“ Als Crocodile nichts erwiderte, fügte er hinzu: „Jetzt öffne sie endlich, Crocodile. Ich mache mir Sorgen um dich. Und Hancock auch.“ Crocodile seufzte. Er war sich noch immer nicht sicher, ob er jetzt mit seinem Freund sprechen wollte oder nicht. Wie würde Doflamingo reagieren, wenn er den sonst so starken Crocodile zusammengesunken wie ein Häufchen Elend vorfinden würde? „Crocodile! Also gut, du willst es nicht anders: Geh ein Stück zurück! Ich trete diese Türe jetzt ein!“ „Nein, ist schon gut, warte!“ Wenn er ehrlich war, dann hatte Crocodile nicht damit gerechnet, dass sein Partner seine Drohung ernst meinte und es tatsächlich in Erwägung zog, die solide Zimmertüre einzutreten. Und er hatte keine Lust darauf, Ärger mit Mihawk bekommen. Nicht nur wegen der kaputten Tür, sondern vor allen Dingen, weil er diesem nicht seine Geburtstagsparty verderben wollte. „Ist Hancock noch da?“ „Ja, ist sie. Sie steht hier neben mir.“ „Es tut mir wirklich leid, was ich gesagt habe, Crocodile“, warf diese sofort ein. „Das hätte ich nicht tun dürfen. Ich weiß doch, wie schlimm die Zeit mit Enel für dich gewesen ist.“ Anstatt seiner Schwester ein zorniges Du weißt überhaupt gar nichts! entgegen zu speien, ignorierte Crocodile sie und wandte sich stattdessen ein weiteres Mal an seinen Freund: „Sag ihr, dass sie verschwinden soll. Ich will sie jetzt nicht sehen. Dann mache ich auch die Tür für dich auf. Versprochen.“ Auf der anderen Seite herrschte für eine Weile Schweigen, ehe Doflamingo schließlich meinte: „Einverstanden. Sie geht.“ „Und sag ihr, dass sie Mihawk nichts erzählen soll!“, fügte Crocodile rasch an. „Er braucht hiervon nichts zu wissen. Ich möchte ihm nicht seinen Geburtstag verderben. Und sie soll auch Daz nichts sagen. Am besten überhaupt niemanden.“ „Sie hat es gehört“, meinte Doflamingo. Wenige Augenblicke später sagte er dann: „Hancock ist jetzt weg. Sie ist wieder zurück in die Küche gegangen. Alle anderen halten sich noch immer im Wohnzimmer auf. Wir beide sind jetzt also allein. Jetzt mach endlich die Tür auf!“ Crocodile gab sich selbst zwei Atemzüge und wischte sich zur Sicherheit noch einmal mit dem Hemdsärmel über die Augen, ehe er endlich die Türe der Gästetoilette öffnete. Draußen erwartete ihn ein Doflamingo mit undefinierbarem Gesichtsausdruck, der ihn sofort in die Arme schloss, kaum war er aus dem kleinen Raum herausgetreten. Crocodile ließ die Umarmung zu und drückte sein Gesicht in die Halsbeuge seines Partners; die Körperwärme, die er spürte, und der Duft, den er einatmete, beruhigten ihn seltsamerweise beinahe sofort. Nachdem er sie eine oder zwei Minuten lang genossen hatte, löste Crocodile sich allerdings wieder von Doflamingo und warf diesem einen skeptischen Blick zu. „Wie viel hast du mitbekommen?“, fragte er mit ernster Stimme. „Und wieso hast du überhaupt im Flur vor der Küche gestanden?“ „Ich habe nicht beabsichtigt, dich und Hancock zu belauschen, wenn du darauf hinaus willst“, erwiderte sein Freund sofort; er klang nicht so, als würde er lügen. „Ehrlich gesagt habe ich gar nicht bemerkt, dass sie zu dir hinüber in die Küche gegangen ist. Ich wollte unter vier Augen mit dir sprechen, weil du nach unserer Diskussion über ihren neuen Freund einfach weggegangen bist. Und dann habe ich euren Streit eben unweigerlich mitbekommen.“ „Du hast die erste Frage immer noch nicht beantwortet“, warf Crocodile ein. „Wie viel hast du gehört?“ „Naja“, Doflamingo zögerte für einen Moment, „eigentlich alles.“ Crocodile seufzte verzweifelt auf und legte sich die rechte Hand über die Augen. Im Prinzip hatte sein Partner eben seine allerschlimmste Vermutung bestätigt: Nun wusste er also ganz genau über die gewaltätige Beziehung Bescheid, die er fünf Jahre lang mit Enel geführt hatte. Oder wusste zumindest genauso viel wie seine beiden Geschwister, korrigierte Crocodile in Gedanken. Wie sollte er nun mit dieser Situation umgehen? Er hatte niemals vorgehabt, mit Doflamingo über Enel zu sprechen. Oder über irgendeinen anderen seiner Exfreunde. So etwas tat man ein einer Beziehung einfach nicht, fand Crocodile, es war unhöflich und aufdringlich. „Gibt es hier vielleicht einen Raum, in dem wir privat reden können?“, fragte Doflamingo, als sein Freund für eine Weile schwieg. „Also, abseits von der Party. Ich denke, die Gästetoilette ist ein wenig zu klein für uns beide.“ „Worüber willst du denn reden?“, meinte Crocodile. Um ehrlich zu sein, hatte er im Augenblick überhaupt keine Lust darauf, irgendwelche tiefschürfenden Gespräche mit seinem Partner zu führen. Am liebsten würde er sich jetzt in seinen Mercedes setzen und nach Hause fahren. Nach dem Streit mit seiner Schwester hatte er sowieso keine Lust mehr darauf, zu feiern. „Dass ich dich einfach so stehen gelassen habe, tut mir leid. Ich wollte mit dir bloß keine ellenlange Diskussion über Hancocks neuen Freund führen. Können wir dieses Thema jetzt bitte beenden?“ „Darum geht es doch gar nicht!“, erwiderte Doflamingo. „Ich möchte mit dir über den Streit sprechen, den du eben mit deiner Schwester hattest. Und über Enel.“ „Bitte nicht!“ Crocodile seufzte laut und wich dem Blick seines Partners aus. „Können wir nicht einfach nach Hause fahren?“ „Auf keinen Fall! Crocodile, du kannst nicht ewig vor diesen Dingen weglaufen! Es wird Zeit, dass du mit mir darüber sprichst. Schließlich bin ich doch dein fester Freund und genau dafür da. Du kannst mit mir über alles reden, was dich belastet!“ „Nein, das kann ich nicht“, warf Crocodile ein, „weil man nämlich mit seinem Partner nicht über irgendwelche ehemaligen Beziehungen spricht. So etwas ist rücksichtslos. Und aus demselben Grund zieht man ihn auch nicht in einen Familienstreit hinein. Das sind Dinge, die dich einfach nichts angehen! Und außerdem möchte ich auch überhaupt nicht mit dir sprechen - weder über Enel noch über Hancock.“ „Rücksichtslos? Das ist doch totaler Quatsch! Weißt du, was rücksichtslos ist: Wenn ich dir nicht dabei helfe, deine Probleme zu lösen, nur weil sie irgendetwas mit deinem Exfreund zu tun haben! Und jetzt lass uns endlich irgendwohin gehen, wo wir beide ungestört sein können: Wenn wir weiter hier im Flur rumdiskutieren, wird früher oder später einer der anderen Partygäste auf uns beide aufmerksam. Und das ist doch sicher das letzte, was du möchtest, oder nicht?“ Crocodile musste wohl oder übel zugeben, dass Doflamingo mit dieser Befürchtung Recht hatte. Und tatsächlich wollte er nicht, dass jemand Anderes sich in ihren Streit einmischte. Vor allen Dingen Mihawk oder Daz nicht. Also gab er der Forderung seines Freundes schließlich doch noch klein bei. „Oben gibt es ein Gästezimmer, das wir benutzen könnten“, meinte Crocodile unwillig und ließ sogar zu, dass Doflamingo ihn am Handgelenk packte und mit sanfter Gewalt die Treppe hoch lotste. „Aber trotzdem werde ich dich enttäuschen müssen: Es gibt keine Probleme, die du für mich lösen könntest! Wenigstens nicht durch Reden.“ Sie erreichten das Gästezimmer im ersten Stock. Es war ein mittelgroßer Raum, in dem ein Bett, ein Kleiderschrank und eine Couch mitsamt kleinem Couchtisch standen. Der Boden war mit einem gemütlichen Teppich ausgelegt und die Wände in einem schicken Weinrot gestrichen. Crocodile schloss die Türe hinter ihnen ab, damit sie in ihrem Gespräch (wohin auch immer dieses führen mochte) durch niemanden gestört werden würden. Doflamingo hatte sich auf der Couch niedergelassen und deutete an, dass sein Partner sich neben ihn setzen sollte. Crocodile seufzte ein weiteres Mal und wünschte sich mit aller Kraft, irgendwo anders zu sein, ehe er dem Wunsch schließlich nachkam. Crocodile sah starr zu Boden und sah nur aus dem Augenwinkel heraus, dass Doflamingo seine Sonnenbrille abnahm und auf den Couchtisch deponierte. Unweigerlich musste Crocodile schlucken. Wenn sein Freund seine heiß geliebte Sonnenbrille abnahm, dann bedeutete dies entweder phänomenalen Sex oder ein sehr unangenehmes Gespräch; und leider handelte es sich nun wohl eher um letzteres. Doflamingo schwieg für eine Weile, ehe er schließlich meinte: „Ich bin nicht sonderlich gut darin, Gespräche dieser Art zu führen. Du weißt schon, weil es sich bei unserer Beziehung um die erste für mich handelt, die mir wirklich ernst ist. Trotzdem denke ich, dass es jetzt ganz wichtig für uns beide ist, miteinander zu sprechen. Ich will, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin, wenn es ein Problem gibt. Und zwar ganz egal, ob dieses Problem mit mir zusammenhängt oder mit irgendwem anders.“ Crocodile überlegte kurz, wie er am besten auf diese untypisch ernste und einfühlsame Äußerung Doflamingos reagieren sollte, ehe er erwiderte: „Ich finde es wirklich sehr schön, dass du dich so sehr um mich sorgst und dich darum bemühst, mich zu unterstützen, Doffy. Aber es gibt nun einmal Dinge, über die ich nicht sprechen möchte. Dinge, die weit in der Vergangenheit liegen. Oder die sich durch Reden nicht ändern lassen. Du weißt, dass ich ein Mensch bin, der es hasst, Hilfe anzunehmen. Dafür bin ich einfach zu stolz. Das solltest du respektieren!“ „Aber ich bin doch dein Freund!“ Diese energisch ausgesprochenen Worte schienen fast schon aus Doflamingos Mund herauszubrechen. „Ich bin doch dafür da, um dir zu helfen und mit dir zu reden, wenn Probleme auftreten. Wenn du diese emotionale Ebene nicht zulassen möchtest, dann können wir uns unsere Beziehung doch direkt schenken! Wenn wir beide einander nicht vertrauen und es nicht schaffen, über Probleme zu sprechen, dann könnten wir immerhin auch genauso gut einfach nur, was weiß ich, eine Fickbekanntschaft führen!“ Ob Crocodile es zugeben wollte oder nicht: Ihn trafen die Worte seines Partners hart. Sie rührten ihn, doch zugleich jagten sie ihm auch Angst ein: Worauf wollte Doflamingo hinaus? Dass er sich von ihm trennen würde, wenn er jetzt nicht mit ihm über Enel oder Hancock sprach? Crocodile schluckte und spürte, dass der Speichel es nicht die Speiseröhre hinunter schaffte, weil ein dicker Kloß in seinem Hals sie aufhielt. Er erinnerte sich daran, dass Doflamingo bereits häufiger angemerkt hatte, ihm wären Ehrlichkeit und Vertrauen in einer festen Beziehung sehr wichtig. Er wünschte sich, dass sein Partner sofort zu ihm kam und darüber sprach, wenn sich irgendein Problem ergab. Unweigerlich musste Crocodile daran denken, dass er Doflamingo schon seit vielen Wochen anlog. Er hatte ihm nichts davon erzählt, dass Sengoku ihm gekündigt hatte. Oder davon, dass er fast eine halbe Millionen Berry Schulden hatte, weil er mit dem Tilgen seiner vielen Kredite nicht mehr hinterher kam. Und dass er seine teure Loft-Wohnung so oder so hätte aufgeben müssen, wusste Doflamingo auch nicht. Heftige Gewissenbisse packten Crocodile, als er sich ins Gedächtnis rief, dass er diesem sogar weißgemacht hatte, er hätte sich ab dem Fünfzehnten diesen Monats Urlaub genommen, obwohl er in Wirklichkeit ab genau diesem Tag endgültig entlassen sein würde. Er entsprach nicht im mindestens den Bedingungen, die sein Partner an ihn stellte. Nicht einmal eine so fundamentale Vorausetzung wie Ehrlichkeit konnte er erfüllen. Er war ein schrecklicher Freund! „Ich wollte dich mit meinen Worten nicht erschrecken oder verletzen“, lenkte Doflamingo rasch ein, als er den überaus schwermütigen und verzweifelten Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes bemerkte. „Und ich möchte dich auch nicht unter Druck setzen. Aber du sollst wissen, dass ich dir immer zuhöre und für dich da bin, wenn irgendetwas los ist. Und es macht mich eben manchmal ganz schön fertig, zu sehen, dass du mir auch nach neun Monaten Beziehungen so wenig vertraust und versuchst, mich aus allem rauszuhalten.“ „Du liegst falsch, wenn du denkst, dass ich dir nicht vertrauen würde“, erwiderte Crocodile, der sich mit der rechten Hand über die Lippen rieb. „Ich liebe dich und vertraue dir, Doffy. Aber es gibt nun einmal Dinge, über die ich nicht reden möchte. Über Enel zum Beispiel rede ich auch nicht mit meinen Geschwistern oder mit Daz, obwohl ich sie schon deutlich länger kenne als dich. Es hat nichts mit dir zu tun. Ich versuche einfach mit allen Mitteln, diese Zeit aus meinem Gedächtnis zu streichen. Es liegt wirklich nicht an dir.“ „Daz wusste aber deutlich mehr über Enel als ich“, warf Doflamingo ein. „Du hast mir ja nicht einmal erzählt, dass ihr beide jemals eine Beziehung geführt habt, ganz zu schweigen von irgendwelchen unangenehmen Details. Zum Beispiel habe ich erst durch Daz erfahren, dass er dir den Arm gebrochen hat. Weißt du noch? Es war im Skypia, kurz nachdem du dir auf der Toilette die Seele aus dem Leib gekotzt hattest.“ „Erinnere mich bitte nicht an diesen Vorfall“, entgegnete Crocodile. „Aber ich verstehe auch nicht, wie du dir das vorstellst: Wann hätte ich dir so etwas denn sagen sollen? Bei unserem ersten Date vielleicht? Hallo, wie geht’s dir? Ach übrigens, ich war mal mit einem Psychopathen zusammen, der mir den Arm gebrochen hat. Und bist du gut hergekommen? Das ist doch lächerlich!“ „Nicht bei unserem ersten Date!“, wandte Doflamingo mit knirschenden Zähnen ein. „Aber in einer anderen Situation vielleicht. Wir hatten doch bereits sehr viele vertraute Momente in unserer Beziehungen, in denen man so etwas hätte anbringen können!“ „Du verstehst einfach nicht, worum es geht“, meinte Crocodile schließlich und spürte, dass seine Geduld sich langsam dem Ende zuneigte. „Du hast vielleicht Recht damit, wenn du sagst, dass es viele Situationen gab, in denen ich dir von Enel hätte erzählen können. Und ich vertraue dir auch genug, um mit dir über ihn zu sprechen. Die Sache ist nur die: Ich will es einfach nicht! Ich habe keine Lust, mit irgendjemanden über diese Zeit zu reden. Die Beziehung zu Enel war fürchterlich und demütigend! Und ich bin längst darüber hinweg. Wieso also sollte ich diese alte Geschichte noch einmal vor dir auspacken? Es gibt keinen Grund, um mich wieder daran zurückzuerinnern!“ „Aber genau das ist doch nicht der Fall!“ Auch Doflamingo klang inzwischen sehr ungeduldig und aufgebracht. Crocodile ahnte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis aus dieser Diskussion ein echter Streit werden würde. „Du hast deine Beziehung zu Enel noch lange nicht verarbeitet, sondern bloß verdrängt. Glaubst du denn, ich habe nicht bemerkt, wie unwohl du dich im Skypia gefühlt hast? Du hast dich ständig nervös umgeschaut. Ich wette, du hattest Angst davor, ihm zu begegnen! Aber anstatt mir deine Gefühle mitzuteilen, sagst du nichts und stehst die Sache stillschweigend durch, und zwar mit allen Konsequenzen. Dabei hätte man doch ganz einfach in einen anderen Club gehen können. Dafür hättest du bloß mit mir sprechen müssen!“ „Worauf willst du hinaus? Dass ich es verdient habe, vergiftet zu werden, weil ich mit dir nicht über meinen Exfreund gesprochen habe? Wer hätte denn ahnen können, dass so etwas passieren würde?“ „Du drehst mir schon wieder die Worte im Mund herum!“, schimpfte sein Partner. „So habe ich es doch gar nicht gemeint und das weißt du ganz genau! Schließlich haben wir schon im Krankenhaus über dieses Thema gesprochen. Ich wollte nur sagen, dass du dir viel Ärger und Leiden sparen könntest, indem du mit mir über deine Gefühle sprichst!“ „Ich will aber nicht über meine Gefühle sprechen!“ Crocodiles Stimme klang deutlich lauter, als er es beabsichtigt hatte. „Aber ich bin doch dein Freund! Mit wem, wenn nicht mit mir, kannst du über deine Gefühle sprechen!?“ Auch Doflamingo war außer sich und schrie beinahe schon. Dem Umstand, dass sie beide sich bei diesem Gespräch im Kreis drehten, schenkte keiner von ihnen Beachtung. „Mit niemandem! Verdammt nochmal! Ich will einfach mit niemandem darüber sprechen! Kannst du das nicht verstehen!?“ „Aber warum denn nicht?“ „Na, weil ich mich deswegen schäme!“ Die Worte waren ihm über die Lippen gekommen, ehe er sie hätte aufhalten können. Völlig geschockt und bestürzt legte Crocodile sich die Innenfläche der rechten Hand über den Mund, als könnte er auf diese Weise das Gesagte zurücknehmen und verhindern, dass ihm noch mehr unüberlegte Worte entkamen. Betroffen wich er dem Blick seines Partners aus und fixierte stattdessen die Spitzen seiner schwarzen Schuhe. Wieso nur hatte er etwas so fürchterlich Dummes gesagt? „Du schämst dich?“, wiederholte Doflamingo ungläubig und entrüstet. „Aber es gibt doch überhaupt keinen Grund, um sich zu schämen. Dich trifft keine Schuld! Ganz im Gegenteil: Enel, dieser kranke Wichser, sollte sich schämen!“ „Du verstehst das nicht“, erwiderte Crocodile. Seine rechte Hand hatte inzwischen von seinem Mund abgelassen; stattdessen strich er sich geistesabwesend über die Narbe in seinem Gesicht. „Können wir dieses Gespräch jetzt bitte endlich beenden? Ich will nach Hause.“ „Wofür schämst du dich?“, bohrte Doflamingo nach, ohne auf den Wunsch seines Partners einzugehen. „Ich will jetzt nicht darüber reden!“ „Du willst nie darüber reden! Aber glaub mir: Es wird dir besser gehen, nachdem du dich endlich jemandem anvertraut hast. Also: Wofür schämst du dich?“ Inzwischen klang Doflamingos Stimme nicht mehr aufgebracht, sondern sehr sanft. Trotzdem ließ er nicht von seinem Vorhaben ab, seinen Freund zu einer ehrlichen Antwort zu drängen. Crocodile seufzte. Er war hin- und hergerissen: Auf der einen Seite fühlte er sich in diesem Gespräch sehr unwohl, wollte bloß nach Hause fahren und niemals wieder einen Gedanken an seinen psychopathischen Exfreund verschwenden, doch auf der anderen Seite kam nun in ihm der Wunsch auf, endlich einmal über seine Gefühle zu sprechen. Vielleicht würde es ihm ja tatsächlich besser gehen, wenn er diese Bürde mit jemand Vertrauenswürdigen teilte? Und hatte er nicht derzeit schon mehr als genug andere Probleme, die ihn ständig belasteten? Sicher würde es ihm guttun, eine Belastung weniger aushalten zu müssen. Vermutlich war es tatsächlich an der Zeit, über seine Beziehung mit Enel zu sprechen und sie endlich endgültig hinter sich zu lassen. Außerdem, dachte Crocodile, gab es dann ein Geheimnis weniger, das er vor seinem Freund hüten müsste. Doflamingo würde sich sicher über seine Ehrlichkeit freuen und auch über das Vertrauen, das er diesem entgegenbrachte. Crocodile atmete zweimal tief ein und aus, ehe er schließlich mit langsamer und ganz schmerzverzerrter Stimme meinte: „Ich schäme mich für mich selbst. Ich schäme mich dafür, dass ich ein schwacher Mensch gewesen bin. Es ist meine eigene Schuld gewesen, dass Enel mich so furchtbar behandelt hat, denn ich habe es zugelassen.“ Für einen Moment herrschte ein sehr unangenehmes Schweigen zwischen ihnen beiden. Doflamingo schien nicht recht fassen zu können, was sein Freund ihm da eben mitgeteilt hatte, und Crocodile starrte noch immer unverwandt auf seine Schuhe. Er wollte dem Blick seines Partners jetzt nicht begegnen. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, durchbrach schließlich Doflamingo das Schweigen. „Du gibst dir selbst die Schuld an den Dingen, die Enel dir angetan hat? Das ist doch absolut lächerlich, Crocodile! Es passt überhaupt nicht zu dir, so verquert zu denken!“ „Da hast du Recht“, stimmte Crocodile seinem Partner mit schwacher Stimme zu. „Es passt nicht zu mir. Eigentlich habe ich mich selbst immer für einen sehr selbstbewussten und stolzen Menschen gehalten, aber Enel hat mir das Gegenteil bewiesen: In Wirklichkeit bin ich schwach und abhängig. Schließlich hat es fünf Jahre lang gedauert, bis ich endlich Schluss gemacht habe, obwohl sein ausfallendes Verhalten schon nach wenigen Wochen begonnen hatte.“ „So habe ich es nicht gemeint!“, warf Doflamingo sofort ein. „Ich wollte doch nicht sagen, dass du schwach bist. Sondern, dass es völlig unsinnig ist, dich für schwach zu halten! In eine gewaltätige Beziehung kann jeder geraten!“ „So etwas passiert normalerweise nur Frauen ohne Selbstwertgefühl und ohne Zukunft!“, entgegnete Crocodile. „Aber ich bin eigentlich ein sehr stolzer Mensch, außerdem habe ich eine vielversprechende Ausbildung genossen. Und trotzdem ist es mir fünf Jahre lang nicht gelungen, mich von Enel abzulösen. Es ist nicht so, als hätte er mich in Ketten gelegt oder eingesperrt. Ich hätte jederzeit gehen können. Aber ich habe es nicht getan. Weil ich schwach und abhängig war.“ „Vielleicht hat er dich räumlich gesehen nicht eingesperrt“, erwiderte Doflamingo energisch, „aber er hat es auf seelischer Ebene getan. Und das ist sicherlich mindestens genauso effektiv! Erzähl mir mehr. Ich will alles wissen. Was hat er gesagt und getan, um dich an einer Trennung zu hindern?“ „Ich möchte mich lieber nicht daran zurückerinnern“, sagte Crocodile mit schwacher Stimme und rieb sich mit der rechten Hand über seine Wange. Im Augenblick fühlte er sich völlig ausgeliefert. Am liebsten wäre er einfach aufgestanden und aus dem Raum gestürmt. Er wusste selbst nicht genau, wieso er es nicht tat, sondern stattdessen neben seinem Freund sitzen blieb. „Ich kann mir gut vorstellen, dass du nur ungern an deine Beziehung mit Enel zurückdenkst“, meinte Doflamingo in einem Tonfall, der ernst und gleichzeitig sehr zärtlich klang. Behutsam legte er seinen Arm um die Hüfte seines Partners und Crocodile merkte, dass er sich wie von selbst in die Berührung hineinlehnte. Der Druck des Armes, den er spürte, sorgte dafür, dass er sich gleich ein wenig besser fühlte; und auch Doflamingos Geruch, den er einatmete, empfand er als überaus angenehm. „Aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es dir besser gehen wird, sobald du dich mir anvertraut hast. Es ist an der Zeit, dass du endlich über die Dinge sprichst, die vorgefallen sind. Und es gibt auch absolut keinen Grund, um sich zu schämen!“ „Du willtst also wirklich die ganze Geschichte hören?“ Doflamingo nickte untypisch ernst und warf ihm aus liebevollen Augen einen auffordernden Blick zu. Crocodile seufzte und vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge seines Partners. Er spürte, dass sein Freund ihm mit einer Hand sanft durchs Haar fuhr, und seufzte. Jetzt gab es kein wohl kein Zurück mehr. Crocodile sah Doflamingo nicht ins Gesicht, während er überhastet zu sprechen begann: „Im Prinzip hat alles damit angefangen, dass ich meine linke Hand verloren habe. Ich habe dir ja schon einmal erzählt gehabt, dass diese Zeit wirklich sehr schlimm für mich gewesen ist. Ich musste mein Studium unterbrechen und bin wieder zurück zu Mihawk gezogen, der sich um mich gekümmert hat. Es hat sich sehr rücksichtsvoll verhalten und mir dabei geholfen, wieder in mein normales Leben zurückzufinden. Trotzdem hat mich diese Zeit stark geprägt: Mein Selbstwertgefühl war absolut im Keller. Weil ich Mihawk nichts als Umstände bereitet habe, kam ich mir völlig überflüssig und wertlos vor. Schließlich konnte ich nicht einmal arbeiten und Geld zur Miete beitragen. (Mihawk hat in einer Mietwohnung gewohnt, ehe er dieses Haus hier gekauft hat, musst du wissen.) Und außerdem habe ich mich furchtbar verunstaltet gefühlt. Ich dachte mir, dass sicher niemand einen Typen mit nur einer Hand zum Freund haben möchte. Leider hat sich diese Befürchtung auch deutlich bestätigt: Es klingt jetzt vielleicht ein wenig arrogant oder oberflächlich, aber früher bin ich ziemlich oft angesprochen worden, sowohl von Frauen als auch von Männern. Seit mir allerdings die linke Hand fehlte, hat mir niemand auch nur scheelen Blick zugeworfen. Darunter habe ich sehr stark gelitten. Irgendwann habe ich dann auch selbst angefangen, mich unattraktiv und abstoßend zu finden. Jedenfalls: Als ich dann ein halbes Jahr später zur Universität zurückgekehrt bin, war ich ein komplett kaputter Mensch. Mein Stolz und mein Selbstwertgefühl waren stark angeschlagen. Daz hat zwar immer wieder versucht, mich aufzumuntern, aber es hat nicht viel geholfen. Die Blicke meiner Mitstudenten und ihr Gerede haben mich völlig fertig gemacht. Und in diesem Zustand habe ich für jemanden wie Enel natürlich ein gefundenes Fressen dargestellt! Ob du es glaubst oder nicht, Doffy, aber zuerst hat Enel einen sehr freundlichen und liebevollen Eindruck gemacht: An meiner fehlenden Hand schien er sich überhaupt nicht zu stören. Er hat sehr viele Komplimente verstreut und mich irgendwann sogar um eine Verabredung gebeten. Natürlich habe ich zugesagt. Um ehrlich zu sein, war ich bloß wahnsinnig glücklich darüber, dass sich endlich wieder ein Mann für mich interessiert. Und in der ersten Zeit lief es eigentlich auch ganz gut. Nach ein paar Wochen allerdings wurde er dann ausfallend. Es hat mit Kleinigkeiten angefangen: Mal hat er sich abfällig über mich geäußerst, mal mich grob angefasst oder Ähnliches. Außerdem hat er mich dazu gebracht, ihn ständig zu bedienen und zu umsorgen. Du weißt schon: Ihm sein Bier ins Wohnzimmer zu bringen und solche Sachen. Aber es war nichts wirklich Schlimmes dabei. Deswegen habe ich übrigens auch nichts davon meinen Geschwistern oder Daz erzählt. Sie waren nämlich sehr froh darüber, dass ich endlich wieder einen Freund gefunden hatte und aus meiner Depression herauskam. Ich wollte sie nicht enttäuschen, indem ich mich über solche Kleinigkeiten beschwerte. Bald allerdings wurde es schlimmer: Vor allem wenn er betrunken war, hat er mich regelrecht angeschrien und niedergemacht. Manchmal ist er auch handgreiflich geworden. Aber ich war naiv genug, um ihm immer wieder zu verzeihen. Er hat mir nämlich hinterher jedes Mal versprochen, dass es ihm leid täte und er sich ändern würde. Die üblichen Sprüche eben. Aber ich habe ihm geglaubt. Als wir ungefähr ein Jahr lang ein Paar gewesen sind, war ich kurz davor, mich von ihm zu trennen. Inzwischen wurde er immer öfter handgreiflich. Zu diesem Zeitpunkt hatte er mich zwar noch nicht ins Gesicht geschlagen, aber ständig zum Beispiel getreten oder sehr grob angefasst. Leider bemerkte Enel, was ich vorhatte, ehe es zu einer endgültigen Trennung kam. Und er begann damit, mir Schuldgefühle einzureden: Er sagte mir, dass ich froh sein sollte, dass sich überhaupt ein Mann für mich interessierte. Dass ich niemals wieder jemanden finden würde, wenn ich mich von ihm trennte. Und solche Dinge eben. Auch, dass es meine Schuld wäre, dass er ständig ausfällig wurde. Hinterher hatte er mir so erfolgreich eingeredet, dass alle Probleme in unserer Beziehung allein an mir lägen, dass ich den Gedanken, mich von ihm zu trennen, wegen meines schlechten Gewissens dann wieder verworfen habe. Die folgenden vier Jahre waren für mich die absolute Hölle: Immer wieder wollte ich mich von Enel trennen, doch niemals ist es mir gelungen. Und mit der Gewalt in unserer Beziehung ist es immer schlimmer geworden. Inzwischen ging er mich fast jeden Tag an. Und es blieb auch nicht nur bei Tritten oder Beleidigungen. Es klingt sehr traurig, aber tatsächlich habe ich es mir angewöhnt, immer einen Schal zu tragen, weil ich die Striemen an meinem Hals verdecken wollte.“ „Er hat dich gewürgt?!“ Es war das erste Mal, seit Crocodile mit dem Erzählen begonnen hatte, dass sein Freund ihn unterbrach. Doflamingos Stimme klang absolut wutenbrannt, hasserfüllt und schrecklich empört. „Dieser gottverdammte Hurensohn!“ Beschämt nickte Crocodile und fuhr rasch fort: „Das Problem lag jedoch darin, dass er mich nicht nur körperlich, sondern auch seelisch völlig fertig gemacht hat. Die Zeiten, in denen er mir versprochen hat, sich zu ändern, waren längst vorbei; nun hatte er angefangen, mich emotional zu erpressen. Eben, indem er mir Schuldgefühle einredete. Aber er zog auch andere Menschen in die Sache mit hinein: Er meinte zum Beispiel, dass ich meine Geschwister enttäuschen würde, wenn ich mit ihm Schluss machte. Dass ich sie schon mehr als genug mit meinen Problemen belastet hätte und ihnen eine weitere Krise meinerseits nichts zumuten dürfte. Vor allen Dingen mit solchen Argumenten hat er mich wieder unter seine Kontrolle gebracht, denn natürlich wollte ich gerade meinen Geschwistern gegenüber nicht undankbar erscheinen. Also habe ich diese Tortur weitere vier Jahre lang stillschweigend ertragen.“ „Aber haben denn Mihawk, Hancock oder Daz nichts mitbekommen?“, warf Doflamingo skeptisch ein. „Hast du ihnen vor Ende der Beziehung niemals erzählt, was Enel dir angetan hat? Und ist ihnen auch nichts aufgefallen?“ Crocodile seufzte. „Enel hat recht erfolgreich verhindert, dass ich mich oft mit ihnen traf. Das gehörte mit zu seinem Plan: Er wollte mich ganz für sich. Du musst wissen, dass Enel sehr eifersüchtig war. Dass ich mich nicht mehr mit Daz treffen sollte, hat er mit seiner Eifersucht und mit seiner angeblichen Angst, mich zu verlieren, begründet. Und die Treffen mit Mihawk und Hancock hat er immer wieder sabotiert. Zum Beispiel irgendwelche Notfälle vorgetäuscht und an meiner Pflicht als sein Freund appelliert, damit ich die Verabredung mit ihnen sausen ließ. Er hat es auch gehasst, wenn ich mit irgendjemandem telefoniert habe. Irgendwann war Enel selbst der einzige menschliche Kontakt, den ich noch übrig hatte. Was natürlich die Angst, ihn zu verlieren, vergrößerte. Dazu bestätigte er diese Angst, indem er mir ständig einredete, dass ich niemanden mehr hätte, wenn ich ihn verlassen würde. Dass ich ganz allein wäre. Außerdem überredete er mich irgendwann dazu, mir mit ihm zusammen eine Wohnung zu nehmen. Sie lag in einer anderen Stadt, sodass es praktisch unmöglich wurde, den Kontakt zu Daz und meinen Geschwistern auch nur sporadisch aufrecht zu erhalten. Er verlangte außerdem von mir, meine Arbeit aufzugeben. Gegen Ende unserer Beziehung hatte Enel mich also nicht nur in emotionaler Hinsicht in seiner Gewalt. Er machte mich auch finanziell von ihm abhängig. Und ich war ganz allein oder dachte zumindest, dass ich allein wäre. Währenddessen wurde die körperliche Gewalt, die er an mir ausübte, immer schlimmer. Dass er mich regelrecht verprügelte, auch ins Gesicht schlug, gehörte bald zur Tagesordnung. Es gab ja keine Freunde, Familie oder Arbeit mehr, vor denen man die Wunden hätte verbergen müssen. Enel sah keinen Grund mehr dazu, sich zurückzuhalten.“ Crocodile stockte und pustete eine Haarsträhne, die ihm ins Gesicht gefallen war, zur Seite. Doflamingo blickte ihn aus wachen und zornigen Augen heraus an. Wie immer, wenn er seine Sonnenbrille mit den getönten Gläsern nicht trug, bekam Crocodile das Gefühl, geröntgt zu werden. Dieses Mal störte es ihn allerdings nicht. Er hatte sich freiwillig dazu entschieden, sich seinem Partner zu offenbaren, und darum machte es ihm nichts aus, wenn dieser in ihm las wie in einem offenen Buch. Tatsächlich tat es sogar gut. Damit hatte Crocodile nicht gerechnet. „Was hat schlussendlich dazu geführt, dass du dich von ihm getrennt hast?“, fragte Doflamingo, als sein Freund auch nach einigen Minuten des Schweigens nicht weitersprach. Er wirkte sehr zornig und schien sich kaum beherrschen zu können. Crocodile sah, dass sogar eine Ader an seiner Stirn rot und wütend pochte. „Daz hat irgendetwas von einem gebrochenen Arm gesagt.“ Crocodile nickte. „Wir haben uns heftig gestritten. Es war das erste Mal seit langem, dass nicht nur er mich, sondern auch ich ihn anschrie. Ich hatte nämlich erfahren, dass er mich betrog. Schon seit Jahren. Er hatte drei oder vier dauerhafte Affären und immer mal wieder One-Night-Stands gehabt. Selbstverständlich hat er mir die Schuld in die Schuhe geschoben: Gemeint, ich würde viel zu selten Sex mit ihm haben wollen. Und ihn sowieso nicht befriedigen können, wegen meiner fehlenden Hand und auch, weil ich sein Sperma nicht schlucken wollte. Irgendwann ist der Streit dann völlig eskaliert und Enel hat mich krankenhausreif geschlagen. Ich hatte nicht nur einen gebrochenen Arm, sondern auch zwei gebrochene Rippen und eine Gehirnerschütterung. Mihawk, Hancock und Daz, die mich im Krankenhaus besuchen gekommen waren, erzählte ich allerdings nur von dem gebrochenen Arm, weil die anderen Verletzungen äußerlich nicht so leicht sichtbar waren. Ich wollte ihnen keine Sorgen bereiten.“ Crocodile stockte kurz und holte einmal tief Luft, ehe er fortfuhr: „Es tat gut, meine Geschwister und Daz endlich wiederzusehen. Ich habe ihnen zwar nicht gesagt, dass Enel mich so zugerichtet hatte, aber sie haben es auch so gewusst. Du musst wissen, dass Enel zuletzt sogar angedroht hatte, ihnen etwas anzutun, sollte ich die Wahrheit erzählen. Jedenfalls haben sie es trotzdem gemerkt und mich außerdem dazu ermutigt, ihn bei der Polizei anzuzeigen. Das habe ich dann tatsächlich auch getan. Dort habe ich Smoker kennengelernt.“ Crocodile überlegte kurz, ob es wohl ratsam war, einen weiteren Exfreund von ihm mit ins Spiel zu bringen, entschied sich allerdings schließlich dafür. Immerhin war Smokers Einsatz von nicht unwesentlicher Bedeutung gewesen. Und er hatte bereits mit Doflamingo darüber gesprochen, dass es sich bei ihm nicht um seinen ersten festen Partner handelte. „Ich weiß, dass du das jetzt nicht gerne hören wirst, aber Smoker ist mein Freund geworden, kurz nachdem ich mit Enel Schluss gemacht hatte. Er ist Polizist und hat mir bei der Anzeige und auch der Trennung von Enel geholfen. Außerdem habe ich mich bei ihm sicher gefühlt; er ist nämlich ziemlich stark und hat immer, auch nach Schichtende, seine Pistole mit sich geführt. Enel hat nämlich nicht sofort von mir abgelassen und unsere Trennung akzeptiert. Immer wieder hat er mir aufgelauert und versucht, auf mich einzureden. Ich denke, wenn ich Smoker nicht gehabt hätte, dann wäre Enel vielleicht sogar erfolgreich gewesen und ich wäre wieder zu ihm zurückgekommen. Glücklicherweise ist das allerdings nicht passiert. Und irgendwann hat Enel mich auch endlich aufgegeben. Ich habe wieder Arbeit gefunden, den Kontakt zu meinen Geschwistern und zu Daz wiederhergestellt und ihn nicht mehr wiedergesehen. Nun ja, bis es da diesen Vorfall im Skypia gegeben hat. Aber da warst du ja schließlich selbst dabei.“ Mit diesen Worten beendete Crocodile seinen Bericht. Beinahe schon schüchtern sah er zu seinem Partner hinüber und wartete gespannt dessen Reaktion ab. Noch immer wirkte Doflamingo empört und zornig. Crocodile hoffte bloß, dass dieser Zorn nicht ihm galt, sondern Enel. „Ich kann gar nicht so richtig fassen, was du mir erzählt hast“, sagte Doflamingo irgendwann und wirkte tatsächlich ganz außer sich. „Nichts, von dem, was ich gesagt habe, ist gelogen gewesen“, merkte Crocodile an, als er die Fassungslosigkeit seines Freundes bemerkte. „So habe ich es nicht gemeint!“, lenkte Doflamingo rasch ein. „Ich unterstelle dir auf keinen Fall, dass du lügst. Ich finde einfach bloß die Vorstellung, dass der Mann, den ich liebe, fünf Jahre lang unter solchen Umständen gelebt hat, schrecklich. Fünf Jahre lang bist du jeden Tag niedergemacht und misshandelt worden. Eine solche Behandlung hast du nicht verdient!“ „Vielleicht hätte ich lieber doch nicht mit dir über meine Beziehung zu Enel sprechen sollen“, meinte Crocodile, als er sah, wie stark Doflamingo mit seinen Gefühlen zu kämpfen hatte. „Um ehrlich zu sein, geht es mir jetzt wirklich viel besser. Dafür allerdings dir umso schlechter!“ „Ist schon gut“, meinte Doflamingo und brachte ein wackeliges Grinsen zustande. „Die Hauptsache ist, dass du diese Geschichte endlich von der Seele hast. Außerdem denke ich, dass ich dich jetzt in vielerlei Hinsicht ein bisschen besser verstehen kann. Zum Beispiel, was diesen Streit angeht, den du eben mit Hancock gehabt hast.“ „Ich hätte sie nicht so fertig machen dürfen“, meinte Crocodile seufzend. „Aber seit ich selbst mit Enel zusammengewesen bin, habe ich große Angst davor, dass zum Beispiel Hancock oder Mihawk in eine ähnlichen Beziehung geraten könnten. Gerade wenn einer der beiden Partner deutlich älter beziehungsweise jünger ist, kommt so etwas doch sehr häufig vor! Ich habe mir nur Sorgen gemacht. Trotzdem hast du vermutlich Recht behalten: Ich hätte mich nicht in Hancocks Liebesleben einmischen sollen. Zumindest nicht so stark.“ „Hancock hat sich bei eurem Gespräch auch nicht gerade vorbildlich verhalten“, versuchte Doflamingo ihm zu trösten. „Sie hätte sich in Bezug auf Enel nicht so abfällig über dich äußern dürfen: Gerade jetzt, wo ich die ganze Geschichte gehört habe, kommt es mir umso geschmackloser vor. Vielleicht könntet ihr beide ja gleich mal miteinander reden und diese Sache klären.“ „Noch ein unangenehmes Gespräch an diesem Abend“, meinte Crocodile und bemühte sich um ein wenig Ironie. „Scheint fast so, als wäre heute mein Glückstag!“ Doflamingo gluckste und beugte sich dann zu ihm hinüber, um ihn sanft auf den Mund zu küssen. Crocodile schloss seine Augen und ließ den Kuss zu. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Es hatte tatsächlich sehr gut getan, mit Doflamingo über Enel zu sprechen. Plötzlich hatte er das Gefühl, ein schreckliches Geheimnis weniger hüten zu müssen. Es war, als hätte sein Freund ihm eine schwere Last von den Schultern genommen. Ob es ihm wohl ähnlich ergehen würde, wenn er Doflamingo von seiner Kündigung und seinen Schulden berichtete? Auf einmal begann Crocodile zu zweifeln. Sollte er ihm von diesen beiden Angelegenheiten erzählen? Schließlich hatte sein Partner eben noch gemeint, er könnte mit ihm über jedes Problem sprechen, ganz gleich, worum es auch gehen mochte. Oder würde Doflamingo sich verletzt und beleidigt fühlen, weil er nicht sofort zu ihm gekommen war? Und immerhin stellte er in dieser Hinsicht kein unschuldiges Opfer dar: An seiner Kündigung war er schließlich selbst schuld. Und außerdem hatte er seinen Partner bereits wochenlang angelogen. Könnte Doflamingo ihm all diese Lügen verzeihen? Oder würde er sich wutentbrannt von ihm abwenden? „Was hast du? Crocodile? Du bist wieder ganz in deinen Gedanken versunken!“ Fahrig schreckte Crocodile auf; die Worte, die sein Freund zu ihm gesagt hatte, waren nur halb zu ihm durchgedrungen. Trotzdem meinte er: „Sorry. Ich, ähm, ich habe eben nur über etwas nachgedacht.“ „Und worüber?“, fragte Doflamingo ehrlich interessiert nach. „Ob ich schon dazu bereit bin, wieder nach unten zu gehen und mit Hancock zu sprechen“, log Crocodile rasch. „Und ob ich danach noch Lust habe, weiter zu feiern. Ich möchte Mihawk nicht enttäuschen, aber ich denke ehrlich darüber nach, gleich schon zu fahren. Bisher lief diese Party für mich nicht sonderlich gut.“ „Unsinn!“, meinte Doflamingo und rückte plötzlich sehr nah an ihn heran. „Ich jedenfalls fände es sehr schade, jetzt schon zu fahren. Und außerdem vergisst du, dass wir beide zu Anfang viel Spaß auf dieser Geburtstagsparty hatten. Erst, seit du mit Hancock gesprochen hast, läuft es nicht mehr ganz rund. Aber wir werden die gute Laune sicher wieder reinkriegen; du musst es nur zulassen!“ „Ich weiß ja nicht“, wendete Crocodile ein. Er war sowieso kein großer Fan von Parties und wünschte sich derzeit nichts sehnlicher, als sich Zuhause in sein Bett zu legen und neben Doflamingo einzuschlafen. Dieser Tag hatte ihm bisher nichts als unangenehme Wendungen beschert. „Vielleicht kann ich dich ja mithilfe anderer Argumente überzeugen“, meinte Doflamingo. Crocodile entging das anzügliche Grinsen, das auf den Lippen seines Freundes lag, durchaus nicht. Sofort spürte er, wie er rot zu werden begann und schüttelte halbherzig den Kopf. „Wir sind hier doch bei Mihawk Zuhause“, erhob Crocodile Einwand. „Man wird uns sicher hören. Außerdem sind wir sowieso schon viel zu lange weg. Daz und die Anderen fragen sich bestimmt schon, wohin wir beide verschwunden sind! Und ich will nicht erwischt werden!“ „Ich meine doch gar keinen richtigen Sex, wie du sagen würdest“, entgegnete Doflamingo, ohne dass der lüsterne Blick aus seinen Augen oder das anzügliche Grinsen von seinen Lippen verschwanden. „Keine Penetration. Schließlich haben wir gar kein Gleitgel hier! Ich dachte eher an einen Blowjob für dich. Du weißt schon, um deine Laune ein wenig anzuheben.“ Als Crocodile noch immer nicht ganz überzeugt wirkte, fügte sein Freund hinzu: „Die Tür ist sowieso abgeschlossen. Und wenn jemand anklopft und fragt, was bei uns los ist, lügen wir einfach: Wir könnten sagen, dass wir eine Meinungsverschiedenheit haben und hier oben die Sache unter vier Augen ausdiskutieren oder so etwas. Niemand wird etwas mitbekommen, glaub mir!“ „Na gut“, stimmte Crocodile zu, obwohl er sich bei diesem Angebot noch immer nicht ganz wohl fühlte. Auf der anderen Seite allerdings konnte er der Aussicht auf einen schönen Blowjob von seinem Freund nicht widerstehen. Um ehrlich zu sein, könnte er einen Orgasmus gut gebrauchen, um seine Laune aufzubessern. Im Augenblick fühlte er sich nämlich zwar nicht wirklich schlecht, doch seltsamerweise ein wenig ausgelaugt und matt; es war ihm beileibe nicht leicht gefallen, Doflamingo seine Geschichte anzuvertrauen. Noch während Crocodile seinen Gedanken nachhing, kniete sich Doflamingo vor ihm hin und machte sich an seinem Gürtel zu schaffen. Crocodile, der noch immer auf der Couch saß, war zwar ein wenig verwundert angesichts der Eile seines Freundes, doch ließ es trotzdem zu, dass dieser seinen Hose öffnete und sie ihm bis zu den Knöcheln hinunterzog. Auch sein Shirt wurde aufgeknöpft und sein Seidenschal zärtlich gelöst und abgenommen. Doflamingo stürzte sich nicht sofort auf das Glied seines Partners. Stattdessen begann er das Verwöhnprogramm, indem er Crocodile leidenschaftlich küsste. Crocodile, der durch Zungenküsse immer sehr erregt wurde, spürte sofort, wie sich sein Penis unter dem dünnen Stoff seiner Boxershorts aufrichtete. Plötzlich war es ihm ganz egal, ob irgendjemand an die Tür klopfen und nach ihnen fragen könnte. Er konzentrierte sich voll und ganz auf Doflamingos talentierte Zunge, die zärtlich über seine untere Zahnreihe fuhr und seine eigene Zunge zum Kampf herausforderte. Nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten, wanderte die Zunge seines Freundes weiter abwärts. Crocodile wollte zuerst seine Augen schließen und den Kopf in den Nacken legen, beschloss dann allerdings, dass der Anblick, der ihm geboten wurde, viel zu heiß war, um ihn sich entgehen zu lassen. Doflamingo fuhr mit seiner warmen und feuchten Zunge Crocodiles Brustbein entlang, ehe er sich endlich dem rechten Nippel seines Partners zuwandte. In beinahe schon quälend langsamer Manier leckte er mehrmals über den aufgerichteten Nippel und ließ seine Zunge um ihn herum kreisen, bevor er endlich herzhaft zu saugen begann. Crocodile war an den Brustwarzen sehr empfindlich und konnte ein Stöhnen, das ihm über die Lippen glitt, nicht ganz verhindern. Gedanklich machte er sich allerdings eine Notiz, möglichst leise zu bleiben. Schließlich wusste er nicht, wer wann möglicherweise nach oben in den ersten Stock des Hauses gehen und am Gästezimmer vorbeikommen würde. Leider schien sich Doflamingo wiederum keine Gedanken darüber zu machen, ob irgendjemand sie hören könnte oder nicht. Nachdem er den rechten Nippel seines Freundes bearbeitete hatte, wandte er sich dem linken zu und tat dort dasselbe. Anschließend fuhr er mit seiner Zunge über Crocodiles Hals, während er gleichzeitig mit einer Hand die dicke Beule in dessen Boxershorts massierte. Crocodile musste sich ehrlich zusammenreißen, um nicht laut loszustöhnen. Doflamingo wusste ganz genau, dass der Hals zu seinen allersensibelsten Stellen gehörte! Wenn er so weitermachte, dann würden sie beide mit absoluter Sicherheit Aufmerksamkeit erregen! Wahrscheinlich, dachte Crocodile resigniert, legte es sein Freund genau darauf an. Jedenfalls würde ein solch riskantes und rücksichtsloses Verhalten ziemlich gut zu Doflamingo passen. Sofort nahm Crocodile sich vor, nicht auf dessen Versuche hereinzufallen, und auf jeden Fall leise zu bleiben. Sein Vorhaben wurde auf eine harte Probe gestellt, als die Zunge seines Freundes seinen Bauchnabel umkreiste und anschließend hinunter zu den Boxershorts glitt. Mit beiden Daumen hob Doflamingo den Bund der Shorts an, damit er mit seiner warmen Zunge darunter fahren und die obersten Schamhaare necken konnte. Trotzdem gelang es ihm, standhaft zu bleiben. Als sein Freund sanft an seinen Boxershorts zog, hob Crocodile bereitwillig die Hüften an, damit dieser ihm das störende Kleidungsstück ebenfalls bis hinunter zu den Knöcheln ziehen konnte. Nun lag er ganz entblößt da: Sein Glied hatte sich inzwischen zu seiner vollen Größe aufgerichtet und die Eichel glänzte feucht. Wenn Crocodile ehrlich war, dann konnte er es kaum erwarten, dort unten endlich die talentierte Zunge seines Partners zu spüren. Er brannte förmlich darauf. Glücklicherweise kam Doflamingo rasch seinem Wunsch nach: Zärtlich fuhr er unten von den Hoden bis nach oben zur Spitze die volle Länge seines Gliedes entlang. Nachdem er den Schafft genug geliebkost hatte, umschloss er die Eichel mit seinem warmen Mund und begann langsam zu saugen. Crocodile musste sich auf die Unterlippe beißen, um einen Stöhnlaut zu unterdrücken. Normalerweise war er recht laut beim Sex und er war es nicht gewöhnt, sich zurückhalten und leise bleiben zu müssen. Unweigerlich erinnerte Crocodile sich an den Abend zurück, an dem sein Freund ihm auf dem Rücksitz seines Jaguars einen Blowjob gegeben hatte, während vorne der (hoffentlich) nichtsahnende Fahrer saß. Allein der Gedanke an dieses besondere Ereignis gab Crocodile einen besonderen Kick. Plötzlich kam ihm der Mund, der seine Eichel umschloss, noch um ein vielfaches enger und heißer vor. Dennoch gelang es ihm, ganz still zu bleiben und nicht ein einziges Mal zu stöhnen oder zu keuchen. Crocodile spürte, dass sein Freund zu ihm hinauf sah, und ihre beiden Blicke kreuzten sich. Seltsamerweise lag in Doflamingos stechend grünen Augen keine Zufriedenheit, sondern Missfallen. Und ehe Crocodile sich fragen konnte, was er falsch gemacht haben könnte, hatte dieser bereits deutlich mehr als die Hälfte seines erigierten Glieds in seinen Rachen gestopft und deep-throatete ihn erbarmungslos. Crocodile musste seine Augen schließen, den Kopf in den Nacken legen und die Lippen fest aufeinanderpressen, um nicht laut zu stöhnen. Jetzt endlich verstand er, was seinem Partner missfiel: Doflamingo versuchte mit aller Kraft, ein paar eindeutige Laute aus ihm herauszukitzeln! Irgendwann schien Doflamingo einzusehen, dass Crocodile sich ernsthaft vorgenommen hatte, standhaft zu bleiben. Doch er wäre nicht Donquixote Doflamingo gewesen, wenn er die Herausforderung nicht angenommen und mit aller Kraft versucht hätte, die Standhaftigkeit seines Partners zu brechen. Also setzte er alle Tipps und Tricks ein, die er kannte, um das Spiel zu gewinnen: Mal knetete Doflamingo zärtlich seine Hodensack, während er seine Eichel lutschte, mal rieb er seine Zunge ganz bewusst gegen diese winzige Stelle zwischen Eichel und Schafft, die ihn völlig verrückt machte und mal nahm er statt seines Gliedes einen seiner Hoden in den Mund und saugte sanft daran. Crocodile musste wohl oder übel zugeben, dass Doflamingo eine sehr talentierte Zunge besaß und noch dazu ein absoluter Experte auf diesem Gebiet war. Tatsächlich war er kurz davor, aufzugeben, und zumindest leise ein wenig zu stöhnen, als die Befürchtung, die Crocodile von Anfang an gehabt hatte, plötzlich wahr wurde: Jemand klopfte laut an die abgeschlossene Türe des Gästezimmers! „Crocodile?“, konnte er die besorgt klingende Stimme seines Bruders Mihawk hören, während Doflamingo unbeirrt mit seiner Zunge sein Glied auf- und abfuhr. „Doflamingo? Ist alles in Ordnung bei euch beiden?“ Crocodile wusste überhaupt nicht, wie er auf diese Situation reagieren sollte. Eben noch hatte er im siebten Himmel geschwebt, und nun tat sich plötzlich der Abgrund der Hölle vor ihm auf. Hatte Mihawk etwa etwas mitbekommen? Hoffentlich nicht! Er war doch die schließlich die ganze Zeit über tapfer geblieben und hatte keinen Laut von sich gegeben! Selbst Doflamingo hatte kein Wort gesprochen. Was sollte er denn jetzt nur tun? Glücklicherweise nahm sein Partner ihm die Entscheidung ab. „Wir hatten eine ziemlich heftige Meinungsverschiedenheit, Mihawk“, hörte er Doflamingo sagen, und zum ersten Mal in seinem Leben war Crocodile froh darüber, dass ihn sein Freund nicht zu Wort kommen ließ. „Crocodile und ich reden gerade miteinander. Aber mach dir keine Sorgen: Die Sache ist fast schon wieder geklärt. Wir kommen gleich zurück nach unten, ganz sicher!“ „Dann ist ja gut“, erwiderte Mihawk erleichtert. „Ich wollte euch nicht stören. Ich hatte mir nur Sorgen gemacht, weil ihr beide schon so lange verschwunden seid. Dann bis gleich!“ „Bis gleich“, erwiderte Doflamingo völlig schamlos und gelassen, ehe er sich wieder Crocodiles noch immer harten Glied zuwandte. Als hätte er durch diese peinliche Unterbrechung neuen Ansporn gewonnen, verwöhnte er es nur umso heftiger. Crocodile stöhnte leise, nachdem er sichergestellt hatte, dass sein Bruder wieder nach unten ins Erdgeschoss gegangen war. Er öffnete seine Augen und sah dabei zu, wie sein Partner seine Eichel mit dem Mund umschloss und fest daran saugte, während er gleichzeitig mit der rechten Hand seine beiden Hoden streichelte. Es dauerte keine halbe Minute, bis Crocodile sich endlich laut keuchend in den Mund seines Partner ergoss und anschließend schwer atmend nach hinten gegen die Rückenstütze der Couch lehnte. Doflamingo schluckte ohne zu Zögern das Ejakulat seines Freundes hinunter. „Du bist ein furchtbarer Mensch, Doffy“, meinte Crocodile nachdem er sich einigermaßen gesammelt hatte und sein Kopf wieder klarer wurde. Doch noch immer fühlte er sich äußerst benommen und ein wenig erschöpft, aber nicht auf eine schlechte Art und Weise. „Vielleicht“, erwiderte Doflamingo breit grinsend, „aber wenigstens gebe ich gute Blowjobs!“ „Dagegen lässt sich nichts einwenden“, gab Crocodile unwillig zu, während er nach seinen Boxershorts und auch seiner Hose griff. Er wünschte sich eine gute Zigarre, die er nach all dieser Aufregung in Ruhe rauchen könnte, doch leider befanden sich seine Zigarrenbox in der Innentasche seines Mantels, der unten im Flur an der Garderobe hing. Crocodile und Doflamingo verweilten noch ein paar Minuten im Gästezimmer im ersten Stock, um sich zu sammeln und wieder zur Besinnung zu kommen. Anschließend machten sie sich auf den Weg zurück nach unten, wo die Geburtstagsparty noch immer voll im Gang war. Zum Glück hatte, abgesehen von Mihawk, anscheinend niemand bemerkt, dass sie beide für gut eine Dreiviertelstunde von der Bildfläche verschwunden waren. Inzwischen hatten einige Partygäste das Wohnzimmer verlassen und machten sich in der geräumigen Küche des Einfamilienhauses breit, um sich dort fröhlich miteinander zu unterhalten und die leckeren Imbisse, die Hancock vorbereitet hatte, zu vernaschen. Die Torte allerdings war selbstverständlich längst schon restlos in den Bäuchen der Gäste verschwunden; sie hatte wohl tatsächlich so gut geschmeckt wie sie ausgesehen hatte. Hancock selbst allerdings war in der Küche nicht aufzufinden. Dafür allerdings Mihawk, der sein Gespräch mit seinem besten Freund Shanks sofort unterbrach, kaum hatte er seinen jüngeren Bruder ausgemacht. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck kam er zu ihm und Doflamingo hinüber gehuscht. „Habt ihr beide euren Streit geklärt?“, fragte Mihawk mit leiser Stimme und warf ihnen beiden gespannte Blicke zu. „Es tut mir wirklich leid, dass ich euch bei eurem Gespräch gestört habe. Ich hoffe, das es gut ausgegangen ist.“ „Keine Sorge“, erwiderte Crocodile verlegen und bemühte sich mit aller Kraft darum, die aufkommende Schamesröte zu unterdrücken und das wissende Grinsen, das auf den Lippen seines Partners lag, zu ignorieren. „Alles in Ordnung. Es hat sich bloß um eine Meinungsverschiedenheit gehandelt, nichts Dramatisches. Wir hatten uns sowieso fast schon wieder vertragen, als du nach oben gekommen bist.“ „Das ist schön zu hören“, erwiderte Mihawk und wirkte ehrlich erleichtert angesichts dieser Aussage. Anscheinend hatte er sich doch große Sorgen um seinen Bruder und dessen Freund gemacht; schließlich wusste Crocodile, dass er Doflamingo trotz seiner ein wenig extravaganten Art mochte. Er machte auf Crocodile sogar einen so ernsthaften Eindruck, dass er beinahe schon ein schlechtes Gewissen bekam, weil er ihn anlog. Auf der anderen Seite allerdings wäre er natürlich niemals auf den Gedanken gekommen, seinem Bruder die Wahrheit zu erzählen. Mihawk brauchte wirklich nicht zu wissen, was sein Freund und er oben im Gästezimmer nach ihrem anstrengenden Gespräch angestellt hatten. „Sag mal, Mihawk“, meinte Crocodile, um vom Thema abzulenken, „hast du Hancock gesehen? Ich möchte sie sprechen, aber ich kann sie weder im Wohnzimmer noch hier in der Küche finden.“ „Sie ist im Garten“, antwortete Mihawk und sofort legte sich wieder ein besorgter Ausdruck auf sein sonst so stoisch wirkendes Gesicht. „Weißt du, was mit ihr los ist? Sie hat eben einen sehr bedrückten Eindruck gemacht, wollte aber nicht darüber sprechen. Hast du dich nicht nur mit Doflamingo, sondern auch mit ihr gestritten?“ „Um ehrlich zu sein, ja“, gab Crocodile unwillig zu, fügte jedoch rasch an: „Allerdings denke ich, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt hat. Du weißt doch, wie viele Gespräche zwischen Hancock und mir ablaufen: Wir reden ständig aneinander vorbei. Bitte lass dir deswegen nicht die Laune verderben, ja? Ich werde jetzt sofort mit ihr sprechen und ich bin mir sicher, dass wir das Missverständnis schnell klären können.“ „Hoffentlich“, entgegnete Mihawk, der nicht völlig überzeugt wirkte. „Sie hat wirklich sehr bekümmert gewirkt. Und einen Streit zwischen euch beiden fände ich alles andere als schön. Dass es ausgerechnet an meinem Geburtstag so viel Streit geben muss...“ Er seufzte leise. „Wahrscheinlich hat Kuma Recht behalten: Überall dort, wo viele Menschen aufeinander treffen, gibt es unweigerlich Streitigkeiten.“ „Ach, Kuma scheint in manchen Dingen ein echter Schwarzseher zu sein“, warf Doflamingo in einem möglichst unbefangen klingenden Tonfall ein; wahrscheinlich, um der aufkommenden negativen Stimmung entgegenzuwirken. „Dabei meint er Vieles, was er sagt, gar nicht so ernst, wie es klingt. Wenn du verstehst, was ich meine. Und immerhin darf man nicht vergessen, dass es bei einer Party normalerweise nicht nur Streitigkeiten, sondern auch sehr viel Spaß gibt. Ich denke jedenfalls, dass sich heute Abend deutlich mehr Menschen amüsieren als sich streiten.“ Mihawk schwieg für eine Weile angesichts dieser kompliziert formulierten Weisheit seitens Doflamingo, ehe er schließlich zustimmend nickte. „Da hast du vielleicht Recht“, meinte er und klang nicht mehr ganz so pessimistisch wie eben. „Shanks sagte eben auch etwas Ähnliches.“ „Und ich bin mir sicher, dass Crocodile diese Meinungsverschiedenheit mit Hancock schnell aus der Welt schaffen wird“, fuhr Doflamingo unbeirrt fort, nicht ohne seinem Partner mit dem Ellenbogen einen unauffälligen Stoß in die Seite zu geben. „Nicht wahr, Wani? Warum gehst du nicht jetzt gleich in den Garten, um mit ihr zu sprechen? Je früher dieses Problem gelöst ist, desto besser.“ „Das sehe ich genauso“, stimmte Mihawk zu. „Ist ja schon gut“, erwiderte Crocodile säuerlich und trat seinem Partner wiederum möglichst unauffällig auf den Fuß; Doflamingo verzog den Mund ein wenig, doch ließ sich den Schmerz ansonsten in keinster Weise anmerken. „Ich gehe ja schon!“ Und mit diesen Worten verließ er tatsächlich seinen Bruder und seinen Freund, die beide in der Küche blieben und sich wahrscheinlich mit Shanks unterhalten würden, während er selbst sich auf den Weg zum Garten und gleichzeitig zu einem sehr unangenehmen Gespräch machte. Der Hintergarten des Einfamilienhauses war unbeleuchtet und wirkte seltsam trist im direkten Kontrast zu der durchschlagenden Party im Inneren des Hauses. Crocodile schloss die Türe, die nach draußen führte, hinter sich und hielt nach seiner Schwester Ausschau. Das Stimmengewirr und die laute Musik der Geburtstagsfeier drangen jetzt bloß noch stark gedämpft zu ihm hinüber. Hancock saß auf einer Gartenbank nicht weit von ihm entfernt. Sie schien zwar bemerkt zu haben, dass jemand hinaus in den Garten getreten war, doch blickte nicht auf, sondern starrte weiterhin niedergeschlagen auf ihre bunt lackierten Zehennägel, die vorne aus ihren High-Heels herauslugten. Crocodile räusperte sich und machte einen großen Schritt auf seine Schwester zu. Als diese noch immer nicht reagierte, nahm er schließlich all seinen Mut zusammen und meinte: „Hancock? Ich würde gerne mit dir reden. Wäre das in Ordnung für dich?“ Endlich sah Hancock auf. Sie weinte zwar nicht, doch ihr Gesichtsausdruck wirkte furchtbar niedergeschlagen. So hatte er seine jüngere Schwester nur selten gesehen. Um diese unangenehme Situation so schnell wie möglich zu beenden, kam Crocodile direkt auf den Punkt: „Es tut mir leid, dass ich versucht habe, dir deine Beziehung zu Luffy auszureden. Ich hätte mich nicht so stark in dein Leben einmischen dürfen. Immerhin bist du eine erwachsene Frau und weiß selbst, was das Beste für dich ist. Außerdem kenne ich deinen neuen Freund ja noch gar nicht richtig. Ich sage das jetzt nicht, um mich zu rechtfertigen; ich will nur, dass du mich besser verstehst: Ich habe so furchtbar überreagiert, weil ich mich um dich gesorgt habe. Ich weiß selbst, wie leicht man in eine Beziehung, in der jemandem Gewalt angetan oder jemand ausgenutzt wird, hinein geraten kann. Gerade, wenn einer der beiden Partner deutlich älter oder jünger ist, kommt so etwas häufig vor. Und vor diesem Schicksal wollte ich dich bewahren. Trotzdem war mein Verhalten falsch. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst.“ „Natürlich verzeihe ich dir“, erwiderte Hancock, und obwohl es nicht wirkte, als würde sie lügen, erschien sie Crocodile nach seiner Entschuldigung kein bisschen fröhlicher. „Und wieso bist du dann immer noch so schrecklich bedrückt?“ Hancock seufzte und schwieg für einen Moment, ehe sie meinte: „Ich kann dir verzeihen für das, was du gesagt hast. Aber ich kann mir selbst nicht für meine eigenen Worte verzeihen. Ich hätte niemals auf deiner ehemaligen Beziehung mit Enel herumhacken und dich deswegen herabsetzen dürfen! Das war einfach unmöglich von mir! Schließlich habe ich doch selbst miterlebt, wie stark du unter Enel gelitten hast. Wenn ich nur daran zurückdenke, wie du in diesem Krankenhausbett gelegen hast, nachdem er dich verprügelt und dir sogar den Arm gebrochen hat... Ich komme mir selbst so unausstehlich vor, Crocodile!“ „Ist schon gut“, sagte Crocodile und setzte sich neben seiner Schwester auf die kleine Gartenbank. „Ich denke, dass wir beide Dinge gesagt haben, die unter die Gürtellinie gegangen sind. Du verzeihst mir und ich verzeihe dir, damit sind wir quitt. So sehe ich das jedenfalls. In Ordnung?“ „Ich werde mir trotzdem den ganzen Abend lang furchtbare Vorwürfe machen“, erwiderte Hancock nichtsdestotrotz. „Unsinn!“, warf Crocodile ein. Und als er bemerkte, dass seine Schwester noch immer ganz geknickt und unglücklich wirkte, fügte er nach reiflicher Überlegung hinzu: „Du musst wirklich kein schlechtes Gewissen haben, Hancock. Außerdem habe ich eben mit Doflamingo ein wenig über Enel gesprochen. Das hat mir echt weitergeholfen und jetzt geht es mir schon viel besser. Es ist, als hätte er mit eine schwere Last von den Schultern genommen. Und wenn ich mich wegen dieser Sache nicht mehr belastet fühle, dann musst du es erst recht nicht tun. Also lass und dieses Thema jetzt beenden und den restlichen Abend genießen, ja? Schließlich wollen wir beide doch Mihawk nicht enttäuschen, oder?“ Hancock wirkte noch immer nicht ganz überzeugt, doch nickte zumindest zaghaft und stand von der Bank auf. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück in das Innere des Hauses und zur Party. „Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich zu Luffy hinübergehe“, meinte Hancock an ihn gewandt. „Ich fühle mich zwar nicht mehr so schlecht wie eben noch, aber ich denke, ich könnte jetzt ein wenig Aufmunterung gebrauchen. Und Luffy ist wirklich gut darin, mich aufzumuntern.“ „Mach nur“, erwiderte Crocodile, der froh war, diese Angelegenheit endlich geklärt zu haben. „Ich gehe währenddessen wieder in die Küche zu Doflamingo, ja? Und auch zu Mihawk. Er wird froh sein, zu erfahren, dass wir beide uns wieder vertragen haben. Er hat sich große Sorgen gemacht.“ „Gut. Dann bis nachher. Und wahrscheinlich hast du Recht: Wir sollten uns darum bemühen, heute Abend noch ein wenig Spaß zu haben. Wenigstens Mihawk zuliebe.“ Auch wenn Crocodile es nicht beabsichtigt oder auch nur damit gerechnet hatte, wurde die Nacht tatsächlich noch sehr schön. Die gute Stimmung hielt noch für viele Stunden lang an und kein einziger der mehr als zwanzig Partygäste wirkte unglücklich oder missgelaunt. Selbst Mihawk, der für Menschenansammlung normalerweise nicht viel übrig hatte, schien sich über den großen Erfolg seiner Geburtstagsparty zu freuen. Crocodile unterhielt sich mit vielen verschiedenen Menschen, stibitzte sich gelegentlich einen Käse-Weintrauben-Spieß oder ein mild gewürzte Pizzaschnecke vom Buffet und tanzte sogar noch zu ein paar langsamen Liedern mit Doflamingo im Wohnzimmer. Alles in allem wurde es ein sehr erfolgreicher Abend und gegen ein Uhr nachts hatte Crocodile fast schon wieder ganz vergessen, dass er sich überhaupt mit seiner Schwester gestritten hatte. Im Augenblick saß er gemeinsam mit Doflamingo in der Küche und plauderte mit diesem. In der Hand hielt sein Freund einen Cool Bull (einen für Doflamingos Geschmack untypisch bitteren Cocktail, den dieser sich mittels Wodka, Bitter Lemon und Energydrink eigenhändig gemischt hatte), während er selbst ein Glas stilles Mineralwasser vor sich auf dem Tisch stehen hatte. Mihawk hatte ihm zwar mitgeteilt, dass sein Partner und er sich gerne das Gästezimmer teilen dürften, doch Crocodile hatte höflich abgelehnt. Heute Abend wollte er lieber nüchtern bleiben und anschließend mit dem Auto wieder nach Hause fahren. Unter Anderem deswegen, weil er morgen noch einiges zu tun hatte: Er musste neue Bewerbungen schreiben und hatte außerdem noch eine Menge Papierkram zu erledigen, weil er die Konditionen einiger seiner laufenden Kredite zu seinen Gunsten ändern wollte. Angelegenheiten, die er am besten abfertigte, während Doflamingo noch seinen Rausch ausschlief, damit dieser auch ganz sicher nichts von alledem mitbekam. Crocodile schielte unauffällig zu der Uhr hinüber, die in der Küche über der Tür hing: Sie zeigte ein Uhr dreißig an. Er wusste, dass Doflamingo ein Mensch war, der eine Party niemals vor frühestens vier Uhr morgen verließ. Außerdem musste er zusehen, dass sein Freund eine vernünftige Menge Alkohol trank, damit dieser morgen besonders lange schlief und ihm selbst genug Zeit blieb, um in Ruhe und vor allen Dingen ungestört seine Angelegenheiten zu klären. Trotzdem sollten sie Mihawks Geburtstagsparty nicht zu spät verlassen, ansonsten hätte er nämlich das Problem, dass er selbst viel zu müde sein würde, um ordentlich seine Arbeit zu erledigen. „Dein Glas ist ja schon leer“, meinte Crocodile und bemühte sich um einen möglichst unverfänglich klingenden Tonfall. „Möchtest du noch etwas trinken? Wie wäre es nach einem so bitteren Cocktail mit mal wieder etwas süßerem? Magst du Batida de Coco? Ich kann dir einen Red Batida mischen, wenn du möchtest.“ Zu seinem Missfallen und zu seiner Überraschung schüttelte Doflamingo allerdings den Kopf, obwohl Crocodile genau wusste, dass sein Partner besonders gerne Cocktails trank, die auf Kokoslikör basierten. „Ich mag Cocktails, die Sahne enthalten, nicht so gerne“, erklärte Doflamingo auf den verwunderten Blick seines Freundes hin. „Tatsächlich?“, erwiderte Crocodile. „Das wusste ich gar nicht. Ich kann dir aber gerne auch etwas Anderes bringen. Worauf hättest du denn Lust?“ Crocodile wusste zwar nicht, wie viel Alkohol Doflamingo heute Abend bereits getrunken hatte, aber jedenfalls sah man ihm nicht einen einzigen Deziliter an: Weder lallte er, noch lief er torkelnd oder verhielt sich in irgendeiner Weise unangemessen. Man könnte fast meinen, er wäre genauso wie sein Freund abstintent geblieben. Und diesen Zustand wollte dieser gerne ändern. Je länger Doflamingo morgen seinen Rausch ausschlief (am besten bis in den frühen Abend hinein), desto mehr Zeit hätte er für das Schreiben seiner Bewerbungen übrig. „Ich denke, ich werde noch einen Cool Bull trinken“, meinte Doflamingo, fügte jedoch rasch hinzu: „Aber ich mische ihn mir selber! Das musst du nicht machen. Ich möchte nicht, dass mein Freund mich bedient! Da würde ich ja wie ein Pascha der übelsten Sorte wirken und das möchte ich auf keinen Fall!“ „Normalerweise brauche ich dich ja auch gar nicht zu bedienen“, entgegnete Crocodile verschmitzt und war bloß froh darüber war, dass sein Partner einen weiteren Cocktail trinken wollte, „das tun doch schon die vielen Dienstmädchen, die du eingestellt hast, Faulpelz!“ „Wieso Faulpelz?“, hielt Doflamingo halb ernst dagegen. „Du weißt doch selbst, wie groß unser Zuhause ist. Wenn ich niemanden einstellen würde, der mir im Haushalt hilft, würde die Villa schnell verwahrlosen. So etwas kann eine einzige Person eben nicht leisten!“ „Aber du rührst doch nicht mal den kleinen Finger“, meinte Crocodile, ehe er sich dazu entschloss, diese Diskussion zu beenden: „Wie auch immer. Wolltest du dir nicht einen Cocktail mischen?“ „Ich gehe erst, wenn du zugibst, dass ich kein Faulpelz bin!“ Crocodile lächelte, doch rollte gleichzeitig mit den Augen. Auf der einen Seite wünschte er sich, dass Doflamingo möglichst viel Alkohol trank, doch auf der anderen Seite war er niemand, der sich so leicht unterkriegen ließ. Also meinte er halb ernst, halb belustigt: „Dann nenn mir doch bitte eine einzige Sache in deinem Leben, die für dich Mühe und Anstrengung bedeutet.“ „Meine Arbeit“, erwiderte Doflamingo prompt. „Die vielen Firmen und Betriebe, dich ich leite, verursachen nämlich eine ganze Menge Arbeit! Außerdem trage ich die Verantwortung sowohl für das Geschäft als auch für die zahlreichen Mitarbeiter. Auch wenn ich vielleicht einen anderen Eindruck erwecke, ist es meistens wirklich alles andere als lässig.“ Warum nur musste sein Partner ausgerechnet das Thema Arbeit anschneiden? Crocodile unterdrückte ein genervtes Seufzen. Er hatte im Augenblick absolut keine Lust darauf sich mit dieser Sache auseinanderzusetzen. Morgen würde er bereits mehr als genug Nerven bei seiner Jobsuche einbüßen müssen, da wollte er wenigstens heute Abend nicht ständig an dieses Thema erinnert werden. Und darauf, dass Doflamingo ihm unter die Nase rieb, wie unwahrscheinlich gut dessen Geschäfte derzeit liefen, konnte er auch getrost verzichten. „Wenigstens kannst du immer pünktlich Arbeitsschluss machen und dir Urlaub nehmen, wann auch immer du möchtest“, warf Crocodile ein, bevor er schließlich meinte: „Aber na gut, du bist kein Faulpelz. Deinen Cocktail hast du dir redlich verdient.“ Um ehrlich zu sein, war Crocodile froh, als Doflamingo ihn endlich in Ruhe ließ, um zum Kühlschrank hinüber zu gehen und sich seinen Cool Bull zu mischen. Dass ausgerechnet dieser ihm eben wieder ins Gedächtnis gerufen hatte, dass er ab übernächster Woche arbeitslos sein würde, hatte ihm nämlich gehörig die Laune verdorben. Noch immer war kein neuer Job in Sicht und die vielen Schulden, die ihm im Nacken saßen, wurden nicht weniger. Ganz im Gegenteil: Sollte er demnächst nicht wenigstens die übelsten Schulden tilgen können, würden diese sich wegen horrender Verzugsgebühren sogar noch weiter erhöhen. Eine absolut schreckliche Vorstellung! „Crocodile?“ Es war die schüchterne Stimme von Tashigi, die Crocodile aus seinen Gedanken riss. Die junge Frau stand nicht weit von ihm entfernt und warf ihm einen unschlüssigen Blick zu. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, ihn so gedankenversunken vorzufinden. „Ja?“, meinte Crocodile rasch, nachdem er sich wieder gesammelt hatte. „Was gibt’s es denn, Tashigi?“ „Ich wollte mich gerne von dir verabschieden“, sagte sie und klang seltsamerweise ganz befangen. „Smoker holt mich gleich ab. Und außerdem möchte ich mich noch einmal bei dir bedanken. Du weißt schon: Weil du mir letztens geholfen hast, als ich die Kaffeeflecken auf der Bluse hatte. Akainu ist wirklich furchtbar pedantisch. Ich bin so froh, dass ich nicht mit dreckiger Kleidung zu ihm ins Büro musste!“ Sie stockte für einen kurzen Moment und warf einen verunsicherten Blick zu Doflamingo hinüber, der seinen Cocktail zwar bereits fertig gemischt hatte, doch keine Anstalten machte, zu seinem Freund zurückzukehren, während sich Tashigi mit diesem unterhielt. Stattdessen strahlte er eine Aura aus, die so negativ und missbilligend war, dass Tashigi sogar schlucken musste. Sie war ein Mädchen, das niemandem Ärger machen wollte und sich schnell einschüchtern ließ. Währenddessen musste Crocodile sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen und laut zu seufzen. Dass Doflamingo auch ständig so schrecklich eifersüchtig sein musste! Hatten sie dieses Missverständnis nicht schon vor Wochen geklärt gehabt? Außerdem war er selbst doch sowieso homosexuell. Es gab also wirklich keinen Grund, um der arme Tashigi so heftig zuzusetzen. Auch wenn Crocodile zugeben musste, dass er beinahe schon beeindruckt war angesichts der Tatsache, dass es Doflamingo allein mittels seiner Körpersprache gelang, einen anderen (wenn auch sehr unsicheren) Menschen kleinzukriegen. Da kam eindeutig wieder der erfahrene Geschäftsmann zum Vorschein. „Ich hoffe, dass du wegen mir nicht zu schlimme Probleme mit deinem Freund bekommen hast“, fuhr Tashigi fort und bemühte sich darum, die tödlichen Blicke zu ignorieren, die sie zwar nicht sehen, doch vermutlich deutlich spüren konnte. „Ich weiß ja selbst, dass die Situation, in der wir beide uns befunden haben, sehr missverständlich gewirkt haben muss. Es tut mir wirklich leid, dass du einen so großen Streit mit ihm hattest, nur weil du mir aus der Patsche geholfen hast.“ „Ist schon gut“, erwiderte Crocodile und bemühte sich darum, so deutlich zu sprechen, dass auch Doflamingo seine Worte mitbekam. „Es war ja bloß ein Missverständnis. Ich habe ihm die Situation erklärt und danach haben wir uns recht schnell wieder vertragen. Du musst dir also wirklich keine Vorwürfe machen, Tashigi.“ Crocodile sah, dass Tashigi erleichtert aufatmete, auch wenn sie noch immer Doflamingos giftige Blicke im Rücken spürte. „Dann ist ja gut“, meinte sie. „Weißt du zufällig, wo sich Mihawk aufhält? Ich möchte nicht gehen, ohne mich vom Gastgeber verabschiedet zu haben. Allerdings ich kann ihn nirgendwo finden.“ „Leider nein“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. „Aber er wird sicher gleich wieder auftauchen.“ „Okay“, meinte Tashigi. „Dann werde ich einfach solange warten. Smoker ist sowieso noch nicht da. Bis nächste Woche, Crocodile! Es war wirklich sehr nett, dich hier wiederzusehen.“ „Auf Wiedersehen, Tashigi“, erwiderte Crocodile leichthin und sah dabei zu, wie die junge Praktikantin anschließend beinahe schon fluchtartig die geräumige Küche verließ. Kaum war die junge Frau verschwunden, kehrte Doflamingo zurück und setzte sich neben seinen Partner an den Küchentisch. Von seinem Cocktail hatte er noch nicht einen einzigen Schluck genommen und seine Lippen waren untypisch humorlos verzogen. Crocodile rieb sich mit zwei Fingern der rechten Hand über seine Schläfe. Er war sich dessen bewusst, dass nun eine äußerst unangenehme Auseinandersetzung mit seinem Freund folgen würde. „Sie hat von Smoker gesprochen“, meinte Doflamingo und klang sehr ernst. „Ist das nicht dein Exfreund? Der, den du nach deiner Beziehung mit Enel gehabt hast? Ist Tashigi jetzt mit ihm zusammen! Aber sie ist doch bestimmt viel jünger als er, oder nicht? Und hattest du nicht gesagt, du hättest schon sehr lange keine Beziehung mehr mit einem bisexuellen Mann gehabt? Was hat das alles zu bedeuteten, Crocodile?“ Crocodile seufzte, als sein Partner ihn mit seinem richtigen Vornamen ansprach; das tat dieser nämlich nur, wenn ihm irgendeine Sache ganz besonders wichtig war. Crocodile überlegte, ob es ratsam sein würde, die Wahrheit zu erzählen oder lieber zu lügen. Schlussendlich entschied er sich dafür, bei der Wahrheit zu bleiben. Immerhin hatte er nichts falsch gemacht. „Sie ist seine jüngere Schwester“, sagte er schließlich und hoffte, dass Doflamingo diesen neuen Fakt gut aufnehmen und nicht eifersüchtig reagieren würde. Selbstverständlich trat das genaue Gegenteil ein. „Warum hast du mir das vorher nie erzählt?“, wollte Doflamingo ihn einen überaus anklagenden Tonfall wissen. „Warum sollte ich dir das erzählen?“, verteidigte sich Crocodile und seufzte. „Habe ich dir nicht eben erst erklärt gehabt, dass ich es nicht gerade für klug und rücksichtsvoll halte, über irgendwelche Exfreunde von mir zu sprechen? Ich weiß doch, wie schnell du eifersüchtig wirst! Außerdem gibt es überhaupt keinen Grund zur Besorgnis: Wir waren schon mehr als drei Jahre lang getrennt, bevor ich dich kennengelernt habe. Und das Ende unserer Beziehung ist sowieso einvernehmlich gewesen. Also krieg dich bitte wieder ein, ja?“ „Und dieser Smoker wird hier jeden Moment auftauchen?“, erwiderte Doflamingo, der die Bitte seines Partners einfach überhört zu haben schien. „Habt ihr beide noch Kontakt?“ „Nein, wieso sollten wir auch?“, meinte Crocodile. „Naja, wir grüßen uns, wenn wir uns irgendwo zufällig begegnen, aber das war es dann auch schon wieder. Schließlich hat es seinen Grund gehabt, dass wir uns getrennt haben. Und jetzt solltest du dich wieder beruhigen!“ „Die Trennung hat ihren Grund gehabt?“, wiederholte Doflamingo argwöhnisch und ignorierte erneut die Bitte seines Freundes. „Er ist nicht wie Enel gewesen, wenn du das denkst“, lenkte Crocodile rasch ein. „Und er hat mich auch nicht betrogen oder so etwas in der Art. Wir haben einfach festgestellt, dass unsere Beziehung keine Zukunft hat. Lange Geschichte. Jedenfalls ist alles in Ordnung. Also komm jetzt bitte wieder runter! Du willst doch nicht Mihawks Geburtstagsparty ruinieren, indem du hier vor allen Leuten eine Eifersuchtsszene schiebst, oder?“ Glücklicherweise gelang es ihm mittels dieses letzten Arguments tatsächlich, Doflamingo wieder zur Vernunft zu bringen. Zwar wirkte er noch immer mürrisch und verärgert, aber nicht mehr so zornig wie eben noch. „Ist ja schon gut“, meinte er sogar unwillig. „Ich werde ihm schon seinen verdammten Kopf nicht abreißen. Aber ich kann mich eben immer noch nicht mit dem Gedanken abfinden, dass du vor mir schon so viele feste Partner gehabt hast. Erst dieses Foto von Marco, dann der Vorfall mit Enel und jetzt diese Sache mit Smoker... Anscheinend sind deine Exfreunde ja noch immer nicht ganz aus deinem Leben verschwunden!“ „Mach dich nicht lächerlich!“, erwiderte Crocodile und seine Stimme klang deutlich schärfer als beabsichtigt. „Du übertreibst! Und was meinst du überhaupt damit, wenn du sagst, dass meine Exfreunde noch immer nicht ganz aus meinem Leben verschwunden sind? Es ist nicht so, als würde ich es darauf anlegen, sie wiederzutreffen. Gerade auf meine Begegnung mit Enel hätte ich nur zu gerne verzichtet; das kannst du mir glauben!“ „So habe ich es gar nicht gemeint“, lenkte Doflamingo hastig ein. „Ich wollte niemals den Eindruck erwecken, dass es deine Absicht wäre oder du es darauf anlegen würdest, sie wiederzusehen. Aber es nervt mich eben. Ich meine, wer trifft denn schon gerne auf den Exfreund seines Partners, ganz gleich in welchem Zusammenhang? Niemand, oder? Kannst du denn wirklich überhaupt nicht nachvollziehen, dass ich da ein wenig eifersüchtig werde?“ „Doch, schon“, erwiderte Crocodile wahrheitsgemäß. „Aber du wirst dich wohl oder übel damit abfinden müssen, dass ich bereits mehrere Partner hatte, bevor ich schließlich dich kennengelernt habe. Haben wir nicht erst letztens noch darüber gesprochen? Gerade, wo dieses alte Foto von Marco aufgetaucht war? Ich dachte, diese Sache wäre geklärt gewesen: Meine früheren Beziehungen sind alle aus gutem Grund zu Bruch gegangen. Jetzt bin ich weder mit Marco noch mit Enel oder Smoker zusammen, sondern mit dir, Doffy.“ Er benutzte absichtlich den Kosenamen seines Partners, den er immer nur beim Sex oder bei besonders wichtigen Diskussionen aussprach. „Und darüber bin ich unfassbar glücklich. Denn ich liebe dich und... und ich fühle mich in unserer Beziehung sehr wohl und geborgen. Also sei bitte nicht eifersüchtig, ja?“ Eigentlich passte es gar nicht zu einem Mann wie Crocodile, solche zärtlichen Worte in den Mund zu nehmen, doch in diesem Moment kam es ihm gut und richtig vor. Crocodile hatte das Gefühl, dass es jetzt gerade besonders wichtig war, seinem Partner deutlich zu machen, dass er ihn -wirklich nur ihn und niemand anderen- liebte. Er wollte nämlich auf jeden Fall vermeiden, dass dieser erneut mehr oder weniger subtile Andeutungen zum Thema Heiraten verstreute! „Ich liebe dich auch“, sagte Doflamingo und gab seinem Partner einen sanften Kuss auf den Mund. Da sich derzeit niemand außer ihnen beiden in der Küche aufhielt, ließ Crocodile den Kuss zu; Doflamingos Lippen fühlten sich weich und warm an. Es war nicht so, dass Crocodile sich für seinen Freund schämte (schließlich hatte er diesen gleich zu Beginn als solchen vorgestellt), doch er stellte seine Liebesbeziehungen nur ungern zur Schau. Seiner Ansicht nach gehörten Küsse, Liebesbekundungen und so weiter nicht in die Öffentlichkeit, sondern in einen geschützten und intimen Raum. „Wollen wir wieder hinüber ins Wohnzimmer?“, fragte Crocodile, nachdem sie beide den Kuss beendet hatten. „Immerhin ist die Party noch nicht zu Ende. Wir haben noch genug Zeit, um zu trinken und Spaß zu haben.“ „Wenn du weiterhin darauf bestehst, nachher Auto zu fahren, werde ich der einzige von uns beiden sein, der trinkt“, meinte Doflamingo mit tadelnder, aber nicht unernster Stimme. „Denn wenn du auch nur ein einziges Glas Wein trinkst, werde ich dir die Autoschlüssel wegnehmen, Wani!“ „Keine Sorge, ich bleibe bei meinem Wasser“, erwiderte Crocodile, für den es völlig außer Frage stand, betrunken Auto zu fahren. Seiner Meinung nach war ein solches Verhalten nämlich absolut verwerflich und gefährlich. Schon ganz wenig Alkohol im Blut konnte die Sinne und die Reaktionsfähigkeit des Fahrers deutlich beeinträchtigen. Diese Erfahrung hatte er schließlich am eigenen Leib machen müssen. Doch daran wollte Crocodile heute Abend nicht denken. Inzwischen war es zwei Uhr nachts und noch immer war der Großteil der Partygäste anwesend und vor allen Dingen bei bester Laune. Auch Mihawk war inzwischen wieder aufgetaucht. Gerade als Crocodile und Doflamingo den Raum betraten, verabschiedete er Tashigi, die (nach Zeff, der vor etwa einer Viertelstunde gegangen war) als Zweite die Geburtstagsparty verließ. Während die beiden noch miteinander redeten, betrat eine zusätzliche Person das Wohnzimmer: Smoker, Crocodiles Exfreund. Anscheinend war er hereingekommen, um nach seiner Schwester zu sehen, weil diese nicht draußen vor der Tür stand. Er wirkte nicht sonderlich überrascht, als er Crocodile zu Gesicht bekam, immerhin handelte es sich bei ihm um Mihawks jüngeren Bruder. Crocodile wusste nicht, womit Doflamingo gerechnet hatte, doch er schien sehr erleichtert zu wirken, als Smoker bloß kurz zu ihm hinüber sah und „Hey, Crocodile“ meinte. Er sagte es nicht in einem unfreundlichen oder zynischen, sondern freundlich-neutralen Tonfall, doch machte sich einmal die Mühe, zu ihm hinüber zu gehen und ihm die Hand zu schütteln. „Hey, Smoker“, waren wiederum seitens Crocodile die einzigen Worte, die sein Exfreund zur Begrüßung erhielt. Anschließend ging dieser zu Tashigi und ihrem Fechtlehrer hinüber; wahrscheinlich, um Mihawk nachträglich zum Geburtstag zu gratulieren und seine Schwester dazu anzuhalten, sich ein wenig zu beeilen. Es dauerte nicht lange, bis beide verschwunden waren. „Und?“, meinte Crocodile an seinen Partner gewandt. „War es nun so schrecklich schlimm, meinem Exfreund zu begegnen? Wie du siehst, ist überhaupt nichts passiert. Also gibt es auch keinen Grund, um eifersüchtig zu reagieren.“ „Es war okay“, gab Doflamingo unwillig zu und nahm einen großen Schluck von seinem Cool Bull. Er schwieg für einen Moment, ehe er allerdings hinzufügte: „Ich werde ihn trotzdem niemals mögen. Allein aufgrund der Tatsache, dass er dein Exfreund ist.“ „Du sollst ihn doch auch gar nicht mögen“, warf Crocodile ein. „Da ich nicht viel mit ihm zu tun habe, musst du dich nicht gut mit ihm verstehen. Ich möchte einfach nur, dass du einsiehst, dass du dich nicht unwohl fühlen musst, nur weil du nicht mein allererster fester Partner bist. Du bist derjenige, mit dem ich heute hier bin - und nicht er. Denn ich liebe dich und zwar mehr, als ich jemals irgendein anderen Menschen geliebt habe.“ „Ich liebe dich auch“, erwiderte Doflamingo und um seinen Partner nicht in Verlegenheit zu bringen, sprach er ebenfalls so leise, dass nur sie beide seine Worte verstehen konnten. „Mehr als alles andere auf der Welt. Du bist der Mann meines Lebens!“ Crocodile schluckte, doch ließ sich sein Unwohlsein ansonsten nicht anmerken. Der Mann meines Lebens, wiederholte er gedanklich und wusste nicht, was er von dieser Aussage halten sollte. Sie klang so schrecklich nach.... heiraten. Unsinn, redete Crocodile sich ein und nippte nervös an seinem Wasserglas. Er sollte jetzt nicht in Panik verfallen. Wahrscheinlich fürchtete er sich bloß so sehr davor, dass sein Freund ihm einen Heiratsantrag machen könnte, dass er überall irgendwelche an den Haaren herbeigezogene Andeutungen sah. Schließlich hatte Doflamingo genau diese Worte schon häufiger zu ihm gesagt. Zum Beispiel, als sie beide im Flying Lamb essen gegangen waren, erinnerte sich Crocodile plötzlich. Damals hatte Doflamingo genau diese Worte benutzt, als er versucht hatte, ihn davon zu überzeugen, zu ihm zu ziehen. Was ihm schlussendlich auch gelungen war. Ruhe bewahren, sprach Crocodile in Gedanken aus und bemühte sich darum, dem nachzukommen. Er machte sich hier doch nur selbst verrückt! Und vor allen Dingen lächerlich! Er sah Anspielungen, wo definitiv keine vorhanden waren! Nur weil er Angst davor hatte, dass Doflamingo ihm womöglich einen Antrag machen könnte, bedeutete dies schließlich noch lange nicht, dass diese Angst auch real war! Wahrscheinlich dachte sein Partner nicht einmal in diese Richtung, redete Crocodile sich ein und spürte, dass ihn dieser Gedanke tatsächlich zu beruhigen vermochte; auch wenn er einen gewissen Rest an Zweifeln einfach nicht vertreiben konnte. Um drei Uhr dreißig merkte Crocodile seinem Partner gegenüber an, dass er sich gerne allmählich auf den Heimweg machen wollte. Seit Tashigi gegangen war, hatte sich dieser noch drei verschiedene Cocktails gemischt und wirkte inzwischen mittelmäßig angetrunken. Da Crocodile bezweifelte, dass es ihm gelingen würde, ihn komplett betrunken zu machen, hatte er sein Vorhaben schließlich aufgegeben und beschlossen, sich mit diesem dürftigen Zwischenergebnis zufriedenzugeben. Er hoffte bloß, dass sein Freund tatsächlich recht lange schlief, damit für ihn genug Zeit blieb, um seinen privaten Angelegenheiten nachzugehen. „Jetzt schon?“, war leider die unwillige Antwort, die seitens Doflamingo erhielt. „Wir haben gerade einmal halb vier. Und außerdem ist doch noch der Großteil der Gäste da.“ „Trotzdem“, gab Crocodile zurück. „So langsam werde ich echt müde. Immerhin trinke ich im Gegensatz zu dir nichts. Und wir sind schon seit deutlich mehr als sieben Stunden hier; ich finde, das reicht.“ „Bestimmt enttäuschen wir Mihawk, wenn wir jetzt schon gehen“, wandte Doflamingo ein und es ärgerte Crocodile, dass sein Partner mit gezinkten Karten spielte und versuchte, irgendwelche familiären Pflichtgefühle für seine Zwecke auszunutzen. „Schließlich bist du doch sein Bruder!“ „Ich bin mir sicher, dass Mihawk es gut verstehen wird, wenn wir uns um diese Uhrzeit von ihm verabschieden“, erwiderte Crocodile darum sehr energisch. „Er ist kein Mensch, der versucht, jemand anderem etwas gegen dessen Willen aufzudrücken. Und außerdem haben wir noch eine fast einstündige Autofahrt vor uns, bevor wir in deiner Villa ankommen.“ „Mihawk hat doch angeboten, dass wir beide im Gästezimmer schlafen können“, warf Doflamingo plötzlich ein. „Warum machen wir das nicht einfach? Dann könntest du auch etwas trinken.“ „Darum geht es doch gar nicht“, meinte Crocodile. So langsam begann es ihn gehörig zu nerven, dass sein Partner seinem Wunsch, endlich nach Hause zu fahren, so sehr widerstand. „Ich möchte nämlich überhaupt nichts trinken. Seit diesem Vorfall im Skypia verzichte ich lieber für eine Weile auf Alkohol. Es geht darum, dass ich müde werde. Und außerdem ist inzwischen abgesehen von mir jeder hier betrunken und das nervt mich.“ „Wenn wir im Gästezimmer übernachten, kannst du dich jetzt sofort schlafen legen“, versuchte Doflamingo ihn noch immer zum Bleiben zu überreden. „Und ich komme dann im Verlauf der Nacht zu dir. Man sollte sowieso nicht im müden Zustand Auto fahren!“ „Verdammt, Doflamingo!“ Crocodiles anfängliche Geduld neigte sich nun langsam dem Ende zu und wurde durch Ärger und Unruhe ersetzt. „Warum nur willst du immer deinen Willen durchsetzen? Kannst du denn nicht einmal auch an mich denken? Ich möchte nicht mehr länger hierbleiben, weder hier unten bei der Party noch oben im Gästezimmer! Ich möchte zurück zur Villa fahren! Immerhin sind wir schon seit halb neun hier; das sind mehr als sieben Stunden!“ „Aber wenn du deinen Willen durchsetzen willst und ich mich dir beugen soll, dann ist das in Ordnung, oder wie?“, gab Doflamingo mit gereizter Stimme zurück. „Ich möchte noch bleiben, du möchtest fahren - und jetzt soll natürlich dein Wille gelten!“ „Das stimmt doch gar nicht!“, erwiderte Crocodile, der sich von der aufgeladenen Stimmung seitens seines Partners anstecken ließ. „Eigentlich wollte ich nämlich einen Kompromiss vorschlagen: Dass wir gemeinsam eine Uhrzeit aussuchen, zum Beispiel. Wie wäre es mit vier Uhr?“ „Diesen Kompromiss hast du dir doch gerade eben ausgedacht“, warf Doflamingo ihm missgelaunt vor. „Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?“ Crocodile erkannte seinen Partner kaum wieder. Sich so untypisch mürrisch und angriffslustig zu geben, passte überhaupt nicht zu dem unbekümmerten und fürsorglichen Mann, den er kannte. Lag das vielleicht am Alkohol? „Weißt du was: Kompromisse gehören nun einmal zu einer Beziehung mit dazu! Und wenn du keine Lust darauf hast, dann ist das nicht mein Problem. Von mir aus kannst du im Gästezimmer meines Bruders übernachten. Aber ich fahre jetzt nach Hause! Kannst dir ja ein Taxi nehmen oder so.“ Und mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und hielt nach Mihawk Ausschau, um sich von diesem zu verabschieden. Sonderlich weit kam er allerdings nicht: Er war kaum zwei Schritte gegangen, als sein Freund ihm am Hemdsärmel festhielt. Wütend riss sich Crocodile aus dessen Griff. Er war ein sehr stolzer Mensch und hatte es absolut nicht nötig, sich niedermachen zu lassen: weder von seinem Partner noch von sonst irgendjemandem. Diese Zeiten waren ein für allemal vorbei! „Hey, Crocodile, warte doch!“, meinte Doflamingo, der plötzlich sehr reumütig klang. „Das hätte ich nicht sagen sollen; es war dumm von mir.“ Angesichts dieser plötzlichen Bereitschaft, Fehler einzusehen, blieb Crocodile tatsächlich stehen und warf Doflamingo einen abschätzenden Blick zu. Er blieb absichtlich stumm und wartete darauf, dass sein Freund fortfuhr. „Ich bin eben wegen einer ganz anderen Sache wütend geworden.“ „Und weswegen genau?“, hakte Crocodile skeptisch nach, der noch immer nicht ganz dazu bereit war, seinem Partner dessen unangebrachte Anwandlung zu verzeihen. Doflamingo schwieg für einen Moment, ehe er beinahe schon betreten zugab: „Weil du ständig deine Villa sagst.“ „Hm?“ Crocodile verstand überhaupt nicht, worauf sein Partner hinauswollte. „Na“, meinte Doflamingo mit verzogenem Mund, „immer, wenn du mit mir redest, sagst du deine Villa. Dabei ist es doch gar nicht mehr nur meine Villa - es ist unser gemeinsames Zuhause. Und, naja, ich finde es total furchtbar, dass du immer noch ständig deine Villa sagst!“ Es dauerte eine Weile, bis die Worte, die sein Partner sagte, ganz bis zu Crocodiles Gehirn durchgedrungen waren. Er konnte kaum glauben, was er da hörte. Ihm kam dieser Vorwurf absolut hanebüchen vor. „Das ist dein Problem?“, wiederholte er darum ungläubig, als Doflamingo zu Ende gesprochen hatte. „Dass ist öfter deine Villa als Zuhause oder so etwas in der Art sage? Ich bin doch erst vor kurzem bei dir eingezogen; natürlich braucht es ein wenig Zeit, bis ich mich vollständig umgewöhnt habe! Aber warum hast du mir das denn nicht gesagt, wenn du so viel Wert darauf legst? Ich wusste ja nie, dass es dich so sehr verletzt, wenn ich deine Villa sage!“ „Keine Ahnung“, gab Doflamingo zu. „Vielleicht, weil es mir selbst bescheuert vorkam. Schließlich ist es ja wirklich nur eine Kleinigkeit. Und, naja, du sagst ja auch nicht immer deine Villa. Eben hast du zum Beispiel Ich fahre jetzt nach Hause gesagt.“ Verblüfft schüttelte Crocodile den Kopf. „Aber gerade wenn es sich doch nur um Kleinigkeiten handelt, kannst du mit mir darüber reden, Doffy“, meinte er und bemerkte selbst, dass er inzwischen wieder versöhnlich klang. „Das ist mir lieber, als wenn du die Dinge, die dich stören, runterschluckst und sie dann bei einem Streit, der überhaupt nichts mit diesem Thema zu tun hat, wieder hochkommen. Und außerdem bekomme ich nur dann die Chance, mich zu ändern und mich darum zu bemühen, deinen Wünschen nachzukommen, wenn du mir sagst, was dich an mir stört.“ „An dir als Person stört mich eigentlich überhaupt nichts“, lenkte Doflamingo rasch ein. „Mich stören höchstens ein paar deiner Verhaltensweisen. Aber ich will auch keinen Streit heraufbeschwören, indem ich dich mit Kleinigkeiten nerve. Du bist ja in letzter Zeit sowieso schon immer so schlimm im Stress wegen deiner Arbeit, da möchte ich dich nicht auch noch unter Druck setzen, wenn du abends endlich nach Hause kommst!“ „Oh“, machte Crocodile und sah betreten zu Boden. Es hatte gar nicht gewusst, dass Doflamingo der Ansicht war, ihre Beziehung stünde dauerhaft unter solch heftiger Belastung. Ganz im Gegenteil: Crocodile bemühte sich doch mit aller Kraft darum, seinem Partner so gut wie möglich aus seinem beruflichen Stress herauszuhalten. Nun, anscheinend gelang ihm dies nicht einmal ansatzweise so gut wie angenommen. „Nun ja, wie auch immer: Jedenfalls kannst du es mir gerne sagen, wenn dich etwas stört. Ich möchte, dass du weißt, dass wir beide über alles reden können. Und gerade solche Kleinigkeiten sind wirklich kein Problem für mich; du musst es nur sagen!“ „Okay“, antwortete Doflamingo und wirkte erleichtert. „Und von mir aus können wir auch um vier Uhr nach Hause fahren. Du hast Recht: Wir sind wirklich schon sehr lange hier auf dieser Party. Ich wäre zwar gerne noch länger geblieben, du weißt schon wieso... Ich verbringe gerne Zeit mit dir und deiner Familie. Du wirkst immer so angenehm entspannt, wenn Mihawk und Hancock in deiner Nähe sind. Aber ich kann es auch gut verstehen, wenn du allmählich müde wirst und wieder nach Hause möchtest. Schließlich hattest du gestern einen sehr anstrengenden und vor allem langen Arbeitstag.“ „Wir können vier Uhr fünfzehn machen“, lenkte Crocodile ein. „Wenn wir schnell fahren, sind wir dann etwa um fünf Uhr Zuhause. Das ist okay, denke ich. Aber dafür vergessen wir diesen blöden Streit, den wir eben hatten, und genießen die restliche Zeit hier auf Mihawks Geburtstagsparty. Bist du damit einverstanden?“ „Absolut“, stimmte Doflamingo ihm gut gelaunt und nahm den letzten Schluck aus seinem Glas Cool Bull. bye sb Kapitel 10: Kapitel 5 (zensiert) -------------------------------- Sie erreichten um etwa zwanzig Uhr dreißig das Haus, in dem Mihawk wohnte und in dem auch dessen Geburtstagsparty stattfand. Der lauten Musik, die bis nach draußen dröhnte, nach zu urteilen, war die Feier bereits in vollem Gange. Unwirsch stieg Crocodile aus seinem Mercedes aus und bekam nur am Rande mir, dass Doflamingo auf der Beifahrerseite dasselbe tat. Er umrundete den Wagen, um das Geschenk für seinen Bruder aus dem Kofferraum zu holen, ehe er sich gemeinsam mit seinem Partner auf den Weg zu dem mittelgroßen Einfamilienhaus machte. Seinen Mercedes C 216 hatte er absichtlich ein Stück weiter die Straße hinunter geparkt. Während sie den kurzen Fußweg zur Party seines Bruder zurücklegten, fragte Crocodile sich unweigerlich, was Doflamingo wohl von dessen Haus halten mochte. Bisher hatte sich sein Freund zu diesem Thema noch gar nicht geäußert; überhaupt war er die fast einstündige Autofahrt über relativ wortkarg gewesen, was eigentlich sehr untypisch für den ansonsten so redseligen und extrovertierten Mann war. Crocodile musterte das Haus, in dem Mihawk wohnte, ganz genau und bemühte sich darum, es durch die Augen seines Partners zu sehen: Es war ein mittelgroßes Einfamilienhaus mit Garten. Typisch für die Vorstadt. Das Haus war -ganz nach dem altmodischen Geschmack seines Bruders- mit viel Stuck verziert. Nebenan stand eine einzelne Garage. Das Auto, das darin stand, konnte man nicht erkennen, da die Garagentüre geschlossen war; doch Crocodile wusste, dass Mihawk einen Ford Mondeo fuhr. Der Wagen hatte neu nicht einmal 25.000 Berry gekostet und plötzlich war Crocodile sehr froh darüber, dass der Ford in der verschlossenen Garage stand. Er musste daran zurückdenken, wie sein Freund gemeint hätte, er besäße nicht ein einziges Auto, das weniger als 100.000 Berry wert war, und schämte sich plötzlich dafür, dass er aus einer nur mittelständischen Familie stammte. Die Haustüre war bloß angelehnt. Eine Tradition, die man in der Vorstadt nicht nur bei Feiern und Familienfesten gerne pflegte, in der Großstadt allerdings undenkbar wäre. Crocodile hatte in seiner Loft-Wohnung niemals auch nur ein Fenster offen gelassen, wenn er sich nicht in dem entsprechenden Raum aufhielt; geschweige denn, wenn er das Haus verließ. Da er im ersten Stockwerk gewohnt hatte, war das Risiko eines Einbruchs trotz Alarmanlage nicht auszuschließen gewesen. Bei seinen Nachbarn aus dem Erdgeschoss war vor kaum eineinhalb Jahren eingebrochen worden; die Diebe hatten alle Wertgegenstände, die sie in die Finger bekamen, mitgehen lassen. Es war ein Schaden von insgesamt mehr als 15.000 Berry entstanden. Glücklicherweise waren die Leute allerdings entsprechend versichert gewesen. Crocodile schob die Haustüre mit seinem Armstumpf auf der linken Seite auf; in der rechten Hand hielt er das hübsch verpackte Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder fest. Sie gelangten in einen langen und schmalen Flur, von dem rechterhand eine große Küche abzweigte, linkerhand das Wohnzimmer. Aus beiden Räumen war sowohl Partymusik als auch munteres Stimmengewirr zu hören. Crocodile zögerte für einen kurzen Augenblick, ehe er sich kurzerhand dazu entschloss, zuerst die Küche anzusteuern. Doflamingo folgte ihm auf dem Fuße. Die Küche war recht groß und sehr gemütlich eingerichtet; die Fronten der Küchenschränke waren aus demselben Kirschbaumholz gefertigt wie der Esstisch. Außerdem schien Hancock sich sehr viel Mühe mit dem Essen gemacht zu haben: Sowohl auf der Arbeitsfläche der Küche als auch auf dem großen Tisch standen heiße und kalte Köstlichkeiten verschiedener Art bereit. Den absoluten Höhepunkt allerdings stellte eine riesige und wunderschöne Torte dar. Sie war zweistöckig und mit weißem Fondant überzogen, außerdem mit hübschen Blumen aus Marzipan und Blütenblättern aus Minze dekoriert; obenauf thronten als Highlight zwei sich kreuzende Degen, gleich über dem verschnörkelten Schriftzug Happy Birthday, Mihawk!. Selbst Crocodile, der für solche Dinge nicht viel übrig hatte, musste zugeben, dass sich seine Schwester mit dieser Torte selbst übertroffen hatte. Da war es wirklich sehr schade, dass sein Magen etwas so Süßes nicht vertrug. Kaum hatten sie beide die Küche betreten, wandten sich ihnen die Menschen zu, die sich dort aufhielten; derzeit waren es Hancock, Mihawk und dessen bester Freund Shanks. Crocodiles Schwester kam sofort zum ihm herüber geeilt und schloss ihn in die Arme. Mihawk und Shanks folgten ein wenig gemächlicher. „Crocodile! Wie geht es dir?“, wurde er von Hancock begrüßt, noch ehe diese ihn losließ. „Ganz gut“, erwiderte er wahrheitsgemäß und erkundigte sich freundlich nach ihrem Befinden. Sie betrieben ein klein wenig Small-Talk, ehe Hancock zu Doflamingo hinüber huschte und Crocodile sich endlich seinem Bruder zuwenden konnte; schließlich handelte es sich bei diesem um das Geburtstagskind. „Alles Gute zum Geburtstag, Mihawk!“ Sie umarmten sich, was sie eigentlich nur zu besonderen Anlässen taten. (Weder Crocodile noch Mihawk waren so herzliche Menschen wie ihre jüngere Schwester.) „Danke“, meinte Mihawk. „Es freut mich, dass du und Doflamingo hier seid.“ „Von mir auch alles Gute zum Geburtstag!“, warf dieser rasch ein, als er mitbekam, dass der Bruder seines Partners auch ihn angesprochen hatte. Bis gerade eben war er noch damit beschäftigt gewesen, Hancock zu begrüßen. „Danke. Doflamingo, darf ich dir meinen besten Freund Akagami Shanks vorstellen?“ Mihawk deutete auf den rothaarigen Mann an seiner Seite, der freundlich lächelte und ihm die Hand hinhielt. Doflamingo schlug ein. „Shanks, das ist Donquixote Doflamingo, der feste Partner meines Bruders.“ „Donquixote?“, wiederholte Shanks noch immer lächelnd, doch mit nachdenklich zusammengezogenen Augenbrauen. „Dieser Name kommt mir bekannt vor. Heißt nicht so der neue Besitzer des Rain Dinners-Casinos? Aber wahrscheinlich ist es sowieso nur eine zufällige Namensgleichheit.“ „Nein, nein, du liegst schon richtig“, erwiderte Doflamingo zur Überraschung seines Partners. „Ich habe das Casino tatsächlich vor einigen Wochen erworben. Allerdings leite ich es nicht persönlich. Diese Aufgabe übernimmt einer meiner Mitarbeiter.“ Crocodile warf seinem Freund einen verwunderten Blick zu. Er hatte ihm gegenüber mit keinem Wort erwähnt gehabt, dass er das bekannte Rain Dinners-Casino gekauft hatte. Es war ein sehr großes und gut laufendes Lokal, das nicht allzu weit von Mihawks Wohnort entfernt lag. Crocodile hatte dort selbst für etwa zwei Jahre lang gearbeitet, ehe er sein Studium begann; doch über diesen Umstand wusste sein Partner selbstverständlich nicht Bescheid. Schließlich lag diese Zeit mehr als fünfzehn Jahr lang zurück. Doflamingo plauderte noch für eine Weile recht interessiert mit Shanks, ehe er sich endlich wieder seinem Freund und anschließend Mihawk zuwandte: „Wie wäre es, wenn du dem Geburtstagskind sein Geschenk überreichst, Wani?“ Crocodile warf seinem Partner einen finsteren Blick zu, weil dieser ihn in der Öffentlichkeit mit seinem peinlichen Spitznamen angesprochen hatte (Shanks' leichtes Grinsen war ihm nicht entgangen), ehe er seinem Bruder das längliche und hübsch eingepackte Paket überreichte. Mihawk nahm es neugierig dreinblickend entgegen. „Doflamingo und ich haben viel Zeit damit verbracht, uns ein Geschenk einfallen zu lassen, über das du dich freust“, erklärte Crocodile, während Mihawk die Schleife des Pakets löste. „Hoffentlich gefällt es dir!“ Kaum hatte er zu Ende gesprochen, war das Geschenk ausgepackt und das wertvolle Ritterschwert, das sie beide gekauft hatten, kam zum Vorschein. Crocodile konnte praktisch sehen, wie Mihawk der Atem stockte. Mit großen Augen begutachtet er das Schwert, ehe er vorsichtig, beinahe schon zärtlich mit den Fingern über die breite Klinge und den kunstvoll gearbeiteten Griff fuhr. Shanks, der -wie Crocodile wusste- sich ebenfalls sehr stark für den Schwertkampf interessierte, lehnte sich über die Schulter seines besten Freundes, um auch einen Blick auf das wertvolle Schwert werfen zu können. Währenddessen tauschten Crocodile und Doflamingo triumphierende Blicke aus. Mihawk schien sich tatsächlich unfassbar über sein Geburtstagsgeschenk zu freuen; die Überraschung war also gelungen. „Es ist ein Ritterschwert aus dem vierzehnten Jahrhundert“, meinte Crocodile und bemerkte stolz, dass sowohl Mihawk als auch Shanks überaus interessiert seiner Erklärung lauschte. „Es stammt aus Mitteleuropa. Detaillierte Informationen darüber, wem es gehört hat und wo es eingesetzt wurde, findet ihr in den entsprechenden Nachweisen. Als wir das Schwert gekauft haben“, Doflamingo hatte es gekauft, nicht er, schoss es Crocodile plötzlich unzusammenhängend durch den Kopf, während er sprach, „haben wir eine ganze Menge Dokumente dazu bekommen. Da steht alles mögliche Wissenswerte zu dem Schwert drin. Natürlich auch die Beweise, die belegen, dass es wirklich echt ist und keine Fälschung.“ „Wow, ich... Doflamingo, Crocodile... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, meinte Mihawk, während sein begeisterter Blick immer wieder zwischen seinen beiden Gästen und dem Geschenk, das diese ihm besorgt hatten, hin und her schweifte. „Danke! Ich bin so glücklich! Dieses Schwert gehört mit Sicherheit zu den allerbesten Geschenken, die ich jemals bekommen habe! Vielen Dank, ihr beiden! Das ist wirklich eine unglaublich schöne Überraschung!“ Und dann tat er etwas, was für Mihawk sehr untypisch war: Er umarmte noch einmal seinen jüngeren Bruder und gleich danach Doflamingo. Normalerweise war er nämlich ein recht zurückhaltender Mensch, der viel Zeit brauchte, ehe er jemanden nah an sich heran ließ. Sein Geburtstagsgeschenk schien ihn also tatsächlich sehr bewegt zu haben. Auch Doflamingo lächelte glücklich und schien ungeheuer zufrieden mit sich selbst zu sein. Wahrscheinlich freute er sich, vermutete Crocodile, weil sein Vorhaben, ein weiteres Mal einen guten Eindruck auf die Geschwister seines Partners zu machen, so gut gelungen war. „Gern geschehen“, sagte er. „Crocodile und mich freut es sehr, dass dir das Geschenk so gut gefällt.“ „Dieses Ritterschwert ist wirklich wunderschön“, stimmte auch Shanks zu, der seinen Blick noch immer nicht ganz von dem wertvollen Stück losreißen konnte. „Und trotz des hohen Alters unglaublich gut erhalten. Ich bin echt neidisch, Mipo! Nur zu gerne hätte ich auch ein so schönes Schwert!“ „Mipo?“ Crocodile gelang es nicht, ein leichtes zu Grinsen zu unterdrücken. Und auch der finstere Blick, den sein Bruder ihm zuwarf, vermochte es nicht, ihn zum Stillschweigen zu bewegen. „Du bist der letzte, der über peinliche Spitznamen lachen sollte, Wani“, entgegnete Mihawk rasch. Crocodile, der sich ertappt fühlte, spürte sogleich, wie ihm die Röte in die Wangen schoss. „Na und?“, meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Doflamingo darf mich ruhig so nennen, schließlich sind wir beide in einer Liebesbeziehung. Was man von dir und Shanks nicht behaupten kann. Oder hat sich eure Freundschaft weiterentwickelt, ohne dass ich etwas davon mitbekommen habe?“ „Hey, jetzt beruhigt euch mal wieder“, mischte sich Hancock ein und bemühte sich um ein versöhnlichen Gesichtsausdruck. „Dass ihr beide auch so furchtbar stur und stolz sein müsst! Mihawk, möchtest du nicht deiner Pflicht als Gastgeber nachkommen und deinen beiden neuen Gästen Getränke anbieten?“ „Sicher“, erwiderte Mihawk und ließ nach einem letzten intensiven Blick den Schlagabtausch mit seinem jüngeren Bruder auf sich beruhen. Crocodile tat es ihm gleich. Obwohl Mihawk eher ein ruhiger Mensch war, zankten sie beide sich eben doch gelegentlich, ohne es böse zu meinen. „Was darf ich euch anbieten?“ „Ein Bier, bitte“, meinte Doflamingo. „Und für mich ein Wasser“, fügte Crocodile hinzu. „Nach dem Vorfall im Skypia verzichtest du wohl lieber auf Alkohol, was?“, mutmaßte Mihawk, während er zuerst für Doflamingo eine Flasche Bier öffnete und danach seinem Bruder stilles Mineralwasser in ein Glas einschenkte. „Falls du doch etwas trinken möchtest: Wir haben für dich einen echt guten Wein besorgt. Und Wodka plus Mischgetränke sind sowieso da.“ „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile und nahm das Glas Wasser entgegen. Er erinnerte sich nur äußerst ungern an die Geschehnisse zurück, die im Skypia passiert war. Diese neue Erinnerung an seinen Exfreund wollte er am liebsten genauso verdrängen wie die absolut furchtbare Beziehung, die er fünf Jahre lang mit diesem geführt hatte. „Ich bin sowieso mit dem Auto da.“ Nachdem sie noch für eine Weile miteinander geplaudert und die eine oder andere Kleinigkeit vom Buffet genascht hatten, machten sie sich alle gemeinsam auf den Weg hinüber ins Wohnzimmer. Tatsächlich war Doflamingos Befürchtung, sie könnten als Allerletzte auftauchen, nicht unbegründet gewesen: Obwohl es noch nicht einmal einundzwanzig Uhr war, war der Großteil der Gäste bereits erschienen. Eine Geburtstagsfeier im Vorort war eben doch etwas anderes als eine Party in der Großstadt, dachte Crocodile, während er seinen Blick über die Gäste schweifen ließ. Hätte zum Beispiel sein Partner in seiner Villa eine Party für acht Uhr abends gekündigt, wären die ersten Gäste frühestens um halb zehn aufgetaucht. Allerfrühestens. In Mihawks geräumigen Wohnzimmer tummelten sich vielleicht fünfzehn, zwanzig Menschen, von denen Crocodile die meisten zumindest vom Gesicht her kannte. Zuerst war er ein wenig überrascht, als er Tashigi in der Menge ausmachte, ehe ihm einfiel, dass sie doch Fechtstunden bei Mihawk nahm. Sie war auf den Geschmack gekommen, während Crocodile noch mit ihrem älteren Bruder Smoker zusammengewesen war, und er hatte sie netterweise an Mihawk vermittelt, der ein überaus talentierter Fechtlehrer war. Laut seinem Bruder war sie durchaus eine passable Fechterin, obwohl sie auf Crocodile stets einen recht ungeschickten Eindruck machte. „Was zur Hölle macht denn diese blöde Tussi hier?!“ Anscheinend hatte auch Doflamingo die junge Frau, die derzeit als Praktikantin in derselben Bank wie Crocodile tätig war, wiedererkannt. Und er schien überhaupt nicht begeistert von ihrer Anwesenheit zu sein. Crocodile rollte mit den Augen. „Erstens ist sie keine blöde Tussi, Doflamingo“, wies er seinen Partner streng zurecht, „und zweitens dachte ich eigentlich, dass wir dieses Sache geklärt hätten. Es hat sich um ein Missverständnis gehandelt und um nichts weiter. Also benimm dich bitte vernünftig, ja?“ „Ist ja schon gut“, erwiderte Doflamingo halbherzig und ohne den Blick von der jungen Praktikantin abzulassen. „Ich werde ihr schon nicht den Kopf abreißen, Wani, versprochen. Aber trotzdem verstehe ich nicht, wieso sie hier ist. Woher kennt sie denn deinen Bruder?“ „Sie nimmt Fechtstunden bei ihm“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß, ließ allerdings wohlweislich die Tatsache außen vor, dass es sich bei Tashigi um die jüngere Schwester seines Exfreundes handelte. Smoker und er waren sowieso schon seit mehr als drei Jahren voneinander getrennt, und der zerbrochenen Beziehung trauerte keiner von ihnen beiden hinterher. Es war also nichts, was eine Erwähnung wert gewesen wäre. „Ausgerechnet bei Mihawk?“, hakte Doflamingo misstrauisch nach. „Das ist ein seltsamer Zufall. Vielleicht heftet sie sich an deinen Bruder, um durch ihn an dich heranzukommen!“ Crocodile seufzte und rollte erneut mit den Augen. „Ich bitte dich, Doflamingo!“, sagte er in einem bereits recht genervten Tonfall; er hatte nämlich im Augenblick überhaupt keine Lust auf irgendeine Eifersuchtsszene seitens seines Freundes wegen eines Missverständnisses, das bereits Wochen zurück lag. „Sie nimmt schon seit mehr als vier Jahren Fechtstunden bei meinem Bruder und hat noch niemals auch nur angedeutet, dass sie Interesse an mir hätte. Abgesehen davon bin ich doch sowieso homosexuell. Also gibt es keinen Grund zur Eifersucht.“ „Trotzdem kommt mir diese Sache komisch vor.“ „Die Welt ist klein“, meinte Crocodile und hoffte, dieses Thema rasch beenden zu können, ehe sein Partner dahinter stieg, dass es sich tatsächlich nicht um einen seltsamen Zufall handelte. „Zum Beispiel habe ich vor kurzem erfahren, dass Mihawk mit deinem Kumpel Kuma befreundet ist. Auch ein seltsamer Zufall, nicht wahr?“ Doflamingo gab einen unwilligen Brummlaut von sich, ließ dieses Thema dann aber glücklicherweise endlich auf sich beruhen. Er wandte den Blick von Tashigi ab und sah sich stattdessen die anderen Partygäste näher an. Ab und an wurde Crocodile von der ein oder anderen Person wiedererkannt und begrüßt. Er bemühte sich darum, fröhlich zurück zu grüßen und ein wenig Small-Talk zu betreiben, obwohl er eigentlich kein allzu großer Fan von Geburtstagsfeiern war. Tatsächlich gaben Mihawk und Crocodile selbst zu ihren jeweiligen Geburtstagen nur deshalb eine Party, weil ihre jüngere Schwester sie mehr oder weniger dazu drängte. Hancock liebte es, Festlichkeiten vorzubereiten und war (wie man sah) ein echtes Talent, wenn es darum ging, schöne Torten zu kreieren. Außerdem stellte Crocodile jedem Partygast, der neugierig wirkte, seinen Freund Doflamingo vor, auch wenn er normalerweise kein Mensch war, der seine Liebesbeziehung gern zur Schau stellte. Doflamingo selbst allerdings schien sich sehr darüber zu freuen, dass sein Partner so offen zu ihm stand, und war sehr erpicht darauf, jede einzelne Person kennenzulernen. Oft fragte er Crocodile sogar, wie gut und wie lange er wen schon kannte und woher. Abgesehen vom Fall Tashigi gab er immer eine ehrliche Antwort. Um kurz nach einundzwanzig Uhr trudelten die letzten Partygäste ein; dazu zählten auch Daz und seine Cousine Paula, die Besitzerin von Spider's Cafe. „Hey, Crocodile“, begrüßte ihn sein alter Studienfreund, nachdem er Mihawk seine Glückwünsche ausgesprochen und sein Geschenk (eine hochwertige Fechtmaske) überreicht hatte. Paula hatte ihn ebenfalls begrüßt, doch war gleich darauf in ein Gespräch mit irgendeiner guten Freundin verwickelt worden. Doflamingo war in der Küche verloren gegangen; ursprünglich wollte er sich bloß ein neues Getränk besorgen, doch Crocodile vermutete, dass er sich mit Shanks unterhielt, der sich zufälligerweise ebenfalls dort aufhielt, und darum ein wenig länger brauchte. „Schön dich zu sehen, Daz“ meinte Crocodile und begrüßte seinen alten Freund mit einem brüderlichen Handschlag. „Wie geht es dir?“ „Gut“, erwiderte Daz, der ihn skeptisch musterte. „Und dir? Hast du dich vernünftig erholt von dem Vorfall im Skypia? Es tut mir leid, dass ich nicht im Krankenhaus bleiben konnte, bis du aufgewacht bist. Wie lange musstest du noch dort bleiben?“ „Dir muss überhaupt nichts leid tun!“, lenkte Crocodile sofort ein und nippte verlegen an seinem Wasserglas. Warum wurde er auf dieser Geburtstagsparty nur so oft zu diesem Thema ausgefragt? Eigentlich wollte Crocodile nämlich weder über seinen Exfreund Enel noch über die Geschehnisse im Skypia sprechen. Trotzdem meinte er: „Ich bin dir unendlich dankbar für deine Hilfe; das weißt du doch. Ich will gar nicht wissen, was mit mir passiert wäre, wenn du nicht eingegriffen hättest. Also mach dir bitte keine Vorwürfe, ja? Du bist der Letzte, der das tun sollte. Eher mache ich mir selbst Vorwürfe, weil ich dumm genug war, um auf meinen geisteskranken Exfreund hereinzufallen.“ „Unsinn!“, tadelte Daz und schüttelte den Kopf. „Nichts von dem, was passiert ist, ist deine Schuld gewesen. Die Schuld trifft allein Enel, diesen widerwärtigen Hund! Du kannst mir glauben, dass, wenn ich diesen feigen Bastard in die Finger bekommen sollte, selbst der beste Chirurg sein Gesicht nicht mehr retten kann!“ „Das glaube ich gern“, erwiderte Crocodile beschwichtigend und kam nicht umhin, sich darüber bewusst zu werden, um was für einen großen und muskulösen Mann es sich bei Daz doch handelte. Crocodile zweifelte nicht daran, dass er durchaus dazu in der Lage wäre, Enel grün und blau zu schlagen. Und auch daran nicht, dass er es tatsächlich tun würde, sollte ihm dieser jemals über den Weg laufen. Daz war niemand, der sinnlos rohe Gewalt einsetzte, doch er hatte definitiv nichts dagegen, Feiglingen wie Enel ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Nur zu gut erinnerte Crocodile sich daran, wie das Gesicht eines Mitstudenten ausgesehen hatte, nachdem dieser ihm gegenüber ausfallend geworden war. Daz hatte sofort eingegriffen. Danach hatte sich entsprechender Student niemals mehr getraut, auch nur den Blick mit einem von ihnen zu kreuzen. „Also: Wie lange musstest du noch im Krankenhaus bleiben?“, hakte Daz nach. „Hoffentlich nicht allzu lange. Und ist das Gift inzwischen vollkommen aus deinem Körper verschwunden oder sind immer noch Reste vorhanden? Ich weiß, dass es Stoffe gibt, die der menschliche Körper erst nach Wochen oder Monaten vollständig abbaut.“ „Es ist alles in Ordnung, Daz“, meinte Crocodile und bemühte sich um einen möglichst beschwichtigenden Tonfall, ehe sein alter Studienfreund begann, sich unnötig zu sorgen. „Ich wurde nach drei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen und inzwischen geht es mir wieder gut. Keine Schwächeanfälle oder Ähnliches. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis!“ „Dann ist ja gut“, erwiderte Daz schließlich, obwohl er seinem skeptischen Tonfall nach zu urteilen überhaupt nicht überzeugt klang. „Hey Daz, schön, dass du auch endlich da bist!“ Es war die laute und fröhliche Stimme von Doflamingo, die glücklicherweise dieses furchtbar unangenehme Gespräch zwischen ihnen beiden beendete. Crocodiles Partner schien bester Laune zu sein: Ein breites Lächeln zierte seine Lippen und in der rechten Hand hielt er halb leeres Glas, das anscheinend irgendwelchen hochprozentigen Alkohol enthielt, während er in seinem typisch o-beinigen Gang auf ihn und Daz zugelaufen kam. „Hallo Doflamingo“, begrüßte Daz ihn und sie gaben sich beinahe schon freundschaftlich die Hand. „Wie geht’s dir?“ „Gut, gut, ich kann mich nicht beklagen“, erwiderte Doflamingo. „Es ist eine sehr nette Geburtstagsparty. Eben habe ich mich mit Kuma, einen sehr guten Freund von mir, unterhalten. Er war auch bei dem Abend im Skypia mit dabei, wenn du dich erinnerst. Ein groß gewachsener Typ, aber sehr still und unauffällig. Du erkennst ihn wieder, wenn du ihn gleich siehst.“ Na klasse, dachte Crocodile verdrossen und unterdrückte mit großer Mühe ein genervtes Seufzen. Jetzt waren die beiden schon wieder bei diesem Thema angelangt. Er konnte nur hoffen, dass sie weder auf sein Zusammentreffen mit Enel noch auf seinen Krankenhausaufenthalt zu sprechen kommen würden, denn wenn er ehrlich war, dann hatte er keine Lust weder über das eine noch über das andere zu sprechen. „Apropos Skypia“, meinte Daz just, „hast du vielleicht nähere Informationen zu Crocodiles Gesundheitszustand? Ist das Gift inzwischen vollständig aus seinem Körper verschwunden? Oder muss er noch Medikamente nehmen?“ „Zum Glück sind keine Reste des Giftes mehr in seinem Kreislauf vorhanden“, antwortete Doflamingo, der es überhaupt nicht seltsam oder aufdringlich zu finden schien, dass Daz nach solchen Details fragte. „Und Medikamente muss er auch keine mehr nehmen. Allerdings hat er, während er noch im Krankenhaus lag, ständig irgendwelche Pillencocktails verabreicht bekommen. Zum Glück gehört mir die Miracle-Sakura-Klinik und ich kenne den Arzt, der Crocodile behandelt hat, persönlich: Doktor Tony Chopper, ein überaus kompetenter und erfahrener Mediziner. Dank ihm ist Crocodile inzwischen wieder auf den Beinen.“ „Entschuldigung mal, aber ihr beide habt hoffentlich nicht vergessen, dass ich immer noch direkt neben euch stehe, oder?“ Crocodile fand es unfassbar, dass sein Partner und sein bester Freund sich über ihn und seinen Gesundheitszustand austauschten, als wäre er überhaupt nicht anwesend. Schließlich war er nicht irgendein dahergelaufener Partygast, über den man lästern konnte wie man wollte! „Ach, jetzt sei doch nicht gleich wieder beleidigt, Croco“, meinte Doflamingo und schien den Ärger seines Freundes gar nicht nachvollziehen zu können. „Daz macht sich eben Sorgen um dich. Da er bei diesem Vorfall im Skypia mit dabei gewesen ist, kann ich das auch wirklich gut nachvollziehen.“ „Ich habe mich bei Daz für sein Eingreifen bereits bedankt“, merkte Crocodile, noch immer deutlich verärgert, an. Er konnte es nämlich überhaupt nicht leiden und war es auch absolut nicht gewohnt, ignoriert zu werden. Mit seiner imposanten Körpergröße und der Autorität, die er ganz natürlich ausstrahlte, wagte es kaum jemand so zu tun, als wäre er nicht anwesend. Bloß sein alter Freund und sein Partner schienen von dieser Ausstrahlung von Macht und Dominanz nichts mitzubekommen. Ehe es zu einem ernsthaften Streit kommen konnte, wurden sie durch das Geräusch einer Gabel, die gegen ein leeres Weinglas geschlagen wurde, unterbrochen; außerdem wurde die laute Partymusik auf ein Minimum heruntergeschraubt. Die Partygäste, Crocodile, Doflamingo und Daz inklusive, wandten sich Hancock zu, die die Verursacherin der Unterbrechung war. Neben ihr stand Mihawk, der wohl lieber seiner fröhlichen Schwester das Wort überließ, anstatt selbst zu sprechen: „Mihawk und ich begrüßen herzlich alle Gäste, die heute Abend erschienen sind, um seinen vierzigsten Geburtstag zu feiern. Außerdem möchte er sich für die vielen Glückwünsche und die wundervollen Geschenke bedanken. Er freut sich wirklich sehr! Und da wir nun endlich vollzählig sind, würde ich vorschlagen, dass endlich die Geburtstagstorte angeschnitten wird!“ Vor allen Dingen letztere Aussage rief einen allgemeinen Jubel hervor, denn natürlich hatte bereits jeder die wunderschöne Torte in der Küche gesehen und sehnsüchtig auf den Moment gewartet, da er ein Stück abbekommen würde. Die Musik wurde wieder aufgedreht und die Gäste strömten vom Wohnzimmer in die geräumige Küche des Einfamilienhauses. Obwohl ihm ein Stück Torte ja doch nichts nützen würde, schloss sich Crocodile Daz und Doflamingo an, die gemeinsam mit dem Rest hinübergingen. „Die Torte ist wirklich bezaubernd“, meinte Doflamingo, der sich gleich neben Hancock gestellt hatte und einen guten Blick auf die tatsächlich wunderhübsche Torte hatte. „Darf ich fragen, wo du sie bestellt hast, Hancock?“ „Bestellt?“ Crocodiles jüngere Schwester wirkte für einen kurzen Moment lang ganz verwirrt und konfus, ehe sie erwiderte: „Oh nein, die Torte ist nicht bestellt worden. Ich habe sie selbst gemacht.“ Doflamingo zog bewundernd eine Augenbraue nach oben. „Wirklich?“, meinte er und warf noch einmal einen Blick auf die zweistöckige, mit Blumen aus Marzipan und Blütenblättern aus Minze dekorierte Torte, deren Höhepunkt die beiden sich überkreuzenden Degen darstellte. „Dann hast du aber wirklich ein Händchen fürs Torten machen, Hancock! Ich habe in meinem Leben nämlich bisher nur selten so eine wunderhübsche Torte wie diese hier gesehen. Du könntest locker in den professionellen Bereich gehen!“ Crocodile presste seine beiden Lippen fest aufeinander und mied den Blickkontakt zu seinem Freund, während dieser sprach. Wenn er ehrlich war, dann gefiel es ihm ganz und gar nicht, dass Doflamingo seiner jüngeren Schwester so viele schöne Komplimente machte. Unweigerlich wurde ihm wieder bewusst, dass sein Partner nicht homo-, sondern bisexuell war. Crocodile hatte, als er jünger war, bereits mehrere feste Freunde gehabt, die ebenfalls bisexuell gewesen waren. Und sie alle hatten ihn schlussendlich verlassen, weil sie sich in seine Schwester Hancock verliebt hatten. „Findest du?“ Hancock wirkte sichtlich angetan wegen der netten Komplimente. Dabei wurden ihre Torten doch ständig gelobt! Dies hier war beileibe nicht die erste schöne Torte, die sie gemacht hatte. Crocodile konnte nicht verhindern, dass sich die Eifersucht wie heiße Säure in seinem Körper ausbreitete. Wieder fragte er sich, ob Doflamingo sich wohl ab und an nach einer Frau, nach einem weiblichen Körper sehnte. Reichte er seinem Freund vielleicht nicht mehr aus? Schließlich hatte dieser, gerade was die Auslebung sexueller Neigungen anging, vor Beginn ihrer Beziehung überaus freizügig gelebt und sich niemals aus irgendeinem Grund zurückhalten müssen. Vermisste Doflamingo etwa diese Zeit? Vermisste er das Gefühl von weichen Brüsten und einem warmen, feuchten Schoß? Allein schon bei dieser Vorstellung wurde Crocodile schlecht. Er wusste ganz genau, dass er in einem direkten Vergleich mit seiner Schwester nur verlieren konnte: Hancock war eine natürliche Schönheit, ein echtes Topmodel. Jeder Mann, der nicht homosexuell war, machte ihr den Hof. Während Crocodile bloß noch eine Hand hatte und sein äußeres Erscheinungsbild zusätzlich noch durch die Narbe, die sich quer über sein Gesicht zog, verunstaltet wurde. Auf einmal kam er sich selbst furchtbar hässlich und unzulänglich vor. Wie hatte er jemals nur glauben können, gegen die vielen Schönheiten, die sein Freund zuvor bestiegen hatte, oder gegen seine eigene Schwester ankommen zu können? Es war töricht von ihm gewesen, zu glauben, Doflamingo würde sich für ihn anstatt für Hancock entscheiden. Und hatte sein Partner ihm nicht erst vor kurzem deutlich gemacht, dass er mit ihrem Sexleben unzufrieden war? Weil er sich viel zu verkrampft und gar nicht authentisch verhielt? Dass er so fürchterlich gezwungen wirkte, dass dieser sogar schon das Gefühl bekam, er würde aus reinem Pflichtbewusstsein heraus mit ihm schlafen? Plötzlich spürte Crocodile einen harten Kloß in seiner Kehle. Er versuchte ihn hinunterzuschlucken, doch musste feststellen, dass dies nicht funktionierte. Außerdem wurden seine Augen plötzlich ganz schwer. Unwirsch schüttelte Crocodile den Kopf. Er hatte seit vielen Jahren nicht mehr geweint und er hatte auch nicht vor, jetzt wieder damit anzufangen. Auch wenn er zugeben musste, dass die Vorstellung von der wundervollen Schönheit und dem charismatischen Millionär, die gemeinsam einen romantischen Spaziergang am Strand unternahmen, ihm einen schrecklich schmerzhaften Stich genau ins Herz verpasste. „Ganz sicher!“, hörte er Doflamingo zuversichtlich sprechen. „Ein Freund von mir hat einmal mehr als zweitausend Berry für eine Torte ausgegeben, die nicht halb so schön aussah wie diese hier, die du gemacht hast. Wenn Crocodile und ich heiraten, dann werde ich auf jeden Fall dich engagieren, damit du für uns beide eine wunderschöne Hochzeitstorte machst!“ Crocodile musste so heftig husten, dass der Kloß in seinem Hals furchtbar zu schmerzen anfing. Panisch presste er sich seine rechte Hand gegen den Mund und bemühte sich darum, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen. Auf einmal wurde ihm sehr heiß und schwindelig; er fühlte sich beinahe, als wäre er plötzlich fieberkrank geworden. Seine Gedanken huschten so schnell durch seinen Kopf, dass er nicht einen einzigen von ihnen zu fassen bekam. Selbst die Hand seines Partners, die ihm wegen des Hustens behutsam auf den Rücken klopfte, nahm er nur am Rande war. Da just in diesem Moment endlich vom Gastgeber die Torte angeschnitten wurde, achtete glücklicherweise niemand der anderen Partygäste auf Crocodile - bis auf Doflamingo natürlich. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck beugte er sich zu seinem Freund hinunter und ließ die Torte, die er eben noch so hoch gelobt hatte, links liegen. „Ist alles in Ordnung mit dir, Wani?“, fragte er und Besorgnis schwang ganz deutlich in seiner Stimme mit. Mühsam nickte Crocodile. Der Hustenfall hatte sich inzwischen wieder verflüchtigt, doch noch immer war ihm sehr heiß und vor seinen Augen drehte sich die Umgebung. Trotzdem nickte er: „Ich habe mich nur verschluckt. Kein Grund zur Aufregung. Hol dir lieber erst einmal ein Stück Torte, bevor gleich alles weg ist. Ich bin mir nämlich sicher, dass Hancocks Torten mindestens genauso gut schmecken wie sie aussehen.“ „Scheiß auf die blöde Torte“, meinte Doflamingo und wandte den Blick nicht von ihm ab. „Du bist plötzlich leichenblass. Möchtest du hinsetzen?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Ist schon gut. Wirklich. Alles in Ordnung.“ Doch selbst in seinen eigenen Ohren klang seine Stimme schrecklich schwach und halbherzig. Diese Andeutung, die Doflamingo eben gemacht hatte, hatte ihn einfach völlig umgehauen. Wenn Crocodile und ich heiraten..., hallte die fröhliche Stimme seines Freundes in Crocodiles Kopf wieder. Er hatte so geklungen, als handelte es sich dabei um eine feststehende Tatsache. Als wären sie beide längst verlobt und als stünde ihre Hochzeit in drei Monaten bevor. Aber das ist doch Unsinn, redete Crocodile sich ein und rieb sich über die Schläfe. Sie waren seit kaum neun Monaten ein Paar. Und es machte doch kein Mensch seinem Partner nach nur neun Monaten Liebesbeziehung einen Heiratsantrag. Oder? Plötzlich wurde Crocodile wieder schlecht. Hoffentlich hatte es sich bei dieser Aussage nicht um eine Andeutung, einen Hinweis gehandelt. Hoffentlich war es bloß eine unbedeutende Bemerkung seitens Doflamingo gewesen. Sein Freund dachte schließlich beileibe nicht so viel, wie er quasselte. Langsam beruhigte Crocodile sich wieder. Doflamingo war ein Mann, der gerne ausging. Der vor ihm bereits mit dutzenden, vielleicht sogar hunderten Frauen und Männer geschlafen und (wenn auch nicht lange andauernde) Beziehungen geführt hatte. Der noch niemals zuvor angedeutet hatte, dass er an den heiligen Bund der Ehe glaubte. Oder auch nur daran, dass dauerhafte monogame Beziehungen überhaupt funktionieren konnten. Er war sicherlich der letzte Mensch auf Erden, der ans Heiraten dachte! „Soll ich dir irgendetwas zu essen oder zu trinken bringen? Willst du vielleicht ein Stück Torte haben?“ Allmählich fasste Crocodile sich wieder. Er atmete zweimal tief ein und aus, und strich dann in einer lässigen Bewegungen ein paar Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht gefallen waren, zurück an ihren angestammten Platz. „Wenn du nicht möchtest, dass ich schon wieder im Krankenhaus lande, dann solltest du mir lieber kein Stück Torte bringen, Doflamingo“, meinte er und bemühte sich um einen möglichst unbefangenen Tonfall. „Bei so viel Zucker, wie da bestimmt drin ist, würde mein Magen praktisch explodieren.“ Doflamingo schlug sich selbst mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Verdammt, daran habe ich überhaupt nicht gedacht! Und ich habe auch noch die ganze Zeit davon geschwärmt, wie toll die Torte aussieht, während du direkt neben mir standest. Ich bin wirklich ein rücksichtsloser Idiot!“ „Ist schon gut“, lenkte Crocodile ein. Er war sehr überrascht angesichts der unerwarteten Bereitschaft seitens seines Freunden, einen Fehltritt einzugestehen. Normalerweise behauptete Doflamingo nämlich in absolut jeder Situation steif und fest, dass er im Recht wäre. „Du hast es ja nicht absichtlich gemacht. Das macht dich also vielleicht zu einem Idioten, aber wenigstens nicht zu einem rücksichtslosen Idioten. Und du kannst dieses Malheur ganz einfach wieder gut machen, indem du mir jetzt ein Glas stilles Mineralwasser bringst! Mein Hals hat wegen meinem Hustenanfall eben angefangen, ein wenig zu schmerzen.“ „Sofort“, meinte Doflamingo und verschwand für einen kurzen Moment, um die Bitte seines Freundes zu erfüllen. Crocodile wiederum nutzte diese Gelegenheit, um sich endgültig wieder zu sammeln. Er rieb sich noch ein letztes Mal über die Schläfe und schüttelte kurz den Kopf, als wollte er irgendwelche unerwünschten Gedanken loswerden. Anschließend wartete er recht gefasst auf die Rückkehr seines Partners. „Hier, bitteschön.“ Doflamingo reichte ihm ein großes Glas Wasser. „Danke“, meinte Crocodile, während er es entgegennahm; inzwischen fühlte er sich wieder relativ wohl. „Und du bist dir ganz sicher, dass es dir gut geht? Du warst eben wirklich leichenblass und sahst aus, als müsstest du dich jeden Moment übergeben. Hast du vielleicht irgendetwas gegessen, was dein Magen nicht verträgt? Die kleinen Frikadellen vom Buffet fand ich persönlich jedenfalls ziemlich scharf. Hast du davon nicht auch eine oder zwei gegessen gehabt?“ „Nein, habe ich nicht. Und du musst dir keine Sorgen um mich machen. Versprochen. Mit mir ist alles in Ordnung.“ Als allerdings der skeptische Gesichtsausdruck von Doflamingos Gesicht noch immer nicht verschwand, fügte Crocodile schließlich hinzu: „Was hältst du davon, wenn wir beide ein bisschen tanzen gehen? Im Wohnzimmer gibt es eine kleine Tanzfläche. Um dir zu beweisen, dass es mir wirklich gut geht?“ Crocodile konnte genau sehen, dass sein Partner hin- und hergerissen war: Auf der einen Seite wollte er nicht riskieren, dass sein Freund, der im Augenblick ein wenig geschwächt wirkte, mitten auf der Tanzfläche umkippte oder Ähnliches... doch auf der anderen Seite tanzte er wirklich gerne. Vor allen Dingen mit Crocodile. Und es war das allererste Mal, dass dieser von sich aus anbot, tanzen zu gehen. Schließlich entschied Doflamingo sich dafür, die Sorge beiseite zu schieben und den Spaß regieren zu lassen. „Na gut“, meinte er und nahm Crocodile bei der Hand. „Aber falls dir wieder schlecht werden sollte oder so etwas in der Art, dann sagst du mir Bescheid, in Ordnung?“ „Klar“, gab Crocodile relativ leichtfertig zurück und folgte seinem Freund hinüber ins Wohnzimmer. Wenn er ehrlich war, dann hatte er diesen Vorschlag bloß gemacht, damit Doflamingo endlich von ihm locker ließ und nicht den ganzen Abend damit verbrachte, sich um ihn zu sorgen. Und auch, um sich selbst ein wenig abzulenken. Beim Tanzen dachte man nämlich nicht nach, hatte Crocodile festgestellt. Und ganz genau das war es, was er gerade brauchte und wollte: nicht nachzudenken. Vor allen Dingen nicht über diese furchtbar eindeutige Anspielung seitens Doflamingo. Noch immer konnte er dessen Stimme so deutlich in seinem Kopf hören, als würde er ihm die Worte geradewegs ins Ohr flüstern: Wenn Crocodile und ich heiraten... …dann wären alle meine Schulden auch deine, beendete er stumm den Satz. Denn dann wärst du mein rechtlich anerkannter Ehemann. Und das durfte unter keinen Umständen passieren. Inzwischen war es zehn Uhr dreißig abends. Mihawks Geburtstagsparty war voll im Gange: Die Leute unterhielten sich und lachten fröhlich, lobten die wundervolle Torte und das tolle Buffet, und tanzten gelegentlich. Außerdem wurde eine ganze Menge Alkohol getrunken. Tatsächlich schien es sich bei Crocodile um den einzigen Partygast zu handeln, der heute Abend abstinent blieb. Trotzdem hatte sogar er eine ganze Menge Spaß, auch wenn er dies nicht unbedingt zugegeben hätte: Er tanzte zusammen mit Doflamingo zu ein paar Liedern im Wohnzimmer. Er genoss einige Köstlichkeiten vom Buffet in der Küche (Hancock war zuvorkommend genug gewesen, um verschiedene Imbisse anzubieten, die auch ihr Bruder mit seinem empfindlichen Magen vertrug). Und er unterhielt sich mit vielen intelligenten und interessanten Menschen. Insgesamt war er es eine wirklich sehr erfolgreiche Party. Auch seine stille Befürchtung, Doflamingo würde sich bei dieser Geburtstagsfeier in der Vorstadt schrecklich langweilen, war nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil: Sein Partner schien sehr viel Spaß zu haben. Er klammerte sich nicht an die wenigen Personen, mit denen er bereits bekannt war, sondern lernte rasch neue Leute kennen und führte gut gelaunte Unterhaltungen verschiedener Art. Er trank viel Bier und zwischendurch immer mal wieder ein wenig Hochprozentiges, aber niemals zu viel. Crocodile machte sich keine Sorgen um ihn. Er vertraute darauf, dass ein Mann in Doflamingos Alter seine Grenze kannte und diese nicht überschritt. Sein Partner war niemand, der sich über alle Maßen betrank und dann irgendwelchen Blödsinn anstellte. Ein solches Verhalten hätte Crocodile übrigens auch niemals toleriert. (Nur zu gut erinnerte er sich daran, dass damals aus ähnlichen Gründen seine Beziehung zu Marco in die Brüche gegangen war.) Crocodile hielt zwei kleine Weintrauben-Käse-Spieße in der Hand, während er seinen Blick durch das große Wohnzimmer schweifen lief. Neben ihm stand Doflamingo, der gerade mit seinem guten Freund Kuma sprach. Auf der Couch saßen Mihawk, Daz und Shanks, die sich über Kampfsport und Schwertkampf austauschten. Nicht weit von ihnen entfernt unterhielten sich Tashigi, Perona, Zoro und ein schwarzhaariger Junge mit einer kleinen Narbe unter dem linken Auge miteinander; Crocodile kannte den Jungen nicht, doch ging davon aus, dass es sich entweder ebenfalls um einen Schüler seines Bruders handelte oder aber um einen Freund, den die anderen Drei mitgebracht hatten. In der Nähe des Fensters standen Moria, Yasopp und Hancock zusammen. Im restlichen Raum verteilt hielten sich noch weitere Partygäste auf, die Crocodile allerdings größtenteils bloß vom Gesicht her kannte. „Wen suchst du?“, unterbrach ihn die neugierige Stimme seines Freundes, der sein Gespräch mit Kuma anscheinend beendet hatte. „Ach“, meinte Crocodile ein wenig verlegen und steckte sich einen der Weintrauben-Käse-Spieße in den Mund, „niemand Besonderem. Ich habe mich nur ein wenig umgesehen.“ Doflamingo brach in leises Gelächter aus. „Ich merke genau, dass du nicht die Wahrheit sagst“, meinte er breit grinsend und stieß ihm neckisch mit dem Ellbogen in die Seite. „Du hältst nach Hancocks neuem Freund Ausschau, nicht wahr?“ Crocodile fühlte sich ertappt und steckte sich den zweiten Spieß in den Mund. Er bemühte sich darum, möglichst gleichgültig mit den Schultern zu zucken, was ihm allerdings nicht ganz so gut gelang. Doflamingo jedenfalls wirkte nicht überzeugt. Und als sein Freund nicht zu kichern aufhörte, gab Crocodile schließlich unwillig zu: „Dann halte ich eben nach Hancocks Freund Ausschau. Na und? Wüsste nicht, dass das ein Verbrechen wäre. Außerdem bin ich doch ihr älterer Bruder! Ich muss einfach wissen, mit wem meine Schwester ausgeht! Das gehört sich nun mal eben so!“ Obwohl Doflamingo wie immer seine Sonnenbrille mit den getönten Gläsern trug, wusste Crocodile genau, dass sein Freund mit den Augen rollte. „Findest du diese Einstellung nicht ein wenig altmodisch?“, meinte er schließlich. „Hancock ist eine erwachsene Frau. Außerdem leben wir im einundzwanzigsten Jahrhundert.“ „Meine Sorge hat überhaupt nichts mit der Frage zu tun, in welchem Jahrhundert wir leben!“, warf Crocodile rasch ein. „Männer, die ihren Freundinnen etwas antun, existieren nämlich leider auch im einundzwanzigsten Jahrhundert. Da muss man sich überhaupt nichts vormachen. Außerdem möchte ich ihn ja nur mal sehen. Und ihm nicht gleich den Kopf abreißen.“ Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Aber ich vermute, dass daraus heute sowieso nichts mehr wird. Anscheinend ist er doch nicht gekommen. Jedenfalls sehe ich hier keinen Mann, der in ihrem Alter ist und für sie infrage käme.“ „Woher willst du wissen, dass er in ihrem Alter ist?“, meinte Doflamingo. „Hancock ist eine wirklich sehr attraktive Frau. Sie könnte sich sicherlich auch einen jüngeren Mann angeln. Du bist doch schließlich auch einige Jahre älter als ich.“ Crocodiles gab einen unwilligen Brummlaut von sich, ehe er erwiderte: „Ich glaube, dass er einfach nicht da ist. Vielleicht ist er verhindert. Wegen seiner Arbeit oder etwas Ähnlichem. Bestimmt stellt Hancock ihn mir das nächste Mal vor.“ „Du solltest dir nicht so viele Gedanken darum machen“, sagte Doflamingo. „Glaub mir: Meistens führt es sowieso zu nichts, wenn man sich in anderer Leute Beziehungen einmischt. Höchstens zu Streit.“ „Ich gehe wieder in die Küche“, meinte Crocodile, um diesem unangenehmen Gespräch zu entfliehen. „Die Käse-Weintrauben-Spieße sind wirklich lecker. Ich sichere mir lieber noch welche, bevor sie nachher alle weg sind.“ Und mit diesen Worten ließ er seinen ein wenig verdattert wirkenden Partner stehen. In der Küche schnappte sich Crocodile tatsächlich zwei, drei Spieße, ließ sich allerdings anschließend am Esstisch auf der gemütlichen Sitzbank nieder. Im Augenblick war er die einzige Person im Raum; alle anderen Partygäste hielten sich im Wohnzimmer auf. Nicht einmal Doflamingo, der wegen des unerwarteten Abgangs seines Freundes wahrscheinlich ein wenig eingeschnappt war, war ihm gefolgt. Nun, da Crocodile von der ausgelassenen Partystimmung abgeschnitten war, verflüchtigte sich plötzlich auch die gute Laune, die er bis eben noch gehabt hatte. Unwirsch ließ er seinen Blick über die vielen Köstlichkeiten, die in der Küche angerichtet waren, schweifen und fragte sich unweigerlich, wieso der neue Freund seiner Schwester heute nicht erschienen war. Zwar hatte er Doflamingo gegenüber recht überzeugend dargestellt, dass dieser womöglich aus einem seriösen Grund verhindert war, doch ihm selbst sagte sein sechster Sinn, dass er mit dieser Vermutung falsch lag. Vielleicht hatten die beiden Schluss gemacht, schoss es Crocodile durch den Kopf, während er einem Käse-Weintrauben-Spieß vernaschte. Es kam durchaus vor, dass Paare sich schon nach wenigen Tagen oder Wochen wieder voneinander trennten. Man siehe sich da nur Doflamingo an: Wenn er seinem Partner Glauben schenken konnte, dann hatte dieser noch niemals zuvor eine Beziehung geführt, die länger als ein paar Wochen gehalten hatte, und er war etwa im selben Alter wie seine Schwester. Oder aber Hancock hielt ihren neuen Freund vor ihm geheim, mutmaßte Crocodile, und diese Vorstellung sagte ihm ganz und gar nicht zu. Es war niemals ein gutes Zeichen, wenn man eine Liebesbeziehung vor seiner Familie verheimlichte. Schließlich hatte sogar er selbst den Mut dazu aufgebracht, seinen beiden Geschwistern seinen Partner vorzustellen, und Doflamingo stellte mit seiner exzentrischen Art und seinem extravaganten Kleidungsstil beileibe keinen einfachen Fall dar. Als Crocodile auf diesen Gedanken kam, breitete sich in seinem Körper sofort ein unangenehmes Gefühl von Misstrauen und Sorge aus. Was nur könnte der Grund dafür dass, sein Hancock ihm ihren neuen Freund nicht vorstellen wollte? Hatte er seine Schwester bei ihrem Telefongespräch neulich etwa so abgeschreckt, dass sie es für ratsamer hielt, noch ein wenig Zeit ins Land gehen zu lassen, ehe sie einander bekannt machen wollte? Oder war der Grund ein völlig anderer? Crocodile wurde aus seinen sorgenvollen Gedanken gerissen, als er hörte, dass eine weitere Person die Küche betrat. Und als er aufblickte, sah er ausgerechnet in das Gesicht von Hancock. Ehrlich gesagt war er ein wenig überrascht darüber, dass ausgerechnet sie hier auftauchte, doch Hancock selbst schien sich überhaupt nicht darüber zu wundern, dass er sich allein in der Küche aufhielt. Wahrscheinlich war sie ihm also gefolgt. „Wie gefällt dir die Party bisher?“, fragte ihn seine jüngere Schwester, und obwohl sie sich um einen unbekümmerten Tonfall bemühte, spürte Crocodile ganz deutlich, dass sie ihm irgendetwas Wichtiges zu sagen hatte. Wollte sie vielleicht jetzt auf ihren Freund zu sprechen kommen? Ihm erklären, wieso dieser nicht zur Geburtstagsfeier ihres Bruders erschienen war? Trotzdem beschloss Crocodile, erst einmal auf den Zug aufzuspringen. „Sehr gut“, erwiderte er also und steckte sich den letzten Käse-Weintrauben-Spieß, den er in der Hand hielt, in den Mund. „Die Party scheint ein voller Erfolg zu sein.“ „Finde ich auch“, meinte Hancock und wich seinem Blick aus. „Ich bin mir sicher, dass Mihawk sehr glücklich ist, auch wenn er es nicht unbedingt sonderlich deutlich zeigt. Du weißt ja, wie er ist. Vor allen Dingen über das Geschenk, das du und Doflamingo ihm gemacht habt, freut er sich wirklich sehr.“ „Das ist schön zu hören“, sagte Crocodile; doch auch wenn es ihn stolz machte, dass das Geburtstagsgeschenk für seinen Bruder so gut angekommen war, blieb seine Aufmerksamkeit bei seiner Schwester haften. Noch immer wurde er das Gefühl nicht los, dass diese ihm irgendetwas sagen wollte. „Und wie gefällt es Doflamingo bisher? Er ist als reicher Geschäftsmann doch sicher Parties in einer ganz anderen Größenordnung gewohnt, oder nicht?“ „Keine Sorge, Doflamingo amüsiert sich sehr gut“, erwiderte er. „Er hat bereits viele neue Leute kennengelernt. Vor allen Dingen mit Shanks scheint er sich gut zu verstehen.“ „Das freut mich.“ Als Hancock noch immer herumdruckste und nervös mit den Füßen scharrte, ohne auf den Punkt zu kommen, wurde es Crocodile schließlich zu viel. Er bemühte sich zwar um eine freundlich Stimmlage, doch kam endlich ganz direkt auf das Thema zu sprechen, das schon die ganze Zeit über unausgesprochen zwischen ihnen in der Luft hing: „Sag mal, ist dein Freund heute nicht da? Ich habe ihn noch gar nicht gesehen.“ „Um ehrlich zu sein, möchte ich genau darüber mit dir reden“, erwiderte Hancock und Crocodile war sich nicht ganz sicher, ob sie erleichtert darüber war oder es als bedrückend empfand, dass er dieses empfindliche Thema angeschnitten hatte. „Darüber mit mir reden?“, hakte Crocodile skeptisch nach und zog eine Augenbraue hoch. „Genau“, sagte Hancock, ehe sie mit einer ein wenig gefestigteren Stimme fortfuhr: „Bevor ich ihn dir vorstelle, möchte ich nämlich einige Dinge mit dir abklären.“ Crocodile verstand zwar nicht ganz, worauf seine Schwester hinauswollte (ihr neuer Freund war doch gar nicht anwesend, oder?), doch schwieg und hörte ihr genau zu, während sie sprach: „Ich weiß, dass du dich als mein großer Bruder sehr um mich sorgst. Was ich übrigens sehr nett und rührend finde. Allerdings will ich, dass du dir einer Sache ganz deutlich bewusst wirst: Ich bin für mein Leben selbst verantwortlich und treffe meine eigenen Entscheidungen, ganz gleich ob sie dir gefallen oder nicht. Schließlich bin ich eine erwachsene und selbstständige Frau. Wenn du also mit der Wahl meines Partners nicht einverstanden sein solltest, dann werde ich deine Meinung zwar akzeptieren, aber ich werde mich nicht von ihr beeinflussen lassen. Immerhin wäre es andersherum ja genauso: Auch wenn Mihawk und ich Doflamingo nicht leiden könnten, würdest du deswegen die Beziehung zu ihm nicht beenden.“ „Natürlich nicht“, gab Crocodile wahrheitsgemäß zu, auch wenn ihm bereits Böses schwante. Hancock hielt sicherlich nicht ohne Grund eine solch alarmierende Rede. Crocodile malte sich bereits aus, dass der neue Freund seiner Schwester womöglich ein Schwerverbrecher war oder vielleicht ein Drogenabhängiger, wenn nicht sogar Schlimmeres. Er schluckte unweigerlich, als sie meinte: „Warte bitte eben hier, ja? Ich hole ihn rüber, damit ihr beide euch kennenlernen könnt.“ Während Hancock ins Wohnzimmer hinüber huschte, um ihren neuen Freund hereinzuholen, schossen Crocodile mindestens eintausend verschiedene Gedanken durch den Kopf, von denen der eine beunruhigender als der andere war. Zwar hatte er keine genaue Vorstellung davon, was ihn gleich erwarten würde, doch Crocodile war sich sicher, dass er nicht begeistert sein würde von der Partnerwahl seiner Schwester. Warum sonst würde sie so viel Aufwand betreiben, um ihn vorzuwarnen? Hoffentlich war es zumindest niemand, der ihr Gewalt antat. Eine solche Beziehung, wie er sie selbst mit Enel geführt hatte, wünschte Crocodile wirklich niemandem. Und am allerwenigsten seiner eigenen Schwester. Crocodile hatte kaum genug Zeit, um sich seelisch auf das jetzt Folgende vorzubereiten. Noch bevor er seinen Gedankengang zu Ende gebracht hatte, betrat Hancock erneut die Küche; an der Hand hielt sie einen Jungen mit schwarzem Haar, der unbekümmert grinste. Was auch immer Crocodile erwartet hatte: Dies war es auf jeden Fall nicht gewesen. Völlig verdattert und unfähig, auch nur einen einzigen artikulierten Laut über die Lippen zu bringen, musterte er den neuen Freund seiner Schwester. Es dauerte einige Sekunden, ehe er ihn anhand seiner markanten Narbe als den Jungen wiedererkannte, der mit Tashigi, Perona und Zoro zusammen auf der Couch im Wohnzimmer gesessen und sich unterhalten hatte. Demnach war er also doch den ganzen Abend über anwesend gewesen. Crocodile wäre bloß niemals auf den Gedanken gekommen, dass es sich bei diesem... diesem Kind um den neuen Freund seiner Schwester handeln könnte. „Luffy, das ist mein älterer Bruder Crocodile“, meinte Hancock, die wohlweislich so tat, als hätte sie seinen Schock überhaupt nicht mitbekommen. „Crocodile, das ist mein Freund Monkey D. Luffy. Wir sind seit fünf Wochen ein Paar.“ „Freut mich, dich kennenzulernen“, fügte Luffy, noch immer breit und unbekümmert grinsend, hinzu. Freundlich hielt er ihm seine rechte Hand hin. „Ich habe schon sehr viel von dir gehört.“ Ohne dass Crocodile seine Einwilligung dazu gegeben hätte, sah er, wie seine eigene Hand ganz automatisch in die ihm hingehaltene einschlug. Er war sich sicher, dass er in seinem ganzen Leben noch niemals einen so laffen und kraftlosen Handschlag gegeben hatte. „Ähm, jetzt habt ihr euch beide ja endlich kennengelernt“, meinte Hancock recht angespannt. Sie schien zu ahnen, dass ihr Bruder sich jeden Moment vom ersten Schock erholen würde, weswegen sie an ihren Freund gewandte sagte: „Luffy, warum gehst du nicht zurück ins Wohnzimmer und unterhältst dich ein wenig mit Zoro? Ich würde sehr gerne noch einmal unter vier Augen mit meinem Bruder sprechen. Ist das in Ordnung für dich?“ „Klar“, gab Luffy kurzerhand zurück. Sie küssten sich kurz, ehe er anschließend die Küche wieder verließ. Kaum war der Junge außer Sichtweite, spürte Crocodile, dass er sich endlich wieder einigermaßen gesammelt hatte. Völlig entsetzt und wutentbrannt sah er zu seiner Schwester hinüber, die ihm wiederum einen äußerst unwilligen Blick zuwarf. „Das ist doch nicht dein ernst, Hancock, oder?“, meinte Crocodile und seine Stimme klang deutlich schärfer als beabsichtigt. „Ich wusste, dass du nicht einverstanden sein würdest!“, erwiderte seine Schwester schwermütig seufzend. „Aber wie auch immer: Ich habe dir bereits gesagt, dass deine Meinung nichts an meiner Beziehung zu Luffy ändern wird. Er ist und bleibt mein Freund, ob es dir nun passt oder nicht!“ „Hancock!“, warf Crocodile aufgebracht ein und verstand überhaupt nicht, wie sie in dieser Hinsicht bloß so ignorant sein konnte. „Das ist kein Mann, sondern ein Junge. Ich bitte dich! Wie alt ist er? Sechzehn?!“ Sie schwieg für einen Moment, ehe sie schließlich unwillig zugab: „Siebzehn.“ „Und du bist Anfang dreißig!“ „Na und?“, erwiderte Hancock, die plötzlich auf Konfrontationskurs zu gehen schien: „Dass wir beide in einer Beziehung sind, ist nicht strafbar. Außerdem ist Luffy emotional viel reifer als Andere in seinem Alter. Ich jedenfalls finde, dass wir beide sehr gut zusammen passen und ich werde mir unsere Beziehung von dir nicht madig machen lassen!“ „Ob es strafbar ist oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle!“, gab Crocodile mit lauter Stimme zurück. „Es ist nämlich auf jeden Fall moralisch höchst verwerflich! Wahrscheinlich geht er sogar noch zur Schule! Hancock, du solltest als erwachsene Frau wirklich klüger handeln!“ „Was hat denn die Frage, ob er noch zur Schule geht, damit zu tun?“, versuchte sie vom Thema abzulenken und ihn in die Ecke zu drängen. „Sein Alter und sein derzeitiger Berufsstand spielen doch überhaupt keine Rolle. Für mich zählt nur, dass er sehr liebenswert und fürsorglich ist. Es angelt sich eben nicht jeder einen Multimillionär, Crocodile!“ Crocodile ignorierte diesen gemeinem Seitenhieb und setzte stattdessen zur Gegenwehr an: „Du bist fast doppelt so alt wie er, Hancock! Wie soll denn eure Beziehung in zehn oder zwanzig Jahren aussehen? Glaubst du wirklich, dass er, wenn er Ende zwanzig ist, mit einer Vierzigjährigen ausgehen will? Das ist doch völlig absurd!“ „Warum nicht? Ich bin mir sicher, dass ich auch noch mit vierzig sehr attraktiv aussehen werde“, warf sie ein. „Und außerdem sieht es bei dir und Doflamingo doch gar nicht so anders aus: Schließlich bist du auch mehr als fünf Jahre älter als er!“ „Wir sind beide zumindest volljährig, Hancock!“, entkräftete Crocodile ihr Argument. „Und außerdem in unseren Dreißigern. Das kannst du nicht miteinander vergleichen.“ Er schwieg für einen kurzen Moment und schüttelte den Kopf, ehe er schließlich mit energischer Stimme hinzufügte: „Warum nur willst du denn keine Vernunft annehmen, Hancock? Eure Beziehung hat keine Zukunft. Ihr beide seid einfach zu unterschiedlich. Früher oder später werdet ihr euch trennen. Das Beste ist, wenn du diese Beziehung jetzt gleich beendest. Glaub mir: Du wirst dir eine Menge Ärger und Tränen ersparen. Ganz sicher!“ „Du bist der allerletzte Mensch auf Erden, Crocodile, von dem ich einen Rat annehmen würde, wenn es um die Frage geht, wie man eine gut funktionierende Beziehung führt!“, spie Hancock ihm wutentbrannt entgegen. „Schließlich bist du derjenige von uns beiden gewesen, der fünf Jahre lang mit einem Mann zusammen geblieben ist, der dir immer wieder Gewalt angetan hat! Du hast nicht auf Mihawk und mich hören wollen, obwohl er dich jeden Tag niedergemacht, getreten und geschlagen hat. Ganz zu schweigen von dieser furchtbaren Sache, die vor kurzem erst im Skypia vorgefallen ist! Vielleicht ist Luffy nicht der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde. Das kann ich noch nicht sagen. Aber wenigstens weiß ich ganz genau, dass er mich -ganz gleich, was auch geschehen mag- niemals so schrecklich behandeln wird, wie Enel dich behandelt hat! Also sag du mir gefälligst nicht, wie ich mein Leben zu führen habe!“ Crocodile fühlte sich völlig überfordert und seltsam leer angesichts dieses schrecklichen Wutanfalls, der eben so heftig wie eine Tsunami-Welle über ihn hereingebrochen war. Er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Verdammt, er konnte nicht einmal genau sagen, was er fühlte. In seiner Brust rangen die verschiedensten Emotionen miteinander, doch keine erlangte die Vorherrschaft. Stattdessen wechselten sich Verletztheit, Wut, Erleichterung, Schuld, Machtlosigkeit, Bewunderung, Hass und Selbsthass in einem schnellen und unregelmäßigen Rhythmus ab. Seine ehemalige Beziehung zu Enel war für Crocodile ein absolutes Tabu-Thema; und irgendwann hatten sich auch seine beiden Geschwister damit abgefunden, dass er nicht über seinen selbstsüchtigen und gewalttätigen Exfreund reden wollte. Sie hatten es sich zu einem unbestimmten Zeitpunkt einfach abgewöhnt, über diesen Abschnitt in seinem Leben zu sprechen und taten zumeist so, als hätte diese Beziehung niemals existiert. Tatsächlich war es das allererste Mal, dass seine Schwester sich so deutlich und auch so schrecklich herablassend zu diesem Thema äußerte. Kaum erkannte Hancock, was sie angerichtet hatte, verwandelte sich ihr wütender in einen mitleidigen und schuldigen Blick. „Es tut mir leid, Crocodile“, sagte sie mit sanfter Stimme und kam einen Schritt auf ihn zu. „Ich... Ich wollte nicht... Das hätte ich einfach nicht sagen dürfen! Ich weiß doch, dass du dir nur Sorgen um mich machst... Bitte, ich...“ Hancock ging einen weiteren Schritt auf ihn zu und drang in seinen persönlichen Raum ein. Crocodile sagte nichts. Er äußerte sich überhaupt nicht zu der plötzlichen Reue seitens seiner Schwester. Stattdessen machte er auf dem Absatz kehrte und stürmte aus der Küche. Es versetzte ihn einen weiteren Schock, als er sah, dass sich sein Freund Doflamingo im Flur aufhielt. „Was zur Hölle machst du denn hier?“, brachte er mit erstickter Stimme zustande. „Wie viel hast du... Ach, verdammt...! Scheiß drauf!“ Crocodile lief an Doflamingo vorbei und riss sich mit einem kräftigen Ruck aus dessen Griff, als dieser versuchte, ihn am Hemdsärmel festzuhalten. Er stürmte zu der Gästetoilette hinüber, die sich ebenfalls im Erdgeschoss befand, und verriegelte die Tür hinter sich, ehe Hancock oder Doflamingo ihn davon abhalten konnten. Völlig durcheinander und ungeheuer verletzt ließ er sich auf dem heruntergeklappten Toilettendeckel nieder und unterdrückte mit aller Kraft die aufkommenden Tränen. Auch nach fünf Minuten, in denen Crocodile halbwegs erfolgreich die Tränen zurückgehalten hatte, war er immer noch nicht dazu in der Lage, zu fassen, wie sich seine eigene Schwester so unsensibel und verletzend zu der gewaltätigen Beziehung, in der fünf schreckliche Jahre lang gelebt hatte, äußern konnte. Sie war doch überhaupt nicht fähig dazu, nachzuvollziehen, was ihn davon abgehalten hatte, sich nicht schon früher von Enel abzuwenden! Sie wusste überhaupt nichts! Und doch machte sie ihn für dieses dunkle Kapitel in seinem Leben selbst verantwortlich! Wieso nur demütigte sie ihn und streute Salz in seine Wunden, die auch fünf Jahre nach der Trennung von seinem psychopathischen Exfreund noch nicht verheilt waren? Geistesabwesend strich Crocodile sich mit seiner rechten Hand über die Narbe, die quer und geradelinig über sein gesamtes Gesicht verlief. Dass sowohl Doflamingo als auch Hancock an die Türe der kleinen Gästetoilette klopften und ihn dazu aufforderten, diese zu öffnen, bekam Crocodile nur am Rande mit. Er hatte seinen beiden Geschwistern niemals verraten, dass es Enel gewesen war, der ihm diese Verletzung zugefügt hatte. Wenige Wochen nach dem Ende ihrer Beziehung war er spätabends erneut auf seinen Exfreund getroffen, der wohl auf der Lauer gelegen hatte und sich an ihm rächen wollte. Crocodile war allein gewesen, sein linker Arm noch immer eingegipst (Enel hatte ihm diesen gebrochen, was überhaupt erst der Anlass für die Trennung gewesen war) und sein Exfreund hatte ein Messer dabei gehabt. Crocodile hatte weder fliehen noch sich wehren können. Nachdem Enel ihm das Gesicht aufgeschlitzt hatte, war er rasch wieder verschwunden. Crocodile, der sich unfassbar gedemütigt und erniedrigt fühlte, hatte sein Portemonnaie und seinen teuren Mantel in eine große Mülltonne ein paar Straßen weiter geworfen, ehe er den Notarzt rief. Seinen beiden Geschwistern und Daz hatte er anschließend aufgetischt, er wäre auf eine Gruppe bewaffneter Delinquenten gestoßen, die ihn ausgeraubt und verletzt hätten. Außerdem hatte er ihnen glaubhaft gemacht, dass diese behauptet hätten, sie würden ihn erneut aufspüren, wenn er den Vorfall meldete, weswegen es niemals zu einer polizeilichen Ermittlung gekommen war. Enel war für seine Tat also niemals zur Rechenschaft gezogen worden. Nachfolgend hatte Crocodile auch die Anzeige wegen seines gebrochenen Arms zurückgezogen. Crocodile zog schnaufend die Nase hoch und griff nach ein paar Fetzen Toilettenpapier, um sie sich auf seine feuchten Augen zu pressen. Noch waren keine Tränen geflossen, doch er spürte deutlich, dass sie im Kommen waren. Es war das erste Mal seit Jahren, dass Crocodile sich wieder an diesem schrecklichen Vorfall erinnert hatte. Erneut spürte er, wie heiße Wut in ihm hochkochte, als er daran zurückdachte, was Hancock eben zu ihm gesagt hatte. Du bist derjenige von uns beiden, der fünf Jahre lang mit einem Mann, der dir immer wieder Gewalt angetan hat, zusammengeblieben ist! Du hast nicht auf Mihawk und mich hören wollen, obwohl er dich jeden Tag niedergemacht, getreten und geschlagen hat, konnte Crocodile die Stimme seiner Schwester hören, als würde sie neben ihm stehen und ihm die Worte direkt ins Ohr flüstern. Und je öfter er diese Worte in seinem Kopf wiederholte, desto vorwurfsvoller, beleidigender und demütigender klangen sie. Was wollte Hancock ihm damit sagen? Dass er es verdient hatte, jeden Tag misshandelt zu werden, nur weil es ihm nicht sofort gelungen war, sich aus der Beziehung zu Enel zu befreien? Dass es absolut legitim und gerecht war, dass sein Exfreund ihm seinen Arm gebrochen und sein Gesicht aufgeschlitzt hatte? Du hast nicht auf Mihawk und mich hören wollen, hörte er eine unsichtbare Hancock sagen, und darum hast du es auch verdient, so schlecht behandelt worden zu sein! „Verdammt, Crocodile!“ Es war Doflamingos laute und besorgte Stimme, die Crocodile schlussendlich aus seinen Erinnerungen riss. Er schüttelte den Kopf, als wollte er irgendwelche unerwünschten Gedanken einfach abschütteln, ehe er sich wieder zu sammeln begann. „Entweder du öffnest jetzt diese verfluchte Türe oder ich trete sie ein!“ „Dann bekommst du aber großen Ärger mit Mihawk“, erwiderte Crocodile und er wusste nicht, ob er diese Aussage ernst oder neckisch meinte. Noch immer hatte er seine Gefühle nicht geordent. Er schwankte irgendwo zwischem dem selbstsicheren und dem verletzlichen Crocodile. Und er war sich nicht sicher, ob er bereit dazu war, dieses zwielichte Mittelstadium seinen Partner zu offenbaren. Zwar war Crocodile ein Mensch, der sich schnell beleidigt fühlte oder rasch sehr wütend wurde, doch bisher war es noch niemals vorgekommen, dass Doflamingo ihn in einem solch gekränkten Zustand wie jetzt gerade erlebt hatte. „Ist mir egal!“, meinte dieser. „Ich kauf ihm eine neue Tür.“ Als Crocodile nichts erwiderte, fügte er hinzu: „Jetzt öffne sie endlich, Crocodile. Ich mache mir Sorgen um dich. Und Hancock auch.“ Crocodile seufzte. Er war sich noch immer nicht sicher, ob er jetzt mit seinem Freund sprechen wollte oder nicht. Wie würde Doflamingo reagieren, wenn er den sonst so starken Crocodile zusammengesunken wie ein Häufchen Elend vorfinden würde? „Crocodile! Also gut, du willst es nicht anders: Geh ein Stück zurück! Ich trete diese Türe jetzt ein!“ „Nein, ist schon gut, warte!“ Wenn er ehrlich war, dann hatte Crocodile nicht damit gerechnet, dass sein Partner seine Drohung ernst meinte und es tatsächlich in Erwägung zog, die solide Zimmertüre einzutreten. Und er hatte keine Lust darauf, Ärger mit Mihawk bekommen. Nicht nur wegen der kaputten Tür, sondern vor allen Dingen, weil er diesem nicht seine Geburtstagsparty verderben wollte. „Ist Hancock noch da?“ „Ja, ist sie. Sie steht hier neben mir.“ „Es tut mir wirklich leid, was ich gesagt habe, Crocodile“, warf diese sofort ein. „Das hätte ich nicht tun dürfen. Ich weiß doch, wie schlimm die Zeit mit Enel für dich gewesen ist.“ Anstatt seiner Schwester ein zorniges Du weißt überhaupt gar nichts! entgegen zu speien, ignorierte Crocodile sie und wandte sich stattdessen ein weiteres Mal an seinen Freund: „Sag ihr, dass sie verschwinden soll. Ich will sie jetzt nicht sehen. Dann mache ich auch die Tür für dich auf. Versprochen.“ Auf der anderen Seite herrschte für eine Weile Schweigen, ehe Doflamingo schließlich meinte: „Einverstanden. Sie geht.“ „Und sag ihr, dass sie Mihawk nichts erzählen soll!“, fügte Crocodile rasch an. „Er braucht hiervon nichts zu wissen. Ich möchte ihm nicht seinen Geburtstag verderben. Und sie soll auch Daz nichts sagen. Am besten überhaupt niemanden.“ „Sie hat es gehört“, meinte Doflamingo. Wenige Augenblicke später sagte er dann: „Hancock ist jetzt weg. Sie ist wieder zurück in die Küche gegangen. Alle anderen halten sich noch immer im Wohnzimmer auf. Wir beide sind jetzt also allein. Jetzt mach endlich die Tür auf!“ Crocodile gab sich selbst zwei Atemzüge und wischte sich zur Sicherheit noch einmal mit dem Hemdsärmel über die Augen, ehe er endlich die Türe der Gästetoilette öffnete. Draußen erwartete ihn ein Doflamingo mit undefinierbarem Gesichtsausdruck, der ihn sofort in die Arme schloss, kaum war er aus dem kleinen Raum herausgetreten. Crocodile ließ die Umarmung zu und drückte sein Gesicht in die Halsbeuge seines Partners; die Körperwärme, die er spürte, und der Duft, den er einatmete, beruhigten ihn seltsamerweise beinahe sofort. Nachdem er sie eine oder zwei Minuten lang genossen hatte, löste Crocodile sich allerdings wieder von Doflamingo und warf diesem einen skeptischen Blick zu. „Wie viel hast du mitbekommen?“, fragte er mit ernster Stimme. „Und wieso hast du überhaupt im Flur vor der Küche gestanden?“ „Ich habe nicht beabsichtigt, dich und Hancock zu belauschen, wenn du darauf hinaus willst“, erwiderte sein Freund sofort; er klang nicht so, als würde er lügen. „Ehrlich gesagt habe ich gar nicht bemerkt, dass sie zu dir hinüber in die Küche gegangen ist. Ich wollte unter vier Augen mit dir sprechen, weil du nach unserer Diskussion über ihren neuen Freund einfach weggegangen bist. Und dann habe ich euren Streit eben unweigerlich mitbekommen.“ „Du hast die erste Frage immer noch nicht beantwortet“, warf Crocodile ein. „Wie viel hast du gehört?“ „Naja“, Doflamingo zögerte für einen Moment, „eigentlich alles.“ Crocodile seufzte verzweifelt auf und legte sich die rechte Hand über die Augen. Im Prinzip hatte sein Partner eben seine allerschlimmste Vermutung bestätigt: Nun wusste er also ganz genau über die gewaltätige Beziehung Bescheid, die er fünf Jahre lang mit Enel geführt hatte. Oder wusste zumindest genauso viel wie seine beiden Geschwister, korrigierte Crocodile in Gedanken. Wie sollte er nun mit dieser Situation umgehen? Er hatte niemals vorgehabt, mit Doflamingo über Enel zu sprechen. Oder über irgendeinen anderen seiner Exfreunde. So etwas tat man ein einer Beziehung einfach nicht, fand Crocodile, es war unhöflich und aufdringlich. „Gibt es hier vielleicht einen Raum, in dem wir privat reden können?“, fragte Doflamingo, als sein Freund für eine Weile schwieg. „Also, abseits von der Party. Ich denke, die Gästetoilette ist ein wenig zu klein für uns beide.“ „Worüber willst du denn reden?“, meinte Crocodile. Um ehrlich zu sein, hatte er im Augenblick überhaupt keine Lust darauf, irgendwelche tiefschürfenden Gespräche mit seinem Partner zu führen. Am liebsten würde er sich jetzt in seinen Mercedes setzen und nach Hause fahren. Nach dem Streit mit seiner Schwester hatte er sowieso keine Lust mehr darauf, zu feiern. „Dass ich dich einfach so stehen gelassen habe, tut mir leid. Ich wollte mit dir bloß keine ellenlange Diskussion über Hancocks neuen Freund führen. Können wir dieses Thema jetzt bitte beenden?“ „Darum geht es doch gar nicht!“, erwiderte Doflamingo. „Ich möchte mit dir über den Streit sprechen, den du eben mit deiner Schwester hattest. Und über Enel.“ „Bitte nicht!“ Crocodile seufzte laut und wich dem Blick seines Partners aus. „Können wir nicht einfach nach Hause fahren?“ „Auf keinen Fall! Crocodile, du kannst nicht ewig vor diesen Dingen weglaufen! Es wird Zeit, dass du mit mir darüber sprichst. Schließlich bin ich doch dein fester Freund und genau dafür da. Du kannst mit mir über alles reden, was dich belastet!“ „Nein, das kann ich nicht“, warf Crocodile ein, „weil man nämlich mit seinem Partner nicht über irgendwelche ehemaligen Beziehungen spricht. So etwas ist rücksichtslos. Und aus demselben Grund zieht man ihn auch nicht in einen Familienstreit hinein. Das sind Dinge, die dich einfach nichts angehen! Und außerdem möchte ich auch überhaupt nicht mit dir sprechen - weder über Enel noch über Hancock.“ „Rücksichtslos? Das ist doch totaler Quatsch! Weißt du, was rücksichtslos ist: Wenn ich dir nicht dabei helfe, deine Probleme zu lösen, nur weil sie irgendetwas mit deinem Exfreund zu tun haben! Und jetzt lass uns endlich irgendwohin gehen, wo wir beide ungestört sein können: Wenn wir weiter hier im Flur rumdiskutieren, wird früher oder später einer der anderen Partygäste auf uns beide aufmerksam. Und das ist doch sicher das letzte, was du möchtest, oder nicht?“ Crocodile musste wohl oder übel zugeben, dass Doflamingo mit dieser Befürchtung Recht hatte. Und tatsächlich wollte er nicht, dass jemand Anderes sich in ihren Streit einmischte. Vor allen Dingen Mihawk oder Daz nicht. Also gab er der Forderung seines Freundes schließlich doch noch klein bei. „Oben gibt es ein Gästezimmer, das wir benutzen könnten“, meinte Crocodile unwillig und ließ sogar zu, dass Doflamingo ihn am Handgelenk packte und mit sanfter Gewalt die Treppe hoch lotste. „Aber trotzdem werde ich dich enttäuschen müssen: Es gibt keine Probleme, die du für mich lösen könntest! Wenigstens nicht durch Reden.“ Sie erreichten das Gästezimmer im ersten Stock. Es war ein mittelgroßer Raum, in dem ein Bett, ein Kleiderschrank und eine Couch mitsamt kleinem Couchtisch standen. Der Boden war mit einem gemütlichen Teppich ausgelegt und die Wände in einem schicken Weinrot gestrichen. Crocodile schloss die Türe hinter ihnen ab, damit sie in ihrem Gespräch (wohin auch immer dieses führen mochte) durch niemanden gestört werden würden. Doflamingo hatte sich auf der Couch niedergelassen und deutete an, dass sein Partner sich neben ihn setzen sollte. Crocodile seufzte ein weiteres Mal und wünschte sich mit aller Kraft, irgendwo anders zu sein, ehe er dem Wunsch schließlich nachkam. Crocodile sah starr zu Boden und sah nur aus dem Augenwinkel heraus, dass Doflamingo seine Sonnenbrille abnahm und auf den Couchtisch deponierte. Unweigerlich musste Crocodile schlucken. Wenn sein Freund seine heiß geliebte Sonnenbrille abnahm, dann bedeutete dies entweder phänomenalen Sex oder ein sehr unangenehmes Gespräch; und leider handelte es sich nun wohl eher um letzteres. Doflamingo schwieg für eine Weile, ehe er schließlich meinte: „Ich bin nicht sonderlich gut darin, Gespräche dieser Art zu führen. Du weißt schon, weil es sich bei unserer Beziehung um die erste für mich handelt, die mir wirklich ernst ist. Trotzdem denke ich, dass es jetzt ganz wichtig für uns beide ist, miteinander zu sprechen. Ich will, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin, wenn es ein Problem gibt. Und zwar ganz egal, ob dieses Problem mit mir zusammenhängt oder mit irgendwem anders.“ Crocodile überlegte kurz, wie er am besten auf diese untypisch ernste und einfühlsame Äußerung Doflamingos reagieren sollte, ehe er erwiderte: „Ich finde es wirklich sehr schön, dass du dich so sehr um mich sorgst und dich darum bemühst, mich zu unterstützen, Doffy. Aber es gibt nun einmal Dinge, über die ich nicht sprechen möchte. Dinge, die weit in der Vergangenheit liegen. Oder die sich durch Reden nicht ändern lassen. Du weißt, dass ich ein Mensch bin, der es hasst, Hilfe anzunehmen. Dafür bin ich einfach zu stolz. Das solltest du respektieren!“ „Aber ich bin doch dein Freund!“ Diese energisch ausgesprochenen Worte schienen fast schon aus Doflamingos Mund herauszubrechen. „Ich bin doch dafür da, um dir zu helfen und mit dir zu reden, wenn Probleme auftreten. Wenn du diese emotionale Ebene nicht zulassen möchtest, dann können wir uns unsere Beziehung doch direkt schenken! Wenn wir beide einander nicht vertrauen und es nicht schaffen, über Probleme zu sprechen, dann könnten wir immerhin auch genauso gut einfach nur, was weiß ich, eine Fickbekanntschaft führen!“ Ob Crocodile es zugeben wollte oder nicht: Ihn trafen die Worte seines Partners hart. Sie rührten ihn, doch zugleich jagten sie ihm auch Angst ein: Worauf wollte Doflamingo hinaus? Dass er sich von ihm trennen würde, wenn er jetzt nicht mit ihm über Enel oder Hancock sprach? Crocodile schluckte und spürte, dass der Speichel es nicht die Speiseröhre hinunter schaffte, weil ein dicker Kloß in seinem Hals sie aufhielt. Er erinnerte sich daran, dass Doflamingo bereits häufiger angemerkt hatte, ihm wären Ehrlichkeit und Vertrauen in einer festen Beziehung sehr wichtig. Er wünschte sich, dass sein Partner sofort zu ihm kam und darüber sprach, wenn sich irgendein Problem ergab. Unweigerlich musste Crocodile daran denken, dass er Doflamingo schon seit vielen Wochen anlog. Er hatte ihm nichts davon erzählt, dass Sengoku ihm gekündigt hatte. Oder davon, dass er fast eine halbe Millionen Berry Schulden hatte, weil er mit dem Tilgen seiner vielen Kredite nicht mehr hinterher kam. Und dass er seine teure Loft-Wohnung so oder so hätte aufgeben müssen, wusste Doflamingo auch nicht. Heftige Gewissenbisse packten Crocodile, als er sich ins Gedächtnis rief, dass er diesem sogar weißgemacht hatte, er hätte sich ab dem Fünfzehnten diesen Monats Urlaub genommen, obwohl er in Wirklichkeit ab genau diesem Tag endgültig entlassen sein würde. Er entsprach nicht im mindestens den Bedingungen, die sein Partner an ihn stellte. Nicht einmal eine so fundamentale Vorausetzung wie Ehrlichkeit konnte er erfüllen. Er war ein schrecklicher Freund! „Ich wollte dich mit meinen Worten nicht erschrecken oder verletzen“, lenkte Doflamingo rasch ein, als er den überaus schwermütigen und verzweifelten Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes bemerkte. „Und ich möchte dich auch nicht unter Druck setzen. Aber du sollst wissen, dass ich dir immer zuhöre und für dich da bin, wenn irgendetwas los ist. Und es macht mich eben manchmal ganz schön fertig, zu sehen, dass du mir auch nach neun Monaten Beziehungen so wenig vertraust und versuchst, mich aus allem rauszuhalten.“ „Du liegst falsch, wenn du denkst, dass ich dir nicht vertrauen würde“, erwiderte Crocodile, der sich mit der rechten Hand über die Lippen rieb. „Ich liebe dich und vertraue dir, Doffy. Aber es gibt nun einmal Dinge, über die ich nicht reden möchte. Über Enel zum Beispiel rede ich auch nicht mit meinen Geschwistern oder mit Daz, obwohl ich sie schon deutlich länger kenne als dich. Es hat nichts mit dir zu tun. Ich versuche einfach mit allen Mitteln, diese Zeit aus meinem Gedächtnis zu streichen. Es liegt wirklich nicht an dir.“ „Daz wusste aber deutlich mehr über Enel als ich“, warf Doflamingo ein. „Du hast mir ja nicht einmal erzählt, dass ihr beide jemals eine Beziehung geführt habt, ganz zu schweigen von irgendwelchen unangenehmen Details. Zum Beispiel habe ich erst durch Daz erfahren, dass er dir den Arm gebrochen hat. Weißt du noch? Es war im Skypia, kurz nachdem du dir auf der Toilette die Seele aus dem Leib gekotzt hattest.“ „Erinnere mich bitte nicht an diesen Vorfall“, entgegnete Crocodile. „Aber ich verstehe auch nicht, wie du dir das vorstellst: Wann hätte ich dir so etwas denn sagen sollen? Bei unserem ersten Date vielleicht? Hallo, wie geht’s dir? Ach übrigens, ich war mal mit einem Psychopathen zusammen, der mir den Arm gebrochen hat. Und bist du gut hergekommen? Das ist doch lächerlich!“ „Nicht bei unserem ersten Date!“, wandte Doflamingo mit knirschenden Zähnen ein. „Aber in einer anderen Situation vielleicht. Wir hatten doch bereits sehr viele vertraute Momente in unserer Beziehungen, in denen man so etwas hätte anbringen können!“ „Du verstehst einfach nicht, worum es geht“, meinte Crocodile schließlich und spürte, dass seine Geduld sich langsam dem Ende zuneigte. „Du hast vielleicht Recht damit, wenn du sagst, dass es viele Situationen gab, in denen ich dir von Enel hätte erzählen können. Und ich vertraue dir auch genug, um mit dir über ihn zu sprechen. Die Sache ist nur die: Ich will es einfach nicht! Ich habe keine Lust, mit irgendjemanden über diese Zeit zu reden. Die Beziehung zu Enel war fürchterlich und demütigend! Und ich bin längst darüber hinweg. Wieso also sollte ich diese alte Geschichte noch einmal vor dir auspacken? Es gibt keinen Grund, um mich wieder daran zurückzuerinnern!“ „Aber genau das ist doch nicht der Fall!“ Auch Doflamingo klang inzwischen sehr ungeduldig und aufgebracht. Crocodile ahnte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis aus dieser Diskussion ein echter Streit werden würde. „Du hast deine Beziehung zu Enel noch lange nicht verarbeitet, sondern bloß verdrängt. Glaubst du denn, ich habe nicht bemerkt, wie unwohl du dich im Skypia gefühlt hast? Du hast dich ständig nervös umgeschaut. Ich wette, du hattest Angst davor, ihm zu begegnen! Aber anstatt mir deine Gefühle mitzuteilen, sagst du nichts und stehst die Sache stillschweigend durch, und zwar mit allen Konsequenzen. Dabei hätte man doch ganz einfach in einen anderen Club gehen können. Dafür hättest du bloß mit mir sprechen müssen!“ „Worauf willst du hinaus? Dass ich es verdient habe, vergiftet zu werden, weil ich mit dir nicht über meinen Exfreund gesprochen habe? Wer hätte denn ahnen können, dass so etwas passieren würde?“ „Du drehst mir schon wieder die Worte im Mund herum!“, schimpfte sein Partner. „So habe ich es doch gar nicht gemeint und das weißt du ganz genau! Schließlich haben wir schon im Krankenhaus über dieses Thema gesprochen. Ich wollte nur sagen, dass du dir viel Ärger und Leiden sparen könntest, indem du mit mir über deine Gefühle sprichst!“ „Ich will aber nicht über meine Gefühle sprechen!“ Crocodiles Stimme klang deutlich lauter, als er es beabsichtigt hatte. „Aber ich bin doch dein Freund! Mit wem, wenn nicht mit mir, kannst du über deine Gefühle sprechen!?“ Auch Doflamingo war außer sich und schrie beinahe schon. Dem Umstand, dass sie beide sich bei diesem Gespräch im Kreis drehten, schenkte keiner von ihnen Beachtung. „Mit niemandem! Verdammt nochmal! Ich will einfach mit niemandem darüber sprechen! Kannst du das nicht verstehen!?“ „Aber warum denn nicht?“ „Na, weil ich mich deswegen schäme!“ Die Worte waren ihm über die Lippen gekommen, ehe er sie hätte aufhalten können. Völlig geschockt und bestürzt legte Crocodile sich die Innenfläche der rechten Hand über den Mund, als könnte er auf diese Weise das Gesagte zurücknehmen und verhindern, dass ihm noch mehr unüberlegte Worte entkamen. Betroffen wich er dem Blick seines Partners aus und fixierte stattdessen die Spitzen seiner schwarzen Schuhe. Wieso nur hatte er etwas so fürchterlich Dummes gesagt? „Du schämst dich?“, wiederholte Doflamingo ungläubig und entrüstet. „Aber es gibt doch überhaupt keinen Grund, um sich zu schämen. Dich trifft keine Schuld! Ganz im Gegenteil: Enel, dieser kranke Wichser, sollte sich schämen!“ „Du verstehst das nicht“, erwiderte Crocodile. Seine rechte Hand hatte inzwischen von seinem Mund abgelassen; stattdessen strich er sich geistesabwesend über die Narbe in seinem Gesicht. „Können wir dieses Gespräch jetzt bitte endlich beenden? Ich will nach Hause.“ „Wofür schämst du dich?“, bohrte Doflamingo nach, ohne auf den Wunsch seines Partners einzugehen. „Ich will jetzt nicht darüber reden!“ „Du willst nie darüber reden! Aber glaub mir: Es wird dir besser gehen, nachdem du dich endlich jemandem anvertraut hast. Also: Wofür schämst du dich?“ Inzwischen klang Doflamingos Stimme nicht mehr aufgebracht, sondern sehr sanft. Trotzdem ließ er nicht von seinem Vorhaben ab, seinen Freund zu einer ehrlichen Antwort zu drängen. Crocodile seufzte. Er war hin- und hergerissen: Auf der einen Seite fühlte er sich in diesem Gespräch sehr unwohl, wollte bloß nach Hause fahren und niemals wieder einen Gedanken an seinen psychopathischen Exfreund verschwenden, doch auf der anderen Seite kam nun in ihm der Wunsch auf, endlich einmal über seine Gefühle zu sprechen. Vielleicht würde es ihm ja tatsächlich besser gehen, wenn er diese Bürde mit jemand Vertrauenswürdigen teilte? Und hatte er nicht derzeit schon mehr als genug andere Probleme, die ihn ständig belasteten? Sicher würde es ihm guttun, eine Belastung weniger aushalten zu müssen. Vermutlich war es tatsächlich an der Zeit, über seine Beziehung mit Enel zu sprechen und sie endlich endgültig hinter sich zu lassen. Außerdem, dachte Crocodile, gab es dann ein Geheimnis weniger, das er vor seinem Freund hüten müsste. Doflamingo würde sich sicher über seine Ehrlichkeit freuen und auch über das Vertrauen, das er diesem entgegenbrachte. Crocodile atmete zweimal tief ein und aus, ehe er schließlich mit langsamer und ganz schmerzverzerrter Stimme meinte: „Ich schäme mich für mich selbst. Ich schäme mich dafür, dass ich ein schwacher Mensch gewesen bin. Es ist meine eigene Schuld gewesen, dass Enel mich so furchtbar behandelt hat, denn ich habe es zugelassen.“ Für einen Moment herrschte ein sehr unangenehmes Schweigen zwischen ihnen beiden. Doflamingo schien nicht recht fassen zu können, was sein Freund ihm da eben mitgeteilt hatte, und Crocodile starrte noch immer unverwandt auf seine Schuhe. Er wollte dem Blick seines Partners jetzt nicht begegnen. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, durchbrach schließlich Doflamingo das Schweigen. „Du gibst dir selbst die Schuld an den Dingen, die Enel dir angetan hat? Das ist doch absolut lächerlich, Crocodile! Es passt überhaupt nicht zu dir, so verquert zu denken!“ „Da hast du Recht“, stimmte Crocodile seinem Partner mit schwacher Stimme zu. „Es passt nicht zu mir. Eigentlich habe ich mich selbst immer für einen sehr selbstbewussten und stolzen Menschen gehalten, aber Enel hat mir das Gegenteil bewiesen: In Wirklichkeit bin ich schwach und abhängig. Schließlich hat es fünf Jahre lang gedauert, bis ich endlich Schluss gemacht habe, obwohl sein ausfallendes Verhalten schon nach wenigen Wochen begonnen hatte.“ „So habe ich es nicht gemeint!“, warf Doflamingo sofort ein. „Ich wollte doch nicht sagen, dass du schwach bist. Sondern, dass es völlig unsinnig ist, dich für schwach zu halten! In eine gewaltätige Beziehung kann jeder geraten!“ „So etwas passiert normalerweise nur Frauen ohne Selbstwertgefühl und ohne Zukunft!“, entgegnete Crocodile. „Aber ich bin eigentlich ein sehr stolzer Mensch, außerdem habe ich eine vielversprechende Ausbildung genossen. Und trotzdem ist es mir fünf Jahre lang nicht gelungen, mich von Enel abzulösen. Es ist nicht so, als hätte er mich in Ketten gelegt oder eingesperrt. Ich hätte jederzeit gehen können. Aber ich habe es nicht getan. Weil ich schwach und abhängig war.“ „Vielleicht hat er dich räumlich gesehen nicht eingesperrt“, erwiderte Doflamingo energisch, „aber er hat es auf seelischer Ebene getan. Und das ist sicherlich mindestens genauso effektiv! Erzähl mir mehr. Ich will alles wissen. Was hat er gesagt und getan, um dich an einer Trennung zu hindern?“ „Ich möchte mich lieber nicht daran zurückerinnern“, sagte Crocodile mit schwacher Stimme und rieb sich mit der rechten Hand über seine Wange. Im Augenblick fühlte er sich völlig ausgeliefert. Am liebsten wäre er einfach aufgestanden und aus dem Raum gestürmt. Er wusste selbst nicht genau, wieso er es nicht tat, sondern stattdessen neben seinem Freund sitzen blieb. „Ich kann mir gut vorstellen, dass du nur ungern an deine Beziehung mit Enel zurückdenkst“, meinte Doflamingo in einem Tonfall, der ernst und gleichzeitig sehr zärtlich klang. Behutsam legte er seinen Arm um die Hüfte seines Partners und Crocodile merkte, dass er sich wie von selbst in die Berührung hineinlehnte. Der Druck des Armes, den er spürte, sorgte dafür, dass er sich gleich ein wenig besser fühlte; und auch Doflamingos Geruch, den er einatmete, empfand er als überaus angenehm. „Aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es dir besser gehen wird, sobald du dich mir anvertraut hast. Es ist an der Zeit, dass du endlich über die Dinge sprichst, die vorgefallen sind. Und es gibt auch absolut keinen Grund, um sich zu schämen!“ „Du willtst also wirklich die ganze Geschichte hören?“ Doflamingo nickte untypisch ernst und warf ihm aus liebevollen Augen einen auffordernden Blick zu. Crocodile seufzte und vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge seines Partners. Er spürte, dass sein Freund ihm mit einer Hand sanft durchs Haar fuhr, und seufzte. Jetzt gab es kein wohl kein Zurück mehr. Crocodile sah Doflamingo nicht ins Gesicht, während er überhastet zu sprechen begann: „Im Prinzip hat alles damit angefangen, dass ich meine linke Hand verloren habe. Ich habe dir ja schon einmal erzählt gehabt, dass diese Zeit wirklich sehr schlimm für mich gewesen ist. Ich musste mein Studium unterbrechen und bin wieder zurück zu Mihawk gezogen, der sich um mich gekümmert hat. Es hat sich sehr rücksichtsvoll verhalten und mir dabei geholfen, wieder in mein normales Leben zurückzufinden. Trotzdem hat mich diese Zeit stark geprägt: Mein Selbstwertgefühl war absolut im Keller. Weil ich Mihawk nichts als Umstände bereitet habe, kam ich mir völlig überflüssig und wertlos vor. Schließlich konnte ich nicht einmal arbeiten und Geld zur Miete beitragen. (Mihawk hat in einer Mietwohnung gewohnt, ehe er dieses Haus hier gekauft hat, musst du wissen.) Und außerdem habe ich mich furchtbar verunstaltet gefühlt. Ich dachte mir, dass sicher niemand einen Typen mit nur einer Hand zum Freund haben möchte. Leider hat sich diese Befürchtung auch deutlich bestätigt: Es klingt jetzt vielleicht ein wenig arrogant oder oberflächlich, aber früher bin ich ziemlich oft angesprochen worden, sowohl von Frauen als auch von Männern. Seit mir allerdings die linke Hand fehlte, hat mir niemand auch nur scheelen Blick zugeworfen. Darunter habe ich sehr stark gelitten. Irgendwann habe ich dann auch selbst angefangen, mich unattraktiv und abstoßend zu finden. Jedenfalls: Als ich dann ein halbes Jahr später zur Universität zurückgekehrt bin, war ich ein komplett kaputter Mensch. Mein Stolz und mein Selbstwertgefühl waren stark angeschlagen. Daz hat zwar immer wieder versucht, mich aufzumuntern, aber es hat nicht viel geholfen. Die Blicke meiner Mitstudenten und ihr Gerede haben mich völlig fertig gemacht. Und in diesem Zustand habe ich für jemanden wie Enel natürlich ein gefundenes Fressen dargestellt! Ob du es glaubst oder nicht, Doffy, aber zuerst hat Enel einen sehr freundlichen und liebevollen Eindruck gemacht: An meiner fehlenden Hand schien er sich überhaupt nicht zu stören. Er hat sehr viele Komplimente verstreut und mich irgendwann sogar um eine Verabredung gebeten. Natürlich habe ich zugesagt. Um ehrlich zu sein, war ich bloß wahnsinnig glücklich darüber, dass sich endlich wieder ein Mann für mich interessiert. Und in der ersten Zeit lief es eigentlich auch ganz gut. Nach ein paar Wochen allerdings wurde er dann ausfallend. Es hat mit Kleinigkeiten angefangen: Mal hat er sich abfällig über mich geäußerst, mal mich grob angefasst oder Ähnliches. Außerdem hat er mich dazu gebracht, ihn ständig zu bedienen und zu umsorgen. Du weißt schon: Ihm sein Bier ins Wohnzimmer zu bringen und solche Sachen. Aber es war nichts wirklich Schlimmes dabei. Deswegen habe ich übrigens auch nichts davon meinen Geschwistern oder Daz erzählt. Sie waren nämlich sehr froh darüber, dass ich endlich wieder einen Freund gefunden hatte und aus meiner Depression herauskam. Ich wollte sie nicht enttäuschen, indem ich mich über solche Kleinigkeiten beschwerte. Bald allerdings wurde es schlimmer: Vor allem wenn er betrunken war, hat er mich regelrecht angeschrien und niedergemacht. Manchmal ist er auch handgreiflich geworden. Aber ich war naiv genug, um ihm immer wieder zu verzeihen. Er hat mir nämlich hinterher jedes Mal versprochen, dass es ihm leid täte und er sich ändern würde. Die üblichen Sprüche eben. Aber ich habe ihm geglaubt. Als wir ungefähr ein Jahr lang ein Paar gewesen sind, war ich kurz davor, mich von ihm zu trennen. Inzwischen wurde er immer öfter handgreiflich. Zu diesem Zeitpunkt hatte er mich zwar noch nicht ins Gesicht geschlagen, aber ständig zum Beispiel getreten oder sehr grob angefasst. Leider bemerkte Enel, was ich vorhatte, ehe es zu einer endgültigen Trennung kam. Und er begann damit, mir Schuldgefühle einzureden: Er sagte mir, dass ich froh sein sollte, dass sich überhaupt ein Mann für mich interessierte. Dass ich niemals wieder jemanden finden würde, wenn ich mich von ihm trennte. Und solche Dinge eben. Auch, dass es meine Schuld wäre, dass er ständig ausfällig wurde. Hinterher hatte er mir so erfolgreich eingeredet, dass alle Probleme in unserer Beziehung allein an mir lägen, dass ich den Gedanken, mich von ihm zu trennen, wegen meines schlechten Gewissens dann wieder verworfen habe. Die folgenden vier Jahre waren für mich die absolute Hölle: Immer wieder wollte ich mich von Enel trennen, doch niemals ist es mir gelungen. Und mit der Gewalt in unserer Beziehung ist es immer schlimmer geworden. Inzwischen ging er mich fast jeden Tag an. Und es blieb auch nicht nur bei Tritten oder Beleidigungen. Es klingt sehr traurig, aber tatsächlich habe ich es mir angewöhnt, immer einen Schal zu tragen, weil ich die Striemen an meinem Hals verdecken wollte.“ „Er hat dich gewürgt?!“ Es war das erste Mal, seit Crocodile mit dem Erzählen begonnen hatte, dass sein Freund ihn unterbrach. Doflamingos Stimme klang absolut wutenbrannt, hasserfüllt und schrecklich empört. „Dieser gottverdammte Hurensohn!“ Beschämt nickte Crocodile und fuhr rasch fort: „Das Problem lag jedoch darin, dass er mich nicht nur körperlich, sondern auch seelisch völlig fertig gemacht hat. Die Zeiten, in denen er mir versprochen hat, sich zu ändern, waren längst vorbei; nun hatte er angefangen, mich emotional zu erpressen. Eben, indem er mir Schuldgefühle einredete. Aber er zog auch andere Menschen in die Sache mit hinein: Er meinte zum Beispiel, dass ich meine Geschwister enttäuschen würde, wenn ich mit ihm Schluss machte. Dass ich sie schon mehr als genug mit meinen Problemen belastet hätte und ihnen eine weitere Krise meinerseits nichts zumuten dürfte. Vor allen Dingen mit solchen Argumenten hat er mich wieder unter seine Kontrolle gebracht, denn natürlich wollte ich gerade meinen Geschwistern gegenüber nicht undankbar erscheinen. Also habe ich diese Tortur weitere vier Jahre lang stillschweigend ertragen.“ „Aber haben denn Mihawk, Hancock oder Daz nichts mitbekommen?“, warf Doflamingo skeptisch ein. „Hast du ihnen vor Ende der Beziehung niemals erzählt, was Enel dir angetan hat? Und ist ihnen auch nichts aufgefallen?“ Crocodile seufzte. „Enel hat recht erfolgreich verhindert, dass ich mich oft mit ihnen traf. Das gehörte mit zu seinem Plan: Er wollte mich ganz für sich. Du musst wissen, dass Enel sehr eifersüchtig war. Dass ich mich nicht mehr mit Daz treffen sollte, hat er mit seiner Eifersucht und mit seiner angeblichen Angst, mich zu verlieren, begründet. Und die Treffen mit Mihawk und Hancock hat er immer wieder sabotiert. Zum Beispiel irgendwelche Notfälle vorgetäuscht und an meiner Pflicht als sein Freund appelliert, damit ich die Verabredung mit ihnen sausen ließ. Er hat es auch gehasst, wenn ich mit irgendjemandem telefoniert habe. Irgendwann war Enel selbst der einzige menschliche Kontakt, den ich noch übrig hatte. Was natürlich die Angst, ihn zu verlieren, vergrößerte. Dazu bestätigte er diese Angst, indem er mir ständig einredete, dass ich niemanden mehr hätte, wenn ich ihn verlassen würde. Dass ich ganz allein wäre. Außerdem überredete er mich irgendwann dazu, mir mit ihm zusammen eine Wohnung zu nehmen. Sie lag in einer anderen Stadt, sodass es praktisch unmöglich wurde, den Kontakt zu Daz und meinen Geschwistern auch nur sporadisch aufrecht zu erhalten. Er verlangte außerdem von mir, meine Arbeit aufzugeben. Gegen Ende unserer Beziehung hatte Enel mich also nicht nur in emotionaler Hinsicht in seiner Gewalt. Er machte mich auch finanziell von ihm abhängig. Und ich war ganz allein oder dachte zumindest, dass ich allein wäre. Währenddessen wurde die körperliche Gewalt, die er an mir ausübte, immer schlimmer. Dass er mich regelrecht verprügelte, auch ins Gesicht schlug, gehörte bald zur Tagesordnung. Es gab ja keine Freunde, Familie oder Arbeit mehr, vor denen man die Wunden hätte verbergen müssen. Enel sah keinen Grund mehr dazu, sich zurückzuhalten.“ Crocodile stockte und pustete eine Haarsträhne, die ihm ins Gesicht gefallen war, zur Seite. Doflamingo blickte ihn aus wachen und zornigen Augen heraus an. Wie immer, wenn er seine Sonnenbrille mit den getönten Gläsern nicht trug, bekam Crocodile das Gefühl, geröntgt zu werden. Dieses Mal störte es ihn allerdings nicht. Er hatte sich freiwillig dazu entschieden, sich seinem Partner zu offenbaren, und darum machte es ihm nichts aus, wenn dieser in ihm las wie in einem offenen Buch. Tatsächlich tat es sogar gut. Damit hatte Crocodile nicht gerechnet. „Was hat schlussendlich dazu geführt, dass du dich von ihm getrennt hast?“, fragte Doflamingo, als sein Freund auch nach einigen Minuten des Schweigens nicht weitersprach. Er wirkte sehr zornig und schien sich kaum beherrschen zu können. Crocodile sah, dass sogar eine Ader an seiner Stirn rot und wütend pochte. „Daz hat irgendetwas von einem gebrochenen Arm gesagt.“ Crocodile nickte. „Wir haben uns heftig gestritten. Es war das erste Mal seit langem, dass nicht nur er mich, sondern auch ich ihn anschrie. Ich hatte nämlich erfahren, dass er mich betrog. Schon seit Jahren. Er hatte drei oder vier dauerhafte Affären und immer mal wieder One-Night-Stands gehabt. Selbstverständlich hat er mir die Schuld in die Schuhe geschoben: Gemeint, ich würde viel zu selten Sex mit ihm haben wollen. Und ihn sowieso nicht befriedigen können, wegen meiner fehlenden Hand und auch, weil ich sein Sperma nicht schlucken wollte. Irgendwann ist der Streit dann völlig eskaliert und Enel hat mich krankenhausreif geschlagen. Ich hatte nicht nur einen gebrochenen Arm, sondern auch zwei gebrochene Rippen und eine Gehirnerschütterung. Mihawk, Hancock und Daz, die mich im Krankenhaus besuchen gekommen waren, erzählte ich allerdings nur von dem gebrochenen Arm, weil die anderen Verletzungen äußerlich nicht so leicht sichtbar waren. Ich wollte ihnen keine Sorgen bereiten.“ Crocodile stockte kurz und holte einmal tief Luft, ehe er fortfuhr: „Es tat gut, meine Geschwister und Daz endlich wiederzusehen. Ich habe ihnen zwar nicht gesagt, dass Enel mich so zugerichtet hatte, aber sie haben es auch so gewusst. Du musst wissen, dass Enel zuletzt sogar angedroht hatte, ihnen etwas anzutun, sollte ich die Wahrheit erzählen. Jedenfalls haben sie es trotzdem gemerkt und mich außerdem dazu ermutigt, ihn bei der Polizei anzuzeigen. Das habe ich dann tatsächlich auch getan. Dort habe ich Smoker kennengelernt.“ Crocodile überlegte kurz, ob es wohl ratsam war, einen weiteren Exfreund von ihm mit ins Spiel zu bringen, entschied sich allerdings schließlich dafür. Immerhin war Smokers Einsatz von nicht unwesentlicher Bedeutung gewesen. Und er hatte bereits mit Doflamingo darüber gesprochen, dass es sich bei ihm nicht um seinen ersten festen Partner handelte. „Ich weiß, dass du das jetzt nicht gerne hören wirst, aber Smoker ist mein Freund geworden, kurz nachdem ich mit Enel Schluss gemacht hatte. Er ist Polizist und hat mir bei der Anzeige und auch der Trennung von Enel geholfen. Außerdem habe ich mich bei ihm sicher gefühlt; er ist nämlich ziemlich stark und hat immer, auch nach Schichtende, seine Pistole mit sich geführt. Enel hat nämlich nicht sofort von mir abgelassen und unsere Trennung akzeptiert. Immer wieder hat er mir aufgelauert und versucht, auf mich einzureden. Ich denke, wenn ich Smoker nicht gehabt hätte, dann wäre Enel vielleicht sogar erfolgreich gewesen und ich wäre wieder zu ihm zurückgekommen. Glücklicherweise ist das allerdings nicht passiert. Und irgendwann hat Enel mich auch endlich aufgegeben. Ich habe wieder Arbeit gefunden, den Kontakt zu meinen Geschwistern und zu Daz wiederhergestellt und ihn nicht mehr wiedergesehen. Nun ja, bis es da diesen Vorfall im Skypia gegeben hat. Aber da warst du ja schließlich selbst dabei.“ Mit diesen Worten beendete Crocodile seinen Bericht. Beinahe schon schüchtern sah er zu seinem Partner hinüber und wartete gespannt dessen Reaktion ab. Noch immer wirkte Doflamingo empört und zornig. Crocodile hoffte bloß, dass dieser Zorn nicht ihm galt, sondern Enel. „Ich kann gar nicht so richtig fassen, was du mir erzählt hast“, sagte Doflamingo irgendwann und wirkte tatsächlich ganz außer sich. „Nichts, von dem, was ich gesagt habe, ist gelogen gewesen“, merkte Crocodile an, als er die Fassungslosigkeit seines Freundes bemerkte. „So habe ich es nicht gemeint!“, lenkte Doflamingo rasch ein. „Ich unterstelle dir auf keinen Fall, dass du lügst. Ich finde einfach bloß die Vorstellung, dass der Mann, den ich liebe, fünf Jahre lang unter solchen Umständen gelebt hat, schrecklich. Fünf Jahre lang bist du jeden Tag niedergemacht und misshandelt worden. Eine solche Behandlung hast du nicht verdient!“ „Vielleicht hätte ich lieber doch nicht mit dir über meine Beziehung zu Enel sprechen sollen“, meinte Crocodile, als er sah, wie stark Doflamingo mit seinen Gefühlen zu kämpfen hatte. „Um ehrlich zu sein, geht es mir jetzt wirklich viel besser. Dafür allerdings dir umso schlechter!“ „Ist schon gut“, meinte Doflamingo und brachte ein wackeliges Grinsen zustande. „Die Hauptsache ist, dass du diese Geschichte endlich von der Seele hast. Außerdem denke ich, dass ich dich jetzt in vielerlei Hinsicht ein bisschen besser verstehen kann. Zum Beispiel, was diesen Streit angeht, den du eben mit Hancock gehabt hast.“ „Ich hätte sie nicht so fertig machen dürfen“, meinte Crocodile seufzend. „Aber seit ich selbst mit Enel zusammengewesen bin, habe ich große Angst davor, dass zum Beispiel Hancock oder Mihawk in eine ähnlichen Beziehung geraten könnten. Gerade wenn einer der beiden Partner deutlich älter beziehungsweise jünger ist, kommt so etwas doch sehr häufig vor! Ich habe mir nur Sorgen gemacht. Trotzdem hast du vermutlich Recht behalten: Ich hätte mich nicht in Hancocks Liebesleben einmischen sollen. Zumindest nicht so stark.“ „Hancock hat sich bei eurem Gespräch auch nicht gerade vorbildlich verhalten“, versuchte Doflamingo ihm zu trösten. „Sie hätte sich in Bezug auf Enel nicht so abfällig über dich äußern dürfen: Gerade jetzt, wo ich die ganze Geschichte gehört habe, kommt es mir umso geschmackloser vor. Vielleicht könntet ihr beide ja gleich mal miteinander reden und diese Sache klären.“ „Noch ein unangenehmes Gespräch an diesem Abend“, meinte Crocodile und bemühte sich um ein wenig Ironie. „Scheint fast so, als wäre heute mein Glückstag!“ Doflamingo gluckste und beugte sich dann zu ihm hinüber, um ihn sanft auf den Mund zu küssen. Crocodile schloss seine Augen und ließ den Kuss zu. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Es hatte tatsächlich sehr gut getan, mit Doflamingo über Enel zu sprechen. Plötzlich hatte er das Gefühl, ein schreckliches Geheimnis weniger hüten zu müssen. Es war, als hätte sein Freund ihm eine schwere Last von den Schultern genommen. Ob es ihm wohl ähnlich ergehen würde, wenn er Doflamingo von seiner Kündigung und seinen Schulden berichtete? Auf einmal begann Crocodile zu zweifeln. Sollte er ihm von diesen beiden Angelegenheiten erzählen? Schließlich hatte sein Partner eben noch gemeint, er könnte mit ihm über jedes Problem sprechen, ganz gleich, worum es auch gehen mochte. Oder würde Doflamingo sich verletzt und beleidigt fühlen, weil er nicht sofort zu ihm gekommen war? Und immerhin stellte er in dieser Hinsicht kein unschuldiges Opfer dar: An seiner Kündigung war er schließlich selbst schuld. Und außerdem hatte er seinen Partner bereits wochenlang angelogen. Könnte Doflamingo ihm all diese Lügen verzeihen? Oder würde er sich wutentbrannt von ihm abwenden? „Was hast du? Crocodile? Du bist wieder ganz in deinen Gedanken versunken!“ Fahrig schreckte Crocodile auf; die Worte, die sein Freund zu ihm gesagt hatte, waren nur halb zu ihm durchgedrungen. Trotzdem meinte er: „Sorry. Ich, ähm, ich habe eben nur über etwas nachgedacht.“ „Und worüber?“, fragte Doflamingo ehrlich interessiert nach. „Ob ich schon dazu bereit bin, wieder nach unten zu gehen und mit Hancock zu sprechen“, log Crocodile rasch. „Und ob ich danach noch Lust habe, weiter zu feiern. Ich möchte Mihawk nicht enttäuschen, aber ich denke ehrlich darüber nach, gleich schon zu fahren. Bisher lief diese Party für mich nicht sonderlich gut.“ „Unsinn!“, meinte Doflamingo und rückte plötzlich sehr nah an ihn heran. „Ich jedenfalls fände es sehr schade, jetzt schon zu fahren. Und außerdem vergisst du, dass wir beide zu Anfang viel Spaß auf dieser Geburtstagsparty hatten. Erst, seit du mit Hancock gesprochen hast, läuft es nicht mehr ganz rund. Aber wir werden die gute Laune sicher wieder reinkriegen; du musst es nur zulassen!“ „Ich weiß ja nicht“, wendete Crocodile ein. Er war sowieso kein großer Fan von Parties und wünschte sich derzeit nichts sehnlicher, als sich Zuhause in sein Bett zu legen und neben Doflamingo einzuschlafen. Dieser Tag hatte ihm bisher nichts als unangenehme Wendungen beschert. „Vielleicht kann ich dich ja mithilfe anderer Argumente überzeugen“, meinte Doflamingo. Crocodile entging das anzügliche Grinsen, das auf den Lippen seines Freundes lag, durchaus nicht. Sofort spürte er, wie er rot zu werden begann und schüttelte halbherzig den Kopf. „Wir sind hier doch bei Mihawk Zuhause“, erhob Crocodile Einwand. „Man wird uns sicher hören. Außerdem sind wir sowieso schon viel zu lange weg. Daz und die Anderen fragen sich bestimmt schon, wohin wir beide verschwunden sind! Und ich will nicht erwischt werden!“ „Ich meine doch gar keinen richtigen Sex, wie du sagen würdest“, entgegnete Doflamingo, ohne dass der lüsterne Blick aus seinen Augen oder das anzügliche Grinsen von seinen Lippen verschwanden. „Keine Penetration. Schließlich haben wir gar kein Gleitgel hier! Ich dachte eher an einen Blowjob für dich. Du weißt schon, um deine Laune ein wenig anzuheben.“ Als Crocodile noch immer nicht ganz überzeugt wirkte, fügte sein Freund hinzu: „Die Tür ist sowieso abgeschlossen. Und wenn jemand anklopft und fragt, was bei uns los ist, lügen wir einfach: Wir könnten sagen, dass wir eine Meinungsverschiedenheit haben und hier oben die Sache unter vier Augen ausdiskutieren oder so etwas. Niemand wird etwas mitbekommen, glaub mir!“ „Na gut“, stimmte Crocodile zu, obwohl er sich bei diesem Angebot noch immer nicht ganz wohl fühlte. Auf der anderen Seite allerdings konnte er der Aussicht auf einen schönen Blowjob von seinem Freund nicht widerstehen. Um ehrlich zu sein, könnte er einen Orgasmus gut gebrauchen, um seine Laune aufzubessern. Im Augenblick fühlte er sich nämlich zwar nicht wirklich schlecht, doch seltsamerweise ein wenig ausgelaugt und matt; es war ihm beileibe nicht leicht gefallen, Doflamingo seine Geschichte anzuvertrauen. Noch während Crocodile seinen Gedanken nachhing, kniete sich Doflamingo vor ihm hin und machte sich an seinem Gürtel zu schaffen. Crocodile, der noch immer auf der Couch saß, war zwar ein wenig verwundert angesichts der Eile seines Freundes, doch ließ es trotzdem zu, dass dieser seinen Hose öffnete und sie ihm bis zu den Knöcheln hinunterzog. Auch sein Shirt wurde aufgeknöpft und sein Seidenschal zärtlich gelöst und abgenommen. [zensiert] „Du bist ein furchtbarer Mensch, Doffy“, meinte Crocodile nachdem er sich einigermaßen gesammelt hatte und sein Kopf wieder klarer wurde. Doch noch immer fühlte er sich äußerst benommen und ein wenig erschöpft, aber nicht auf eine schlechte Art und Weise. „Vielleicht“, erwiderte Doflamingo breit grinsend, „aber wenigstens gebe ich gute Blowjobs!“ „Dagegen lässt sich nichts einwenden“, gab Crocodile unwillig zu, während er nach seinen Boxershorts und auch seiner Hose griff. Er wünschte sich eine gute Zigarre, die er nach all dieser Aufregung in Ruhe rauchen könnte, doch leider befanden sich seine Zigarrenbox in der Innentasche seines Mantels, der unten im Flur an der Garderobe hing. Crocodile und Doflamingo verweilten noch ein paar Minuten im Gästezimmer im ersten Stock, um sich zu sammeln und wieder zur Besinnung zu kommen. Anschließend machten sie sich auf den Weg zurück nach unten, wo die Geburtstagsparty noch immer voll im Gang war. Zum Glück hatte, abgesehen von Mihawk, anscheinend niemand bemerkt, dass sie beide für gut eine Dreiviertelstunde von der Bildfläche verschwunden waren. Inzwischen hatten einige Partygäste das Wohnzimmer verlassen und machten sich in der geräumigen Küche des Einfamilienhauses breit, um sich dort fröhlich miteinander zu unterhalten und die leckeren Imbisse, die Hancock vorbereitet hatte, zu vernaschen. Die Torte allerdings war selbstverständlich längst schon restlos in den Bäuchen der Gäste verschwunden; sie hatte wohl tatsächlich so gut geschmeckt wie sie ausgesehen hatte. Hancock selbst allerdings war in der Küche nicht aufzufinden. Dafür allerdings Mihawk, der sein Gespräch mit seinem besten Freund Shanks sofort unterbrach, kaum hatte er seinen jüngeren Bruder ausgemacht. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck kam er zu ihm und Doflamingo hinüber gehuscht. „Habt ihr beide euren Streit geklärt?“, fragte Mihawk mit leiser Stimme und warf ihnen beiden gespannte Blicke zu. „Es tut mir wirklich leid, dass ich euch bei eurem Gespräch gestört habe. Ich hoffe, das es gut ausgegangen ist.“ „Keine Sorge“, erwiderte Crocodile verlegen und bemühte sich mit aller Kraft darum, die aufkommende Schamesröte zu unterdrücken und das wissende Grinsen, das auf den Lippen seines Partners lag, zu ignorieren. „Alles in Ordnung. Es hat sich bloß um eine Meinungsverschiedenheit gehandelt, nichts Dramatisches. Wir hatten uns sowieso fast schon wieder vertragen, als du nach oben gekommen bist.“ „Das ist schön zu hören“, erwiderte Mihawk und wirkte ehrlich erleichtert angesichts dieser Aussage. Anscheinend hatte er sich doch große Sorgen um seinen Bruder und dessen Freund gemacht; schließlich wusste Crocodile, dass er Doflamingo trotz seiner ein wenig extravaganten Art mochte. Er machte auf Crocodile sogar einen so ernsthaften Eindruck, dass er beinahe schon ein schlechtes Gewissen bekam, weil er ihn anlog. Auf der anderen Seite allerdings wäre er natürlich niemals auf den Gedanken gekommen, seinem Bruder die Wahrheit zu erzählen. Mihawk brauchte wirklich nicht zu wissen, was sein Freund und er oben im Gästezimmer nach ihrem anstrengenden Gespräch angestellt hatten. „Sag mal, Mihawk“, meinte Crocodile, um vom Thema abzulenken, „hast du Hancock gesehen? Ich möchte sie sprechen, aber ich kann sie weder im Wohnzimmer noch hier in der Küche finden.“ „Sie ist im Garten“, antwortete Mihawk und sofort legte sich wieder ein besorgter Ausdruck auf sein sonst so stoisch wirkendes Gesicht. „Weißt du, was mit ihr los ist? Sie hat eben einen sehr bedrückten Eindruck gemacht, wollte aber nicht darüber sprechen. Hast du dich nicht nur mit Doflamingo, sondern auch mit ihr gestritten?“ „Um ehrlich zu sein, ja“, gab Crocodile unwillig zu, fügte jedoch rasch an: „Allerdings denke ich, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt hat. Du weißt doch, wie viele Gespräche zwischen Hancock und mir ablaufen: Wir reden ständig aneinander vorbei. Bitte lass dir deswegen nicht die Laune verderben, ja? Ich werde jetzt sofort mit ihr sprechen und ich bin mir sicher, dass wir das Missverständnis schnell klären können.“ „Hoffentlich“, entgegnete Mihawk, der nicht völlig überzeugt wirkte. „Sie hat wirklich sehr bekümmert gewirkt. Und einen Streit zwischen euch beiden fände ich alles andere als schön. Dass es ausgerechnet an meinem Geburtstag so viel Streit geben muss...“ Er seufzte leise. „Wahrscheinlich hat Kuma Recht behalten: Überall dort, wo viele Menschen aufeinander treffen, gibt es unweigerlich Streitigkeiten.“ „Ach, Kuma scheint in manchen Dingen ein echter Schwarzseher zu sein“, warf Doflamingo in einem möglichst unbefangen klingenden Tonfall ein; wahrscheinlich, um der aufkommenden negativen Stimmung entgegenzuwirken. „Dabei meint er Vieles, was er sagt, gar nicht so ernst, wie es klingt. Wenn du verstehst, was ich meine. Und immerhin darf man nicht vergessen, dass es bei einer Party normalerweise nicht nur Streitigkeiten, sondern auch sehr viel Spaß gibt. Ich denke jedenfalls, dass sich heute Abend deutlich mehr Menschen amüsieren als sich streiten.“ Mihawk schwieg für eine Weile angesichts dieser kompliziert formulierten Weisheit seitens Doflamingo, ehe er schließlich zustimmend nickte. „Da hast du vielleicht Recht“, meinte er und klang nicht mehr ganz so pessimistisch wie eben. „Shanks sagte eben auch etwas Ähnliches.“ „Und ich bin mir sicher, dass Crocodile diese Meinungsverschiedenheit mit Hancock schnell aus der Welt schaffen wird“, fuhr Doflamingo unbeirrt fort, nicht ohne seinem Partner mit dem Ellenbogen einen unauffälligen Stoß in die Seite zu geben. „Nicht wahr, Wani? Warum gehst du nicht jetzt gleich in den Garten, um mit ihr zu sprechen? Je früher dieses Problem gelöst ist, desto besser.“ „Das sehe ich genauso“, stimmte Mihawk zu. „Ist ja schon gut“, erwiderte Crocodile säuerlich und trat seinem Partner wiederum möglichst unauffällig auf den Fuß; Doflamingo verzog den Mund ein wenig, doch ließ sich den Schmerz ansonsten in keinster Weise anmerken. „Ich gehe ja schon!“ Und mit diesen Worten verließ er tatsächlich seinen Bruder und seinen Freund, die beide in der Küche blieben und sich wahrscheinlich mit Shanks unterhalten würden, während er selbst sich auf den Weg zum Garten und gleichzeitig zu einem sehr unangenehmen Gespräch machte. Der Hintergarten des Einfamilienhauses war unbeleuchtet und wirkte seltsam trist im direkten Kontrast zu der durchschlagenden Party im Inneren des Hauses. Crocodile schloss die Türe, die nach draußen führte, hinter sich und hielt nach seiner Schwester Ausschau. Das Stimmengewirr und die laute Musik der Geburtstagsfeier drangen jetzt bloß noch stark gedämpft zu ihm hinüber. Hancock saß auf einer Gartenbank nicht weit von ihm entfernt. Sie schien zwar bemerkt zu haben, dass jemand hinaus in den Garten getreten war, doch blickte nicht auf, sondern starrte weiterhin niedergeschlagen auf ihre bunt lackierten Zehennägel, die vorne aus ihren High-Heels herauslugten. Crocodile räusperte sich und machte einen großen Schritt auf seine Schwester zu. Als diese noch immer nicht reagierte, nahm er schließlich all seinen Mut zusammen und meinte: „Hancock? Ich würde gerne mit dir reden. Wäre das in Ordnung für dich?“ Endlich sah Hancock auf. Sie weinte zwar nicht, doch ihr Gesichtsausdruck wirkte furchtbar niedergeschlagen. So hatte er seine jüngere Schwester nur selten gesehen. Um diese unangenehme Situation so schnell wie möglich zu beenden, kam Crocodile direkt auf den Punkt: „Es tut mir leid, dass ich versucht habe, dir deine Beziehung zu Luffy auszureden. Ich hätte mich nicht so stark in dein Leben einmischen dürfen. Immerhin bist du eine erwachsene Frau und weiß selbst, was das Beste für dich ist. Außerdem kenne ich deinen neuen Freund ja noch gar nicht richtig. Ich sage das jetzt nicht, um mich zu rechtfertigen; ich will nur, dass du mich besser verstehst: Ich habe so furchtbar überreagiert, weil ich mich um dich gesorgt habe. Ich weiß selbst, wie leicht man in eine Beziehung, in der jemandem Gewalt angetan oder jemand ausgenutzt wird, hinein geraten kann. Gerade, wenn einer der beiden Partner deutlich älter oder jünger ist, kommt so etwas häufig vor. Und vor diesem Schicksal wollte ich dich bewahren. Trotzdem war mein Verhalten falsch. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst.“ „Natürlich verzeihe ich dir“, erwiderte Hancock, und obwohl es nicht wirkte, als würde sie lügen, erschien sie Crocodile nach seiner Entschuldigung kein bisschen fröhlicher. „Und wieso bist du dann immer noch so schrecklich bedrückt?“ Hancock seufzte und schwieg für einen Moment, ehe sie meinte: „Ich kann dir verzeihen für das, was du gesagt hast. Aber ich kann mir selbst nicht für meine eigenen Worte verzeihen. Ich hätte niemals auf deiner ehemaligen Beziehung mit Enel herumhacken und dich deswegen herabsetzen dürfen! Das war einfach unmöglich von mir! Schließlich habe ich doch selbst miterlebt, wie stark du unter Enel gelitten hast. Wenn ich nur daran zurückdenke, wie du in diesem Krankenhausbett gelegen hast, nachdem er dich verprügelt und dir sogar den Arm gebrochen hat... Ich komme mir selbst so unausstehlich vor, Crocodile!“ „Ist schon gut“, sagte Crocodile und setzte sich neben seiner Schwester auf die kleine Gartenbank. „Ich denke, dass wir beide Dinge gesagt haben, die unter die Gürtellinie gegangen sind. Du verzeihst mir und ich verzeihe dir, damit sind wir quitt. So sehe ich das jedenfalls. In Ordnung?“ „Ich werde mir trotzdem den ganzen Abend lang furchtbare Vorwürfe machen“, erwiderte Hancock nichtsdestotrotz. „Unsinn!“, warf Crocodile ein. Und als er bemerkte, dass seine Schwester noch immer ganz geknickt und unglücklich wirkte, fügte er nach reiflicher Überlegung hinzu: „Du musst wirklich kein schlechtes Gewissen haben, Hancock. Außerdem habe ich eben mit Doflamingo ein wenig über Enel gesprochen. Das hat mir echt weitergeholfen und jetzt geht es mir schon viel besser. Es ist, als hätte er mit eine schwere Last von den Schultern genommen. Und wenn ich mich wegen dieser Sache nicht mehr belastet fühle, dann musst du es erst recht nicht tun. Also lass und dieses Thema jetzt beenden und den restlichen Abend genießen, ja? Schließlich wollen wir beide doch Mihawk nicht enttäuschen, oder?“ Hancock wirkte noch immer nicht ganz überzeugt, doch nickte zumindest zaghaft und stand von der Bank auf. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück in das Innere des Hauses und zur Party. „Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich zu Luffy hinübergehe“, meinte Hancock an ihn gewandt. „Ich fühle mich zwar nicht mehr so schlecht wie eben noch, aber ich denke, ich könnte jetzt ein wenig Aufmunterung gebrauchen. Und Luffy ist wirklich gut darin, mich aufzumuntern.“ „Mach nur“, erwiderte Crocodile, der froh war, diese Angelegenheit endlich geklärt zu haben. „Ich gehe währenddessen wieder in die Küche zu Doflamingo, ja? Und auch zu Mihawk. Er wird froh sein, zu erfahren, dass wir beide uns wieder vertragen haben. Er hat sich große Sorgen gemacht.“ „Gut. Dann bis nachher. Und wahrscheinlich hast du Recht: Wir sollten uns darum bemühen, heute Abend noch ein wenig Spaß zu haben. Wenigstens Mihawk zuliebe.“ Auch wenn Crocodile es nicht beabsichtigt oder auch nur damit gerechnet hatte, wurde die Nacht tatsächlich noch sehr schön. Die gute Stimmung hielt noch für viele Stunden lang an und kein einziger der mehr als zwanzig Partygäste wirkte unglücklich oder missgelaunt. Selbst Mihawk, der für Menschenansammlung normalerweise nicht viel übrig hatte, schien sich über den großen Erfolg seiner Geburtstagsparty zu freuen. Crocodile unterhielt sich mit vielen verschiedenen Menschen, stibitzte sich gelegentlich einen Käse-Weintrauben-Spieß oder ein mild gewürzte Pizzaschnecke vom Buffet und tanzte sogar noch zu ein paar langsamen Liedern mit Doflamingo im Wohnzimmer. Alles in allem wurde es ein sehr erfolgreicher Abend und gegen ein Uhr nachts hatte Crocodile fast schon wieder ganz vergessen, dass er sich überhaupt mit seiner Schwester gestritten hatte. Im Augenblick saß er gemeinsam mit Doflamingo in der Küche und plauderte mit diesem. In der Hand hielt sein Freund einen Cool Bull (einen für Doflamingos Geschmack untypisch bitteren Cocktail, den dieser sich mittels Wodka, Bitter Lemon und Energydrink eigenhändig gemischt hatte), während er selbst ein Glas stilles Mineralwasser vor sich auf dem Tisch stehen hatte. Mihawk hatte ihm zwar mitgeteilt, dass sein Partner und er sich gerne das Gästezimmer teilen dürften, doch Crocodile hatte höflich abgelehnt. Heute Abend wollte er lieber nüchtern bleiben und anschließend mit dem Auto wieder nach Hause fahren. Unter Anderem deswegen, weil er morgen noch einiges zu tun hatte: Er musste neue Bewerbungen schreiben und hatte außerdem noch eine Menge Papierkram zu erledigen, weil er die Konditionen einiger seiner laufenden Kredite zu seinen Gunsten ändern wollte. Angelegenheiten, die er am besten abfertigte, während Doflamingo noch seinen Rausch ausschlief, damit dieser auch ganz sicher nichts von alledem mitbekam. Crocodile schielte unauffällig zu der Uhr hinüber, die in der Küche über der Tür hing: Sie zeigte ein Uhr dreißig an. Er wusste, dass Doflamingo ein Mensch war, der eine Party niemals vor frühestens vier Uhr morgen verließ. Außerdem musste er zusehen, dass sein Freund eine vernünftige Menge Alkohol trank, damit dieser morgen besonders lange schlief und ihm selbst genug Zeit blieb, um in Ruhe und vor allen Dingen ungestört seine Angelegenheiten zu klären. Trotzdem sollten sie Mihawks Geburtstagsparty nicht zu spät verlassen, ansonsten hätte er nämlich das Problem, dass er selbst viel zu müde sein würde, um ordentlich seine Arbeit zu erledigen. „Dein Glas ist ja schon leer“, meinte Crocodile und bemühte sich um einen möglichst unverfänglich klingenden Tonfall. „Möchtest du noch etwas trinken? Wie wäre es nach einem so bitteren Cocktail mit mal wieder etwas süßerem? Magst du Batida de Coco? Ich kann dir einen Red Batida mischen, wenn du möchtest.“ Zu seinem Missfallen und zu seiner Überraschung schüttelte Doflamingo allerdings den Kopf, obwohl Crocodile genau wusste, dass sein Partner besonders gerne Cocktails trank, die auf Kokoslikör basierten. „Ich mag Cocktails, die Sahne enthalten, nicht so gerne“, erklärte Doflamingo auf den verwunderten Blick seines Freundes hin. „Tatsächlich?“, erwiderte Crocodile. „Das wusste ich gar nicht. Ich kann dir aber gerne auch etwas Anderes bringen. Worauf hättest du denn Lust?“ Crocodile wusste zwar nicht, wie viel Alkohol Doflamingo heute Abend bereits getrunken hatte, aber jedenfalls sah man ihm nicht einen einzigen Deziliter an: Weder lallte er, noch lief er torkelnd oder verhielt sich in irgendeiner Weise unangemessen. Man könnte fast meinen, er wäre genauso wie sein Freund abstintent geblieben. Und diesen Zustand wollte dieser gerne ändern. Je länger Doflamingo morgen seinen Rausch ausschlief (am besten bis in den frühen Abend hinein), desto mehr Zeit hätte er für das Schreiben seiner Bewerbungen übrig. „Ich denke, ich werde noch einen Cool Bull trinken“, meinte Doflamingo, fügte jedoch rasch hinzu: „Aber ich mische ihn mir selber! Das musst du nicht machen. Ich möchte nicht, dass mein Freund mich bedient! Da würde ich ja wie ein Pascha der übelsten Sorte wirken und das möchte ich auf keinen Fall!“ „Normalerweise brauche ich dich ja auch gar nicht zu bedienen“, entgegnete Crocodile verschmitzt und war bloß froh darüber war, dass sein Partner einen weiteren Cocktail trinken wollte, „das tun doch schon die vielen Dienstmädchen, die du eingestellt hast, Faulpelz!“ „Wieso Faulpelz?“, hielt Doflamingo halb ernst dagegen. „Du weißt doch selbst, wie groß unser Zuhause ist. Wenn ich niemanden einstellen würde, der mir im Haushalt hilft, würde die Villa schnell verwahrlosen. So etwas kann eine einzige Person eben nicht leisten!“ „Aber du rührst doch nicht mal den kleinen Finger“, meinte Crocodile, ehe er sich dazu entschloss, diese Diskussion zu beenden: „Wie auch immer. Wolltest du dir nicht einen Cocktail mischen?“ „Ich gehe erst, wenn du zugibst, dass ich kein Faulpelz bin!“ Crocodile lächelte, doch rollte gleichzeitig mit den Augen. Auf der einen Seite wünschte er sich, dass Doflamingo möglichst viel Alkohol trank, doch auf der anderen Seite war er niemand, der sich so leicht unterkriegen ließ. Also meinte er halb ernst, halb belustigt: „Dann nenn mir doch bitte eine einzige Sache in deinem Leben, die für dich Mühe und Anstrengung bedeutet.“ „Meine Arbeit“, erwiderte Doflamingo prompt. „Die vielen Firmen und Betriebe, dich ich leite, verursachen nämlich eine ganze Menge Arbeit! Außerdem trage ich die Verantwortung sowohl für das Geschäft als auch für die zahlreichen Mitarbeiter. Auch wenn ich vielleicht einen anderen Eindruck erwecke, ist es meistens wirklich alles andere als lässig.“ Warum nur musste sein Partner ausgerechnet das Thema Arbeit anschneiden? Crocodile unterdrückte ein genervtes Seufzen. Er hatte im Augenblick absolut keine Lust darauf sich mit dieser Sache auseinanderzusetzen. Morgen würde er bereits mehr als genug Nerven bei seiner Jobsuche einbüßen müssen, da wollte er wenigstens heute Abend nicht ständig an dieses Thema erinnert werden. Und darauf, dass Doflamingo ihm unter die Nase rieb, wie unwahrscheinlich gut dessen Geschäfte derzeit liefen, konnte er auch getrost verzichten. „Wenigstens kannst du immer pünktlich Arbeitsschluss machen und dir Urlaub nehmen, wann auch immer du möchtest“, warf Crocodile ein, bevor er schließlich meinte: „Aber na gut, du bist kein Faulpelz. Deinen Cocktail hast du dir redlich verdient.“ Um ehrlich zu sein, war Crocodile froh, als Doflamingo ihn endlich in Ruhe ließ, um zum Kühlschrank hinüber zu gehen und sich seinen Cool Bull zu mischen. Dass ausgerechnet dieser ihm eben wieder ins Gedächtnis gerufen hatte, dass er ab übernächster Woche arbeitslos sein würde, hatte ihm nämlich gehörig die Laune verdorben. Noch immer war kein neuer Job in Sicht und die vielen Schulden, die ihm im Nacken saßen, wurden nicht weniger. Ganz im Gegenteil: Sollte er demnächst nicht wenigstens die übelsten Schulden tilgen können, würden diese sich wegen horrender Verzugsgebühren sogar noch weiter erhöhen. Eine absolut schreckliche Vorstellung! „Crocodile?“ Es war die schüchterne Stimme von Tashigi, die Crocodile aus seinen Gedanken riss. Die junge Frau stand nicht weit von ihm entfernt und warf ihm einen unschlüssigen Blick zu. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, ihn so gedankenversunken vorzufinden. „Ja?“, meinte Crocodile rasch, nachdem er sich wieder gesammelt hatte. „Was gibt’s es denn, Tashigi?“ „Ich wollte mich gerne von dir verabschieden“, sagte sie und klang seltsamerweise ganz befangen. „Smoker holt mich gleich ab. Und außerdem möchte ich mich noch einmal bei dir bedanken. Du weißt schon: Weil du mir letztens geholfen hast, als ich die Kaffeeflecken auf der Bluse hatte. Akainu ist wirklich furchtbar pedantisch. Ich bin so froh, dass ich nicht mit dreckiger Kleidung zu ihm ins Büro musste!“ Sie stockte für einen kurzen Moment und warf einen verunsicherten Blick zu Doflamingo hinüber, der seinen Cocktail zwar bereits fertig gemischt hatte, doch keine Anstalten machte, zu seinem Freund zurückzukehren, während sich Tashigi mit diesem unterhielt. Stattdessen strahlte er eine Aura aus, die so negativ und missbilligend war, dass Tashigi sogar schlucken musste. Sie war ein Mädchen, das niemandem Ärger machen wollte und sich schnell einschüchtern ließ. Währenddessen musste Crocodile sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen und laut zu seufzen. Dass Doflamingo auch ständig so schrecklich eifersüchtig sein musste! Hatten sie dieses Missverständnis nicht schon vor Wochen geklärt gehabt? Außerdem war er selbst doch sowieso homosexuell. Es gab also wirklich keinen Grund, um der arme Tashigi so heftig zuzusetzen. Auch wenn Crocodile zugeben musste, dass er beinahe schon beeindruckt war angesichts der Tatsache, dass es Doflamingo allein mittels seiner Körpersprache gelang, einen anderen (wenn auch sehr unsicheren) Menschen kleinzukriegen. Da kam eindeutig wieder der erfahrene Geschäftsmann zum Vorschein. „Ich hoffe, dass du wegen mir nicht zu schlimme Probleme mit deinem Freund bekommen hast“, fuhr Tashigi fort und bemühte sich darum, die tödlichen Blicke zu ignorieren, die sie zwar nicht sehen, doch vermutlich deutlich spüren konnte. „Ich weiß ja selbst, dass die Situation, in der wir beide uns befunden haben, sehr missverständlich gewirkt haben muss. Es tut mir wirklich leid, dass du einen so großen Streit mit ihm hattest, nur weil du mir aus der Patsche geholfen hast.“ „Ist schon gut“, erwiderte Crocodile und bemühte sich darum, so deutlich zu sprechen, dass auch Doflamingo seine Worte mitbekam. „Es war ja bloß ein Missverständnis. Ich habe ihm die Situation erklärt und danach haben wir uns recht schnell wieder vertragen. Du musst dir also wirklich keine Vorwürfe machen, Tashigi.“ Crocodile sah, dass Tashigi erleichtert aufatmete, auch wenn sie noch immer Doflamingos giftige Blicke im Rücken spürte. „Dann ist ja gut“, meinte sie. „Weißt du zufällig, wo sich Mihawk aufhält? Ich möchte nicht gehen, ohne mich vom Gastgeber verabschiedet zu haben. Allerdings ich kann ihn nirgendwo finden.“ „Leider nein“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. „Aber er wird sicher gleich wieder auftauchen.“ „Okay“, meinte Tashigi. „Dann werde ich einfach solange warten. Smoker ist sowieso noch nicht da. Bis nächste Woche, Crocodile! Es war wirklich sehr nett, dich hier wiederzusehen.“ „Auf Wiedersehen, Tashigi“, erwiderte Crocodile leichthin und sah dabei zu, wie die junge Praktikantin anschließend beinahe schon fluchtartig die geräumige Küche verließ. Kaum war die junge Frau verschwunden, kehrte Doflamingo zurück und setzte sich neben seinen Partner an den Küchentisch. Von seinem Cocktail hatte er noch nicht einen einzigen Schluck genommen und seine Lippen waren untypisch humorlos verzogen. Crocodile rieb sich mit zwei Fingern der rechten Hand über seine Schläfe. Er war sich dessen bewusst, dass nun eine äußerst unangenehme Auseinandersetzung mit seinem Freund folgen würde. „Sie hat von Smoker gesprochen“, meinte Doflamingo und klang sehr ernst. „Ist das nicht dein Exfreund? Der, den du nach deiner Beziehung mit Enel gehabt hast? Ist Tashigi jetzt mit ihm zusammen! Aber sie ist doch bestimmt viel jünger als er, oder nicht? Und hattest du nicht gesagt, du hättest schon sehr lange keine Beziehung mehr mit einem bisexuellen Mann gehabt? Was hat das alles zu bedeuteten, Crocodile?“ Crocodile seufzte, als sein Partner ihn mit seinem richtigen Vornamen ansprach; das tat dieser nämlich nur, wenn ihm irgendeine Sache ganz besonders wichtig war. Crocodile überlegte, ob es ratsam sein würde, die Wahrheit zu erzählen oder lieber zu lügen. Schlussendlich entschied er sich dafür, bei der Wahrheit zu bleiben. Immerhin hatte er nichts falsch gemacht. „Sie ist seine jüngere Schwester“, sagte er schließlich und hoffte, dass Doflamingo diesen neuen Fakt gut aufnehmen und nicht eifersüchtig reagieren würde. Selbstverständlich trat das genaue Gegenteil ein. „Warum hast du mir das vorher nie erzählt?“, wollte Doflamingo ihn einen überaus anklagenden Tonfall wissen. „Warum sollte ich dir das erzählen?“, verteidigte sich Crocodile und seufzte. „Habe ich dir nicht eben erst erklärt gehabt, dass ich es nicht gerade für klug und rücksichtsvoll halte, über irgendwelche Exfreunde von mir zu sprechen? Ich weiß doch, wie schnell du eifersüchtig wirst! Außerdem gibt es überhaupt keinen Grund zur Besorgnis: Wir waren schon mehr als drei Jahre lang getrennt, bevor ich dich kennengelernt habe. Und das Ende unserer Beziehung ist sowieso einvernehmlich gewesen. Also krieg dich bitte wieder ein, ja?“ „Und dieser Smoker wird hier jeden Moment auftauchen?“, erwiderte Doflamingo, der die Bitte seines Partners einfach überhört zu haben schien. „Habt ihr beide noch Kontakt?“ „Nein, wieso sollten wir auch?“, meinte Crocodile. „Naja, wir grüßen uns, wenn wir uns irgendwo zufällig begegnen, aber das war es dann auch schon wieder. Schließlich hat es seinen Grund gehabt, dass wir uns getrennt haben. Und jetzt solltest du dich wieder beruhigen!“ „Die Trennung hat ihren Grund gehabt?“, wiederholte Doflamingo argwöhnisch und ignorierte erneut die Bitte seines Freundes. „Er ist nicht wie Enel gewesen, wenn du das denkst“, lenkte Crocodile rasch ein. „Und er hat mich auch nicht betrogen oder so etwas in der Art. Wir haben einfach festgestellt, dass unsere Beziehung keine Zukunft hat. Lange Geschichte. Jedenfalls ist alles in Ordnung. Also komm jetzt bitte wieder runter! Du willst doch nicht Mihawks Geburtstagsparty ruinieren, indem du hier vor allen Leuten eine Eifersuchtsszene schiebst, oder?“ Glücklicherweise gelang es ihm mittels dieses letzten Arguments tatsächlich, Doflamingo wieder zur Vernunft zu bringen. Zwar wirkte er noch immer mürrisch und verärgert, aber nicht mehr so zornig wie eben noch. „Ist ja schon gut“, meinte er sogar unwillig. „Ich werde ihm schon seinen verdammten Kopf nicht abreißen. Aber ich kann mich eben immer noch nicht mit dem Gedanken abfinden, dass du vor mir schon so viele feste Partner gehabt hast. Erst dieses Foto von Marco, dann der Vorfall mit Enel und jetzt diese Sache mit Smoker... Anscheinend sind deine Exfreunde ja noch immer nicht ganz aus deinem Leben verschwunden!“ „Mach dich nicht lächerlich!“, erwiderte Crocodile und seine Stimme klang deutlich schärfer als beabsichtigt. „Du übertreibst! Und was meinst du überhaupt damit, wenn du sagst, dass meine Exfreunde noch immer nicht ganz aus meinem Leben verschwunden sind? Es ist nicht so, als würde ich es darauf anlegen, sie wiederzutreffen. Gerade auf meine Begegnung mit Enel hätte ich nur zu gerne verzichtet; das kannst du mir glauben!“ „So habe ich es gar nicht gemeint“, lenkte Doflamingo hastig ein. „Ich wollte niemals den Eindruck erwecken, dass es deine Absicht wäre oder du es darauf anlegen würdest, sie wiederzusehen. Aber es nervt mich eben. Ich meine, wer trifft denn schon gerne auf den Exfreund seines Partners, ganz gleich in welchem Zusammenhang? Niemand, oder? Kannst du denn wirklich überhaupt nicht nachvollziehen, dass ich da ein wenig eifersüchtig werde?“ „Doch, schon“, erwiderte Crocodile wahrheitsgemäß. „Aber du wirst dich wohl oder übel damit abfinden müssen, dass ich bereits mehrere Partner hatte, bevor ich schließlich dich kennengelernt habe. Haben wir nicht erst letztens noch darüber gesprochen? Gerade, wo dieses alte Foto von Marco aufgetaucht war? Ich dachte, diese Sache wäre geklärt gewesen: Meine früheren Beziehungen sind alle aus gutem Grund zu Bruch gegangen. Jetzt bin ich weder mit Marco noch mit Enel oder Smoker zusammen, sondern mit dir, Doffy.“ Er benutzte absichtlich den Kosenamen seines Partners, den er immer nur beim Sex oder bei besonders wichtigen Diskussionen aussprach. „Und darüber bin ich unfassbar glücklich. Denn ich liebe dich und... und ich fühle mich in unserer Beziehung sehr wohl und geborgen. Also sei bitte nicht eifersüchtig, ja?“ Eigentlich passte es gar nicht zu einem Mann wie Crocodile, solche zärtlichen Worte in den Mund zu nehmen, doch in diesem Moment kam es ihm gut und richtig vor. Crocodile hatte das Gefühl, dass es jetzt gerade besonders wichtig war, seinem Partner deutlich zu machen, dass er ihn -wirklich nur ihn und niemand anderen- liebte. Er wollte nämlich auf jeden Fall vermeiden, dass dieser erneut mehr oder weniger subtile Andeutungen zum Thema Heiraten verstreute! „Ich liebe dich auch“, sagte Doflamingo und gab seinem Partner einen sanften Kuss auf den Mund. Da sich derzeit niemand außer ihnen beiden in der Küche aufhielt, ließ Crocodile den Kuss zu; Doflamingos Lippen fühlten sich weich und warm an. Es war nicht so, dass Crocodile sich für seinen Freund schämte (schließlich hatte er diesen gleich zu Beginn als solchen vorgestellt), doch er stellte seine Liebesbeziehungen nur ungern zur Schau. Seiner Ansicht nach gehörten Küsse, Liebesbekundungen und so weiter nicht in die Öffentlichkeit, sondern in einen geschützten und intimen Raum. „Wollen wir wieder hinüber ins Wohnzimmer?“, fragte Crocodile, nachdem sie beide den Kuss beendet hatten. „Immerhin ist die Party noch nicht zu Ende. Wir haben noch genug Zeit, um zu trinken und Spaß zu haben.“ „Wenn du weiterhin darauf bestehst, nachher Auto zu fahren, werde ich der einzige von uns beiden sein, der trinkt“, meinte Doflamingo mit tadelnder, aber nicht unernster Stimme. „Denn wenn du auch nur ein einziges Glas Wein trinkst, werde ich dir die Autoschlüssel wegnehmen, Wani!“ „Keine Sorge, ich bleibe bei meinem Wasser“, erwiderte Crocodile, für den es völlig außer Frage stand, betrunken Auto zu fahren. Seiner Meinung nach war ein solches Verhalten nämlich absolut verwerflich und gefährlich. Schon ganz wenig Alkohol im Blut konnte die Sinne und die Reaktionsfähigkeit des Fahrers deutlich beeinträchtigen. Diese Erfahrung hatte er schließlich am eigenen Leib machen müssen. Doch daran wollte Crocodile heute Abend nicht denken. Inzwischen war es zwei Uhr nachts und noch immer war der Großteil der Partygäste anwesend und vor allen Dingen bei bester Laune. Auch Mihawk war inzwischen wieder aufgetaucht. Gerade als Crocodile und Doflamingo den Raum betraten, verabschiedete er Tashigi, die (nach Zeff, der vor etwa einer Viertelstunde gegangen war) als Zweite die Geburtstagsparty verließ. Während die beiden noch miteinander redeten, betrat eine zusätzliche Person das Wohnzimmer: Smoker, Crocodiles Exfreund. Anscheinend war er hereingekommen, um nach seiner Schwester zu sehen, weil diese nicht draußen vor der Tür stand. Er wirkte nicht sonderlich überrascht, als er Crocodile zu Gesicht bekam, immerhin handelte es sich bei ihm um Mihawks jüngeren Bruder. Crocodile wusste nicht, womit Doflamingo gerechnet hatte, doch er schien sehr erleichtert zu wirken, als Smoker bloß kurz zu ihm hinüber sah und „Hey, Crocodile“ meinte. Er sagte es nicht in einem unfreundlichen oder zynischen, sondern freundlich-neutralen Tonfall, doch machte sich einmal die Mühe, zu ihm hinüber zu gehen und ihm die Hand zu schütteln. „Hey, Smoker“, waren wiederum seitens Crocodile die einzigen Worte, die sein Exfreund zur Begrüßung erhielt. Anschließend ging dieser zu Tashigi und ihrem Fechtlehrer hinüber; wahrscheinlich, um Mihawk nachträglich zum Geburtstag zu gratulieren und seine Schwester dazu anzuhalten, sich ein wenig zu beeilen. Es dauerte nicht lange, bis beide verschwunden waren. „Und?“, meinte Crocodile an seinen Partner gewandt. „War es nun so schrecklich schlimm, meinem Exfreund zu begegnen? Wie du siehst, ist überhaupt nichts passiert. Also gibt es auch keinen Grund, um eifersüchtig zu reagieren.“ „Es war okay“, gab Doflamingo unwillig zu und nahm einen großen Schluck von seinem Cool Bull. Er schwieg für einen Moment, ehe er allerdings hinzufügte: „Ich werde ihn trotzdem niemals mögen. Allein aufgrund der Tatsache, dass er dein Exfreund ist.“ „Du sollst ihn doch auch gar nicht mögen“, warf Crocodile ein. „Da ich nicht viel mit ihm zu tun habe, musst du dich nicht gut mit ihm verstehen. Ich möchte einfach nur, dass du einsiehst, dass du dich nicht unwohl fühlen musst, nur weil du nicht mein allererster fester Partner bist. Du bist derjenige, mit dem ich heute hier bin - und nicht er. Denn ich liebe dich und zwar mehr, als ich jemals irgendein anderen Menschen geliebt habe.“ „Ich liebe dich auch“, erwiderte Doflamingo und um seinen Partner nicht in Verlegenheit zu bringen, sprach er ebenfalls so leise, dass nur sie beide seine Worte verstehen konnten. „Mehr als alles andere auf der Welt. Du bist der Mann meines Lebens!“ Crocodile schluckte, doch ließ sich sein Unwohlsein ansonsten nicht anmerken. Der Mann meines Lebens, wiederholte er gedanklich und wusste nicht, was er von dieser Aussage halten sollte. Sie klang so schrecklich nach.... heiraten. Unsinn, redete Crocodile sich ein und nippte nervös an seinem Wasserglas. Er sollte jetzt nicht in Panik verfallen. Wahrscheinlich fürchtete er sich bloß so sehr davor, dass sein Freund ihm einen Heiratsantrag machen könnte, dass er überall irgendwelche an den Haaren herbeigezogene Andeutungen sah. Schließlich hatte Doflamingo genau diese Worte schon häufiger zu ihm gesagt. Zum Beispiel, als sie beide im Flying Lamb essen gegangen waren, erinnerte sich Crocodile plötzlich. Damals hatte Doflamingo genau diese Worte benutzt, als er versucht hatte, ihn davon zu überzeugen, zu ihm zu ziehen. Was ihm schlussendlich auch gelungen war. Ruhe bewahren, sprach Crocodile in Gedanken aus und bemühte sich darum, dem nachzukommen. Er machte sich hier doch nur selbst verrückt! Und vor allen Dingen lächerlich! Er sah Anspielungen, wo definitiv keine vorhanden waren! Nur weil er Angst davor hatte, dass Doflamingo ihm womöglich einen Antrag machen könnte, bedeutete dies schließlich noch lange nicht, dass diese Angst auch real war! Wahrscheinlich dachte sein Partner nicht einmal in diese Richtung, redete Crocodile sich ein und spürte, dass ihn dieser Gedanke tatsächlich zu beruhigen vermochte; auch wenn er einen gewissen Rest an Zweifeln einfach nicht vertreiben konnte. Um drei Uhr dreißig merkte Crocodile seinem Partner gegenüber an, dass er sich gerne allmählich auf den Heimweg machen wollte. Seit Tashigi gegangen war, hatte sich dieser noch drei verschiedene Cocktails gemischt und wirkte inzwischen mittelmäßig angetrunken. Da Crocodile bezweifelte, dass es ihm gelingen würde, ihn komplett betrunken zu machen, hatte er sein Vorhaben schließlich aufgegeben und beschlossen, sich mit diesem dürftigen Zwischenergebnis zufriedenzugeben. Er hoffte bloß, dass sein Freund tatsächlich recht lange schlief, damit für ihn genug Zeit blieb, um seinen privaten Angelegenheiten nachzugehen. „Jetzt schon?“, war leider die unwillige Antwort, die seitens Doflamingo erhielt. „Wir haben gerade einmal halb vier. Und außerdem ist doch noch der Großteil der Gäste da.“ „Trotzdem“, gab Crocodile zurück. „So langsam werde ich echt müde. Immerhin trinke ich im Gegensatz zu dir nichts. Und wir sind schon seit deutlich mehr als sieben Stunden hier; ich finde, das reicht.“ „Bestimmt enttäuschen wir Mihawk, wenn wir jetzt schon gehen“, wandte Doflamingo ein und es ärgerte Crocodile, dass sein Partner mit gezinkten Karten spielte und versuchte, irgendwelche familiären Pflichtgefühle für seine Zwecke auszunutzen. „Schließlich bist du doch sein Bruder!“ „Ich bin mir sicher, dass Mihawk es gut verstehen wird, wenn wir uns um diese Uhrzeit von ihm verabschieden“, erwiderte Crocodile darum sehr energisch. „Er ist kein Mensch, der versucht, jemand anderem etwas gegen dessen Willen aufzudrücken. Und außerdem haben wir noch eine fast einstündige Autofahrt vor uns, bevor wir in deiner Villa ankommen.“ „Mihawk hat doch angeboten, dass wir beide im Gästezimmer schlafen können“, warf Doflamingo plötzlich ein. „Warum machen wir das nicht einfach? Dann könntest du auch etwas trinken.“ „Darum geht es doch gar nicht“, meinte Crocodile. So langsam begann es ihn gehörig zu nerven, dass sein Partner seinem Wunsch, endlich nach Hause zu fahren, so sehr widerstand. „Ich möchte nämlich überhaupt nichts trinken. Seit diesem Vorfall im Skypia verzichte ich lieber für eine Weile auf Alkohol. Es geht darum, dass ich müde werde. Und außerdem ist inzwischen abgesehen von mir jeder hier betrunken und das nervt mich.“ „Wenn wir im Gästezimmer übernachten, kannst du dich jetzt sofort schlafen legen“, versuchte Doflamingo ihn noch immer zum Bleiben zu überreden. „Und ich komme dann im Verlauf der Nacht zu dir. Man sollte sowieso nicht im müden Zustand Auto fahren!“ „Verdammt, Doflamingo!“ Crocodiles anfängliche Geduld neigte sich nun langsam dem Ende zu und wurde durch Ärger und Unruhe ersetzt. „Warum nur willst du immer deinen Willen durchsetzen? Kannst du denn nicht einmal auch an mich denken? Ich möchte nicht mehr länger hierbleiben, weder hier unten bei der Party noch oben im Gästezimmer! Ich möchte zurück zur Villa fahren! Immerhin sind wir schon seit halb neun hier; das sind mehr als sieben Stunden!“ „Aber wenn du deinen Willen durchsetzen willst und ich mich dir beugen soll, dann ist das in Ordnung, oder wie?“, gab Doflamingo mit gereizter Stimme zurück. „Ich möchte noch bleiben, du möchtest fahren - und jetzt soll natürlich dein Wille gelten!“ „Das stimmt doch gar nicht!“, erwiderte Crocodile, der sich von der aufgeladenen Stimmung seitens seines Partners anstecken ließ. „Eigentlich wollte ich nämlich einen Kompromiss vorschlagen: Dass wir gemeinsam eine Uhrzeit aussuchen, zum Beispiel. Wie wäre es mit vier Uhr?“ „Diesen Kompromiss hast du dir doch gerade eben ausgedacht“, warf Doflamingo ihm missgelaunt vor. „Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?“ Crocodile erkannte seinen Partner kaum wieder. Sich so untypisch mürrisch und angriffslustig zu geben, passte überhaupt nicht zu dem unbekümmerten und fürsorglichen Mann, den er kannte. Lag das vielleicht am Alkohol? „Weißt du was: Kompromisse gehören nun einmal zu einer Beziehung mit dazu! Und wenn du keine Lust darauf hast, dann ist das nicht mein Problem. Von mir aus kannst du im Gästezimmer meines Bruders übernachten. Aber ich fahre jetzt nach Hause! Kannst dir ja ein Taxi nehmen oder so.“ Und mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und hielt nach Mihawk Ausschau, um sich von diesem zu verabschieden. Sonderlich weit kam er allerdings nicht: Er war kaum zwei Schritte gegangen, als sein Freund ihm am Hemdsärmel festhielt. Wütend riss sich Crocodile aus dessen Griff. Er war ein sehr stolzer Mensch und hatte es absolut nicht nötig, sich niedermachen zu lassen: weder von seinem Partner noch von sonst irgendjemandem. Diese Zeiten waren ein für allemal vorbei! „Hey, Crocodile, warte doch!“, meinte Doflamingo, der plötzlich sehr reumütig klang. „Das hätte ich nicht sagen sollen; es war dumm von mir.“ Angesichts dieser plötzlichen Bereitschaft, Fehler einzusehen, blieb Crocodile tatsächlich stehen und warf Doflamingo einen abschätzenden Blick zu. Er blieb absichtlich stumm und wartete darauf, dass sein Freund fortfuhr. „Ich bin eben wegen einer ganz anderen Sache wütend geworden.“ „Und weswegen genau?“, hakte Crocodile skeptisch nach, der noch immer nicht ganz dazu bereit war, seinem Partner dessen unangebrachte Anwandlung zu verzeihen. Doflamingo schwieg für einen Moment, ehe er beinahe schon betreten zugab: „Weil du ständig deine Villa sagst.“ „Hm?“ Crocodile verstand überhaupt nicht, worauf sein Partner hinauswollte. „Na“, meinte Doflamingo mit verzogenem Mund, „immer, wenn du mit mir redest, sagst du deine Villa. Dabei ist es doch gar nicht mehr nur meine Villa - es ist unser gemeinsames Zuhause. Und, naja, ich finde es total furchtbar, dass du immer noch ständig deine Villa sagst!“ Es dauerte eine Weile, bis die Worte, die sein Partner sagte, ganz bis zu Crocodiles Gehirn durchgedrungen waren. Er konnte kaum glauben, was er da hörte. Ihm kam dieser Vorwurf absolut hanebüchen vor. „Das ist dein Problem?“, wiederholte er darum ungläubig, als Doflamingo zu Ende gesprochen hatte. „Dass ist öfter deine Villa als Zuhause oder so etwas in der Art sage? Ich bin doch erst vor kurzem bei dir eingezogen; natürlich braucht es ein wenig Zeit, bis ich mich vollständig umgewöhnt habe! Aber warum hast du mir das denn nicht gesagt, wenn du so viel Wert darauf legst? Ich wusste ja nie, dass es dich so sehr verletzt, wenn ich deine Villa sage!“ „Keine Ahnung“, gab Doflamingo zu. „Vielleicht, weil es mir selbst bescheuert vorkam. Schließlich ist es ja wirklich nur eine Kleinigkeit. Und, naja, du sagst ja auch nicht immer deine Villa. Eben hast du zum Beispiel Ich fahre jetzt nach Hause gesagt.“ Verblüfft schüttelte Crocodile den Kopf. „Aber gerade wenn es sich doch nur um Kleinigkeiten handelt, kannst du mit mir darüber reden, Doffy“, meinte er und bemerkte selbst, dass er inzwischen wieder versöhnlich klang. „Das ist mir lieber, als wenn du die Dinge, die dich stören, runterschluckst und sie dann bei einem Streit, der überhaupt nichts mit diesem Thema zu tun hat, wieder hochkommen. Und außerdem bekomme ich nur dann die Chance, mich zu ändern und mich darum zu bemühen, deinen Wünschen nachzukommen, wenn du mir sagst, was dich an mir stört.“ „An dir als Person stört mich eigentlich überhaupt nichts“, lenkte Doflamingo rasch ein. „Mich stören höchstens ein paar deiner Verhaltensweisen. Aber ich will auch keinen Streit heraufbeschwören, indem ich dich mit Kleinigkeiten nerve. Du bist ja in letzter Zeit sowieso schon immer so schlimm im Stress wegen deiner Arbeit, da möchte ich dich nicht auch noch unter Druck setzen, wenn du abends endlich nach Hause kommst!“ „Oh“, machte Crocodile und sah betreten zu Boden. Es hatte gar nicht gewusst, dass Doflamingo der Ansicht war, ihre Beziehung stünde dauerhaft unter solch heftiger Belastung. Ganz im Gegenteil: Crocodile bemühte sich doch mit aller Kraft darum, seinem Partner so gut wie möglich aus seinem beruflichen Stress herauszuhalten. Nun, anscheinend gelang ihm dies nicht einmal ansatzweise so gut wie angenommen. „Nun ja, wie auch immer: Jedenfalls kannst du es mir gerne sagen, wenn dich etwas stört. Ich möchte, dass du weißt, dass wir beide über alles reden können. Und gerade solche Kleinigkeiten sind wirklich kein Problem für mich; du musst es nur sagen!“ „Okay“, antwortete Doflamingo und wirkte erleichtert. „Und von mir aus können wir auch um vier Uhr nach Hause fahren. Du hast Recht: Wir sind wirklich schon sehr lange hier auf dieser Party. Ich wäre zwar gerne noch länger geblieben, du weißt schon wieso... Ich verbringe gerne Zeit mit dir und deiner Familie. Du wirkst immer so angenehm entspannt, wenn Mihawk und Hancock in deiner Nähe sind. Aber ich kann es auch gut verstehen, wenn du allmählich müde wirst und wieder nach Hause möchtest. Schließlich hattest du gestern einen sehr anstrengenden und vor allem langen Arbeitstag.“ „Wir können vier Uhr fünfzehn machen“, lenkte Crocodile ein. „Wenn wir schnell fahren, sind wir dann etwa um fünf Uhr Zuhause. Das ist okay, denke ich. Aber dafür vergessen wir diesen blöden Streit, den wir eben hatten, und genießen die restliche Zeit hier auf Mihawks Geburtstagsparty. Bist du damit einverstanden?“ „Absolut“, stimmte Doflamingo ihm gut gelaunt und nahm den letzten Schluck aus seinem Glas Cool Bull. bye sb Kapitel 11: Kapitel 6 --------------------- Es war ein gewöhnlicher Mittwochabend. Crocodile hatte sich in sein Lesezimmer zurückgezogen; er saß auf dem gemütlichen Sessel und hatte ein Buch aufgeschlagen auf seinen Oberschenkeln liegen. Es handelte sich um einen Roman, den er schon vor mehr als einem Jahr gekauft hatte, in dem er heute allerdings zum ersten Mal las. In letzter Zeit kam Crocodile nur selten zur Ruhe. In der Bank wurde er den ganzen Tag lang mit Aufgaben gequält, die ebenso stupide wie mühselig waren. Der Tag seiner endgültigen Entlassung rückte immer näher. In zwei Wochen würde Crocodile arbeitslos sein bzw. in Urlaub, wie er es seinem Partner weisgemacht hatte. Danach würde er sehen müssen, wie es weiterging. Weil er so viele Überstunden machte und nach Feierabend noch eine einstündige Heimfahrt vor sich hatte, bekam Crocodile inzwischen nur sehr selten die Gelegenheit, sich ein wenig zu entspannen. Vor allen Dingen da Doflamingo ihn meistens in Anspruch nahm, kaum trat er über die Türschwelle der Villa. Crocodile war sich dessen bewusst, dass sein Leben vermutlich einfacher und ruhiger vonstatten ginge, würde er die Beziehung zu seinem Freund nicht führen; doch trotzdem war er sehr glücklich mit Doflamingo. Für nichts und niemanden würde er seinen Partner eintauschen. Dennoch genoss er die seltenen Momente, in denen er allein sein und sich mit einem guten Buch in sein privates Lesezimmer zurückziehen konnte. Die Ruhe währte nicht lange. Crocodile schlug gerade die 34. Buchseite um, als er ein Klopfen an der Tür hörte. Mit viel Anstrengung zwang er sich dazu, sich sein Missfallen nicht anmerken zu lassen und stattdessen einen neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen, ehe er "Herein!" sagte. Doflamingo öffnete die Türe und lugte mit dem Kopf in das Zimmer hinein. "Es gibt Abendessen", meinte er in einem freundlichen Tonfall. "Kommst du?" Crocodile zögerte einen kurzen Moment lang, ehe er meinte: "Ach, weißt du, ich habe gerade keinen sonderlich großen Hunger." Diese Worte waren halb gelogen. Eigentlich hatte er nämlich bloß keine Lust darauf, sich jetzt mit seinem anstrengenden Freund auseinanderzusetzen. Viel lieber blieb er noch für eine Weile in seinem Lesezimmer (den einzigen Ort in der gesamten Villa, den er ganz für sich hatte) und las in seinem Roman. Es war lange her, seit er das letzte Mal die Zeit gefunden hatte, um ein wenig zu lesen. Doflamingo schob unwillig die Unterlippe nach vorne. "Wie kommt es, dass du keinen Hunger hast?", fragte er mit ungemein vorwurfsvoller Stimme. "So wie ich dich kenne, hast du dir heute Mittag in der Bank sicherlich nicht die Zeit genommen, um auch nur eine Kleinigkeit zu essen. Nicht wahr? Weil du dich mal wieder komplett in deine Arbeit hineingesteigert hast! Da solltest du dann wenigstens Zuhause vernünftig essen!" "Jetzt veranstalte doch nicht gleich ein solches Theater", erwiderte Crocodile. Er fühlte sich persönlich verletzt, weil sein Partner ihm (wie so oft) vorwarf, seine Arbeit über seine Gesundheit zu stellen. Crocodile war sich dessen bewusst, dass Doflamingos Worten durchaus ein Körnchen Wahrheit zugrunde lag, doch trotzdem gefiel es ihm nicht, dass dieser sich das Recht herausnahm, über ihn zu urteilen. "Dass ich gerade keinen Hunger habe, hat überhaupt nichts mit meiner Arbeit zu tun. Ich habe heute eine Mittagspause eingelegt und etwas gegessen! Ich möchte nur gerne in Ruhe dieses Buch weiterlesen. In letzter Zeit bekomme ich selten die Gelegenheit, mich zurückzuziehen und ein wenig zu entspannen." Mit diesem Argument schien er seinen Partner glücklicherweise besänftigen zu können; trotzdem wirkte Doflamingo nicht vollständig überzeugt. Er blieb nicht länger im Türrahmen stehen, sondern machte zwei große Schritte in den Raum hinein. Er schwieg einen kurzen Moment lang, ehe er sagte: "Ich kann gut verstehen, dass du ab und an ein wenig Ruhe brauchst. In letzter Zeit bist du sehr oft gestresst. Aber ich fände es trotzdem schön, wenn du gemeinsam mit mir zu Abend essen würdest." "Ich habe dir doch gerade eben erklärt, dass ich keinen Hunger habe!", warf Crocodile energisch ein. "Dann setz dich doch wenigstens mit mir an den Tisch", erwiderte Doflamingo. "Nur für eine halbe Stunde. Vielleicht bekommst du ja Appetit, wenn du das Essen siehst. Außerdem würde ich mich sehr über deine Gesellschaft freuen. Bitte, Crocodile! Tu mir diesen Gefallen!" Crocodile seufzte leise auf, klappte sein Buch zu und legte es auf den Beistelltisch neben dem Sessel. Anschließend stand er auf. "Na von mir aus", meinte er. Doflamingo legte seine Arme um ihn und drückte ihn sanft. Crocodile ließ die Umarmung zu. Er legte den Kopf an die Brust seines Partners und lauschte eine Weile dessen gleichmäßigen Herzschlägen. Vielleicht, dachte er, war es keine allzu schlechte Sache, Doflamingo eine kleine Freude zu bereiten, indem er sich zu diesem an den Tisch setzte. "Aber essen werde ich trotzdem nichts", meinte er, während er gemeinsam mit seinem Partner das Zimmer verließ und sich auf den Weg in Richtung Speisesaal machte. "Ich habe im Moment einfach keinen Hunger. Daran kannst auch du nichts ändern, Doflamingo." "Bist du dir da ganz sicher?", entgegnete ebenjener mit einem Grinsen, das Crocodile auf der Stelle misstrauisch werden ließ. "Heute gibt es nämlich Spaghetti mit Oliven und Tomaten. Das ist doch dein Leibgericht, wenn ich mich nicht irre?" "Hmpf!", machte Crocodile und warf seinem Partner einen missbilligenden Blick zu. Doflamingo hatte nicht Unrecht: Bei Spaghetti mit Oliven und Tomaten handelte es sich tatsächlich um seine absolute Leibspeise. Am besten noch mit Schafskäse dazu. Überhaupt aß er gerne Pastagerichte. (Wenn sie nicht zu scharf gewürzt wurden, vertrug sein Magen sie gut.) Dennoch ärgerte es ihn, dass Doflamingo seine Entscheidung, heute Abend nichts zu essen, einfach nicht akzeptieren wollte. Er war kein kleines Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann, der durchaus seine eigenen Entscheidungen treffen konnte! Leider schien sein Partner durch den abfälligen Laut, den er eben von sich gegeben hatte, nur noch weiter angestachelt worden zu sein. Doflamingo presste seine Lippen fest aufeinander und atmete durch die Nase hörbar ein und aus, ehe er in einem relativ aggressivem Tonfall meinte: "Sag mal, was ist eigentlich los mit dir? Wieso versteifst du dich so heftig darauf, heute Abend nichts essen zu wollen?" "Ich versteife mich überhaupt nicht!", erwiderte Crocodile rasch, der sich sofort angegriffen fühlte. "Du übertreibst bloß völlig! Was ist denn so furchtbar schlimm daran, wenn ich einmal keinen Appetit habe? Davon geht die Welt nicht unter!" "Einmal? Einmal?!", erwiderte Doflamingo in einer nicht minder aufgeregt klingenden Stimmlage. "Ich müsste mir keine Sorgen machen, wenn du nur einmal keinen Hunger hättest, Crocodile! Aber du verweigerst ständig die Nahrungsaufnahme: Bei der Arbeit isst du nicht, Zuhause isst du nicht und auswärts essen möchtest du auch nicht! Man könnte meinen, du würdest an einer Essstörung leiden!" "Du redest Unsinn!", erwiderte Crocodile barsch. Er konnte die Kritik seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen. Doflamingo tat so, als würde er täglich bloß ein Blättchen Salat und einen halben Apfel zu sich nehmen. Dabei handelte es sich natürlich um absoluten Blödsinn. Crocodile gab zu, dass er vor allem bei der Arbeit nicht jeden Tag dazu kam, eine Mittagspause einzulegen und eine Kleinigkeit zu essen, doch ihm gleich eine Essstörung zu unterstellen, hielt er für völlig übertrieben. Schließlich zwang Crocodile sich nicht dazu, nichts zu essen und hungrig zu bleiben; ganz im Gegenteil: Sein Appetit kam häufig einfach nicht auf. Dafür konnte aber er doch nichts! "Es ist kein Unsinn!", hielt Doflamingo dagegen. Er blieb stehen und fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Anschließend meinte er: "Vielleicht bist du dir dessen selber nicht ganz bewusst, doch dein derzeitiges Essverhalten ist wirklich mehr als bedenklich. Und ich mache mir deswegen große Sorgen um dich. Du hast auch schon viel zu viel abgenommen!" "Ich habe überhaupt nicht abgenommen", entgegnete Crocodile. In seinen Augen ergaben die Worte seines Partners überhaupt keinen Sinn. Gut, womöglich aß er in letzter Zeit nicht ganz so gut wie man es sollte, weil er häufig unter Zeitdruck stand, doch es war unmöglich, dass er signifikant viel abgenommen hatte. "Das wäre mir doch aufgefallen! Du übertreibst, Doffy! Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen um mich machst, aber du übertreibst. Was du da über eine Essstörung oder einen Gewichtsverlust sagst, ist ganz einfach nicht wahr." Er konnte Doflamingo wütend aufseufzen hören. Dieses ungewohnte Geräusch veranlasste Crocodile dazu, hellhörig zu werden. Normalerweise war Doflamingo eine Person, die alles auf die leichte Schulter nahm und einfach niemals rational sein konnte. Dass er ernsthaft genervt aufseufzte, kam nur sehr selten vor. Es war ein schlechtes Zeichen. "Es gibt eine ziemlich einfache Möglichkeit, um meine Behauptung zu beweisen", meinte dieser spitz. Er streckte seinen Arm aus und deutete auf eine Tür, die von dem Korridor, in dem sich sich momentan befanden, abzweigte. "Dort drüben ist ein Badezimmer. Darin befindet sich auch eine Waage. Spätestens wenn du dich wiegst, wirst du feststellen müssen, dass ich die Wahrheit sage und du an Gewicht verloren hast!" Crocodile warf einen verunsicherten Blick zur Badezimmertüre hinüber. Noch immer hielt er die Worte seines Partners schlichtweg für Unfug. Doflamingo übertrieb bloß in seiner Fürsorge; er war jemand, der leicht in Sorge geriet um die Menschen, die ihm viel bedeuteten. Crocodile schüttelte den Kopf. "Ich werde deine Paranoia garantiert nicht unterstützen", meinte er darum und verschränkte die Arme vor der Brust. "Und können wir diese Diskussion jetzt bitte endlich beenden? Akzeptier doch einfach, dass ich heute Abend nichts essen möchte. Ich schätze sehr, dass du dich um mich sorgst, Doflamingo, aber vergiss bitte nicht, dass ich ein erwachsener Mensch bin. Ich kann auf mich selbst aufpassen!" "Dein Alter tut hier überhaupt nichts zur Sache", erwiderte Doflamingo unerbittlich. "Ich glaube nämlich, du bist so fürchterlich gestresst in letzter Zeit, dass dir manche Dinge einfach nicht auffallen. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass du ständig die Nahrungsaufnahme verweigerst. Oder dass du nie ausgehen möchtest. Oder dass du dich jede freie Minute in deinem Lesezimmer verschanzt!" Crocodile fasste überhaupt nicht, was sein Partner ihm da an den Kopf warf. Er fühlte sich schrecklich verletzt durch dessen Vorwürfe. Er hatte gar nicht gewusst, dass so viele seiner Verhaltensweisen seinen Freund störten. Woher auch? Bisher hatte sich dieser nie bei ihm beschwert. "Na und?", erwiderte er in Ermangelung einer schlagfertigeren Erwiderung. "Dann habe ich in letzter Zeit eben nicht sonderlich viel Lust darauf, ins Kino zu gehen oder in einen Nachtclub! Ich wüsste nicht, dass es sich dabei um ein Schwerverbrechen handelt. Und falls du es vergessen haben solltest: Das letzte Mal, als wir beide ausgegangen sind, ist der Abend für mich mit einer schweren Vergiftung und einem Krankenhausaufenthalt geendet. Da ist es doch wohl logisch, dass ich mich eine Zeit lang lieber an Orten aufhalte, an denen ich mich sicher fühle!" "So habe ich es doch gar nicht gemeint", lenkte Doflamingo mit verzweifelter Stimme. "Ich will dir keine Vorwürfe machen! Ich möchte bloß, dass du einsiehst, dass sich dein Verhalten in letzter Zeit stark verändert hat. Und dass mir diese Verhaltensänderungen große Sorgen bereiten. Ich frage mich, was die Ursache dafür sein könnte. Irgendetwas belastet dich so stark, dass deine Psyche ganz schrecklich darunter leidet. Und nur wenn du einsiehst, dass mit dir etwas nicht stimmt und wir gemeinsam nach den Grund suchen, kann dir geholfen werden. Verstehst du? Ich will dir keine Vorwürfe machen, Crocodile - ich will dir helfen!" "Du tust so, als wäre ich reif für die Klapsmühle!" Langsam begann Crocodile sich ernsthaft bedrängt von seinem Partner zu fühlen. Wie hatte eine Diskussion über Spaghetti mit Oliven und Tomaten nur so fürchterlich ausarten können? Allmählich bekam Crocodile das Gefühl, dass nicht er, sondern Doflamingo irgendwelche unterdrückten Probleme hatte. "Du drehst mir die Worte im Mund herum!", warf ebenjener ihm vor. Er schien nun endgültig die Geduld zu verlieren, denn anschließend fügte er hinzu: "Wenn du die Ansicht vertrittst, dass mit deinem Gewicht alles in Ordnung ist, dann dürfte es für dich doch eigentlich überhaupt kein Problem darstellen, dich zu wiegen, oder? Verkürzen wir diese Diskussion einfach: Du stellst dich auf die Waage. Wenn sie dein normales Gewicht anzeigt, entschuldige ich mich bei dir und verspreche, nie wieder ein Wort über deine Ernährung zu verlieren. Wenn du allerdings untergewichtig sein solltest, wirst du dir eingestehen müssen, dass ich Recht habe. Und dazu gleich zwei ganze Teller Spaghetti essen! Deal?" Crocodile seufzte genervt auf und wischte sich mit der rechten Hand über sein Gesicht. Schließlich gab er sich geschlagen: "Von mir aus. Ansonsten wirst du wohl nie Ruhe geben. Außerdem freue ich mich schon auf eine Entschuldigung deinerseits. Das hat schließlich echten Seltenheitswert." Mit dieser Aussage hatte Crocodile nicht Unrecht: Er wusste genau, dass Doflamingo es abgrundtief hasste, sich bei irgendjemandem zu entschuldigen. Er tat es bloß in absoluten Ausnahmesituationen. "Gut", meinte Doflamingo, der plötzlich wieder viel ruhiger wirkte. Er lotste Crocodile rasch ins nächste Badezimmer und deutete auf die Waage, die dort neben dem Waschbecken auf dem Fußboden stand. Aus irgendeinem Grund musste Crocodile schlucken, als er den Blick auf die Waage warf. Er begann sich unwohl zu fühlen. Vermutlich, dachte er, weil die ganze Situation völlig lächerlich war: Es war ein Fehler gewesen, sich Doflamingos paranoidem Kontrollwahn zu beugen und zu diesem Test überreden zu lassen. Schließlich stand Crocodile nicht in der Pflicht, irgendjemandem irgendetwas zu beweisen. Rastlos rieb er sich mit der rechten Hand über den linken Unterarm und zögerte den Schritt auf die Waage so lange wie nur möglich hinaus. Erst als er Doflamingo recht ungeduldig "Wir haben einen Deal!" sagen hörte, überwand Crocodile sich und stieg auf die Waage. Ein Moment verging. Dann erschien auf der digitalen Anzeige die Zahl 66. Crocodiles Augen weiteten sich vor Entsetzen. Hastig stieg er wieder von der Waage herunter. Das war unmöglich! "Wie viel wiegst du?", fragte Doflamingo, der ein oder zwei Schritte von ihm entfernt stand. Er überwand die kurze Distanz zwischen ihnen beiden und legte seine Arme um den Körper seines Partners. "Crocodile? Was sagt die Waage?" "Dass du Recht hast, Doffy", meinte er nach einigen Sekunden des Zögerns mit belegter Stimme. "Ich habe wirklich abgenommen. Das ist mir überhaupt nicht aufgefallen. Wie kann es denn nur sein, dass mir so etwas nicht auffällt?" Verzweifelt schüttelte er den Kopf und legte sich sogar die Hand über die Augen. Für Crocodile kam dieses Ergebnis völlig überraschend. Er hatte nicht damit gerechnet, dass tatsächlich nicht Doflamingo, sondern er selbst derjenige war, der falsch lag. Plötzlich überkam ihn ein furchtbares Gefühl von Machtlosigkeit: In zwei Wochen würde er arbeitslos sein, er war völlig überschuldet, riskierte jeden Tag durch unzähligen Lügen die Beziehung zu seinem Freund... und nun schaffte er es nicht einmal mehr, die Kontrolle über seinen eigenen Körper zu behalten. Crocodile musste mehrmals tief durchatmen, um zu verhindern, dass er auf der Stelle in Tränen ausbrach. Allmählich wurde diese erdrückende Lebenssituation zu viel für ihn... "Ganz ruhig", flüsterte die Stimme seines Partners in sein Ohr. Doflamingo drückte ihn fest an sich und Crocodile legte ebenfalls die Arme um den Körper des Anderen. Es tat unwahrscheinlich gut, Doflamingo jetzt so nah zu spüren. Sofort beruhigte Crocodile sich wieder ein wenig. Zumindest konnte er die Tränen zurückhalten und bald auch seinen Atem wieder normalisieren. "Alles ist gut", fuhr Doflamingo mit sanfter Stimme fort und verteilte Schmetterlingsküsse auf sein Haar. "Wir kriegen das wieder hin. Es gibt keinen Grund zur Panik. Gemeinsam schaffen wir das schon." Sein Partner ließ ihn erst wieder los, als Crocodile den schlimmsten Schock überwunden hatte und nicht mehr Gefahr lief, jeden Moment in Tränen auszubrechen. Er war sehr dankbar für die Unterstützung seitens Doflamingo. Es war ein unwahrscheinlich gutes Gefühl zu wissen, dass jemand da war, der sich kümmerte und sorgte. "Das letzte Mal habe ich mich vor vielleicht acht oder neun Wochen gewogen", meinte Crocodile und bemühte sich um eine gefasste Stimmlage, während er sprach. "Damals habe ich etwa 80, 81 Kilogramm gewogen. Jetzt sind es nur noch 66. Ich habe in kaum zwei Monaten 15 Kilogramm abgenommen! Ohne Sport zu treiben, ohne es auch nur zu merken. Wie konnte das denn bloß passieren?!" "15 Kilogramm?", wiederholte Doflamingo mit ungläubiger Stimme. Selbst er, der immer übertrieb und zur Überfürsorge neigte, schien mit einer solch gewaltigen Zahl nicht gerechnet zu haben. Crocodile nickte beschämt. "Die unterste Grenze für das Normalgewicht bei meiner Größe liegt bei etwa 78 Kilogramm. Das heißt also, ich habe satte 12 Kilogramm Untergewicht." "Wow", meinte Doflamingo und drückte damit ziemlich treffend Crocodiles derzeitige Gefühlslage aus. Er schwieg einen Moment lang, ehe er hinzufügte: "Es liegt höchstwahrscheinlich an dem vielen Stress, den du in letzter Zeit durch die Arbeit hast. Du findest nur noch selten die Zeit, um vernünftig zu essen. Ich denke, sobald du Urlaub hast, wirst du auch wieder mehr Appetit bekommen. Außerdem ist Erkenntnis immer der erste Schritt zur Besserung: Jetzt, da du deinen Gewichtsverlust endlich eingesehen hast, wirst du sicherlich eher darauf achten, genug zu essen. Am besten wir fangen gleich heute Abend an. Du hast mir versprochen, zwei Teller Spaghetti zu essen, sollte ich Recht behalten. Nun, du hast die Wette verloren." Crocodile nickte matt und verließ gemeinsam mit seinem Partner das Badezimmer. Er fühlte sich völlig ausgelaugt. Das Wissen, das er eben bezüglich seines Gewichts erlangt hatte, machte ihn völlig fertig. Immerhin hatte er nicht bloß vier oder fünf Kilogramm abgenommen, sondern gleich 15! Und das innerhalb von bloß zwei Monaten! Crocodile seufzte leise und fuhr sich durch sein dunkles Haar. Wenn er ehrlich war, dann hatte ihm diese Erkenntnis seinen sowieso kaum vorhanden Appetit völlig verdorben. Trotzdem würde er sich darum bemühen, sein Versprechen zu halten und zwei Teller leerzuessen. Er benötigte jede einzelne Kalorie, die er bekommen konnte. Und bei Spaghetti mit Oliven und Tomaten handelte es sich zumindest um sein Leibgericht. In den nächsten Tagen achteten sowohl Doflamingo als auch Crocodile selbst sehr genau darauf, dass er genug Nahrung zu sich nahm. Sein Partner frühstückte morgens mit ihm gemeinsam und gab sogar in der Küche Bescheid, man sollte ihm ein leichtes Lunch-Paket fertig machen, das er dann mit zur Arbeit nehmen könnte. "Das Problem ist, dass du in der Bank viel zu viel zu tun hast“, erklärte Doflamingo. "Du findest einfach nicht genug Zeit, um mal eine Dreiviertelstunde Mittagspause zu machen und essen zu gehen. Deswegen ist ein Lunch-Paket, das du dir selber mitnimmst, ideal. Du musst nicht einmal dein Büro verlassen. Wenn du Appetit bekommst und Lust auf eine kleine Mahlzeit zwischendurch hast, suchst du dir einfach einen Imbiss aus. Manches muss man nicht einmal warm machen.“ "Vielen Dank, Doffy“, sagte Crocodile und meinte seine Worte wirklich ehrlich. "Es ist sehr lieb, dass du dich so sehr um mich sorgst.“ Doflamingo wirkte zwar geschmeichelt, doch winkte ab. "Das ist doch absolut selbstverständlich“, erwiderte er. "Immerhin bin ich dein Partner. Dass ich mich um deine Gesundheit sorgen soll, stand in der Jobbeschreibung. Und wenn du mir wirklich danken möchtest, dann sieh am besten zu, dass du heute mindestens drei Kleinigkeiten aus deinem Lunch-Paket isst, ja?“ Crocodile nickte und konnte ein Lächeln nicht verhindern. Es war einfach ein unfassbar schönes Gefühl zu wissen, dass sich jemand um ihn kümmerte. Crocodile war kein Romantiker und er betrachtete seine Beziehung zu seinem Partner auch nicht durch eine rosarote Brille, doch trotzdem schätzte er es wert, dass sich Doflamingo so viele Gedanken um ihn machte. In solchen Momenten spürte er ganz deutlich, dass, ganz egal von welch egoistischer und eifersüchtiger Seite sein Freund sich manchmal zeigte, dieser ein unfassbar liebevoller und fürsorglicher Mensch war. Crocodile hatte in seinem Leben schon viele Beziehungen geführt, doch in keiner hatte er sich so gut aufgehoben gefühlt wie in dieser hier. "Wie wäre es, wenn du heute mal nicht selber zur Arbeit fährst“, fuhr Doflamingo fort, als Crocodile sich gerade seine Schuhe anzog, "sondern mein Fahrer dich chauffiert? Dann kannst du ein wenig länger entspannen. Immerhin dauert die Fahrt etwa eine Stunde. Vor allem auf dem Rückweg ist das doch sicher angenehm für dich: Anstatt dich auf den Verkehr konzentrieren zu müssen, könntest du ein Nickerchen machen und wärst nicht so schrecklich gestresst, wenn du Zuhause ankommst.“ "Ähm, von mir aus“, gab Crocodile schulterzuckend zurück. Ihm machte es nichts aus Auto zu fahren, doch auch Doflamingos Vorschlag klang nicht allzu schlecht in seinen Ohren. Anstatt zu schlafen könnte er diese beiden zusätzlichen Stunden Freizeit womöglich auch nutzen, um seine Bewerbungen zu koordinieren. Doflamingos Vorwurf, er würde sich häufig in seinem Lesezimmer verschanzen, war nicht ganz aus der Luft gegriffen: Tatsächlich zog Crocodile sich häufig dorthin zurück, weil er unter allen Umständen verhindern wollte, dass sein Partner etwas von seiner Jobsuche mitbekam. "Gut, dann bis heute Nachmittag, Wani.“ Doflamingo gab ihm einen liebevollen Abschiedskuss auf den Mund, den Crocodile zuließ und (ehrlich gesagt) auch sehr genoss, ehe er los zur Arbeit musste. Er winkte seinem Partner noch ein letztes Mal zu und machte sich dann auf den Weg zur Garage, in der neben Doflamingos vielen Luxuskarossen auch sein Mercedes C 216 untergebracht war. Der Fahrer stand schon bereit und schien ihn zu erwarten. * Robins hübsches Gesicht zierte ein mitleidiger Ausdruck, als sie ihm pünktlich um neun Uhr morgens etwa ein Dutzend dicke Ordner auf den Schreibtisch legte. Crocodile seufzte genervt auf und warf einen unwilligen Blick auf den hohen Papierstapel, ehe er sich an seine Sekretärin wandte: "Was soll ich mit diesen blöden Ordnern machen? Was ist das überhaupt für Kram?“ "Diese Papiere enthalten Informationen über unsere Kunden“, erklärte Robin ihm und schien sich um eine neutrale Stimmlage zu bemühen. "Du sollst sie sortieren.“ "Das kann nichts Sengokus Ernst sein“, erwiderte Crocodile und bemühte sich nicht einmal darum, die Missbilligung und Wut in seiner Stimme zu verbergen. Er fühlte sich schrecklich beleidigt und herabgesetzt. "Ich soll Kundendaten sortieren? Fünf Jahre lang habe ich an einer der besten Universitäten des Landes studiert, diese Bank zahlt mir jeden Monat ein fünfstelliges Gehalt... um die Aufgabe eines Praktikanten übernehmen? Verdammt nochmal, was soll dieser Scheiß?! Das ist doch reine Schikane!“ "Natürlich ist es das“, gab Robin zu. Ihre Stimme klang völlig ruhig und gefasst, so wie immer eben, doch Crocodile kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie auf seiner Seite stand. "Sengoku konnte dich nie leiden. Er hat dich allein aufgrund deiner Qualifikationen eingestellt. Und jetzt, da du bald sowieso entlassen sein wirst, nutzt er jede Gelegenheit, um dich zu tyrannisieren. Ein absolut kindisches Verhalten, das kein bisschen von Charakter zeugt, wenn du mich fragst.“ Crocodile seufzte leise auf und massierte sich mit der rechten Hand die Schläfe. "Das kann doch nicht wahr sein“, murmelte er leise, doch er war sich sicher, dass Robin seine Worte mitbekam. Sie schwieg einen Moment lang, ehe sie sagte: "Ich finde es schrecklich widerlich, wie Sengoku und die anderen hohen Tiere der Bank dich behandeln. Du hast immer gute Arbeit geleistet. Bist pünktlich, zuverlässig und fleißig gewesen. Dieser Fehler, den du gemacht hast, verlangt Bestrafung - aber nicht in Form von Schikane. Eine Gehaltskürzung hätte ich für angemessener gehalten. Diese Praktikantenarbeiten, die man dir aufhalst, sind eine furchtbare Beleidigung. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Sengoku dich fertig machen möchte. Meiner Ansicht nach steckt hinter diesem Verhalten mehr als bloß der finanzielle Verlust, den du verursacht hast. Irgendetwas ist faul an dieser Sache, Crocodile, das sage ich dir!“ Skeptisch hob Crocodile den Blick und sah seiner Sekretärin in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick ohne auch nur ein einziges Mal mit der Wimper zu zucken. Crocodile begann über ihre Worte nachzusinnen. Robin war nicht bloß irgendeine austauschbare Bürokraft - bei ihr handelte es sich um eine höchst gebildete und sehr intelligente Frau. Außerdem war es nicht ihre Art, wilde Spekulationen anzustellen. Wenn sie einen solche Mutmaßung äußerte, dessen war Crocodile sich sicher, dann musste sie einen echten Verdacht haben. "Was meinst du damit?“, hakte Crocodile also nach. "Willst du etwa andeuten, Sengoku hätte noch ein anderes Motiv als den Auftrag, den ich verbockt habe, um mich loszuwerden? Oder zumindest um mich so scheußlich zu schikanieren?“ "Nicht bloß ein anderes Motiv“, erwiderte Robin mit kühler Stimme, "ein Hauptmotiv.“ Sie zögerte einige Sekunden lang, ehe sie hinzufügte: "Hast du dir denn niemals gedacht, dass es nicht gerade eine kluge Entscheidung ist, dem festen Freund des besten Kunden der Bank zu kündigen? Schließlich hat Doflamingo nicht bloß Peanuts auf seinen Konten. Es handelt sich insgesamt um eine Summe im neunstelligen Bereich. Und Sengoku ist nicht gerade bekannt dafür, den sicheren Hafen zu verlassen. Ich denke nicht, dass er es riskieren würde, seinen allerwichtigsten Kunden zu verärgern, indem er dessen Partner wegen eines einzelnen Fehltritts kündigt.“ Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Er erinnerte sich daran, dass auch Mihawk genau diesen Punkt schon einmal angesprochen hatte, als er seinem Bruder von seiner derzeitigen Lebenssituation erzählt hatte. Schließlich erwiderte er: "Um ehrlich zu sein, habe ich mir selbst ebenfalls schon Gedanken darüber gemacht. Du hast Recht: Es passt nicht zu Sengoku, ein solches Risiko einzugehen. Aber hast du denn eine Ahnung, was der eigentliche Grund für meine Kündigung sein könnte? Wieso sollte mich Sengoku unter einem Vorwand entlassen?“ An dieser Stelle zuckte Robin leider ratlos mit den Schultern. "Das weiß ich nicht“, meinte sie mit ehrlich klingender Stimme. "Allerdings würde ich dir raten, Augen und Ohren offen zu halten. Wie gesagt: Irgendetwas ist ganz gewaltig faul an dieser Sache. Und ich würde nur zu gerne wissen, worum es sich dabei handelt.“ "Ich natürlich auch, solltest du Recht behalten“, erwiderte Crocodile mit nachdenklicher Stimme. Was seine Sekretärin da von sich gab, klang durchaus plausibel. Tatsächlich hatte er in letzter Zeit nur wenig Gedanken an den Anlass für seine Kündigung verschwendet; er war viel zu eingenommen von seiner Jobsuche gewesen. Und natürlich dem Aufwand, seine baldige Arbeitslosigkeit und seine horrenden Schulden vor seinem Partner geheim zu halten. Doch nun da nicht bloß Mihawk, sondern auch Robin einen Verdacht zu haben schienen, begann er sich selbst ebenfalls für diese Sache zu interessieren. Crocodile nahm sich auf jeden Fall vor, sich den Rat seiner Sekretärin zu Herzen zu nehmen, und Augen und Ohren offenzuhalten. "Ich kann dir beim Sortieren der Ordner gerne helfen“, bot Robin ihm mit freundlicher Stimme an und riss ihn somit aus seinen Gedanken. Crocodile winkte ab. "Du hast doch sicherlich genug andere Dinge zu erledigen“, meinte er und ignorierte den faden Beigeschmack, den diese Worte hatten. Tatsächlich deckte man Robin im Gegensatz zu ihm nicht mit stupiden Aufgaben ein. Es war eine verkehrte Welt, doch derzeit erledigte die Sekretärin wichtigere Aufgaben als der Chef. "Ich helfe dir gerne“, entgegnete Robin unerbittlich und griff kurzerhand nach dem obersten der gut ein Dutzend Ordner. "Als Dankeschön kannst du mir allerdings gerne ein Stück Kuchen abgeben.“ Sie lachte leise und hinter vorgehaltener Hand. "Ich habe nämlich eben gesehen, dass welcher in der Lunch-Box ist, die du neuerdings mitbringst.“ "Tatsächlich?“, gab Crocodile relativ uninteressiert zurück. "Ich wusste gar nicht, dass Doflamingo mir welchen eingepackt hat. Du darfst ihn gerne haben. Er wird wohl nicht daran gedacht haben, dass ich keine Süßigkeiten essen darf. Manchmal ist er ein echter Schussel...“ Als sich Robins Lachen angesichts dieser Aussage intensivierte, warf Crocodile ihr einen irritierten Blick zu. "Was hast du denn auf einmal?“, fragte er nach. Normalerweise war Robin eine eher zurückhaltende Person. "Nichts“, erwiderte sie und startete nicht einmal dein Versuch, sich zu beruhigen. "Ich finde bloß die Beziehung, die du mit Doflamingo führst, unfassbar niedlich. Immerhin seid ihr beide hochrangige Geschäftsmänner.“ Crocodile tat möglichst ungerührt und bemühte sich darum, die aufkommende Röte im Gesicht zu unterdrücken. "Na und? Man kann doch ein super reicher Geschäftsmann und gleichzeitig auch ein Trottel sein, der seinem Partner, der einen schwierigen Magen hat, ein Stück Kuchen zum Mittagessen einpackt. Ich verstehe nicht, was daran so lustig ist.“ Robin hatte sich noch immer nicht ganz wieder eingekriegt, doch anstatt weiter auf der unbedachten Liebesgeste von Doflamingo herumzuhacken, wandte sie den Blick ab und machte sich daran, ihre selbst auferlegte Arbeit zu erledigen. * "Schmeckt es dir?“, fragte ihn Doflamingo. Es war Freitagabend und weil das Wetter gut war, hatten sie beschlossen, draußen auf der Terrasse zu Abend zu essen. Die Atmosphäre war sehr angenehm: Die untergehenden Sonne schien ihnen in den Nacken, ein paar Vögel zwitscherten und der Geruch von frisch gemähtem Gras lag in der Luft. Crocodile fühlte sich sehr wohl. Zum ersten Mal konnte er den vielen Stress, der ihn wochentags verfolgte, hinter sich lassen und ein wenig entspannen. Er freut sich auf das Wochenende und bemühte sich den Fakt zu ignorieren, dass am Montag seine allerletzte Arbeitswoche anbrach. "Auf jeden Fall“, meinte Crocodile und nahm einen weiteren Bissen Zander auf Roter Bete zu sich. "Der Fisch ist absolut köstlich, finde ich. Was denkst du?“ "Ich bin ganz deiner Meinung“, erwiderte Doflamingo, der sich das Gericht allerdings noch mittels ein wenig Zitronensaft verfeinert hatte. Crocodile vertrug etwas so Bitteres nicht, weswegen er hatte verzichten müssen. Schmecken tat es ihm trotzdem. Doflamingo hatte manchmal ein echtes Händchen für Gerichte, die auf den ersten Blick recht ungewöhnlich wirkten, jedoch sehr lecker schmeckten. Wie in allen anderen Lebensbereichen mochte sein Partner es auch beim Essen gerne extravagant. "Ich habe übrigens eine Überraschung für dich“, meinte Doflamingo plötzlich ganz unvermittelt. Crocodile warf seinem Partner einen verwunderten Blick zu und kaute langsam das Stück Rote Bete, das er gerade im Mund hatte. Nachdem er es hinunter geschluckt hatte, fragte er mit gerunzelter Stirn: "Eine Überraschung?“ Doflamingo nickte eifrig grinsend. "Heute ist unser neunter Monatstag“, meinte er. "Bestimmt hast du es vergessen, so viel wie du in letzter Zeit zu tun hast, aber ich nicht.“ Seine Stimme klang nicht im mindesten vorwurfsvoll. Ganz im Gegenteil: Doflamingo wirkte angesichts dieses Umstands beinahe schon erfreut; vermutlich, weil er auf diese Weise seinem Partner eine ganz besondere Überraschung bereiten konnte. Außerdem war es in ihrer Beziehung eigentlich nicht üblich, sich zum Monatstag etwas zu schenken. Ein Präsent zum einjährigen Jubiläum hielt Crocodile für angemessen, doch sich jeden Monat ein Geschenk zu machen für überzogen. "Du brauchst mir nichts zu schenken“, sagte Crocodile darum sofort mit ernster Stimme. "Wir haben uns doch nie etwas zum Monatstag geschenkt.“ "Keine Sorge“, lenkte Doflamingo ein und winkte mit der Hand ab, "es ist kein materielles Geschenk. Ich weiß doch, dass du es nicht magst, wenn ich dich mit Schmuck- oder Geldgeschenken überhäufe.“ "Und worum handelt es sich dann?“, hakte Crocodile mit skeptischer Stimme nach. Er hatte überhaupt keine Vorstellung davon, was sein Partner für ihn geplant haben könnte. Doflamingo kam manchmal auf seltsame Ideen. Wie auch immer: Ob Crocodile es zugeben wollte oder nicht, er war ziemlich froh darüber, dass Doflamingo ihm keinen teuren Schmuck oder Ähnliches schenken wollte. Dann wäre er nämlich in der Pflicht gewesen, ein gleichwertiges Geschenk zurückzugeben, und dafür hatte Crocodile derzeit definitiv kein Geld übrig. Da waren ihm eine Nackenmassage, ein Blowjob oder was auch immer sein Partner im Sinn hatte, deutlich lieber. "Ich schenke uns beiden einen zweiwöchigen Urlaub“, verkündete Doflamingo mit freudestrahlender Stimme. Crocodile verschluckte sich beinahe an dem Stück Fisch, das er gerade im Mund hatte; glücklicherweise bekam sein Partner, der sein Geschenk enthusiastisch näher beleuchtete, davon nichts mit. "Ich habe mir ebenfalls ab nächsten Montag ein paar Wochen frei genommen. Und da du in letzter Zeit ständig so furchtbar gestresst und überarbeitet bist, dachte ich mir, dass ein Urlaub genau das Richtige für dich ist! Du brauchst ein wenig Abstand von deiner Arbeit und dem Großstadtleben. Nur auf diese Weise kannst du wieder gesund werden und auch ein normales Körpergewicht erreichen.“ "Ich bin nicht krank“, wandte Crocodile ein und nahm einen großen Schluck Mineralwasser zu sich. "Außerdem kann ich dein Geschenk unmöglich annehmen! Du hast zwar Recht, wenn du sagst, dass es sich um nichts Materielles handelt, aber trotzdem ist dieses Geschenk mit viel zu viel Kosten verbunden. Ich will dir keine Umstände bereiten, Doflamingo!“ "Das tust du nicht“, erwiderte dieser munter. "Ich besitze ein wunderschönes Ferienhaus gleich am Meer. Dorthin würde ich gerne mit dir fahren. Es ist ein sehr geruhsamer Ort, abseits von der Hektik der Großstadt. Keine Häuser, keine Straßen, kein Lärm. Nur wir beide, unser Ferienhaus, (ein paar Angestellte) und das Meer. Ist das nicht eine wundervolle Vorstellung?“ "Doch, schon...“, meinte Crocodile und wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Er fühlte sich völlig überrannt von diesem Angebot seitens seines Partners, das dieser ihm praktisch aufdrängte. Auf der einen Seite könnte Crocodile ein wenig Ruhe und Zurückgezogenheit gut gebrauchen, doch auf der anderen Seite durfte er nicht die Tatsache vergessen, dass er de facto arbeitslos sein würde. Er erhielt kein Gehalt mehr, doch seine Kredite liefen selbstverständlich weiter; seinen Gläubigern war es völlig gleich, ob er Arbeit hatte oder nicht, sie wollten sein Geld sehen. Und genau aus diesem Grund sollte er lieber weiter fleißig Bewerbungen schreiben und nach Jobangeboten Ausschau halten, anstatt Ferien zu machen. Bei einem Urlaub handelte es sich zwar um eine nette Abwechslung, doch weiterhelfen würde ihn dieser in seiner schwierigen Lebenssituation nicht. Er konnte hören, dass Doflamingo einen enttäuschten Brummlaut von sich gab, und blickte auf. Sein Partner hatte die Unterlippe vorgeschoben und wirkte überaus enttäuscht. "Wieso freust du dich nie über meine Einladungen?“, meinte dieser und klang ungemein missmutig. "Als ich dich gefragt habe, ob du zu mir ziehen möchtest, hast du ausweichend geantwortet. Und über meine Einladung zu einem romantischen Urlaub scheinst du dich auch überhaupt nicht zu freuen. Ich bekomme so langsam das Gefühl, dass ich es dir niemals Recht machen kann, Crocodile. Da bemühe ich mich um ein wirklich einfallsreiches Geschenk, nicht bloß einen teuren Mantel oder eine Armbanduhr, und trotzdem gefällt es dir nicht! Mal ernsthaft: Was ist gegen einen zweiwöchigen Urlaub am Meer auszusetzen? Nenn mir auch nur eine einzige Sache, die dagegen spricht!“ "Nichts spricht dagegen“, log Crocodile und bemühte sich um seinen beschwichtigenden Tonfall. Immerhin wusste sein Partner nichts von seiner Kündigung und konnte darum auch nicht nachvollziehen, welche Bedenken er bezüglich dieses Urlaubs hegte. Er wollte Doflamingo nicht das Gefühl vermitteln, bei ihm würde es sich um einen wählerischen Wichtigtuer handeln. "Und wieso freust du dich dann nicht?“ Doflamingos Stimme klang schrecklich vorwurfsvoll. "Ich freue mich!“, lenkte Crocodile ein, der sich allmählich heftig in die Ecke gedrängt fühlte. "So hat es sich aber nicht angehört!“, hielt Doflamingo energisch dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Jetzt verhalte dich doch bitte nicht so bockig“, meinte Crocodile an seinen Partner gewandt. Seiner Ansicht nach reagierte dieser völlig über. Was erwartete Doflamingo denn von ihm? Dass er wie ein junges Mädchen laut aufschrie und begeistert von seinem Stuhl aufsprang? Herrgott, es handelte sich um eine Einladung zu einem Strandurlaub, keinen Gewinn im Lotto! Trotzdem bemühte er sich darum, seinem Partner ein wenig zu besänftigen. Einen Streit war das letzte, was er jetzt heraufbeschwören wollte. "Ich fahre mit! Also hör jetzt bitte auf, dich so starrköpfig zu verhalten!“ "Du fährst mit? Das ist ja wirklich gnädig!“, erwiderte Doflamingo in einem absolut giftig klingenden Tonfall. Er fletschte die Zähne wie ein Hund und warf ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen bösen Blick zu. "Dass mein Freund sich tatsächlich dazu herablässt, mit mir in Urlaub zu fahren! Ich fühle mich geehrt!“ "Wieso bist du plötzlich so schrecklich gereizt?“, fragte Crocodile, der sich ehrlich verletzt fühlte angesichts der offenkundigen Übellaunigkeit seines Partners. Er war es gewohnt, dass dieser ihn neckte und ärgerte, dass sie wegen Kleinigkeiten aneinander gerieten, doch dass Doflamingo tatsächlich Worte aussprach mit der Intention, ihn zu verletzen, kannte Crocodile nicht. Es vermittelte ihm ein ganz fürchterliches Gefühl. Er wünschte sich seitens seines Partners Fürsorge und Unterstützung, keine Beschimpfungen, die definitiv unter die Gürtellinie gingen. "Wieso ich gereizt bin? Wieso ich gereizt bin, fragst du?“ Doflamingo stand von seinem Stuhl und beugte sich über den Tisch. Seine Hände, die er auf der Tischplatte abstützte, zitterten vor Wut. Und an seiner Stirn war deutlich eine wild pochende Ader zu erkennen. "Weil du der undankbarste Mensch bist, den ich jemals kennengelernt habe! Mit nichts, was ich dir anbiete, bist du zufrieden! Hast du eigentlich eine Ahnung, wie ich mich fühle? Ständig weist du mich zurück! Egal, worum es geht! Ich frage mich manchmal wirklich, was der Sinn dieser Beziehung ist, wenn ich doch ständig nichts anderes als Ablehnung von dir erfahre!“ Crocodile verstand die Welt nicht mehr. Eben war doch noch alles in Ordnung gewesen: Sie saßen gemeinsam auf der Terrasse, aßen zu Abend, unterhielten sich über den Fisch... Und nun thronte sein Partner wie ein zorniger Racheengel über ihm. Wie hatte es nur so weit kommen können? Vielleicht, dachte Crocodile beklommen, verlor Doflamingo so langsam die Geduld. Vielleicht hatte er genug von seiner ständig schlechten Laune, seinen ausweichenden Antworten, seinen fehlenden Enthusiasmus...? Dieser Gedanke stimmte ihn schrecklich traurig. Vor allen Dingen, da er sich dessen bewusst war, dass Doflamingo wirklich jedes Recht dazu hatte, wütend auf ihn zu sein. Immerhin verhielt er sich in letzter Zeit tatsächlich alles andere als zuvorkommend und lebensfroh. Aus Gründen, die Doflamingo nicht verstand, nicht verstehen konnte, weil er diese vor ihm verheimlichte, wollte er jeden Abend zu Hause bleiben, war er ständig gestresst, machte zu viele Überstunden, hatte ständig Magenschmerzen... Es fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht, als Crocodile bewusst wurde, dass er ein fürchterlicher Freund war. Dass Doflamingo keine Lust mehr hatte, ihn ständig aufzumuntern und zu unterstützen. Dass er die Geduld verlor. Alles, was sein Partner verlangte, war ein klein wenig Dankbarkeit, und nicht einmal diese absolut minimale Gegenleistung konnte er erbringen. Doflamingo hatte wirklich jeden Grund dazu, wütend auf ihn zu sein. Crocodile bedeckte seine Augen mit der rechten Hand, als er sich ausmalte, wie sein Partner erst reagieren würde, wenn er von seinen vielen Lügen erfuhr: von seiner Arbeitslosigkeit, seinen Schulden... Doflamingo würde völlig ausrasten. Und auf jeden Fall Schluss mit ihm machen. Wenn er es nicht jetzt gleich schon tat, schoss es Crocodile durch den Kopf. Er spürte, dass ihm bei diesem fürchterlichen Gedanken die Tränen kamen. Crocodile fühlte sich elendig, nichtswürdig, kaputt... Er hatte auf ganzer Linie versagt. Er hatte nicht bloß seine Arbeit verloren... nicht bloß sein Hungergefühl nicht mehr unter Kontrolle... jetzt gelang es ihm nicht einmal mehr, seine Beziehung zu Doflamingo aufrechtzuerhalten. Er fühlte sich wie ein völliger Versager. Crocodile hasste sich umso mehr für die Schwäche, die er nun zeigte. Er konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. Heiß und nass brachen sie aus ihm hervor. Schluchzend wischte er sie mit dem Hemdsärmel weg, doch es waren zu viele. Am liebsten würde Crocodile jetzt im Erdboden versinken. Seine Stärke, die er arrogant nach außen hin zeigte, war das einzige gewesen, was ihm noch blieb. Nun hatte er überhaupt nichts mehr. Doflamingo kniete vor ihm nieder und legte seine beiden Arme um ihn, drückte ihn fest an sich. Crocodile ließ diese Berührung geschehen, lehnte sich in sie hinein; sie fühlte sich unwahrscheinlich gut an. Vorsichtig glitt er vom Gartenstuhl, auf dem er bis eben noch zusammengekauert gesessen hatte, und wurde auf Doflamingos Schoß gezogen. Er spürte, dass Doflamingo über sein Haar und seinen Rücken strich. Crocodile schloss seine Augen und legte den Kopf an seine Schulter. "Schhhhh“, machte Doflamingo, während er sich darum bemühte, ihn zu trösten. Seine Berührungen und seine Stimme wirkten ungelenk und überfordert, doch die dahinterstehende Absicht schien ehrlich zu sein. "Bitte hör auf zu weinen. Es tut mir leid, was ich gesagt habe. So unendlich leid! Bitte nicht weinen, Crocodile! Shhhh! Beruhige dich! Bitte!“ Allmählich kam Crocodile wieder zu sich. Seine Tränen versiegten, seine Augen fühlten sich nicht mehr heiß an und sein Atem normalisierte sich wieder. Er schämte sich dafür, eben völlig zusammengebrochen zu sein. Und noch viel mehr schämte er sich dafür, dass er die Aufmunterungsversuche seines Partners länger als unbedingt nötig in Anspruch nahm. Crocodile löste sich nicht sofort aus der Umarmung; genoss noch für eine Weile das angenehme Gefühl, umarmt und getröstet zu werden. Immer wieder strich Doflamingo ihm über den Rücken, verteilte zarte Küsse auf sein Haar... sagte Dutzende Male, dass ihm seine Worte leid täten, dass er sich wie ein Idiot verhalten hätte, dass er bitte aufhören sollte zu weinen. "Ich hätte nicht so fürchterlich ausrasten dürfen“, flüsterte Doflamingo mit reumütiger Stimme. "Es tut mir leid, Wani! Bitte verzeih mir! Ich habe mich aufgeführt wie ein echtes Arschloch! Shhhh... Bitte hör auf zu weinen, ja? Ich ertrage es nicht, wenn du weinst!“ Irgendwann beruhigte Crocodile sich wieder einigermaßen. Er wischte die letzten Tränen von seinem Gesicht, atmete dreimal tief ein und aus, und richtete sich anschließend im Schoß seines Partners auf. Doflamingo wirkte besorgt und verunsichert. Crocodile konnte es ihm nicht verübeln. Es war in ihrer Beziehung noch nie vorgekommen, dass er einen solch heftigen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. "Es tut mir leid“, sagte er mit belegter Stimme und wischte sich ein letztes Mal mit seinem Hemdsärmel über das Gesicht. "Ich weiß überhaupt nicht, was los mit mir ist. Eigentlich passt es nicht zu mir, in Tränen auszubrechen. Können wir diese Sache bitte einfach vergessen? Tut mir leid, dass ich mich nicht genug gefreut wegen des Urlaubs. Fangen wir einfach von neu an: Wir setzen uns wieder auf unsere Stühle und du erzählst mir mehr von deinem Ferienhaus. In Ordnung?“ "Du spinnst doch“, gab Doflamingo mit entsetzter Stimme zurück. "Du bist eben praktisch zusammengebrochen... und jetzt sollen wir tun, als wäre gar nichts passiert? Ist das dein Ernst?“ Crocodile nickte. Er fühlte sich im Moment schrecklich unwohl. Normalerweise war er eine selbstbewusste, stolze und sehr bodenständige Person... es war ein seltsames Gefühl, mit verweintem Gesicht im Schoß seines Partners zu sitzen. Solche emotionalen Situationen war er nicht gewohnt. Am liebsten würde er einfach zur Normalität zurückkehren. "Auf gar keinen Fall“, erwiderte Doflamingo eindringlich. Crocodile versuchte sich aus dem Griff seines Partners zu befreien und aufzustehen, doch dieser ließ ihn nicht los. Stattdessen drückte er ihn erneut fest an sich und begann wieder damit, ihm beruhigend über den Rücken zu streichen. Crocodile schloss schließlich seine Augen und ließ die Berührung geschehen. "Einen Nervenzusammenbruch sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen“, fuhr Doflamingo in einem ernsten, doch ruhigen Tonfall fort. "In den letzten Wochen habe ich mich immer darum bemüht, Verständnis für dich aufzubringen. Für deine vielen Überstunden, deinen Stress, deine Erschöpfung. Aber jetzt reicht es mir endgültig! Zuerst dein starker Gewichtsverlust und nun dieser Nervenzusammenbruch... Ich kann einfach nicht länger dabei zusehen, wie du dich selber kaputt machst. Es geht nicht, dass deine Gesundheit so schlimm unter deinem Arbeitsleben leidet.“ "Und was schlägst du vor?“, fragte Crocodile mit teils bedächtiger, teils zynischer Stimme. Es gab nichts, was Doflamingo für ihn tun könnte. Seine Probleme ließen sich erst dann lösen, wenn er eine gut bezahlte Arbeit gefunden hatte. Noch immer saßen ihm etwa 350.000 Berry Schulden im Nacken. Doflamingo zögerte einen Moment lang, ehe er sagte: "Ich schlage vor, dass du mit jemandem sprichst. Einem Professionellen. Vielleicht hilft dir eine Therapie, mit dem Stress in deinem Arbeitsleben zurechtzukommen und...“ "Ich brauche keinen verdammten Psychater!“, warf Crocodile sofort wütend ein und windete sich aus dem Griff seines Partners. Ihn verletzte dieser Vorschlag zutiefst. "Wofür hältst du mich denn? Für einen Psychopaten? Ich bin doch nicht krank! Nur... naja, ein bisschen gestresst und überarbeitet.“ "Man ist kein Psychopath, weil man eine Therapie in Anspruch nimmt“, lenkte Doflamingo ein. "Viele Menschen nehmen psychologische Hilfe in Anspruch. Gerade Menschen mit hoher beruflicher Verantwortungen brauchen manchmal eine neutrale Person, mit der sie reden können.“ "Achja?“, erwiderte Crocodile. "Ich kenne nicht eine einzige Person, die mal einen Psychater besucht hat. Ich will mir nicht in den Kopf gucken lassen, Doflamingo! Mir geht es gut!“ "Dir geht es nicht gut!“, entgegnete Doflamingo eindringlich. "Du bist ständig gestresst, schlecht gelaunt, willst keinen Schritt vor die Tür setzen, verschanzt dich stattdessen allein in deinem Zimmer. Und deine Magenschmerzen haben auch deutlich zugenommen. Früher hattest du höchstens ein- oder zweimal im Monat Probleme wegen deines Magens, doch inzwischen manchmal sogar bis zu viermal in einer einzigen Woche. Glaub nicht, mir wäre diese Veränderung nicht aufgefallen! Dazu kommt dein Gewichtsverlust von 15 Kilogramm in nur zwei Monaten. Und jetzt dieser schreckliche Nervenzusammenbruch. Verdammt nochmal, ich mache mir Sorgen um dich, Crocodile!“ "Trotzdem brauche ich keine Therapie!“, entgegnete er mit eindringlicher Stimme. "Es ist überhaupt nicht schlimm, psychatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen“, wiederholte Doflamingo. "Viele Menschen, von denen du es niemals denken würdest, haben schon mal einen Psychater besucht!“ "Zum Beispiel?“, hakte Crocodile mit höhnischer Stimme nach. "Wie gesagt: Ich kenne nämlich keine einzigen!“ "Doch, das tust du.“ Doflamingo hielt für einen kurzen Moment lang die Luft an, ehe er sagte: "Mich zum Beispiel.“ Diese Beichte nahm Crocodile den Wind aus den Segeln. Er warf seinem Partner einen völlig verdatterten Blick zu und konnte nicht so recht fassen, was dieser ihm eben mitgeteilt hatte. "Du bist mal in Therapie gewesen?“ Damit hätte Crocodile nicht gerechnet. Nicht bei Doflamingo, der doch immer so fröhlich, lebenslustig und unbekümmert war. Sein Partner nickte bedächtig. "Vor zwei Jahren“, erklärte er mit überraschend gefasster Stimme. "Ich war etwa vier Monate lang zweimal in der Woche bei meinem Psychater. Die Treffen haben mir sehr weitergeholfen. Ich bin mir sicher, dass ich ohne professionelle Hilfe in eine Depression abgerutscht wäre. Und ich habe die Angst, dass dir etwas Ähnliches passieren könnte, wenn du nicht einschreitest.“ "Ich... ich...“ Crocodile wusste nicht, was er sagen sollte. Er schwieg für eine Weile und versuchte sich sowohl gedanklich als auch emotional zu sammeln. Schließlich meinte er: "Vielleicht ist es wirklich sinnvoll, mal mit einem Psychater zu sprechen. Aber diesen Schritt möchte ich jetzt noch nicht gehen. Lass uns erst einmal versuchen, meine Probleme ohne professionelle Hilfe zu lösen, ja? Wer weiß, vielleicht bewirkt unser gemeinsamer Strandurlaub ja ein Wunder. Vielleicht brauche ich bloß ein wenig Ruhe und Entspannung, um wieder zu mir zu finden. Und, ähm, sollte es mir danach trotzdem nicht besser gehen... dann können wir noch mal über einen Psychater sprechen, wenn du möchtest.“ "In Ordnung.“ Doflamingo nickte. Gemeinsam standen sie vom Fußboden auf. Crocodile warf einen Blick auf den gedeckten Tisch. Seinen Teller hatte er nur halb leergegessen. Er seufzte leise. Gestern hatte er sich gewogen und feststellen müssen, dass er bloß ein einziges Kilogramm zugenommen hatte. Wenn er so weitermachte, würde er nur schwer sein Mindestgewicht von 78 Kilogramm erreichen. "Wir können später noch einmal warm essen“, meinte Doflamingo, der seinen Blick bemerkte. "Es ist nur eine halbe Mahlzeit, die wirft dich nicht sonderlich weit zurück. Trotzdem tut mir die ganze Sache furchtbar leid. Ich hätte dich nicht anschreien dürfen. In deinem derzeitigen Zustand brauchst du Unterstützung, keine Beschimpfungen.“ "Ist schon gut“, meinte Crocodile und winkte ab. "Du hattest nicht Unrecht mit dem, was du gesagt hast. Ich hätte mich ruhig ein wenig mehr freuen können über dein Geschenk.“ Sie verließen die Terrasse und machten sich auf den Weg in das Innere der Villa. Im Vorbeigehen sagte Doflamingo zu einem der Dienstmädchen, man könnte nun den Tisch abräumen. Und man sollte in der Küche Bescheid geben, dass er und sein Partner später am Abend noch einmal warm essen wollten. Crocodile seufzte leise und fragte sich, was die Zukunft ihm wohl bringen würde. Dem gemeinsamen Urlaub mit Doflamingo sah er inzwischen eher positiv entgegen. Da es sich, wie dieser sagte, um ein Geschenk handelte, würden für ihn vermutlich keine zusätzlichen Kosten anfallen. Außerdem tat ihm ein wenig Entspannung sicherlich gut. Seine Jobsuche würde er eben danach fortführen müssen. Außerdem musste sich sein psychischer Zustand deutlich verbessern, wenn er den Gang zum Psychater vermeiden wollte. Er wusste, dass Seelenklempner eine Menge Geld pro Sitzung verlangten. Geld, das er derzeit nicht hatte. Da war es am Ende günstiger, mit Doflamingo in Urlaub zu fahren, ein wenig neue Kraft zu tanken und somit auf professionelle Hilfe zu verzichten. * Crocodiles allerletzter Arbeitstag ging zu Ende. Es war sechzehn Uhr nachmittags; in einer Stunde würde er das Gebäude der Bank verlassen und niemals wieder betreten. Und auch wenn er sich weder mit seinem Vorgesetzten noch mit den meisten seiner Kollegen sonderlich gut verstanden hatte, empfand er doch einen Anflug von Wehmut. Bedächtig strich Crocodile mit der rechten Hand über die Platte seines teuren Schreibtisches und ließ seinen Blick durch sein Büro schweifen. Es war ein schöner Raum gewesen: große Fenster, ein paar grüne Pflanzen, hochwertige Möbel. Und auch wenn die Arbeit nicht immer einfach gewesen war, hatte er sie zumeist sehr gern erledigt. Er hatte den Aufenthalt in seinem Büro (abgesehen von den letzten zwei Monaten) niemals als Belastung empfunden. Crocodile seufzte leise. Er erinnerte sich daran, dass sich Robin gerne auf seinen Schreibtischstuhl setzte, wenn er nicht da war. Unweigerlich fragte er sich, ob sie diese Gewohnheit bei ihrem nächsten Chef fortsetzen würde. Vielleicht empfand dieser jedoch eine solche Geste als anmaßend und würde ihr untersagen, sich auf seinen Stuhl zu setzen. Der Gedanke, so schnell durch eine andere Person ersetzt zu werden, versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich mitten ins Herz. Jahrelang hatte er studiert, um sich endlich ein luxuriöses Leben leisten zu können. Anstatt seine Nächte in Clubs und Bars zu verbringen, hatte er Zuhause für die nächste Prüfung gebüffelt. Sich angestrengt wie kein Zweiter, immer sein Bestes gegeben, war niemals faul gewesen. Und nun musste er feststellen, dass all diese Anstrengungen völlig umsonst gewesen waren. Noch fünfundvierzig Minuten, dann war er arbeitslos. Endgültig entlassen. Er würde kein Geld mehr bekommen, um seine Schulden in Höhe von 350.000 Berry tilgen zu können. Sein Leben brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Ein Klopfen an der Türe riss Crocodile aus seinen Gedanken. Er bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck, ehe er "Herein“ sagte. Es war Robin, die sein Büro betrat. Normalerweise war sie eine sehr zurückhaltende Person, doch jetzt bemühte sie sich nicht darum, ihren bekümmerten Gesichtsausdruck zu verbergen. "Ich möchte mich von dir verabschieden“, sagte sie. Crocodile nickte. Er hatte eigentlich darauf gehofft, sentimentalen Verabschiedungen jedweder Art entkommen zu können, doch bei Robin würde er eine Ausnahme machen. Sie hatte sich ihm gegenüber stets sehr freundlich und zuvorkommend verhalten; sie hatten einander immer respektiert. Er ließ zu, dass Robin ihn umarmte. "Ich werde dich vermissen“, hörte er sie sagen. Crocodile unterdrückte ein Seufzen und ließ sich zu einem "Ich dich auch“ herab. Er hasste Abschiede. Vor allen Dingen so endgültige wie dieser hier. Privat hatte er mit seiner Sekretärin nur wenig zu tun; es war also unwahrscheinlich, dass sie sich wiedersehen würden. Höchstens zufällig auf der Straße. "Hast du an all deine persönlichen Sachen gedacht?“, fragte Robin ihn. "Fotos, Pflanzen und so weiter?“ Crocodile nickte. Aller persönlichen Gegenstände hatte er sich in den letzten beiden Monaten bereits Schritt für Schritt entledigt. Es wäre zu auffällig gewesen, wäre er Zuhause plötzlich mit einer großen Kiste voller Plunder aufgeschlagen. Das Foto von Doflamingo zum Beispiel, das bisher immer auf seinem Schreibtisch in der Bank gestanden hatte, hatte seinen neuen Platz auf dem Beistelltisch in seinem Lesezimmer gefunden. "Gut, dann gibt es wohl nichts mehr zu erledigen. Ich wünsche dir viel Glück, Crocodile! Sicherlich findest du schnell eine neue Arbeit!“ "Das hoffe ich auch“, erwiderte Crocodile, konnte jedoch nicht verhindern, dass seine Stimme nur wenig zuversichtlich klang. Diesen Umstand schien auch Robin zu bemerken, denn sie fügte hinzu: "Warum versuchst du es nicht mal im Bereich des Eventmanagments? Ich habe einen sehr guten Bekannten, der die jährlich stattfindende Elektronik-Messe Tom's Workers leitet. Sein Name ist Cutty Franky und er ist eine echte Koriphäe auf seinem Gebiet! Und er sucht noch jemanden, der ihn bei der Organisation der im Herbst stattfindenden Messe unterstützt. Wenn du möchtest, dann kann ich dir seine Anschrift geben und ein gutes Wort für dich einlegen.“ "Das wäre sehr nett“, meinte Crocodile. Er kannte Tom's Workers; es handelte sich um eine der größten Elektronik-Messen weltweit. Ein Job als Manager für eine Messe dieser Größenordnung würde sicherlich eine Menge Geld abwerfen, auch wenn er (vermutlich) bloß befristet war. Jedenfalls würde es nicht schaden, sich zu bewerben. Crocodile machte sich eine gedankliche Notiz, seine Bewerbung sogar am besten noch abzuschicken, bevor er gemeinsam mit Doflamingo in Urlaub fuhr. Bei einer solch kurzfristigen Einstellung handelte es sich vermutlich um eine Krankheits- oder Schwangerschaftsvertretung. Ganz besonders unter solchen Bedingungen fing der frühe Vogel den Wurm. "Vielen Dank“, meinte Crocodile an Robin gewandt, als er den Zettel entgegennahm, auf den sie Cutty Frankys Kontaktdaten geschrieben hatte. "Es ist wirklich sehr lieb von dir, dass du mich unterstützt. Das müsstest du nicht tun.“ Robin lächelte und winkte ab. "Ich mache es gerne“, sagte sie und ihre Worte klangen ehrlich. "Immerhin bist du mein Lieblings-Chef gewesen. Ich werde es vermissen, mich jederzeit hinter den Schreibtisch setzen zu dürfen; ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Vorgesetzten diese Geste nicht gerne sehen. Du bist bisher der einzige gewesen, der diese Gewohnheit von mir akzeptiert hat.“ Es war das erste Mal seit Langem, dass Crocodile ein ehrliches Lächeln nicht unterdrücken konnte. * "Endlich ist es soweit!“, verkündete Doflamingo mit absolut freudestrahlender Stimme. Crocodile, der sich vorgenommen hatte, in den nächsten zwei Wochen weniger abweisend zu wirken, zwang sich ebenfalls zu einem enthusiastischen Lächeln. "Ich kann es kaum erwarten“, meinte er und bemühte sich um eine fröhlich klingende Stimme. "Ein wenig Entspannung wird mir sicher guttun.“ Die Koffer waren gepackt (nicht von ihnen gepackt worden, sondern von Doflamingos Dienstpersonal), der Himmel strahlte in seinem hellsten Blau und eigentlich mussten sie beide sich bloß noch auf den Weg zum Flughafen machen. Noch immer sah Crocodile dem Urlaub mit gemischten Gefühlen entgegen, doch er würde sich wohl oder übel mit der Tatsache abfinden müssen, dass er die Situation nicht ändern konnte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Wenigstens war es ihm gelungen, am Samstagabend noch rasch seine Bewerbungsunterlagen an Tom's Workers zu schicken, ehe sein Partner ihm vorwarf, er würde sich wieder in seinem Lesezimmer verschanzen. "Wir haben nichts vergessen, nicht wahr?“, fragte Crocodile zur Sicherheit noch einmal nach und zählte gedanklich alle wichtigen Dinge auf, die er mit ins Handgepäck nehmen wollte. Dazu gehörten auf jeden Fall sein Handy und sein Laptop. Auch im Urlaub wollte er für seine potenziellen Arbeitgebern erreichbar sein und seine Emails checken. "Personalausweis, Reisepass, Impfpass, Portemone, Kaugummis, Kopfschmerztabletten...“ Er schien nichts vergessen zu haben. Aber bei ihm handelte es sich sowieso prinzipiell um eine sehr gut organisierte und zuverlässige Person. "Kopfschmerztabletten?“, hakte Doflamingo verwundert nach. "Ich kriege beim Fliegen immer Kopfschmerzen“, erklärte Crocodile seinem Partner. "Müssen wir denn lange fliegen? Du hast mir immer noch nicht verraten, wo genau dein Ferienhaus liegt.“ "Keine Sorge, der Flug dauert nur etwa zwei Stunden“, erwiderte Doflamingo. "Wir verlassen nicht einmal das Land.“ "Apropos Fliegen“, fiel Crocodile da plötzlich ein, "hast du an die Flugtickets gedacht?“ Da es sich bei dem Urlaub um ein Geschenk seitens seines Partners handelte, war dieser auch zuständig für die Organisation der Reise. Crocodile wusste nicht einmal, mit welcher Airline sie flogen. Doflamingo nahm ihm alles aus der Hand; vermutlich wollte er ihm nicht noch zusätzlichen Stress bereiten. "Natürlich“, erwiderte Doflamingo breit grinsend. "Es ist alles geklärt. Bist du bereit?“ Crocodile nickte, nachdem er gedanklich noch einmal alle wichtigen Items durchgegangen war. "Von mir aus können wir uns auf den Weg zum Flughafen machen“, meinte er und konnte trotz seiner guten Vorsätze nicht ganz verhindern, dass ein wehleidiger Ton in seiner Stimme mitschwang. Um ehrlich zu sein, hatte er nicht sonderlich viel übrig für Flughäfen: viel zu viele Menschen, lange Wartezeiten, verspätete oder annullierte Flüge... "Zu welchem Terminal müssen wir?“, fragte Crocodile, als der schwarze Bentley Flying Spur Mulliner W12 nach einer etwa eineinhalbstündigen Fahrt das weitläufige Gelände des Flughafens River's Mountain erreichte. Der luxuriöse Wagen gehörte Doflamingo und kostete neu etwa 200.000 Berry. "Terminal 9“, antwortete dieser mit unbekümmerter Stimme und beobachtete mit einem überaus interessiert wirkenden Gesichtsausdruck das hektische Flughafentreiben, das sich draußen abspielte. Auf der Rückbank des Bentley bekamen sie von diesem Getümmel kaum etwas mit. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Du musst dich vertan haben“, sagte er mit verwirrter Stimme. "Es gibt kein Terminal 9 an diesem Flughafen. Bist du dir sicher, dass du nicht vielleicht Terminal 6 meinst?“ "Es gibt ein Terminal 9“, erwiderte Doflamingo seelenruhig. "Mein Fahrer bringt uns direkt dorthin.“ "Und wie kommt es dann, dass ich noch nie in meinem Leben von diesem dubiosen Terminal 9 gehört habe?“, hakte Crocodile nach. Sollte das ein schlechter Witz sein? Immerhin hatte er den River's Mountain-Flughafen schon Dutzende Male besucht. Er traute es seinem Partner durchaus zu, ihn auf den Arm nehmen zu wollen. "Weil von Terminal 9 die Privatjets fliegen“, antwortete Doflamingo, als handelte es sich dabei um die normalste Tatsache der Welt. Crocodile traute seinen Ohren kaum. "Du hast einen Privatjet für uns gemietet?“, fragte er ungläubig nach. Das konnte doch nicht Doflamingos Ernst sein, oder? Crocodile wollte sich nicht einmal vorstellen, wie teuer ein zweistündiger Flug mit einem Privatjet war. Er selbst war höchstens zwei- oder dreimal First Class geflogen, als er wegen dringender Geschäftstermine ins Ausland gemusst hatte. (Die Kosten waren von der Bank übernommen worden.) Einen Flug mit einem Privatjet dagegen wagte er sich nicht einmal in seinen allerkühnsten Träumen auszumalen. "Nein.“ Crocodile legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. "Willst du mich zum Narren halten?“, fragte er. Er selbst fand diesen Witz überhaupt nicht lustig. Doch Doflamingo grinste bloß neckisch und beginn sogar zu kichern. Schließlich sagte er: "Das will ich ausnahmsweise mal nicht. Allerdings ist die Aussage, ich hätte einen Privatjet für uns gemietet, nicht ganz richtig. Er ist nicht gemietet. Ich besitze ihn.“ Nur mit viel Mühe gelang es Crocodile zu verhindern, dass ihm die Kinnlade hinunterfiel. Die Worte, die sein Partner eben ausgesprochen hatten, konnte er einfach nicht verarbeiten. Doflamingo besaß einen eigenen Privatjet? Crocodile hatte von Anfang an gewusst, dass es sich bei Donquixote Doflamingo um einen sehr reichen Mann handelte, doch damit hätte selbst er nicht gerechnet. Wie teuer war ein Privatjet? Crocodile kannte sich mit den Preisen nicht sonderlich gut aus (nicht im Traum hätte er jemals daran gedacht, sich ein eigenes Flugzeug zuzulegen), doch er ging (mindestens) von einem zweistelligen Millionenbetrag aus. Von der Bezahlung des Piloten und Boardpersonals ganz zu schweigen. "Es ist nur ein kleiner Privatjet“, lenkte Doflamingo ein, als er das Entsetzen seines Partners zu bemerken schien. "Sechs Sitzplätze und ein einzelner Flugbegleiter. Eigentlich ist es gar keine so große Sache!“ "Gar keine so große Sache?“, wiederholte Crocodile in einem ziemlich verzweifelt klingenden Tonfall. "Ich habe dir zu deinem letzten Geburtstag ein Wochenende in einem Wellness-Hotel mit First Class-Flug geschenkt. Das muss dir ja wie die letzte Absteige vorgekommen sein!“ "Sag doch so etwas nicht“, meinte Doflamingo sofort beschwichtigend und beugte sich zu ihm hinüber. "Ich habe mich sehr über mein Geburtstagsgeschenk gefreut! Hast du denn schon wieder vergessen, wie schön dieses Wochenende gewesen ist? Nicht umsonst bin ich selbst auch auf die Idee gekommen, dir einen Urlaub zu schenken. Ich wollte den Gefallen zurückgeben!“ Crocodile schluckte hart und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein ordentlich gekämmtes Haar. Er wusste einfach nicht, was er hiervon halten sollte. Auf der einen Seite war er sich dessen bewusst, dass sein Partner ihm bloß eine Freude machen wollte, doch auf der anderen Seite... handelte es sich um einen Privatjet, verdammt nochmal! Konnte sich Doflamingo denn nicht denken, dass er sich verletzt fühlte, wenn dieser sein eigenes Geschenk so stark in den Schatten stellte? Crocodile hatte (für seine eigenen Verhältnisse) nicht gerade wenig Geld für das Wellness-Hotel und den First Class-Flug ausgegeben und er war stets davon ausgegangen, dass er seinem Partner eine große Freude bereitet hatte. Nun allerdings musste er feststellen, dass er diesem lediglich bloß ein völlig unterdurchschnittliches Geburtstagsgeschenk gemacht hatte. Vermutlich reiste er selbst bei Geschäftsterminen luxuriöser. Crocodile fühlte sich furchtbar. Wieso nur musste Doflamingo ständig übertreiben? Anstatt den besten Tisch in einem Restaurant zu reservieren, mietete er gleich das gesamte Lokal. Anstatt ihm ein Wochenende in einem Wellness-Hotel zu schenken, lud er ihn zu zwei Wochen Strandurlaub im persönlichen Ferienhaus ein. Anstatt zwei First Class-Tickets für sie beide zu buchen, wollte er mit einem Privatjet fliegen. Crocodile bekam das unangenehme Gefühl, bei diesen Geschenken der Superlative einfach nicht mithalten zu können. "Bitte sei jetzt nicht niedergeschlagen“, bat Doflamingo und legte einen Arm um seine Schulter. "Es ist nicht meine Absicht gewesen, dich zu verletzen! Ich dachte, du würdest dich freuen. Das musst du mir glauben!“ Crocodile nickte langsam. Schließlich meinte er: "Das weiß ich doch. Tut mir leid, dass ich mich eben wieder so schrecklich undankbar aufgeführt habe. Vergessen wir diese Sache einfach, ja? Ich sollte mich lieber darum bemühen, nicht überall Probleme zu sehen, wo keine sind. Und stattdessen einfach den schönen Flug genießen.“ Er schwieg einen kurzen Moment lang, ehe er in einer möglichst versöhnlich klingenden Stimmlage hinzufügte: "Und Privatjet hin oder her: An den Kopfschmerzen, die ich beim Fliegen mit Sicherheit bekommen werde, wird auch eine luxuriöse Ausstattung nichts ändern können.“ Crocodile zwang sich zu einem Lächeln und stellte zufrieden fest, dass Doflamingo ihm diesen kleinen Schwindel abzunehmen schien. Erleichtert gab er das Lächeln zurück und erwiderte: "Wer weiß? Mit Sicherheit haben wir auch Kopfschmerztabletten an Bord. Aber du hast ja sowieso an welche gedacht.“ Auch wenn Crocodile lieber First Class geflogen wäre, konnte er nicht verhehlen, dass er den Flug mit Doflamingos Privatjet sehr genoss. Nicht nur, weil die Ausstattung der Falcon 2000 über alle Maßen hochwertig und luxuriös war, sondern vor allem auch, da er auf diese Weise das hektische Flughafentreiben vermeiden konnte. Nirgendwo mussten sie lange anstehen, niemand bedrängte sie, es gab keine Verspätungen. Sie waren die einzigen Gäste des Flugs und genauso wurden sie auch behandelt. Als Crocodile jedoch in die Falcon 2000 einstieg, musste er zu seinem Unmut feststellen, dass Doflamingo nicht ganz bei der Wahrheit geblieben war: Tatsächlich waren bloß sechs Sitzplätze verfügbar, doch Raum für weitere war definitiv vorhanden. Mit etwa acht Metern Kabinenlänge und zweieinhalb Metern -breite hätte man noch deutlich mehr Sitze einbauen können. Stattdessen hatte Doflamingo jedoch wohl beschlossen, den Platz für zusätzlichen Komfort zu opfern. Selbst Crocodile, der alles andere als klein war, konnte problemlos seine Arme und Beine ausstrecken. Die Flugzeugsitze waren angenehm groß, sehr bequem und mit hochwertigem Leder überzogen. Zu jedem Sitzplatz gehörten außerdem ein ausladender Tisch und ein eigenes Fernsehgerät. Die gesamte Ausstattung wirkte so dermaßen komfortabel, dass man leicht vergaß, dass man sich nicht in einem gemütlichen Wohnzimmer, sondern an Bord eines Flugzeugs befand. Crocodile musste zugeben, dass er beeindruckt war. "Ab genau jetzt geht unser Urlaub los“, meinte Doflamingo gut gelaunt und ließ sich auf dem Sessel gegenüber von Crocodile nieder. "Wir lassen die Hektik der Großstadt hinter uns und genießen den Flug!“ Crocodile nickte und ließ seinen Blick durch die Kabine des Privatjets schweifen. Sie waren die einzigen beiden Gäste. Und ihnen stand eine eigene Flugbegleiterin zur Verfügung. Er bezweifelte nicht, dass er diesen Flug genießen würde. Crocodile war sich nicht einmal sicher, ob es überhaupt möglich war, sich an Bord eines solch fürstlichen Privatjets zu befinden, ohne sich an diesem Luxus zu laben. Er schämte sich beinahe schon für seine eigene Dekadenz. Kaum waren sie gestartet, kam die Stewardess, die sie zuvor schon begrüßt hatte, zu ihnen hinüber. Es handelte sich um eine hübsche und adrett gekleidete Frau mit schwarzem Haar. In der Hand hielt sie zwei Karten, die vermutlich die Auflistung der zur Verfügung stehenden Gerichte und Getränke enthielten. "Guten Tag, Herr Donquixote Doflamingo, Herr Sir Crocodile“, sagte sie noch einmal und verbeugte sich leicht vor ihnen. "Mein Name ist Baby Five. Es ist mir eine große Ehre, Sie auf diesem Flug begleiten zu dürfen. Sollten Sie Wünsche jedweder Art haben, wenden Sie sich bitte umgehend an mich.“ Sie lächelte professionell und reichte die Speisekarten an sie beide weiter. "Zwei Gläser Champagner“, bestellte Doflamingo, noch ehe Crocodile überhaupt die Möglichkeit dazu bekam, die Karte aufzuschlagen. "Sehr gerne“, erwiderte Baby Five, verbeugte sich vor ihnen und verschwand schließlich in den hinteren Bereich des Flugzeugs. Crocodile warf seinem Partner einen vorwurfsvollen Blick zu. "Wieso hast du gleich für mich mitbestellt?“, fragte er mit leicht verärgerter Stimme. Er konnte es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn man ihm irgendetwas abnahm (auch wenn es sich in diesem Fall bloß um eine Getränkebestellung handelte). "Ich möchte überhaupt gar keinen Champagner haben! Du weißt doch, dass ich seit diesem unglücklichen Vorfall im Skypia für eine Weile auf Alkohol verzichten wollte.“ "Ach, jetzt sei doch kein Spielverderber“, meinte Doflamingo in einem teils frech, teils versöhnlich klingenden Tonfall. "Ich dachte mir, dass wir beide auf unseren Urlaub anstoßen sollten. Du musst das Glas ja nicht leertrinken, wenn du nicht möchtest. Bestell dir doch einfach noch ein nicht-alkoholisches Getränk, wenn Baby Five gleich wiederkommt.“ "Na gut, von mir aus“, gab Crocodile sich geschlagen und bemühte sich darum, seinen Ärger hinunterzuschlucken. Er hatte sich vorgenommen, sich in diesem Urlaub zu entspannen, und dieses Versprechen wollte er nicht gleich am ersten Tag schon brechen. Ein paar Schlücke Champagner würden ihn nicht umbringen. Während sie beide auf die Wiederkehr von Baby Five warteten, blätterte Crocodile relativ desinteressiert durch die Speisekarte. Obwohl sein Frühstück bereits mehrere Stunden zurück lag, verspürte er noch immer keinen sonderlich großen Hunger. Trotzdem rang er sich dazu durch, eines der angebotenen Gerichte auszuwählen. Zu seinem angestrebten Mindestgewicht von 78 Kilogramm fehlten ihm noch immer satte elf Kilogramm. Dieses Defizit wollte er so schnell wie möglich aufholen. Außerdem ging er davon aus, dass sein Partner ihn eine Weile lang nicht auf seine Ernährung ansprechen würde, wenn er sah, dass er sich darum bemühte, regelmäßig zu essen. * Ferienhaus war eindeutig ein viel zu mickriges Wort, um die wunderschöne Villa zu beschreiben, die sich gleich am Strand befand. Crocodile war völlig überwältigt. Sowohl im positiven als auch negativen Sinne: Einerseits freute er sich selbstverständlich über das prunkvolle und vor allem sehr abgeschieden gelegene Domizil, doch auf der anderen Seite fragte er sich unweigerlich, wie teuer dieses wohl gewesen sein mochte. Nicht weniger als einen zweistelligen Millionenbetrag, schätzte er. Sofort kam er sich wie ein Schmarotzer vor, weil er vollkommen unentgeltlich Urlaub in diesem beinahe schon königlichen Ferienhaus machen durfte. "Wie gefällt dir die Location?“, fragte Doflamingo interessiert nach, während das Dienstpersonal ihre Koffer nach drinnen in das Hauptschlafzimmer trug. "Es ist absolut atemberaubend“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß und wandte den Blick von ihrem prachtvollen Ferienhaus ab. Rechterhand erstreckte sich ein wunderschöner, strahlend weißer Sandstrand bis hin zum Meer. Auf seiner linken Seite erhob sich eine weite Graslandschaft. Eine einzelne befestigte Straße führte zur Garage des Hauses. Crocodile konnte das Rauschen des Meeres hören und das Kreischen der Möwen, die am Himmel ihre Bahnen zogen. Nirgendwo war ein Auto oder ein anderer Mensch zu sehen. “Sehr ruhig und abgeschieden. Genau das, was ich dringend brauche.“ "Das freut mich zu hören“, meinte Doflamingo glucksend und nahm ihn bei der Hand. "Komm, ich zeige dir das Ferienhaus. Als Kind habe ich hier oft Urlaub mit meiner Familie gemacht.“ Widerstandslos folgte Crocodile seinem Partner ins Haus. Um ehrlich zu sein, wunderte es ihn doch sehr, dass Doflamingo plötzlich seine Familie erwähnte. Sie hatten niemals zuvor darüber gesprochen. Da Crocodile selbst ein sehr schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern hatte und nicht gerade erpicht darauf war, sich dazu zu äußern, hatte er wiederum niemals nach der Familie seines Partners gefragt. Im Prinzip wusste Crocodile überhaupt nichts über Doflamingos Eltern; nicht einmal ihre Namen. Zu seiner Verteidigung musste allerdings gesagt werden, dass auch sein Partner selbst niemals dieses Thema angeschnitten hatte. In ihren über neun Monaten Beziehung hatte er nie auch nur ein einziges Wort über seine Familie verloren (außer über Bellamy und Dellinger, die jedoch beides bloß Cousins zweiten Grades waren.) Womöglich hatten auch Doflamingos Eltern ihren Sohn verstoßen, als sie von seiner sexuellen Ausrichtung erfuhren, dachte Crocodile niedergeschlagen, genauso wie seine eigenen Eltern es bei ihm getan hatten. Die Erinnerung daran, wie sein Vater und seine Mutter ihn vor über fünfzehn Jahren einfach vor die Tür gesetzt hatten, versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich ins Herz. Rasch bemühte er sich darum, jeden Gedanken an seine Eltern aus seinem Kopf zu vertreiben. "Hier ist das Wohnzimmer“, meinte Doflamingo unbekümmert und führte ihn in einen großen, lichtdurchfluteten Raum mit bodentiefen Fenstern. Er schien den kleinen Aussetzer seines Partners gar nicht mitbekommen zu haben. Crocodile beschloss, nicht weiter über seine oder Doflamingos Familie nachzudenken, sondern zwang sich selbst zu einem positiven Kommentar bezüglich des Wohnzimmers: "Wirklich sehr schön. Ich kann es kaum erwarten, zusammen mit dir auf der Couch zu liegen und ein bisschen dem Kaminfeuer zuzuschauen.“ Sein Partner wirkte absolut begeistert angesichts seiner Reaktion und lotste ihn geschwind zum nächsten Raum. Crocodile ließ sich eine Führung durch die großzügige Küche, das Esszimmer plus Terrasse, das Hauptschlafzimmer und zwei luxuriöse Badezimmer gefallen. Zum Schluss zeigte Doflamingo ihm einen Raum, der ganz offensichtlich früher einmal als Kinderzimmer für einen kleinen Jungen genutzt worden war. Man hatte es überaus liebevoll entsprechend einem Piratenmotiv eingerichtet: Der Teppichboden war hellblau, die Vorhänge der Fenster zeigten ein Muster von zwei sich überkreuzende Knochen und die Tapeten unzählige Bullaugen. An den Wänden hingen sogar noch Piratenfahnen in verschiedenen Ausführungen. Das absolute Highlight des Zimmer stellte jedoch unzweifelhaft das Kinderbett dar: ein Piratenschiff mit Mast und Segel an der langen Bettseite. Crocodile konnte sich gut vorstellen, dass es sich bei diesem Kinderzimmer um den heimliche Traum aller kleiner Jungen handelte. "Mein altes Kinderzimmer“, sagte Doflamingo in einem schrecklich sehnsüchtig klingenden Tonfall und fuhr mit der Hand über das Gestell des Piratenschiff-Bettes. Nachdem der erste Moment der Melancholie verstrichen war, fügte er glucksend und an seinen Partner gewandt hinzu: "Wie du dir sicher denken kannst, wollte ich als kleiner Junge später ein berühmter Pirat werden.“ "Ach, tatsächlich?“, erwiderte Crocodile ironisch, wagte sich jedoch im Gegensatz zu Doflamingo nicht weiter in das Kinderzimmer hinein. Er wusste nicht so recht, was er von diesem Anblick halten sollte. Es freute ihn, dass sein Partner früher einmal in einem solch hübschen Zimmer gewohnt oder zumindest Urlaub gemacht hatte, doch gleichzeitig spürte er, dass er sich umso trauriger fühlte, je länger er die liebevolle Einrichtung des Raums betrachtete. Seine eigenen Eltern hatten niemals viel Geld für hübsche Zimmerdekoration übrig gehabt. Als mittelständische Familie mit drei Kindern war es nicht immer einfach gewesen, sich über Wasser zu halten. Zum Beispiel hatte er Mihawks altes Babybett geerbt, weil seine Eltern kein Geld für ein neues ausgeben konnten; später dann hatte seine jüngere Schwester Hancock es übernommen. Trotzdem wusste er, dass sein Vater und seine Mutter alles für ihn und seine beiden Geschwister gegeben hatten, was sie besaßen. Noch gut konnte Crocodile sich an die ferngesteuerte Eisenbahn erinnern, die er sich sehnlichst herbeigewünscht und schließlich zu seinem siebten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Über Monate hinweg hatte er jeden Tag mit ihr gespielt gehabt. Seiner kleinen Schwester Hancock hatte dieser Umstand übrigens überhaupt nicht geschmeckt: Immer wieder hatte sie ihn dazu überreden wollen, die Eisenbahn liegenzulassen und stattdessen mit ihr und ihrem Puppenhaus zu spielen. In den meisten Fällen hatte Crocodile sich früher oder später erweichen lassen. Ein seliges Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er an diese so sorgenfreien Zeiten zurückdachte; manchmal vermisste er seine Kindheit doch mehr, als er es zugab. "Woran denkst du gerade?“, fragte Doflamingo ihn neugierig und riss Crocodile somit aus seinen Erinnerungen. "An nichts Wichtiges“, erwiderte dieser rasch. "Nur an ein paar Details aus meiner eigenen Kindheit.“ "Und woran genau?“, hakte Doflamingo nach. "Wolltest du als Kind etwa auch ein Pirat werden?“ Crocodile schüttelte lächelnd den Kopf. "Lokführer“, erwiderte er. "Ich habe eben an meinen siebten Geburtstag zurückgedacht. Damals habe ich eine ferngesteuerte Eisenbahn geschenkt bekommen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dieses blöde Ding geliebt habe.“ "Mehr als mich?“, fragte Doflamingo und tat so, als wäre er beleidigt. "Die Eisenbahn kommt auf Platz eins und du auf Platz zwei“, mokierte Crocodile. Doflamingo schob seine Unterlippe nach vorne und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich kann nicht fassen, dass du eine Spielzeugeisenbahn mehr liebst als mich“, meinte er in einem quengelnden Tonfall. "Dumme Fragen verdienen dumme Antworten“, war die einzige Erwiderung, zu der Crocodile sich (noch immer grinsend) herabließ. "Vielleicht sollte ich dir einfach mal wieder meine Vorzüge ins Gedächtnis rufen“, meinte Doflamingo plötzlich und Crocodile entging der perverse Unterton in der Stimme seines Partners durchaus nicht. "Dann lande ich sicher schnell wieder auf Platz eins!“ Crocodile seufzte und schüttelte den Kopf. "Ich werde auf gar keinen Fall Sex mit dir haben“, sagte er, "wenn es um die Frage geht, ob ich eher dich oder die ferngesteuerte Eisenbahn liebe, die ich als Siebenjähriger besessen habe. Das ist völlig krank und würde mir diese unschuldige Kindheitserinnerung ein für alle Mal verderben!“ Auch wenn Doflamingo wie immer seine Sonnenbrille trug, war Crocodile sich sicher, dass sein Partner mit den Augen rollte. Außerdem gab er einen leicht enttäuschten Brummlaut von sich. Um Doflamingo ein wenig aufzumuntern, fügte er hinzu: "Vielleicht habe ich heute Abend die Sache mit der Spielzeugeisenbahn ja längst schon wieder vergessen. Dann kannst du mich ruhig noch einmal fragen.“ * Abends kühlten die Temperaturen deutlich herunter. Doflamingo hatte einem Angestellten Bescheid gegeben, dass man das Feuer im Kamin entfachen sollte. Nun war das Wohnzimmer auf eine angenehme Temperatur geheizt worden und in den bodentiefen Fenstern spiegelte sich der flackernde Schein des Feuers wieder. Durch die nur halb zugezogenen Vorhänge gesellte sich ein wenig Mondlicht zum Feuerschein. Es herrschte eine ungemein romantische Atmosphäre. Crocodile und Doflamingo saßen gemeinsam auf der gemütlichen Couch im Wohnzimmer. Der Fernseher war ausgeschaltet; sie saßen einfach bloß da und genossen die Ruhe. Doflamingo hatte einen Arm um ihn gelegt, während Crocodile seinen Kopf mit geschlossenen Augen an dessen Schulter lehnte. Er konnte sich nicht daran zurückerinnern, wann er sich das letzte Mal so dermaßen wohl gefühlt hatte. Anscheinend tat ihm dieser Urlaub doch gut, musste er sich wohl oder übel eingestehen. Crocodile spürte, dass Doflamingos Hand, die bisher unbewegt auf seiner Hüfte gelegen hatte, diese zu streicheln begann. Er ließ diese Berührung nicht nur geschehen, sondern quittierte sie sogar mit einem leisen Schnurren. Zum ersten Mal seit langem hatte Crocodile unwahrscheinlich große Lust auf Sex. Sanft begann er am Hals seines Partners zu saugen, ohne einen Gedanken an die Frage zu verschwenden, ob er womöglich einen dunklen Fleck auf dessen Haut zurücklassen würde oder nicht. Doflamingo wirkte sichtlich angetan von der Reaktion seines Partners. Er nutzte seine freie Hand, um ihm das Hemd aus der Hose zu zupfen und zärtlich über seinen Oberkörper zu streichen. Crocodile spürte, wie Doflamingo seinen linken Nippel zwischen Daumen und Zeigefinger nahm, und langsam zu reiben begann. Notgedrungen löste er sich vom Hals seines Partners, um lustvoll aufzustöhnen. Sie trennten sich kurz voneinander, um sich auszuziehen. Rasch öffnete Crocodile alle Knöpfe seines Hemdes und ließ es sich anschließend von den Schultern gleiten. Der Stoff landete achtlos auf dem Fußboden. Das T-Shirt seines Partners tat es ihm gleich. Kaum war sein Oberkörper frei, beugte sich Doflamingo zu ihm hinüber. Mit beiden Händen drückte er ihn in eine liegende Position, ehe er mit seiner Zunge über seine Brust und seinen Bauch leckte. Crocodiles Blick folgte dem Weg, den sie einschlug, mit lüsterner Neugierde; er konnte genau sehen, wie sie eine nass-feuchte Spur auf seiner blassen Haut hinterließ. Es störte ihn nicht im geringsten, eher im Gegenteil: Die Zunge seines Partners fühlte sich sehr warm und überaus erregend an. Er konnte es kaum erwarten, sie an anderen Stellen seines Körpers zu spüren. Crocodile stöhnte laut auf, als Doflamingo seinen rechten Nippel mit dem Mund umschloss und kräftig zu saugen begann. Gleichzeitig rieb er mit einer Hand den Schritt seines Partners. Bereits jetzt begann sich sein Penis zu seiner vollen Größe aufzurichten, stellte Crocodile ein wenig überrascht fest. Rasch wurde ihm seine Hose, die er noch immer trug, viel zu eng. Glücklicherweise schien auch Doflamingo diesen Umstand zu bemerken. Er öffnete die Hose seines Partners und befreite dessen erigiertes Glied. Anschließend zog er sich in Windeseile die eigene Hose über die Oberschenkel und Knie. Amüsiert bemerkte Crocodile, dass der Andere keine Unterwäsche trug. Er hatte einen guten Blick auf Doflamingos enorm große und dicke Männlichkeit; genauso wie seine war sie bereits steinhart. Crocodile leckte sich über die Unterlippe. Sein Partner, der neben ihm auf der geräumigen Couch kniete, griff unterdessen mit der linken Hand nach seinem eigenen, mit der rechten Hand nach Crocodiles Glied. Beide begann er im selben Rhythmus zu reiben. Sofort spürte Crocodile, wie Hitzewellen ausgehend von seinem Unterleib durch seinen ganzen Körper strömten. Diese Berührung fühlte sich unwahrscheinlich gut an. Irgendwann löste Doflamingo seinen Griff wieder. Crocodile gab kurz einen unwilligen Brummlaut von sich, ehe er sich aufrichtete und ungehalten seinen Blick über den Körper seines Partners gleiten ließ. Es war wirklich unfassbar, wie gut der Andere mit seiner sonnengebräunten Haut und seinem durchtrainierten Oberkörper aussah. Crocodile erwischte sich dabei, wie er neidisch wurde. Immerhin brachte er selbst bei einer Körpergröße von beinahe zwei Metern derzeit bloß läppische 67 Kilogramm auf die Waage. Weder einen Waschbrettbauch noch einen tollen Bizeps konnte er vorweisen. Rein optisch war er also definitiv nicht dazu in der Lage, mit seinem Sexpartner mitzuhalten. "Ist alles in Ordnung mit dir?“ Es war Doflamingos leicht besorgte Stimme, die Crocodile aus seinen Gedanken riss. Geistesabwesend nickte er; es dauerte eine oder zwei Sekunden, bis er wieder zu sich selbst fand. "Alles gut“, meinte er rasch, um jegliche Bedenken seitens seines Partners zu verstreuen. Er hatte im Moment überhaupt keine Lust darauf, mit Doflamingo über sein Problem zu sprechen. Ändern konnte dieser es sowieso nicht. Das konnte nur Crocodile selbst, indem er regelmäßig aß. Und später vielleicht ein wenig mehr Sport trieb. "Ich war eben bloß ein bisschen gedankenverloren. Habe mich gefragt, was ich jetzt am liebsten mit dir anstellen würde.“ "Oh, hast du das?“, gab Doflamingo mit selbstgefälliger Stimme zurück; er schien ihm diesen kleinen Schwindel sofort abzukaufen. Seine rechte Hand ließ er neckisch seinen eigenen Adonis-Körper streicheln, ehe er drei- oder viermal sein Glied rieb. "Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“ "Dass ich richtig Lust habe, deinen Schwanz zu lutschen“, erwiderte Crocodile und versuchte, alle negativen Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Er sah dabei zu, wie Doflamingo sich ungeduldig auf den Rücken legte und seine Beine leicht spreizte. Crocodile nahm sich vor, die Erwartungen des Anderen nicht zu enttäuschen. Wenn er schon nicht mit einem wohlgenährten und muskulösen Körper punkten konnte, dann musste er es eben auf andere Art und Weise tun. Zärtlich nahm Crocodile das Glied seines Partners in die Hand. Er massierte es ein oder zwei Minuten lang, ehe er seinen Kopf hinunter beugte und mit seinen Lippen die Eichel umschloss. Vorsichtig, beinahe schon zurückhaltend ließ er seine Zunge über die Spitze des Glieds fahren; neckte sanft den Schlitz und das Vorhautbändchen. Das leise Stöhnen, das er von oberhalb vornahm, klang in seinen Ohren überaus zufriedenstellend. Langsam ließ Crocodile seine Zunge von der Eichel über den Schafft bis hinunter zu den Hoden gleiten. Sanft saugte er an Doflamingos Hodensack, leckte ihn und umschloss zum Schluss sogar einen der beiden Hoden mit seinem Mund. Das Stöhnen seines Partners wurde immer lauter und erregter. Crocodile kehrte mit seinem Mund nach oben zur Eichel zurück. Erneut umschloss er sie mit seinen Lippen, legte die Zunge flach unterhalb des Schaffts an und begann leidenschaftlich zu saugen. Mit jedem Mal nahm er den Penis seines Partners ein Stückchen tiefer in den Mund. Das war zwar nicht unbedingt leicht (vor allen Dinge bei der nicht gerade geringen Größe von Doflamingos Glied), doch Crocodile tat sein Bestes, um diesen zu verwöhnen. Inzwischen konnte er seinen Partner ohne Unterlass mal leiser, mal lauter stöhnen hören, was ihm selbst ungeheure Befriedigung verschaffte. Er spürte, dass Doflamingo eine Hand in sein schulterlanges Haar vergrub und versuchte, ihn zu schnelleren Bewegungen zu drängen. Normalerweise konnte Crocodile es überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihm während eines Blowjobs in die Haare griff, doch heute machte er eine Ausnahme. Immerhin ging es hierbei nicht um ihn, sondern um Doflamingo. Crocodiles Kiefer begann bereits zu schmerzen, als sein Partner endlich zum Orgasmus kam. In mehreren Stößen ergoss sich dieser in seinen Mund. Crocodile zwang sich dazu, Doflamingos Glied im Mund zu behalten, während dieser zum Höhepunkt kam. Anschließend kniff er die Augen zusammen und schluckte das Ejakulat rasch herunter. Es schmeckte widerlich, aber nicht so schlimm wie Crocodile es aus früheren Erfahrungen in Erinnerung gehabt hatte. (Enels Sperma zum Beispiel hatte nach einer Mischung aus Spülmittel und abgestandener Milch geschmeckt. Doflamingo hingegen schmeckte fruchtiger und weniger bitter.) Crocodile richtete sich auf und warf einen Blick zu seinem Partner hinüber. Doflamingo lag noch immer auf seinem Rücken; sein Atem war ganz flach, obwohl er sehr erschöpft wirkte. Er sah zu ihm hinüber, doch sein Blick blieb unter den dunkel getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen. Schließlich hörte Crocodile ihn sagen: "Ich fasse es nicht!“ Verwundert zog er die Augenbrauen zusammen. "Was meinst du?“, hakte er nach und konnte nicht verhindern, dass er ein wenig nervös wurde. Hatte er irgendeinen Fehler gemacht? Dabei hatte er sich doch so sehr darum bemüht, den Oralverkehr für seinen Partner möglichst angenehm zu gestalten. Er hatte sogar Doflamingos Sperma geschluckt, wogegen er sich zuvor stets gewehrt hatte. "Zum ersten Mal in fast einem Jahr Beziehung schluckst du mein Sperma“, meinte Doflamingo mit leicht enttäuschter Stimme, "und ich habe es bloß durch die Gläser meiner Sonnenbrille gesehen!“ Crocodile seufzte leise erleichtert auf und zuckte anschließend mit den Schultern. "Selber Schuld“, meinte er ohne auch nur einen Anflug von Mitleid. "Wieso lässt du sie auch auf, während ich dir einen Blowjob gebe?“ "Ich konnte ja nicht ahnen, dass du ausgerechnet heute zum ersten Mal schlucken würdest“, wendete Doflamingo ein, doch griff im gleichen Atemzug nach dem Gestell seiner Brille und legte sie auf den Couchtisch. "Darf ich fragen, wieso du das getan hast? Nicht, dass ich mich beschweren würde! Ich bin bloß neugierig, weil du dich doch zuvor immer so energisch geweigert hast, Sperma zu schlucken.“ "Ähm, ich weiß nicht“, erwiderte Crocodile, der sich unter dem röntgenartigen Blick seines Partners sofort unwohl zu fühlen begann. Er hatte nicht damit gerechnet, ausgefragt zu werden. "Ehrlich gesagt, habe ich gar nicht darüber nachgedacht. Ich habe es einfach getan.“ Doflamingo schien zu spüren, dass er sich verunsichert fühlte. Darum schenkte er ihm ein Lächeln und meinte: "Ich finde es sehr schön, dass du das getan hast. Von mir aus darfst du gerne öfter mein Sperma schlucken. Ich würde dir gerne einmal dabei zuschauen; also, ohne Sonnenbrille.“ Crocodile nickte. Er hoffte, dass er jetzt nicht die Büchse der Pandora geöffnet hatte. Immerhin war er sich nicht ganz sicher, ob er Lust hatte, bei jedem Oralverkehr das Sperma seines Partners hinunterzuschlucken. "Natürlich musst du es nicht tun, wenn du nicht möchtest“, lenkte Doflamingo ein, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Denk daran, dass du zu nichts verpflichtet bist. Darüber hatten wir schließlich schon einmal gesprochen. Wenn du es tust, dann finde ich das wirklich gut; aber wenn du es sein lässt, ist das auch völlig in Ordnung. Unser Sex soll locker und unbefangen sein.“ Er grinste und fügte an: "Jetzt aber mal ehrlich: Hat es so schlimm geschmeckt?“ Crocodile verzog den Mund und antwortete: "Nicht so schlimm wie ich es befürchtet hatte.“ Doflamingo gluckste leise. Er fixierte Crocodile mit seinen beiden strahlend blauen Augen, ehe er mit lüsterner Stimme fragte: "Willst du, dass ich dein Sperma schlucke?“ Sofort spürte Crocodile, wie sich vor Erregung die Haare in seinem Nacken aufstellten angesichts dieser dreisten Frage. Und auch sein Glied, das inzwischen halb erschlafft war, wurde wieder steif. Es überraschte ihn selbst, dass ihn die Offenheit und Schamlosigkeit seines Partners ihn manchmal doch so heftig anmachen konnte. Er erwiderte den Blick seines Partners und gab in einem ruhig Ton zurück: "Willst du es denn?“ "Ich will es nicht einfach nur“, entgegnete Doflamingo, "ich sehne mich danach. Mir wird ganz heiß bei der Vorstellung, deinen Schwanz zu lutschen und dein Sperma zu schlucken. Ich will dir einen Blowjob geben, ich will dich fingern und dann will ich dich ficken. Und zwar so hart, dass ich dich nachher ins Schlafzimmer tragen muss, weil dein Arsch so schrecklich weh tun wird, dass du nicht einen einzigen Schritt mehr laufen kannst. Das will ich.“ Crocodile spürte, dass er errötete. Ihm wurde schrecklich heiß; nicht bloß in den Wangen, sondern auch in seinem Unterleib. Er schämte sich dafür, dass ihn diese absolut ungenierten und machohaften Worte erregten, doch so war es nun einmal. Und wenn Crocodile ehrlich war, dann hatte er im Augenblick auch keine große Lust, gegen seine aufkommende Erregung anzukämpfen. Ganz im Gegenteil: Viel lieber wollte er sich ihr ergeben. Und herausfinden, ob Doflamingo sein prahlerisches Versprechen tatsächlich wahrmachen würde. "Haben wir Gleitgel da?“, fragte Crocodile und die Röte in seinem Gesicht intensivierte sich, als er feststellte, wie ungeduldig seine Stimme klang. Sein Partner nickte und griff zum Couchtisch hinüber. Unter der Holztischplatte befand sich ein wenig Stauraum, der vermutlich für Fernbedienungen und Ähnliches gedacht war; aus diesem Fach holte Doflamingo eine Tube Gleitgel hervor. Er grinste frech und wandte sich Crocodile zu: "Jetzt bist du an der Reihe, Crocobaby. Leg dich hin und entspann dich. Alles andere überlässt du mir.“ Crocodile folgte rasch der Anweisung seines Partners; er brachte sich selbst in eine liegende Position und schloss seine Augen. Er freute sich sehr auf das Folgende und konnte es kaum erwarten. Immerhin war Doflamingo sowohl mit einer überaus talentierten Zunge als auch sehr geschickten Fingern gesegnet worden. Crocodile verhehlte nicht, dass er sich sehr gerne von ihm verwöhnen ließ. Leider stürzte sich sein Gegenüber nicht sofort auf seinen Penis. Stattdessen beschloss Doflamingo, zuerst einige andere Körperstellen zu necken: Erneut ließ er seinen Mund über Crocodiles blassen Oberkörper wandern. Lustvoll saugte und knabberte er an der zarten Haut im Intimbereich seines Partners. (Da Crocodile seine Schambehaarung niemals länger als einen halben Zentimeter wachsen ließ, stellte dies kein Problem dar.) Anschließend fuhr Doflamingos mit seiner nassen Zunge weiter nach oben, umkreiste seinen Bauchnabel und tunkte sie frech hinein. Crocodile legte den Kopf in den Nacken und seufzte genussvoll auf. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sein Partner sich sofort seinem inzwischen pochenden Glied zugewendet hätte, doch er musste zugeben, dass ihm auch dieses Vorspiel gut gefiel. Sein Seufzen verwandelte sich in ein lautes Stöhnen, als Doflamingo ohne Vorwarnung in einen seiner beiden Nippel hineinbiss, ehe er leidenschaftlich daran zu saugen begann. Gleichzeitig griff sein Partner mit einer Hand nach seinem steifen Glied und verschaffte ihm ein wenig Abhilfe, indem er es feste rieb. Sofort spürte Crocodile, wie sich der Druck in seinem Unterleib verstärkte. "Reiß dich zusammen“, hörte er Doflamingo frivol flüstern. Sein Partner hatte von seinem Nippel abgelassen und schien sich nun der Aufgabe zuzuwenden, einen möglichst dunklen Knutschfleck auf seinem Hals zu hinterlassen. Währenddessen löste er für keine Sekunde den intensiven Griff um seinen Penis. "Das sagst du so leicht“, erwiderte Crocodile mit gedämpfter Stimme. Doflamingo grinste frech, doch schien sich angesichts seines offensichtliches Notstandes schlussendlich doch zu erbarmen. Anstatt weiterhin den Hals seines Partners zu bearbeiten, löste er sich von diesem. Er griff nach dem Gleitgel, öffnete den Verschluss und benetzte seine Finger großzügig mit der durchsichtigen Flüssigkeit. Anschließend wendete er sich endlich Crocodiles Penis zu. Er konnte gar nicht anders als erleichtert aufzuseufzen, als Doflamingo endlich mit seinem Mund die Spitze seines Glieds umschloss. Er saugte mehrmals zärtlich an der Eichel, ehe einen seiner vom Gleitgel ganz glitschigen Finger gegen den Eingang seines Partners drückte. Crocodile fiel es nicht sonderlich schwer, sich zu entspannen und die Penetration zuzulassen. Der Blowjob, den Doflamingo ihm gab, während er ihn zärtlich fingerte, war absolut atemberaubend. Er musste sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht hier und jetzt zum Orgasmus zu kommen. Crocodile bemühte sich darum, seinen Höhepunkt noch für eine Weile zurückzuhalten. Er wollte dieses wunderschöne Gefühl noch ein klein wenig länger genießen. Sein tapferes Vorhaben wurde jedoch auf eine harte Probe gestellt, als Doflamingo noch einen zweiten und zuletzt einen dritten Finger hinzunahm. Es dauerte nicht lange, bis Crocodile zum Orgasmus kam. Für einen kurzen Moment wurde er ganz starr und hielt den Atem an; seine zuckenden Bauchmuskeln waren die einzige Stelle an seinem Körper, die sich bewegte. Nicht einmal seine Unterlippe bebte. In sieben oder acht schweren Schüben ergoss Crocodile sich schließlich in den Mund seines Partners. Es war ein absolut hinreißendes Gefühl. Die Sicht verschwamm vor seinen Augen und in seinem Unterleib ging ein Feuerwerk los. Nur am Rande bekam er mit, wie Doflamingo sein Sperma hinunterschluckte ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Anschließend leckte er sich sogar über die Lippen. Außerdem entzog er ihm vorsichtig seine drei Finger und pumpte sein eigenes Glied ein paar Mal. Er wirkte sehr ungeduldig. "Bist du bereit für den Sex?“, fragte er ihn mit ruheloser Stimme. "Oder brauchst du ein paar Minuten?“ "Von mir aus können wir sofort weitermachen“, erwiderte Crocodile. Diese Worte waren nicht einmal gelogen. Zwar hatte ihn sein Orgasmus eben ein Stück weit ausgelaugt, doch trotzdem freute er sich auf das, was nun folgen würde. Es wunderte Crocodile selbst, doch heute Abend schien er beinahe schon sexfanatisch zu sein. Er verzehrte sich geradezu nach rücksichtslosem, hartem Sex. "Bist du dir sicher?“ Crocodile nickte. Er atmete zweimal tief ein und aus, ehe er frech grinste und an seinen Partner gewandt meinte: "Ich schätze deine Fürsorge wirklich sehr, Doffy, aber wenn du mich wirklich so hart ficken möchtest, dass ich danach keinen Schritt mehr laufen kann, solltest du vielleicht ein bisschen weniger zimperlich vorgehen.“ Doflamingo erwiderte sein Grinsen, griff erneut nach dem Gleitmittel und rieb sein Glied alles andere als dürftig damit ein. Anschließend verteilte er eine ebenfalls sehr großzügige Menge auf den bereits geweiteten Eingang seines Partners. "Das hättest du lieber nicht sagen sollen“, meinte er, während er mit der Hand sein Glied in die richtige Position brachte. Crocodile war sich nicht sicher, ob Doflamingo ihn mit diesen Worte necken wollte oder sie ernst meinte. "Jetzt hast du mir nämlich die Erlaubnis gegeben, dich so gnadenlos und hart zu vögeln wie ich nur möchte. Und das werde ich mit Sicherheit auch tun, das kannst du mir glauben. Vielleicht sollten wir für den Fall der Fälle lieber ein Safeword ausmachen?“ Crocodile warf seinem Partner einen skeptischen Blick zu. Er konnte bereits spüren, wie dessen Glied gegen seinen Eingang drückte. Ungeduldig, sehnsüchtig. "Ist das wirklich nötig?“ Immerhin hatten sie heute bloß ganz normalen Sex; keiner von ihnen beiden war gefesselt oder betrunken. "Nur zu Sicherheit“, lenkte Doflamingo ein. "Du weißt doch selbst, dass man beim Sex manchmal Nein oder Aufhören ruft, obwohl man es gar nicht so meint. Es gehört einfach mit zum Spiel. Aber ich möchte Wissen, wo die Grenze ist. Ein Safeword gibt mir die Sicherheit zu wissen, ob du dein Nein wirklich ernst meinst oder nicht. Es ist eine Absicherung, nicht mehr und nicht weniger.“ Crocodile nickte. Was Doflamingo da sagte, klang einleuchtend. Und schließlich wollte er, dass sich dieser beim Sex nicht zurückhielt. Zumindest heute nicht. Wenn ein Safeword dabei half, dass sein Partner sich wohler fühlte, dann sollten sie eben eines festlegen. Ihm machte es nichts aus. "Von mir aus“, sagte er darum. "Welches Wort schlägst du vor?“ "Gnade“, erwiderte Doflamingo ohne mit der Wimper zu zucken. Crocodile unterdrückte ein Seufzen, konnte jedoch nicht verhindern, dass er mit den Augen rollte. Manchmal war sein Partner eben doch ein echter Macho. Trotzdem meinte er: "In Ordnung.“ Er hatte keine Lust, diese Diskussion weiter auszuführen. Stattdessen sollten sie beide lieber endlich loslegen. Crocodile spürte, dass er langsam ungeduldig wurde. Doflamingo nickte. Mit seiner rechten Hand dirigierte er sein Glied in die richtige Richtung, mit der linken stützte er sich neben Crocodiles Kopf auf der Sitzfläche der Couch ab. Er drang langsam, aber nicht ganz so vorsichtig wie dieser es gewohnt war, in seinen Partner ein. Crocodile stöhnte gleichzeitig erwartungsvoll und erleichtert auf, als er endlich Doflamingos steifes Glied in seinem Inneren spürte. Viel zu lange hatte er auf diesen Moment gewartet. Er verhehlte nicht, dass er das Gefühl liebte, ausgefüllt zu werden. Zufrieden stellte er fest, dass die enorm große und dicke Männlichkeit seines Partners immer tiefer in ihn eindrang. Doflamingo hielt nicht inne, ehe er nicht bis zur Peniswurzel in seinem Inneren versenkt war. Crocodile bemühte sich darum, seinen Atem zu normalisieren und Ruhe zu bewahren. Auch wenn er bereits seit mehr als neun Monaten mit seinem Partner in einer Beziehung war, fiel es ihm nicht immer leicht, dessen Glied in sich aufzunehmen. Doflamingo war wirklich außerordentlich gut bestückt. Weder Crocodile selbst noch jeder Mann, den er jemals nackt gesehen hatte (einschließlich all seiner Exfreunde), konnte mit dessen Penisgröße mithalten. Das Glied seines Partners war Segen und Fluch zugleich. Crocodile gab sich selbst ein, zwei Minuten Zeit, ehe er langsam seine Hüften bewegte und auf diese Weise Reibung erzeugte. Doflamingo quittierte seine unerwartete Initiative mit einem schnurrenden Stöhnlaut; einen Moment später begann er selbst langsame, aber überaus intensive Stoßbewegungen auszuüben. Crocodile fand, dass es sich wahnsinnig gut anfühlte. Es dauerte nicht lange, bis Doflamingo die Härte und Geschwindigkeit seiner Stöße erhöhte. Immer wieder drang er bis zum Anschlag in seinen Partner ein, füllte ihn vollständig aus, nur ihm einen Moment später sein Glied wieder zu entziehen. Die Stöhnlaute, die sie beide währenddessen immer wieder von sich gaben, vermischten sich zu einem herrlichen Duett. Crocodile spürte bereits, dass sich sein zweiter Orgasmus ankündigte, als Doflamingo unerwartet von ihm abließ. Verwundert und auch ein wenig verunsichert (sofort musste er wieder an seinen mickrigen Körper denken), blickte Crocodile seinem Gegenüber ins Gesicht. Was hatte Doflamingo vor? "Doggy-Style!“, flüsterte dieser mit einer so eindringlichen Stimme, dass Crocodile nicht einmal daran dachte zu widersprechen. Stattdessen erhob er sich, drehte sich um und ging, wie ihm befohlen worden war, auf alle Viere. Seinen Oberkörper bettete er hierbei auf einem Couchkissen, nach dem er kurzerhand griff. Zum Einen fiel Crocodile auf diese Weise die Hündchen-Stellung leichter (immerhin konnte er sich bloß mit einer anstatt mit zwei Händen abstützen) und zum Anderen hatte er schon des Öfteren festgestellt, dass sein Partner auf diese Weise einen viel besseren Winkel erwischte. Kaum hatte er die gewünschte Position eingenommen, drang Doflamingo erneut in ihn ein. Überrascht keuchte Crocodile auf, ließ die Penetration jedoch geschehen. Schließlich war es nicht so, dass Doflamingo ihn nicht zuvor gewarnt hätte, er würde ihn hart ran nehmen. Und außerdem wäre es eine Lüge, würde Crocodile behaupten, ihm gefiele diese Sexstellung nicht. Die Stöße, die Doflamingo ausführte, fühlten sich in dieser besonderen Stellung umso intensiver an. Crocodile schloss seine Augen (nun konnte er seinem Partner ja sowieso nicht mehr in die Augen sehen) und konzentrierte sich voll und ganz auf das wundervolle Gefühl, das sich in seinem Unterleib bildete. Es war, als würde Hitze sich ausgehend von seinen Geschlechtsteilen wellenförmig in seinem ganzen Körper ausbreiten. Mit jedem Stoß wurden die Wellen stärker. Crocodile lauschte dem Geräusch von Fleisch, das aufeinander schlug, und seinem eigenen hektischen Atem, als er feststellte, dass er den Stößen seines Partners nicht mehr lange würde standhalten können. Er kniff die Augen zusammen, krallte sich mit der rechten Hand im Couchkissen fest und warnte Doflamingo vor: "Ich komme gleich...!“ Doflamingo war klug und erfahren genug, um die Intensität seiner Stöße weder abzuschwächen noch zu verstärken. Stattdessen griff er mit einer Hand nach dem Glied seines Partners und pumpte es mehrmals im selben Rhythmus, in dem er in ihn stieß. Crocodile spürte, dass ihm die Hitze in seinem Unterleib zu viel wurde. Der Stimulation an gleich zwei seiner empfindlichsten Körperstellen hielt er einfach nicht länger stand. Also beschloss er, seinen Orgasmus zuzulassen. Die Hitze brach über Crocodile herein wie eine Tsunami-Welle. Er öffnete seinen Mund und schrie laut, ohne das Geräusch selbst bewusst mitzubekommen. In drei oder vier Stößen ergoss er sich in die Hand seines Partners, die seinen Penis noch immer fest im Griff hatte. Da es sich hierbei bereits um seinen zweiten Orgasmus handelte, kam nicht ganz so viel Ejakulat zum Vorschein, doch trotzdem war dieser Höhepunkt nicht weniger intensiv als der vorherige. Doflamingo ließ nicht sofort von ihm ab, bloß weil Crocodile bereits zum Höhepunkt gekommen war; stattdessen stieß er noch etwa ein Dutzend Mal hart in ihn, ehe schließlich auch er seinen Orgasmus hatte. Erst dann löste er sich langsam aus dem Inneren seines Partners und ließ sich neben diesen auf der ausladenden Couch nieder. Doflamingo atmete schwer und wirkte sehr erschöpft, genauso wie Crocodile. Sie beide schwiegen für eine Weile und bemühten sich darum wieder zur Ruhe zu kommen. Crocodile spürte, dass das Sperma seines Partners aus seinem Eingang heraus und über seine Oberschenkel lief, doch im Augenblick interessierte ihn dieser Umstand herzlich wenig. Er war völlig erschöpft. Das lange Vorspiel und seine beiden Orgasmen hatten ihn ausgelaugt. Außerdem schmerzte sein Unterleib; er merkte deutlich, dass Doflamingo nicht so sanft und vorsichtig vorgegangen war wie sonst. Nicht, dass er sich beschweren würde; immerhin war er sich dieser Konsequenz zu Beginn bereits bewusst gewesen. Es handelte sich lediglich um eine Feststellung. "Geht es dir gut?“, hörte er irgendwann Doflamingo fragen. Sein Partner richtete sich mühsam wieder auf und fuhr sich mit der Hand durch sein blondes Haar. Angesichts des besorgten Blicks, den er ihm anschließend zuwarf, vermutete Crocodile, dass er sogar noch deutlich geschaffter aussah als er sich fühlte. Crocodile nickte matt. Plötzlich spürte er, wie ihn Müdigkeit überkam. Am liebsten würde er sich jetzt mit einem feuchten Tuch das viele Sperma von der Haut wischen (zu einer Dusche fühlte er sich im Augenblick nicht imstande) und sich dann gleich ins Bett legen. Oder eher noch legen lassen, denn er musste zugeben, dass es sich bei den Worten seines Partners nicht um machohafte Prahlerei gehandelt hatte: Tatsächlich tat sein Unterleib so sehr weh, dass er am liebsten nicht einen einzigen Schritt gehen würde. "Kann ich irgendetwas für dich tun?“, fragte Doflamingo und streichelte zärtlich über seinen Oberarm. "Eine Schmerztablette wäre nicht schlecht“, erwiderte Crocodile nach kurzem Zögern. "Und etwas zu trinken. Oh, und ein paar feuchte Tücher oder so könnte ich gut gebrauchen.“ Eigentlich war er ein ziemlich hart gesottener Kerl, doch ehrlich gesagt hatte Crocodile keine sonderlich große Lust, sich gleich seinen ersten Urlaubstag durch heftige Unterleibsschmerzen verderben zu lassen. "Kein Problem“, meinte Doflamingo. "Ich sage einem Dienstmädchen Bescheid, dass man für dich....“ "Nein, nein!“, unterbrach Crocodile hektisch seinen Partner. "Kein Dienstmädchen! Geh selbst! Ich will nicht, dass mich irgendjemand außer dir nackt sieht.“ Doflamingo zog irritiert eine Augenbraue hoch, gab jedoch relativ schnell kleinbei: "Ähm, na gut, von mir aus. Einen Moment, ja?“ Er stand auf und ging -splitternackt und völlig durchgeschwitzt wie er gerade war- zur Wohnzimmertüre hinüber, die er einen kleinen Spalt weit öffnete. Auf der anderen Seite schien ein Angestellter bereitzustehen, dem er seine Wünsche mitteilte. Es dauerte nur wenige Sekunden, ehe Doflamingo die Zimmertüre wieder schloss und mit den gewünschten Artikeln zur Couch zurückkehrte. Crocodile war zwar ein wenig verblüfft angesichts der absoluten Schamlosigkeit seines Partners, nahm jedoch dankend die Schmerztablette, die Flasche Wasser und die feuchten Tücher entgegen, die dieser ihm reichte. Rasch schluckte er die Tablette, trank die Flasche Wasser in nur wenigen Zügen komplett leer und wischte anschließend mithilfe der feuchten Tücher das Sperma von seiner Haut. Kaum waren diese Dinge geschehen, fühlte Crocodile sich gleich ein klein wenig besser. Auch wenn ihn noch immer die Müdigkeit plagte; er konnte einfach nicht verhehlen, dass ihn der Sex unfassbar angestrengt hatte. "Kannst du ohne Schmerzen laufen?“, fragte Doflamingo mit halb ernster, halb verschmitzter Stimme nach, als er diesen Umstand zu bemerken schien. "Oder soll ich dich wirklich ins Schlafzimmer hinüber tragen?“ "Wenn du dem Dienstpersonal vorher Bescheid gibst, dass sie alle sich die Augen zuhalten sollen“, erwiderte Crocodile im selben Tonfall, "dann nehme ich dieses Angebot sehr gerne an. Dank Ihnen, Herr Donquixote, fühlt sich mein Arsch nämlich so an als würde er jeden Moment in zwei Teile reißen.“ "Das tut mir sehr leid“, meinte Doflamingo; Crocodile glaubte ihm kein Wort. Ehe er jedoch dazu kam, eine gehässige Erwiderung zu geben, hatte sein Partner eine Hand unter seine Knie und die andere hinter seinem Rücken platziert. In einer einzigen eleganten Bewegung hob Doflamingo ihn hoch. Crocodile hielt erstaunt die Luft an. Er hatte (ehrlich gesagt) nicht damit gerechnet, dass sein Partner ihn tatsächlich hochheben würde. Ihn überraschte allein schon der Fakt, dass dieser überhaupt dazu in der Lage war; schließlich handelte es sich bei ihm nicht gerade um ein zierliches Mädchen, sondern um einen erwachsenen Mann von beinahe zwei Metern Körpergröße. Nun, dachte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass ihn dieser Gedanke traurig stimmte, inzwischen wog er nicht sonderlich viel mehr als ein Mädchen. Noch immer hatte er nicht einmal die 70 Kilogramm-Marke geknackt. Auf der anderen Seite allerdings, versuchte Crocodile sich selbst zu trösten, handelte es sich bei seinem Partner um einen sehr muskulösen Mann. Doflamingo trainierte beinahe täglich seinen tollen Adonis-Körper. "Jetzt bist du meine Braut“, meinte ebenjener gut gelaunt, während er mit ihm im Arm völlig mühelos das geräumige Wohnzimmer durchquerte. Crocodile scheute sich vor einer Erwiderung. Auch wenn es sich eben bloß um einen blöden Scherz gehandelt hatte, machten ihn die vielen Andeutungen, die sein Partner in letzter Zeit zum Thema heiraten verstreute, sehr nervös. Ein Heiratsantrag, schoss es ihm sogleich durch den Kopf, wäre das mit Abstand Schlimmste, was ihm nun passieren könnte. Denn sollten er und Doflamingo tatsächlich heiraten, dann wären natürlich seine mehr als 350.000 Berry Schulden auch die seines Ehepartners. Ein Horrorszenario, das in Crocodiles Augen mehr als genug Stoff für schreckliche Alpträume darbot. * "Doflamingo?“ Ungeduldig ließ Crocodile seinen Blick über die weitläufige Terrasse schweifen, die vom großzügigen Esszimmer des Ferienhauses abzweigte und zum Meer hin lag. Der Ausblick war absolut überwältigend: Während nicht weit von ihm entfernt in einem sachten Rhythmus kleine Wellen an den weißen Sandstrand gespült wurden, vereinigten sich am Horizont der strahlend blaue Himmel und das Meer zu einer einzigen Fläche; die Linie, welche die beiden Farbtöne voneinander trennte, war bloß noch sehr schwach zu erkennen. Crocodile wäre fröhlicher gestimmt gewesen angesichts dieser atemberaubenden Aussicht, würde sie zusätzlich noch die Person enthalten, nach der er suchte: Sein Partner war einfach nirgendwo zu finden. Crocodile hatte (wie mit Doflamingo abgesprochen) bis gerade eben noch ein entspannendes Bad genommen und ein wenig Schönheitspflege betrieben; anschließend hatten sie beide zu Mittag essen wollen. Dieser Plan schien leider nicht aufzugehen. Leise seufzend zog Crocodile die gläserne Terrassentür wieder zu und beschloss, die anderen Räume des Ferienhauses abzuklappern. Es ärgerte ihn, dass Doflamingo nirgendwo aufzufinden war. Immerhin hatte die Küche das Essen bereits fertig vorbereitet; und wie sollte er vernünftig an Gewicht zulegen, wenn er wegen der Abwesenheit seines Partners nicht einmal zum Mittagessen kam? Alleine essen wollte er nicht. Leicht genervt setzte Crocodile seine Suche fort. Dieses Ferienhaus war noch deutlich größer als es von außen aussah. In den Zimmern, in denen er und Doflamingo sich normalerweise aufhielten, war dieser jedoch nicht zu finden. Vielleicht, schoss es Crocodile plötzlich durch den Kopf, sah sich sein Partner wieder einmal sein altes Kinderzimmer an. Rasch machte er sich auf den Weg dorthin. Doflamingo konnte manchmal deutlich melancholischer werden als Crocodile es ihm jemals zugetraut hätte. Im Gegensatz zu ihm selbst schien er gerne in Kindheitserinnungen zu schwelgen. Crocodile wiederum bemühte sich zumeist darum, alle Gedanken an seine Kindheit und vor allem seine Eltern zu verdrängen; die Erinnerung daran, dass er für sie eine schreckliche Enttäuschung darstellte und sie es bereuten ihn großgezogen zu haben, war einfach zu schmerzhaft. Tatsächlich sollte Crocodile Recht behalten. Zu seiner Überraschung hielt Doflamingo sich jedoch nicht in dem Kinderzimmer auf, das dieser ihm bereits gezeigt hatte, sondern in einem anderem. Crocodile vermutete, dass ein kleines Mädchen hier gewohnt hatte; zumindest ließen die im Herzchen-Muster bedruckten Tapeten darauf schließen. Doflamingo saß auf dem weiß lackierten Kinderbett und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen; sein Gesichtsausdruck war ganz starr. "Doflamingo?“, meinte Crocodile mit überaus zögerlich klingender Stimme. Er konnte es sich selbst nicht recht erklären, doch aus irgendeinem Grund wagte er es nicht, dieses Kinderzimmer zu betreten. Es kam ihm seltsam vor, dass es überhaupt existierte. Sein Partner hatte niemals auch nur mit einem Wort eine Schwester oder besondere Grundschulfreundin erwähnt gehabt. Unweigerlich fragte Crocodile sich, wieso nicht. Doflamingo schien ihn erst jetzt zu bemerken. Er schüttelte gedankenverloren den Kopf, ehe er sich wieder sammelte und mit relativ fester Stimme fragte: "Was gibt es, Baby?“ "Ähm, das Mittagessen ist fertig“, antwortete Crocodile. Doflamingo nickte und erhob sich langsam von dem kleinen Kinderbett. "Ich habe keinen sonderlich großen Hunger“, meinte er, "aber ich setze mich gerne zu dir an den Tisch.“ Er wirkte ungemein ruhig und überhaupt nicht spitzbübisch oder frech, was Crocodile sehr wunderte. So ernst kannte er seinen Partner gar nicht. Ob dessen seltsame Laune wohl von diesem verlassenen Kinderzimmer herrührte? Crocodile musste zugeben, dass ihm dieser unheimliche Gedanke einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Am liebsten wollte er so schnell wie nur möglich dieses Zimmer wieder verlassen, sich ins Esszimmer hinsetzen und das leckere Mittagessen genießen, dass die Bediensteten seines Partners für sie beide gekocht hatten. Hoffentlich würde sich dann auch Doflamingos melancholische Laune rasch wieder verflüchtigen. Crocodile wusste nämlich (ehrlich gesagt) nicht so recht, wie er mit seinem Partner umgehen sollte, wenn dieser so ruhig und ernst war. Es kam nur sehr selten vor, dass Doflamingo sich so untypisch betrübt gab. Normalerweise war er eine sehr fröhliche und extrovertierte Person. Zu Mittag gab es Rinderrouladen mit Rotkohl und gestampften Kartoffeln. Es wunderte Crocodile, dass sein Partner tatsächlich nichts essen wollte, wo Rinderrouladen doch zu dessen absoluten Leibgerichten gehörte. Doflamingos Zurückhaltung verdarb auch ihm selbst den Appetit und er stocherte eher lustlos in in seinem Essen herum, anstatt es genüsslich hinunterzuschlingen, wie er es seinem mageren Gewicht zuliebe eigentlich tun sollte. Auch ganz abgesehen vom Essen verhielt Doflamingo sich merkwürdig: Die ganze Zeit über sagte er kein Wort, lächelte und grinste nicht, machte nicht einen einzigen Scherz... Allmählich begann Crocodile sich zu sorgen. Er schluckte bedächtig die Portion Rotkohl, die er bis eben noch im Mund gehabt hatte, hinunter, ehe er mit vorsichtiger Stimme fragte: "Doffy? Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst ein wenig, naja, abwesend.“ Sein Partner schreckte auf. "Was?“, fragte er in einem ganz verloren klingenden Tonfall. "Wie bitte? Was hast du gesagt? Ich war eben ein wenig in Gedanken.“ "Ob alles in Ordnung mit dir ist?“, wiederholte Crocodile und legte seine Gabel zur Seite. "Du benimmst dich ganz eigenartig.“ "Ich bin okay“, erwiderte Doflamingo mit leiser Stimme und fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht. "Mach dir keine Sorgen.“ Crocodile wusste sofort, dass sein Partner log. Er spürte, dass diesen irgendetwas bedrückte. Schließlich sagte er: "Du weißt, dass du immer mit mir sprechen kannst, nicht wahr, Doffy? Mir ist bewusst, dass in letzter Zeit häufig eher ich derjenige von uns beiden gewesen bin, der wegen seiner Probleme im Vordergrund stand; aber deswegen musst du deine eigenen Problem nicht zurückstecken. Wir können über alles reden! Diese Beziehung funktioniert nur, wenn wir beide gleichberechtigt sind.“ Tatsächlich schienen seine Worte Doflamingo ein Stück weit auftauen zu können. Sein Partner brachte ein wackeres Lächeln zustande und erwiderte: "Das weiß ich doch, Wani. Aber es ist wirklich nichts. Zumindest nichts, was man ändern oder wobei du mir helfen könntest. Es tut mir leid, wenn dich meine traurige Stimmung stört. Gib mir ein bisschen Zeit und, ähm, dann benehme ich mich ganz automatisch wieder normal. Glaub mir: Heute Abend werde ich wieder ganz der Alte sein.“ "Mich stört deine Stimmung nicht“, lenkte Crocodile rasch ein. "Ich mache mir nur Sorgen um dich. So melancholisch kenne ich dich gar nicht.“ Er zögerte einen Augenblick lang, ehe er hinzufügte: "Ist es wiegen diesem alten Kinderzimmer, in dem du eben gewesen bist? Oder... oder hat deine Niedergeschlagenheit vielleicht irgendetwas mit mir zu tun?“ Wenn Crocodile ehrlich war, dann versetzte ihn die Vorstellung, dass womöglich er die Ursache für das distanzierte Verhalten seines Partners darstellte, einen schmerzhaften Stich ins Herz. Hatte Doflamingo genug von ihm? Wurde es ihm allmählich zu viel, sich ständig um seine Probleme kümmern zu müssen? Erst sein heftiger Gewichtsverlust, danach sein Nervenzusammenbruch... Hielt sein Partner ihn nun mehr für ein seelisches Wrack und wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben? "Nein, nein, auf keinen Fall!“, warf Doflamingo rasch ein, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Es ist nicht deine Schuld! Denk doch bitte so etwas nicht! Du bist ein toller Freund und ich liebe dich!“ "Also ist es wegen dem Kinderzimmer?“, hakte Crocodile nach, der nur mit viel Mühe die Erleichterung in seiner Stimme verbergen konnte. Doflamingo zögerte einen Moment lang und biss sich auf die Unterlippe, ehe er sich schließlich geschlagen gab. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar und meinte mit bedächtiger Stimme: "Du hast ja Recht: Es ist wegen dem Zimmer. Es war eine sehr dumme Idee von mir, es zu betreten. Das hätte ich nicht tun sollen.“ "Und wieso nicht?“, fragte Crocodile. "Was hat es mit diesem Kinderzimmer auf sich?“ Er musste sich zusammenreißen, um nicht ein spöttisches Lebt dort ein Geist oder was? anzufügen; immerhin wollte er seinen Partner nicht verletzen. Doflamingo schwieg für eine Weile. Crocodile konnte hören, dass er mit seinen Füßen über den Parkettfußboden scharrte. Eine nervöse Geste, die eigentlich gar nicht zu dem ansonsten immer so selbstsicheren und lustigen Donquixote Doflamingo passte. Unweigerlich begann Crocodile sich Gedanken zu machen. Was hatte es mit dem verlassenen Kinderzimmer auf sich? Doflamingo schwieg solange, dass Crocodile schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete, als dieser plötzlich sagte: "Es hat meinem kleinem Bruder gehört. Also, das zweite Kinderzimmer. Ich habe dir doch erzählt gehabt, dass ich hier früher oft Urlaub gemeinsam mit meiner Familie gemacht habe, nicht wahr?“ "Deinem Bruder?“, hakte Crocodile verwundert nach. Eine solche Antwort hatte er nicht erwartet. "Du hast mir niemals irgendetwas von einem Bruder erzählt. Ich bin immer davon ausgegangen, dass du ein Einzelkind bist.“ Das war er tatsächlich. Weder über seine Eltern noch über seinen dubiosen jüngeren Bruder hatte Doflamingo jemals ein Wort verloren. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Wieso hatte sein Partner ihm die Existenz seines Bruders bisher verheimlicht? Handelte es sich vielleicht um das schwarze Schaf der Familie, über das man mit niemandem sprach? Er könnte im Gefängnis sitzen, dachte Crocodile, oder vielleicht hat er harte Drogen genommen und ist abgestürzt. "Das bin ich inzwischen auch“, erwiderte Doflamingo mit bitterer Stimme. "Er ist vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sein Tod ist der Grund gewesen, wieso ich psychatrische Hilfe in Anspruch genommen habe. Inzwischen komme ich ganz gut mit diesem Verlust zurecht, doch manchmal... wenn ich ein Foto von ihm sehe... oder, wie in diesem Fall, sein altes Kinderzimmer... dann kommen die ganzen schrecklichen Gefühle wieder hoch. Und mir wird wieder bewusst, wie sehr ich ihn vermisse.“ "D-doflamingo, oh mein... Ich... Das tut mir so leid!“ Crocodile wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Also beschloss er, stattdessen lieber zu schweigen. Er stand von seinem Stuhl auf und huschte rasch zu seinem Partner hinüber, schloss diesen in seine Arme. Er konnte spüren, dass Doflamingo am ganzen Leib zitterte. So schrecklich von Trauer erfüllt, hatte er ihn noch niemals erlebt. Wie sollte er sich jetzt am besten verhalten? Doflamingo erwiderte seine Umarmung. Tatsächlich klammerte sich so heftig an seinen Partner, dass es beinahe schon schmerzte. Crocodile hütete sich jedoch davor, auch nur den geringsten Schmerzenslaut von sich zu geben. Er ahnte, dass Doflamingo nun dringend seine Unterstützung brauchte. Darum ließ er es auch geschehen, als dieser ihn kurzerhand auf seinen Schoß zog. Doflamingo vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge seines Partners. Er weinte nicht, doch Crocodile merkte trotzdem sehr deutlich, dass es ihm furchtbar schlecht ging. Beruhigend strich er ihm mit der rechten Hand über seinen Rücken. "Meine Mutter ist gestorben, als ich sechzehn Jahre alt war“, sagte Doflamingo, ohne seinem Partner ins Gesicht zu sehen. "Und mein Vater wenige Tage nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag. Sie waren beide schon ziemlich alt, musst du wissen. Sie wollten immer Kinder haben, aber auf natürliche Weise hat es nicht funktioniert. Irgendwann haben sie sich deswegen für künstliche Befruchtung entschieden. Meine Eltern haben meinen Bruder und mich sehr geliebt. Ihr Tod war ein furchtbarer Verlust für uns.“ Crocodile konnte hören, dass Doflamingo durch die Nase tief ein und aus atmete. Er ließ seine Hand weiter nach oben bis zu dessen Haar gleiten und streichelte es zärtlich. Auch ihn nahm es sehr mit, was sein Partner da von sich gab, doch er spürte, dass Doflamingo nun besonders viel Nähe und Zuwendung brauchte. Crocodile war sich dessen bewusst, dass es sich bei dieser Äußerung über seine Familie um einen sehr großen Vertrauensbeweis handelte. Und er hatte nicht vor, das Vertrauen, das sein Partner in ihn legte, zu missbrauchen. "Mein Leben war nicht gerade leicht, nachdem meine Eltern gestorben waren“, fuhr Doflamingo mit belegter Stimme fort. "Mit gerade einmal einundzwanzig Jahren musste ich Dutzende Firmen und Betriebe leiten. Ich hatte große Angst, einen Fehler zu machen und auf diese Weise das Lebenswerk meiner Eltern zu zerstören. Außerdem war es gleichzeitig meine Aufgabe, mich um Corazon zu kümmern. Er ist nämlich krank gewesen, von Geburt an. Sein zentrales Nervensystem war nicht richtig ausgebildet; deswegen fiel es ihm schwer, seine Bewegungen zu koordinieren. Er ist ständig über seine eigenen Füße gestolpert. Corazon bereitete es auch große Schwierigkeiten zu sprechen. Früher hatte er es wenigstens noch versucht, doch seit dem Tod unseres Vaters sprach er überhaupt nicht mehr. Er verstummte völlig.“ Doflamingo verstärkte den Griff um den Körper seines Partners. Crocodile bekam kaum mehr Luft, doch zwang sich dazu, Ruhe zu bewahren und mit seinen Liebkosungen fortzufahren. "Trotzdem bekamen wir unser Leben insgesamt ganz gut auf die Kette. Irgendwann verarbeiteten sowohl Corazon als auch ich den Tod unserer Eltern. Und als Geschäftsführer machte ich mich entgegen meiner Befürchtungen auch nicht schlecht. Es ging wieder bergauf. Nun ja, bis zu diesem Tag vor zwei Jahren. Corazon ist nicht selbst Auto gefahren. Aufgrund seiner Krankheit wäre es viel zu gefährlich gewesen, sich hinter das Steuer zu setzen. Die Schuld liegt bei einem betrunkenem Autofahrer. Er verursachte einen Unfall, bei dem sowohl er, als auch Corazon und sein Fahrer ums Leben kamen. Ich konnte mich nicht einmal von ihm verabschieden. Die Notärzte, die bei der Unfallstelle eintrafen, konnten bloß noch seinen Tod feststellen. Man... man erlaubte mir auch nicht, seine Leiche zu sehen. Die Ärzte sagten, ich sollte ihn lieber so in Erinnerung behalten, wie ich ihn kannte.“ Doflamingo schluckte hart. Crocodile spürte, dass sein Partner kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Er gab ihm einen sanften Kuss auf sein blondes Haar und drückte ihn so fest wie nur möglich an sich. Um ehrlich zu sein, wusste er nicht, was er jetzt am besten tun sollte. Er war mit dieser Situation völlig überfordert. Noch niemals zuvor hatte er Doflamingo so von Trauer erfüllt erlebt. "Ich erinnere mich noch genau an die letzten Worte, die ich zu ihm gesagt habe“, hörte er diesen verzweifelt flüstern. "Ich habe gesagt: Bis heute Abend, Cora! Hätte ich gewusst, dass ich ihn niemals wieder sehen würde, hätte ich mir etwas Schöneres ausgedacht.“ "Du konntest es doch nicht ahnen“, versuchte Crocodile seinen völlig niedergeschmetterten Partner zu beruhigen. "Niemand konnte das. Mach dir bitte keine Vorwürfe. Das hast du wirklich nicht verdient, Doffy!“ "Das hat mein Psychater auch gesagt“, erwiderte Doflamingo mit bitterer Stimme. Er richtete sich langsam wieder auf und lockerte den harten Griff um den Körper seines Partners. "Und eigentlich dachte ich auch, dass ich über Corazons Tod allmählich hinweg wäre. Aber der Anblick seines Kinderzimmers hat all die alten Gefühle wieder wach gerufen. Alles ist noch genauso wie früher. Mir wird wieder klar, wie sehr er mir fehlt.“ "Natürlich fehlt er dir“, meinte Crocodile und bemühte sich um einen verständnisvoll klingenden Tonfall. Tatsächlich konnte er die Situation, in der Doflamingo sich befand, relativ gut nachvollziehen. Immerhin hatten seine eigenen Geschwister ebenfalls nach einem Autounfall um sein Leben gebangt. Der Verlust seiner linken Hand hätte beinahe den Tod für ihn bedeutet. "Er ist dein Bruder gewesen und du hast ihn sehr geliebt. Aber wegen seines Todes darfst du nicht verzweifeln. Ich, ähm, ich habe Corazon zwar nicht gekannt, doch ich bin mir sicher, er hätte nicht gewollt, dass du in Trauer versinkst. Dir fehlt Corazon, doch denk an die vielen Menschen, die du immer noch hast: Bellamy, Dellinger, Law, Kuma und noch viele mehr. Du musst stark sein für die Leute, die du liebst.“ Doflamingo nickte zaghaft und wischte sich mit einer Hand über die Augen. Zwar hatte er nicht angefangen zu weinen, doch Crocodile konnte eindeutig einen feuchten Schimmer in ihnen erkennen. "Ich versuche es“, meinte Doflamingo und brachte sogar ein tapferes Lächeln zustande. "Du hast Recht: Corazon hätte nicht gewollt, dass ich mich von meiner Trauer zerfressen lasse. Schon als Kind hat er es immer gehasst, wenn ich geweint habe. Ich muss versuchen, stark zu bleiben. Nicht nur für Bellamy, Dellinger und die Anderen. Vor allem für dich, Crocodile!“ Er hielt einen Moment lang inne und blickte ihn durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille heraus an. Dann sagte er in einem unerwartet ernsten Tonfall: "Du bist jetzt meine Familie, Crocodile. Ich liebe dich mehr als alles Andere auf der Welt. Mit dir möchte ich mein Leben verbringen. Und du brauchst im Moment meine Hilfe dringender als ich deine. Darum möchte ich für dich stark sein.“ Crocodile wusste nicht, was er auf diese Aussage erwidern sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner so etwas sagen würde. Dass er ihn als seine Familie bezeichnen würde. Crocodile spürte einen schweren und schmerzhaften Kloß in seinem Hals. Doflamingo liebte ihn so sehr, schoss es ihm durch den Kopf, und er log ihn jeden Tag an. "Ich liebe dich auch“, meinte Crocodile schließlich recht unbeholfen. "Ich, ähm, tut mir leid... Ich weiß jetzt gar nicht so richtig, was ich sagen soll. Das... ähm...“ "Ist schon gut“, unterbrach ihn Doflamingo mit leiser Stimme und streichelte zärtlich seine Hand. "Vermutlich habe ich dich eben ziemlich überrannt. Du weißt schon, wegen der Geschichte über meinen Eltern und Corazon. Ich brauche nur zu wissen, dass du mich genauso sehr liebst wie ich dich liebe. Mehr musst du gar nicht sagen.“ Doflamingo schloss ihn erneut in seine Arme, doch diesmal war es keine schmerzhafte, sondern eine sehr sanfte und liebevolle Umarmung. Crocodile schloss seine Augen und bettete seinen Kopf auf der Schulter seines Partners. Es fiel ihm schwer zu verarbeiten, was Doflamingo ihm da eben erzählt hatte. Ihn schockierte die Vergangenheit des Anderen. Damit hatte er nicht gerechnet. Crocodile kam nicht umhin, heftiges Mitleid für seinen Partner zu empfinden. Er hatte immer gedacht, mit seiner eigenen Familiensituation hätte er ein schlechtes Los gezogen, doch Doflamingo hatte es ganz offensichtlich noch viel schlimmer getroffen. * "Was hältst du von einem romantischen Strandspaziergang?“, fragte ihn Doflamingo am frühen Abend ihres vierten Urlaubstages. "Wir haben uns das Meer noch gar nicht richtig angesehen.“ Crocodile blickte verwundert auf und legte schließlich die Zeitung, in der er bis eben noch geblättert hatte, zur Seite. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner ausgerechnet heute Abend gerne einen Strandausflug machen wollte. Wenn er ehrlich war, dann hätte er eigentlich lieber den Wirtschaftsteil seiner Zeitung zu Ende gelesen. Doch da Doflamingo einen so erwartungsvollen Eindruck machte, gab Crocodile schließlich kleinbei und erhob sich von der gemütlichen Wohnzimmercouch. "Von mir aus“, meinte er und bemühte sich darum, seinen fehlenden Enthusiasmus so gut wie möglich zu verbergen. "Gib mir nur einen kleinen Moment Zeit. Ich ziehe mir eben meine Schuhe an.“ "Du kannst ruhig barfuß gehen“, lenkte Doflamingo mit unbekümmerter Stimme ein. "Schließlich sind wir direkt am Strand.“ "Ähm, okay, gut“, erwiderte Crocodile zaghaft. Er wusste nicht, ob ihm der Gedanke gefiel, draußen barfuß umher zu laufen. Normalerweise verzichtete er bloß in den eigenen vier Wänden auf festes Schuhwerk. "Ist alles in Ordnung bei dir?“, hakte Doflamingo in einem leicht besorgt klingenden Tonfall nach, als er seine Zurückhaltung bemerkte. "Klar“, antwortete Crocodile rasch. Sein Partner schien sich sehr auf ihren gemeinsamen Strandausflug zu freuen; er wollte ihm diese Erfahrung nicht wegen seiner eigenen schlechten Laune kaputt machen. "Ich habe mich eben nur selbst gefragt, wann ich das letzte Mal barfuß draußen gewesen bin. Mein letzter Strandurlaub ist bestimmt schon fünf oder sechs Jahre her.“ Seine Antwort schien Doflamingo zu beruhigen. "So lange schon? Jedenfalls musst du dir keine Sorgen machen“, meinte er. "Der Sand ist nicht heiß. Schließlich haben wir fast schon achtzehn Uhr. Inzwischen dürfte er ein wenig heruntergekühlt sein.“ Crocodile nickte. Hand in Hand mit seinem Partner verließ er das luxuriöse Ferienhaus. Wenn er so recht darüber nachdachte, tat ihm ein kleiner Strandspaziergang ja vielleicht sogar ganz gut. Crocodile wusste selbst, dass er eine Person war, die leicht dazu neigte, sich sogar im Urlaub den ganzen Tag lang in den sicheren vier Wänden zu verschanzen. Und außerdem bereitete er seinem Partner auf diese Weise gerne eine kleine Freunde. Denn zumindest Doflamingo schien diesen abendlichen Ausflug sehr zu genießen. Er atmete mehrmals tief die salzige Meerluft ein und aus und ging jeden Schritt so bedächtig, als handelte es sich dabei um seinen letzten. Crocodile musste zugeben, dass der Strandspaziergang tatsächlich keine schlechte Idee gewesen war. Da das Ferienhaus, in dem sie beide während ihres Urlaubs wohnten, völlig abgeschieden dalag, hatten sie auch den Strand ganz für sich allein. Nirgendwo war nervtötendes Stimmengewirr, Radiomusik, Verkehrslärm oder Ähnliches zu hören. Es war ein sehr einsamer und unberührter Ort. Crocodile schloss für eine Minute seine Augen und ließ sich von der Hand seines Partners führen, während er die Ruhe genoss. Der feine Sand fühlte sich kühl und angenehm an unter seinen nackten Füßen. Ab und an wurden sie von der Gischt umspült. Das Meerwasser war kalt, doch Crocodile machte es nichts aus. Er atmete tief durch und nahm den salzigen Geruch, der überall in der Luft lag, in sich auf. "Gefällt es dir hier?“, fragte sein Partner ihn mit ruhiger Stimme. Crocodile öffnete seine Augen wieder und nickte. "Es ist wunderschön“, antwortete er wahrheitsgemäß. Er zögerte kurz, dann fügte er hinzu: "Vielen Dank, dass du mich zu diesem Urlaub eingeladen hast, Doffy. Zuerst war ich ein wenig skeptisch, doch inzwischen habe ich festgestellt, dass ein wenig Erholung genau das war, was ich nötig hatte. Ich fühle mich schon viel besser. Entspannter, ruhiger und … naja, einfach glücklicher.“ "Das freut mich sehr“, erwiderte Doflamingo zaghaft lächelnd. Er senkte für etwa eine Sekunde den Blick und schluckte schwer, ehe er stehenblieb. Crocodile zog verwundert die Augenbrauen zusammen und sah zu seinem Partner hinüber. Verunsichert fragte er sich, was mit diesem wohl los war. Dann sah er zum Meer hinüber und verstand, was der Grund dafür war, dass Doflamingo innehalten wollte. In genau diesem Moment ging nämlich die Sonne unter. Auch wenn Crocodile nicht gerade viel für Romantik übrig hatte, konnte er den Blick doch nicht abwenden. Die untergehende Sonne tauchte die glatte Oberfläche des Meeres, das sich schier unendlich vor ihnen ausbreitete, in warme Rot- und Orangetöne. Man könnte meinen, das Wasser wäre bunt angemalt worden. Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal ein solch schönes Naturschauspiel miterleben durfte. In der Großstadt sah der Sonnenuntergang nie so unfassbar spektakulär und atemberaubend schön aus wie hier am Strand. Doflamingo räusperte sich. Crocodile wandte sich wieder seinem Partner zu. Dieser fuhr sich nervös mit der Hand über den Mund, ehe er nach dem Gestell seiner Sonnenbrille griff und sie in seiner linken Hosentasche verstaute. Verwundert stellte Crocodile fest, dass Doflamingos strahlend grüne Iriden sowohl Unsicherheit und Ungeduld als auch pure Angst ausdrückten. In einem solchen Zustand hatte er ihn noch niemals zuvor erlebt. Crocodile wurde erst klar, was sein Partner im Sinn hatte, als dieser vor ihm auf die Knie ging. Ihm wurde augenblicklich übel und die Sicht verschwamm vor seinen Augen. In seinem Kopf pochte es so heftig, dass man meinen könnte, anstelle seines Gehirns befände sich ein zweites Herz dortdrin. Crocodile wollte schlucken, doch seine Kehle war so trocken, dass es ihm einfach nicht gelingen wollte. Er fühlte sich hundeelend. Nein, dachte er und selbst die Stimme in seinem Kopf hörte sich furchtbar verzweifelt an. Nein, nein, nein! Bitte nicht! Alles, nur das nicht! "Crocodile“, begann Doflamingo und griff nach seiner Hand. "Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe, ist es um mich geschehen gewesen. Ich bin zu dem Geschäftsessen erschienen, bei dem wir beide uns kennengelernt haben, ich habe dich dort sitzen sehen und wusste sofort, dass du der Mann bist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Während der letzten neun Monate habe ich immer wieder feststellen dürfen, was für ein wundervoller Mensch du bist. Anstelle des erfolgreichen Geschäftsmann, siehst du in mir mein wahres Ich. Du bist nicht hinter meinem Geld her, sondern verbringst Zeit mir mir, weil du mich liebst. Du unterstützt mich, ganz gleich was auch geschieht. Und du bist immer für mich da, wenn ich dich brauche. Ich kann deine Schönheit, deine Eleganz und deine Klugheit kaum in Worte fassen. Es ehrt, dass du dich ausgerechnet in mich verliebt hast. Allein schon morgens neben dir aufzuwachen, scheint mir das größte Freude zu sein, die ich erfahren kann. Nichts macht mich glücklicher, als in deiner Nähe zu sein.“ Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht laut aufzuschreien und einfach davonzulaufen. Er wollte diesen Heiratsantrag nicht. Und er wollte auch die vielen Komplimente nicht, die Doflamingo ihm machte. Sie beide durften unter keinen Umständen heiraten! Crocodile konnte nicht von seinem... seinem Ehemann verlangen, wegen ihm für mehr als 350.000 Berry Schulden zu bürgen. Es wäre hinterlistig und egoistisch, Doflamingo mit seinen Problemen zu beladen. Doch hatte er überhaupt eine Wahl? Panik breitete sich wie ein starkes Nervengift in seinem ganzen Körper aus. Den Heiratsantrag seines Partners abzulehnen war praktisch gleichzusetzen mit einem Trennungswunsch. Und die Beziehung zu Doflamingo zu beenden, war das Allerletzte, was Crocodile wollte. Er liebte diesen Mann. Er war sich absolut sicher, dass er der Richtige für ihn war. Nur heiraten wollte er ihn nicht. "Ich sehe dich schon lange als einen Teil meiner Familie an“, fuhr Doflamingo fort. "Und nun endlich möchte ich dich auch ganz offiziell dazu machen.“ Crocodile beobachtete, wie Doflamingo in seine rechte Hosentasche griff und eine kleine Aufbewahrungsbox für Schmuck hervorholte. Oh nein!, schoss es ihm unweigerlich durch den Kopf. Sein Partner hatte also sogar einen Ring für ihn gekauft. Einen Verlobungsring. Crocodile spürte, dass er Atemnot bekam. Er zwang sich dazu, Ruhe zu bewahren, und sah dabei zu, wie Doflamingo die kleine Box öffnete. Ein wunderschöner Goldring mit einem grünem Edelstein kam zum Vorschein. In jeder anderen Situation hätte Crocodile sich über dieses Geschenk sehr gefreut. Im Augenblick jedoch empfand er diesen kleine Ring als genauso furchterregend wie eine Todesdrohung. Eine Todesdrohung, der er nicht entkommen konnte. Denn was blieb ihm Anderes übrig, als den Heiratsantrag seines Partners anzunehmen? Crocodile wollte Doflamingo nicht verlieren. Doch gleichzeitig war er sich dessen bewusst, dass all seine Lügen aufliegen würden, sobald er diesen heiratete. Er konnte weder vor noch zurück. Er war gefangen in dem Netz aus Lügen, das er selbst gestrickt hatte. Crocodile musste sich zusammenreißen, um nicht erneut in Tränen auszubrechen. "Crocodile, willst du mich heiraten?“ Die Welt stand still. Crocodile brachte kein Wort über die Lippen. Doflamingos strahlend grüne Augen blickten ihn unverwandt an. Abwartend. Abschätzend. Ängstlich. Crocodile spürte, dass ein paar heiße Tränen seine Wangen hinunterliefen. Er durfte Doflamingo jetzt nicht verlieren. Zumindest ein wenig mehr Zeit wollte er sich erkaufen. "Ja“, sagte er mit zittriger Stimme und hielt ihm ziemlich ungelenk seine rechte Hand hin. "Ja, ich will!“ Crocodile sah nicht hin, als sein Partner ihm den Verlobungsring aufsteckte. Er spürte es bloß. Der goldene Ring mit dem grünen Edelstein fühlte sich für ihn an wie eine Schlinge, die man ihm um den Hals legte. Crocodile bemühte sich darum, sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Er zwang sich selbst zu einem wackeren Lächeln und schloss Doflamingo in die Arme. Sein Partner lächelte glückselig. bye sb Kapitel 12: Kapitel 6 (zensiert) -------------------------------- Es war ein gewöhnlicher Mittwochabend. Crocodile hatte sich in sein Lesezimmer zurückgezogen; er saß auf dem gemütlichen Sessel und hatte ein Buch aufgeschlagen auf seinen Oberschenkeln liegen. Es handelte sich um einen Roman, den er schon vor mehr als einem Jahr gekauft hatte, in dem er heute allerdings zum ersten Mal las. In letzter Zeit kam Crocodile nur selten zur Ruhe. In der Bank wurde er den ganzen Tag lang mit Aufgaben gequält, die ebenso stupide wie mühselig waren. Der Tag seiner endgültigen Entlassung rückte immer näher. In zwei Wochen würde Crocodile arbeitslos sein bzw. in Urlaub, wie er es seinem Partner weisgemacht hatte. Danach würde er sehen müssen, wie es weiterging. Weil er so viele Überstunden machte und nach Feierabend noch eine einstündige Heimfahrt vor sich hatte, bekam Crocodile inzwischen nur sehr selten die Gelegenheit, sich ein wenig zu entspannen. Vor allen Dingen da Doflamingo ihn meistens in Anspruch nahm, kaum trat er über die Türschwelle der Villa. Crocodile war sich dessen bewusst, dass sein Leben vermutlich einfacher und ruhiger vonstatten ginge, würde er die Beziehung zu seinem Freund nicht führen; doch trotzdem war er sehr glücklich mit Doflamingo. Für nichts und niemanden würde er seinen Partner eintauschen. Dennoch genoss er die seltenen Momente, in denen er allein sein und sich mit einem guten Buch in sein privates Lesezimmer zurückziehen konnte. Die Ruhe währte nicht lange. Crocodile schlug gerade die 34. Buchseite um, als er ein Klopfen an der Tür hörte. Mit viel Anstrengung zwang er sich dazu, sich sein Missfallen nicht anmerken zu lassen und stattdessen einen neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen, ehe er "Herein!" sagte. Doflamingo öffnete die Türe und lugte mit dem Kopf in das Zimmer hinein. "Es gibt Abendessen", meinte er in einem freundlichen Tonfall. "Kommst du?" Crocodile zögerte einen kurzen Moment lang, ehe er meinte: "Ach, weißt du, ich habe gerade keinen sonderlich großen Hunger." Diese Worte waren halb gelogen. Eigentlich hatte er nämlich bloß keine Lust darauf, sich jetzt mit seinem anstrengenden Freund auseinanderzusetzen. Viel lieber blieb er noch für eine Weile in seinem Lesezimmer (den einzigen Ort in der gesamten Villa, den er ganz für sich hatte) und las in seinem Roman. Es war lange her, seit er das letzte Mal die Zeit gefunden hatte, um ein wenig zu lesen. Doflamingo schob unwillig die Unterlippe nach vorne. "Wie kommt es, dass du keinen Hunger hast?", fragte er mit ungemein vorwurfsvoller Stimme. "So wie ich dich kenne, hast du dir heute Mittag in der Bank sicherlich nicht die Zeit genommen, um auch nur eine Kleinigkeit zu essen. Nicht wahr? Weil du dich mal wieder komplett in deine Arbeit hineingesteigert hast! Da solltest du dann wenigstens Zuhause vernünftig essen!" "Jetzt veranstalte doch nicht gleich ein solches Theater", erwiderte Crocodile. Er fühlte sich persönlich verletzt, weil sein Partner ihm (wie so oft) vorwarf, seine Arbeit über seine Gesundheit zu stellen. Crocodile war sich dessen bewusst, dass Doflamingos Worten durchaus ein Körnchen Wahrheit zugrunde lag, doch trotzdem gefiel es ihm nicht, dass dieser sich das Recht herausnahm, über ihn zu urteilen. "Dass ich gerade keinen Hunger habe, hat überhaupt nichts mit meiner Arbeit zu tun. Ich habe heute eine Mittagspause eingelegt und etwas gegessen! Ich möchte nur gerne in Ruhe dieses Buch weiterlesen. In letzter Zeit bekomme ich selten die Gelegenheit, mich zurückzuziehen und ein wenig zu entspannen." Mit diesem Argument schien er seinen Partner glücklicherweise besänftigen zu können; trotzdem wirkte Doflamingo nicht vollständig überzeugt. Er blieb nicht länger im Türrahmen stehen, sondern machte zwei große Schritte in den Raum hinein. Er schwieg einen kurzen Moment lang, ehe er sagte: "Ich kann gut verstehen, dass du ab und an ein wenig Ruhe brauchst. In letzter Zeit bist du sehr oft gestresst. Aber ich fände es trotzdem schön, wenn du gemeinsam mit mir zu Abend essen würdest." "Ich habe dir doch gerade eben erklärt, dass ich keinen Hunger habe!", warf Crocodile energisch ein. "Dann setz dich doch wenigstens mit mir an den Tisch", erwiderte Doflamingo. "Nur für eine halbe Stunde. Vielleicht bekommst du ja Appetit, wenn du das Essen siehst. Außerdem würde ich mich sehr über deine Gesellschaft freuen. Bitte, Crocodile! Tu mir diesen Gefallen!" Crocodile seufzte leise auf, klappte sein Buch zu und legte es auf den Beistelltisch neben dem Sessel. Anschließend stand er auf. "Na von mir aus", meinte er. Doflamingo legte seine Arme um ihn und drückte ihn sanft. Crocodile ließ die Umarmung zu. Er legte den Kopf an die Brust seines Partners und lauschte eine Weile dessen gleichmäßigen Herzschlägen. Vielleicht, dachte er, war es keine allzu schlechte Sache, Doflamingo eine kleine Freude zu bereiten, indem er sich zu diesem an den Tisch setzte. "Aber essen werde ich trotzdem nichts", meinte er, während er gemeinsam mit seinem Partner das Zimmer verließ und sich auf den Weg in Richtung Speisesaal machte. "Ich habe im Moment einfach keinen Hunger. Daran kannst auch du nichts ändern, Doflamingo." "Bist du dir da ganz sicher?", entgegnete ebenjener mit einem Grinsen, das Crocodile auf der Stelle misstrauisch werden ließ. "Heute gibt es nämlich Spaghetti mit Oliven und Tomaten. Das ist doch dein Leibgericht, wenn ich mich nicht irre?" "Hmpf!", machte Crocodile und warf seinem Partner einen missbilligenden Blick zu. Doflamingo hatte nicht Unrecht: Bei Spaghetti mit Oliven und Tomaten handelte es sich tatsächlich um seine absolute Leibspeise. Am besten noch mit Schafskäse dazu. Überhaupt aß er gerne Pastagerichte. (Wenn sie nicht zu scharf gewürzt wurden, vertrug sein Magen sie gut.) Dennoch ärgerte es ihn, dass Doflamingo seine Entscheidung, heute Abend nichts zu essen, einfach nicht akzeptieren wollte. Er war kein kleines Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann, der durchaus seine eigenen Entscheidungen treffen konnte! Leider schien sein Partner durch den abfälligen Laut, den er eben von sich gegeben hatte, nur noch weiter angestachelt worden zu sein. Doflamingo presste seine Lippen fest aufeinander und atmete durch die Nase hörbar ein und aus, ehe er in einem relativ aggressivem Tonfall meinte: "Sag mal, was ist eigentlich los mit dir? Wieso versteifst du dich so heftig darauf, heute Abend nichts essen zu wollen?" "Ich versteife mich überhaupt nicht!", erwiderte Crocodile rasch, der sich sofort angegriffen fühlte. "Du übertreibst bloß völlig! Was ist denn so furchtbar schlimm daran, wenn ich einmal keinen Appetit habe? Davon geht die Welt nicht unter!" "Einmal? Einmal?!", erwiderte Doflamingo in einer nicht minder aufgeregt klingenden Stimmlage. "Ich müsste mir keine Sorgen machen, wenn du nur einmal keinen Hunger hättest, Crocodile! Aber du verweigerst ständig die Nahrungsaufnahme: Bei der Arbeit isst du nicht, Zuhause isst du nicht und auswärts essen möchtest du auch nicht! Man könnte meinen, du würdest an einer Essstörung leiden!" "Du redest Unsinn!", erwiderte Crocodile barsch. Er konnte die Kritik seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen. Doflamingo tat so, als würde er täglich bloß ein Blättchen Salat und einen halben Apfel zu sich nehmen. Dabei handelte es sich natürlich um absoluten Blödsinn. Crocodile gab zu, dass er vor allem bei der Arbeit nicht jeden Tag dazu kam, eine Mittagspause einzulegen und eine Kleinigkeit zu essen, doch ihm gleich eine Essstörung zu unterstellen, hielt er für völlig übertrieben. Schließlich zwang Crocodile sich nicht dazu, nichts zu essen und hungrig zu bleiben; ganz im Gegenteil: Sein Appetit kam häufig einfach nicht auf. Dafür konnte aber er doch nichts! "Es ist kein Unsinn!", hielt Doflamingo dagegen. Er blieb stehen und fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Anschließend meinte er: "Vielleicht bist du dir dessen selber nicht ganz bewusst, doch dein derzeitiges Essverhalten ist wirklich mehr als bedenklich. Und ich mache mir deswegen große Sorgen um dich. Du hast auch schon viel zu viel abgenommen!" "Ich habe überhaupt nicht abgenommen", entgegnete Crocodile. In seinen Augen ergaben die Worte seines Partners überhaupt keinen Sinn. Gut, womöglich aß er in letzter Zeit nicht ganz so gut wie man es sollte, weil er häufig unter Zeitdruck stand, doch es war unmöglich, dass er signifikant viel abgenommen hatte. "Das wäre mir doch aufgefallen! Du übertreibst, Doffy! Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen um mich machst, aber du übertreibst. Was du da über eine Essstörung oder einen Gewichtsverlust sagst, ist ganz einfach nicht wahr." Er konnte Doflamingo wütend aufseufzen hören. Dieses ungewohnte Geräusch veranlasste Crocodile dazu, hellhörig zu werden. Normalerweise war Doflamingo eine Person, die alles auf die leichte Schulter nahm und einfach niemals rational sein konnte. Dass er ernsthaft genervt aufseufzte, kam nur sehr selten vor. Es war ein schlechtes Zeichen. "Es gibt eine ziemlich einfache Möglichkeit, um meine Behauptung zu beweisen", meinte dieser spitz. Er streckte seinen Arm aus und deutete auf eine Tür, die von dem Korridor, in dem sich sich momentan befanden, abzweigte. "Dort drüben ist ein Badezimmer. Darin befindet sich auch eine Waage. Spätestens wenn du dich wiegst, wirst du feststellen müssen, dass ich die Wahrheit sage und du an Gewicht verloren hast!" Crocodile warf einen verunsicherten Blick zur Badezimmertüre hinüber. Noch immer hielt er die Worte seines Partners schlichtweg für Unfug. Doflamingo übertrieb bloß in seiner Fürsorge; er war jemand, der leicht in Sorge geriet um die Menschen, die ihm viel bedeuteten. Crocodile schüttelte den Kopf. "Ich werde deine Paranoia garantiert nicht unterstützen", meinte er darum und verschränkte die Arme vor der Brust. "Und können wir diese Diskussion jetzt bitte endlich beenden? Akzeptier doch einfach, dass ich heute Abend nichts essen möchte. Ich schätze sehr, dass du dich um mich sorgst, Doflamingo, aber vergiss bitte nicht, dass ich ein erwachsener Mensch bin. Ich kann auf mich selbst aufpassen!" "Dein Alter tut hier überhaupt nichts zur Sache", erwiderte Doflamingo unerbittlich. "Ich glaube nämlich, du bist so fürchterlich gestresst in letzter Zeit, dass dir manche Dinge einfach nicht auffallen. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass du ständig die Nahrungsaufnahme verweigerst. Oder dass du nie ausgehen möchtest. Oder dass du dich jede freie Minute in deinem Lesezimmer verschanzt!" Crocodile fasste überhaupt nicht, was sein Partner ihm da an den Kopf warf. Er fühlte sich schrecklich verletzt durch dessen Vorwürfe. Er hatte gar nicht gewusst, dass so viele seiner Verhaltensweisen seinen Freund störten. Woher auch? Bisher hatte sich dieser nie bei ihm beschwert. "Na und?", erwiderte er in Ermangelung einer schlagfertigeren Erwiderung. "Dann habe ich in letzter Zeit eben nicht sonderlich viel Lust darauf, ins Kino zu gehen oder in einen Nachtclub! Ich wüsste nicht, dass es sich dabei um ein Schwerverbrechen handelt. Und falls du es vergessen haben solltest: Das letzte Mal, als wir beide ausgegangen sind, ist der Abend für mich mit einer schweren Vergiftung und einem Krankenhausaufenthalt geendet. Da ist es doch wohl logisch, dass ich mich eine Zeit lang lieber an Orten aufhalte, an denen ich mich sicher fühle!" "So habe ich es doch gar nicht gemeint", lenkte Doflamingo mit verzweifelter Stimme. "Ich will dir keine Vorwürfe machen! Ich möchte bloß, dass du einsiehst, dass sich dein Verhalten in letzter Zeit stark verändert hat. Und dass mir diese Verhaltensänderungen große Sorgen bereiten. Ich frage mich, was die Ursache dafür sein könnte. Irgendetwas belastet dich so stark, dass deine Psyche ganz schrecklich darunter leidet. Und nur wenn du einsiehst, dass mit dir etwas nicht stimmt und wir gemeinsam nach den Grund suchen, kann dir geholfen werden. Verstehst du? Ich will dir keine Vorwürfe machen, Crocodile - ich will dir helfen!" "Du tust so, als wäre ich reif für die Klapsmühle!" Langsam begann Crocodile sich ernsthaft bedrängt von seinem Partner zu fühlen. Wie hatte eine Diskussion über Spaghetti mit Oliven und Tomaten nur so fürchterlich ausarten können? Allmählich bekam Crocodile das Gefühl, dass nicht er, sondern Doflamingo irgendwelche unterdrückten Probleme hatte. "Du drehst mir die Worte im Mund herum!", warf ebenjener ihm vor. Er schien nun endgültig die Geduld zu verlieren, denn anschließend fügte er hinzu: "Wenn du die Ansicht vertrittst, dass mit deinem Gewicht alles in Ordnung ist, dann dürfte es für dich doch eigentlich überhaupt kein Problem darstellen, dich zu wiegen, oder? Verkürzen wir diese Diskussion einfach: Du stellst dich auf die Waage. Wenn sie dein normales Gewicht anzeigt, entschuldige ich mich bei dir und verspreche, nie wieder ein Wort über deine Ernährung zu verlieren. Wenn du allerdings untergewichtig sein solltest, wirst du dir eingestehen müssen, dass ich Recht habe. Und dazu gleich zwei ganze Teller Spaghetti essen! Deal?" Crocodile seufzte genervt auf und wischte sich mit der rechten Hand über sein Gesicht. Schließlich gab er sich geschlagen: "Von mir aus. Ansonsten wirst du wohl nie Ruhe geben. Außerdem freue ich mich schon auf eine Entschuldigung deinerseits. Das hat schließlich echten Seltenheitswert." Mit dieser Aussage hatte Crocodile nicht Unrecht: Er wusste genau, dass Doflamingo es abgrundtief hasste, sich bei irgendjemandem zu entschuldigen. Er tat es bloß in absoluten Ausnahmesituationen. "Gut", meinte Doflamingo, der plötzlich wieder viel ruhiger wirkte. Er lotste Crocodile rasch ins nächste Badezimmer und deutete auf die Waage, die dort neben dem Waschbecken auf dem Fußboden stand. Aus irgendeinem Grund musste Crocodile schlucken, als er den Blick auf die Waage warf. Er begann sich unwohl zu fühlen. Vermutlich, dachte er, weil die ganze Situation völlig lächerlich war: Es war ein Fehler gewesen, sich Doflamingos paranoidem Kontrollwahn zu beugen und zu diesem Test überreden zu lassen. Schließlich stand Crocodile nicht in der Pflicht, irgendjemandem irgendetwas zu beweisen. Rastlos rieb er sich mit der rechten Hand über den linken Unterarm und zögerte den Schritt auf die Waage so lange wie nur möglich hinaus. Erst als er Doflamingo recht ungeduldig "Wir haben einen Deal!" sagen hörte, überwand Crocodile sich und stieg auf die Waage. Ein Moment verging. Dann erschien auf der digitalen Anzeige die Zahl 66. Crocodiles Augen weiteten sich vor Entsetzen. Hastig stieg er wieder von der Waage herunter. Das war unmöglich! "Wie viel wiegst du?", fragte Doflamingo, der ein oder zwei Schritte von ihm entfernt stand. Er überwand die kurze Distanz zwischen ihnen beiden und legte seine Arme um den Körper seines Partners. "Crocodile? Was sagt die Waage?" "Dass du Recht hast, Doffy", meinte er nach einigen Sekunden des Zögerns mit belegter Stimme. "Ich habe wirklich abgenommen. Das ist mir überhaupt nicht aufgefallen. Wie kann es denn nur sein, dass mir so etwas nicht auffällt?" Verzweifelt schüttelte er den Kopf und legte sich sogar die Hand über die Augen. Für Crocodile kam dieses Ergebnis völlig überraschend. Er hatte nicht damit gerechnet, dass tatsächlich nicht Doflamingo, sondern er selbst derjenige war, der falsch lag. Plötzlich überkam ihn ein furchtbares Gefühl von Machtlosigkeit: In zwei Wochen würde er arbeitslos sein, er war völlig überschuldet, riskierte jeden Tag durch unzähligen Lügen die Beziehung zu seinem Freund... und nun schaffte er es nicht einmal mehr, die Kontrolle über seinen eigenen Körper zu behalten. Crocodile musste mehrmals tief durchatmen, um zu verhindern, dass er auf der Stelle in Tränen ausbrach. Allmählich wurde diese erdrückende Lebenssituation zu viel für ihn... "Ganz ruhig", flüsterte die Stimme seines Partners in sein Ohr. Doflamingo drückte ihn fest an sich und Crocodile legte ebenfalls die Arme um den Körper des Anderen. Es tat unwahrscheinlich gut, Doflamingo jetzt so nah zu spüren. Sofort beruhigte Crocodile sich wieder ein wenig. Zumindest konnte er die Tränen zurückhalten und bald auch seinen Atem wieder normalisieren. "Alles ist gut", fuhr Doflamingo mit sanfter Stimme fort und verteilte Schmetterlingsküsse auf sein Haar. "Wir kriegen das wieder hin. Es gibt keinen Grund zur Panik. Gemeinsam schaffen wir das schon." Sein Partner ließ ihn erst wieder los, als Crocodile den schlimmsten Schock überwunden hatte und nicht mehr Gefahr lief, jeden Moment in Tränen auszubrechen. Er war sehr dankbar für die Unterstützung seitens Doflamingo. Es war ein unwahrscheinlich gutes Gefühl zu wissen, dass jemand da war, der sich kümmerte und sorgte. "Das letzte Mal habe ich mich vor vielleicht acht oder neun Wochen gewogen", meinte Crocodile und bemühte sich um eine gefasste Stimmlage, während er sprach. "Damals habe ich etwa 80, 81 Kilogramm gewogen. Jetzt sind es nur noch 66. Ich habe in kaum zwei Monaten 15 Kilogramm abgenommen! Ohne Sport zu treiben, ohne es auch nur zu merken. Wie konnte das denn bloß passieren?!" "15 Kilogramm?", wiederholte Doflamingo mit ungläubiger Stimme. Selbst er, der immer übertrieb und zur Überfürsorge neigte, schien mit einer solch gewaltigen Zahl nicht gerechnet zu haben. Crocodile nickte beschämt. "Die unterste Grenze für das Normalgewicht bei meiner Größe liegt bei etwa 78 Kilogramm. Das heißt also, ich habe satte 12 Kilogramm Untergewicht." "Wow", meinte Doflamingo und drückte damit ziemlich treffend Crocodiles derzeitige Gefühlslage aus. Er schwieg einen Moment lang, ehe er hinzufügte: "Es liegt höchstwahrscheinlich an dem vielen Stress, den du in letzter Zeit durch die Arbeit hast. Du findest nur noch selten die Zeit, um vernünftig zu essen. Ich denke, sobald du Urlaub hast, wirst du auch wieder mehr Appetit bekommen. Außerdem ist Erkenntnis immer der erste Schritt zur Besserung: Jetzt, da du deinen Gewichtsverlust endlich eingesehen hast, wirst du sicherlich eher darauf achten, genug zu essen. Am besten wir fangen gleich heute Abend an. Du hast mir versprochen, zwei Teller Spaghetti zu essen, sollte ich Recht behalten. Nun, du hast die Wette verloren." Crocodile nickte matt und verließ gemeinsam mit seinem Partner das Badezimmer. Er fühlte sich völlig ausgelaugt. Das Wissen, das er eben bezüglich seines Gewichts erlangt hatte, machte ihn völlig fertig. Immerhin hatte er nicht bloß vier oder fünf Kilogramm abgenommen, sondern gleich 15! Und das innerhalb von bloß zwei Monaten! Crocodile seufzte leise und fuhr sich durch sein dunkles Haar. Wenn er ehrlich war, dann hatte ihm diese Erkenntnis seinen sowieso kaum vorhanden Appetit völlig verdorben. Trotzdem würde er sich darum bemühen, sein Versprechen zu halten und zwei Teller leerzuessen. Er benötigte jede einzelne Kalorie, die er bekommen konnte. Und bei Spaghetti mit Oliven und Tomaten handelte es sich zumindest um sein Leibgericht. In den nächsten Tagen achteten sowohl Doflamingo als auch Crocodile selbst sehr genau darauf, dass er genug Nahrung zu sich nahm. Sein Partner frühstückte morgens mit ihm gemeinsam und gab sogar in der Küche Bescheid, man sollte ihm ein leichtes Lunch-Paket fertig machen, das er dann mit zur Arbeit nehmen könnte. "Das Problem ist, dass du in der Bank viel zu viel zu tun hast“, erklärte Doflamingo. "Du findest einfach nicht genug Zeit, um mal eine Dreiviertelstunde Mittagspause zu machen und essen zu gehen. Deswegen ist ein Lunch-Paket, das du dir selber mitnimmst, ideal. Du musst nicht einmal dein Büro verlassen. Wenn du Appetit bekommst und Lust auf eine kleine Mahlzeit zwischendurch hast, suchst du dir einfach einen Imbiss aus. Manches muss man nicht einmal warm machen.“ "Vielen Dank, Doffy“, sagte Crocodile und meinte seine Worte wirklich ehrlich. "Es ist sehr lieb, dass du dich so sehr um mich sorgst.“ Doflamingo wirkte zwar geschmeichelt, doch winkte ab. "Das ist doch absolut selbstverständlich“, erwiderte er. "Immerhin bin ich dein Partner. Dass ich mich um deine Gesundheit sorgen soll, stand in der Jobbeschreibung. Und wenn du mir wirklich danken möchtest, dann sieh am besten zu, dass du heute mindestens drei Kleinigkeiten aus deinem Lunch-Paket isst, ja?“ Crocodile nickte und konnte ein Lächeln nicht verhindern. Es war einfach ein unfassbar schönes Gefühl zu wissen, dass sich jemand um ihn kümmerte. Crocodile war kein Romantiker und er betrachtete seine Beziehung zu seinem Partner auch nicht durch eine rosarote Brille, doch trotzdem schätzte er es wert, dass sich Doflamingo so viele Gedanken um ihn machte. In solchen Momenten spürte er ganz deutlich, dass, ganz egal von welch egoistischer und eifersüchtiger Seite sein Freund sich manchmal zeigte, dieser ein unfassbar liebevoller und fürsorglicher Mensch war. Crocodile hatte in seinem Leben schon viele Beziehungen geführt, doch in keiner hatte er sich so gut aufgehoben gefühlt wie in dieser hier. "Wie wäre es, wenn du heute mal nicht selber zur Arbeit fährst“, fuhr Doflamingo fort, als Crocodile sich gerade seine Schuhe anzog, "sondern mein Fahrer dich chauffiert? Dann kannst du ein wenig länger entspannen. Immerhin dauert die Fahrt etwa eine Stunde. Vor allem auf dem Rückweg ist das doch sicher angenehm für dich: Anstatt dich auf den Verkehr konzentrieren zu müssen, könntest du ein Nickerchen machen und wärst nicht so schrecklich gestresst, wenn du Zuhause ankommst.“ "Ähm, von mir aus“, gab Crocodile schulterzuckend zurück. Ihm machte es nichts aus Auto zu fahren, doch auch Doflamingos Vorschlag klang nicht allzu schlecht in seinen Ohren. Anstatt zu schlafen könnte er diese beiden zusätzlichen Stunden Freizeit womöglich auch nutzen, um seine Bewerbungen zu koordinieren. Doflamingos Vorwurf, er würde sich häufig in seinem Lesezimmer verschanzen, war nicht ganz aus der Luft gegriffen: Tatsächlich zog Crocodile sich häufig dorthin zurück, weil er unter allen Umständen verhindern wollte, dass sein Partner etwas von seiner Jobsuche mitbekam. "Gut, dann bis heute Nachmittag, Wani.“ Doflamingo gab ihm einen liebevollen Abschiedskuss auf den Mund, den Crocodile zuließ und (ehrlich gesagt) auch sehr genoss, ehe er los zur Arbeit musste. Er winkte seinem Partner noch ein letztes Mal zu und machte sich dann auf den Weg zur Garage, in der neben Doflamingos vielen Luxuskarossen auch sein Mercedes C 216 untergebracht war. Der Fahrer stand schon bereit und schien ihn zu erwarten. * Robins hübsches Gesicht zierte ein mitleidiger Ausdruck, als sie ihm pünktlich um neun Uhr morgens etwa ein Dutzend dicke Ordner auf den Schreibtisch legte. Crocodile seufzte genervt auf und warf einen unwilligen Blick auf den hohen Papierstapel, ehe er sich an seine Sekretärin wandte: "Was soll ich mit diesen blöden Ordnern machen? Was ist das überhaupt für Kram?“ "Diese Papiere enthalten Informationen über unsere Kunden“, erklärte Robin ihm und schien sich um eine neutrale Stimmlage zu bemühen. "Du sollst sie sortieren.“ "Das kann nichts Sengokus Ernst sein“, erwiderte Crocodile und bemühte sich nicht einmal darum, die Missbilligung und Wut in seiner Stimme zu verbergen. Er fühlte sich schrecklich beleidigt und herabgesetzt. "Ich soll Kundendaten sortieren? Fünf Jahre lang habe ich an einer der besten Universitäten des Landes studiert, diese Bank zahlt mir jeden Monat ein fünfstelliges Gehalt... um die Aufgabe eines Praktikanten übernehmen? Verdammt nochmal, was soll dieser Scheiß?! Das ist doch reine Schikane!“ "Natürlich ist es das“, gab Robin zu. Ihre Stimme klang völlig ruhig und gefasst, so wie immer eben, doch Crocodile kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie auf seiner Seite stand. "Sengoku konnte dich nie leiden. Er hat dich allein aufgrund deiner Qualifikationen eingestellt. Und jetzt, da du bald sowieso entlassen sein wirst, nutzt er jede Gelegenheit, um dich zu tyrannisieren. Ein absolut kindisches Verhalten, das kein bisschen von Charakter zeugt, wenn du mich fragst.“ Crocodile seufzte leise auf und massierte sich mit der rechten Hand die Schläfe. "Das kann doch nicht wahr sein“, murmelte er leise, doch er war sich sicher, dass Robin seine Worte mitbekam. Sie schwieg einen Moment lang, ehe sie sagte: "Ich finde es schrecklich widerlich, wie Sengoku und die anderen hohen Tiere der Bank dich behandeln. Du hast immer gute Arbeit geleistet. Bist pünktlich, zuverlässig und fleißig gewesen. Dieser Fehler, den du gemacht hast, verlangt Bestrafung - aber nicht in Form von Schikane. Eine Gehaltskürzung hätte ich für angemessener gehalten. Diese Praktikantenarbeiten, die man dir aufhalst, sind eine furchtbare Beleidigung. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Sengoku dich fertig machen möchte. Meiner Ansicht nach steckt hinter diesem Verhalten mehr als bloß der finanzielle Verlust, den du verursacht hast. Irgendetwas ist faul an dieser Sache, Crocodile, das sage ich dir!“ Skeptisch hob Crocodile den Blick und sah seiner Sekretärin in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick ohne auch nur ein einziges Mal mit der Wimper zu zucken. Crocodile begann über ihre Worte nachzusinnen. Robin war nicht bloß irgendeine austauschbare Bürokraft - bei ihr handelte es sich um eine höchst gebildete und sehr intelligente Frau. Außerdem war es nicht ihre Art, wilde Spekulationen anzustellen. Wenn sie einen solche Mutmaßung äußerte, dessen war Crocodile sich sicher, dann musste sie einen echten Verdacht haben. "Was meinst du damit?“, hakte Crocodile also nach. "Willst du etwa andeuten, Sengoku hätte noch ein anderes Motiv als den Auftrag, den ich verbockt habe, um mich loszuwerden? Oder zumindest um mich so scheußlich zu schikanieren?“ "Nicht bloß ein anderes Motiv“, erwiderte Robin mit kühler Stimme, "ein Hauptmotiv.“ Sie zögerte einige Sekunden lang, ehe sie hinzufügte: "Hast du dir denn niemals gedacht, dass es nicht gerade eine kluge Entscheidung ist, dem festen Freund des besten Kunden der Bank zu kündigen? Schließlich hat Doflamingo nicht bloß Peanuts auf seinen Konten. Es handelt sich insgesamt um eine Summe im neunstelligen Bereich. Und Sengoku ist nicht gerade bekannt dafür, den sicheren Hafen zu verlassen. Ich denke nicht, dass er es riskieren würde, seinen allerwichtigsten Kunden zu verärgern, indem er dessen Partner wegen eines einzelnen Fehltritts kündigt.“ Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Er erinnerte sich daran, dass auch Mihawk genau diesen Punkt schon einmal angesprochen hatte, als er seinem Bruder von seiner derzeitigen Lebenssituation erzählt hatte. Schließlich erwiderte er: "Um ehrlich zu sein, habe ich mir selbst ebenfalls schon Gedanken darüber gemacht. Du hast Recht: Es passt nicht zu Sengoku, ein solches Risiko einzugehen. Aber hast du denn eine Ahnung, was der eigentliche Grund für meine Kündigung sein könnte? Wieso sollte mich Sengoku unter einem Vorwand entlassen?“ An dieser Stelle zuckte Robin leider ratlos mit den Schultern. "Das weiß ich nicht“, meinte sie mit ehrlich klingender Stimme. "Allerdings würde ich dir raten, Augen und Ohren offen zu halten. Wie gesagt: Irgendetwas ist ganz gewaltig faul an dieser Sache. Und ich würde nur zu gerne wissen, worum es sich dabei handelt.“ "Ich natürlich auch, solltest du Recht behalten“, erwiderte Crocodile mit nachdenklicher Stimme. Was seine Sekretärin da von sich gab, klang durchaus plausibel. Tatsächlich hatte er in letzter Zeit nur wenig Gedanken an den Anlass für seine Kündigung verschwendet; er war viel zu eingenommen von seiner Jobsuche gewesen. Und natürlich dem Aufwand, seine baldige Arbeitslosigkeit und seine horrenden Schulden vor seinem Partner geheim zu halten. Doch nun da nicht bloß Mihawk, sondern auch Robin einen Verdacht zu haben schienen, begann er sich selbst ebenfalls für diese Sache zu interessieren. Crocodile nahm sich auf jeden Fall vor, sich den Rat seiner Sekretärin zu Herzen zu nehmen, und Augen und Ohren offenzuhalten. "Ich kann dir beim Sortieren der Ordner gerne helfen“, bot Robin ihm mit freundlicher Stimme an und riss ihn somit aus seinen Gedanken. Crocodile winkte ab. "Du hast doch sicherlich genug andere Dinge zu erledigen“, meinte er und ignorierte den faden Beigeschmack, den diese Worte hatten. Tatsächlich deckte man Robin im Gegensatz zu ihm nicht mit stupiden Aufgaben ein. Es war eine verkehrte Welt, doch derzeit erledigte die Sekretärin wichtigere Aufgaben als der Chef. "Ich helfe dir gerne“, entgegnete Robin unerbittlich und griff kurzerhand nach dem obersten der gut ein Dutzend Ordner. "Als Dankeschön kannst du mir allerdings gerne ein Stück Kuchen abgeben.“ Sie lachte leise und hinter vorgehaltener Hand. "Ich habe nämlich eben gesehen, dass welcher in der Lunch-Box ist, die du neuerdings mitbringst.“ "Tatsächlich?“, gab Crocodile relativ uninteressiert zurück. "Ich wusste gar nicht, dass Doflamingo mir welchen eingepackt hat. Du darfst ihn gerne haben. Er wird wohl nicht daran gedacht haben, dass ich keine Süßigkeiten essen darf. Manchmal ist er ein echter Schussel...“ Als sich Robins Lachen angesichts dieser Aussage intensivierte, warf Crocodile ihr einen irritierten Blick zu. "Was hast du denn auf einmal?“, fragte er nach. Normalerweise war Robin eine eher zurückhaltende Person. "Nichts“, erwiderte sie und startete nicht einmal dein Versuch, sich zu beruhigen. "Ich finde bloß die Beziehung, die du mit Doflamingo führst, unfassbar niedlich. Immerhin seid ihr beide hochrangige Geschäftsmänner.“ Crocodile tat möglichst ungerührt und bemühte sich darum, die aufkommende Röte im Gesicht zu unterdrücken. "Na und? Man kann doch ein super reicher Geschäftsmann und gleichzeitig auch ein Trottel sein, der seinem Partner, der einen schwierigen Magen hat, ein Stück Kuchen zum Mittagessen einpackt. Ich verstehe nicht, was daran so lustig ist.“ Robin hatte sich noch immer nicht ganz wieder eingekriegt, doch anstatt weiter auf der unbedachten Liebesgeste von Doflamingo herumzuhacken, wandte sie den Blick ab und machte sich daran, ihre selbst auferlegte Arbeit zu erledigen. * "Schmeckt es dir?“, fragte ihn Doflamingo. Es war Freitagabend und weil das Wetter gut war, hatten sie beschlossen, draußen auf der Terrasse zu Abend zu essen. Die Atmosphäre war sehr angenehm: Die untergehenden Sonne schien ihnen in den Nacken, ein paar Vögel zwitscherten und der Geruch von frisch gemähtem Gras lag in der Luft. Crocodile fühlte sich sehr wohl. Zum ersten Mal konnte er den vielen Stress, der ihn wochentags verfolgte, hinter sich lassen und ein wenig entspannen. Er freut sich auf das Wochenende und bemühte sich den Fakt zu ignorieren, dass am Montag seine allerletzte Arbeitswoche anbrach. "Auf jeden Fall“, meinte Crocodile und nahm einen weiteren Bissen Zander auf Roter Bete zu sich. "Der Fisch ist absolut köstlich, finde ich. Was denkst du?“ "Ich bin ganz deiner Meinung“, erwiderte Doflamingo, der sich das Gericht allerdings noch mittels ein wenig Zitronensaft verfeinert hatte. Crocodile vertrug etwas so Bitteres nicht, weswegen er hatte verzichten müssen. Schmecken tat es ihm trotzdem. Doflamingo hatte manchmal ein echtes Händchen für Gerichte, die auf den ersten Blick recht ungewöhnlich wirkten, jedoch sehr lecker schmeckten. Wie in allen anderen Lebensbereichen mochte sein Partner es auch beim Essen gerne extravagant. "Ich habe übrigens eine Überraschung für dich“, meinte Doflamingo plötzlich ganz unvermittelt. Crocodile warf seinem Partner einen verwunderten Blick zu und kaute langsam das Stück Rote Bete, das er gerade im Mund hatte. Nachdem er es hinunter geschluckt hatte, fragte er mit gerunzelter Stirn: "Eine Überraschung?“ Doflamingo nickte eifrig grinsend. "Heute ist unser neunter Monatstag“, meinte er. "Bestimmt hast du es vergessen, so viel wie du in letzter Zeit zu tun hast, aber ich nicht.“ Seine Stimme klang nicht im mindesten vorwurfsvoll. Ganz im Gegenteil: Doflamingo wirkte angesichts dieses Umstands beinahe schon erfreut; vermutlich, weil er auf diese Weise seinem Partner eine ganz besondere Überraschung bereiten konnte. Außerdem war es in ihrer Beziehung eigentlich nicht üblich, sich zum Monatstag etwas zu schenken. Ein Präsent zum einjährigen Jubiläum hielt Crocodile für angemessen, doch sich jeden Monat ein Geschenk zu machen für überzogen. "Du brauchst mir nichts zu schenken“, sagte Crocodile darum sofort mit ernster Stimme. "Wir haben uns doch nie etwas zum Monatstag geschenkt.“ "Keine Sorge“, lenkte Doflamingo ein und winkte mit der Hand ab, "es ist kein materielles Geschenk. Ich weiß doch, dass du es nicht magst, wenn ich dich mit Schmuck- oder Geldgeschenken überhäufe.“ "Und worum handelt es sich dann?“, hakte Crocodile mit skeptischer Stimme nach. Er hatte überhaupt keine Vorstellung davon, was sein Partner für ihn geplant haben könnte. Doflamingo kam manchmal auf seltsame Ideen. Wie auch immer: Ob Crocodile es zugeben wollte oder nicht, er war ziemlich froh darüber, dass Doflamingo ihm keinen teuren Schmuck oder Ähnliches schenken wollte. Dann wäre er nämlich in der Pflicht gewesen, ein gleichwertiges Geschenk zurückzugeben, und dafür hatte Crocodile derzeit definitiv kein Geld übrig. Da waren ihm eine Nackenmassage, ein Blowjob oder was auch immer sein Partner im Sinn hatte, deutlich lieber. "Ich schenke uns beiden einen zweiwöchigen Urlaub“, verkündete Doflamingo mit freudestrahlender Stimme. Crocodile verschluckte sich beinahe an dem Stück Fisch, das er gerade im Mund hatte; glücklicherweise bekam sein Partner, der sein Geschenk enthusiastisch näher beleuchtete, davon nichts mit. "Ich habe mir ebenfalls ab nächsten Montag ein paar Wochen frei genommen. Und da du in letzter Zeit ständig so furchtbar gestresst und überarbeitet bist, dachte ich mir, dass ein Urlaub genau das Richtige für dich ist! Du brauchst ein wenig Abstand von deiner Arbeit und dem Großstadtleben. Nur auf diese Weise kannst du wieder gesund werden und auch ein normales Körpergewicht erreichen.“ "Ich bin nicht krank“, wandte Crocodile ein und nahm einen großen Schluck Mineralwasser zu sich. "Außerdem kann ich dein Geschenk unmöglich annehmen! Du hast zwar Recht, wenn du sagst, dass es sich um nichts Materielles handelt, aber trotzdem ist dieses Geschenk mit viel zu viel Kosten verbunden. Ich will dir keine Umstände bereiten, Doflamingo!“ "Das tust du nicht“, erwiderte dieser munter. "Ich besitze ein wunderschönes Ferienhaus gleich am Meer. Dorthin würde ich gerne mit dir fahren. Es ist ein sehr geruhsamer Ort, abseits von der Hektik der Großstadt. Keine Häuser, keine Straßen, kein Lärm. Nur wir beide, unser Ferienhaus, (ein paar Angestellte) und das Meer. Ist das nicht eine wundervolle Vorstellung?“ "Doch, schon...“, meinte Crocodile und wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Er fühlte sich völlig überrannt von diesem Angebot seitens seines Partners, das dieser ihm praktisch aufdrängte. Auf der einen Seite könnte Crocodile ein wenig Ruhe und Zurückgezogenheit gut gebrauchen, doch auf der anderen Seite durfte er nicht die Tatsache vergessen, dass er de facto arbeitslos sein würde. Er erhielt kein Gehalt mehr, doch seine Kredite liefen selbstverständlich weiter; seinen Gläubigern war es völlig gleich, ob er Arbeit hatte oder nicht, sie wollten sein Geld sehen. Und genau aus diesem Grund sollte er lieber weiter fleißig Bewerbungen schreiben und nach Jobangeboten Ausschau halten, anstatt Ferien zu machen. Bei einem Urlaub handelte es sich zwar um eine nette Abwechslung, doch weiterhelfen würde ihn dieser in seiner schwierigen Lebenssituation nicht. Er konnte hören, dass Doflamingo einen enttäuschten Brummlaut von sich gab, und blickte auf. Sein Partner hatte die Unterlippe vorgeschoben und wirkte überaus enttäuscht. "Wieso freust du dich nie über meine Einladungen?“, meinte dieser und klang ungemein missmutig. "Als ich dich gefragt habe, ob du zu mir ziehen möchtest, hast du ausweichend geantwortet. Und über meine Einladung zu einem romantischen Urlaub scheinst du dich auch überhaupt nicht zu freuen. Ich bekomme so langsam das Gefühl, dass ich es dir niemals Recht machen kann, Crocodile. Da bemühe ich mich um ein wirklich einfallsreiches Geschenk, nicht bloß einen teuren Mantel oder eine Armbanduhr, und trotzdem gefällt es dir nicht! Mal ernsthaft: Was ist gegen einen zweiwöchigen Urlaub am Meer auszusetzen? Nenn mir auch nur eine einzige Sache, die dagegen spricht!“ "Nichts spricht dagegen“, log Crocodile und bemühte sich um seinen beschwichtigenden Tonfall. Immerhin wusste sein Partner nichts von seiner Kündigung und konnte darum auch nicht nachvollziehen, welche Bedenken er bezüglich dieses Urlaubs hegte. Er wollte Doflamingo nicht das Gefühl vermitteln, bei ihm würde es sich um einen wählerischen Wichtigtuer handeln. "Und wieso freust du dich dann nicht?“ Doflamingos Stimme klang schrecklich vorwurfsvoll. "Ich freue mich!“, lenkte Crocodile ein, der sich allmählich heftig in die Ecke gedrängt fühlte. "So hat es sich aber nicht angehört!“, hielt Doflamingo energisch dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Jetzt verhalte dich doch bitte nicht so bockig“, meinte Crocodile an seinen Partner gewandt. Seiner Ansicht nach reagierte dieser völlig über. Was erwartete Doflamingo denn von ihm? Dass er wie ein junges Mädchen laut aufschrie und begeistert von seinem Stuhl aufsprang? Herrgott, es handelte sich um eine Einladung zu einem Strandurlaub, keinen Gewinn im Lotto! Trotzdem bemühte er sich darum, seinem Partner ein wenig zu besänftigen. Einen Streit war das letzte, was er jetzt heraufbeschwören wollte. "Ich fahre mit! Also hör jetzt bitte auf, dich so starrköpfig zu verhalten!“ "Du fährst mit? Das ist ja wirklich gnädig!“, erwiderte Doflamingo in einem absolut giftig klingenden Tonfall. Er fletschte die Zähne wie ein Hund und warf ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen bösen Blick zu. "Dass mein Freund sich tatsächlich dazu herablässt, mit mir in Urlaub zu fahren! Ich fühle mich geehrt!“ "Wieso bist du plötzlich so schrecklich gereizt?“, fragte Crocodile, der sich ehrlich verletzt fühlte angesichts der offenkundigen Übellaunigkeit seines Partners. Er war es gewohnt, dass dieser ihn neckte und ärgerte, dass sie wegen Kleinigkeiten aneinander gerieten, doch dass Doflamingo tatsächlich Worte aussprach mit der Intention, ihn zu verletzen, kannte Crocodile nicht. Es vermittelte ihm ein ganz fürchterliches Gefühl. Er wünschte sich seitens seines Partners Fürsorge und Unterstützung, keine Beschimpfungen, die definitiv unter die Gürtellinie gingen. "Wieso ich gereizt bin? Wieso ich gereizt bin, fragst du?“ Doflamingo stand von seinem Stuhl und beugte sich über den Tisch. Seine Hände, die er auf der Tischplatte abstützte, zitterten vor Wut. Und an seiner Stirn war deutlich eine wild pochende Ader zu erkennen. "Weil du der undankbarste Mensch bist, den ich jemals kennengelernt habe! Mit nichts, was ich dir anbiete, bist du zufrieden! Hast du eigentlich eine Ahnung, wie ich mich fühle? Ständig weist du mich zurück! Egal, worum es geht! Ich frage mich manchmal wirklich, was der Sinn dieser Beziehung ist, wenn ich doch ständig nichts anderes als Ablehnung von dir erfahre!“ Crocodile verstand die Welt nicht mehr. Eben war doch noch alles in Ordnung gewesen: Sie saßen gemeinsam auf der Terrasse, aßen zu Abend, unterhielten sich über den Fisch... Und nun thronte sein Partner wie ein zorniger Racheengel über ihm. Wie hatte es nur so weit kommen können? Vielleicht, dachte Crocodile beklommen, verlor Doflamingo so langsam die Geduld. Vielleicht hatte er genug von seiner ständig schlechten Laune, seinen ausweichenden Antworten, seinen fehlenden Enthusiasmus...? Dieser Gedanke stimmte ihn schrecklich traurig. Vor allen Dingen, da er sich dessen bewusst war, dass Doflamingo wirklich jedes Recht dazu hatte, wütend auf ihn zu sein. Immerhin verhielt er sich in letzter Zeit tatsächlich alles andere als zuvorkommend und lebensfroh. Aus Gründen, die Doflamingo nicht verstand, nicht verstehen konnte, weil er diese vor ihm verheimlichte, wollte er jeden Abend zu Hause bleiben, war er ständig gestresst, machte zu viele Überstunden, hatte ständig Magenschmerzen... Es fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht, als Crocodile bewusst wurde, dass er ein fürchterlicher Freund war. Dass Doflamingo keine Lust mehr hatte, ihn ständig aufzumuntern und zu unterstützen. Dass er die Geduld verlor. Alles, was sein Partner verlangte, war ein klein wenig Dankbarkeit, und nicht einmal diese absolut minimale Gegenleistung konnte er erbringen. Doflamingo hatte wirklich jeden Grund dazu, wütend auf ihn zu sein. Crocodile bedeckte seine Augen mit der rechten Hand, als er sich ausmalte, wie sein Partner erst reagieren würde, wenn er von seinen vielen Lügen erfuhr: von seiner Arbeitslosigkeit, seinen Schulden... Doflamingo würde völlig ausrasten. Und auf jeden Fall Schluss mit ihm machen. Wenn er es nicht jetzt gleich schon tat, schoss es Crocodile durch den Kopf. Er spürte, dass ihm bei diesem fürchterlichen Gedanken die Tränen kamen. Crocodile fühlte sich elendig, nichtswürdig, kaputt... Er hatte auf ganzer Linie versagt. Er hatte nicht bloß seine Arbeit verloren... nicht bloß sein Hungergefühl nicht mehr unter Kontrolle... jetzt gelang es ihm nicht einmal mehr, seine Beziehung zu Doflamingo aufrechtzuerhalten. Er fühlte sich wie ein völliger Versager. Crocodile hasste sich umso mehr für die Schwäche, die er nun zeigte. Er konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. Heiß und nass brachen sie aus ihm hervor. Schluchzend wischte er sie mit dem Hemdsärmel weg, doch es waren zu viele. Am liebsten würde Crocodile jetzt im Erdboden versinken. Seine Stärke, die er arrogant nach außen hin zeigte, war das einzige gewesen, was ihm noch blieb. Nun hatte er überhaupt nichts mehr. Doflamingo kniete vor ihm nieder und legte seine beiden Arme um ihn, drückte ihn fest an sich. Crocodile ließ diese Berührung geschehen, lehnte sich in sie hinein; sie fühlte sich unwahrscheinlich gut an. Vorsichtig glitt er vom Gartenstuhl, auf dem er bis eben noch zusammengekauert gesessen hatte, und wurde auf Doflamingos Schoß gezogen. Er spürte, dass Doflamingo über sein Haar und seinen Rücken strich. Crocodile schloss seine Augen und legte den Kopf an seine Schulter. "Schhhhh“, machte Doflamingo, während er sich darum bemühte, ihn zu trösten. Seine Berührungen und seine Stimme wirkten ungelenk und überfordert, doch die dahinterstehende Absicht schien ehrlich zu sein. "Bitte hör auf zu weinen. Es tut mir leid, was ich gesagt habe. So unendlich leid! Bitte nicht weinen, Crocodile! Shhhh! Beruhige dich! Bitte!“ Allmählich kam Crocodile wieder zu sich. Seine Tränen versiegten, seine Augen fühlten sich nicht mehr heiß an und sein Atem normalisierte sich wieder. Er schämte sich dafür, eben völlig zusammengebrochen zu sein. Und noch viel mehr schämte er sich dafür, dass er die Aufmunterungsversuche seines Partners länger als unbedingt nötig in Anspruch nahm. Crocodile löste sich nicht sofort aus der Umarmung; genoss noch für eine Weile das angenehme Gefühl, umarmt und getröstet zu werden. Immer wieder strich Doflamingo ihm über den Rücken, verteilte zarte Küsse auf sein Haar... sagte Dutzende Male, dass ihm seine Worte leid täten, dass er sich wie ein Idiot verhalten hätte, dass er bitte aufhören sollte zu weinen. "Ich hätte nicht so fürchterlich ausrasten dürfen“, flüsterte Doflamingo mit reumütiger Stimme. "Es tut mir leid, Wani! Bitte verzeih mir! Ich habe mich aufgeführt wie ein echtes Arschloch! Shhhh... Bitte hör auf zu weinen, ja? Ich ertrage es nicht, wenn du weinst!“ Irgendwann beruhigte Crocodile sich wieder einigermaßen. Er wischte die letzten Tränen von seinem Gesicht, atmete dreimal tief ein und aus, und richtete sich anschließend im Schoß seines Partners auf. Doflamingo wirkte besorgt und verunsichert. Crocodile konnte es ihm nicht verübeln. Es war in ihrer Beziehung noch nie vorgekommen, dass er einen solch heftigen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. "Es tut mir leid“, sagte er mit belegter Stimme und wischte sich ein letztes Mal mit seinem Hemdsärmel über das Gesicht. "Ich weiß überhaupt nicht, was los mit mir ist. Eigentlich passt es nicht zu mir, in Tränen auszubrechen. Können wir diese Sache bitte einfach vergessen? Tut mir leid, dass ich mich nicht genug gefreut wegen des Urlaubs. Fangen wir einfach von neu an: Wir setzen uns wieder auf unsere Stühle und du erzählst mir mehr von deinem Ferienhaus. In Ordnung?“ "Du spinnst doch“, gab Doflamingo mit entsetzter Stimme zurück. "Du bist eben praktisch zusammengebrochen... und jetzt sollen wir tun, als wäre gar nichts passiert? Ist das dein Ernst?“ Crocodile nickte. Er fühlte sich im Moment schrecklich unwohl. Normalerweise war er eine selbstbewusste, stolze und sehr bodenständige Person... es war ein seltsames Gefühl, mit verweintem Gesicht im Schoß seines Partners zu sitzen. Solche emotionalen Situationen war er nicht gewohnt. Am liebsten würde er einfach zur Normalität zurückkehren. "Auf gar keinen Fall“, erwiderte Doflamingo eindringlich. Crocodile versuchte sich aus dem Griff seines Partners zu befreien und aufzustehen, doch dieser ließ ihn nicht los. Stattdessen drückte er ihn erneut fest an sich und begann wieder damit, ihm beruhigend über den Rücken zu streichen. Crocodile schloss schließlich seine Augen und ließ die Berührung geschehen. "Einen Nervenzusammenbruch sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen“, fuhr Doflamingo in einem ernsten, doch ruhigen Tonfall fort. "In den letzten Wochen habe ich mich immer darum bemüht, Verständnis für dich aufzubringen. Für deine vielen Überstunden, deinen Stress, deine Erschöpfung. Aber jetzt reicht es mir endgültig! Zuerst dein starker Gewichtsverlust und nun dieser Nervenzusammenbruch... Ich kann einfach nicht länger dabei zusehen, wie du dich selber kaputt machst. Es geht nicht, dass deine Gesundheit so schlimm unter deinem Arbeitsleben leidet.“ "Und was schlägst du vor?“, fragte Crocodile mit teils bedächtiger, teils zynischer Stimme. Es gab nichts, was Doflamingo für ihn tun könnte. Seine Probleme ließen sich erst dann lösen, wenn er eine gut bezahlte Arbeit gefunden hatte. Noch immer saßen ihm etwa 350.000 Berry Schulden im Nacken. Doflamingo zögerte einen Moment lang, ehe er sagte: "Ich schlage vor, dass du mit jemandem sprichst. Einem Professionellen. Vielleicht hilft dir eine Therapie, mit dem Stress in deinem Arbeitsleben zurechtzukommen und...“ "Ich brauche keinen verdammten Psychater!“, warf Crocodile sofort wütend ein und windete sich aus dem Griff seines Partners. Ihn verletzte dieser Vorschlag zutiefst. "Wofür hältst du mich denn? Für einen Psychopaten? Ich bin doch nicht krank! Nur... naja, ein bisschen gestresst und überarbeitet.“ "Man ist kein Psychopath, weil man eine Therapie in Anspruch nimmt“, lenkte Doflamingo ein. "Viele Menschen nehmen psychologische Hilfe in Anspruch. Gerade Menschen mit hoher beruflicher Verantwortungen brauchen manchmal eine neutrale Person, mit der sie reden können.“ "Achja?“, erwiderte Crocodile. "Ich kenne nicht eine einzige Person, die mal einen Psychater besucht hat. Ich will mir nicht in den Kopf gucken lassen, Doflamingo! Mir geht es gut!“ "Dir geht es nicht gut!“, entgegnete Doflamingo eindringlich. "Du bist ständig gestresst, schlecht gelaunt, willst keinen Schritt vor die Tür setzen, verschanzt dich stattdessen allein in deinem Zimmer. Und deine Magenschmerzen haben auch deutlich zugenommen. Früher hattest du höchstens ein- oder zweimal im Monat Probleme wegen deines Magens, doch inzwischen manchmal sogar bis zu viermal in einer einzigen Woche. Glaub nicht, mir wäre diese Veränderung nicht aufgefallen! Dazu kommt dein Gewichtsverlust von 15 Kilogramm in nur zwei Monaten. Und jetzt dieser schreckliche Nervenzusammenbruch. Verdammt nochmal, ich mache mir Sorgen um dich, Crocodile!“ "Trotzdem brauche ich keine Therapie!“, entgegnete er mit eindringlicher Stimme. "Es ist überhaupt nicht schlimm, psychatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen“, wiederholte Doflamingo. "Viele Menschen, von denen du es niemals denken würdest, haben schon mal einen Psychater besucht!“ "Zum Beispiel?“, hakte Crocodile mit höhnischer Stimme nach. "Wie gesagt: Ich kenne nämlich keine einzigen!“ "Doch, das tust du.“ Doflamingo hielt für einen kurzen Moment lang die Luft an, ehe er sagte: "Mich zum Beispiel.“ Diese Beichte nahm Crocodile den Wind aus den Segeln. Er warf seinem Partner einen völlig verdatterten Blick zu und konnte nicht so recht fassen, was dieser ihm eben mitgeteilt hatte. "Du bist mal in Therapie gewesen?“ Damit hätte Crocodile nicht gerechnet. Nicht bei Doflamingo, der doch immer so fröhlich, lebenslustig und unbekümmert war. Sein Partner nickte bedächtig. "Vor zwei Jahren“, erklärte er mit überraschend gefasster Stimme. "Ich war etwa vier Monate lang zweimal in der Woche bei meinem Psychater. Die Treffen haben mir sehr weitergeholfen. Ich bin mir sicher, dass ich ohne professionelle Hilfe in eine Depression abgerutscht wäre. Und ich habe die Angst, dass dir etwas Ähnliches passieren könnte, wenn du nicht einschreitest.“ "Ich... ich...“ Crocodile wusste nicht, was er sagen sollte. Er schwieg für eine Weile und versuchte sich sowohl gedanklich als auch emotional zu sammeln. Schließlich meinte er: "Vielleicht ist es wirklich sinnvoll, mal mit einem Psychater zu sprechen. Aber diesen Schritt möchte ich jetzt noch nicht gehen. Lass uns erst einmal versuchen, meine Probleme ohne professionelle Hilfe zu lösen, ja? Wer weiß, vielleicht bewirkt unser gemeinsamer Strandurlaub ja ein Wunder. Vielleicht brauche ich bloß ein wenig Ruhe und Entspannung, um wieder zu mir zu finden. Und, ähm, sollte es mir danach trotzdem nicht besser gehen... dann können wir noch mal über einen Psychater sprechen, wenn du möchtest.“ "In Ordnung.“ Doflamingo nickte. Gemeinsam standen sie vom Fußboden auf. Crocodile warf einen Blick auf den gedeckten Tisch. Seinen Teller hatte er nur halb leergegessen. Er seufzte leise. Gestern hatte er sich gewogen und feststellen müssen, dass er bloß ein einziges Kilogramm zugenommen hatte. Wenn er so weitermachte, würde er nur schwer sein Mindestgewicht von 78 Kilogramm erreichen. "Wir können später noch einmal warm essen“, meinte Doflamingo, der seinen Blick bemerkte. "Es ist nur eine halbe Mahlzeit, die wirft dich nicht sonderlich weit zurück. Trotzdem tut mir die ganze Sache furchtbar leid. Ich hätte dich nicht anschreien dürfen. In deinem derzeitigen Zustand brauchst du Unterstützung, keine Beschimpfungen.“ "Ist schon gut“, meinte Crocodile und winkte ab. "Du hattest nicht Unrecht mit dem, was du gesagt hast. Ich hätte mich ruhig ein wenig mehr freuen können über dein Geschenk.“ Sie verließen die Terrasse und machten sich auf den Weg in das Innere der Villa. Im Vorbeigehen sagte Doflamingo zu einem der Dienstmädchen, man könnte nun den Tisch abräumen. Und man sollte in der Küche Bescheid geben, dass er und sein Partner später am Abend noch einmal warm essen wollten. Crocodile seufzte leise und fragte sich, was die Zukunft ihm wohl bringen würde. Dem gemeinsamen Urlaub mit Doflamingo sah er inzwischen eher positiv entgegen. Da es sich, wie dieser sagte, um ein Geschenk handelte, würden für ihn vermutlich keine zusätzlichen Kosten anfallen. Außerdem tat ihm ein wenig Entspannung sicherlich gut. Seine Jobsuche würde er eben danach fortführen müssen. Außerdem musste sich sein psychischer Zustand deutlich verbessern, wenn er den Gang zum Psychater vermeiden wollte. Er wusste, dass Seelenklempner eine Menge Geld pro Sitzung verlangten. Geld, das er derzeit nicht hatte. Da war es am Ende günstiger, mit Doflamingo in Urlaub zu fahren, ein wenig neue Kraft zu tanken und somit auf professionelle Hilfe zu verzichten. * Crocodiles allerletzter Arbeitstag ging zu Ende. Es war sechzehn Uhr nachmittags; in einer Stunde würde er das Gebäude der Bank verlassen und niemals wieder betreten. Und auch wenn er sich weder mit seinem Vorgesetzten noch mit den meisten seiner Kollegen sonderlich gut verstanden hatte, empfand er doch einen Anflug von Wehmut. Bedächtig strich Crocodile mit der rechten Hand über die Platte seines teuren Schreibtisches und ließ seinen Blick durch sein Büro schweifen. Es war ein schöner Raum gewesen: große Fenster, ein paar grüne Pflanzen, hochwertige Möbel. Und auch wenn die Arbeit nicht immer einfach gewesen war, hatte er sie zumeist sehr gern erledigt. Er hatte den Aufenthalt in seinem Büro (abgesehen von den letzten zwei Monaten) niemals als Belastung empfunden. Crocodile seufzte leise. Er erinnerte sich daran, dass sich Robin gerne auf seinen Schreibtischstuhl setzte, wenn er nicht da war. Unweigerlich fragte er sich, ob sie diese Gewohnheit bei ihrem nächsten Chef fortsetzen würde. Vielleicht empfand dieser jedoch eine solche Geste als anmaßend und würde ihr untersagen, sich auf seinen Stuhl zu setzen. Der Gedanke, so schnell durch eine andere Person ersetzt zu werden, versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich mitten ins Herz. Jahrelang hatte er studiert, um sich endlich ein luxuriöses Leben leisten zu können. Anstatt seine Nächte in Clubs und Bars zu verbringen, hatte er Zuhause für die nächste Prüfung gebüffelt. Sich angestrengt wie kein Zweiter, immer sein Bestes gegeben, war niemals faul gewesen. Und nun musste er feststellen, dass all diese Anstrengungen völlig umsonst gewesen waren. Noch fünfundvierzig Minuten, dann war er arbeitslos. Endgültig entlassen. Er würde kein Geld mehr bekommen, um seine Schulden in Höhe von 350.000 Berry tilgen zu können. Sein Leben brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Ein Klopfen an der Türe riss Crocodile aus seinen Gedanken. Er bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck, ehe er "Herein“ sagte. Es war Robin, die sein Büro betrat. Normalerweise war sie eine sehr zurückhaltende Person, doch jetzt bemühte sie sich nicht darum, ihren bekümmerten Gesichtsausdruck zu verbergen. "Ich möchte mich von dir verabschieden“, sagte sie. Crocodile nickte. Er hatte eigentlich darauf gehofft, sentimentalen Verabschiedungen jedweder Art entkommen zu können, doch bei Robin würde er eine Ausnahme machen. Sie hatte sich ihm gegenüber stets sehr freundlich und zuvorkommend verhalten; sie hatten einander immer respektiert. Er ließ zu, dass Robin ihn umarmte. "Ich werde dich vermissen“, hörte er sie sagen. Crocodile unterdrückte ein Seufzen und ließ sich zu einem "Ich dich auch“ herab. Er hasste Abschiede. Vor allen Dingen so endgültige wie dieser hier. Privat hatte er mit seiner Sekretärin nur wenig zu tun; es war also unwahrscheinlich, dass sie sich wiedersehen würden. Höchstens zufällig auf der Straße. "Hast du an all deine persönlichen Sachen gedacht?“, fragte Robin ihn. "Fotos, Pflanzen und so weiter?“ Crocodile nickte. Aller persönlichen Gegenstände hatte er sich in den letzten beiden Monaten bereits Schritt für Schritt entledigt. Es wäre zu auffällig gewesen, wäre er Zuhause plötzlich mit einer großen Kiste voller Plunder aufgeschlagen. Das Foto von Doflamingo zum Beispiel, das bisher immer auf seinem Schreibtisch in der Bank gestanden hatte, hatte seinen neuen Platz auf dem Beistelltisch in seinem Lesezimmer gefunden. "Gut, dann gibt es wohl nichts mehr zu erledigen. Ich wünsche dir viel Glück, Crocodile! Sicherlich findest du schnell eine neue Arbeit!“ "Das hoffe ich auch“, erwiderte Crocodile, konnte jedoch nicht verhindern, dass seine Stimme nur wenig zuversichtlich klang. Diesen Umstand schien auch Robin zu bemerken, denn sie fügte hinzu: "Warum versuchst du es nicht mal im Bereich des Eventmanagments? Ich habe einen sehr guten Bekannten, der die jährlich stattfindende Elektronik-Messe Tom's Workers leitet. Sein Name ist Cutty Franky und er ist eine echte Koriphäe auf seinem Gebiet! Und er sucht noch jemanden, der ihn bei der Organisation der im Herbst stattfindenden Messe unterstützt. Wenn du möchtest, dann kann ich dir seine Anschrift geben und ein gutes Wort für dich einlegen.“ "Das wäre sehr nett“, meinte Crocodile. Er kannte Tom's Workers; es handelte sich um eine der größten Elektronik-Messen weltweit. Ein Job als Manager für eine Messe dieser Größenordnung würde sicherlich eine Menge Geld abwerfen, auch wenn er (vermutlich) bloß befristet war. Jedenfalls würde es nicht schaden, sich zu bewerben. Crocodile machte sich eine gedankliche Notiz, seine Bewerbung sogar am besten noch abzuschicken, bevor er gemeinsam mit Doflamingo in Urlaub fuhr. Bei einer solch kurzfristigen Einstellung handelte es sich vermutlich um eine Krankheits- oder Schwangerschaftsvertretung. Ganz besonders unter solchen Bedingungen fing der frühe Vogel den Wurm. "Vielen Dank“, meinte Crocodile an Robin gewandt, als er den Zettel entgegennahm, auf den sie Cutty Frankys Kontaktdaten geschrieben hatte. "Es ist wirklich sehr lieb von dir, dass du mich unterstützt. Das müsstest du nicht tun.“ Robin lächelte und winkte ab. "Ich mache es gerne“, sagte sie und ihre Worte klangen ehrlich. "Immerhin bist du mein Lieblings-Chef gewesen. Ich werde es vermissen, mich jederzeit hinter den Schreibtisch setzen zu dürfen; ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Vorgesetzten diese Geste nicht gerne sehen. Du bist bisher der einzige gewesen, der diese Gewohnheit von mir akzeptiert hat.“ Es war das erste Mal seit Langem, dass Crocodile ein ehrliches Lächeln nicht unterdrücken konnte. * "Endlich ist es soweit!“, verkündete Doflamingo mit absolut freudestrahlender Stimme. Crocodile, der sich vorgenommen hatte, in den nächsten zwei Wochen weniger abweisend zu wirken, zwang sich ebenfalls zu einem enthusiastischen Lächeln. "Ich kann es kaum erwarten“, meinte er und bemühte sich um eine fröhlich klingende Stimme. "Ein wenig Entspannung wird mir sicher guttun.“ Die Koffer waren gepackt (nicht von ihnen gepackt worden, sondern von Doflamingos Dienstpersonal), der Himmel strahlte in seinem hellsten Blau und eigentlich mussten sie beide sich bloß noch auf den Weg zum Flughafen machen. Noch immer sah Crocodile dem Urlaub mit gemischten Gefühlen entgegen, doch er würde sich wohl oder übel mit der Tatsache abfinden müssen, dass er die Situation nicht ändern konnte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Wenigstens war es ihm gelungen, am Samstagabend noch rasch seine Bewerbungsunterlagen an Tom's Workers zu schicken, ehe sein Partner ihm vorwarf, er würde sich wieder in seinem Lesezimmer verschanzen. "Wir haben nichts vergessen, nicht wahr?“, fragte Crocodile zur Sicherheit noch einmal nach und zählte gedanklich alle wichtigen Dinge auf, die er mit ins Handgepäck nehmen wollte. Dazu gehörten auf jeden Fall sein Handy und sein Laptop. Auch im Urlaub wollte er für seine potenziellen Arbeitgebern erreichbar sein und seine Emails checken. "Personalausweis, Reisepass, Impfpass, Portemone, Kaugummis, Kopfschmerztabletten...“ Er schien nichts vergessen zu haben. Aber bei ihm handelte es sich sowieso prinzipiell um eine sehr gut organisierte und zuverlässige Person. "Kopfschmerztabletten?“, hakte Doflamingo verwundert nach. "Ich kriege beim Fliegen immer Kopfschmerzen“, erklärte Crocodile seinem Partner. "Müssen wir denn lange fliegen? Du hast mir immer noch nicht verraten, wo genau dein Ferienhaus liegt.“ "Keine Sorge, der Flug dauert nur etwa zwei Stunden“, erwiderte Doflamingo. "Wir verlassen nicht einmal das Land.“ "Apropos Fliegen“, fiel Crocodile da plötzlich ein, "hast du an die Flugtickets gedacht?“ Da es sich bei dem Urlaub um ein Geschenk seitens seines Partners handelte, war dieser auch zuständig für die Organisation der Reise. Crocodile wusste nicht einmal, mit welcher Airline sie flogen. Doflamingo nahm ihm alles aus der Hand; vermutlich wollte er ihm nicht noch zusätzlichen Stress bereiten. "Natürlich“, erwiderte Doflamingo breit grinsend. "Es ist alles geklärt. Bist du bereit?“ Crocodile nickte, nachdem er gedanklich noch einmal alle wichtigen Items durchgegangen war. "Von mir aus können wir uns auf den Weg zum Flughafen machen“, meinte er und konnte trotz seiner guten Vorsätze nicht ganz verhindern, dass ein wehleidiger Ton in seiner Stimme mitschwang. Um ehrlich zu sein, hatte er nicht sonderlich viel übrig für Flughäfen: viel zu viele Menschen, lange Wartezeiten, verspätete oder annullierte Flüge... "Zu welchem Terminal müssen wir?“, fragte Crocodile, als der schwarze Bentley Flying Spur Mulliner W12 nach einer etwa eineinhalbstündigen Fahrt das weitläufige Gelände des Flughafens River's Mountain erreichte. Der luxuriöse Wagen gehörte Doflamingo und kostete neu etwa 200.000 Berry. "Terminal 9“, antwortete dieser mit unbekümmerter Stimme und beobachtete mit einem überaus interessiert wirkenden Gesichtsausdruck das hektische Flughafentreiben, das sich draußen abspielte. Auf der Rückbank des Bentley bekamen sie von diesem Getümmel kaum etwas mit. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Du musst dich vertan haben“, sagte er mit verwirrter Stimme. "Es gibt kein Terminal 9 an diesem Flughafen. Bist du dir sicher, dass du nicht vielleicht Terminal 6 meinst?“ "Es gibt ein Terminal 9“, erwiderte Doflamingo seelenruhig. "Mein Fahrer bringt uns direkt dorthin.“ "Und wie kommt es dann, dass ich noch nie in meinem Leben von diesem dubiosen Terminal 9 gehört habe?“, hakte Crocodile nach. Sollte das ein schlechter Witz sein? Immerhin hatte er den River's Mountain-Flughafen schon Dutzende Male besucht. Er traute es seinem Partner durchaus zu, ihn auf den Arm nehmen zu wollen. "Weil von Terminal 9 die Privatjets fliegen“, antwortete Doflamingo, als handelte es sich dabei um die normalste Tatsache der Welt. Crocodile traute seinen Ohren kaum. "Du hast einen Privatjet für uns gemietet?“, fragte er ungläubig nach. Das konnte doch nicht Doflamingos Ernst sein, oder? Crocodile wollte sich nicht einmal vorstellen, wie teuer ein zweistündiger Flug mit einem Privatjet war. Er selbst war höchstens zwei- oder dreimal First Class geflogen, als er wegen dringender Geschäftstermine ins Ausland gemusst hatte. (Die Kosten waren von der Bank übernommen worden.) Einen Flug mit einem Privatjet dagegen wagte er sich nicht einmal in seinen allerkühnsten Träumen auszumalen. "Nein.“ Crocodile legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. "Willst du mich zum Narren halten?“, fragte er. Er selbst fand diesen Witz überhaupt nicht lustig. Doch Doflamingo grinste bloß neckisch und beginn sogar zu kichern. Schließlich sagte er: "Das will ich ausnahmsweise mal nicht. Allerdings ist die Aussage, ich hätte einen Privatjet für uns gemietet, nicht ganz richtig. Er ist nicht gemietet. Ich besitze ihn.“ Nur mit viel Mühe gelang es Crocodile zu verhindern, dass ihm die Kinnlade hinunterfiel. Die Worte, die sein Partner eben ausgesprochen hatten, konnte er einfach nicht verarbeiten. Doflamingo besaß einen eigenen Privatjet? Crocodile hatte von Anfang an gewusst, dass es sich bei Donquixote Doflamingo um einen sehr reichen Mann handelte, doch damit hätte selbst er nicht gerechnet. Wie teuer war ein Privatjet? Crocodile kannte sich mit den Preisen nicht sonderlich gut aus (nicht im Traum hätte er jemals daran gedacht, sich ein eigenes Flugzeug zuzulegen), doch er ging (mindestens) von einem zweistelligen Millionenbetrag aus. Von der Bezahlung des Piloten und Boardpersonals ganz zu schweigen. "Es ist nur ein kleiner Privatjet“, lenkte Doflamingo ein, als er das Entsetzen seines Partners zu bemerken schien. "Sechs Sitzplätze und ein einzelner Flugbegleiter. Eigentlich ist es gar keine so große Sache!“ "Gar keine so große Sache?“, wiederholte Crocodile in einem ziemlich verzweifelt klingenden Tonfall. "Ich habe dir zu deinem letzten Geburtstag ein Wochenende in einem Wellness-Hotel mit First Class-Flug geschenkt. Das muss dir ja wie die letzte Absteige vorgekommen sein!“ "Sag doch so etwas nicht“, meinte Doflamingo sofort beschwichtigend und beugte sich zu ihm hinüber. "Ich habe mich sehr über mein Geburtstagsgeschenk gefreut! Hast du denn schon wieder vergessen, wie schön dieses Wochenende gewesen ist? Nicht umsonst bin ich selbst auch auf die Idee gekommen, dir einen Urlaub zu schenken. Ich wollte den Gefallen zurückgeben!“ Crocodile schluckte hart und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein ordentlich gekämmtes Haar. Er wusste einfach nicht, was er hiervon halten sollte. Auf der einen Seite war er sich dessen bewusst, dass sein Partner ihm bloß eine Freude machen wollte, doch auf der anderen Seite... handelte es sich um einen Privatjet, verdammt nochmal! Konnte sich Doflamingo denn nicht denken, dass er sich verletzt fühlte, wenn dieser sein eigenes Geschenk so stark in den Schatten stellte? Crocodile hatte (für seine eigenen Verhältnisse) nicht gerade wenig Geld für das Wellness-Hotel und den First Class-Flug ausgegeben und er war stets davon ausgegangen, dass er seinem Partner eine große Freude bereitet hatte. Nun allerdings musste er feststellen, dass er diesem lediglich bloß ein völlig unterdurchschnittliches Geburtstagsgeschenk gemacht hatte. Vermutlich reiste er selbst bei Geschäftsterminen luxuriöser. Crocodile fühlte sich furchtbar. Wieso nur musste Doflamingo ständig übertreiben? Anstatt den besten Tisch in einem Restaurant zu reservieren, mietete er gleich das gesamte Lokal. Anstatt ihm ein Wochenende in einem Wellness-Hotel zu schenken, lud er ihn zu zwei Wochen Strandurlaub im persönlichen Ferienhaus ein. Anstatt zwei First Class-Tickets für sie beide zu buchen, wollte er mit einem Privatjet fliegen. Crocodile bekam das unangenehme Gefühl, bei diesen Geschenken der Superlative einfach nicht mithalten zu können. "Bitte sei jetzt nicht niedergeschlagen“, bat Doflamingo und legte einen Arm um seine Schulter. "Es ist nicht meine Absicht gewesen, dich zu verletzen! Ich dachte, du würdest dich freuen. Das musst du mir glauben!“ Crocodile nickte langsam. Schließlich meinte er: "Das weiß ich doch. Tut mir leid, dass ich mich eben wieder so schrecklich undankbar aufgeführt habe. Vergessen wir diese Sache einfach, ja? Ich sollte mich lieber darum bemühen, nicht überall Probleme zu sehen, wo keine sind. Und stattdessen einfach den schönen Flug genießen.“ Er schwieg einen kurzen Moment lang, ehe er in einer möglichst versöhnlich klingenden Stimmlage hinzufügte: "Und Privatjet hin oder her: An den Kopfschmerzen, die ich beim Fliegen mit Sicherheit bekommen werde, wird auch eine luxuriöse Ausstattung nichts ändern können.“ Crocodile zwang sich zu einem Lächeln und stellte zufrieden fest, dass Doflamingo ihm diesen kleinen Schwindel abzunehmen schien. Erleichtert gab er das Lächeln zurück und erwiderte: "Wer weiß? Mit Sicherheit haben wir auch Kopfschmerztabletten an Bord. Aber du hast ja sowieso an welche gedacht.“ Auch wenn Crocodile lieber First Class geflogen wäre, konnte er nicht verhehlen, dass er den Flug mit Doflamingos Privatjet sehr genoss. Nicht nur, weil die Ausstattung der Falcon 2000 über alle Maßen hochwertig und luxuriös war, sondern vor allem auch, da er auf diese Weise das hektische Flughafentreiben vermeiden konnte. Nirgendwo mussten sie lange anstehen, niemand bedrängte sie, es gab keine Verspätungen. Sie waren die einzigen Gäste des Flugs und genauso wurden sie auch behandelt. Als Crocodile jedoch in die Falcon 2000 einstieg, musste er zu seinem Unmut feststellen, dass Doflamingo nicht ganz bei der Wahrheit geblieben war: Tatsächlich waren bloß sechs Sitzplätze verfügbar, doch Raum für weitere war definitiv vorhanden. Mit etwa acht Metern Kabinenlänge und zweieinhalb Metern -breite hätte man noch deutlich mehr Sitze einbauen können. Stattdessen hatte Doflamingo jedoch wohl beschlossen, den Platz für zusätzlichen Komfort zu opfern. Selbst Crocodile, der alles andere als klein war, konnte problemlos seine Arme und Beine ausstrecken. Die Flugzeugsitze waren angenehm groß, sehr bequem und mit hochwertigem Leder überzogen. Zu jedem Sitzplatz gehörten außerdem ein ausladender Tisch und ein eigenes Fernsehgerät. Die gesamte Ausstattung wirkte so dermaßen komfortabel, dass man leicht vergaß, dass man sich nicht in einem gemütlichen Wohnzimmer, sondern an Bord eines Flugzeugs befand. Crocodile musste zugeben, dass er beeindruckt war. "Ab genau jetzt geht unser Urlaub los“, meinte Doflamingo gut gelaunt und ließ sich auf dem Sessel gegenüber von Crocodile nieder. "Wir lassen die Hektik der Großstadt hinter uns und genießen den Flug!“ Crocodile nickte und ließ seinen Blick durch die Kabine des Privatjets schweifen. Sie waren die einzigen beiden Gäste. Und ihnen stand eine eigene Flugbegleiterin zur Verfügung. Er bezweifelte nicht, dass er diesen Flug genießen würde. Crocodile war sich nicht einmal sicher, ob es überhaupt möglich war, sich an Bord eines solch fürstlichen Privatjets zu befinden, ohne sich an diesem Luxus zu laben. Er schämte sich beinahe schon für seine eigene Dekadenz. Kaum waren sie gestartet, kam die Stewardess, die sie zuvor schon begrüßt hatte, zu ihnen hinüber. Es handelte sich um eine hübsche und adrett gekleidete Frau mit schwarzem Haar. In der Hand hielt sie zwei Karten, die vermutlich die Auflistung der zur Verfügung stehenden Gerichte und Getränke enthielten. "Guten Tag, Herr Donquixote Doflamingo, Herr Sir Crocodile“, sagte sie noch einmal und verbeugte sich leicht vor ihnen. "Mein Name ist Baby Five. Es ist mir eine große Ehre, Sie auf diesem Flug begleiten zu dürfen. Sollten Sie Wünsche jedweder Art haben, wenden Sie sich bitte umgehend an mich.“ Sie lächelte professionell und reichte die Speisekarten an sie beide weiter. "Zwei Gläser Champagner“, bestellte Doflamingo, noch ehe Crocodile überhaupt die Möglichkeit dazu bekam, die Karte aufzuschlagen. "Sehr gerne“, erwiderte Baby Five, verbeugte sich vor ihnen und verschwand schließlich in den hinteren Bereich des Flugzeugs. Crocodile warf seinem Partner einen vorwurfsvollen Blick zu. "Wieso hast du gleich für mich mitbestellt?“, fragte er mit leicht verärgerter Stimme. Er konnte es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn man ihm irgendetwas abnahm (auch wenn es sich in diesem Fall bloß um eine Getränkebestellung handelte). "Ich möchte überhaupt gar keinen Champagner haben! Du weißt doch, dass ich seit diesem unglücklichen Vorfall im Skypia für eine Weile auf Alkohol verzichten wollte.“ "Ach, jetzt sei doch kein Spielverderber“, meinte Doflamingo in einem teils frech, teils versöhnlich klingenden Tonfall. "Ich dachte mir, dass wir beide auf unseren Urlaub anstoßen sollten. Du musst das Glas ja nicht leertrinken, wenn du nicht möchtest. Bestell dir doch einfach noch ein nicht-alkoholisches Getränk, wenn Baby Five gleich wiederkommt.“ "Na gut, von mir aus“, gab Crocodile sich geschlagen und bemühte sich darum, seinen Ärger hinunterzuschlucken. Er hatte sich vorgenommen, sich in diesem Urlaub zu entspannen, und dieses Versprechen wollte er nicht gleich am ersten Tag schon brechen. Ein paar Schlücke Champagner würden ihn nicht umbringen. Während sie beide auf die Wiederkehr von Baby Five warteten, blätterte Crocodile relativ desinteressiert durch die Speisekarte. Obwohl sein Frühstück bereits mehrere Stunden zurück lag, verspürte er noch immer keinen sonderlich großen Hunger. Trotzdem rang er sich dazu durch, eines der angebotenen Gerichte auszuwählen. Zu seinem angestrebten Mindestgewicht von 78 Kilogramm fehlten ihm noch immer satte elf Kilogramm. Dieses Defizit wollte er so schnell wie möglich aufholen. Außerdem ging er davon aus, dass sein Partner ihn eine Weile lang nicht auf seine Ernährung ansprechen würde, wenn er sah, dass er sich darum bemühte, regelmäßig zu essen. * Ferienhaus war eindeutig ein viel zu mickriges Wort, um die wunderschöne Villa zu beschreiben, die sich gleich am Strand befand. Crocodile war völlig überwältigt. Sowohl im positiven als auch negativen Sinne: Einerseits freute er sich selbstverständlich über das prunkvolle und vor allem sehr abgeschieden gelegene Domizil, doch auf der anderen Seite fragte er sich unweigerlich, wie teuer dieses wohl gewesen sein mochte. Nicht weniger als einen zweistelligen Millionenbetrag, schätzte er. Sofort kam er sich wie ein Schmarotzer vor, weil er vollkommen unentgeltlich Urlaub in diesem beinahe schon königlichen Ferienhaus machen durfte. "Wie gefällt dir die Location?“, fragte Doflamingo interessiert nach, während das Dienstpersonal ihre Koffer nach drinnen in das Hauptschlafzimmer trug. "Es ist absolut atemberaubend“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß und wandte den Blick von ihrem prachtvollen Ferienhaus ab. Rechterhand erstreckte sich ein wunderschöner, strahlend weißer Sandstrand bis hin zum Meer. Auf seiner linken Seite erhob sich eine weite Graslandschaft. Eine einzelne befestigte Straße führte zur Garage des Hauses. Crocodile konnte das Rauschen des Meeres hören und das Kreischen der Möwen, die am Himmel ihre Bahnen zogen. Nirgendwo war ein Auto oder ein anderer Mensch zu sehen. “Sehr ruhig und abgeschieden. Genau das, was ich dringend brauche.“ "Das freut mich zu hören“, meinte Doflamingo glucksend und nahm ihn bei der Hand. "Komm, ich zeige dir das Ferienhaus. Als Kind habe ich hier oft Urlaub mit meiner Familie gemacht.“ Widerstandslos folgte Crocodile seinem Partner ins Haus. Um ehrlich zu sein, wunderte es ihn doch sehr, dass Doflamingo plötzlich seine Familie erwähnte. Sie hatten niemals zuvor darüber gesprochen. Da Crocodile selbst ein sehr schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern hatte und nicht gerade erpicht darauf war, sich dazu zu äußern, hatte er wiederum niemals nach der Familie seines Partners gefragt. Im Prinzip wusste Crocodile überhaupt nichts über Doflamingos Eltern; nicht einmal ihre Namen. Zu seiner Verteidigung musste allerdings gesagt werden, dass auch sein Partner selbst niemals dieses Thema angeschnitten hatte. In ihren über neun Monaten Beziehung hatte er nie auch nur ein einziges Wort über seine Familie verloren (außer über Bellamy und Dellinger, die jedoch beides bloß Cousins zweiten Grades waren.) Womöglich hatten auch Doflamingos Eltern ihren Sohn verstoßen, als sie von seiner sexuellen Ausrichtung erfuhren, dachte Crocodile niedergeschlagen, genauso wie seine eigenen Eltern es bei ihm getan hatten. Die Erinnerung daran, wie sein Vater und seine Mutter ihn vor über fünfzehn Jahren einfach vor die Tür gesetzt hatten, versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich ins Herz. Rasch bemühte er sich darum, jeden Gedanken an seine Eltern aus seinem Kopf zu vertreiben. "Hier ist das Wohnzimmer“, meinte Doflamingo unbekümmert und führte ihn in einen großen, lichtdurchfluteten Raum mit bodentiefen Fenstern. Er schien den kleinen Aussetzer seines Partners gar nicht mitbekommen zu haben. Crocodile beschloss, nicht weiter über seine oder Doflamingos Familie nachzudenken, sondern zwang sich selbst zu einem positiven Kommentar bezüglich des Wohnzimmers: "Wirklich sehr schön. Ich kann es kaum erwarten, zusammen mit dir auf der Couch zu liegen und ein bisschen dem Kaminfeuer zuzuschauen.“ Sein Partner wirkte absolut begeistert angesichts seiner Reaktion und lotste ihn geschwind zum nächsten Raum. Crocodile ließ sich eine Führung durch die großzügige Küche, das Esszimmer plus Terrasse, das Hauptschlafzimmer und zwei luxuriöse Badezimmer gefallen. Zum Schluss zeigte Doflamingo ihm einen Raum, der ganz offensichtlich früher einmal als Kinderzimmer für einen kleinen Jungen genutzt worden war. Man hatte es überaus liebevoll entsprechend einem Piratenmotiv eingerichtet: Der Teppichboden war hellblau, die Vorhänge der Fenster zeigten ein Muster von zwei sich überkreuzende Knochen und die Tapeten unzählige Bullaugen. An den Wänden hingen sogar noch Piratenfahnen in verschiedenen Ausführungen. Das absolute Highlight des Zimmer stellte jedoch unzweifelhaft das Kinderbett dar: ein Piratenschiff mit Mast und Segel an der langen Bettseite. Crocodile konnte sich gut vorstellen, dass es sich bei diesem Kinderzimmer um den heimliche Traum aller kleiner Jungen handelte. "Mein altes Kinderzimmer“, sagte Doflamingo in einem schrecklich sehnsüchtig klingenden Tonfall und fuhr mit der Hand über das Gestell des Piratenschiff-Bettes. Nachdem der erste Moment der Melancholie verstrichen war, fügte er glucksend und an seinen Partner gewandt hinzu: "Wie du dir sicher denken kannst, wollte ich als kleiner Junge später ein berühmter Pirat werden.“ "Ach, tatsächlich?“, erwiderte Crocodile ironisch, wagte sich jedoch im Gegensatz zu Doflamingo nicht weiter in das Kinderzimmer hinein. Er wusste nicht so recht, was er von diesem Anblick halten sollte. Es freute ihn, dass sein Partner früher einmal in einem solch hübschen Zimmer gewohnt oder zumindest Urlaub gemacht hatte, doch gleichzeitig spürte er, dass er sich umso trauriger fühlte, je länger er die liebevolle Einrichtung des Raums betrachtete. Seine eigenen Eltern hatten niemals viel Geld für hübsche Zimmerdekoration übrig gehabt. Als mittelständische Familie mit drei Kindern war es nicht immer einfach gewesen, sich über Wasser zu halten. Zum Beispiel hatte er Mihawks altes Babybett geerbt, weil seine Eltern kein Geld für ein neues ausgeben konnten; später dann hatte seine jüngere Schwester Hancock es übernommen. Trotzdem wusste er, dass sein Vater und seine Mutter alles für ihn und seine beiden Geschwister gegeben hatten, was sie besaßen. Noch gut konnte Crocodile sich an die ferngesteuerte Eisenbahn erinnern, die er sich sehnlichst herbeigewünscht und schließlich zu seinem siebten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Über Monate hinweg hatte er jeden Tag mit ihr gespielt gehabt. Seiner kleinen Schwester Hancock hatte dieser Umstand übrigens überhaupt nicht geschmeckt: Immer wieder hatte sie ihn dazu überreden wollen, die Eisenbahn liegenzulassen und stattdessen mit ihr und ihrem Puppenhaus zu spielen. In den meisten Fällen hatte Crocodile sich früher oder später erweichen lassen. Ein seliges Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er an diese so sorgenfreien Zeiten zurückdachte; manchmal vermisste er seine Kindheit doch mehr, als er es zugab. "Woran denkst du gerade?“, fragte Doflamingo ihn neugierig und riss Crocodile somit aus seinen Erinnerungen. "An nichts Wichtiges“, erwiderte dieser rasch. "Nur an ein paar Details aus meiner eigenen Kindheit.“ "Und woran genau?“, hakte Doflamingo nach. "Wolltest du als Kind etwa auch ein Pirat werden?“ Crocodile schüttelte lächelnd den Kopf. "Lokführer“, erwiderte er. "Ich habe eben an meinen siebten Geburtstag zurückgedacht. Damals habe ich eine ferngesteuerte Eisenbahn geschenkt bekommen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dieses blöde Ding geliebt habe.“ "Mehr als mich?“, fragte Doflamingo und tat so, als wäre er beleidigt. "Die Eisenbahn kommt auf Platz eins und du auf Platz zwei“, mokierte Crocodile. Doflamingo schob seine Unterlippe nach vorne und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich kann nicht fassen, dass du eine Spielzeugeisenbahn mehr liebst als mich“, meinte er in einem quengelnden Tonfall. "Dumme Fragen verdienen dumme Antworten“, war die einzige Erwiderung, zu der Crocodile sich (noch immer grinsend) herabließ. "Vielleicht sollte ich dir einfach mal wieder meine Vorzüge ins Gedächtnis rufen“, meinte Doflamingo plötzlich und Crocodile entging der perverse Unterton in der Stimme seines Partners durchaus nicht. "Dann lande ich sicher schnell wieder auf Platz eins!“ Crocodile seufzte und schüttelte den Kopf. "Ich werde auf gar keinen Fall Sex mit dir haben“, sagte er, "wenn es um die Frage geht, ob ich eher dich oder die ferngesteuerte Eisenbahn liebe, die ich als Siebenjähriger besessen habe. Das ist völlig krank und würde mir diese unschuldige Kindheitserinnerung ein für alle Mal verderben!“ Auch wenn Doflamingo wie immer seine Sonnenbrille trug, war Crocodile sich sicher, dass sein Partner mit den Augen rollte. Außerdem gab er einen leicht enttäuschten Brummlaut von sich. Um Doflamingo ein wenig aufzumuntern, fügte er hinzu: "Vielleicht habe ich heute Abend die Sache mit der Spielzeugeisenbahn ja längst schon wieder vergessen. Dann kannst du mich ruhig noch einmal fragen.“ * Abends kühlten die Temperaturen deutlich herunter. Doflamingo hatte einem Angestellten Bescheid gegeben, dass man das Feuer im Kamin entfachen sollte. Nun war das Wohnzimmer auf eine angenehme Temperatur geheizt worden und in den bodentiefen Fenstern spiegelte sich der flackernde Schein des Feuers wieder. Durch die nur halb zugezogenen Vorhänge gesellte sich ein wenig Mondlicht zum Feuerschein. Es herrschte eine ungemein romantische Atmosphäre. Crocodile und Doflamingo saßen gemeinsam auf der gemütlichen Couch im Wohnzimmer. Der Fernseher war ausgeschaltet; sie saßen einfach bloß da und genossen die Ruhe. Doflamingo hatte einen Arm um ihn gelegt, während Crocodile seinen Kopf mit geschlossenen Augen an dessen Schulter lehnte. Er konnte sich nicht daran zurückerinnern, wann er sich das letzte Mal so dermaßen wohl gefühlt hatte. Anscheinend tat ihm dieser Urlaub doch gut, musste er sich wohl oder übel eingestehen. Crocodile spürte, dass Doflamingos Hand, die bisher unbewegt auf seiner Hüfte gelegen hatte, diese zu streicheln begann. Er ließ diese Berührung nicht nur geschehen, sondern quittierte sie sogar mit einem leisen Schnurren. Zum ersten Mal seit langem hatte Crocodile unwahrscheinlich große Lust auf Sex. Sanft begann er am Hals seines Partners zu saugen, ohne einen Gedanken an die Frage zu verschwenden, ob er womöglich einen dunklen Fleck auf dessen Haut zurücklassen würde oder nicht. [zensiert] "Geht es dir gut?“, hörte er irgendwann Doflamingo fragen. Sein Partner richtete sich mühsam wieder auf und fuhr sich mit der Hand durch sein blondes Haar. Angesichts des besorgten Blicks, den er ihm anschließend zuwarf, vermutete Crocodile, dass er sogar noch deutlich geschaffter aussah als er sich fühlte. Crocodile nickte matt. Plötzlich spürte er, wie ihn Müdigkeit überkam. Am liebsten würde er sich jetzt mit einem feuchten Tuch das viele Sperma von der Haut wischen (zu einer Dusche fühlte er sich im Augenblick nicht imstande) und sich dann gleich ins Bett legen. Oder eher noch legen lassen, denn er musste zugeben, dass es sich bei den Worten seines Partners nicht um machohafte Prahlerei gehandelt hatte: Tatsächlich tat sein Unterleib so sehr weh, dass er am liebsten nicht einen einzigen Schritt gehen würde. "Kann ich irgendetwas für dich tun?“, fragte Doflamingo und streichelte zärtlich über seinen Oberarm. "Eine Schmerztablette wäre nicht schlecht“, erwiderte Crocodile nach kurzem Zögern. "Und etwas zu trinken. Oh, und ein paar feuchte Tücher oder so könnte ich gut gebrauchen.“ Eigentlich war er ein ziemlich hart gesottener Kerl, doch ehrlich gesagt hatte Crocodile keine sonderlich große Lust, sich gleich seinen ersten Urlaubstag durch heftige Unterleibsschmerzen verderben zu lassen. "Kein Problem“, meinte Doflamingo. "Ich sage einem Dienstmädchen Bescheid, dass man für dich....“ "Nein, nein!“, unterbrach Crocodile hektisch seinen Partner. "Kein Dienstmädchen! Geh selbst! Ich will nicht, dass mich irgendjemand außer dir nackt sieht.“ Doflamingo zog irritiert eine Augenbraue hoch, gab jedoch relativ schnell kleinbei: "Ähm, na gut, von mir aus. Einen Moment, ja?“ Er stand auf und ging -splitternackt und völlig durchgeschwitzt wie er gerade war- zur Wohnzimmertüre hinüber, die er einen kleinen Spalt weit öffnete. Auf der anderen Seite schien ein Angestellter bereitzustehen, dem er seine Wünsche mitteilte. Es dauerte nur wenige Sekunden, ehe Doflamingo die Zimmertüre wieder schloss und mit den gewünschten Artikeln zur Couch zurückkehrte. Crocodile war zwar ein wenig verblüfft angesichts der absoluten Schamlosigkeit seines Partners, nahm jedoch dankend die Schmerztablette, die Flasche Wasser und die feuchten Tücher entgegen, die dieser ihm reichte. Rasch schluckte er die Tablette, trank die Flasche Wasser in nur wenigen Zügen komplett leer und wischte anschließend mithilfe der feuchten Tücher das Sperma von seiner Haut. Kaum waren diese Dinge geschehen, fühlte Crocodile sich gleich ein klein wenig besser. Auch wenn ihn noch immer die Müdigkeit plagte; er konnte einfach nicht verhehlen, dass ihn der Sex unfassbar angestrengt hatte. "Kannst du ohne Schmerzen laufen?“, fragte Doflamingo mit halb ernster, halb verschmitzter Stimme nach, als er diesen Umstand zu bemerken schien. "Oder soll ich dich wirklich ins Schlafzimmer hinüber tragen?“ "Wenn du dem Dienstpersonal vorher Bescheid gibst, dass sie alle sich die Augen zuhalten sollen“, erwiderte Crocodile im selben Tonfall, "dann nehme ich dieses Angebot sehr gerne an. Dank Ihnen, Herr Donquixote, fühlt sich mein Arsch nämlich so an als würde er jeden Moment in zwei Teile reißen.“ "Das tut mir sehr leid“, meinte Doflamingo; Crocodile glaubte ihm kein Wort. Ehe er jedoch dazu kam, eine gehässige Erwiderung zu geben, hatte sein Partner eine Hand unter seine Knie und die andere hinter seinem Rücken platziert. In einer einzigen eleganten Bewegung hob Doflamingo ihn hoch. Crocodile hielt erstaunt die Luft an. Er hatte (ehrlich gesagt) nicht damit gerechnet, dass sein Partner ihn tatsächlich hochheben würde. Ihn überraschte allein schon der Fakt, dass dieser überhaupt dazu in der Lage war; schließlich handelte es sich bei ihm nicht gerade um ein zierliches Mädchen, sondern um einen erwachsenen Mann von beinahe zwei Metern Körpergröße. Nun, dachte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass ihn dieser Gedanke traurig stimmte, inzwischen wog er nicht sonderlich viel mehr als ein Mädchen. Noch immer hatte er nicht einmal die 70 Kilogramm-Marke geknackt. Auf der anderen Seite allerdings, versuchte Crocodile sich selbst zu trösten, handelte es sich bei seinem Partner um einen sehr muskulösen Mann. Doflamingo trainierte beinahe täglich seinen tollen Adonis-Körper. "Jetzt bist du meine Braut“, meinte ebenjener gut gelaunt, während er mit ihm im Arm völlig mühelos das geräumige Wohnzimmer durchquerte. Crocodile scheute sich vor einer Erwiderung. Auch wenn es sich eben bloß um einen blöden Scherz gehandelt hatte, machten ihn die vielen Andeutungen, die sein Partner in letzter Zeit zum Thema heiraten verstreute, sehr nervös. Ein Heiratsantrag, schoss es ihm sogleich durch den Kopf, wäre das mit Abstand Schlimmste, was ihm nun passieren könnte. Denn sollten er und Doflamingo tatsächlich heiraten, dann wären natürlich seine mehr als 350.000 Berry Schulden auch die seines Ehepartners. Ein Horrorszenario, das in Crocodiles Augen mehr als genug Stoff für schreckliche Alpträume darbot. * "Doflamingo?“ Ungeduldig ließ Crocodile seinen Blick über die weitläufige Terrasse schweifen, die vom großzügigen Esszimmer des Ferienhauses abzweigte und zum Meer hin lag. Der Ausblick war absolut überwältigend: Während nicht weit von ihm entfernt in einem sachten Rhythmus kleine Wellen an den weißen Sandstrand gespült wurden, vereinigten sich am Horizont der strahlend blaue Himmel und das Meer zu einer einzigen Fläche; die Linie, welche die beiden Farbtöne voneinander trennte, war bloß noch sehr schwach zu erkennen. Crocodile wäre fröhlicher gestimmt gewesen angesichts dieser atemberaubenden Aussicht, würde sie zusätzlich noch die Person enthalten, nach der er suchte: Sein Partner war einfach nirgendwo zu finden. Crocodile hatte (wie mit Doflamingo abgesprochen) bis gerade eben noch ein entspannendes Bad genommen und ein wenig Schönheitspflege betrieben; anschließend hatten sie beide zu Mittag essen wollen. Dieser Plan schien leider nicht aufzugehen. Leise seufzend zog Crocodile die gläserne Terrassentür wieder zu und beschloss, die anderen Räume des Ferienhauses abzuklappern. Es ärgerte ihn, dass Doflamingo nirgendwo aufzufinden war. Immerhin hatte die Küche das Essen bereits fertig vorbereitet; und wie sollte er vernünftig an Gewicht zulegen, wenn er wegen der Abwesenheit seines Partners nicht einmal zum Mittagessen kam? Alleine essen wollte er nicht. Leicht genervt setzte Crocodile seine Suche fort. Dieses Ferienhaus war noch deutlich größer als es von außen aussah. In den Zimmern, in denen er und Doflamingo sich normalerweise aufhielten, war dieser jedoch nicht zu finden. Vielleicht, schoss es Crocodile plötzlich durch den Kopf, sah sich sein Partner wieder einmal sein altes Kinderzimmer an. Rasch machte er sich auf den Weg dorthin. Doflamingo konnte manchmal deutlich melancholischer werden als Crocodile es ihm jemals zugetraut hätte. Im Gegensatz zu ihm selbst schien er gerne in Kindheitserinnungen zu schwelgen. Crocodile wiederum bemühte sich zumeist darum, alle Gedanken an seine Kindheit und vor allem seine Eltern zu verdrängen; die Erinnerung daran, dass er für sie eine schreckliche Enttäuschung darstellte und sie es bereuten ihn großgezogen zu haben, war einfach zu schmerzhaft. Tatsächlich sollte Crocodile Recht behalten. Zu seiner Überraschung hielt Doflamingo sich jedoch nicht in dem Kinderzimmer auf, das dieser ihm bereits gezeigt hatte, sondern in einem anderem. Crocodile vermutete, dass ein kleines Mädchen hier gewohnt hatte; zumindest ließen die im Herzchen-Muster bedruckten Tapeten darauf schließen. Doflamingo saß auf dem weiß lackierten Kinderbett und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen; sein Gesichtsausdruck war ganz starr. "Doflamingo?“, meinte Crocodile mit überaus zögerlich klingender Stimme. Er konnte es sich selbst nicht recht erklären, doch aus irgendeinem Grund wagte er es nicht, dieses Kinderzimmer zu betreten. Es kam ihm seltsam vor, dass es überhaupt existierte. Sein Partner hatte niemals auch nur mit einem Wort eine Schwester oder besondere Grundschulfreundin erwähnt gehabt. Unweigerlich fragte Crocodile sich, wieso nicht. Doflamingo schien ihn erst jetzt zu bemerken. Er schüttelte gedankenverloren den Kopf, ehe er sich wieder sammelte und mit relativ fester Stimme fragte: "Was gibt es, Baby?“ "Ähm, das Mittagessen ist fertig“, antwortete Crocodile. Doflamingo nickte und erhob sich langsam von dem kleinen Kinderbett. "Ich habe keinen sonderlich großen Hunger“, meinte er, "aber ich setze mich gerne zu dir an den Tisch.“ Er wirkte ungemein ruhig und überhaupt nicht spitzbübisch oder frech, was Crocodile sehr wunderte. So ernst kannte er seinen Partner gar nicht. Ob dessen seltsame Laune wohl von diesem verlassenen Kinderzimmer herrührte? Crocodile musste zugeben, dass ihm dieser unheimliche Gedanke einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Am liebsten wollte er so schnell wie nur möglich dieses Zimmer wieder verlassen, sich ins Esszimmer hinsetzen und das leckere Mittagessen genießen, dass die Bediensteten seines Partners für sie beide gekocht hatten. Hoffentlich würde sich dann auch Doflamingos melancholische Laune rasch wieder verflüchtigen. Crocodile wusste nämlich (ehrlich gesagt) nicht so recht, wie er mit seinem Partner umgehen sollte, wenn dieser so ruhig und ernst war. Es kam nur sehr selten vor, dass Doflamingo sich so untypisch betrübt gab. Normalerweise war er eine sehr fröhliche und extrovertierte Person. Zu Mittag gab es Rinderrouladen mit Rotkohl und gestampften Kartoffeln. Es wunderte Crocodile, dass sein Partner tatsächlich nichts essen wollte, wo Rinderrouladen doch zu dessen absoluten Leibgerichten gehörte. Doflamingos Zurückhaltung verdarb auch ihm selbst den Appetit und er stocherte eher lustlos in in seinem Essen herum, anstatt es genüsslich hinunterzuschlingen, wie er es seinem mageren Gewicht zuliebe eigentlich tun sollte. Auch ganz abgesehen vom Essen verhielt Doflamingo sich merkwürdig: Die ganze Zeit über sagte er kein Wort, lächelte und grinste nicht, machte nicht einen einzigen Scherz... Allmählich begann Crocodile sich zu sorgen. Er schluckte bedächtig die Portion Rotkohl, die er bis eben noch im Mund gehabt hatte, hinunter, ehe er mit vorsichtiger Stimme fragte: "Doffy? Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst ein wenig, naja, abwesend.“ Sein Partner schreckte auf. "Was?“, fragte er in einem ganz verloren klingenden Tonfall. "Wie bitte? Was hast du gesagt? Ich war eben ein wenig in Gedanken.“ "Ob alles in Ordnung mit dir ist?“, wiederholte Crocodile und legte seine Gabel zur Seite. "Du benimmst dich ganz eigenartig.“ "Ich bin okay“, erwiderte Doflamingo mit leiser Stimme und fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht. "Mach dir keine Sorgen.“ Crocodile wusste sofort, dass sein Partner log. Er spürte, dass diesen irgendetwas bedrückte. Schließlich sagte er: "Du weißt, dass du immer mit mir sprechen kannst, nicht wahr, Doffy? Mir ist bewusst, dass in letzter Zeit häufig eher ich derjenige von uns beiden gewesen bin, der wegen seiner Probleme im Vordergrund stand; aber deswegen musst du deine eigenen Problem nicht zurückstecken. Wir können über alles reden! Diese Beziehung funktioniert nur, wenn wir beide gleichberechtigt sind.“ Tatsächlich schienen seine Worte Doflamingo ein Stück weit auftauen zu können. Sein Partner brachte ein wackeres Lächeln zustande und erwiderte: "Das weiß ich doch, Wani. Aber es ist wirklich nichts. Zumindest nichts, was man ändern oder wobei du mir helfen könntest. Es tut mir leid, wenn dich meine traurige Stimmung stört. Gib mir ein bisschen Zeit und, ähm, dann benehme ich mich ganz automatisch wieder normal. Glaub mir: Heute Abend werde ich wieder ganz der Alte sein.“ "Mich stört deine Stimmung nicht“, lenkte Crocodile rasch ein. "Ich mache mir nur Sorgen um dich. So melancholisch kenne ich dich gar nicht.“ Er zögerte einen Augenblick lang, ehe er hinzufügte: "Ist es wiegen diesem alten Kinderzimmer, in dem du eben gewesen bist? Oder... oder hat deine Niedergeschlagenheit vielleicht irgendetwas mit mir zu tun?“ Wenn Crocodile ehrlich war, dann versetzte ihn die Vorstellung, dass womöglich er die Ursache für das distanzierte Verhalten seines Partners darstellte, einen schmerzhaften Stich ins Herz. Hatte Doflamingo genug von ihm? Wurde es ihm allmählich zu viel, sich ständig um seine Probleme kümmern zu müssen? Erst sein heftiger Gewichtsverlust, danach sein Nervenzusammenbruch... Hielt sein Partner ihn nun mehr für ein seelisches Wrack und wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben? "Nein, nein, auf keinen Fall!“, warf Doflamingo rasch ein, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Es ist nicht deine Schuld! Denk doch bitte so etwas nicht! Du bist ein toller Freund und ich liebe dich!“ "Also ist es wegen dem Kinderzimmer?“, hakte Crocodile nach, der nur mit viel Mühe die Erleichterung in seiner Stimme verbergen konnte. Doflamingo zögerte einen Moment lang und biss sich auf die Unterlippe, ehe er sich schließlich geschlagen gab. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar und meinte mit bedächtiger Stimme: "Du hast ja Recht: Es ist wegen dem Zimmer. Es war eine sehr dumme Idee von mir, es zu betreten. Das hätte ich nicht tun sollen.“ "Und wieso nicht?“, fragte Crocodile. "Was hat es mit diesem Kinderzimmer auf sich?“ Er musste sich zusammenreißen, um nicht ein spöttisches Lebt dort ein Geist oder was? anzufügen; immerhin wollte er seinen Partner nicht verletzen. Doflamingo schwieg für eine Weile. Crocodile konnte hören, dass er mit seinen Füßen über den Parkettfußboden scharrte. Eine nervöse Geste, die eigentlich gar nicht zu dem ansonsten immer so selbstsicheren und lustigen Donquixote Doflamingo passte. Unweigerlich begann Crocodile sich Gedanken zu machen. Was hatte es mit dem verlassenen Kinderzimmer auf sich? Doflamingo schwieg solange, dass Crocodile schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete, als dieser plötzlich sagte: "Es hat meinem kleinem Bruder gehört. Also, das zweite Kinderzimmer. Ich habe dir doch erzählt gehabt, dass ich hier früher oft Urlaub gemeinsam mit meiner Familie gemacht habe, nicht wahr?“ "Deinem Bruder?“, hakte Crocodile verwundert nach. Eine solche Antwort hatte er nicht erwartet. "Du hast mir niemals irgendetwas von einem Bruder erzählt. Ich bin immer davon ausgegangen, dass du ein Einzelkind bist.“ Das war er tatsächlich. Weder über seine Eltern noch über seinen dubiosen jüngeren Bruder hatte Doflamingo jemals ein Wort verloren. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Wieso hatte sein Partner ihm die Existenz seines Bruders bisher verheimlicht? Handelte es sich vielleicht um das schwarze Schaf der Familie, über das man mit niemandem sprach? Er könnte im Gefängnis sitzen, dachte Crocodile, oder vielleicht hat er harte Drogen genommen und ist abgestürzt. "Das bin ich inzwischen auch“, erwiderte Doflamingo mit bitterer Stimme. "Er ist vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sein Tod ist der Grund gewesen, wieso ich psychatrische Hilfe in Anspruch genommen habe. Inzwischen komme ich ganz gut mit diesem Verlust zurecht, doch manchmal... wenn ich ein Foto von ihm sehe... oder, wie in diesem Fall, sein altes Kinderzimmer... dann kommen die ganzen schrecklichen Gefühle wieder hoch. Und mir wird wieder bewusst, wie sehr ich ihn vermisse.“ "D-doflamingo, oh mein... Ich... Das tut mir so leid!“ Crocodile wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Also beschloss er, stattdessen lieber zu schweigen. Er stand von seinem Stuhl auf und huschte rasch zu seinem Partner hinüber, schloss diesen in seine Arme. Er konnte spüren, dass Doflamingo am ganzen Leib zitterte. So schrecklich von Trauer erfüllt, hatte er ihn noch niemals erlebt. Wie sollte er sich jetzt am besten verhalten? Doflamingo erwiderte seine Umarmung. Tatsächlich klammerte sich so heftig an seinen Partner, dass es beinahe schon schmerzte. Crocodile hütete sich jedoch davor, auch nur den geringsten Schmerzenslaut von sich zu geben. Er ahnte, dass Doflamingo nun dringend seine Unterstützung brauchte. Darum ließ er es auch geschehen, als dieser ihn kurzerhand auf seinen Schoß zog. Doflamingo vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge seines Partners. Er weinte nicht, doch Crocodile merkte trotzdem sehr deutlich, dass es ihm furchtbar schlecht ging. Beruhigend strich er ihm mit der rechten Hand über seinen Rücken. "Meine Mutter ist gestorben, als ich sechzehn Jahre alt war“, sagte Doflamingo, ohne seinem Partner ins Gesicht zu sehen. "Und mein Vater wenige Tage nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag. Sie waren beide schon ziemlich alt, musst du wissen. Sie wollten immer Kinder haben, aber auf natürliche Weise hat es nicht funktioniert. Irgendwann haben sie sich deswegen für künstliche Befruchtung entschieden. Meine Eltern haben meinen Bruder und mich sehr geliebt. Ihr Tod war ein furchtbarer Verlust für uns.“ Crocodile konnte hören, dass Doflamingo durch die Nase tief ein und aus atmete. Er ließ seine Hand weiter nach oben bis zu dessen Haar gleiten und streichelte es zärtlich. Auch ihn nahm es sehr mit, was sein Partner da von sich gab, doch er spürte, dass Doflamingo nun besonders viel Nähe und Zuwendung brauchte. Crocodile war sich dessen bewusst, dass es sich bei dieser Äußerung über seine Familie um einen sehr großen Vertrauensbeweis handelte. Und er hatte nicht vor, das Vertrauen, das sein Partner in ihn legte, zu missbrauchen. "Mein Leben war nicht gerade leicht, nachdem meine Eltern gestorben waren“, fuhr Doflamingo mit belegter Stimme fort. "Mit gerade einmal einundzwanzig Jahren musste ich Dutzende Firmen und Betriebe leiten. Ich hatte große Angst, einen Fehler zu machen und auf diese Weise das Lebenswerk meiner Eltern zu zerstören. Außerdem war es gleichzeitig meine Aufgabe, mich um Corazon zu kümmern. Er ist nämlich krank gewesen, von Geburt an. Sein zentrales Nervensystem war nicht richtig ausgebildet; deswegen fiel es ihm schwer, seine Bewegungen zu koordinieren. Er ist ständig über seine eigenen Füße gestolpert. Corazon bereitete es auch große Schwierigkeiten zu sprechen. Früher hatte er es wenigstens noch versucht, doch seit dem Tod unseres Vaters sprach er überhaupt nicht mehr. Er verstummte völlig.“ Doflamingo verstärkte den Griff um den Körper seines Partners. Crocodile bekam kaum mehr Luft, doch zwang sich dazu, Ruhe zu bewahren und mit seinen Liebkosungen fortzufahren. "Trotzdem bekamen wir unser Leben insgesamt ganz gut auf die Kette. Irgendwann verarbeiteten sowohl Corazon als auch ich den Tod unserer Eltern. Und als Geschäftsführer machte ich mich entgegen meiner Befürchtungen auch nicht schlecht. Es ging wieder bergauf. Nun ja, bis zu diesem Tag vor zwei Jahren. Corazon ist nicht selbst Auto gefahren. Aufgrund seiner Krankheit wäre es viel zu gefährlich gewesen, sich hinter das Steuer zu setzen. Die Schuld liegt bei einem betrunkenem Autofahrer. Er verursachte einen Unfall, bei dem sowohl er, als auch Corazon und sein Fahrer ums Leben kamen. Ich konnte mich nicht einmal von ihm verabschieden. Die Notärzte, die bei der Unfallstelle eintrafen, konnten bloß noch seinen Tod feststellen. Man... man erlaubte mir auch nicht, seine Leiche zu sehen. Die Ärzte sagten, ich sollte ihn lieber so in Erinnerung behalten, wie ich ihn kannte.“ Doflamingo schluckte hart. Crocodile spürte, dass sein Partner kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Er gab ihm einen sanften Kuss auf sein blondes Haar und drückte ihn so fest wie nur möglich an sich. Um ehrlich zu sein, wusste er nicht, was er jetzt am besten tun sollte. Er war mit dieser Situation völlig überfordert. Noch niemals zuvor hatte er Doflamingo so von Trauer erfüllt erlebt. "Ich erinnere mich noch genau an die letzten Worte, die ich zu ihm gesagt habe“, hörte er diesen verzweifelt flüstern. "Ich habe gesagt: Bis heute Abend, Cora! Hätte ich gewusst, dass ich ihn niemals wieder sehen würde, hätte ich mir etwas Schöneres ausgedacht.“ "Du konntest es doch nicht ahnen“, versuchte Crocodile seinen völlig niedergeschmetterten Partner zu beruhigen. "Niemand konnte das. Mach dir bitte keine Vorwürfe. Das hast du wirklich nicht verdient, Doffy!“ "Das hat mein Psychater auch gesagt“, erwiderte Doflamingo mit bitterer Stimme. Er richtete sich langsam wieder auf und lockerte den harten Griff um den Körper seines Partners. "Und eigentlich dachte ich auch, dass ich über Corazons Tod allmählich hinweg wäre. Aber der Anblick seines Kinderzimmers hat all die alten Gefühle wieder wach gerufen. Alles ist noch genauso wie früher. Mir wird wieder klar, wie sehr er mir fehlt.“ "Natürlich fehlt er dir“, meinte Crocodile und bemühte sich um einen verständnisvoll klingenden Tonfall. Tatsächlich konnte er die Situation, in der Doflamingo sich befand, relativ gut nachvollziehen. Immerhin hatten seine eigenen Geschwister ebenfalls nach einem Autounfall um sein Leben gebangt. Der Verlust seiner linken Hand hätte beinahe den Tod für ihn bedeutet. "Er ist dein Bruder gewesen und du hast ihn sehr geliebt. Aber wegen seines Todes darfst du nicht verzweifeln. Ich, ähm, ich habe Corazon zwar nicht gekannt, doch ich bin mir sicher, er hätte nicht gewollt, dass du in Trauer versinkst. Dir fehlt Corazon, doch denk an die vielen Menschen, die du immer noch hast: Bellamy, Dellinger, Law, Kuma und noch viele mehr. Du musst stark sein für die Leute, die du liebst.“ Doflamingo nickte zaghaft und wischte sich mit einer Hand über die Augen. Zwar hatte er nicht angefangen zu weinen, doch Crocodile konnte eindeutig einen feuchten Schimmer in ihnen erkennen. "Ich versuche es“, meinte Doflamingo und brachte sogar ein tapferes Lächeln zustande. "Du hast Recht: Corazon hätte nicht gewollt, dass ich mich von meiner Trauer zerfressen lasse. Schon als Kind hat er es immer gehasst, wenn ich geweint habe. Ich muss versuchen, stark zu bleiben. Nicht nur für Bellamy, Dellinger und die Anderen. Vor allem für dich, Crocodile!“ Er hielt einen Moment lang inne und blickte ihn durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille heraus an. Dann sagte er in einem unerwartet ernsten Tonfall: "Du bist jetzt meine Familie, Crocodile. Ich liebe dich mehr als alles Andere auf der Welt. Mit dir möchte ich mein Leben verbringen. Und du brauchst im Moment meine Hilfe dringender als ich deine. Darum möchte ich für dich stark sein.“ Crocodile wusste nicht, was er auf diese Aussage erwidern sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner so etwas sagen würde. Dass er ihn als seine Familie bezeichnen würde. Crocodile spürte einen schweren und schmerzhaften Kloß in seinem Hals. Doflamingo liebte ihn so sehr, schoss es ihm durch den Kopf, und er log ihn jeden Tag an. "Ich liebe dich auch“, meinte Crocodile schließlich recht unbeholfen. "Ich, ähm, tut mir leid... Ich weiß jetzt gar nicht so richtig, was ich sagen soll. Das... ähm...“ "Ist schon gut“, unterbrach ihn Doflamingo mit leiser Stimme und streichelte zärtlich seine Hand. "Vermutlich habe ich dich eben ziemlich überrannt. Du weißt schon, wegen der Geschichte über meinen Eltern und Corazon. Ich brauche nur zu wissen, dass du mich genauso sehr liebst wie ich dich liebe. Mehr musst du gar nicht sagen.“ Doflamingo schloss ihn erneut in seine Arme, doch diesmal war es keine schmerzhafte, sondern eine sehr sanfte und liebevolle Umarmung. Crocodile schloss seine Augen und bettete seinen Kopf auf der Schulter seines Partners. Es fiel ihm schwer zu verarbeiten, was Doflamingo ihm da eben erzählt hatte. Ihn schockierte die Vergangenheit des Anderen. Damit hatte er nicht gerechnet. Crocodile kam nicht umhin, heftiges Mitleid für seinen Partner zu empfinden. Er hatte immer gedacht, mit seiner eigenen Familiensituation hätte er ein schlechtes Los gezogen, doch Doflamingo hatte es ganz offensichtlich noch viel schlimmer getroffen. * "Was hältst du von einem romantischen Strandspaziergang?“, fragte ihn Doflamingo am frühen Abend ihres vierten Urlaubstages. "Wir haben uns das Meer noch gar nicht richtig angesehen.“ Crocodile blickte verwundert auf und legte schließlich die Zeitung, in der er bis eben noch geblättert hatte, zur Seite. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner ausgerechnet heute Abend gerne einen Strandausflug machen wollte. Wenn er ehrlich war, dann hätte er eigentlich lieber den Wirtschaftsteil seiner Zeitung zu Ende gelesen. Doch da Doflamingo einen so erwartungsvollen Eindruck machte, gab Crocodile schließlich kleinbei und erhob sich von der gemütlichen Wohnzimmercouch. "Von mir aus“, meinte er und bemühte sich darum, seinen fehlenden Enthusiasmus so gut wie möglich zu verbergen. "Gib mir nur einen kleinen Moment Zeit. Ich ziehe mir eben meine Schuhe an.“ "Du kannst ruhig barfuß gehen“, lenkte Doflamingo mit unbekümmerter Stimme ein. "Schließlich sind wir direkt am Strand.“ "Ähm, okay, gut“, erwiderte Crocodile zaghaft. Er wusste nicht, ob ihm der Gedanke gefiel, draußen barfuß umher zu laufen. Normalerweise verzichtete er bloß in den eigenen vier Wänden auf festes Schuhwerk. "Ist alles in Ordnung bei dir?“, hakte Doflamingo in einem leicht besorgt klingenden Tonfall nach, als er seine Zurückhaltung bemerkte. "Klar“, antwortete Crocodile rasch. Sein Partner schien sich sehr auf ihren gemeinsamen Strandausflug zu freuen; er wollte ihm diese Erfahrung nicht wegen seiner eigenen schlechten Laune kaputt machen. "Ich habe mich eben nur selbst gefragt, wann ich das letzte Mal barfuß draußen gewesen bin. Mein letzter Strandurlaub ist bestimmt schon fünf oder sechs Jahre her.“ Seine Antwort schien Doflamingo zu beruhigen. "So lange schon? Jedenfalls musst du dir keine Sorgen machen“, meinte er. "Der Sand ist nicht heiß. Schließlich haben wir fast schon achtzehn Uhr. Inzwischen dürfte er ein wenig heruntergekühlt sein.“ Crocodile nickte. Hand in Hand mit seinem Partner verließ er das luxuriöse Ferienhaus. Wenn er so recht darüber nachdachte, tat ihm ein kleiner Strandspaziergang ja vielleicht sogar ganz gut. Crocodile wusste selbst, dass er eine Person war, die leicht dazu neigte, sich sogar im Urlaub den ganzen Tag lang in den sicheren vier Wänden zu verschanzen. Und außerdem bereitete er seinem Partner auf diese Weise gerne eine kleine Freunde. Denn zumindest Doflamingo schien diesen abendlichen Ausflug sehr zu genießen. Er atmete mehrmals tief die salzige Meerluft ein und aus und ging jeden Schritt so bedächtig, als handelte es sich dabei um seinen letzten. Crocodile musste zugeben, dass der Strandspaziergang tatsächlich keine schlechte Idee gewesen war. Da das Ferienhaus, in dem sie beide während ihres Urlaubs wohnten, völlig abgeschieden dalag, hatten sie auch den Strand ganz für sich allein. Nirgendwo war nervtötendes Stimmengewirr, Radiomusik, Verkehrslärm oder Ähnliches zu hören. Es war ein sehr einsamer und unberührter Ort. Crocodile schloss für eine Minute seine Augen und ließ sich von der Hand seines Partners führen, während er die Ruhe genoss. Der feine Sand fühlte sich kühl und angenehm an unter seinen nackten Füßen. Ab und an wurden sie von der Gischt umspült. Das Meerwasser war kalt, doch Crocodile machte es nichts aus. Er atmete tief durch und nahm den salzigen Geruch, der überall in der Luft lag, in sich auf. "Gefällt es dir hier?“, fragte sein Partner ihn mit ruhiger Stimme. Crocodile öffnete seine Augen wieder und nickte. "Es ist wunderschön“, antwortete er wahrheitsgemäß. Er zögerte kurz, dann fügte er hinzu: "Vielen Dank, dass du mich zu diesem Urlaub eingeladen hast, Doffy. Zuerst war ich ein wenig skeptisch, doch inzwischen habe ich festgestellt, dass ein wenig Erholung genau das war, was ich nötig hatte. Ich fühle mich schon viel besser. Entspannter, ruhiger und … naja, einfach glücklicher.“ "Das freut mich sehr“, erwiderte Doflamingo zaghaft lächelnd. Er senkte für etwa eine Sekunde den Blick und schluckte schwer, ehe er stehenblieb. Crocodile zog verwundert die Augenbrauen zusammen und sah zu seinem Partner hinüber. Verunsichert fragte er sich, was mit diesem wohl los war. Dann sah er zum Meer hinüber und verstand, was der Grund dafür war, dass Doflamingo innehalten wollte. In genau diesem Moment ging nämlich die Sonne unter. Auch wenn Crocodile nicht gerade viel für Romantik übrig hatte, konnte er den Blick doch nicht abwenden. Die untergehende Sonne tauchte die glatte Oberfläche des Meeres, das sich schier unendlich vor ihnen ausbreitete, in warme Rot- und Orangetöne. Man könnte meinen, das Wasser wäre bunt angemalt worden. Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal ein solch schönes Naturschauspiel miterleben durfte. In der Großstadt sah der Sonnenuntergang nie so unfassbar spektakulär und atemberaubend schön aus wie hier am Strand. Doflamingo räusperte sich. Crocodile wandte sich wieder seinem Partner zu. Dieser fuhr sich nervös mit der Hand über den Mund, ehe er nach dem Gestell seiner Sonnenbrille griff und sie in seiner linken Hosentasche verstaute. Verwundert stellte Crocodile fest, dass Doflamingos strahlend grüne Iriden sowohl Unsicherheit und Ungeduld als auch pure Angst ausdrückten. In einem solchen Zustand hatte er ihn noch niemals zuvor erlebt. Crocodile wurde erst klar, was sein Partner im Sinn hatte, als dieser vor ihm auf die Knie ging. Ihm wurde augenblicklich übel und die Sicht verschwamm vor seinen Augen. In seinem Kopf pochte es so heftig, dass man meinen könnte, anstelle seines Gehirns befände sich ein zweites Herz dortdrin. Crocodile wollte schlucken, doch seine Kehle war so trocken, dass es ihm einfach nicht gelingen wollte. Er fühlte sich hundeelend. Nein, dachte er und selbst die Stimme in seinem Kopf hörte sich furchtbar verzweifelt an. Nein, nein, nein! Bitte nicht! Alles, nur das nicht! "Crocodile“, begann Doflamingo und griff nach seiner Hand. "Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe, ist es um mich geschehen gewesen. Ich bin zu dem Geschäftsessen erschienen, bei dem wir beide uns kennengelernt haben, ich habe dich dort sitzen sehen und wusste sofort, dass du der Mann bist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Während der letzten neun Monate habe ich immer wieder feststellen dürfen, was für ein wundervoller Mensch du bist. Anstelle des erfolgreichen Geschäftsmann, siehst du in mir mein wahres Ich. Du bist nicht hinter meinem Geld her, sondern verbringst Zeit mir mir, weil du mich liebst. Du unterstützt mich, ganz gleich was auch geschieht. Und du bist immer für mich da, wenn ich dich brauche. Ich kann deine Schönheit, deine Eleganz und deine Klugheit kaum in Worte fassen. Es ehrt mich, dass du dich ausgerechnet in mich verliebt hast. Allein schon morgens neben dir aufzuwachen, scheint mir das größte Freude zu sein, die ich erfahren kann. Nichts macht mich glücklicher, als in deiner Nähe zu sein.“ Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht laut aufzuschreien und einfach davonzulaufen. Er wollte diesen Heiratsantrag nicht. Und er wollte auch die vielen Komplimente nicht, die Doflamingo ihm machte. Sie beide durften unter keinen Umständen heiraten! Crocodile konnte nicht von seinem... seinem Ehemann verlangen, wegen ihm für mehr als 350.000 Berry Schulden zu bürgen. Es wäre hinterlistig und egoistisch, Doflamingo mit seinen Problemen zu beladen. Doch hatte er überhaupt eine Wahl? Panik breitete sich wie ein starkes Nervengift in seinem ganzen Körper aus. Den Heiratsantrag seines Partners abzulehnen war praktisch gleichzusetzen mit einem Trennungswunsch. Und die Beziehung zu Doflamingo zu beenden, war das Allerletzte, was Crocodile wollte. Er liebte diesen Mann. Er war sich absolut sicher, dass er der Richtige für ihn war. Nur heiraten wollte er ihn nicht. "Ich sehe dich schon lange als einen Teil meiner Familie an“, fuhr Doflamingo fort. "Und nun endlich möchte ich dich auch ganz offiziell dazu machen.“ Crocodile beobachtete, wie Doflamingo in seine rechte Hosentasche griff und eine kleine Aufbewahrungsbox für Schmuck hervorholte. Oh nein!, schoss es ihm unweigerlich durch den Kopf. Sein Partner hatte also sogar einen Ring für ihn gekauft. Einen Verlobungsring. Crocodile spürte, dass er Atemnot bekam. Er zwang sich dazu, Ruhe zu bewahren, und sah dabei zu, wie Doflamingo die kleine Box öffnete. Ein wunderschöner Goldring mit einem grünem Edelstein kam zum Vorschein. In jeder anderen Situation hätte Crocodile sich über dieses Geschenk sehr gefreut. Im Augenblick jedoch empfand er diesen kleine Ring als genauso furchterregend wie eine Todesdrohung. Eine Todesdrohung, der er nicht entkommen konnte. Denn was blieb ihm Anderes übrig, als den Heiratsantrag seines Partners anzunehmen? Crocodile wollte Doflamingo nicht verlieren. Doch gleichzeitig war er sich dessen bewusst, dass all seine Lügen aufliegen würden, sobald er diesen heiratete. Er konnte weder vor noch zurück. Er war gefangen in dem Netz aus Lügen, das er selbst gestrickt hatte. Crocodile musste sich zusammenreißen, um nicht erneut in Tränen auszubrechen. "Crocodile, willst du mich heiraten?“ Die Welt stand still. Crocodile brachte kein Wort über die Lippen. Doflamingos strahlend grünen Augen blickten ihn unverwandt an. Abwartend. Abschätzend. Ängstlich. Crocodile spürte, dass ein paar heiße Tränen seine Wangen hinunterliefen. Er durfte Doflamingo jetzt nicht verlieren. Zumindest ein wenig mehr Zeit wollte er sich erkaufen. "Ja“, sagte er mit zittriger Stimme und hielt ihm ziemlich ungelenk seine rechte Hand hin. "Ja, ich will!“ Crocodile sah nicht hin, als sein Partner ihm den Verlobungsring aufsteckte. Er spürte es bloß. Der goldene Ring mit dem grünen Edelstein fühlte sich für ihn an wie eine Schlinge, die man ihm um den Hals legte. Crocodile bemühte sich darum, sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Er zwang sich selbst zu einem wackeren Lächeln und schloss Doflamingo in die Arme. Sein Partner lächelte glückselig. bye sb Kapitel 13: Kapitel 7 --------------------- Crocodile saß in der Badewanne und hatte seine beiden Augen geschlossen. Auf dem Wannenrand stand ein leer getrunkenes Weinglas, auf dem Fußboden eine nur noch halb volle Flasche Wein. Leise seufzend öffnete Crocodile seine Augen, richtete sich auf und griff nach ihr. Dieses Mal machte er sich nicht einmal die Mühe, den Wein vorher ins Glas zu schütten; er trank ihn aus der Flasche. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte Crocodile sich so schrecklich verzweifelt gefühlt wie in dieser Situation. Seinen Verlobungsring hatte er abgenommen, ehe er in die Badewanne gestiegen war, und im obersten Fach des Spiegelschrank über dem Waschbecken verstaut. Er war sich dessen bewusst, dass er ihn wieder überstreifen musste, sobald er das Badezimmer verlief, doch jetzt gerade wollte er ihn nicht sehen. Was sollte er bloß tun? Crocodile wusste einfach keinen Ausweg. Wenn er Doflamingo heiratete, was früher oder später geschehen würde, dann erfuhr dieser von seinen Schulden in Höhe von mehr als 350.000 Berry. Und all die Lügen, die er diesem in den letzten Wochen und Monaten aufgetischt hatte, würden auffliegen. Er konnte dieses furchtbare Finale nicht aufhalten, bloß möglichst weiter aufschieben. Es war absolut unvermeidbar. Vielleicht, dachte Crocodile und wischte sich mit der rechten Hand über den Mund, könnte er Doflamingo dazu bewegen, ihre Hochzeit erst in einigen Jahren stattfinden zu lassen. Wenn er es schaffte, bis dahin all seine Schulden zu tilgen, bestünde die Möglichkeit, dass dieser die Wahrheit niemals erfuhr. Manche Paaren genossen doch lange ihre Verlobung, ehe sie heirateten, nicht wahr? Eine Hochzeit benötigte immerhin auch eine gewisse Vorbereitungszeit. Mindestens ein Jahr könnte er bestimmt für sich herausschlagen. Doch wie sollte es ihm gelingen, innerhalb von nur zwölf Monaten 350.000 Berry aufzutreiben? Er war doch inzwischen arbeitslos! Crocodile setzte die Weinflasche erst wieder ab, als sie komplett leer getrunken war. Er ließ seinen Körper zurück in das angenehm warme Wasser gleiten und fragte sich, wie er es bloß vollbracht hatte, sein Leben so schrecklich zu ruinieren. Seine Arbeit hatte er verloren, horrende Schulden saßen ihm in Nacken und nun stand sogar seine Beziehung zu Doflamingo auf dem Spiel! Konnte es noch schlimmer werden? Gedämpft konnte Crocodile die Stimme seines... seines Verlobten hören, der im Gang aufgeregt auf und ab ging. Kaum waren sie ins Ferienhaus zurückgekehrt, hatte Doflamingo nach seinem Handy gegriffen und all seinen Freunden mitgeteilt, dass er den Heiratsantrag angenommen hatte. Währenddessen hatte er selbst sich ins Badezimmer zurückgezogen und badete nicht bloß in wohlduftendem Wasser, sondern gleichzeitig auch in Selbstmitleid. Er hoffte, der Konfrontation mit seinem Partner so lange wie nur möglich entgehen zu können. Leider wurden seine Hoffnungen rasch enttäuscht. Er hörte, wie Doflamingo an die geschlossene Badezimmertüre klopfte und meinte: "Croco, machst du dich fertig? Es gibt gleich Abendessen!" "Gib mir eine Minute!", gab Crocodile zurück und bemüht sich um eine neutral klingende Stimmlage. Anschließend seufzte er leise und stieg aus der Badewanne. Sofort breitete sich Gänsehaut auf seinem ganzen Körper aus. Er fühlte sich furchtbar! Lustlos griff Crocodile nach einem Handtuch und rieb seinen Körper trocken, ehe er in seinen Bademantel schlüpfte. Beinahe vergaß er, seinen Verlobungsring wieder aufzustecken. Das war zwar mit nur einer Hand nicht ganz einfach, doch Crocodile besaß eine Menge Übung darin. Eigentlich trug er gerne Ringe. Draußen im Gang wartete sein Verlobter, der ihn überschwänglich umarmte. "Zu Abend gibt es gebackene Austern und Kaviar", verkündete dieser mit fröhlicher Stimme. "Und dazu ein schönes Glas Champagner. Wir müssen unbedingt auf unsere Verlobung anstoßen! Oh, Wani, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich ich bin!" Crocodile lächelte zaghaft. "Doch, ich denke, das kann ich", erwiderte er. "Lass mich nur eben in angemessene Kleidung schlüpfen, ja? Etwas so edles wie Kaviar sollte man nicht im Bademantel essen." "Ach, wieso denn nicht?", warf Doflamingo ein, legte den Arm um seine Hüfte und dirigierte ihn in Richtung Esszimmer. "Wir sind hier doch ganz unter uns. Es gibt keinen Grund, um sich zu genieren. Außerdem denke ich, dass Kleidung spätestens beim Verzehr des Desserts bloß hinderlich sein wird." "Dessert?", hakte Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen nach. Hatte sein Partner etwa wieder einmal nicht im Kopf, dass er Süßes überhaupt nicht zu sich nehmen durfte? Und worauf wollte dieser eigentlich hinaus? Doflamingo grinste lüstern. "Keine Sorge, dein Magen wird keinen Schaden nehmen", meinte er und ließ seine Finger ungefragt unter Crocodiles bloß bis zur Mitte der Oberschenkel reichenden Bademantel gleiten. Frech kniff er ihm in eine Pobacke. "Doflamingo!", zischte Crocodile und befreite sich rasch aus dem Griff seines Partners. Er spürte, dass sich Röte auf seinen Wangen ausbreitete. Doflamingo kicherte. "Ist ja schon gut", meinte er in einem versöhnlichen Tonfall. "Zuerst sollten wir zu Abend essen. Danach erst werde ich dich vernaschen. Versprochen!" Crocodile rollte mit den Augen, doch erwiderte nichts auf diesen platten Spruch. Inzwischen hatten sie sowieso das Esszimmer erreicht. Crocodile warf einen neugierigen Blick auf den bereits gedeckten Tisch; er hatte noch nie zuvor Kaviar gegessen. Crocodile bemühte sich während des Abendbrots darum, einen möglichst unbekümmerten und glücklichen Eindruck zu erwecken. Doflamingo sollte nicht erfahren, wie schlecht es ihm in Wirklichkeit ging. Auch auf Geschlechtsverkehr hatte er heute keine sonderlich große Lust, doch er wollte seinen Partner nicht vor den Kopf stoßen, indem er diesem ausgerechnet am Tag ihrer Verlobung den Sex verweigerte. Also würde er sich dazu durchringen, mitzumachen und sich seinen Unwillen nicht anmerken zu lassen. "Auf unsere Verlobung", sagte Doflamingo mit freudiger Stimme und stieß sein Glas Champagner gegen das seines Partners. "Auf unsere Verlobung", erwiderte Crocodile und zwang sich dazu, den Champagner nicht gleich in einem Zug auszutrinken. Obwohl dies vielleicht gar keine so schlechte Idee war: Vielleicht könnte er dem Geschlechtsverkehr mit seinem Partner entkommen, indem er aus purer Freude natürlich ein paar Gläser über den Durst trank? Gedanklich wägte Crocodile ab, ob er diesem zutraute, Sex mit ihm zu haben, während er sturzbetrunken war. Eine solche Situation hatte es in ihrer Beziehung zuvor nie gegeben. "Woran denkst du?", fragte Doflamingo ihn neugierig. "Ach, an alles Mögliche", meinte Crocodile rasch und schüttelte geistesabwesend den Kopf. "Ich kann es kaum fassen, dass wir beide jetzt verlobt sind. Mit einem Heiratsantrag habe ich, ehrlich gesagt, gar nicht gerechnet gehabt." "Man hat gemerkt, dass du überrascht warst, als ich am Strand vor dir auf die Knie gegangen bin", meinte Doflamingo und griff nach einer der Austern, die auf seinem Teller lag. "Einen Augenblick lang dachte ich sogar, dass du meinen Heiratsantrag ablehnen würdest. Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert ich gewesen bin, als du endlich Ja gesagt hast." "Es, ähm, war ein sehr bewegender Moment", erwiderte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sagen sollte. "Freust du dich denn?" "Natürlich", sagte Crocodile rasch, der wusste, dass es sich bei dieser um die einzig richtige Antwort handelte. "Unsere Verlobung ist zwar recht unerwartet für mich gewesen, aber selbstverständlich freue ich mich sehr." Wenn er Doflamingo gegenüber betonte, dass er mit dessen Heiratsantrag überhaupt nicht gerechnet hatte, könnte er womöglich eine längere Wartezeit bis zur Hochzeit für sich herauschlagen. "Dabei habe ich mich zuvor so sehr darum bemüht, ein paar Andeutungen zu machen", murmelte Doflamingo und nippte an seinem Champagner. "Nun ja, wie auch immer... Hauptsache du hast meinen Antrag angenommen und bist glücklich. Alles Andere ist unwichtig." Crocodile zwang sich dazu, zustimmend zu nicken, und wandte sich endlich seinem eigenen Teller zu. In ihren krummen Schalen lagen einige gebackene Austern, daneben stand ein kleines Töpfchen, das Kaviar enthielt. Skeptisch musterte Crocodile die winzigen, schwarzen Perlen. "Magst du Kaviar nicht?", fragte ihn sein Verlobter, als er seine Zurückhaltung bemerkte. "Ehrlich gesagt, habe ich noch nie welchen probiert", gab Crocodile zurück und griff nach seiner Gabel. "Nein, nein!", warf Doflamingo hektisch ein, ehe sein Partner dazu kam, die teure Delikattese zu probieren. "Nicht mit der Metallgabel. Metall verändert den Geschmack. Kaviar sollte mit Keramik- oder Glasbesteck gegessen werden." "Ähm, oh, okay", erwiderte Crocodile und legte die Metallgabel zur Seite, griff stattdessen nach derjenigen aus Keramik, die ebenfalls an seinem Platz lag. Er hatte überhaupt nicht gewusst, dass Metall den Geschmack von Kaviar veränderte. Auch wenn Crocodile sich wegen seiner eigenen Unwissenheit schämte (manchmal merkte man eben doch, dass er eigentlich gar nicht aus der Oberschicht stammte), bemühte er sich darum, sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Rasch tat sich Crocodile eine kleine Portion auf die Keramikgabel und schob sich den Kaviar dann mutig in den Mund. Er schmeckte fürchterlich. Am liebsten hätte Crocodile die Fischeier gleich wieder ausgespuckt, doch weil er Etikette zeigen wollte, zwang er sich mit viel Mühe dazu, sie hinunterzuschlucken. "Ich nehme an, dass der Kaviar dir nicht geschmeckt hat?", meinte Doflamingo und kicherte leise. Anschließend schob er sich selbst eine Gabel mit der edlen Delikatesse in den Mund und schluckte sie genüsslich hinunter. "Wie kommst du denn darauf?", gab Crocodile mit zynischer Stimme zurück und wischte sich mit der Serviette über den Mund. "Wieso bloß kaufen die Leute dieses Zeug? Ich habe immer gedacht, dass es absolut köstlich schmecken muss, aber das ist definitiv nicht der Fall." "Mit Kaviar verhält es sich genauso wie mit Alkohol", erklärte Doflamingo noch immer grinsend. "Beim ersten Mal ist es immer am schlimmsten. Wenn du ihn zwei- oder dreimal probiert hast, wird er dir besser schmecken, das kannst du mir glauben. Man kann ihn auch mit Crackern oder anderen Teigwaren zusammen essen." "Lieber nicht", erwiderte Crocodile und warf dem kleinen Töpfchen mit den schwarzen Fischeiern einen unwilligen Blick zu. "Ist schon gut", sagte Doflamingo mit sanfter Stimme. "Du musst ihn natürlich nicht essen, wenn du nicht möchtest. Vielleicht schmeckt dir aber auch einfach diese Art nicht. Es gibt unterschiedliche Arten von Kaviar. Dieser hier ist vom Belugastör. Es handelt sich um den teuersten Kaviar der Welt; der Preis für ein Kilogramm liegt bei etwa 7.000 Berry. Aber auch andere Störarten liefern Kaviar, zum Beispiel der Ossietrastör. Sein Kaviar schmeckt würziger." Crocodile biss sich beinahe selbst auf die Zunge, als er seinen Verlobten reden hörte. Was erzählte ihm dieser da? Ein Kilogramm Kaviar kostete satte 7.000 Berry? Skeptisch betrachtete Crocodile das Töpfchen mit den kleinen, schwarzen Perlen, das vor ihm auf dem Tisch stand. Er versuchte abzuschätzen, um wie viel Gramm es sich wohl handeln mochte. Er rechnete sich aus, dass, wenn es sich um etwa fünfzig Gramm handelte, er gerade eben eine Mahlzeit im Wert von 350 Berry ausgeschlagen hatte. 350 Berry, wiederholte Crocodile gedanklich, für dieses widerliche Zeug. Es war echte Ironie, dass ihm Schulden in Höhe von 350.000 Berry im Nacken saßen, und ihm eine Delikatesse im Wert von 350 Berry nicht gut genug war. Er lebte in einer verkehrten Welt. "Ich denke, einen zweiten Versuch kann ich ruhig wagen", meinte Crocodile, weil er hunderte Berrys nicht einfach zum Fenster hinaus werfen wollte. "Vielleicht hast du ja Recht und der Kaviar schmeckt mir besser, wenn ich mich erst einmal an seinen Geschmack gewöhnt habe." Also griff er erneut nach seiner Keramikgabel und schaufelte sich eine zweite Portion Kaviar in den Mund. Sofort bereute er seinen Mut. Angewidert verzog Crocodile das Gesicht und schluckte nur widerwillig das teure Gut hinunter. "Du hast gelogen!", warf er seinem Verlobten vor, als er den widerwärtigen Geschmack rasch mit ein wenig Champagner aus seinem Mund spülte. "Es schmeckte genauso widerlich wie beim ersten Mal! Bäh! Also, man müsste mir schon Geld bezahlen, damit ich dieses Zeug esse!" "Geschmäcker sind verschieden", gab Doflamingo schulterzuckend und noch immer leicht grinsend zurück. "Ich jedenfalls bin ganz verrückt nach Kaviar." Sie sprachen über dieses und jenes, während sie ihr Abendbrot fortführten. Crocodile schob sein Töpfchen mit Kaviar hinüber zu seinem Verlobten, der es mit Freude entgegennahm; er selbst hielt sich lieber an die gebackenen Austern. Als sie fertig waren, stupste ihn Doflamingo unter dem Tisch vorsichtig mit seinem Fuß an. Überrascht stellte Crocodile fest, dass dieser seine Schuhe und Socken ausgezogen haben musste, denn genauso wie er selbst war er nun barfuß. Doflamingo fuhr mit seinen Zehen zärtlich über den Rücken und die Knöchel seines rechten Fußes. Verwundert ließ Crocodile diese Art von Berührung geschehen, auch wenn er, um ehrlich zu sein, nicht sonderlich viel mit ihr anfangen konnte. Soweit er wusste, hatte sein Verlobter keinen Fußfetisch (genauso wenig wie er selbst), doch er musste zugeben, dass ihn diese ganz neue Art von Körperkontakt neugierig machte. "Wollen wir vielleicht rüber ins Schlafzimmer gehen?", fragte ihn Doflamingo nach zwei oder drei Minuten. Crocodile zögerte einen kurzen Moment lang, ehe er nickte. Gemeinsam mit seinem Partner erhob er sich schließlich vom Tisch, verließ das Esszimmer und machte sich auf den Weg hinüber ins Schlafzimmer, das ebenfalls im Erdgeschoss lag. Kaum hatte Doflamingo die Tür hinter ihnen geschlossen, wandte er sich seinem Verlobten zu und ließ seine Hände unter den Bademantel gleiten, den dieser noch immer trug. Crocodile spürte, wie Doflamingos lange und talentierte Finger unter dem weiten Stoff über seine Haut fuhren und gelegentlich sanft in sein Fleisch hinein kniffen. Wenig später vereinten sich ihre Lippen miteinander. Leidenschaftlich saugte und knabberte Doflamingo an der Unterlippe seines Gegenübers. Diese sehr intensiven Berührungen gingen nicht spurlos an Crocodile vorbei: Sachte stöhnte er in den Mund seines Partners hinein und legte seine Arme um dessen Oberkörper. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Ihm gefiel die Leidenschaft und die Dominanz, die Doflamingo deutlich zeigte. Ebenjener fuhr nun mit seiner flachen Hand durch Crocodiles Spalte, rieb seinen noch völlig ungedehnten und trockenen Eingang, veranlasste, dass dieser überrascht aufkeuchte. "Doflamingo", flüsterte Crocodile mit aufgeregter Stimme. "Wieso bist du denn so stürmisch?" "Weil heute ein besonderer Tag ist", antwortete Doflamingo, während er seinen Zeigefinger sanft gegen dein Eingang seines Partners drückte. "Immerhin sind wir beide jetzt verlobt." "Das ist kein Grund, um auf Gleitmittel zu verzichten", wandte Crocodile ein. Doflamingo kicherte. "Keine Sorge", meinte er. "Ich habe nicht vor, dir wehzutun. Ganz im Gegenteil." Was dieser mit seinen dubios klingenden Worten meinte, sollte Crocodile schnell herausfinden. "Stütz dich hier drüben ab", sagte sein Verlobter zu ihm und deutete auf die Querwand des Schlafzimmers. "Mit dem Rücken zu mir." "Was hast du vor?", fragte Crocodile skeptisch nach, tat jedoch wie ihm geheißen. Er kannte Doflamingo gut genug, um zu wissen, dass dieser nichts tun würde, was ihm missfiel. Bisher hatte ihm ausnahmslos alles, was sein Partner mit ihm anstellte, gut gefallen. Dieser hatte ein echtes Händchen dafür, wenn es darum ging, einfach jede Art von sexueller Handlung unwiderstehlich erotisch zu gestalten. "Das wirst du gleich sehen. Oder eher fühlen", erwiderte Doflamingo in einem mysteriös klingenden Tonfall. Crocodile zog zwar die Augenbrauen zusammen, doch musste sich fürs Erste wohl oder übel mit dieser äußerst unbefriedigenden Antwort zufriedengeben. Er schloss seine Augen und wartete auf das, was auch immer folgen würde. Er hörte, wie Doflamingo sich eilig auszog und auch seine allgegenwärtige Sonnenbrille abnahm; diese legte er auf die Kommode rechts von ihnen ab. Wenig später spürte Crocodile den nackten Körper seines Partners, der sich von hinten eng an den seinen presste. Einen kurzen Augenblick lang befürchtete Crocodile, dieser könnte auf die wahnsinnige Idee gekommen sein, ohne Gleitmittel und jede Art von Vorbereitung in ihn einzudringen, seufzte jedoch erleichtert und lustvoll auf, als Doflamingo stattdessen nach seinem halbsteifen Glied griff und es in einem langsamen Rhythmus zu pumpen begann. Nachdem er ihn ein oder zwei Minuten lang auf diese Weise verwöhnt hatte, ließ sein Verlobter von seinem Penis ab und wandte sich stattdessen wieder seiner Spalte zu. Erneut rieb er mit einigen seiner Finger sanft über den unbefleckten Eingang; die Berührung weckte Sehnsucht in Crocodile. Nun benutzte Doflamingo beide Hände, um seine Pobacken zu massieren und sanft zu spreizen. Crocodile gab einen sowohl lust- als auch erwartungsvollen Stöhnlaut von sich. Sein Partner ging hinter ihm auf die Knie. Kaum zwei Sekunden später spürte Crocodile, wie etwas Nasses und Warmes durch seine Spalte fuhr und anschließend behutsam gegen seinen Eingang drückte. Sein Atem stockte und sein gesamter Körper gefror zu Eis; er konnte überhaupt nicht fassen, was Doflamingo da tat. Als Crocodile sich nach etwa einer halben Minute wieder gesammelt hatte, öffnete er den Mund, um zu protestieren... doch das einzige, was herauskam, war lautes Stöhnen. Er hätte es niemals zugegeben, doch er genoss, was sein Partner dort unten mit seiner Zunge anstellte. Schamesröte breitete sich in seinem ganzen Gesicht aus und Hitze sammelte sich in seinem Unterleib, als Doflamingo mit der Zungenspitze fest über seinen Eingang leckte und sogar versuchte einzudringen. Da die Hände seines Verlobten damit beschäftigt waren, fleißig seine beiden Pobacken gespreizt zu halten, griff Crocodile selbst nach seinem erigierten und inzwischen beinahe schon schmerzhaft pochenden Glied. Er pumpte es in demselben Rhythmus, in dem Doflamingos nasse und warme Zunge immer wieder in ihn eindrang. Bald schon wurde die Hitze, die sich in seinem Unterleib ansammelte, unerträglich. In Crocodiles Kopf schwirrte und flatterte es. Sein Atem ging laut und hektisch. Die Bewegungen seiner rechten Hand wurde immer schneller und härter. Irgendwann erreichte er einen Punkt, an dem er die Lust schlichtweg nicht länger aushielt. Laut stöhnend kam Crocodile zum Orgasmus. In sieben oder acht schweren Schüben ergoss er sich in seine eigene Hand; ein paar Spritzer erreichten auch die Wand, gegen die er sich noch immer lehnte. Doflamingos Zunge löste sich nicht sofort von seinem Eingang. Sein Verlobter machte sich einen Spaß daraus, ihn noch ein wenig länger zu lecken und Crocodile auf diese Weise in den Wahnsinn zu treiben. Erst als Crocodile mit der rechten Hand den Kopf seines Partners zur Seite schob, gab dieser schließlich auf. Er fühlte sich völlig erschöpft und die Sicht verschwamm vor seinen Augen. Gerne hätte Crocodile sich nun für eine Weile schlafen gelegt und neue Kraft getankt, doch er ahnte, dass Doflamingo ihm einen Strich durch diese Rechnung machen würde. Immerhin handelte es sich um die Nacht ihrer Verlobung. Tatsächlich ließ sein Partner ihm nicht einmal genug Zeit, um zu Atem zu kommen. Kaum hatte dessen Zunge sich von seinem Eingang gelöst, spürte Crocodile, wie diese durch gleich zwei (vermutlich mittels Speichel) angefeuchtete Finger ersetzt wurde. Er stöhnte auf, doch der Laut klang schwach und erschöpft. "Geht es dir gut?", fragte Doflamingo besorgt nach und küsste zärtlich seinen Nacken. Crocodile nickte. "Es geht schon", meinte er. "Ich bin ziemlich... naja, fertig von gerade eben. Aber gleich wird es mir wieder besser gehen, ganz sicher." Er hörte seinen Verlobten hinter sich leise und selbstzufrieden glucksen. "Es freut mich, dass es dir gefallen hat", meinte Doflamingo, während er seine Finger langsam in seinem Eingang bewegte und diesen auf diese Weise weiter dehnte. "Du bist heute wirklich ungeduldig", erwiderte Crocodile, der bereits wieder spürte, wie die beiden Finger ihn seiner Selbstbeherrschung beraubten. "Du musst einfach bloß an deinem Durchhaltevermögen arbeiten", lenkte sein Verlobter mit schelmischer Stimme ein. "Am besten fangen wir gleich damit an." Kaum hatte Doflamingo zu Ende gesprochen, streiften die Spitzen seiner Finger diesen einen, ganz besonderen Punkt in Crocodiles Innerem, der sein Gehirn schmelzen ließ. Er stöhnte ergeben auf und bemühte sich darum, sein Gleichgewicht zu halten. Dieser Vorsatz wurde auf eine harte Probe gestellt, als sein Partner einen dritten Finger hinzufügte. Alle drei Finger bewegte und drehte er in Crocodiles Eingang. "Du bringst mich um", flüsterte er. Doflamingo kicherte. "Das glaube ich nicht", meinte er. "Du bist viel belastbarer als du denkst. Aber falls es dir dennoch zu viel werden sollte: Denk immer daran, das Safeword ist Gnade." Crocodile nickte. Einen Moment später entzog ihm sein Verlobter seine Finger. Einen weiteren Moment später spürte er die Spitze dessen Glieds, die gegen seinen nassen und geweiteten Eingang drückte. Langsam, doch unaufhaltsam drang Doflamingos Penis in ihn ein. Crocodile ließ es geschehen; um ehrlich zu sein, fühlte es sich gut an. Noch immer waren seine Nerven in diesem Bereich sehr sensibel. Es tat gut, ihnen einen Reiz zuzuführen, der sie befriedigte. Sein Partner ließ ihm genug Zeit, um sich an den langen und dicken Fremdkörper in seinem Inneren zu gewöhnen. Crocodile nickte und Doflamingo verstand dies als Zeichen, um sich in ihm bewegen zu dürfen. Er begann mit intensiven, doch langsamen Stößen, die zunehmend schneller wurden. Um ehrlich zu sein, war Crocodile sich ziemlich sicher, dass Doflamingo sich gewaltig geirrt hatte, als dieser ihn als belastbar bezeichnete. Bereits nach weniger als einer Minute, in der er durch das Glied seines Partners penetriert wurde, spürte er, wie sich erneut Druck in seinem Unterleib aufbaute. Er stöhnte laut und bemühte sich tapfer darum, seinen zweiten Orgasmus zurückzuhalten, doch ihm war längst schon klar, dass ihm dies nicht allzu lange gelingen wurde. Doflamingos Stöße wurden immer härter. Sein Verlobter stützte sich mit der linken Hand an der Schlafzimmerwand ab, mit der rechten hielt er sich an der Hüfte seines Vordermanns fest. Er stöhnte nur gelegentlich, doch atmtete laut ein und aus, während er immer wieder hart und unerbittlich in das Innere seines Partners eindrang. Crocodile war nicht länger dazu in der Lage, sich zusammenzureißen. Sein zweiter Höhepunkt war nicht weniger intensiv als der erste, doch dieses Mal war er zu kraftlos, um zu schreien oder auch nur seinen Partner vorzuwarnen. Stattdessen ergoss er sich ganz still und leise in vier oder fünf Schüben und benetzte die Tapete erneut mit seinem Sperma. Er war sich nicht sicher, ob Doflamingo überhaupt mitbekommen hatte, dass er zum Orgasmus gekommen war. Um ehrlich zu sein, war es Crocodile auch relativ egal. Erschöpft lehnte er sich gegen die Schlafzimmerwand vor ihm und bemühte sich mit aller Kraft darum, nicht einfach umzukippen. Wenig später spürte er, dass auch sein Verlobter in ihm zum Orgasmus kam. "Na, hat es dir gefallen?", flüsterte Doflamingo in sein Ohr und neckte mit der Zunge seinen goldenen Ohrring. Crocodile war viel zu erschöpft, um zu antworten. Anstatt irgendeinen artikulierten Laut von sich zu geben, bemühte er sich darum, seinen Atem zu normalisieren und sein Gleichgewicht zu halten. Er war sich sicher, dass, sollte er jetzt seine Augen schließen, er auf der Stelle einschlafen würde. "Crocodile?" Die Stimme seines Verlobten klang untypisch ernst, während er sprach. "Geht es dir gut? Brauchst du irgendetwas?" Crocodile gähnte leise. Er konnte Doflamingo lachen hören. "Ich verstehe", murmelte sein Partner. "Du bist fix und fertig, hm?" Behutsam nahm Doflamingo Crocodiles rechte Hand in die seine und dirigierte diesen zum nur wenige Meter entfernt stehenden Bett. Auch wenn er am liebsten sofort eingeschlafen wäre, riss Crocodile sich noch für eine Minute zusammen. Er griff nach ein paar Taschentüchern, die auf dem Nachttisch lagen, und säuberte sowohl seinen Penis als auch seine Oberschenkel von den Spermaresten, die sich dort befanden. "Lass nur", hörte er Doflamingo sagen, der sich neben ihn aufs Bett gesetzt hatte. "Ich mache das für dich." Er nahm seinem Partner die Taschentücher aus der Hand und machte sich daran, dessen Haut an den entsprechenden Stellen sauberzuwischen. Anschließend warf er die benutzten Papiertaschentücher in den nur unweit entfernten Mülleimer. "Ich denke, ich werde jemanden beauftragen müssen, um die Wand neu zu streichen", meinte Doflamingo mit neckischer Stimme. "Du hast dort eine echte Sauerei hinterlassen, weißt du? Oder wollen wir den Spermafleck dableiben lassen? Als Erinnerung an unsere Nacht als verlobtes Pärchen. Hm? Was meinst du, Wani?" Er grinste und beugte sich zu ihm hinüber, um ihm einen Kuss auf den Mund zu geben. Glücklicherweise konnte Crocodile jedoch schnell genug reagieren und schob rasch mit der rechten Hand das Gesicht seines Partners von sich fort. Dieser warf ihm einen verunsicherten Blick zu. "Was hast du?", fragte er ihn. "Putz dir die Zähne und wasch deinen Mund aus", antwortete Crocodile in seinem strengsten Tonfall. Doflamingo zog eine Augenbraue nach oben. "Aber du hast dir doch auch nicht die Zähne geputzt", warf er verwundert ein. "Ich", entgegnete Crocodile, "bin mit meinem Mund auch nicht in der Nähe deines Arschlochs gewesen. Entweder du putzt dir die Zähne und wäschst deinen Mund aus, oder du darfst mich weder heute noch morgen küssen!" Doflamingo brach in lautes Gelächter aus. Anschließend warf er ihm aus seinen strahlend grünen Augen heraus einen tadelnden Blick zu. "Jetzt tu nicht so, als hätte es dir nicht gefallen!", meinte er. Crocodile ließ sich nicht zu einer Erwiderung herab. Stattdessen schloss er seine Augen und spürte, wie ihn rasch der Schlaf einholte. Das Letzte, was er mitbekam, ehe er endgültig in das Land der Träume abdriftete, war das Geräusch der sich öffnenden Türe, die ins angrenzende Badezimmer führte. * Crocodile und Doflamingo saßen gemeinsam auf der Couch im Wohnzimmer. Es war früher Abend und sie hatten den Tag genutzt, um die Umgebung auszukundschaften und einen zweiten Strandspaziergang zu machen. Nun entspannten sie vor dem Fernseher. Sie sahen sich keinen Film an, sondern zappten relativ wahllos durch die die Programme. (Crocodile bemühte sich darum, die Tatsache zu ignorieren, dass sein Partner eine ganze Menge kostenpflichtiger Pornosender abonniert hatte, auch wenn dieser ihm jedes Mal einen eindeutigen Blick zuwarf, wenn sie auf einen solchen stießen.) Es war ziemlich genau achtzehn Uhr, als Crocodiles Handy zu klingeln begann. Hastig kramte er es aus seiner Hosentasche hervor und bemühte sich darum, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, als er feststellte, dass nicht etwa Cutty Franky, der Organisator der Tom's Workers-Messe, sondern bloß seine Schwester Hancock sich bei ihm meldete. Trotzdem nahm er den Anruf entgegen und versuchte, möglichst unbekümmert zu klingen. "Hallo, Hancock", begrüßte er seine jüngere Schwester. "Hi, Crocodile", gab sie zurück. "Wie läuft dein Urlaub?" "Gut", log Crocodile und bekam nur am Rande mit, dass sein Verlobter den Fernseher auf stumm schaltete. "Es ist wunderschön hier, direkt am Meer. Heute sind wir zum zweiten Mal am Strand spazieren gegangen." "Das hört sich wundervoll an", sagte Hancock. "Ich finde, dass du dir -gerade in deiner derzeitigen Situation- ein wenig Entspannung redlich verdient hast. In letzter Zeit stehst du ja ständig unter Strom." "Da hast du wohl Recht", gab Crocodile unwillig zu. "Aber es geht mir schon viel besser. Dieser Urlaub ist wie Balsam für meine Seele." "Wann kommst du denn eigentlich wieder zurück? Ist der Urlaub auf zwei Wochen angesetzt? Oder wolltet ihr länger dableiben?" "Insgesamt sind es zwei Wochen", antwortete Crocodile, der sich fragte, wieso Hancock sich ausgerechnet für dieses Detail interessierte. "Das ist gut", hörte er seine Schwester mit zögerlicher Stimme sagen. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Er spürte, dass Hancock ihm irgendetwas mitteilen wollte. Unweigerlich fragte er sich, worum es sich dabei bloß handeln mochte. Hoffentlich war niemandem irgendetwas Schlimmes zugestoßen! "Ich, ähm, gebe am Samstag in drei Wochen eine kleine Party", rückte sie nun endlich mit der Sprache raus, "und es würde mich sehr freuen, wenn du kommst. Doflamingo ist selbstverständlich auch eingeladen." Crocodile atmete erleichtert auf. "Das wird sich einrichten lassen, denke ich", erwiderte er. "Gibt es denn irgendeinen besonderen Anlass für die Party? Du hast doch noch gar nicht Geburtstag!" "Ja, den gibt es tatsächlich", meinte seine jüngere Schwester. Sie zögerte einen Moment lang, ehe sie mit recht verunsichert klingender Stimme zugab: "Es handelt sich um eine Schwangerschafts-Party." Diese Aussage nahm Crocodile den Wind aus den Segeln. Er konnte kaum fassen, was Hancock ihm da eben mitgeteilt hatte. Eine Schwangerschaftsparty? Bedeutete das etwa, dass sie... sie... ein Kind erwartete? Das konnte doch wohl nicht wahr sein! "Crocodile?", hörte er Hancock nachfragen. "Bist du noch dran? Du sagst ja überhaupt nichts." "Ähm", machte Crocodile und atmete zweimal tief ein und aus. Was sollte er jetzt bloß tun? Hancock beglückwünschen? Mit ihr schimpfen? Ihr ins Gewissen reden? Nur zu gut erinnerte Crocodile sich an seine Begegnung mit dem aktuellen Freund seiner Schwester zurück. Er war völlig geschockt gewesen von dem siebzehnjährigen Jungen, den diese ihm vorgestellt hatte. Ob es sich bei Monkey D. Luffy wohl um den Vater des Kindes handelte? Davon war sicherlich auszugehen. Sofort begann Crocodile sich Sorgen zu machen: Ein Siebzehnjähriger, ein Schüler, konnte doch wohl kaum für eine dreiköpfige Familie aufkommen, nicht wahr? Überhaupt waren sie doch erst seit kurzem ein Paar! Und wie wollte Hancock ihre Mutterpflichten mit ihrer Arbeit vereinen? Sie war selbstständig und besaß ein eigenes Nagelstudio. Dieses würde sie doch unmöglich weiterführen können, wenn sie sich Tag und Nacht um ein Neugeborenes kümmern musste! Als Crocodiles das Gesicht von Monkey D. Luffy in den Sinn kam, musste er allerdings auch an den fürchterlichen Streit zurückdenken, den er vor kurzem erst mit seiner Schwester geführt hatte. Diese hatte ihm vorgeworfen, er würde sich zu sehr in ihr Leben einmischen und dass es sich bei um die allerletzte Person handelte, die ein Recht dazu hatte, über andere Leute zu urteilen. Als Crocodile an die verletztenden Worte zurückdachte, die diese ihm an den Kopf geworfen hatte, bildete sich ein schmerzhafter Knoten in seiner Brust. Die Situation war völlig eskaliert! Und genützt hatte sein Einwand letzendlich rein gar nichts. Schlussendlich entschied Crocodile sich dafür, sich lieber nicht in die Lebensentscheidungen seiner jüngeren Schwester einzumischen. Immerhin war Hancock eine erwachsene Frau. Und außerdem hatte er keine Lust, erneut einen schlimmen Streit mit ihr zu provozieren. Also sagte er: "Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich sehr für dich! Ich werde auf jeden Fall zusehen, dass ich zu deiner Party erscheine!" "Wunderbar!", erwiderte Hancock; die Erleichterung war ihr eindeutig anzuhören. "Übrigens werde ich am Tag der Schwangerschaftsparty das Geschlecht des Babys erfahren. Du kannst dir nicht vorstellen, wie aufgeregt ich bin! Ich kann es kaum glauben, dass ich in ein paar Monaten Mutter sein werde. Und du natürlich Onkel. Mihawk ist schon ganz aus dem Häuschen." "Mihawk?", hakte Crocodile verwundert nach. "Das kann ich mir bei ihm gar nicht vorstellen." Tatsächlich handelte es sich bei seinem älteren Bruder um eine sehr stille und zurückhaltende Person. Crocodile hatte ihn noch niemals ernsthaft gereizt oder nervös erlebt. Er konnte Hancock am anderen Ende der Leitung leise kichern hören. "Er würde es niemals zugeben, aber man merkt ihm sehr deutlich an, dass er sich darauf freut, einen Neffen oder eine Nichte zu bekommen. Aber ich will es ihm nicht verübeln. Ich selbst freue mich ja auch unendlich über das Kind", meinte sie. "Und um ehrlich zu sein, Crocodile, bin ich unfassbar erleichtert darüber, dass auch du diese Nachricht so gut aufnimmst. Damit habe ich nicht gerechnet." "Ich freue mich sehr für dich", garantierte Crocodile ihr. "Schließlich bist du doch meine Schwester. Ich werde dich unterstützen, wo auch immer ich kann." "Vielen Dank", sagte Hancock, die ehrlich gerührt wirkte angesichts dieser Worte. "Es ist schön zu wissen, dass man sich auf seine Familie verlassen kann. Ich freue mich schon darauf, dich bei der Party endlich wiederzusehen! Wegen weiterer Details rufe ich dich später noch einmal an, ja?" "Ähm, ja, klar", erwiderte Crocodile. "Tschüss, Hancock!" "Tschüss!" Crocodile beendete den Anruf und legte sein Handy auf den Couchtisch ab. Seine Finger zitterten und er wischte sich nervös über den Mund. Allmählich drang die volle Bedeutung dessen, was Hancock ihm eben mitgeteilt hatte, zu ihm durch. Seine Schwester war schwanger, sie erwartete ein Kind. Und das bedeutete, dass er Onkel werden würde! Crocodile wusste nicht, wie er sich fühlen sollte angesichts dieser unerwarteten Tatsache. "Croco?", hörte er seinen Partner in einem besorgten Tonfall fragen. Doflamingo rückte nah an ihn heran und legte einen Arm um seine Schulter. "Ist alles in Ordnung? Worum ging es bei dem Anruf? Du wirkst ganz durcheinander. Ich habe bloß irgendetwas von einer Party mitbekommen." "Hancock gibt am Samstag in drei Wochen eine kleine Party", erklärte Crocodile seinem Verlobten mit belegter Stimme. "Wir beide sind eingeladen. Und, naja, der Anlass für die Feier ist, ähm..." Er stockte kurz und versuchte sich zu sammeln, ehe er fortfuhr: "... ist ihre Schwangerschaft!" Sofort konnte er Doflamingo begeistert jubeln hören. Er drückte ihn fest an sich und meinte mit freudestrahlender Stimme: "Oh Mann, das ist ja wunderbar! Du wirst Onkel, Wani! Weiß man schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?" Crocodile schüttelte den Kopf. "Sie erfährt das Geschlecht des Babys am Tag der Schwangerschaftsparty", meinte er. Um ehrlich zu sein, konnte er die Begeisterung seines Verlobten nicht ganz nachvollziehen. Hatte dieser denn so schnell wieder vergessen, dass es sich beim Kindsvater um einen siebzehnjährigen Schüler handelte? "Du scheinst dich aber nicht sonderlich doll zu freuen", merkte Doflamingo nachdenklich an, als er seine fehlende Begeisterung bemerkte. "Gefällt dir der Gedanke nicht, eine Nichte oder einen Neffen zu bekommen?" "Doch, schon", lenkte Crocodile ein. "Aber ich mache mir auch Sorgen. Hancocks Freund ist gerade einmal siebzehn Jahre alt. Ich weiß nicht, ob er dazu in der Lage ist, sich um sie und das Kind zu kümmern. Außerdem ist Hancock selbstständig. Sie kann nicht so einfach aus ihrem Job aussteigen und eine Pause für das Baby einlegen. Ich habe einfach Angst davor, dass sie ein Kind finanziell nicht gestemmt bekommt." Doflamingo winkte ab. "Mach dir darum mal keine Gedanken", meinte er mit unbekümmerter Stimme. "Sollte Hancock mit ihrem Baby in finanzielle Not geraten, kann ich ihr auf jeden Fall problemlos aushelfen. Immerhin habe ich mehr als genug Geld, um mich um hunderte Kinder zu kümmern. Also mach dir bitte keine Sorgen, Wani! Und steigere dich da nicht hinein; das würde dir nicht guttun." "Aber ich kann doch nicht von dir verlangen, dass du für das Kind meiner Schwester aufkommst!", warf Crocodile mit energischer Stimme ein. "Es ist nicht deine Aufgabe, ihre Familie zu finanzieren. Sie hätte sich vorher selbst Gedanken darum machen sollen, ob ihre Lebenssituation ein Kind zulässt!" Diese Meinung vertrat Crocodile tatsächlich. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, seinen Partner mit in dieses Problem hineinzuziehen. Natürlich würde er seine Schwester unterstützen, wo auch immer er konnte, doch er durfte nicht vergessen, dass es sich bei dieser um eine erwachsene Frau handelte. Hancock konnte sich nicht darauf verlassen, dass der reiche Freund ihres Bruders ihr aus der Patsche half. Es würde sich um eine absolute Zumutung für Doflamingo handeln! "Du verlangst doch überhaupt gar nichts von mir", meinte ebenjener mit ruhiger Stimme, "sondern ich biete es an. Für mich ist es eine absolute Selbstverständlichkeit, meinen Freunden zu helfen, wenn sie in Not geraten. Und wer weiß auch, ob das Baby überhaupt geplant war? Schließlich gibt es kein Verhütungsmittel mit einhundertprozentiger Wirksamkeit." "Aber Hancock ist doch gar keine enge Freundin von dir", erwiderte Crocodile, "du hast sie doch erst zweimal gesehen." "Sie ist die Schwester meines Verlobten", meinte Doflamingo mit ernster Stimme, "und aus diesem Grund gehört sie zu meinem Freundeskreis. Wenn nicht sogar zu meiner Familie. Hancock ist ja sozusagen meine Schwägerin, nicht wahr?" Crocodile musste unweigerlich schlucken, als sein Partner diese Aussage tätigte. Sie waren gerade einmal seit drei Tagen verlobt und schon bezeichnete diese seine Schwester als Schwägerin? Crocodile fand, das alles ziemlich schnell ging. Zwar hatte Doflamingo ihm bereits während des Heiratsantrags erklärt, dass er ihn als Teil seiner Familie ansah, doch um ehrlich zu sein, hatte Crocodile dessen Worte bisher nicht für bare Münze genommen. Nun, anscheinend hatte er sich geirrt, denn sein Verlobter schien diese Äußerung offensichtlich absolut ernst zu meinen. "Deine Schwägerin ist sie eigentlich erst dann, wenn wir beide verheiratet sind", meinte Crocodile, der die Situation entschärfen wollte. Ihm gefiel es nicht, welche Ausmaße diese Verlobung schon wenige Tage nach dem Heiratsantrag annahm. Lieber wollte er die Sache ganz locker und unverbindlich angehen. Auch wenn Doflamingo wie üblich seine Sonnenbrille trug, merkte Crocodile, dass er mit den Augen rollte. "Rein juristisch gesehen hast du natürlich Recht", lenkte er mit unwilliger Stimme ein. "Aber es wird ja sowieso nicht mehr lange dauern, bis wir beide endlich verheiratet sind, nicht wahr? Dann kann ich sie ja eigentlich auch schon jetzt als meine Schwägerin bezeichnen." Crocodile fuhr sich nervös mit der rechten Hand durch sein Haar. "Nicht mehr lange dauern?", hakte er nach und bemühte sich darum, alle Anzeichen von Verunsicherung aus seiner Stimme zu verbannen. "Wann ungefähr hast du denn vor zu heiraten?" Doflamingo zuckte mit den Schultern. "Am besten natürlich so bald wie möglich", antwortete er. "Ich dachte an vielleicht zwei oder drei Monate." Diese Aussage verschlug Crocodile die Sprache. Zwei oder drei Monate?! Diese Frist war viel zu kurz, um seine vielen Schulden zu tilgen. Er war sich nicht einmal sicher, ob es ihm in dieser Zeit auch nur gelingen würde, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Er musste sich auf jeden Fall darum bemühen, das Datum ihrer Hochzeit weiter nach hinten zu verschieben. Dabei handelte es sich um seine einzige Chance, die Beziehung zu seinem Partner zu retten. "Zwei oder drei Monate?", wiederholte Crocodile, als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte. "Hältst du diesen kurzen Zeitraum wirklich für angemessen? Eine Hochzeit bedeutet immer eine Menge Aufwand. Es, ähm, gibt so viele Dinge, die wir vorbereiten müssen... Ich denke nicht, dass wir das in bloß zwei oder drei Monaten schaffen." "Ach, es muss ja keine furchtbar pompöse Hochzeit werden", warf Doflamingo mit zuversichtlich klingender Stimme ein. "Ich will unsere Trauung nicht zur Schau stellen: keine prominenten Gäste. Keine Paparazzi. Kein Artikel, der später in irgendeiner Frauenzeitschrift erscheint und sich über die Dekoration auslässt. Mir reicht eine kleine Feier mit Menschen, die uns etwas bedeuten. Es soll kein geschauspielerter, sondern ein ehrlicher und emotionaler Moment sein." "Das sehe ich auch so", erwiderte Crocodile, "aber nichtsdestotrotz werden wir eine gewisse Vorbereitungszeit benötigen. Ich meine... wir müssen eine Gästeliste erstellen, Einladungskarten schreiben, eine passende Location finden, uns bei der Wahl des Essens einig werden, Dekoration aussuchen und uns um viele weitere Dinge kümmern. Und wenn ich ehrlich bin, dann möchte ich mich dabei nicht hetzen. Nicht nur unsere Hochzeit selbst, sondern auch die Vorbereitungen möchte ich als etwas Schönes erleben und in Erinnerung behalten, verstehst du?" Sein Verlobter nickte bedächtig. "Natürlich verstehe ich das", meinte dieser. "Aber wir könnten doch einfach einen Wedding Planer engagieren, oder nicht? Wir brauchen bloß zu sagen, wie wir unsere Hochzeit haben möchten, und der Wedding Planer arrangiert alles entsprechend unserer Wünsche. Auf diese Weise würden wir eine Menge Zeit sparen." Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Bei dem Vorschlag, einen Wedding Planer einzustellen, der ihnen den Großteil der Arbeit abnahm, handelte es sich definitiv um keine schlechte Idee. Würden sie unter normalen Umständen heiraten, hätte Crocodile sofort zugestimmt. Doch jetzt ging es nicht darum, die Planung ihrer Hochzeit stressfrei zu gestalten, sondern darum, ebendiese möglichst lange aufzuschieben. "Ich möchte nicht, dass ein völlig fremder Mensch unsere Hochzeit ausrichtet!", meinte er darum und schob seine Unterlippe ein klein Stück nach vorn. "Das ist doch total unpersönlich. Ich finde, wir sollten uns selber darum kümmern: Selber die Blumen und die Dekoration aussuchen, selber die Einladungskarten gestalten... Man heiratet nur einmal im Leben. Es ist ein besonderer, absolut einzigartiger Moment. Und dem möchte ich gerecht werden. Unsere Hochzeit soll perfekt sein!" "Schon gut, schon gut", erwiderte Doflamingo und hob in einer beschwichtigenden Geste beide Hände. "Du hast ja Recht: Bei unserer Hochzeit handelt es sich um einen sehr bedeutungsvollen Moment. Ich kann gut verstehen, dass du gerade in dieser Hinsicht sehr perfektionistisch bist." "Perfektionistisch?" Crocodile verschränkte die Arme vor der Brust und warf seinem Partner einen skeptischen Blick zu. Anstatt zu einer Erwiderung anzusetzen, brach Doflamingo jedoch bloß in schallendes Gelächter aus. Als er sich wieder beruhigt hatte, meinte er: "Du hast mich überzeugt, zwei bis drei Monate sind zu kurz, um eine Hochzeit vorzubereiten. Welchen Zeitraum hältst du denn für angemessen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. "Das werden wir sehen", antwortete er, weil er sich noch nicht festlegen wollte. "Lass uns erst einmal eine Gästeliste ausarbeiten und eine passende Location finden. Erst danach sollten wir uns Gedanken über ein Datum machen." Doflamingo gab einen unwilligen Brummlaut, doch fügte sich in schlussendlich in sein Schicksal. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er mit teils ernst, teils neckisch gemeinter Stimme sagte: "Ich tue alles, was nötig ist, um dich glücklich zu machen, Crocobaby." Crocodile verzog den Mund, sagte jedoch nichts. * Es war ihr letzter Urlaubstag und Crocodile hielt sich allein im Wohnzimmer auf, als sein Handy klingelte. Mit genervtem Gesichtsausdruck holte er es aus seiner Hosentasche hervor, weil er davon ausging, dass es sich sowieso bloß wieder um seine jüngere Schwester handelte, die irgendeine neue Information wegen ihrer Schwangerschaft an ihn weitergeben wollte. Hancock machte in dieser Hinsicht einen sehr aufgeregten Eindruck; außerdem schien sie ihr Glück mit jedem Menschen, den sie kannte, teilen zu wollen und zwar ganz gleich, ob dieser auch Interesse daran hatte oder nicht. Erst gestern hatte sie ihn erneut angerufen, nur um ihm mitzuteilen, dass sie zur Schwangerschaftsparty ein Ultraschall-Bild des Babys mitbringen würde, das er sich dann ansehen könnte. Crocodile freute sich für seine Schwester und er gönnte es ihr, dass sie ihre Schwangerschaft so sehr genoss, doch manchmal war er auch der Meinung, dass sie in ihrer Begeisterung ein wenig übertrieb. Erst als Crocodile sich daran erinnerte, dass im Augenblick Doflamingo mit Hancock telefonierte (sein Partner interessierte sich rege für ihre Schwangerschaft), und er eine fremde Telefonnummer auf dem Display seines Handys sah, wurde ihm klar, um wen es sich handeln musste. Er zwang sich selbst zur Ruhe und atmete zweimal tief ein und aus, ehe er abnahm. "Sir Crocodile, guten Tag", meldete er sich mit professionell klingender Stimme. "Guten Tag, hier spricht Cutty Kiwi. Ich rufe im Namen von Cutty Franky an. Ihren Bewerbungsunterlagen ist zu entnehmen, dass Sie daran interessiert sind, uns bei der Organisation der im Herbst stattfindenden Messe Tom's Workers zu unterstützen. Ist das richtig?" "Ja", antwortete Crocodile, der sich ernsthaft zusammenreißen musste, um nicht sofort lauthals in Jubel auszubrechen. "Ja, das ist richtig." "Sehr schön", hörte er Cutty Kiwi am anderen Ende der Leitung sagen. Crocodile nahm an, dass es sich bei ihr um die Sekretärin von Cutty Franky handelte. Vielleicht waren sie auch verwandt; der gleiche Nachname ließ darauf schließen. Sie klang sehr freundlich. "Gerne möchten wir Sie zu einem Bewerbungsgespräch einladen. Passt Ihnen Mittwoch um fünfzehn Uhr?" "Ja, der Termin passt mir", meinte Crocodile. "Wo findet das Gespräch statt?" "In unserem Bürogebäude, Waterstreet 7, Raum 44", antwortete Kiwi. "Haben Sie noch weitere Fragen?" "Für's Erste nicht", meinte Crocodile. "Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen. Auf Wiederhören!" "Auf Wiederhören!", verabschiedete sich Crocodile. Er beendete den Anruf und wartete zur Sicherheit drei Sekunden ab, ehe er in Jubel ausbrach. Crocodile konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte tatsächlich eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten! Nach den vielen Rückschlägen, die er hatte erdulden müssen, schien es endlich wieder bergauf zu gehen. Sofort spürte Crocodile, wie Hoffnung in seinem Herzen zu keimen begann. Vielleicht gelang es ihm mithilfe dieser neuen Stelle, seine Schulden rasch zu tilgen. Und er könnte Doflamingo doch heiraten! Angesichts dieser wundervollen Aussicht wurde Crocodile so schwindelig, dass er sich hinsetzen musste. Plötzlich sah er den Heiratsantrag, den sein Partner ihm gemacht hatte, in einem ganz anderen Licht. Crocodile warf einen verträumten Blick auf den Ring, den er am Ringfinger der rechten Hand trug. (Verlobungsringe wurden normalerweise an der linken Hand getragen, doch da diese ihm fehlte, blieb ihm wohl oder übel nichts anderes übrig, als ihn rechts zu tragen. Crocodile selbst störte dieser Umstand nicht.) Sein Partner wollte ihre Beziehung auf die nächste Stufe stellen. Sich an ihn binden. Ganz offiziell. Mit seinem Heiratsantrag hatte Doflamingo im Prinzip deutlich gemacht, dass er ihn (nur ihn!) liebte. Dass er weder mit Hancock noch irgendeiner anderen Person, sondern mit ihm alt werden wollte. Donquixote Doflamingo, der unwahrscheinlich reiche Geschäftsmann, hatte sich von allen Menschen, die er kannte, ausgerechnet für ihn entschieden. Zum ersten Mal sah Crocodile ihre Verlobung als ein Kompliment an. Und als einen Beweis der Treue. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo es in letzter Zeit nicht gerade leicht mit ihm gehabt hatte. Seine schlechte Laune und die vielen Überstunden, die er in den letzten acht Wochen gemacht hatte, waren eine schwere Belastung für ihre Beziehung gewesen. Von seinem heftigen Gewichtsverlust und seinem Nervenzusammenbruch ganz zu schweigen. Doch anstatt sich von ihm zu trennen, verlobte sich sein Partner mit ihm. Der Ring, den er am Finger trug, war ein Beweis dafür, dass Doflamingo immer zu ihm stehen und ihn unterstützen würde, ganz gleich, was auch geschah. Kaum hatte Crocodile diesen untypisch romantischen Gedanken zu Ende geführt, löste sich sein Übermut wieder in Luft auf. Er konnte nämlich hören, dass sich hinter ihm jemand laut räusperte. Sofort wich jede Farbe aus Crocodiles Gesicht; völlig entsetzt wandte er sich um und konnte seinen Verlobten im Türrahmen stehen sehen. Das Telefongespräch mit Hancock schien er inzwischen beendet zu haben, denn der Bildschirm des Handys, das er festhielt, war schwarz. "Wie lange stehst du schon da?", fragte Crocodile sofort mit aufgewühlter Stimme. Er konnte bloß hoffen, dass Doflamingo von seinem Gespräch mit Cutty Kiwi nichts mitbekommen hatte. Zwar ging Crocodile davon aus, dass es ihm gelingen würde, sich irgendeine mehr oder weniger glaubwürdige Ausrede einfallen zu lassen, doch trotzdem könnte er ein äußerst unangenehmes Gespräch vermutlich nicht vermeiden. Das breite Grinsen, das sein Partner angesichts dieser Frage zeigte, verunsicherte Crocodile. "Ach, seit etwa fünf Minuten", erwiderte dieser und betrat das Wohnzimmer. Er setzte sich neben seinen Verlobten auf die Couch. "Und warum hast du nichts gesagt?", hakte Crocodile nach. Sein Herz schlug so furchtbar schnell, dass er sich sicher war, Doflamingo müsste es hören. Er wollte endlich wissen, woran er war. Hatte Doflamingo nun etwas von seinem Gespräch mitbekommen oder nicht? "Weil ich dich nicht stören wollte", meinte Doflamingo, "während du so eingehend deinen Verlobungsring begutachtest. Deinem zärtlichen Blick nach zu urteilen gefällt er dir gut. Ich nehme also an, dass ich bei der Wahl des Rings deinen Geschmack getroffen habe?" Sofort fiel Crocodile ein Stern vom Herzen; Doflamingo hatte nicht mitbekommen, dass er einen Termin für ein Bewerbungsgespräch ausgemacht hatte. Dafür allerdings, wie er minutenlang ganz verträumt seinen Verlobungsring angestarrt hatte. Crocodile war sich nicht sicher, was besser war. Röte breitete sich in seinem Gesicht ab, doch er bemühte sich darum, sich seine Scham nicht anmerken zu lassen. Er wandte den Blick ab und zuckte betont gleichgültig die Schultern. "Der Ring gefällt mir", sagte er ohne eine Miene zu verziehen. Doflamingo brach in schallendes Gelächter aus. "Es muss dir nicht peinlich sein", meinte dieser, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. "Ich finde es schön, dass dir der Ring gefällt." "Nach neun Monaten Beziehung solltest du meinen Geschmack kennen", warf Crocodile ein. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Allmählich erholte er sich wieder von dem Schrecken, den sein Partner ihm eingejagt hatte. "Stimmt", meinte Doflamingo. "Allerdings habe ich den Ring nicht erst vor kurzem gekauft. Darum bin ich sehr erleichtert darüber, dass er dir so gut gefällt." Crocodile wurde hellhörig. "Nicht erst vor kurzem gekauft?", hakte er verwundert nach. "Wann denn dann?" Sofort spürte Crocodile, dass er seinen Verlobten mit dieser Frage wohl in eine unangenehme Situation gebracht hatte. Doflamingo wich seinem Blick und scharrte nervös mit den Füßen, ehe er zugab: "Vor etwa einem halben Jahr." Diese Antwort nahm Crocodile den Wind aus den Segeln. Völlig verdattert starrte er seinen Partner an. Nur langsam drang die Bedeutung der Aussage, die dieser eben getätigt hatte, zu ihm durch. "Du hast diesen Ring gekauft, als wir beide gerade einmal drei Monate lang ein Paar gewesen sind?" Doflamingo nickte. "Mir war von Anfang an klar, dass ich dich heiraten möchte", erklärte dieser schließlich. "Es war keine Lüge, als ich dir beim Antrag erzählt habe, dass ich mich sofort in dich verliebt habe. Schon als sich unsere Blicke zum ersten Mal kreuzten, damals bei diesem Geschäftsessen, wusste ich, dass du der Mann bist, dem ich ewige Liebe und Treue schwören werde. Und, naja, du kennst mich, Wani: Ich bin ein sehr spontaner Mensch, der manchmal auch gewisse Dinge überstürzt." Er gluckste leise. "Aber wieso hast du ein halbes Jahr gewartet, ehe du mir schlussendlich den Heiratsantrag gemacht hast?", fragte Crocodile. "Eigentlich habe ich vorgehabt, dich gleich nach dem Kauf des Rings darum zu bitten, mich zu heiraten", gab Doflamingo zu, "doch Law hat mir davon abgeraten. Bitte versteh seinen Ratschlag nicht falsch! Er mag dich sehr gerne. Um ehrlich zu sein, hält er dich für den einzig vernünftigen Menschen in meinem engeren Bekanntenkreis (abgesehen von ihm selbst natürlich). Aber er war der Meinung, dass ich dich verschrecken könnte, wenn ich dir so früh schon einen Heiratsantrag mache. Ich kenne mich nicht sonderlich gut aus, was solche Dinge angeht... Wie gesagt, bei dir handelt es sich um meine erste feste Beziehung. Ich hätte dir am liebsten gleich an unserem dritten Monatstag den Ring geschenkt, aber Law meinte, man sollte mindestens ein Jahr lang in einer Beziehung sein, ehe man um die Hand seines Partners anhält. Nun ja, so lange habe ich es dann doch nicht ausgehalten. Aber das weißt du ja selbst. Ich bin bloß froh, dass du meinen Heiratsantrag angenommen hast." Crocodile konnte gar nicht anders, als Trafalger Law stumm dafür zu danken, dass er seinem Partner geraten hatte, ihm nicht schon nach drei Monaten einen Antrag zu machen. Selbstverständlich war er auch damals bereits in Doflamingo verliebt gewesen, doch ihre Beziehung war noch so jung und zerbrechlich, dass Crocodile sich nicht sicher war, ob eine Heirat diese nicht eher geschädigt hätte als ihr zugute gekommen wäre. Schlimmstenfalls hätte er solche Panik bekommen, dass er tatsächlich Schluss gemacht hätte. Auf der anderen Seite allerdings, dachte Crocodile niedergeschlagen, waren die Bedingungen nun, ein halbes Jahr später, nicht viel besser. Vor sechs Monaten hatte er wenigstens noch seinen Job gehabt. Unweigerlich wünschte er sich, Doflamingo hätte sich an Laws Ratschlag gehalten und ihm erst nach frühestens einem Jahr darum gebeten, ihn zu heiraten. Nun ja, dachte Crocodile und dieser Gedanke munterte ihn auf, vielleicht besserte sich seine Lebenssituation demnächst ja schon wieder auf. Er sah dem Vorstellungsgespräch, das ihn am Mittwoch erwartete, sehr zuversichtlich entgegen. Da man sich sehr rasch bei ihm gemeldet und Robin außerdem ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte, ging er davon aus, dass seine Chancen gut standen. * Crocodiles Laune war nicht ganz so schlecht, wie er es befürchtet hatte, als er sich gemeinsam mit seinem Partner auf den Rückweg machte. Er gab offen zu, dass der Urlaub ihm gutgetan hatte. Zwei Wochen lang ganz entspannt Zeit mit seinem Partner zu verbringen und Spaziergänge am Strand zu unternehmen, hatten eine eindeutig positive Wirkung auf ihn gehabt. Er fühlte sich nicht mehr so schrecklich gestresst und überfordert wie vor kurzem noch. Und auch sein Körpergewicht hatte von der Auszeit und dem guten Essen profitiert: Inzwischen wog er 71 Kilogramm. Jetzt musste er bloß noch weitere sieben Kilogramm zunehmen, um sein angestrebtes Mindestgewicht zu erreichen. Crocodile war zuversichtlich, dass ihm dies rasch gelingen würde. Vor allem aber war es natürlich seine Aussicht auf ein Vorstellungsgespräch, die seine Laune ungemein anhob. "Ich freue mich schon auf Hancocks Schwangerschaftsparty", meinte Doflamingo, noch während sie beide sich im Porsche 911 Carrera S befanden, der am Flughafen River's Mountain auf sie gewartet hatte und sie zurück nach Hause brachte. "Ach, sonderlich spannend wird es bestimmt nicht", warf Crocodile lasch ein. "Es ist bloß ein Anlass, um ihre Schwangerschaft offiziell bekanntzugeben." Um ehrlich zu sein, konnte er das leidenschaftliche Interesse seines Verlobten für Hancocks Schwangerschaft nicht ganz nachvollziehen. Er selbst freute sich ebenfalls über dieses Ereignis (auch wenn er sich noch immer Sorgen wegen der finanziellen Situation seiner Schwester machte), doch so aufgeregt wie Doflamingo war, könnte man beinahe meinen, er wäre derjenige, der ein Kind bekäme; dabei handelte es sich doch bloß um das Baby der Schwester seines Partners. "Trotzdem!", erwiderte Doflamingo mit eindringlicher Stimme. "Ihre Schwangerschaft ist eine sehr spannende Sache. Ich habe sonst niemanden in meinem Freundeskreis, der bereits ein Kind bekommen hat. Wie kommt es bloß, dass du dich überhaupt nicht für deinen Neffen oder deine Nichte zu interessieren scheinst?" Crocodile seufzte leise und schloss für einen Moment seine Augen, ehe er erwiderte: "Ich habe weder einen Neffen noch eine Nichte. Bisher ist Hancocks Kind doch noch ein kleiner Embryo. Sie ist erst in der zehnten Schwangerschaftswoche." "In der elften", korrigierte ihn sein Verlobter just. "Dann eben in der elften Schwangerschaftswoche", meinte Crocodile augenrollend. "Jedenfalls wollte ich sagen, dass es sich doch überhaupt noch nicht um einen echten Menschen handelt. Ich kann mir gar nicht so richtig vorstellen, dass ein Kind in ihr heranwächst. Es ist eine ziemlich seltsame Vorstellung, findest du nicht? Vermutlich wird man bei der Party einen Schwangerschaftsbauch kaum auch nur erahnen können." "Natürlich handelt es sich bei dem Baby bereits um einen echten Menschen!", warf Doflamingo mit energischerer Stimme als erwartet ein. "Worum soll es sich denn sonst handeln?" "Naja, eben um einen Embryo", entgegnete Crocodile mit gelassener Stimme. "Soweit ich weiß, dürfte er kaum größer als vier Zentimeter sein. Halte dir doch nur einmal vor Augen, wie klein vier Zentimeter sind, Doflamingo!" "Noch", lenkte ebenjener ein. "Aber er wird wachsen und in wenigen Monaten als vollständig entwickeltes Baby auf die Welt kommen. Und aus diesem Grund sollte er auch genau dieselben Rechte haben wie ein Mensch, der bereits geboren wurde!" Crocodile rollte mit den Augen. "Himmel, jetzt sag mir bloß nicht, du bist gegen Abtreibung", meinte er. Wenn Crocodile ehrlich war, dann hätte er gar nicht damit gerechnet, dass Doflamingo eine solch altertümliche und traditionelle Ansicht vertrat. Er hatte seinen Partner als eine sehr aufgeschlossene und moderne Person kennengelernt. "Sag du mir nicht, dass du für die Ermordung unschuldiger Kinder bist!", erwiderte Doflamingo mit entsetzt klingender Stimme. Crocodile zuckte mit den Schultern. "Eigentlich können wir uns diese Diskussion doch sparen, oder?", sagte er schließlich. "Da ich nämlich ein Mann bin und dazu auch noch homosexuell, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ich jemals in eine Situation gerate, in der meine Meinung zu diesem Thema von Bedeutung ist, praktisch bei null." Wenn er ehrlich war, dann hatte er sich aus exakt diesem Grund niemals sonderlich viele Gedanken zu dem Thema Abtreibung gemacht. Auch mit seinen Geschwistern hatte Crocodile nie zuvor darüber gesprochen. Hancock und Mihawk waren zwar beide heterosexuell, doch hatten (bis vor wenigen Wochen) nicht den Eindruck erweckt, dass sie jemals Kinder haben wollten. Stattdessen konzentrierten sich beide auf ihre Arbeit; immerhin waren sowohl Mihawk als auch Hancock selbstständig. Darum war ja auch die Nachricht über die Schwangerschaft seiner Schwester sehr überraschend für ihn gewesen. Insgeheim ging Crocodile davon aus, dass das Kind nicht geplant gewesen war. "Aber du kannst dich doch nicht einfach raushalten und überhaupt keine Meinung vertreten!", warf Doflamingo ihm vor. "Und warum nicht?", hielt Crocodile dagegen. "Ich habe mehr als genug andere Probleme in meinem Leben, mit denen ich mich auseinandersetzen muss. Wieso sollte ich mich dann auch noch mit Dingen beschäftigen, die mich nie betreffen werden?" "Aber tausende unschuldige Kinder sind jedes Jahr betroffen!", wandte sein Partner ein. "Ihnen wird das Grundrecht verwehrt, zu leben!" "Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, haben sicherlich gute Gründe für diesen Entschluss", meinte Crocodile. "Vielleicht wären sie nicht dazu in der Lage, das Kind zu lieben, weil es zum Beispiel aus einer Vergewaltigung entstanden ist. Oder sie könnten ihm nichts bieten, weil sie finanziell nicht abgesichert sind. Ich denke, niemand treibt ein Kind ohne einen guten Grund ab. Am Ende ist es womöglich doch die beste Entscheidung für beide Parteien." "Die beste Entscheidung für beide Parteien?" Doflamingo wirkte völlig fassungslos. "Du redest Unsinn, Wani! Abtreibung ist niemals die richtige Lösung! Man sollte seinem Kind die Chance geben zu leben!" Allmählich verlor Crocodile die Geduld. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust auf diese Diskussion; in seinen Augen war sie absolut unnötig. Und noch dazu ärgerte ihn die eingeschränkte Sichtweise seines Partners. "Nicht jeder ist mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden, Doflamingo", meinte er darum mit energischer Stimme. "Du weißt nicht wie es ist, finanzielle Probleme zu haben und kaum für sich selbst sorgen zu können. Du hast vermutlich gleich, nachdem du abgestillt worden bist, zum ersten Mal Kaviar probiert, hm? Aber ein solches Glück haben nicht alle Menschen in ihrem Leben! Während meines Studiums zum Beispiel habe ich manchmal so wenig Geld zur Verfügung gehabt, dass ich tagelang bloß Corneflakes gegessen und Leitungswasser getrunken habe. Stell dir einmal vor, ich wäre eine Frau und zu dieser Zeit schwanger geworden: Entweder hätte ich wegen dem Kind mein Studium abbrechen müssen oder ich hätte ihm nichts bieten können, nicht einmal eine warme Mahlzeit jeden Tag. Beides sind absolut beschissene Optionen. Und in einer solchen Situation ist Abtreibung vielleicht doch die beste Lösung!" Doflamingo schien mit einer solch heftigen Standpauke nicht gerechnet zu haben. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar und wich dem Blick seines Partners aus. Schließlich erwiderte er mit ein wenig ruhigerer Stimme: "Selbst in einer solchen Situation könnte man das Kind zur Welt bringen und es anschließend zur Adoption freigeben. Auf diese Weise kann man sein eigenes Leben unbeschwert fortführen und auch das Kind bekommt die Chance auf eine schöne Zukunft. Meine Eltern haben oft über Adoption nachgedacht, ehe sie Corazon und mich per künstliche Befruchtung zeugten." "Sie haben darüber nachgedacht, aber sich schlussendlich doch dagegen entschieden", korrigierte Crocodile die positiv anmutende Aussage seines Verlobten. "Es gibt so viele Kinder auf dieser Welt, denen es schlecht geht und die Eltern bräuchten, die sich um sie kümmern. Doch stattdessen bekommt man lieber eigene, weil man... warum eigentlich? Vermutlich weil man unbedingt leibliche Kinder haben möchte?" Crocodile schwieg für einen Moment, ehe er hinzufügte: "Und stell dir nur einmal vor, du verwehrst einer Frau eine Abtreibung. Aufgrund der Schwangerschaft oder der Geburt verstirbt sie dann. Wäre ihr Tod dann nicht deine Schuld?" Doflamingo schwieg und senkte den Blick. Crocodile konnte sich nur mit viel Mühe ein Grinsen verkneifen. Anscheinend hatte er diese Diskussion für sich entscheiden können. Noch immer nahm Crocodile das Thema Abtreibung nicht sonderlich ernst (wie gesagt: Ihn würde es niemals betreffen), doch er freute sich darüber, seinen furchtbar rechthaberischen Partner endlich einmal zum Schweigen gebracht zu haben. Es handelte sich bloß um einen kleinen Sieg, doch einen Sieg immerhin. Sein Übermut löste sich jedoch rasch wieder in Luft auf, als sein Verlobter plötzlich meinte: "Du hast doch erzählt, dass Hancock durch das Kind in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte, nicht wahr? Immerhin ist der Vater des Kindes noch ein Schüler und sie selber ist selbstständig. Meinst du, sie zieht vielleicht in Erwägung, das Kind abzutreiben?" Crocodile warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu. Diese Möglichkeit war ihm bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen. Er dachte kurz darüber nach, ehe er in einem relativ gefasst klingenden Tonfall meinte: "Das denke ich nicht. Hancock scheint sich sehr über ihre Schwangerschaft zu freuen. Nicht umsonst gibt sie nur aus diesem Anlass eine Party. Hätte sie die Absicht, das Kind nicht zu bekommen, würde sie ihre Schwangerschaft nicht offiziell machen, denke ich. Bitte mach dir darum keine Sorgen, Doffy." Dieses Argument schien seinen Verlobten zu überzeugen. Er lächelte zaghaft, ehe er meinte: "Vermutlich hast du Recht. Jedes Mal, wenn ich mit ihr telefoniere, klingt sie sehr glücklich. Sie kann es kaum erwarten, am Tag der Schwangerschaftsparty endlich das Geschlecht ihres Kindes zu erfahren." "Trotzdem mache ich mir Sorgen um sie", gab Crocodile mit leiser Stimme zu. "Sie besitzt ein Nagelstudio, das ziemlich gut läuft. Wenn sie allerdings wegen der Schwangerschaft aussetzen muss, wird ihr vielleicht nichts Anderes übrig bleiben, als das Nagelstudio zu schließen. Und der Kindsvater geht noch zur Schule. Woher soll sie dann das Geld nehmen, um sich selbst und das Baby über die Runden zu bringen? Ich kenne mich mit den sozialen Dienstleistungen seitens das Staats nichts aus; ich weiß nicht, wie viel Geld ihr zustehen würde und ob sie damit auskäme." "Aber darüber haben wir doch letztens erst gesprochen", wandte Doflamingo ein. "Notfalls kann ich Hancock und ihr Kind versorgen. Für mich sind das doch nur Peanuts!" "Wer weiß denn überhaupt, ob sie dein Geld annehmen wird?", erwiderte Crocodile. "Meine Schwester ist manchmal nicht weniger stolz als ich es bin. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich weigern wird, Almosen anzunehmen. Lieber wird sie versuchen, sich und ihre Familie mit Müh und Not selbst durchzubringen!" "Wir könnten sie heimlich unterstützen!", schlug Doflamingo in einem zuversichtlich klingenden Tonfall vor. Crocodile zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. "Heimlich unterstützen?", hakte er nach. "Wie stellst du dir denn das vor?" "Zum Beispiel durch Geschenke", antwortete Doflamingo, der plötzlich ganz begeistert wirkte. "Es ist doch üblich, dass man ein Geschenk für das Baby oder für die Eltern mitbringt, wenn jemand eine Schwangerschaftsparty gibt, nicht wahr? Wir könnten Hancock doch einfach ein, naja, größeres Geschenk machen. Wie wäre es mit einem Kinderwagen oder einem Babybett? Dann könnte sie sich diese teure Anschaffung schon einmal sparen." Crocodile legte den Kopf schief. Auf der einen Seite klang der Vorschlag, den sein Partner eben gemacht hatte, gar nicht so dumm. Ein Geschenk würde seine Schwester ganz sicher nicht ausschlagen. Doch auf der anderen Seite würde eine teure Investition wiederum ihm selbst zu Lasten gehen. Zwar hatte er eine gute Chance auf eine neue Arbeitsstelle, doch eine Garantie gab es nicht. Für ihn waren 800 Berry für einen Kinderwagen zurzeit ungeheuer viel Geld. Trotzdem meinte Crocodile: "Da hast du vermutlich Recht. So könnten wir es machen." Diese Worte kamen ihm leichter als gedacht über die Lippen. Immerhin ging es hier um seine Schwester und natürlich auch um seinen zukünftigen Neffen oder seine Nichte. Crocodile wollte nicht geizig sein und auf diese Weise riskieren, dass es seiner Familie schlecht ging. Zu einem solch furchtbaren Menschen war er trotz der Notsituation, in der er sich befand, noch nicht geworden. Und außerdem dachte er, lief ja vielleicht das Vorstellungsgespräch am Mittwoch bei Tom's Workers gut, und es gäbe bald gar keinen Grund mehr, um sich über den Preis von Geschenken für seine Geschwister Gedanken zu machen. * Es war Dienstag. Morgen stand Crocodiles Vorstellungsgespräch bei Tom's Workers an und er konnte nicht verhehlen, dass er sehr nervös war. Immerhin ging es um eine verdammt große Sache. Diese Arbeitsstelle könnte für ihn den Ausweg aus seinen Schulden bedeuten. Die Vorstellung, irgendwann wieder komplett schuldenfrei zu sein, kam Crocodile inzwischen beinahe schon wie eine Art Wunschtraum vor. Er versprach sich selbst, niemals wieder etwas zu kaufen, was er nicht sofort bezahlen konnte. Im Augenblick hielt Crocodile sich im weitläufigen Garten der Villa auf. Er saß auf einem gemütlichen Gartenstuhl und hatte seinen Laptop auf seinem Schoß. Er checkte seine Emails und informierte sich außerdem noch einmal eingehend über Tom's Workers; beim morgigen Vorstellungsgespräch wollte er gut vorbereitet sein. Als er jedoch seinen Verlobten nach ihm rufen hörte, schloss er rasch alle verdächtigen Fenster und öffnete stattdessen ein paar Internetseiten, bei denen es um Hochzeitsdekoration und Ähnliches ging. Noch immer hielt Crocodile seine potenzielle neue Arbeitsstelle vor Doflamingo geheim. Womöglich würde er diesen über seinen Jobwechsel informieren, wenn er die Stelle in trockenen Tüchern hatte. Immerhin müsste er Doflamingo nichts von seiner Kündigung erzählen, sondern könnte diesem weismachen, er hätte freiwillig den Job gewechselt. Aufgrund der schlechten Bedingungen, unter denen er in letzter Zeit bei der Arbeit gelitten hatte, würde diese Ausrede vermutlich sogar relativ glaubhaft klingen. "Was gibt es, Doflamingo?", fragte Crocodile seinen Verlobten, als dieser neben ihm auftauchte. Eigentlich würde er sich lieber noch weitere Gedanken zu seinem morgigen Gespräch machen, doch er bemühte sich trotzdem darum, nicht allzu genervt von der Anwesenheit seines Partners zu wirken. "Ich dachte mir, dass wir heute das Geschenk für Hancocks Baby kaufen könnten", antwortete dieser mit unbekümmert klingender Stimme. "Immerhin ist die Party schon am Samstag." Crocodile unterdrückte ein Seufzen. "Wollen wir das nicht lieber Donnerstag oder Freitag machen?", fragte er. "Ich habe heute keine sonderlich große Lust darauf, einkaufen zu gehen." "Aber wieso denn nicht?", hakte Doflamingo verwundert nach und versuchte einen Blick auf den Bildschirm seines Laptops zu erhaschen. "Du erledigst doch nicht etwa in deinem Urlaub irgendetwas für die Bank, nicht wahr? Du kannst dich nicht erhohlen, wenn du dich auch in deiner Freizeit ständig mit deiner Arbeit beschäftigst!" "Ich erledige nichts für die Bank", warf Crocodile rasch ein. Und um Doflamingo zu überzeugen, fügte er hinzu: "Ich habe mir ein paar schöne Ideen für unsere Hochzeitsdekoration angeschaut." Diese Worte schienen seinen Verlobten milde zu stimmen; vielleicht war es ihm auch gelungen, einen Blick auf den Bildschirm des Laptops zu werfen, der derzeit ein paar Blumen zeigte. Doch Doflamingo wäre nicht Doflamingo gewesen, wenn er nun einfach locker gelassen oder einen Kompromiss vorgeschlagen hätte. "Ach komm schon, Wani", meinte er und griff nach seinem rechten Arm. "Das Wetter ist doch so schön! Morgen und übermorgen soll es allerdings regnen; dann macht das Einkaufen sicherlich nur halb so viel Spaß. Bitte, Baby!" Crocodile rollte mit den Augen, ehe er sich geschlagen gab. "Von mir aus", sagte er und klappte seinen Laptop zu. "Aber du musst mir versprechen, dass wir nicht trödeln! Wir gehen in den Laden, kaufen ein Geschenk und sind dann sofort wieder draußen, ja?" Und um es sich nicht mit seinem Verlobten zu verscherzen, der sich sehr auf diese Einkaufstour zu freuen schien, fügte er hinzu: "Ich möchte mir heute Abend gerne noch ein paar Entwürfe für Einladungskarten anschauen." "Allzu lange werden wir nicht brauchen", versicherte Doflamingo ihm grinsend. Er wirkte sehr zufrieden mit sich selbst; vermutlich, weil es ihm mal wieder gelungen war, seinen Willen durchzusetzen. "Versprochen!" Crocodile seufzte leise und erhob sich aus seinem Stuhl. Er war sich nicht sicher, ob er den Worten seines Partners über den Weg traute. Das Fachgeschäft für Babies und Kleinkinder, in das Doflamingo ihn führte, war kein Laden, in den Hancock oder ihr Freund sich jemals verirrt hätten. Crocodile wurde recht schnell klar, dass zur Zielgruppe eindeutig sehr wohlhabende Menschen gehörten. Als er im Vorbeigehen einen Blick auf das Preisschild eines Stramplers sah, wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht: 150 Berry für so wenig Stoff? Die Kleidung, die Crocodile selbst trug, war ebenfalls nicht günstig gewesen, dessen war er sich bewusst. Doch das Hemd, das er derzeit trug, besaß er zum Beispiel schon seit zwei Jahren; wohingegen ein kleines Baby schon nach wenigen Wochen aus einem Strampler wieder herauswuchs. "Sind die Sachen nicht unheimlich putzig?", fragte Doflamingo ihn und musterte mit begeisterter Miene die riesige Auswahl an Babyartikeln. "Schau dir nur mal diese Söckchen an! Hinreißend!" Crocodile rollte mit den Augen. Anstatt auf den Enthusiasmus seines Partners einzugehen, hielt er lieber nach einem Mitarbeiter Ausschau. Sie mussten nicht lange warten, ehe sie von einer rothaarigen Verkäuferin angesprochen wurden. "Guten Tag", begrüßte diese sie freundlich. "Mein Name ist Nami. Kann ich Ihnen helfen?" Doflamingo nickte sofort. "Sehr gerne", meinte er, ohne Crocodile auch nur die Möglichkeit zu geben, zu Wort zu kommen. "Wir suchen einen Kinderwagen." "Da sind Sie bei uns genau richtig", erwiderte die junge Verkäuferin. "Wir führen eine Vielzahl an Modellen. Wie alt ist Ihr Kind denn? Wenn es bereits eigenständig sitzen kann, bietet sich womöglich eher ein Buggy als ein Kinderwagen an." "Oh, es ist noch gar nicht auf der Welt", erklärte Doflamingo mit fröhlich klingender Stimme. "Wir suchen also einen Kinderwagen, der auch für ein Neugeborenes geeignet ist." Nami nickte. "Natürlich, bitte folgen Sie mir." Sie vollführte eine einladende Geste und wies ihnen den Weg zum entsprechenden Bereich des Geschäfts. Während die Verkäuferin vorging, wandte sich Crocodile an seinen Verlobten und flüsterte diesem in einem leicht verärgerten Tonfall zu: "Bleib bitte auf dem Teppich, Doflamingo, ja? Wir hatten uns doch noch gar nicht darauf geeinigt, dass wir Hancock einen Kinderwagen schenken wollten!" Diese Kritik meinte er ernst. Es war bereits schlimm genug, dass Doflamingo ihn ausgerechnet in ein Babyfachgeschäft gelotst hatte, welches anscheinend bloß unverschämt teure Artikel verkaufte; da musste sein Partner nun nicht auch noch übermütig werden. Um ehrlich zu sein, hätte Crocodile lieber günstiger eingekauft. Natürlich wollte er seine jüngere Schwester gerne unterstützen, doch er war auch der Meinung, dass sein zukünftiger Neffe oder seine Nichte keinen Strampler für 150 Berry brauchte. Den Preis für einen Kinderwagen, der in diesem Laden verkauft wurde, wollte er sich nicht einmal vorstellen. Woher nur sollte er das Geld für diese teuren Geschenke nehmen? "Ach, jetzt sei doch nicht so miesepetrig, Wani", flüsterte Doflamingo zurück. Noch immer machte er einen überaus fröhlichen Eindruck; die Kritik seines Partners schien er überhaupt nicht ernst zu nehmen. "Ich weiß, dass ich manchmal dazu neige, dir das Wort abzuschneiden. Aber ein Kinderwagen gehört doch mit zu den wichtigsten Dingen, die Hancock benötigt, nicht wahr? Sie wird sich sicherlich darüber freuen!" Crocodile kam nicht dazu, seinem Partner zu erklären, dass er sich (zumindest in erster Linie) nicht über die Entscheidung einen Kinderwagen zu kaufen, sondern über den Preis dieses Geschenks beschwerte. Denn gerade, als er zu einer Erwiderung ansetzen wollte, erreichten sie die Abteilung des Babyfachgeschäfts, in der die Kinderwagen ausgestellt wurden. Nami wandte sich zu ihnen um und setzte ein kundenfreundliches Lächeln auf. Crocodile blieb nichts anderes übrig, als seine Entgegnung hinunterzuschlucken und sich vorzunehmen, seinen Partner zusammenzustauchen, sobald sie beide wieder allein waren. "Neugeborene Kinder liegen zumeist im Kinderwagen; erst später, ab allerfrühestens sechs Monaten, sollte man sie aufrecht sitzen lassen", erklärte ihnen Nami. "Praktisch ist darum ein Wagen, dessen Liege- sich zu einer Sitzfläche einstellen lässt und umgekehrt. Ein weiterer Vorteil dieser Funktion besteht darin, dass auch größere Kinder bei zum Beispiel längeren Ausflügen gemütlich schlafen können, indem man die Sitzfläche zur Waagerechten umklappt. Bei einem Buggy ist dies nicht möglich." Während Doflamingo an den Lippen der Verkäuferin hing und überaus interessiert ihren Ausführungen lauschte, ließ Crocodile seinen Blick über die vielen verschiedenen Kinderwagen schweifen, die ausgestellt waren. Unweigerlich fragte er sich, wie teuer ein solcher wohl sein würde. Mit seinen ursprünglich eingerechneten 500 bis 800 Berry käme er hier vermutlich nicht sonderlich weit. Während Crocodile so tat, als würde er sich ein bestimmtes Modell näher ansehen, suchte er unauffällig nach dem Preisschild. Als er es schließlich fand, stockte ihm der Atem. Dieser Kinderwagen kostete mehr als 4.000 Berry! "Erwarten Sie denn einen Jungen oder ein Mädchen?", hörte er Nami mit freundlicher Stimme fragen. Crocodile schreckte auf und fuhr sich mit der rechten Hand über den Mund. "Das wissen wir noch nicht", antwortete er, ehe sein Verlobter ihm erneut zuvor kommen konnte. "Leben Sie in der Stadt? Nur wenn Sie nicht auf dem Land wohnen, kann ich ihnen ein dreirädrigen Kinderwagen empfehlen. Auf unebenem Gelände sind Sie mit drei Rädern viel zu unsicher unterwegs..." Crocodile machte sich nicht die Mühe, den Erläuterungen der Verkäuferin zuzuhören. Er verließ sich darauf, dass sein Partner alle wichtigen Kaufkriterien im Kopf haben würde. Noch immer hörte dieser sehr genau zu und stellte sogar einige Zwischenfragen zu Details, die Crocodile niemals in den Sinn gekommen wären. Man könnte tatsächlich meinen, dachte er kopfschüttelnd, dass nicht Luffy, sondern Doflamingo Vater werden würde. Crocodile wurde erst wieder hellhörig, als es endlich darum ging, einen der Kinderwagen auszusuchen. Wie nicht anders zu erwarten gewesen, stürzte Doflamingo sich sofort auf ein komplett rosafarbenes Modell und meinte an seinen Verlobten gewandt: "Wie wäre es mit dem hier, Darling? Ich finde ihn wirklich hübsch!" Crocodile rollte mit den Augen. "Auf gar keinen Fall! Wir wissen doch gar nicht, ob es ein Mädchen wird." "Was hat denn das Eine mit dem Anderen zu tun?", erwiderte Doflamingo und tat so, als wäre er beleidigt. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wandte demonstrativ das Gesicht ab. Zufällig trug er heute ein rosafarbenes Hemd. Crocodile konnte sich ein Grinsen nicht ganz verkneifen. "Tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen", meinte er mit schelmischer Stimme und ließ sogar zu, dass Doflamingo ihm einen Mund auf den Kuss gab, obwohl er für den Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit normalerweise nicht sonderlich viel übrig hatte. Crocodile schämte sich nicht für seinen Partner, doch er war ein Mensch, der Privates und Öffentliches stark voneinander trennte. "Trotzdem bin ich für eine dezente Farbe", sagte Crocodile. Er schaute sich einige der Kinderwagen an und versuchte abzuschätzen, welcher wohl am preisgünstigsten sein würde. Gut genug waren sicherlich alle; jedenfalls deutlich teurer als jeder Kinderwagen, den Hancock und Luffy sich jemals angeschafft hätten. "Wie wäre es mit diesem hier?", meinte Crocodile und deutete auf einen schwarzen Kinderwagen, der sich in seinen Augen nicht sonderlich stark von den anderen im Raum abhob. Der einzige Unterschied bestand im Preis: Mit 1.600 Berry gehörte er noch zu den günstigen Exemplaren. Doflamingo begutachtete den von ihm vorgeschlagenen Kinderwagen kritisch. Schließlich schüttelte er mit ernster Miene den Kopf. Crocodile warf seinem Verlobten einen fragenden Blick zu. "Was stimmt denn nicht damit?", fragte er nach. "Ich finde ihn hübsch; mir gefällt er gut." "Darum geht es nicht", erwiderte Doflamingo mit ernster Stimme. "Nami hat uns doch eben erklärt, dass die Lehne mindestens fünfzig Zentimeter hoch sein muss, damit das Kind seinen Kopf vernünftig abstützen kann. Bei diesem hier ist die Lehne zu niedrig!" "Ähm..." Crocodile wusste nicht so recht, was er auf diese Aussage erwidern sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner so spitzfindig sein würde. Es ging hier doch bloß um die Auswahl eines Kinderwagens, nicht um eine Organtransplantation! "Der hier drüben ist gut", hörte er ebenjenen sagen. Doflamingo war vor einem hübschen, beigefarbenen Kinderwagen stehen geblieben. Crocodile ging zu seinem Partner hinüber und sah sich das ausgewählte Stück an. Er musste zugeben, dass der Wagen wirklich schick aussah. Leider war auch der Preis stolz; Crocodile schluckte, als er das entsprechende Schildchen sah: 5.000 Berry. "Bist du dir sicher, dass er alle wichtigen Kriterien erfüllt?", hakte Crocodile nach. Vielleicht fanden sie ja irgendeinen Makel und entschieden sich hinterher doch lieber für einen anderen (kostengünstigeren) Kinderwagen. "Ich gebe zu, dass er sehr hübsch aussieht, aber am wichtigsten ist die Sicherheit!" "Da hast du natürlich Recht", stimmte Doflamingo ihm zu und untersuchte den Kinderwagen ganz genau. Zu Crocodiles Unglück schien er allerdings keinen Negativpunkt zu finden. "Ich denke, den hier können wir nehmen. Man kann die Liegefläche hoch- und runterklappen, er hält bis zu 25 Kilogramm Gewicht aus, die Räder sind schwenkbar, die Lehne ist hoch genug und man kann ihn zusammenklappen. Das Gestell ist sogar aus Carbon; schwer ist der Kinderwagen also auch nicht. Ich sehe keinen Grund, wieso wir ihn nicht nehmen sollten." "Okay, gut, von mir aus", meinte Crocodile, der allmählich in echte Bedrängnis geriet. Er hatte nicht damit gerechnet, heute 2.500 Berry auszugeben. So viel Geld hatte er überhaupt gar nicht dabei. Und er besaß auch keine Kreditkarte mehr, mit der einen solch großen Geldbetrag bezahlen könnte. Weil ihm in seiner Panik nichts Anderes einfiel, meinte er an Doflamingo gewandt: "Wollen wir uns noch ein paar andere Dinge anschauen, bevor wir ihn kaufen? Vielleicht finden wir ja noch einen niedlichen Strampler oder so etwas?" "Klar, gute Idee!", pflichtete ihm Doflamingo bei, der sofort ganz begeistert wirkte. Er griff nach seinem Unterarm und schleppte ihn eilig ein paar Gänge weiter. Crocodile ließ sich mitschleifen. Er wusste nicht, ob es ein guter Einfall von ihm gewesen war, seinen Verlobten von dem teuren Kinderwagen abzulenken. Schlimmstenfalls fand dieser noch einen Strampler für 500 Berry, den er Hancocks Baby unbedingt schenken wollte. Crocodile seufzte leise. Wenn Doflamingo so weiter machte, dann war dieses Kind bald besser ausgestatt als er selbst - und dabei war es doch noch nicht einmal geboren! Leider musste Crocodile feststellen, dass die Kaufwut seines Partners jede seiner Befürchtungen weit überstieg: Am Ende standen sie an der Kasse mit nicht weniger als zehn Stramplern, fünf Hosen, fünf T-Shirts und zehn Paar Socken. Und den ausgewählten Kinderwagen wollte Doflamingo selbstverständlich auch kaufen. "Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?", fragte Crocodile seinen Verlobten, während Nami mit goldenen Berry-Zeichen in den Augen die teuren Artikel abrechnete. "So viele Sachen... Und das Baby ist doch noch gar nicht auf der Welt!" "Ihr Baby hat nur das Beste vom Besten verdient", warf Nami fröhlich ein. "Und Babysachen einzukaufen gehört doch für werdende Eltern mit zu den schönsten Dingen! Adoption oder Leihmutterschaft?" "Wie bitte?", fragte Crocodile verwundert nach. Er verstand die Frage überhaupt nicht. "Ob Sie beide ein Kind adoptieren oder eines durch künstliche Befruchtung gezeugt haben?", wiederholte Nami, als handelte es sich dabei um eine völlig normale Frage. Es dauerte einige Sekunden, bis zu Crocodile durchdrang, worauf die junge Verkäuferin hinauswollte. Sofort spürte er, wie sich Röte in seinem Gesicht ausbreitete. Er wischte sich nervös über den Mund. Hatten Doflamingo und er tatsächlich den Eindruck von werdenden Eltern erweckt? Nun gut, musste Crocodile sich eingestehen, bei ihnen handelte es sich offensichtlich um ein homosexuelles Paar, das Babysachen kaufte; eine solche Vermutung lag also nahe. "Adoption", antwortete Doflamingo kurzerhand und nahm die Tüte mit Babykleidung entgegen, die Nami ihm reichte. Den Kinderwagen ließen sie liefern. "Wir freuen uns sehr auf das Baby. Schon immer habe ich irgendwann Vater werden wollen. Mein Verlobter ist sehr verunsichert, was die ganze Situation angeht, aber auch er freut sich sehr. Sie wissen ja, wie das mit werdenden Eltern ist: Man macht sich viele Gedanken um die Zukunft und hat Angst, etwas falsch zu machen." "Machen Sie sich keine Sorgen", entgegnete Nami unbekümmert und nahm das Geld entgegen, das Doflamingo ihr reichte. "Ich bin mir sicher, dass Sie beide wunderbare Eltern werden. Das einzige, was zählt, ist die Frage, ob man sein Kind liebt oder nicht. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann nichts schiefgehen." "Da haben Sie vollkommen Recht", meinte Doflamingo breit grinsend. In der einen Hand hielt er die Tüte mit den eingekauften Babysachen, mit der anderen griff er nach dem Unterarm seines Verlobten und verließ gemeinsam mit ihm das Fachgeschäft. Crocodile schämte sich so sehr, dass er kein einziges Wort über die Lippen brachte. Noch immer war sein Gesicht knallrot. Erst als sie beide wieder im Auto saßen, fand Crocodile wieder zu sich. Er warf Doflamingo einen verständnislosen Blick zu und fragte: "Wieso hast du behauptet, wir beide würden ein Baby adoptieren?" Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso dieser die Verkäuferin angelogen hatte. Doflamingo allerdings grinste bloß und zuckte mit den Schultern. "Wieso nicht?", erwiderte er mit leichtherziger Stimme. "Ich habe mir einfach einen kleinen Spaß erlaubt. Es ist wirklich unfassbar, wie rot du geworden bist." Er kicherte leise. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass man mir eine solche Frage stellen würde", lenkte Crocodile (mit noch immer knallrotem Gesicht) nuschelnd ein. "Ich kann es Nami nicht verübeln", meinte Doflamingo. "Immerhin hätten wir auch genausogut für unser eigenes Kind die vielen Sachen kaufen können. Vielleicht tun wir das ja irgendwann sogar." Angesichts dieser dubios klingenden Aussage wandte Crocodile sich zu seinem Partner um und warf diesem einen skeptischen Blick zu. "Was meinst du damit?", fragte er ihn. "Nun ja", erwiderte Doflamingo. "Ich wollte damit einfach nur sagen, dass es nicht unmöglich ist, dass wir beide irgendwann einmal ein eigenes Kind haben werden, nicht wahr?" "Ein Kind?" Crocodile hatte niemals über Kinder nachgedacht. Da er homosexuell war, war ihm diese Frage nie zuvor in den Sinn gekommen. Doflamingo allerdings, dachte er betroffen, war bisexuell. Er hatte bereits Beziehungen mit Frauen geführt. Und sich vielleicht immer vorgestellt, später einmal Vater zu werden. Nicht zum ersten Mal fragte Crocodile sich, ob Doflamingo sich manchmal nach einer Frau sehnte. Einer Partnerin. Mit der er auch Kinder bekommen könnte. Leibliche Kinder. "Crocodile?" Es war die besorgt klingende Stimme seines Verlobten, die ihn aus seinen Gedanken riss. "Geht es dir gut? Du wirkst plötzlich ganz abwesend." "Mir geht es gut", erwiderte Crocodile unwirsch. "Ich habe eben bloß über, naja, Kinder nachgedacht." "Käme es für dich infrage, Vater zu werden?" Doflamingos Stimme klang ungewohnt ernst, als er ihm diese Frage stellte. "Also, nicht unbedingt in nächster Zeit. Aber vielleicht in ein paar Jahren?" "Wie soll das denn gehen?", wich Crocodile dieser Frage aus. "Ich bin homosexuell!" "Du weißt, was ich meine", warf sein Partner ein. "Adoption. Leihmutterschaft. Es gibt viele Wege, um Vater zu werden." Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht", sagte er schließlich wahrheitsgemäß. "Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Keiner der Männer, mit denen ich jemals zusammen gewesen bin, hat deutlich gemacht, dass er irgendwann einmal Kinder haben möchte. Vielleicht möchte ich irgendwann Kinder; vielleicht auch nicht. Derzeit kommt es für mich jedenfalls nicht infrage, Vater zu werden." Und weil er spürte, dass es sich bei dieser Antwort nicht um diejenige handelte, die sein Verlobter gerne hören wollte, fügte er hinzu: "Lass uns nichts überstürzen, Doffy, ja? Zuerst konzentrieren wir uns auf unsere Hochzeit. Und auf das Baby, das Hancock bekommen wird. Wenn wir beide verheiratet sind, ist es ja sozusagen auch deine Nichte oder dein Neffe. Später können wir von mir aus noch einmal über eigene Kinder reden." Doflamingo lächelte zaghaft. Er legte seinen Arm um die Schulter seines Partners und drückte diesen an sich. Crocodile ließ die Berührung geschehen und schloss sogar die Augen. Er atmete den angenehmen Geruch seines Partners ein. Um ehrlich zu sein, hatte er nicht damit gerechnet, dass Doflamingo ihn jemals nach Kindern fragen würde. Aber dasselbe hatte er ja auch über ihre Verlobung gedacht. Es gab Seiten an seinem Partner, die überraschten Crocodile. Doflamingo war nicht so egoistisch, rücksichtslos und genusssüchtig, wie viele glaubten. Vielleicht vermisst er es, eine Familie zu haben, schoss es Crocodile durch den Kopf und er konnte nicht verhindern, dass ihn dieser Gedanke traurig stimmte. Hatte Doflamingo ihm einen Heiratsantrag gemacht und ihn auf Kinder angesprochen, weil ihm seine Eltern und sein jüngerer Bruder fehlten? Tat er nach außen hin bloß immer so unbeschwert und ausschweifend, um zu verdecken, dass er sich in Wirklichkeit nach einer festen Ehe, einer Familie sehnte? "Woran denkst du?", fragte Doflamingo ihn und streichelte sein Handgelenk. "An uns", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Und daran, wie sehr ich dich liebe." Es hatte ihn geschockt, als sein Partner ihm von seinen Eltern und Corazon erzählt hatte. Crocodile war der Meinung, dass Doflamingo eine intakte Familie verdiente. Genauso wie er selbst. Aber Kinder bekommen, fügte er gedanklich hinzu, sollten sie allerfrühestens erst dann, wenn er keine Schulden mehr hatte und es ihm psychisch wieder besser ging. * Um genau vierzehn Uhr dreißig parkte Crocodile seinen Mercedes C 216 vor dem Bürogebäude von Tom's Workers. Es war kleiner als er es vermutet hätte, doch im Nachhinein erschien ihm dieser Umstand sinnig: Immerhin ging es um die Organisation einer Messe; sicherlich gab es vieles, was vor Ort besprochen und geregelt wurde. Crocodile holte eine Zigarre aus seiner Manteltasche hervor, zündete sie an und nahm einen tiefen Zug. Sofort beruhigte ihn der Geschmack des Tabaks in seinem Mund. Im Kopf ging er noch einmal alle wichtigen Informationen durch. Er war sehr zuversichtlich, dass es ihm gelingen würde, sich bei dem bevorstehenden Vorstellungsgespräch gut darzustellen. In seinem Leben hatte er bereits Dutzende solcher Gespräche geführt. Das erste Mal im Alter von sechzehn Jahren, als er einen Nebenjob beim örtlichen Supermarkt angenommen hatte. Um vierzehn Uhr fünfzig betrat Crocodile das Bürogebäude. Er hielt nach einer Orientierungstafel oder Ähnlichem Ausschau, die er schließlich neben dem Aufzug fand und die ihm verriert, dass er hoch in das zweite Stockwerk musste. Bevor er den Raum Nummer 44 betrat, holte Crocodile noch einmal tief Luft. Er bemühte sich um seinen selbstsicheren Gesichtsausdruck und eine gerade Körperhaltung. Nur wenn er den Eindruck erweckte, von sich selbst überzeugt zu sein, würde es ihm gelingen, auch andere Menschen zu beeindrucken. Zuversichtlich klopfte er an die Zimmertüre an. Erst als Crocodile ein freundlich klingendes "Herein!" vernahm, öffnete er diese. Im Inneren des Raums hielten sich ein Mann und zwei Frauen auf. Die beiden Frauen waren (vermutete Crocodile) Zwillinge oder zumindest Geschwister, denn sie sahen sich sehr ähnlich. Nicht nur, was die Gesichtszüge und den Körperbau, sondern auch die Frisuren und den Kleidungsstil anging. Die dritte Person war ein großer, bulliger Mann, der Crocodiles Ansicht nach absolut unpassend gekleidet war: Er trug eine kurze Hose und ein buntes Hawaii-Hemd. Trotzdem ließ Crocodile sich nicht beirren. Nicht zuletzt sein eigener Verlobter hatte ihn gelehrt, dass die Garderobe eines Menschen nicht unbedingt etwas über seine Intelligenz oder seinen Einfluss aussagen musste. "Guten Tag", begrüßte ihn der lächerlich gekleidete Mann mit freundlicher Stimme und reichte ihm seine Hand, in die Crocodile ohne zu Zögern einschlug. "Mein Name ist Cutty Franky. Sie sind sicherlich Sir Crocodile, nicht wahr?" "Ja, das ist richtig", meinte er und bemühte sich um einen festen Händedruck. "Es freut mich, Sie kennenzulernen." Anschließend schüttelte er den beiden Damen im Raum die Hand. Die Frau, die eine gelbe Bluse trug, stellte sich als Mozz vor; diejenige mit der roten Bluse als Kiwi. Crocodile setzte ein charmantes Lächeln auf, als er ihr die Hand schüttelte und merkte an, dass sie beide ja bereits schon telefoniert hätten. "Bitte setzen Sie sich doch", sagte Franky zu ihm; Crocodile kam dieser Aufforderung zu gerne nach. Er schob den Stuhl zurück, der vor dem ausladenden Schreibtisch stand, hinter den sich Franky setzte, und ließ sich darauf nieder. Kiwi und Mozz suchten sich zwei Stühle ein Stück weiter abseits aus. Alle drei Gesprächspartner musterten ihn neugierig. Franky tat es ganz unverhohlen, während die beiden Frauen (vermutlich seine Sekretärinnen) bloß immer mal wieder verstohlen zu ihm hinüberlinsten. Crocodile ließ diese Inspizierung über sich ergehen, ohne auch nur ein einziges Anzeichen von Unwohlsein zu zeigen. "Haben Sie gut hergefunden?", fragte Franky ihn mit freundlicher Stimme. "Am Ende der Straße gibt es seit Neuestem eine große Baustelle; dort steht der Verkehr immer lange." "Prinzipiell schon", meinte Crocodile, der in dieser Frage einen ersten Test sah. "Ich habe zwar, ich weiß nicht, zehn oder fünfzehn Minuten dort festgehangen, aber zum Glück bin ich zeitig genug losgefahren." Auf einen unerfahrenen Bewerber hätten Frankys Fragen wahrscheinlich den Eindruck von nettem Smalltalk gemacht, doch Crocodile wusste es besser: Viele Arbeitgeber stellten gleich zu Beginn des Vorstellungsgesprächs Fragen, bei denen man leicht in ein Fettnäpfchen treten konnte. Crocodile nahm sich vor, achtsam zu sein; gleichzeitig durfte er jedoch nicht unauthentisch wirken. Es war alles eine Sache des Fingerspitzengefühls. "Das ist schön zu hören", meinte Franky, ehe er endlich auf den eigentlichen Anlass für ihr Treffen zu sprechen kam: "Wissen Sie, wofür wir zuständig sind und welche Stelle Sie gegebenenfalls einnehmen würden?" "Natürlich", antwortete Crocodile, dem nun seine ausführliche Vorbereitung zugute kam. "Sie organisieren die Elektronikmesse Tom's Workers. Da es nur noch wenige Monate dauert, bis diese stattfindet, gehe ich davon aus, dasss ich jemanden vertreten soll, der kurzfristig verhindert ist." Franky nickte. "Um ehrlich zu sein", meinte er, "haben Sie damit vollkommen Recht. Ein wichtiger Mitarbeiter ist vor kurzem bei einem sehr tragischen Autounfall ums Leben gekommen. Sein Name war Iceberg; ein sehr kompetenter Mann. Sein Verlust trifft uns nicht nur auf emotionaler Ebene hart. Ich möchte Ihnen nichts vormachen, Sir Crocodile: Der Job, den wir Ihnen anbieten, wird kein leichter sein. Sie müssen innerhalb kurzer Zeit viel Arbeit leisten. Es wird stressig. Sie müssen wissen, was Sie tun, und vor allem müssen Sie zeitlich flexibel sein." "Mein herzliches Beileid", sagte Crocodile. "Dass ich die Arbeit von jemand Anderem fortsetzen muss, habe ich mir bereits gedacht. Mit diesem Umstand werde ich auf jeden Fall zurechtkommen. Ich bin es gewohnt, hohe Verantwortung zu tragen und auch unter Stress gute Leistungen zu erbringen. Vor welche Probleme Sie mich auch immer setzen werden: Ich werde Sie lösen." Franky zog eine Augenbraue hoch. Crocodile fragte sich, ob sein Gegenüber beeindruckt von ihm war oder ob er ihn bloß für einen reißerischen Prahler hielt. Er war sich dessen bewusst, dass er eben relativ dick aufgetragen hatte, doch diesen Schritt hatte er aus gutem Grund gewagt. Anscheinend wurde hier jemand gesucht, der eine Position bekleiden konnte, die mit viel Stress und Hektik verbunden war. Hätte er sich verunsichert oder zweifelnd gegeben, würde man ihn sicherlich nicht nehmen. Ganz im Gegenteil: Er musste sich als einen sehr selbstbewussten Menschen präsentieren, der immer einen kühlen Kopf bewahrte. Auch jetzt in dieser Situation ließ Crocodile sich seine Nervosität nicht im geringsten anmerken. "Von Nico Robin, Ihrer ehemaligen Sekretärin, habe ich erfahren, dass sie zuvor als Manager gearbeitet haben", fuhr Franky fort. "Sie sprach in höchsten Tönen von Ihnen und vor allem ihrer hohen Kompetenz. Darf ich fragen, wieso Sie Ihre Arbeitsstelle wechseln möchten?" Crocodile zögerte bloß eine halbe Sekunde, ehe er sich für die Wahrheit entschied: "Ich habe einen Fehler gemacht, der als Vorwand genutzt wurde, um mir zu kündigen. Den finanziellen Schaden, den ich verursacht habe, hätte ich ohne allzu viel Mühe wieder ausgleichen können. Den wahren Grund für meine Kündigung kenne ich nicht. Nun, wie auch immer: Infolgedessen suche ich nun eine neue Arbeitsstelle." In einem anderen Vorstellungsgespräch hätte Crocodile womöglich gelogen, doch da Franky mit Robin gut befreundet zu sein schien, hielt es für klüger, bei der Wahrheit zu bleiben. Arbeitnehmer unterhielten sich lieber mit einem Bewerber, der einen Fehler gemacht hatte und offen zu diesem stand, als mit einem Lügner. Und er konnte nicht ausschließen, dass Robin Franky über seine Kündigung informiert hatte. "Haben Sie denn eine Vermutung, was der eigentliche Grund für Ihre Kündigung sein könnte?", hakte Franky mit ernster Stimme nach. Crocodile zuckte mit den Schultern. Schließlich meinte er: "Vermutlich meine Sexualität. Womöglich aber auch persönliche Differenzen. Ich habe mich mit meinen Vorgesetzten nie gut vorgestanden." "Ihre Sexualität?" Franky warf ihm einen überraschten Blick zu. Crocodile hatte nicht damit gerechnet, dass Franky nicht über seine sexuelle Ausrichtung Bescheid wusste. Um ehrlich zu sein, war er davon ausgegangen, dass Robin ihm davon erzählt hatte. Er hätte diese Tatsache lieber verschweigen wollen. Sollte Franky sich als homophob herausstellen, wären seine Chancen auf diesen Job praktisch bei null. Jetzt war es allerdings sowieso zu spät. "Ich bin homosexuell", sagte Crocodile und bemühte sich um eine feste Stimme. Franky blinzelte zweimal und starrte ihn verwundert an. Crocodile seufzte leise und zwang sich dazu, nicht mit den Augen zu rollen. Da er nicht dem Klischee des typischen Schwulen entsprach, war er solche Reaktion gewohnt. Viele Menschen wollten ihm gar nicht glauben, dass er homosexuell war. Sie sagten dann immer, er sähe, nun ja, heterosexuell aus. Crocodile selbst konnte solche Oberflächlichkeit überhaupt nicht nachvollziehen. Er war der Meinung, dass die Sexualität eines Menschen nichts mit dessen Äußeren zutun haben musste. Natürlich gab es homosexuelle Männer, denen sah man ihre Neigung sofort an (wie zum Beispiel Doflamingo oder Dellinger), doch ebenso gut gab es auch welche, bei denen man es eigentlich nicht vermuten würde. Dazu zählte Crocodile sich selbst, aber auch zum Beispiel Law und die meisten seiner Exfreunde. "Bitte verstehen Sie mich nicht falsch!", warf Franky sofort hektisch ein, als er zu bemerken schien, wie rücksichtslos und schroff seine Reaktion gewirkt haben musste. "Ich habe überhaupts nichts gegen Schwule oder Lesben! Ein paar meiner besten Freunde sind homosexuell! Man würde es, na ja, bei einem Mann wie Ihnen einfach bloß nicht erwarten." "Ist schon gut", erwiderte Crocodile. "Viele Menschen reagieren überrascht, wenn sie von meiner Sexualität erfahren. Aber ich denke, in diesem Verhältnis tut die Frage, ob ich an Männern oder Frauen interessiert bin, sowieso nicht zur Sache. Seien Sie sich bitte sicher, dass meine sexuelle Ausrichtung überhaupt nichts mit der Frage zu tun hat, ob ich gute oder schlechte Arbeit leiste." "So etwas würde ich auch niemals behaupten", warf Franky rasch ein. Er schien sich sehr dafür zu schämen, dass er eben einen solch unhöflich Eindruck erweckt hatte. "Um ehrlich zu sein, wirken Sie auf mich überaus kompetent. Ich denke, Sie sind genau der Mann, den wir suchen. Wenn von Ihrer Seite also nichts dagegen spricht, würde ich Ihnen gerne noch heute Ihren Arbeitsvertrag mitgeben. Wir sind zeitlich in starkem Verzug und möchten Sie gleich am Montag bei uns begrüßen." "Ähm, ja natürlich, sehr gerne." Crocodile war stolz darauf, dass er nicht angefangen hatte zu stottern. Er konnte sein Glück kaum fassen. Träumte er? Am liebsten hätte er sich selbst in den Arm gekniffen, um sicherzugehen, dass er wach war. Dass er tatsächlich eine neue Arbeitstelle gefunden hatte. "Wunderbar!", meinte Franky und stand von seinem Schreibtischstuhl auf. "Kiwi wird Ihnen am Montag Ihren Arbeitsvertrag in dreifacher Ausführung aushändigen. Bitte unterschreiben Sie alle drei Versionen und geben dann zwei an uns zurück. Ihre Arbeitswoche beträgt 40 Stunden. Das monatliche Gehalt liegt bei 30.000 Berry. Für Überstunden, Arbeit nach zwanzig Uhr und an Feiertagen erhalten Sie einen Zuschlag von 25 Prozent auf den Studenlohn. Ihnen stehen außerdem 20 Urlaubstage zu. Befristet ist die Stelle bis Ende dieses Jahres. Sollten Sie uns jedoch von sich überzeugen können, steht einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sicherlich nichts im Wege." Er stand auf und reichte ihm die Hand. Crocodile kam sich vor wie in einer Art Trance, als er einschlug. Die ganze Situation kam ihm unwirklich vor. Er schämte sich dafür, doch er musste sich ernsthaft zusammenreißen, um sich nicht selbst zu kneifen. Die Tatsache, dass er nicht mehr arbeitslos war, war noch lange nichts bis zu ihm durchgedrungen. "Ich muss mich jetzt leider entschuldigen", fuhr Franky fort. "Es gibt viel zu tun. Bis Montag! Bitte erscheinen Sie um acht Uhr morgens in Raum 7, meinem Büro. Dann besprechen wir Ihre Aufgaben." Crocodile nickte. Einen Moment später war Franky verschwunden; Crocodile blieb mit Kiwi und Mozz im Raum zurück. Er schreckte auf, als er hörte, wie beide leise zu kichern begannen. Verwundert wandte Crocodile sich zu den zwei Schwestern um und warf ihnen einen fragenden Blick zu. Er konnte überhaupt nicht verstehen, was diese plötzlich so unfassbar lustig fanden. Oder lachten Kiwi und Mozz ihn etwa aus? Handelte es sich um einen Scherz? Waren dieses Vorstellungsgespräch und der versprochene Arbeitsvertrag nichts anderes als ein schlechter Witz gewesen? Immerhin schien es sich bei Cutty Franky um einen doch sehr eigenartigen und kuriosen Menschen zu handeln. Ein bitterer Geschmack legte sich auf Crocodiles Lippen, als ihm diese Möglichkeit in den Sinn kam. Es war wohl einfach zu schön gewesen, um wahr zu sein. "Entschuldigung", meinte Kiwi und hielt sich eine Hand vor den Mund, als sie seinen Blick bemerkte. "Es ist nur so, dass Franky eben ein riesiger Stein vom Herzen gefallen ist." "Was meinen Sie denn damit?", fragte Crocodile und zog die Augenbrauen zusammen. "Nun ja", erwiderte Mozz grinsend. "Franky ist nun bereits schon seit einiger Zeit an Robin interessiert. Da Sie allerdings von ihr so inständig empfohlen worden sind, ist er davon ausgegangen, dass Sie beide ein Paar wären. Glücklicherweise hat sich ja nun aber herausgestellt, dass dies nicht der Fall ist. Franky ist ein kompetenter Mann, aber manchmal fällt es ihm schwer, Privates und Berufliches zu trennen. Ich denke, mitunter der Tatsache, dass Sie homosexuell sind und somit keine Konkurrenz für ihn darstellen, haben Sie Ihre neue Anstellung zu verdanken." "Cutty Franky und Nico Robin?", murmelte Crocodileund fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Auch ihm fiel ein Stein vom Herzen. Also nahm man ihn doch nicht auf den Arm. Alles ging mit rechten Dingen zu. Am Montag würde er seinen Arbeitsvertrag unterschreiben und dann würde er endlich wieder Geld verdienen. Er könnte seine Schulden tilgen. Und er könnte Doflamingo heiraten. Seine Probleme würden sich in Luft auflösen. Ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf Crocodiles Lippen. "Ich erinnere mich daran, dass Robin ab und an einen Mann namens Franky erwähnt hat", meinte Crocodile an Kiwi und Mozz gewandt. "Sie hat stets in höchsten Tönen von ihm gesprochen." Sofort brachen die beiden Geschwister erneut in fröhliches Gelächter aus. "Wir haben eine Wette abgeschlossen", sagte Kiwi. "Ich glaube, dass Franky und Robin demnächst ein Paar werden. Mozz hält allerdings dagegen." "Ich bin auf Ihrer Seite, Kiwi", meinte Crocodile. Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln. "Das freut mich. Franky und Robin gehören einfach zusammen. Aber nun Schluss mit dem Klatsch und Tratsch! Wir möchten Sie nicht langweilen, Sir Crocodile. Ich bringe Sie zur Tür. Bis Montag!" * "Hoffentlich freut Hancock sich über unsere Geschenke", meinte Doflamingo mit aufgeregter Stimme. Sie waren gerade auf den Weg zur Schwangerschaftsparty. Crocodile fuhr seinen Mercedes C 216, während Doflamingo neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und wild zu schwadronieren begann. "Bestimmt", erwiderte Crocodile mit eher desinteressiert klingender Stimme. Noch immer konnte er die übertriebene Vorfreude seines Verlobten nicht ganz nachvollziehen. Er hatte sich zwar inzwischen mit dem Gedanken angefreundet, Onkel zu werden, doch Doflamingos Begeisterung hielt er beinahe schon für unangemessen. Immerhin war dieser mit dem Kind ja noch nicht einmal verwandt. "Meinst du, es wird ein Junge oder ein Mädchen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Über diese Frage hatte er sich bisher keine sonderlich großen Gedanken gemacht. Immerhin war es nicht so, als hätte das Sinnieren über das Geschlecht des Kindes irgendeinen Einfluss auf das tatsächliche Faktum. Außerdem würden sie es doch sowieso schon in wenigen Stunden erfahren. "Zum Glück haben wir geschlechtsneutrale Kleidung für das Baby besorgt", fuhr Doflamingo fort, der die Teilnahmslosigkeit seines Partners entweder nicht zu bemerken oder sich daran nicht zu stören schien. "Ich persönlich hätte zwar kein Problem damit, einem kleinen Jungen einen rosafarbenen Strampler anzuziehen, aber vermutlich sind Hancock und Luffy in dieser Hinsicht ein wenig traditioneller eingestellt als ich. Ich hoffe, dass den beiden die Farbe des Kinderwagens zusagt. Vielleicht hätte ich vorher doch lieber unauffällig nach Hancocks Lieblingsfarbe fragen sollen..." "Ich bin mir sicher, beide werden sich über unsere Geschenke sehr freuen", warf Crocodile augenrollend ein. Er glaubte beim besten Willen nicht, dass Hancock einen 5.000 Berry teuren Kinderwagen ablehnen würde, weil ihr womöglich die Farbe nicht gefiel. Obwohl seine Schwester manchmal ein echtes Frauenzimmer sein konnte, schätzte Crocodile sie nicht als so furchtbar wählerisch und anspruchsvoll ein. Vor allem in ihrer derzeitigen finanziellen Lage nicht. Sicherlich würde sie sich über jede Art von Unterstützung freuen, die sie bekam. "Vermutlich hast du Recht", lenkte Doflamingo ein, der gleich ein wenig beruhigter klang. "Schließlich sind sowohl der Kinderwagen als auch die Babykleidung wirklich hübsch. Ich kann es kaum erwarten, Hancocks Gesicht zu sehen, wenn sie die vielen schönen Sachen auspackt!" "Mir geht es genauso", erwiderte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme leicht zynisch klang. Allmählich ging ihm die überzogene Vorfreude seines Verlobten gewaltig auf die Nerven. Crocodile parkte seinen Mercedes nicht weit von dem Haus entfernt, in dem seine Schwester wohnte. Ähnlich wie sein Bruder Mihawk lebte auch Hancock in einem kleinen Einfamilienhaus in der Vorstadt. Es war ein hübsches Gebäude mit Fensterläden und einem hingebungsvoll gepflegten Vorgarten. Hancock war eine Frau, die viel für Dekoration und Kitsch übrig hatte, und diese Schwäche sah man ihrem Zuhause auch sehr deutlich an. Liebevoll war das Haus sowohl von außen als auch von innen geschmückt und verschönert worden. Bevor Crocodile aus dem Wagen ausstieg, wandte er sich an seinen Partner. Er warf Doflamingo einen unwilligen Blick zu und seufzte leise. Anschließend sagte er: "Hör mal, Doffy: Ich, ähm, ich habe meinen Geschwistern noch nichts von unserer Verlobung erzählt. Weil Hancock kurz darauf ihre Schwangerschaft bekannt gegeben hat und ich ihr nicht die Show stehlen möchte. Wenn ich auf meinen Ring angesprochen werden sollte, dann erzähle ich von unserer Verlobung. Ansonsten möchte ich mich allerdings lieber bedeckt halten. Es wäre sehr unhöflich, Hancocks Schwangerschaft auf diese Weise in den Schatten zu stellen. Wir warten einfach noch ein paar Tage ab und verkünden dann unsere Verlobung. Ist das in Ordnung für dich?" Doflamingo zögerte einen Augenblick lang, ehe er nickte. "Ich denke, du hast Recht", sagte er. "Es würde einen sehr wichtigtuerischen und arroganten Eindruck machen, während ihrer Schwangerschaftsparty unsere Verlobung bekannt zu geben. Mir macht es nichts aus, noch ein bisschen zu warten." "Ehrlich?", hakte Crocodile nach. Es erleichterte ihn, dass Doflamingo auf seinen Vorschlag so unerwartet verständnisvoll reagierte, doch er war sich nicht sicher, ob dieser seine Worte tatsächlich ernst meinte. Sein Partner konnte manchmal eine sehr selbstsüchtige und rücksichtslose Person sein. Und er wollte ihn nicht verletzen, indem er ihre Verlobung herabsetzte. Zumindest Doflamingo schien sie sehr wichtig zu sein. "Ganz ehrlich." Doflamingo lächelte, beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Crocodile seufzte erleichtert auf. Er legte seine rechte Hand in den Nacken seines Verlobten und zog diesen zu sich hinunter. Anschließend küsste er ihn auf den Mund. Es war kein sanfter und zaghafter, sondern ein sehr leidenschaftlicher Kuss. Doflamingo erwiderte ihn überraschend stürmisch. "Crocodile, Doflamingo; wie schön, dass ihr da seid", begrüßte seine Schwester sie beide herzlich, als sie das Wohnzimmer des kleinen Einfamilienhauses betraten. Es war ein liebevoll eingerichteter Raum mit bodentiefen Fenstern. Überall waren Dekoartikel jedweder Art platziert: auf dem Tisch stand eine selbst bemalte Vase mit Blumen, am Fenster hingen kleine Basteleien herab und an jedem freien Fleckchen befanden sich ein paar Kerzen. Natürlich war alles farblich aufeinander abgestimmt worden. Auch Crocodile selbst hatte sich bei der Ausstattung seiner Loft-Wohnung viel Mühe gegeben, doch für Dekor hatte er einfach nichts übrig. Seiner Ansicht nach sollte die Einrichtung eines Raums möglichst funktional sein. Blumenvasen und Kerzen waren für ihn bloß nutzlose Staubfänger. Der Gedanke an seine Loft-Wohnung, in der er sich sehr wohl gefühlt und die er so schnell wieder aufgegeben hatte, betrübte Crocodile. Rasch zwang er sich dazu, ein freundliches Lächeln aufzusetzen und sich auf seine Schwester und ihre Schwangerschaft zu konzentrieren. Zur Begrüßung umarmte er sie herzlich und erklärte, es wäre ihm eine Freude, heute hier zu sein. "Möchtet ihr etwas trinken?", fragte Hancock und führte sie zum ausladenden Sofa hinüber, auf dem bereits einige andere Leute Platz genommen hatten. "Stilles Wasser, bitte", meinte Crocodile und setzte sich neben Sondersonia, eine gute Freundin seiner jüngeren Schwester. "Ich hätte gerne einen Kaffee", sagte Doflamingo, ließ sich jedoch noch nicht auf dem Sofa nieder. "Wenn du möchtest, kann ich die Getränke für dich tragen." "Vielen Dank für das Angebot; es ist wirklich sehr lieb, dass du helfen möchtest, Doflamingo", erwiderte Hancock mit freundlicher Stimme und winkte ab, "aber das schaffe ich schon allein." "Okay, gut." Endlich setzte Doflamingo sich neben seinen Verlobten. "Aber falls du bei irgendetwas Hilfe brauchen solltest, dann sprich mich ruhig an. Schließlich sollte man sich nicht übernehmen, wenn man schwanger ist." "Pass auf, dass du Hancock durch deine übertriebene Hilfsbereitschaft nicht in eine unangenehme Lage bringst", raunte Crocodile seinem Partner leise zu. Ob er es sich eingestehen wollte oder nicht: Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass dieser sich seiner hübschen Schwester gegenüber so fürsorglich verhielt. "Sie ist schwanger, nicht schwerkrank." "Das weiß ich selbst", flüsterte Doflamingo zurück. "Ich versuche doch nur, nett zu sein. Eine Schwangerschaft ist nicht immer eine einfache Sache. Wir sollten sie unterstützen, wo auch immer wir können." "Sie ist erst in der zwölften Woche", hielt Crocodile dagegen. "Man sieht noch nicht einmal, dass sie schwanger ist. Du übertreibst völlig." Er verstummte notgedrungen, als Hancock ins Wohnzimmer zurückkehrte und ihnen ihre Getränke reichte. Crocodile war nicht unbedingt ein Mensch, der leicht eifersüchtig wurde, doch er gab zu, dass ihn Doflamingos Interesse an seiner Schwester störte. Bei Hancock handelte es sich um eine wunderhübsche, liebevolle Frau; und sein Partner war nicht homo-, sondern bisexuell. Er kam nicht umhin, sich Sorgen zu machen, wenn Doflamingo sich so aufmerksam um sie kümmerte. "Darf ich mal deinen Bauch anfassen?", hörte er ebenjenen mit aufgeregter Stimme fragen. Crocodile verschluckte sich beinahe an seinem Wasser. Entsetzt sah er zu seinem Verlobten und seiner Schwester hinüber. Hancock nickte und schob den violetten Pullover, den sie heute trug, ein Stück nach oben. Obwohl Crocodiles Ansicht nach von einem Schwangerschaftsbauch noch überhaupt nichts zu sehen war, fuhr Doflamingo zärtlich mit seiner rechte Hand über die makellose Haut. "Ich freue mich schon sehr darauf, das Geschlecht das Babies zu erfahren", meinte er mit freundlicher Stimme und ohne ihren Bauch loszulassen. "Hoffst du auf einen Jungen oder auf ein Mädchen?" "Ach, das ist mir ganz egal", meinte Hancock schmunzelnd. "Hauptsache das Baby ist gesund. Aber natürlich bin ich trotzdem aufgeregt. Nachher werden Luffy und ich den Brief öffnen, den der Frauenarzt uns mitgegeben hat. Darin steht das Geschlecht des Kindes." Doflamingo gluckste fröhlich und ließ endlich von der Schwester seines Verlobten ab. Hancock bedeckte ihren schlanken Bauch wieder mit ihrem Pullover und wandte sich nun Ran zu, die sie ansprach. Crocodile starrte missgelaunt auf den Fußboden und biss sich selbst auf die Unterlippe. Wieder einmal kam ihm in den Sinn, dass alle seine Partner, die bisexuell waren, ihn wegen seiner Schwester verlassen hatte. Hancock war zwar auf die Avancen keines einzigen eingegangen, sie hatte sich sogar jedes Mal bei ihm entschuldigt, obwohl sie prinzipiell keine Schuld trug, doch trotzdem hatte Crocodile sich irgendwann vorgenommen, sich bloß noch auf homosexuelle Männer einzulassen. Indem er die Beziehung mit Doflamingo eingegangen war, hatte er diesen Vorsatz gebrochen (wobei er zu Beginn gar nicht gewusst hatte, dass sein Partner nicht homo-, sondern bisexuell war). Plötzlich kamen Crocodile Zweifel. Jeder bisexuelle Mann, mit dem er ausgegangen war, hatte sich in seine wunderhübsche Schwester verliebt. Warum sollte es bei Doflamingo anders sein? "Geht es dir gut, Wani?" Crocodile schreckte auf, als er spürte, dass sein Verlobter ihn sachte am Arm berührte. "Hast du etwa wieder Magenschmerzen bekommen?" "Ich bin okay", erwiderte er rasch. "Sicher?", hakte Doflamingo nach und Crocodile kam nicht umhin festzustellen, dass die Stimme seines Partners sehr besorgt klang. "Du hast eben dein Gesicht ganz schmerzerfüllt verzogen... Wenn es dir schlecht geht, musst du mir das sagen, ja? Notfalls fahren wir zum Arzt oder nach Hause. Ich möchte nicht, das du dich quälst. Auch wenn ich mich sehr auf Hancocks Schwangerschaftsparty gefreut habe, gehst du natürlich vor. Und vor allem deine Gesundheit." "Mir geht es gut", sagte Crocodile und bemühte sich um eine gefasst klingende Stimme. "Wirklich." "Okay", erwiderte sein Verlobter, der nur halb überzeug wirkte. "Aber sag mir bitte Bescheid, falls der Fall doch eintreten sollte, ja?" Crocodile fuhr sich durch sein Haar und nickte. "Klar doch." Hancocks Schwangerschaftsparty war nett, doch nicht sonderlich spannend. Crocodile bemühte sich darum, einen interessierten Eindruck zu erwecken, obwohl er mit dem vielen Trubel um die Schwangerschaft seiner Schwester nicht allzu viel anfangen konnte. Schließlich war das Baby noch nicht einmal auf der Welt. Und auch ein Ansatz des Schwangerschaftsbauchs war nicht zu erkennen. Man könnte genausogut meinen, Hancock hätte sich die ganze Sache bloß ausgedacht. Aus diesem Grund war für Crocodile der Fakt, dass er bald Onkel werden würde, nur schwer zu fassen; er konnte es sich noch gar nicht richtig vorstellen. Vielleicht fand er sich besser in diese neue Rolle ein, sobald sein Neffe oder seine Nichte geboren worden war und er ihn oder sie vor sich sehen konnte. Auch mit dem Ultraschall-Bild, das seine Schwester ihm reichte, konnte Crocodile nicht sonderlich viel anfangen. Er machte auf dem schwarz-weißen Foto weder ein Baby noch sonst irgendetwas Anderes aus; Doflamingo hingegen betrachtete absolut entzückt die schwarzen und weißen Flecken auf dem Foto. Er schien völlig hingerissen zu sein von allem, was mit Hancock und ihrer Schwangerschaft zusammenhing. Aufgeregt grinsend überreichte er ihr auch die Babykleidung und den Kinderwagen, den sie beide für Hancock besorgt hatten. Entgegen Doflamingos Befürchtung freute sich diese sehr über die Geschenke. Freudestrahlend schloss sie ihren Bruder und dessen Partner in die Arme und bedankte sich überschwänglich. Auch von den anderen Gästen der kleinen Party erhielt Hancock Geschenke: von ihrem Bruder Mihawk bekam sie ein Babybett, von Sondersonia eine Krabbeldecke, von Ran Umstandskleidung und noch einige andere Dinge. Beliebte Geschenkideen waren Babykleidung, Spielzeug und Windeln gewesen. Das mit Abstand teuerste und größte Geschenk stellte definitiv der Kinderwagen dar, den Doflamingo und er für sie besorgt hatten. Um ehrlich zu sein, war Crocodile beinahe schon froh angesichts der Tatsache, dass Hancock den hohen Preis für den Wagen nicht kannte. Ansonsten hätten sein Verlobter und er wohl einen schrecklich arroganten und aufschneiderischen Eindruck erweckt. "Ich bin sehr froh darüber, dass Hancock unsere Geschenke gefallen haben", meinte Doflamingo zu ihm, während ebenjene sich daran machte, die Torte anzuschneiden. Wie üblich sah das gute Stück einfach wunderbar aus. Die zweistöckig Torte war mit bunten Blüten aus Zuckerguss dekoriert, während obenauf zwei kleine Teddybären aus Marzipan thronten. Hancock ließ verlauten, dass ihr beim Backen der Torte ihre beste Freundin Sondersonia geholfen hätte, genauso wie bei den Vorbereitungen für die kleine Party. "Das habe ich dir doch die ganze Zeit über schon gesagt", flüsterte Crocodile zurück und sah dabei zu, wie die hübsche Torte an die fröhlichen Gäste verteilt wurde. Er selbst wurde ausgespart: Allein bei dem Gedanken an den vielen Zucker, den ein einzelnes Tortenstück enthielt, wurde ihm schlecht. Er wollte sich gar nicht erst ausmalen, wie sein empfindlicher Magen reagieren würde, sollte er es tatsächlich wagen, die Torte zu probieren. "Hancock hat sich mal wieder selbst übertroffen, was die Torte angeht, findest du nicht auch?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Es ärgerte ihn, dass sein Partner schon wieder auf seine Schwester zu sprechen kam. Natürlich verstand Crocodile, dass bei diesem Anlass Hancock im Mittelpunkt stand, doch er fand, dass Doflamingo trotzdem wenigstens ab und an einmal über etwas Anderes sprechen könnte. Seiner Eifersucht tat es jedenfalls nicht gut, wenn seine Schwester das einzige Gesprächsthema für diesen darstellte: Hancocks Schwangerschaftsbauch, das Geschlecht ihres Babies, die Geschenke, die sie bekommen hatte, die Torte... "Oh, verdammt, schon wieder ins Fettnäpfchen getreten", hörte er da plötzlich mit Doflamingo mit vollem Mund sagen. "Erst hinunterschlucken, dann sprechen", meinte Crocodile zu diesem. Es war unfassbar, dass ein solch erfolgreicher Geschäftsmann wie Doflamingo ab und an doch sehr manierlos werden konnte. "Und was meinst du überhaupt damit?" "Ich habe schon wieder von Hancocks Torte geschwärmt und ganz vergessen, dass du sie überhaupt nicht essen darfst", gab sein Partner mit schuldbewusst klingender Stimme zu. "Ist schon gut", erwiderte Crocodile und lächelte zaghaft. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht gehabt. Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als Hancock um Ruhe bat. Sie wollte nun den Briefumschlag öffnen, in dem von ihrem Frauenarzt das Geschlecht des Kindes festgehalten worden war. Alle Gäste der kleinen Party schauten gespannt zur Gastgeberin herüber, während diese mit leicht zitternden Händen den Umschlag öffnete. Luffy, der neben ihr stand, hatte einen aufgeregten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Plötzlich begann Crocodile sich furchtbar schlecht zu fühlen wegen seiner Eifersucht. Es war nicht gerecht, dass er sich wegen Doflamingo über seine jüngere Schwester ärgerte. Hancock konnte schließlich nichts dafür, dass ihr die Männer der Reihe nach verfielen. Sie flirtete ja nicht einmal. Und außerdem war es ihr gutes Recht, heute im Rampenlicht zu stehen. Ihre Schwangerschaft war immerhin Anlass dieser Zusammenkunft. Insgeheim beschloss Crocodile, sich so gut wie möglich zurückzunehmen. "Mädchen", verkündete Hancock mit gerührter Stimme. Die Partygäste begannen zu klatschen und zu jubeln. Sondersonia stand von ihrem Platz auf und stürmte zu Hancock hinüber, um diese zu umarmen. Andere, die sie ebenfalls beglückwünschen wollten, folgten rasch. Auch Crocodile und Doflamingo standen auf. "Wir hätten also doch den rosafarbenen Kinderwagen kaufen können", raunte ihm sein Partner mit verschmitzter Stimme zu, während sie darauf warteten, dass sie an die Reihe kamen. Crocodile zuckte mit den Schultern. "Das haben wir ja vorher nicht wissen können", meinte er. Er fragte sich, wieso er sich noch immer so schrecklich schlecht fühlte. Im Augenblick war er nicht zornig auf Hancock; ganz im Gegenteil: Er freute sich für diese und schloss sie herzlich in den Arm, als sie sich ihm zuwandte. Trotzdem wurde er das ungute Gefühl, das sich in seinem Magen ausbreitete, einfach nicht los. Woher rührte seine Missstimmung bloß? "Herzlichen Glückwunsch", meinte Doflamingo mit freudiger Stimme und umarmte Hancock. "Danke", erwiderte diese lächelnd. Sie wirkte ganz aufgeregt und schien ihr Glück noch gar nicht richtig fassen zu können. "Hast du dir schon einen Namen für das Baby überlegt? Jetzt, wo du ja weißt, dass es ein Mädchen wird." Sie schüttelte den Kopf. "Luffy und mir ist noch kein passender Name eingefallen. Aber wir haben ja auch noch einige Monate Zeit, um ihn uns zu überlegen. Schließlich dauert es noch sechs Monate, bis das Baby, ähm, bis sie endlich da ist." "Falls ihr beide Hilfe bei irgendetwas brauchen solltet, kannst du mich gerne anrufen", bot Doflamingo freundlich an. "Crocodile und ich freuen uns schon sehr auf das Baby. Wir werden euch unterstützen, wo auch immer wir können." "Vielen Dank." Hancock lächelte. "Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine dasteht und andere Menschen sich ebenfalls sorgen. Ich möchte mich außerdem noch einmal für die tollen Geschenke von Crocodile und dir bedanken. Der Kinderwagen ist wirklich wundervoll. Und ich bin mir sicher, dass unser kleines Mädchen auch die vielen Strampler, die ihr uns geschenkt habt, lieben wird." "Keine Ursache", erwiderte Doflamingo, der plötzlich recht verlegen wirkte. "Es hat mir großen Spaß gemacht, die Sachen einzukaufen." Er kicherte leise und fügte hinzu: "Die Verkäuferin hat geglaubt, Crocodile und ich bekämen ein Baby. Du kannst dir nicht vorstellen, wie peinlich ihm dieser Irrtum gewesen ist." "Tatsächlich?", meinte Hancock und warf ihrem Bruder einen verschmitzten Blick zu. "Nun ja, vielleicht werdet ihr beiden irgendwann auch mal einen Kinderwagen für euer eigenes Baby einkaufen. Wer weiß schon, was die Zukunft bringen wird?" Crocodile senkte den Blick. Plötzlich kam ihm in den Sinn, woher seine schlechte Laune herrühren könnte: Womöglich lag es daran, dass Doflamingo in letzter Zeit nichts Anderes als Kinder im Kopf zu haben schien. Crocodile schluckte. Er erinnerte sich daran, dass sein Partner ihm gesagt hatte, er könnte es sich sehr gut vorstellen, später einmal eine Familie zu gründen. Um ehrlich zu sein, wusste Crocodile selbst nicht so recht, wie er sich bei diesem Thema verortete. Über Kinder hatte er sich nie zuvor Gedanken gemacht. Er fragte sich, ob Doflamingo ihn verlassen würde, wenn er sich weigerte, eine Familie zu gründen. Sein Verlobter schien sich sehr nach familiären Zusammenhalt zu sehnen; vor allem nach dem Tod seiner Eltern und seines Bruders. Ob es sich wohl um ein K.O.-Kriterium handelte? Crocodile spürte, wie ihm schlecht wurde. Doflamingo war bisexuell. Vielleicht hatte er sich immer schon vorgestellt, eines Tages eine Frau zu heiraten und gemeinsam mit ihr Kinder zu zeugen. Selbst wenn er es wollte, würde Crocodile seinem Partner diesen Wunsch jedoch niemals erfüllen können. Gegen Mitternacht löste sich die kleine Partygesellschaft allmählich auf. Um null Uhr dreißig waren die Gastgeberin Hancock, ihr Freund Luffy, ihre beiden Brüder und Doflamingo die einzigen Gäste, die noch anwesend waren. Fleißig halfen sie dabei, aufzuräumen und das Wohnzimmer wieder in Ordnung zu bringen. Erst gegen ein Uhr machten sich auch Crocodile und sein Partner auf den Weg nach Hause. "Es freut mich sehr, dass ihr heute gekommen seid", sagte Hancock zu ihnen, als sie im Flur standen. "Vielen Dank für eure wunderbaren Geschenke und für eure Hilfe beim Aufräumen. Ich schätze es wirklich wert, dass ihr beide mich unterstützt." "Das ist doch selbstverständlich", erwiderte Doflamingo leicht verlegen und winkte ab. Crocodile, der keine Lust hatte, viele Worte zu verlieren, nickte zustimmend. Um ehrlich zu sein, wollte er sich am liebsten so schnell wie möglich auf den Rückweg machen und ins Bett legen. Er hatte genug von dem Gerede über Schwangerschaft und Kinder; davon wollte er nichts mehr hören. Plötzlich mischte sich Mihawk ein. "Crocodile", sagte er mit bedachtsamer Stimme, "darf ich mich unter vier Augen mit dir unterhalten? Es dauert nicht lange." "Ähm, klar", meinte Crocodile, der ein wenig überrascht war. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Bruder vertraulich mit ihm sprechen wollte; er hatte auch keine Vorstellung davon, worum es gehen könnte. Trotzdem folgte er Mihawk in den Nebenraum. Sein Bruder schloss die Tür hinter ihnen. Anschließend meinte er: "Da es beim heutigen Anlass um Hancock und ihre Schwangerschaft ging, wollte ich dich nicht vor all den Partygästen darauf ansprechen; doch ich kam einfach nicht umhin, zu bemerken, dass du einen neuen Ring am Finger trägst. Und zwar an dem Finger, den du normalerweise immer frei lässt. Stimmt meine Vermutung? Haben Doflamingo und du sich verlobt?" Crocodile schwieg einen kurzen Moment lang. Anschließend nickte er. "Ja, das haben wir", antwortete er lächelnd. "Vor ein paar Tagen in unserem Urlaub. Allerdings haben Doflamingo und ich beschlossen, dass wir unsere Verlobung noch nicht bekannt geben, weil wir Hancock mit ihrer Schwangerschaft nicht in den Schatten stellen wollten. Es freut mich, dass dir der Ring dennoch aufgefallen ist." Mihawk lächelte leicht. "Herzlichen Glückwunsch", sagte er und schloss seinen Bruder in den Arm. "Ich freue mich für euch. Auch wenn ihr beide sehr unterschiedlich seid, passt ihr gut zusammen." Er zögerte kurz, ehe er mit ernster Stimme hinzufügte: "Freust du dich auch? Hast du Doflamingo inzwischen von deiner Kündigung erzählt?" "Ich freue mich sehr über unsere Verlobung", meinte Crocodile. "Und ich brauche mir auch keine Sorgen mehr zu machen, weil mir gekündigt worden ist. Ich habe eine neue Arbeitsstelle gefunden. Ich werde dabei helfen, die im Herbst stattfindende Elektronikmesse Tom's Workers zu organisieren. Sie zahlen mir weniger als die Bank es getan hat, doch das Gehalt reicht aus, um nach und nach meine Schulden zu tilgen. Das bedeutet also, dass meiner Hochzeit mit Doflamingo nichts mehr im Wege steht." Überraschenderweise wirkte Mihawk nicht begeistert angesichts dieser Aussage, sondern verzog besorgt den Mund. Schließlich meinte er: "Ich finde es gut, dass du neue Arbeit gefunden hast und nun dazu in der Lage bist, deine Schulden abzubezahlen. Und ich weiß auch, dass ich kein Recht dazu habe, mich in eure Beziehung einzumischen... doch denkst du nicht, dass du Doflamingo endlich die Wahrheit sagen solltest? Da du jetzt wieder ein Einkommen hast, gibt es ja keinen Grund mehr für dich, um deine Kündigung länger geheimzuhalten. Hältst du es für richtig, mit einer Lüge in eure Ehe zu starten? Ich bin der Meinung, dass dein Verlobter die Wahrheit verdient." Crocodile senkte den Blick. Er wusste nicht so recht, was er von dem Ratschlag seines Bruders halten sollte. Er war sich dessen bewusst, dass dieser prinzipiell Recht hatte, doch gleichzeitig machte es ihn auch wütend, dass Mihawk es wagte, ihm einreden zu wollen, was richtig und was falsch war. Sein Bruder konnte seine Lebenssituation doch gar nicht nachvollziehen! Er wusste nicht, wie es war, mit einem Multimillionär zusammen zu sein, während man selbst völlig mittellos war. Schlimmer noch: Überschuldet. "Ich musste ihn anlügen wegen meiner Kündigung", sagte er also. "Ich hatte keine Wahl. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich geschämt habe. Mir blieb doch gar nichts anderes übrig als zu lügen!" "Das verstehe ich", erwiderte Mihawk. "Ich finde deine Entscheidung nicht gut, doch ich verstehe sie. Allerdings hat sich die Situation nun geändert: Du hast eine neue Arbeitsstelle gefunden. Es besteht keine Notwendigkeit mehr, die ganze Sache zu vertuschen. Ich werde dich selbstverständlich zu nichts zwingen, doch ich rate dir, ihm endlich die Wahrheit zu erzählen. Je früher du das Netz aus Lügen, das du selber gestrickt hast, auflöst, desto höher ist die Chance, dass Doflamingo dir vergibt. Wartest du zu lange, wird er vielleicht nicht mehr dazu in der Lage sein, dir zu verzeihen." "Ich danke dir für deine Sorge, aber ich tue, was ich für richtig halte", sagte Crocodile und bemühte sich um eine gefasste Stimme. Mihawk seufzte. "Du bist und bleibst ein Sturkopf", meinte er schließlich. "Ich hoffe bloß, dass dein Stolz nicht das Ende für deine Beziehung zu Doflamingo bedeuten wird. Er liebt dich sehr. Und ich denke, dass er ein guter Mensch ist. Es würde mir für euch beide leidtun." Crocodile nickte bedächtig. "Wir sollten zurückgehen", meinte er. "Doflamingo wartet sicherlich schon auf mich." "Bitte lass dir meine Worte noch einmal durch den Kopf gehen", sagte Mihawk, während er seine Hand an die Türklinke legte. "Du bist mein kleiner Bruder und ich wünsche mir alles Gute für dich." "Ich schätze deine Sorge um mich sehr", erwiderte Crocodile und kehrte gemeinsam mit seinem Bruder in den Flur zurück, wo Hancock und Doflamingo auf sie warteten. Crocodile umarmte seine Schwester und warf Mihawk einen nachdrücklichen Blick zu, ehe er gemeinsam mit seinem Verlobten das Haus verließ. Draußen war dunkel und kalt. Sofort begann Crocodile zu zittern; er war ein Mensch, der sehr empfindlich auf Kälte reagierte. "Worüber wollte Mihawk mit dir sprechen?", fragte Doflamingo ihn mit teils neugierig, teils besorgt klingender Stimme, während sie sich auf den Weg zum Auto machten. "Ihm ist mein Verlobungsring aufgefallen", antwortete Crocodile. "Er wollte mir zu unserer Verlobung gratulieren." * Franky hatte nicht gelogen, als er prophezeite, dass eine Menge Arbeit und Stress auf ihn zukämen. Kaum trat Crocodile am Montag seinen ersten Arbeitstag bei Tom's Workers an, überschüttete man ihn mit wichtigen Aufgaben verschiedenster Art. Er hatte gerade einmal seine Jacke aufgehangen und das Foto von Doflamingo, das er immer am Arbeitsplatz stehen hatte, auf seinen Schreibtisch gestellt, als Kiwi in sein Büro kam und meinte, in fünf Minuten würde ein Kunde anrufen, der kurzfristig noch einen Stand für die bereits in wenigen Monaten stattfindende Messe mieten wollte. Crocodile nickte und atmete tief durch. Es war ein überwältigendes Gefühl zu wissen, dass man eine wichtige Position bekleidete. Dass man gebraucht wurde. Entscheidungen fällte. Nicht der Niederste in der Kette war. Crocodile genoss seine neue Arbeit sehr. Endlich wurde er nicht mehr mit unwichtigen und stupiden Aufgaben gequält. Diese Zeit war vorbei. Er gab offen zu, dass er ein Workaholic war; ein echtes Arbeitstier. Nicht umsonst hatte Crocodile sich für ein teures Studium entschieden und sich mühselig bis zu Spitze hochgearbeitet. Es ging ihm nicht nur ums Geld. Er wollte seinem Leben Bedeutung verleihen. Er wollte etwas erreichen. Dass er viel Arbeit zu erledigen hatte, störte ihn dabei nicht im geringsten. Man konnte die Karriereleiter nicht erklimmen, wenn man die Hände in den Hosentasche hatte. Crocodile warf dem Foto von Doflamingo einen liebevollen Blick zu und lächelte breit, als er das Telefon abnahm. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich das letzte Mal so gut gefühlt hatte. Auf dem Weg nach Hause kam Crocodile an einem kleinen Blumenladen vorbei. Plötzlich erinnerte er sich daran, dass sein Partner ihm vor ein paar Wochen einen Rosenstrauß mitgebracht hatte. Ohne irgendeinen Anlass; einfach aus einer Laune heraus. Crocodile beschloss kurzerhand, diese liebe Geste zu erwidern. Es war lange her, seit er das letzte Mal einen Blumenstrauß verschenkt hatte. Eigentlich war Crocodile kein Mensch, der viel für Pflanzen übrig hatte. Er bevorzugte praktische und funktionale Geschenke. Doflamingo hingegen war verrückt nach jeder Art von Kitsch und Romantik. Crocodile war sich sicher, dass er sich über einen hübschen Blumenstrauß freuen würde. "Guten Tag", begrüßte ihn freundlich die junge Verkäuferin, die hinter dem Verkaufsthresen stand. "Mein Name ist Marguerite. Kann ich Ihnen helfen?" Crocodile nickte. "Ich suche einen hübschen Blumenstrauß. Nicht zu groß, nicht zu festlich. Gerne mit ein paar seltenen Blumen." "Hier sind Sie genau richtig", meinte Marguerite. "Heute erst sind uns einige sehr seltene und wunderschöne Orchideen geliefert worden. Welche Farbe bevorzugen Sie?" Crocodile brauchte nicht lange zu überlegen. "Haben Sie zufällig Orchideen mit rosafarbenen Blüten da?", fragte er. Marguerite nickte. "Möchten Sie bei einer Farbe bleiben oder eine zweite dazunehmen?", fragte sie, und führte ihn in den Bereich des Blumenladens, in dem die besagten Orchideen ausgestellt wurden. "Orchideen sind sehr farbenreiche Pflanzen. Sie haben die Auswahl zwischen faktisch allen Farben, die es gibt. Auch die Form der Blüten ist variabel." "Ich möchte bei einer Farbe bleiben", erwiderte Crocodile und musterte die Blumen, die Marguerite ihm zeigte. Er kannte sich nicht sonderlich gut aus, was Pflanzen anging. Schlussendlich entschied er sich für eine Orchideenart mit großen, rosafarbenen Blüten und einem starken, hellgrünen Stiel. Sie wirkte sehr außergewöhnlich; Crocodile zweifelte nicht daran, dass sie seinem nicht weniger extravaganten Verlobten gefallen würde. Marguerite stellte ihm einen hübschen Strauß zusammen: Das Hauptaugenmerk lag auf der seltenen Orchidee, außerdem fügte sie ebenfalls rosafarbenes Beiwerk hinzu. Crocodile selbst hatte nicht sonderlich viel für diese mädchenhafte Farbe übrig; doch er wusste, dass Doflamingo sie liebte. Und schließlich ging es darum, seinem Verlobten eine Freude zu bereiten, und nicht ihm selbst. "Das macht sechsundzwanzig Berry", sagte Marguerite, während sie den entsprechenden Betrag in die Kasse eintippte. Crocodile holte dreißig Berry aus seinem Portemone hervor und überreichte sie Marguerite. "Das stimmt so", meinte er und begutachtete den Blumenstrauß in seiner Hand. Er hoffte wirklich sehr, dass Doflamingo sich freuen würde. Wenn schon nicht über die seltene Orchidee, dann doch wenigstens über die Geste. "Vielen Dank", sagte Marguerite und lächelte freundlich. "Beehren Sie uns bitte bald wieder." bye sb Kapitel 14: Kapitel 7 (zensiert) -------------------------------- Crocodile saß in der Badewanne und hatte seine beiden Augen geschlossen. Auf dem Wannenrand stand ein leer getrunkenes Weinglas, auf dem Fußboden eine nur noch halb volle Flasche Wein. Leise seufzend öffnete Crocodile seine Augen, richtete sich auf und griff nach ihr. Dieses Mal machte er sich nicht einmal die Mühe, den Wein vorher ins Glas zu schütten; er trank ihn aus der Flasche. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte Crocodile sich so schrecklich verzweifelt gefühlt wie in dieser Situation. Seinen Verlobungsring hatte er abgenommen, ehe er in die Badewanne gestiegen war, und im obersten Fach des Spiegelschrank über dem Waschbecken verstaut. Er war sich dessen bewusst, dass er ihn wieder überstreifen musste, sobald er das Badezimmer verlief, doch jetzt gerade wollte er ihn nicht sehen. Was sollte er bloß tun? Crocodile wusste einfach keinen Ausweg. Wenn er Doflamingo heiratete, was früher oder später geschehen würde, dann erfuhr dieser von seinen Schulden in Höhe von mehr als 350.000 Berry. Und all die Lügen, die er diesem in den letzten Wochen und Monaten aufgetischt hatte, würden auffliegen. Er konnte dieses furchtbare Finale nicht aufhalten, bloß möglichst weiter aufschieben. Es war absolut unvermeidbar. Vielleicht, dachte Crocodile und wischte sich mit der rechten Hand über den Mund, könnte er Doflamingo dazu bewegen, ihre Hochzeit erst in einigen Jahren stattfinden zu lassen. Wenn er es schaffte, bis dahin all seine Schulden zu tilgen, bestünde die Möglichkeit, dass dieser die Wahrheit niemals erfuhr. Manche Paaren genossen doch lange ihre Verlobung, ehe sie heirateten, nicht wahr? Eine Hochzeit benötigte immerhin auch eine gewisse Vorbereitungszeit. Mindestens ein Jahr könnte er bestimmt für sich herausschlagen. Doch wie sollte es ihm gelingen, innerhalb von nur zwölf Monaten 350.000 Berry aufzutreiben? Er war doch inzwischen arbeitslos! Crocodile setzte die Weinflasche erst wieder ab, als sie komplett leer getrunken war. Er ließ seinen Körper zurück in das angenehm warme Wasser gleiten und fragte sich, wie er es bloß vollbracht hatte, sein Leben so schrecklich zu ruinieren. Seine Arbeit hatte er verloren, horrende Schulden saßen ihm in Nacken und nun stand sogar seine Beziehung zu Doflamingo auf dem Spiel! Konnte es noch schlimmer werden? Gedämpft konnte Crocodile die Stimme seines... seines Verlobten hören, der im Gang aufgeregt auf und ab ging. Kaum waren sie ins Ferienhaus zurückgekehrt, hatte Doflamingo nach seinem Handy gegriffen und all seinen Freunden mitgeteilt, dass er den Heiratsantrag angenommen hatte. Währenddessen hatte er selbst sich ins Badezimmer zurückgezogen und badete nicht bloß in wohlduftendem Wasser, sondern gleichzeitig auch in Selbstmitleid. Er hoffte, der Konfrontation mit seinem Partner so lange wie nur möglich entgehen zu können. Leider wurden seine Hoffnungen rasch enttäuscht. Er hörte, wie Doflamingo an die geschlossene Badezimmertüre klopfte und meinte: "Croco, machst du dich fertig? Es gibt gleich Abendessen!" "Gib mir eine Minute!", gab Crocodile zurück und bemüht sich um eine neutral klingende Stimmlage. Anschließend seufzte er leise und stieg aus der Badewanne. Sofort breitete sich Gänsehaut auf seinem ganzen Körper aus. Er fühlte sich furchtbar! Lustlos griff Crocodile nach einem Handtuch und rieb seinen Körper trocken, ehe er in seinen Bademantel schlüpfte. Beinahe vergaß er, seinen Verlobungsring wieder aufzustecken. Das war zwar mit nur einer Hand nicht ganz einfach, doch Crocodile besaß eine Menge Übung darin. Eigentlich trug er gerne Ringe. Draußen im Gang wartete sein Verlobter, der ihn überschwänglich umarmte. "Zu Abend gibt es gebackene Austern und Kaviar", verkündete dieser mit fröhlicher Stimme. "Und dazu ein schönes Glas Champagner. Wir müssen unbedingt auf unsere Verlobung anstoßen! Oh, Wani, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich ich bin!" Crocodile lächelte zaghaft. "Doch, ich denke, das kann ich", erwiderte er. "Lass mich nur eben in angemessene Kleidung schlüpfen, ja? Etwas so edles wie Kaviar sollte man nicht im Bademantel essen." "Ach, wieso denn nicht?", warf Doflamingo ein, legte den Arm um seine Hüfte und dirigierte ihn in Richtung Esszimmer. "Wir sind hier doch ganz unter uns. Es gibt keinen Grund, um sich zu genieren. Außerdem denke ich, dass Kleidung spätestens beim Verzehr des Desserts bloß hinderlich sein wird." "Dessert?", hakte Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen nach. Hatte sein Partner etwa wieder einmal nicht im Kopf, dass er Süßes überhaupt nicht zu sich nehmen durfte? Und worauf wollte dieser eigentlich hinaus? Doflamingo grinste lüstern. "Keine Sorge, dein Magen wird keinen Schaden nehmen", meinte er und ließ seine Finger ungefragt unter Crocodiles bloß bis zur Mitte der Oberschenkel reichenden Bademantel gleiten. Frech kniff er ihm in eine Pobacke. "Doflamingo!", zischte Crocodile und befreite sich rasch aus dem Griff seines Partners. Er spürte, dass sich Röte auf seinen Wangen ausbreitete. Doflamingo kicherte. "Ist ja schon gut", meinte er in einem versöhnlichen Tonfall. "Zuerst sollten wir zu Abend essen. Danach erst werde ich dich vernaschen. Versprochen!" Crocodile rollte mit den Augen, doch erwiderte nichts auf diesen platten Spruch. Inzwischen hatten sie sowieso das Esszimmer erreicht. Crocodile warf einen neugierigen Blick auf den bereits gedeckten Tisch; er hatte noch nie zuvor Kaviar gegessen. Crocodile bemühte sich während des Abendbrots darum, einen möglichst unbekümmerten und glücklichen Eindruck zu erwecken. Doflamingo sollte nicht erfahren, wie schlecht es ihm in Wirklichkeit ging. Auch auf Geschlechtsverkehr hatte er heute keine sonderlich große Lust, doch er wollte seinen Partner nicht vor den Kopf stoßen, indem er diesem ausgerechnet am Tag ihrer Verlobung den Sex verweigerte. Also würde er sich dazu durchringen, mitzumachen und sich seinen Unwillen nicht anmerken zu lassen. "Auf unsere Verlobung", sagte Doflamingo mit freudiger Stimme und stieß sein Glas Champagner gegen das seines Partners. "Auf unsere Verlobung", erwiderte Crocodile und zwang sich dazu, den Champagner nicht gleich in einem Zug auszutrinken. Obwohl dies vielleicht gar keine so schlechte Idee war: Vielleicht könnte er dem Geschlechtsverkehr mit seinem Partner entkommen, indem er aus purer Freude natürlich ein paar Gläser über den Durst trank? Gedanklich wägte Crocodile ab, ob er diesem zutraute, Sex mit ihm zu haben, während er sturzbetrunken war. Eine solche Situation hatte es in ihrer Beziehung zuvor nie gegeben. "Woran denkst du?", fragte Doflamingo ihn neugierig. "Ach, an alles Mögliche", meinte Crocodile rasch und schüttelte geistesabwesend den Kopf. "Ich kann es kaum fassen, dass wir beide jetzt verlobt sind. Mit einem Heiratsantrag habe ich, ehrlich gesagt, gar nicht gerechnet gehabt." "Man hat gemerkt, dass du überrascht warst, als ich am Strand vor dir auf die Knie gegangen bin", meinte Doflamingo und griff nach einer der Austern, die auf seinem Teller lag. "Einen Augenblick lang dachte ich sogar, dass du meinen Heiratsantrag ablehnen würdest. Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert ich gewesen bin, als du endlich Ja gesagt hast." "Es, ähm, war ein sehr bewegender Moment", erwiderte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sagen sollte. "Freust du dich denn?" "Natürlich", sagte Crocodile rasch, der wusste, dass es sich bei dieser um die einzig richtige Antwort handelte. "Unsere Verlobung ist zwar recht unerwartet für mich gewesen, aber selbstverständlich freue ich mich sehr." Wenn er Doflamingo gegenüber betonte, dass er mit dessen Heiratsantrag überhaupt nicht gerechnet hatte, könnte er womöglich eine längere Wartezeit bis zur Hochzeit für sich herauschlagen. "Dabei habe ich mich zuvor so sehr darum bemüht, ein paar Andeutungen zu machen", murmelte Doflamingo und nippte an seinem Champagner. "Nun ja, wie auch immer... Hauptsache du hast meinen Antrag angenommen und bist glücklich. Alles Andere ist unwichtig." Crocodile zwang sich dazu, zustimmend zu nicken, und wandte sich endlich seinem eigenen Teller zu. In ihren krummen Schalen lagen einige gebackene Austern, daneben stand ein kleines Töpfchen, das Kaviar enthielt. Skeptisch musterte Crocodile die winzigen, schwarzen Perlen. "Magst du Kaviar nicht?", fragte ihn sein Verlobter, als er seine Zurückhaltung bemerkte. "Ehrlich gesagt, habe ich noch nie welchen probiert", gab Crocodile zurück und griff nach seiner Gabel. "Nein, nein!", warf Doflamingo hektisch ein, ehe sein Partner dazu kam, die teure Delikattese zu probieren. "Nicht mit der Metallgabel. Metall verändert den Geschmack. Kaviar sollte mit Keramik- oder Glasbesteck gegessen werden." "Ähm, oh, okay", erwiderte Crocodile und legte die Metallgabel zur Seite, griff stattdessen nach derjenigen aus Keramik, die ebenfalls an seinem Platz lag. Er hatte überhaupt nicht gewusst, dass Metall den Geschmack von Kaviar veränderte. Auch wenn Crocodile sich wegen seiner eigenen Unwissenheit schämte (manchmal merkte man eben doch, dass er eigentlich gar nicht aus der Oberschicht stammte), bemühte er sich darum, sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Rasch tat sich Crocodile eine kleine Portion auf die Keramikgabel und schob sich den Kaviar dann mutig in den Mund. Er schmeckte fürchterlich. Am liebsten hätte Crocodile die Fischeier gleich wieder ausgespuckt, doch weil er Etikette zeigen wollte, zwang er sich mit viel Mühe dazu, sie hinunterzuschlucken. "Ich nehme an, dass der Kaviar dir nicht geschmeckt hat?", meinte Doflamingo und kicherte leise. Anschließend schob er sich selbst eine Gabel mit der edlen Delikatesse in den Mund und schluckte sie genüsslich hinunter. "Wie kommst du denn darauf?", gab Crocodile mit zynischer Stimme zurück und wischte sich mit der Serviette über den Mund. "Wieso bloß kaufen die Leute dieses Zeug? Ich habe immer gedacht, dass es absolut köstlich schmecken muss, aber das ist definitiv nicht der Fall." "Mit Kaviar verhält es sich genauso wie mit Alkohol", erklärte Doflamingo noch immer grinsend. "Beim ersten Mal ist es immer am schlimmsten. Wenn du ihn zwei- oder dreimal probiert hast, wird er dir besser schmecken, das kannst du mir glauben. Man kann ihn auch mit Crackern oder anderen Teigwaren zusammen essen." "Lieber nicht", erwiderte Crocodile und warf dem kleinen Töpfchen mit den schwarzen Fischeiern einen unwilligen Blick zu. "Ist schon gut", sagte Doflamingo mit sanfter Stimme. "Du musst ihn natürlich nicht essen, wenn du nicht möchtest. Vielleicht schmeckt dir aber auch einfach diese Art nicht. Es gibt unterschiedliche Arten von Kaviar. Dieser hier ist vom Belugastör. Es handelt sich um den teuersten Kaviar der Welt; der Preis für ein Kilogramm liegt bei etwa 7.000 Berry. Aber auch andere Störarten liefern Kaviar, zum Beispiel der Ossietrastör. Sein Kaviar schmeckt würziger." Crocodile biss sich beinahe selbst auf die Zunge, als er seinen Verlobten reden hörte. Was erzählte ihm dieser da? Ein Kilogramm Kaviar kostete satte 7.000 Berry? Skeptisch betrachtete Crocodile das Töpfchen mit den kleinen, schwarzen Perlen, das vor ihm auf dem Tisch stand. Er versuchte abzuschätzen, um wie viel Gramm es sich wohl handeln mochte. Er rechnete sich aus, dass, wenn es sich um etwa fünfzig Gramm handelte, er gerade eben eine Mahlzeit im Wert von 350 Berry ausgeschlagen hatte. 350 Berry, wiederholte Crocodile gedanklich, für dieses widerliche Zeug. Es war echte Ironie, dass ihm Schulden in Höhe von 350.000 Berry im Nacken saßen, und ihm eine Delikatesse im Wert von 350 Berry nicht gut genug war. Er lebte in einer verkehrten Welt. "Ich denke, einen zweiten Versuch kann ich ruhig wagen", meinte Crocodile, weil er hunderte Berrys nicht einfach zum Fenster hinaus werfen wollte. "Vielleicht hast du ja Recht und der Kaviar schmeckt mir besser, wenn ich mich erst einmal an seinen Geschmack gewöhnt habe." Also griff er erneut nach seiner Keramikgabel und schaufelte sich eine zweite Portion Kaviar in den Mund. Sofort bereute er seinen Mut. Angewidert verzog Crocodile das Gesicht und schluckte nur widerwillig das teure Gut hinunter. "Du hast gelogen!", warf er seinem Verlobten vor, als er den widerwärtigen Geschmack rasch mit ein wenig Champagner aus seinem Mund spülte. "Es schmeckte genauso widerlich wie beim ersten Mal! Bäh! Also, man müsste mir schon Geld bezahlen, damit ich dieses Zeug esse!" "Geschmäcker sind verschieden", gab Doflamingo schulterzuckend und noch immer leicht grinsend zurück. "Ich jedenfalls bin ganz verrückt nach Kaviar." Sie sprachen über dieses und jenes, während sie ihr Abendbrot fortführten. Crocodile schob sein Töpfchen mit Kaviar hinüber zu seinem Verlobten, der es mit Freude entgegennahm; er selbst hielt sich lieber an die gebackenen Austern. Als sie fertig waren, stupste ihn Doflamingo unter dem Tisch vorsichtig mit seinem Fuß an. Überrascht stellte Crocodile fest, dass dieser seine Schuhe und Socken ausgezogen haben musste, denn genauso wie er selbst war er nun barfuß. Doflamingo fuhr mit seinen Zehen zärtlich über den Rücken und die Knöchel seines rechten Fußes. Verwundert ließ Crocodile diese Art von Berührung geschehen, auch wenn er, um ehrlich zu sein, nicht sonderlich viel mit ihr anfangen konnte. Soweit er wusste, hatte sein Verlobter keinen Fußfetisch (genauso wenig wie er selbst), doch er musste zugeben, dass ihn diese ganz neue Art von Körperkontakt neugierig machte. "Wollen wir vielleicht rüber ins Schlafzimmer gehen?", fragte ihn Doflamingo nach zwei oder drei Minuten. Crocodile zögerte einen kurzen Moment lang, ehe er nickte. Gemeinsam mit seinem Partner erhob er sich schließlich vom Tisch, verließ das Esszimmer und machte sich auf den Weg hinüber ins Schlafzimmer, das ebenfalls im Erdgeschoss lag. [zensiert] * Crocodile und Doflamingo saßen gemeinsam auf der Couch im Wohnzimmer. Es war früher Abend und sie hatten den Tag genutzt, um die Umgebung auszukundschaften und einen zweiten Strandspaziergang zu machen. Nun entspannten sie vor dem Fernseher. Sie sahen sich keinen Film an, sondern zappten relativ wahllos durch die die Programme. (Crocodile bemühte sich darum, die Tatsache zu ignorieren, dass sein Partner eine ganze Menge kostenpflichtiger Pornosender abonniert hatte, auch wenn dieser ihm jedes Mal einen eindeutigen Blick zuwarf, wenn sie auf einen solchen stießen.) Es war ziemlich genau achtzehn Uhr, als Crocodiles Handy zu klingeln begann. Hastig kramte er es aus seiner Hosentasche hervor und bemühte sich darum, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, als er feststellte, dass nicht etwa Cutty Franky, der Organisator der Tom's Workers-Messe, sondern bloß seine Schwester Hancock sich bei ihm meldete. Trotzdem nahm er den Anruf entgegen und versuchte, möglichst unbekümmert zu klingen. "Hallo, Hancock", begrüßte er seine jüngere Schwester. "Hi, Crocodile", gab sie zurück. "Wie läuft dein Urlaub?" "Gut", log Crocodile und bekam nur am Rande mit, dass sein Verlobter den Fernseher auf stumm schaltete. "Es ist wunderschön hier, direkt am Meer. Heute sind wir zum zweiten Mal am Strand spazieren gegangen." "Das hört sich wundervoll an", sagte Hancock. "Ich finde, dass du dir -gerade in deiner derzeitigen Situation- ein wenig Entspannung redlich verdient hast. In letzter Zeit stehst du ja ständig unter Strom." "Da hast du wohl Recht", gab Crocodile unwillig zu. "Aber es geht mir schon viel besser. Dieser Urlaub ist wie Balsam für meine Seele." "Wann kommst du denn eigentlich wieder zurück? Ist der Urlaub auf zwei Wochen angesetzt? Oder wolltet ihr länger dableiben?" "Insgesamt sind es zwei Wochen", antwortete Crocodile, der sich fragte, wieso Hancock sich ausgerechnet für dieses Detail interessierte. "Das ist gut", hörte er seine Schwester mit zögerlicher Stimme sagen. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Er spürte, dass Hancock ihm irgendetwas mitteilen wollte. Unweigerlich fragte er sich, worum es sich dabei bloß handeln mochte. Hoffentlich war niemandem irgendetwas Schlimmes zugestoßen! "Ich, ähm, gebe am Samstag in drei Wochen eine kleine Party", rückte sie nun endlich mit der Sprache raus, "und es würde mich sehr freuen, wenn du kommst. Doflamingo ist selbstverständlich auch eingeladen." Crocodile atmete erleichtert auf. "Das wird sich einrichten lassen, denke ich", erwiderte er. "Gibt es denn irgendeinen besonderen Anlass für die Party? Du hast doch noch gar nicht Geburtstag!" "Ja, den gibt es tatsächlich", meinte seine jüngere Schwester. Sie zögerte einen Moment lang, ehe sie mit recht verunsichert klingender Stimme zugab: "Es handelt sich um eine Schwangerschafts-Party." Diese Aussage nahm Crocodile den Wind aus den Segeln. Er konnte kaum fassen, was Hancock ihm da eben mitgeteilt hatte. Eine Schwangerschaftsparty? Bedeutete das etwa, dass sie... sie... ein Kind erwartete? Das konnte doch wohl nicht wahr sein! "Crocodile?", hörte er Hancock nachfragen. "Bist du noch dran? Du sagst ja überhaupt nichts." "Ähm", machte Crocodile und atmete zweimal tief ein und aus. Was sollte er jetzt bloß tun? Hancock beglückwünschen? Mit ihr schimpfen? Ihr ins Gewissen reden? Nur zu gut erinnerte Crocodile sich an seine Begegnung mit dem aktuellen Freund seiner Schwester zurück. Er war völlig geschockt gewesen von dem siebzehnjährigen Jungen, den diese ihm vorgestellt hatte. Ob es sich bei Monkey D. Luffy wohl um den Vater des Kindes handelte? Davon war sicherlich auszugehen. Sofort begann Crocodile sich Sorgen zu machen: Ein Siebzehnjähriger, ein Schüler, konnte doch wohl kaum für eine dreiköpfige Familie aufkommen, nicht wahr? Überhaupt waren sie doch erst seit kurzem ein Paar! Und wie wollte Hancock ihre Mutterpflichten mit ihrer Arbeit vereinen? Sie war selbstständig und besaß ein eigenes Nagelstudio. Dieses würde sie doch unmöglich weiterführen können, wenn sie sich Tag und Nacht um ein Neugeborenes kümmern musste! Als Crocodiles das Gesicht von Monkey D. Luffy in den Sinn kam, musste er allerdings auch an den fürchterlichen Streit zurückdenken, den er vor kurzem erst mit seiner Schwester geführt hatte. Diese hatte ihm vorgeworfen, er würde sich zu sehr in ihr Leben einmischen und dass es sich bei um die allerletzte Person handelte, die ein Recht dazu hatte, über andere Leute zu urteilen. Als Crocodile an die verletztenden Worte zurückdachte, die diese ihm an den Kopf geworfen hatte, bildete sich ein schmerzhafter Knoten in seiner Brust. Die Situation war völlig eskaliert! Und genützt hatte sein Einwand letzendlich rein gar nichts. Schlussendlich entschied Crocodile sich dafür, sich lieber nicht in die Lebensentscheidungen seiner jüngeren Schwester einzumischen. Immerhin war Hancock eine erwachsene Frau. Und außerdem hatte er keine Lust, erneut einen schlimmen Streit mit ihr zu provozieren. Also sagte er: "Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich sehr für dich! Ich werde auf jeden Fall zusehen, dass ich zu deiner Party erscheine!" "Wunderbar!", erwiderte Hancock; die Erleichterung war ihr eindeutig anzuhören. "Übrigens werde ich am Tag der Schwangerschaftsparty das Geschlecht des Babys erfahren. Du kannst dir nicht vorstellen, wie aufgeregt ich bin! Ich kann es kaum glauben, dass ich in ein paar Monaten Mutter sein werde. Und du natürlich Onkel. Mihawk ist schon ganz aus dem Häuschen." "Mihawk?", hakte Crocodile verwundert nach. "Das kann ich mir bei ihm gar nicht vorstellen." Tatsächlich handelte es sich bei seinem älteren Bruder um eine sehr stille und zurückhaltende Person. Crocodile hatte ihn noch niemals ernsthaft gereizt oder nervös erlebt. Er konnte Hancock am anderen Ende der Leitung leise kichern hören. "Er würde es niemals zugeben, aber man merkt ihm sehr deutlich an, dass er sich darauf freut, einen Neffen oder eine Nichte zu bekommen. Aber ich will es ihm nicht verübeln. Ich selbst freue mich ja auch unendlich über das Kind", meinte sie. "Und um ehrlich zu sein, Crocodile, bin ich unfassbar erleichtert darüber, dass auch du diese Nachricht so gut aufnimmst. Damit habe ich nicht gerechnet." "Ich freue mich sehr für dich", garantierte Crocodile ihr. "Schließlich bist du doch meine Schwester. Ich werde dich unterstützen, wo auch immer ich kann." "Vielen Dank", sagte Hancock, die ehrlich gerührt wirkte angesichts dieser Worte. "Es ist schön zu wissen, dass man sich auf seine Familie verlassen kann. Ich freue mich schon darauf, dich bei der Party endlich wiederzusehen! Wegen weiterer Details rufe ich dich später noch einmal an, ja?" "Ähm, ja, klar", erwiderte Crocodile. "Tschüss, Hancock!" "Tschüss!" Crocodile beendete den Anruf und legte sein Handy auf den Couchtisch ab. Seine Finger zitterten und er wischte sich nervös über den Mund. Allmählich drang die volle Bedeutung dessen, was Hancock ihm eben mitgeteilt hatte, zu ihm durch. Seine Schwester war schwanger, sie erwartete ein Kind. Und das bedeutete, dass er Onkel werden würde! Crocodile wusste nicht, wie er sich fühlen sollte angesichts dieser unerwarteten Tatsache. "Croco?", hörte er seinen Partner in einem besorgten Tonfall fragen. Doflamingo rückte nah an ihn heran und legte einen Arm um seine Schulter. "Ist alles in Ordnung? Worum ging es bei dem Anruf? Du wirkst ganz durcheinander. Ich habe bloß irgendetwas von einer Party mitbekommen." "Hancock gibt am Samstag in drei Wochen eine kleine Party", erklärte Crocodile seinem Verlobten mit belegter Stimme. "Wir beide sind eingeladen. Und, naja, der Anlass für die Feier ist, ähm..." Er stockte kurz und versuchte sich zu sammeln, ehe er fortfuhr: "... ist ihre Schwangerschaft!" Sofort konnte er Doflamingo begeistert jubeln hören. Er drückte ihn fest an sich und meinte mit freudestrahlender Stimme: "Oh Mann, das ist ja wunderbar! Du wirst Onkel, Wani! Weiß man schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?" Crocodile schüttelte den Kopf. "Sie erfährt das Geschlecht des Babys am Tag der Schwangerschaftsparty", meinte er. Um ehrlich zu sein, konnte er die Begeisterung seines Verlobten nicht ganz nachvollziehen. Hatte dieser denn so schnell wieder vergessen, dass es sich beim Kindsvater um einen siebzehnjährigen Schüler handelte? "Du scheinst dich aber nicht sonderlich doll zu freuen", merkte Doflamingo nachdenklich an, als er seine fehlende Begeisterung bemerkte. "Gefällt dir der Gedanke nicht, eine Nichte oder einen Neffen zu bekommen?" "Doch, schon", lenkte Crocodile ein. "Aber ich mache mir auch Sorgen. Hancocks Freund ist gerade einmal siebzehn Jahre alt. Ich weiß nicht, ob er dazu in der Lage ist, sich um sie und das Kind zu kümmern. Außerdem ist Hancock selbstständig. Sie kann nicht so einfach aus ihrem Job aussteigen und eine Pause für das Baby einlegen. Ich habe einfach Angst davor, dass sie ein Kind finanziell nicht gestemmt bekommt." Doflamingo winkte ab. "Mach dir darum mal keine Gedanken", meinte er mit unbekümmerter Stimme. "Sollte Hancock mit ihrem Baby in finanzielle Not geraten, kann ich ihr auf jeden Fall problemlos aushelfen. Immerhin habe ich mehr als genug Geld, um mich um hunderte Kinder zu kümmern. Also mach dir bitte keine Sorgen, Wani! Und steigere dich da nicht hinein; das würde dir nicht guttun." "Aber ich kann doch nicht von dir verlangen, dass du für das Kind meiner Schwester aufkommst!", warf Crocodile mit energischer Stimme ein. "Es ist nicht deine Aufgabe, ihre Familie zu finanzieren. Sie hätte sich vorher selbst Gedanken darum machen sollen, ob ihre Lebenssituation ein Kind zulässt!" Diese Meinung vertrat Crocodile tatsächlich. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, seinen Partner mit in dieses Problem hineinzuziehen. Natürlich würde er seine Schwester unterstützen, wo auch immer er konnte, doch er durfte nicht vergessen, dass es sich bei dieser um eine erwachsene Frau handelte. Hancock konnte sich nicht darauf verlassen, dass der reiche Freund ihres Bruders ihr aus der Patsche half. Es würde sich um eine absolute Zumutung für Doflamingo handeln! "Du verlangst doch überhaupt gar nichts von mir", meinte ebenjener mit ruhiger Stimme, "sondern ich biete es an. Für mich ist es eine absolute Selbstverständlichkeit, meinen Freunden zu helfen, wenn sie in Not geraten. Und wer weiß auch, ob das Baby überhaupt geplant war? Schließlich gibt es kein Verhütungsmittel mit einhundertprozentiger Wirksamkeit." "Aber Hancock ist doch gar keine enge Freundin von dir", erwiderte Crocodile, "du hast sie doch erst zweimal gesehen." "Sie ist die Schwester meines Verlobten", meinte Doflamingo mit ernster Stimme, "und aus diesem Grund gehört sie zu meinem Freundeskreis. Wenn nicht sogar zu meiner Familie. Hancock ist ja sozusagen meine Schwägerin, nicht wahr?" Crocodile musste unweigerlich schlucken, als sein Partner diese Aussage tätigte. Sie waren gerade einmal seit drei Tagen verlobt und schon bezeichnete diese seine Schwester als Schwägerin? Crocodile fand, das alles ziemlich schnell ging. Zwar hatte Doflamingo ihm bereits während des Heiratsantrags erklärt, dass er ihn als Teil seiner Familie ansah, doch um ehrlich zu sein, hatte Crocodile dessen Worte bisher nicht für bare Münze genommen. Nun, anscheinend hatte er sich geirrt, denn sein Verlobter schien diese Äußerung offensichtlich absolut ernst zu meinen. "Deine Schwägerin ist sie eigentlich erst dann, wenn wir beide verheiratet sind", meinte Crocodile, der die Situation entschärfen wollte. Ihm gefiel es nicht, welche Ausmaße diese Verlobung schon wenige Tage nach dem Heiratsantrag annahm. Lieber wollte er die Sache ganz locker und unverbindlich angehen. Auch wenn Doflamingo wie üblich seine Sonnenbrille trug, merkte Crocodile, dass er mit den Augen rollte. "Rein juristisch gesehen hast du natürlich Recht", lenkte er mit unwilliger Stimme ein. "Aber es wird ja sowieso nicht mehr lange dauern, bis wir beide endlich verheiratet sind, nicht wahr? Dann kann ich sie ja eigentlich auch schon jetzt als meine Schwägerin bezeichnen." Crocodile fuhr sich nervös mit der rechten Hand durch sein Haar. "Nicht mehr lange dauern?", hakte er nach und bemühte sich darum, alle Anzeichen von Verunsicherung aus seiner Stimme zu verbannen. "Wann ungefähr hast du denn vor zu heiraten?" Doflamingo zuckte mit den Schultern. "Am besten natürlich so bald wie möglich", antwortete er. "Ich dachte an vielleicht zwei oder drei Monate." Diese Aussage verschlug Crocodile die Sprache. Zwei oder drei Monate?! Diese Frist war viel zu kurz, um seine vielen Schulden zu tilgen. Er war sich nicht einmal sicher, ob es ihm in dieser Zeit auch nur gelingen würde, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Er musste sich auf jeden Fall darum bemühen, das Datum ihrer Hochzeit weiter nach hinten zu verschieben. Dabei handelte es sich um seine einzige Chance, die Beziehung zu seinem Partner zu retten. "Zwei oder drei Monate?", wiederholte Crocodile, als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte. "Hältst du diesen kurzen Zeitraum wirklich für angemessen? Eine Hochzeit bedeutet immer eine Menge Aufwand. Es, ähm, gibt so viele Dinge, die wir vorbereiten müssen... Ich denke nicht, dass wir das in bloß zwei oder drei Monaten schaffen." "Ach, es muss ja keine furchtbar pompöse Hochzeit werden", warf Doflamingo mit zuversichtlich klingender Stimme ein. "Ich will unsere Trauung nicht zur Schau stellen: keine prominenten Gäste. Keine Paparazzi. Kein Artikel, der später in irgendeiner Frauenzeitschrift erscheint und sich über die Dekoration auslässt. Mir reicht eine kleine Feier mit Menschen, die uns etwas bedeuten. Es soll kein geschauspielerter, sondern ein ehrlicher und emotionaler Moment sein." "Das sehe ich auch so", erwiderte Crocodile, "aber nichtsdestotrotz werden wir eine gewisse Vorbereitungszeit benötigen. Ich meine... wir müssen eine Gästeliste erstellen, Einladungskarten schreiben, eine passende Location finden, uns bei der Wahl des Essens einig werden, Dekoration aussuchen und uns um viele weitere Dinge kümmern. Und wenn ich ehrlich bin, dann möchte ich mich dabei nicht hetzen. Nicht nur unsere Hochzeit selbst, sondern auch die Vorbereitungen möchte ich als etwas Schönes erleben und in Erinnerung behalten, verstehst du?" Sein Verlobter nickte bedächtig. "Natürlich verstehe ich das", meinte dieser. "Aber wir könnten doch einfach einen Wedding Planer engagieren, oder nicht? Wir brauchen bloß zu sagen, wie wir unsere Hochzeit haben möchten, und der Wedding Planer arrangiert alles entsprechend unserer Wünsche. Auf diese Weise würden wir eine Menge Zeit sparen." Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Bei dem Vorschlag, einen Wedding Planer einzustellen, der ihnen den Großteil der Arbeit abnahm, handelte es sich definitiv um keine schlechte Idee. Würden sie unter normalen Umständen heiraten, hätte Crocodile sofort zugestimmt. Doch jetzt ging es nicht darum, die Planung ihrer Hochzeit stressfrei zu gestalten, sondern darum, ebendiese möglichst lange aufzuschieben. "Ich möchte nicht, dass ein völlig fremder Mensch unsere Hochzeit ausrichtet!", meinte er darum und schob seine Unterlippe ein klein Stück nach vorn. "Das ist doch total unpersönlich. Ich finde, wir sollten uns selber darum kümmern: Selber die Blumen und die Dekoration aussuchen, selber die Einladungskarten gestalten... Man heiratet nur einmal im Leben. Es ist ein besonderer, absolut einzigartiger Moment. Und dem möchte ich gerecht werden. Unsere Hochzeit soll perfekt sein!" "Schon gut, schon gut", erwiderte Doflamingo und hob in einer beschwichtigenden Geste beide Hände. "Du hast ja Recht: Bei unserer Hochzeit handelt es sich um einen sehr bedeutungsvollen Moment. Ich kann gut verstehen, dass du gerade in dieser Hinsicht sehr perfektionistisch bist." "Perfektionistisch?" Crocodile verschränkte die Arme vor der Brust und warf seinem Partner einen skeptischen Blick zu. Anstatt zu einer Erwiderung anzusetzen, brach Doflamingo jedoch bloß in schallendes Gelächter aus. Als er sich wieder beruhigt hatte, meinte er: "Du hast mich überzeugt, zwei bis drei Monate sind zu kurz, um eine Hochzeit vorzubereiten. Welchen Zeitraum hältst du denn für angemessen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. "Das werden wir sehen", antwortete er, weil er sich noch nicht festlegen wollte. "Lass uns erst einmal eine Gästeliste ausarbeiten und eine passende Location finden. Erst danach sollten wir uns Gedanken über ein Datum machen." Doflamingo gab einen unwilligen Brummlaut, doch fügte sich in schlussendlich in sein Schicksal. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er mit teils ernst, teils neckisch gemeinter Stimme sagte: "Ich tue alles, was nötig ist, um dich glücklich zu machen, Crocobaby." Crocodile verzog den Mund, sagte jedoch nichts. * Es war ihr letzter Urlaubstag und Crocodile hielt sich allein im Wohnzimmer auf, als sein Handy klingelte. Mit genervtem Gesichtsausdruck holte er es aus seiner Hosentasche hervor, weil er davon ausging, dass es sich sowieso bloß wieder um seine jüngere Schwester handelte, die irgendeine neue Information wegen ihrer Schwangerschaft an ihn weitergeben wollte. Hancock machte in dieser Hinsicht einen sehr aufgeregten Eindruck; außerdem schien sie ihr Glück mit jedem Menschen, den sie kannte, teilen zu wollen und zwar ganz gleich, ob dieser auch Interesse daran hatte oder nicht. Erst gestern hatte sie ihn erneut angerufen, nur um ihm mitzuteilen, dass sie zur Schwangerschaftsparty ein Ultraschall-Bild des Babys mitbringen würde, das er sich dann ansehen könnte. Crocodile freute sich für seine Schwester und er gönnte es ihr, dass sie ihre Schwangerschaft so sehr genoss, doch manchmal war er auch der Meinung, dass sie in ihrer Begeisterung ein wenig übertrieb. Erst als Crocodile sich daran erinnerte, dass im Augenblick Doflamingo mit Hancock telefonierte (sein Partner interessierte sich rege für ihre Schwangerschaft), und er eine fremde Telefonnummer auf dem Display seines Handys sah, wurde ihm klar, um wen es sich handeln musste. Er zwang sich selbst zur Ruhe und atmete zweimal tief ein und aus, ehe er abnahm. "Sir Crocodile, guten Tag", meldete er sich mit professionell klingender Stimme. "Guten Tag, hier spricht Cutty Kiwi. Ich rufe im Namen von Cutty Franky an. Ihren Bewerbungsunterlagen ist zu entnehmen, dass Sie daran interessiert sind, uns bei der Organisation der im Herbst stattfindenden Messe Tom's Workers zu unterstützen. Ist das richtig?" "Ja", antwortete Crocodile, der sich ernsthaft zusammenreißen musste, um nicht sofort lauthals in Jubel auszubrechen. "Ja, das ist richtig." "Sehr schön", hörte er Cutty Kiwi am anderen Ende der Leitung sagen. Crocodile nahm an, dass es sich bei ihr um die Sekretärin von Cutty Franky handelte. Vielleicht waren sie auch verwandt; der gleiche Nachname ließ darauf schließen. Sie klang sehr freundlich. "Gerne möchten wir Sie zu einem Bewerbungsgespräch einladen. Passt Ihnen Mittwoch um fünfzehn Uhr?" "Ja, der Termin passt mir", meinte Crocodile. "Wo findet das Gespräch statt?" "In unserem Bürogebäude, Waterstreet 7, Raum 44", antwortete Kiwi. "Haben Sie noch weitere Fragen?" "Für's Erste nicht", meinte Crocodile. "Wir freuen uns darauf, Sie kennenzulernen. Auf Wiederhören!" "Auf Wiederhören!", verabschiedete sich Crocodile. Er beendete den Anruf und wartete zur Sicherheit drei Sekunden ab, ehe er in Jubel ausbrach. Crocodile konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte tatsächlich eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten! Nach den vielen Rückschlägen, die er hatte erdulden müssen, schien es endlich wieder bergauf zu gehen. Sofort spürte Crocodile, wie Hoffnung in seinem Herzen zu keimen begann. Vielleicht gelang es ihm mithilfe dieser neuen Stelle, seine Schulden rasch zu tilgen. Und er könnte Doflamingo doch heiraten! Angesichts dieser wundervollen Aussicht wurde Crocodile so schwindelig, dass er sich hinsetzen musste. Plötzlich sah er den Heiratsantrag, den sein Partner ihm gemacht hatte, in einem ganz anderen Licht. Crocodile warf einen verträumten Blick auf den Ring, den er am Ringfinger der rechten Hand trug. (Verlobungsringe wurden normalerweise an der linken Hand getragen, doch da diese ihm fehlte, blieb ihm wohl oder übel nichts anderes übrig, als ihn rechts zu tragen. Crocodile selbst störte dieser Umstand nicht.) Sein Partner wollte ihre Beziehung auf die nächste Stufe stellen. Sich an ihn binden. Ganz offiziell. Mit seinem Heiratsantrag hatte Doflamingo im Prinzip deutlich gemacht, dass er ihn (nur ihn!) liebte. Dass er weder mit Hancock noch irgendeiner anderen Person, sondern mit ihm alt werden wollte. Donquixote Doflamingo, der unwahrscheinlich reiche Geschäftsmann, hatte sich von allen Menschen, die er kannte, ausgerechnet für ihn entschieden. Zum ersten Mal sah Crocodile ihre Verlobung als ein Kompliment an. Und als einen Beweis der Treue. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo es in letzter Zeit nicht gerade leicht mit ihm gehabt hatte. Seine schlechte Laune und die vielen Überstunden, die er in den letzten acht Wochen gemacht hatte, waren eine schwere Belastung für ihre Beziehung gewesen. Von seinem heftigen Gewichtsverlust und seinem Nervenzusammenbruch ganz zu schweigen. Doch anstatt sich von ihm zu trennen, verlobte sich sein Partner mit ihm. Der Ring, den er am Finger trug, war ein Beweis dafür, dass Doflamingo immer zu ihm stehen und ihn unterstützen würde, ganz gleich, was auch geschah. Kaum hatte Crocodile diesen untypisch romantischen Gedanken zu Ende geführt, löste sich sein Übermut wieder in Luft auf. Er konnte nämlich hören, dass sich hinter ihm jemand laut räusperte. Sofort wich jede Farbe aus Crocodiles Gesicht; völlig entsetzt wandte er sich um und konnte seinen Verlobten im Türrahmen stehen sehen. Das Telefongespräch mit Hancock schien er inzwischen beendet zu haben, denn der Bildschirm des Handys, das er festhielt, war schwarz. "Wie lange stehst du schon da?", fragte Crocodile sofort mit aufgewühlter Stimme. Er konnte bloß hoffen, dass Doflamingo von seinem Gespräch mit Cutty Kiwi nichts mitbekommen hatte. Zwar ging Crocodile davon aus, dass es ihm gelingen würde, sich irgendeine mehr oder weniger glaubwürdige Ausrede einfallen zu lassen, doch trotzdem könnte er ein äußerst unangenehmes Gespräch vermutlich nicht vermeiden. Das breite Grinsen, das sein Partner angesichts dieser Frage zeigte, verunsicherte Crocodile. "Ach, seit etwa fünf Minuten", erwiderte dieser und betrat das Wohnzimmer. Er setzte sich neben seinen Verlobten auf die Couch. "Und warum hast du nichts gesagt?", hakte Crocodile nach. Sein Herz schlug so furchtbar schnell, dass er sich sicher war, Doflamingo müsste es hören. Er wollte endlich wissen, woran er war. Hatte Doflamingo nun etwas von seinem Gespräch mitbekommen oder nicht? "Weil ich dich nicht stören wollte", meinte Doflamingo, "während du so eingehend deinen Verlobungsring begutachtest. Deinem zärtlichen Blick nach zu urteilen gefällt er dir gut. Ich nehme also an, dass ich bei der Wahl des Rings deinen Geschmack getroffen habe?" Sofort fiel Crocodile ein Stern vom Herzen; Doflamingo hatte nicht mitbekommen, dass er einen Termin für ein Bewerbungsgespräch ausgemacht hatte. Dafür allerdings, wie er minutenlang ganz verträumt seinen Verlobungsring angestarrt hatte. Crocodile war sich nicht sicher, was besser war. Röte breitete sich in seinem Gesicht ab, doch er bemühte sich darum, sich seine Scham nicht anmerken zu lassen. Er wandte den Blick ab und zuckte betont gleichgültig die Schultern. "Der Ring gefällt mir", sagte er ohne eine Miene zu verziehen. Doflamingo brach in schallendes Gelächter aus. "Es muss dir nicht peinlich sein", meinte dieser, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. "Ich finde es schön, dass dir der Ring gefällt." "Nach neun Monaten Beziehung solltest du meinen Geschmack kennen", warf Crocodile ein. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Allmählich erholte er sich wieder von dem Schrecken, den sein Partner ihm eingejagt hatte. "Stimmt", meinte Doflamingo. "Allerdings habe ich den Ring nicht erst vor kurzem gekauft. Darum bin ich sehr erleichtert darüber, dass er dir so gut gefällt." Crocodile wurde hellhörig. "Nicht erst vor kurzem gekauft?", hakte er verwundert nach. "Wann denn dann?" Sofort spürte Crocodile, dass er seinen Verlobten mit dieser Frage wohl in eine unangenehme Situation gebracht hatte. Doflamingo wich seinem Blick und scharrte nervös mit den Füßen, ehe er zugab: "Vor etwa einem halben Jahr." Diese Antwort nahm Crocodile den Wind aus den Segeln. Völlig verdattert starrte er seinen Partner an. Nur langsam drang die Bedeutung der Aussage, die dieser eben getätigt hatte, zu ihm durch. "Du hast diesen Ring gekauft, als wir beide gerade einmal drei Monate lang ein Paar gewesen sind?" Doflamingo nickte. "Mir war von Anfang an klar, dass ich dich heiraten möchte", erklärte dieser schließlich. "Es war keine Lüge, als ich dir beim Antrag erzählt habe, dass ich mich sofort in dich verliebt habe. Schon als sich unsere Blicke zum ersten Mal kreuzten, damals bei diesem Geschäftsessen, wusste ich, dass du der Mann bist, dem ich ewige Liebe und Treue schwören werde. Und, naja, du kennst mich, Wani: Ich bin ein sehr spontaner Mensch, der manchmal auch gewisse Dinge überstürzt." Er gluckste leise. "Aber wieso hast du ein halbes Jahr gewartet, ehe du mir schlussendlich den Heiratsantrag gemacht hast?", fragte Crocodile. "Eigentlich habe ich vorgehabt, dich gleich nach dem Kauf des Rings darum zu bitten, mich zu heiraten", gab Doflamingo zu, "doch Law hat mir davon abgeraten. Bitte versteh seinen Ratschlag nicht falsch! Er mag dich sehr gerne. Um ehrlich zu sein, hält er dich für den einzig vernünftigen Menschen in meinem engeren Bekanntenkreis (abgesehen von ihm selbst natürlich). Aber er war der Meinung, dass ich dich verschrecken könnte, wenn ich dir so früh schon einen Heiratsantrag mache. Ich kenne mich nicht sonderlich gut aus, was solche Dinge angeht... Wie gesagt, bei dir handelt es sich um meine erste feste Beziehung. Ich hätte dir am liebsten gleich an unserem dritten Monatstag den Ring geschenkt, aber Law meinte, man sollte mindestens ein Jahr lang in einer Beziehung sein, ehe man um die Hand seines Partners anhält. Nun ja, so lange habe ich es dann doch nicht ausgehalten. Aber das weißt du ja selbst. Ich bin bloß froh, dass du meinen Heiratsantrag angenommen hast." Crocodile konnte gar nicht anders, als Trafalger Law stumm dafür zu danken, dass er seinem Partner geraten hatte, ihm nicht schon nach drei Monaten einen Antrag zu machen. Selbstverständlich war er auch damals bereits in Doflamingo verliebt gewesen, doch ihre Beziehung war noch so jung und zerbrechlich, dass Crocodile sich nicht sicher war, ob eine Heirat diese nicht eher geschädigt hätte als ihr zugute gekommen wäre. Schlimmstenfalls hätte er solche Panik bekommen, dass er tatsächlich Schluss gemacht hätte. Auf der anderen Seite allerdings, dachte Crocodile niedergeschlagen, waren die Bedingungen nun, ein halbes Jahr später, nicht viel besser. Vor sechs Monaten hatte er wenigstens noch seinen Job gehabt. Unweigerlich wünschte er sich, Doflamingo hätte sich an Laws Ratschlag gehalten und ihm erst nach frühestens einem Jahr darum gebeten, ihn zu heiraten. Nun ja, dachte Crocodile und dieser Gedanke munterte ihn auf, vielleicht besserte sich seine Lebenssituation demnächst ja schon wieder auf. Er sah dem Vorstellungsgespräch, das ihn am Mittwoch erwartete, sehr zuversichtlich entgegen. Da man sich sehr rasch bei ihm gemeldet und Robin außerdem ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte, ging er davon aus, dass seine Chancen gut standen. * Crocodiles Laune war nicht ganz so schlecht, wie er es befürchtet hatte, als er sich gemeinsam mit seinem Partner auf den Rückweg machte. Er gab offen zu, dass der Urlaub ihm gutgetan hatte. Zwei Wochen lang ganz entspannt Zeit mit seinem Partner zu verbringen und Spaziergänge am Strand zu unternehmen, hatten eine eindeutig positive Wirkung auf ihn gehabt. Er fühlte sich nicht mehr so schrecklich gestresst und überfordert wie vor kurzem noch. Und auch sein Körpergewicht hatte von der Auszeit und dem guten Essen profitiert: Inzwischen wog er 71 Kilogramm. Jetzt musste er bloß noch weitere sieben Kilogramm zunehmen, um sein angestrebtes Mindestgewicht zu erreichen. Crocodile war zuversichtlich, dass ihm dies rasch gelingen würde. Vor allem aber war es natürlich seine Aussicht auf ein Vorstellungsgespräch, die seine Laune ungemein anhob. "Ich freue mich schon auf Hancocks Schwangerschaftsparty", meinte Doflamingo, noch während sie beide sich im Porsche 911 Carrera S befanden, der am Flughafen River's Mountain auf sie gewartet hatte und sie zurück nach Hause brachte. "Ach, sonderlich spannend wird es bestimmt nicht", warf Crocodile lasch ein. "Es ist bloß ein Anlass, um ihre Schwangerschaft offiziell bekanntzugeben." Um ehrlich zu sein, konnte er das leidenschaftliche Interesse seines Verlobten für Hancocks Schwangerschaft nicht ganz nachvollziehen. Er selbst freute sich ebenfalls über dieses Ereignis (auch wenn er sich noch immer Sorgen wegen der finanziellen Situation seiner Schwester machte), doch so aufgeregt wie Doflamingo war, könnte man beinahe meinen, er wäre derjenige, der ein Kind bekäme; dabei handelte es sich doch bloß um das Baby der Schwester seines Partners. "Trotzdem!", erwiderte Doflamingo mit eindringlicher Stimme. "Ihre Schwangerschaft ist eine sehr spannende Sache. Ich habe sonst niemanden in meinem Freundeskreis, der bereits ein Kind bekommen hat. Wie kommt es bloß, dass du dich überhaupt nicht für deinen Neffen oder deine Nichte zu interessieren scheinst?" Crocodile seufzte leise und schloss für einen Moment seine Augen, ehe er erwiderte: "Ich habe weder einen Neffen noch eine Nichte. Bisher ist Hancocks Kind doch noch ein kleiner Embryo. Sie ist erst in der zehnten Schwangerschaftswoche." "In der elften", korrigierte ihn sein Verlobter just. "Dann eben in der elften Schwangerschaftswoche", meinte Crocodile augenrollend. "Jedenfalls wollte ich sagen, dass es sich doch überhaupt noch nicht um einen echten Menschen handelt. Ich kann mir gar nicht so richtig vorstellen, dass ein Kind in ihr heranwächst. Es ist eine ziemlich seltsame Vorstellung, findest du nicht? Vermutlich wird man bei der Party einen Schwangerschaftsbauch kaum auch nur erahnen können." "Natürlich handelt es sich bei dem Baby bereits um einen echten Menschen!", warf Doflamingo mit energischerer Stimme als erwartet ein. "Worum soll es sich denn sonst handeln?" "Naja, eben um einen Embryo", entgegnete Crocodile mit gelassener Stimme. "Soweit ich weiß, dürfte er kaum größer als vier Zentimeter sein. Halte dir doch nur einmal vor Augen, wie klein vier Zentimeter sind, Doflamingo!" "Noch", lenkte ebenjener ein. "Aber er wird wachsen und in wenigen Monaten als vollständig entwickeltes Baby auf die Welt kommen. Und aus diesem Grund sollte er auch genau dieselben Rechte haben wie ein Mensch, der bereits geboren wurde!" Crocodile rollte mit den Augen. "Himmel, jetzt sag mir bloß nicht, du bist gegen Abtreibung", meinte er. Wenn Crocodile ehrlich war, dann hätte er gar nicht damit gerechnet, dass Doflamingo eine solch altertümliche und traditionelle Ansicht vertrat. Er hatte seinen Partner als eine sehr aufgeschlossene und moderne Person kennengelernt. "Sag du mir nicht, dass du für die Ermordung unschuldiger Kinder bist!", erwiderte Doflamingo mit entsetzt klingender Stimme. Crocodile zuckte mit den Schultern. "Eigentlich können wir uns diese Diskussion doch sparen, oder?", sagte er schließlich. "Da ich nämlich ein Mann bin und dazu auch noch homosexuell, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ich jemals in eine Situation gerate, in der meine Meinung zu diesem Thema von Bedeutung ist, praktisch bei null." Wenn er ehrlich war, dann hatte er sich aus exakt diesem Grund niemals sonderlich viele Gedanken zu dem Thema Abtreibung gemacht. Auch mit seinen Geschwistern hatte Crocodile nie zuvor darüber gesprochen. Hancock und Mihawk waren zwar beide heterosexuell, doch hatten (bis vor wenigen Wochen) nicht den Eindruck erweckt, dass sie jemals Kinder haben wollten. Stattdessen konzentrierten sich beide auf ihre Arbeit; immerhin waren sowohl Mihawk als auch Hancock selbstständig. Darum war ja auch die Nachricht über die Schwangerschaft seiner Schwester sehr überraschend für ihn gewesen. Insgeheim ging Crocodile davon aus, dass das Kind nicht geplant gewesen war. "Aber du kannst dich doch nicht einfach raushalten und überhaupt keine Meinung vertreten!", warf Doflamingo ihm vor. "Und warum nicht?", hielt Crocodile dagegen. "Ich habe mehr als genug andere Probleme in meinem Leben, mit denen ich mich auseinandersetzen muss. Wieso sollte ich mich dann auch noch mit Dingen beschäftigen, die mich nie betreffen werden?" "Aber tausende unschuldige Kinder sind jedes Jahr betroffen!", wandte sein Partner ein. "Ihnen wird das Grundrecht verwehrt, zu leben!" "Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, haben sicherlich gute Gründe für diesen Entschluss", meinte Crocodile. "Vielleicht wären sie nicht dazu in der Lage, das Kind zu lieben, weil es zum Beispiel aus einer Vergewaltigung entstanden ist. Oder sie könnten ihm nichts bieten, weil sie finanziell nicht abgesichert sind. Ich denke, niemand treibt ein Kind ohne einen guten Grund ab. Am Ende ist es womöglich doch die beste Entscheidung für beide Parteien." "Die beste Entscheidung für beide Parteien?" Doflamingo wirkte völlig fassungslos. "Du redest Unsinn, Wani! Abtreibung ist niemals die richtige Lösung! Man sollte seinem Kind die Chance geben zu leben!" Allmählich verlor Crocodile die Geduld. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust auf diese Diskussion; in seinen Augen war sie absolut unnötig. Und noch dazu ärgerte ihn die eingeschränkte Sichtweise seines Partners. "Nicht jeder ist mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden, Doflamingo", meinte er darum mit energischer Stimme. "Du weißt nicht wie es ist, finanzielle Probleme zu haben und kaum für sich selbst sorgen zu können. Du hast vermutlich gleich, nachdem du abgestillt worden bist, zum ersten Mal Kaviar probiert, hm? Aber ein solches Glück haben nicht alle Menschen in ihrem Leben! Während meines Studiums zum Beispiel habe ich manchmal so wenig Geld zur Verfügung gehabt, dass ich tagelang bloß Corneflakes gegessen und Leitungswasser getrunken habe. Stell dir einmal vor, ich wäre eine Frau und zu dieser Zeit schwanger geworden: Entweder hätte ich wegen dem Kind mein Studium abbrechen müssen oder ich hätte ihm nichts bieten können, nicht einmal eine warme Mahlzeit jeden Tag. Beides sind absolut beschissene Optionen. Und in einer solchen Situation ist Abtreibung vielleicht doch die beste Lösung!" Doflamingo schien mit einer solch heftigen Standpauke nicht gerechnet zu haben. Er fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar und wich dem Blick seines Partners aus. Schließlich erwiderte er mit ein wenig ruhigerer Stimme: "Selbst in einer solchen Situation könnte man das Kind zur Welt bringen und es anschließend zur Adoption freigeben. Auf diese Weise kann man sein eigenes Leben unbeschwert fortführen und auch das Kind bekommt die Chance auf eine schöne Zukunft. Meine Eltern haben oft über Adoption nachgedacht, ehe sie Corazon und mich per künstliche Befruchtung zeugten." "Sie haben darüber nachgedacht, aber sich schlussendlich doch dagegen entschieden", korrigierte Crocodile die positiv anmutende Aussage seines Verlobten. "Es gibt so viele Kinder auf dieser Welt, denen es schlecht geht und die Eltern bräuchten, die sich um sie kümmern. Doch stattdessen bekommt man lieber eigene, weil man... warum eigentlich? Vermutlich weil man unbedingt leibliche Kinder haben möchte?" Crocodile schwieg für einen Moment, ehe er hinzufügte: "Und stell dir nur einmal vor, du verwehrst einer Frau eine Abtreibung. Aufgrund der Schwangerschaft oder der Geburt verstirbt sie dann. Wäre ihr Tod dann nicht deine Schuld?" Doflamingo schwieg und senkte den Blick. Crocodile konnte sich nur mit viel Mühe ein Grinsen verkneifen. Anscheinend hatte er diese Diskussion für sich entscheiden können. Noch immer nahm Crocodile das Thema Abtreibung nicht sonderlich ernst (wie gesagt: Ihn würde es niemals betreffen), doch er freute sich darüber, seinen furchtbar rechthaberischen Partner endlich einmal zum Schweigen gebracht zu haben. Es handelte sich bloß um einen kleinen Sieg, doch einen Sieg immerhin. Sein Übermut löste sich jedoch rasch wieder in Luft auf, als sein Verlobter plötzlich meinte: "Du hast doch erzählt, dass Hancock durch das Kind in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte, nicht wahr? Immerhin ist der Vater des Kindes noch ein Schüler und sie selber ist selbstständig. Meinst du, sie zieht vielleicht in Erwägung, das Kind abzutreiben?" Crocodile warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu. Diese Möglichkeit war ihm bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen. Er dachte kurz darüber nach, ehe er in einem relativ gefasst klingenden Tonfall meinte: "Das denke ich nicht. Hancock scheint sich sehr über ihre Schwangerschaft zu freuen. Nicht umsonst gibt sie nur aus diesem Anlass eine Party. Hätte sie die Absicht, das Kind nicht zu bekommen, würde sie ihre Schwangerschaft nicht offiziell machen, denke ich. Bitte mach dir darum keine Sorgen, Doffy." Dieses Argument schien seinen Verlobten zu überzeugen. Er lächelte zaghaft, ehe er meinte: "Vermutlich hast du Recht. Jedes Mal, wenn ich mit ihr telefoniere, klingt sie sehr glücklich. Sie kann es kaum erwarten, am Tag der Schwangerschaftsparty endlich das Geschlecht ihres Kindes zu erfahren." "Trotzdem mache ich mir Sorgen um sie", gab Crocodile mit leiser Stimme zu. "Sie besitzt ein Nagelstudio, das ziemlich gut läuft. Wenn sie allerdings wegen der Schwangerschaft aussetzen muss, wird ihr vielleicht nichts Anderes übrig bleiben, als das Nagelstudio zu schließen. Und der Kindsvater geht noch zur Schule. Woher soll sie dann das Geld nehmen, um sich selbst und das Baby über die Runden zu bringen? Ich kenne mich mit den sozialen Dienstleistungen seitens das Staats nichts aus; ich weiß nicht, wie viel Geld ihr zustehen würde und ob sie damit auskäme." "Aber darüber haben wir doch letztens erst gesprochen", wandte Doflamingo ein. "Notfalls kann ich Hancock und ihr Kind versorgen. Für mich sind das doch nur Peanuts!" "Wer weiß denn überhaupt, ob sie dein Geld annehmen wird?", erwiderte Crocodile. "Meine Schwester ist manchmal nicht weniger stolz als ich es bin. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich weigern wird, Almosen anzunehmen. Lieber wird sie versuchen, sich und ihre Familie mit Müh und Not selbst durchzubringen!" "Wir könnten sie heimlich unterstützen!", schlug Doflamingo in einem zuversichtlich klingenden Tonfall vor. Crocodile zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. "Heimlich unterstützen?", hakte er nach. "Wie stellst du dir denn das vor?" "Zum Beispiel durch Geschenke", antwortete Doflamingo, der plötzlich ganz begeistert wirkte. "Es ist doch üblich, dass man ein Geschenk für das Baby oder für die Eltern mitbringt, wenn jemand eine Schwangerschaftsparty gibt, nicht wahr? Wir könnten Hancock doch einfach ein, naja, größeres Geschenk machen. Wie wäre es mit einem Kinderwagen oder einem Babybett? Dann könnte sie sich diese teure Anschaffung schon einmal sparen." Crocodile legte den Kopf schief. Auf der einen Seite klang der Vorschlag, den sein Partner eben gemacht hatte, gar nicht so dumm. Ein Geschenk würde seine Schwester ganz sicher nicht ausschlagen. Doch auf der anderen Seite würde eine teure Investition wiederum ihm selbst zu Lasten gehen. Zwar hatte er eine gute Chance auf eine neue Arbeitsstelle, doch eine Garantie gab es nicht. Für ihn waren 800 Berry für einen Kinderwagen zurzeit ungeheuer viel Geld. Trotzdem meinte Crocodile: "Da hast du vermutlich Recht. So könnten wir es machen." Diese Worte kamen ihm leichter als gedacht über die Lippen. Immerhin ging es hier um seine Schwester und natürlich auch um seinen zukünftigen Neffen oder seine Nichte. Crocodile wollte nicht geizig sein und auf diese Weise riskieren, dass es seiner Familie schlecht ging. Zu einem solch furchtbaren Menschen war er trotz der Notsituation, in der er sich befand, noch nicht geworden. Und außerdem dachte er, lief ja vielleicht das Vorstellungsgespräch am Mittwoch bei Tom's Workers gut, und es gäbe bald gar keinen Grund mehr, um sich über den Preis von Geschenken für seine Geschwister Gedanken zu machen. * Es war Dienstag. Morgen stand Crocodiles Vorstellungsgespräch bei Tom's Workers an und er konnte nicht verhehlen, dass er sehr nervös war. Immerhin ging es um eine verdammt große Sache. Diese Arbeitsstelle könnte für ihn den Ausweg aus seinen Schulden bedeuten. Die Vorstellung, irgendwann wieder komplett schuldenfrei zu sein, kam Crocodile inzwischen beinahe schon wie eine Art Wunschtraum vor. Er versprach sich selbst, niemals wieder etwas zu kaufen, was er nicht sofort bezahlen konnte. Im Augenblick hielt Crocodile sich im weitläufigen Garten der Villa auf. Er saß auf einem gemütlichen Gartenstuhl und hatte seinen Laptop auf seinem Schoß. Er checkte seine Emails und informierte sich außerdem noch einmal eingehend über Tom's Workers; beim morgigen Vorstellungsgespräch wollte er gut vorbereitet sein. Als er jedoch seinen Verlobten nach ihm rufen hörte, schloss er rasch alle verdächtigen Fenster und öffnete stattdessen ein paar Internetseiten, bei denen es um Hochzeitsdekoration und Ähnliches ging. Noch immer hielt Crocodile seine potenzielle neue Arbeitsstelle vor Doflamingo geheim. Womöglich würde er diesen über seinen Jobwechsel informieren, wenn er die Stelle in trockenen Tüchern hatte. Immerhin müsste er Doflamingo nichts von seiner Kündigung erzählen, sondern könnte diesem weismachen, er hätte freiwillig den Job gewechselt. Aufgrund der schlechten Bedingungen, unter denen er in letzter Zeit bei der Arbeit gelitten hatte, würde diese Ausrede vermutlich sogar relativ glaubhaft klingen. "Was gibt es, Doflamingo?", fragte Crocodile seinen Verlobten, als dieser neben ihm auftauchte. Eigentlich würde er sich lieber noch weitere Gedanken zu seinem morgigen Gespräch machen, doch er bemühte sich trotzdem darum, nicht allzu genervt von der Anwesenheit seines Partners zu wirken. "Ich dachte mir, dass wir heute das Geschenk für Hancocks Baby kaufen könnten", antwortete dieser mit unbekümmert klingender Stimme. "Immerhin ist die Party schon am Samstag." Crocodile unterdrückte ein Seufzen. "Wollen wir das nicht lieber Donnerstag oder Freitag machen?", fragte er. "Ich habe heute keine sonderlich große Lust darauf, einkaufen zu gehen." "Aber wieso denn nicht?", hakte Doflamingo verwundert nach und versuchte einen Blick auf den Bildschirm seines Laptops zu erhaschen. "Du erledigst doch nicht etwa in deinem Urlaub irgendetwas für die Bank, nicht wahr? Du kannst dich nicht erhohlen, wenn du dich auch in deiner Freizeit ständig mit deiner Arbeit beschäftigst!" "Ich erledige nichts für die Bank", warf Crocodile rasch ein. Und um Doflamingo zu überzeugen, fügte er hinzu: "Ich habe mir ein paar schöne Ideen für unsere Hochzeitsdekoration angeschaut." Diese Worte schienen seinen Verlobten milde zu stimmen; vielleicht war es ihm auch gelungen, einen Blick auf den Bildschirm des Laptops zu werfen, der derzeit ein paar Blumen zeigte. Doch Doflamingo wäre nicht Doflamingo gewesen, wenn er nun einfach locker gelassen oder einen Kompromiss vorgeschlagen hätte. "Ach komm schon, Wani", meinte er und griff nach seinem rechten Arm. "Das Wetter ist doch so schön! Morgen und übermorgen soll es allerdings regnen; dann macht das Einkaufen sicherlich nur halb so viel Spaß. Bitte, Baby!" Crocodile rollte mit den Augen, ehe er sich geschlagen gab. "Von mir aus", sagte er und klappte seinen Laptop zu. "Aber du musst mir versprechen, dass wir nicht trödeln! Wir gehen in den Laden, kaufen ein Geschenk und sind dann sofort wieder draußen, ja?" Und um es sich nicht mit seinem Verlobten zu verscherzen, der sich sehr auf diese Einkaufstour zu freuen schien, fügte er hinzu: "Ich möchte mir heute Abend gerne noch ein paar Entwürfe für Einladungskarten anschauen." "Allzu lange werden wir nicht brauchen", versicherte Doflamingo ihm grinsend. Er wirkte sehr zufrieden mit sich selbst; vermutlich, weil es ihm mal wieder gelungen war, seinen Willen durchzusetzen. "Versprochen!" Crocodile seufzte leise und erhob sich aus seinem Stuhl. Er war sich nicht sicher, ob er den Worten seines Partners über den Weg traute. Das Fachgeschäft für Babies und Kleinkinder, in das Doflamingo ihn führte, war kein Laden, in den Hancock oder ihr Freund sich jemals verirrt hätten. Crocodile wurde recht schnell klar, dass zur Zielgruppe eindeutig sehr wohlhabende Menschen gehörten. Als er im Vorbeigehen einen Blick auf das Preisschild eines Stramplers sah, wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht: 150 Berry für so wenig Stoff? Die Kleidung, die Crocodile selbst trug, war ebenfalls nicht günstig gewesen, dessen war er sich bewusst. Doch das Hemd, das er derzeit trug, besaß er zum Beispiel schon seit zwei Jahren; wohingegen ein kleines Baby schon nach wenigen Wochen aus einem Strampler wieder herauswuchs. "Sind die Sachen nicht unheimlich putzig?", fragte Doflamingo ihn und musterte mit begeisterter Miene die riesige Auswahl an Babyartikeln. "Schau dir nur mal diese Söckchen an! Hinreißend!" Crocodile rollte mit den Augen. Anstatt auf den Enthusiasmus seines Partners einzugehen, hielt er lieber nach einem Mitarbeiter Ausschau. Sie mussten nicht lange warten, ehe sie von einer rothaarigen Verkäuferin angesprochen wurden. "Guten Tag", begrüßte diese sie freundlich. "Mein Name ist Nami. Kann ich Ihnen helfen?" Doflamingo nickte sofort. "Sehr gerne", meinte er, ohne Crocodile auch nur die Möglichkeit zu geben, zu Wort zu kommen. "Wir suchen einen Kinderwagen." "Da sind Sie bei uns genau richtig", erwiderte die junge Verkäuferin. "Wir führen eine Vielzahl an Modellen. Wie alt ist Ihr Kind denn? Wenn es bereits eigenständig sitzen kann, bietet sich womöglich eher ein Buggy als ein Kinderwagen an." "Oh, es ist noch gar nicht auf der Welt", erklärte Doflamingo mit fröhlich klingender Stimme. "Wir suchen also einen Kinderwagen, der auch für ein Neugeborenes geeignet ist." Nami nickte. "Natürlich, bitte folgen Sie mir." Sie vollführte eine einladende Geste und wies ihnen den Weg zum entsprechenden Bereich des Geschäfts. Während die Verkäuferin vorging, wandte sich Crocodile an seinen Verlobten und flüsterte diesem in einem leicht verärgerten Tonfall zu: "Bleib bitte auf dem Teppich, Doflamingo, ja? Wir hatten uns doch noch gar nicht darauf geeinigt, dass wir Hancock einen Kinderwagen schenken wollten!" Diese Kritik meinte er ernst. Es war bereits schlimm genug, dass Doflamingo ihn ausgerechnet in ein Babyfachgeschäft gelotst hatte, welches anscheinend bloß unverschämt teure Artikel verkaufte; da musste sein Partner nun nicht auch noch übermütig werden. Um ehrlich zu sein, hätte Crocodile lieber günstiger eingekauft. Natürlich wollte er seine jüngere Schwester gerne unterstützen, doch er war auch der Meinung, dass sein zukünftiger Neffe oder seine Nichte keinen Strampler für 150 Berry brauchte. Den Preis für einen Kinderwagen, der in diesem Laden verkauft wurde, wollte er sich nicht einmal vorstellen. Woher nur sollte er das Geld für diese teuren Geschenke nehmen? "Ach, jetzt sei doch nicht so miesepetrig, Wani", flüsterte Doflamingo zurück. Noch immer machte er einen überaus fröhlichen Eindruck; die Kritik seines Partners schien er überhaupt nicht ernst zu nehmen. "Ich weiß, dass ich manchmal dazu neige, dir das Wort abzuschneiden. Aber ein Kinderwagen gehört doch mit zu den wichtigsten Dingen, die Hancock benötigt, nicht wahr? Sie wird sich sicherlich darüber freuen!" Crocodile kam nicht dazu, seinem Partner zu erklären, dass er sich (zumindest in erster Linie) nicht über die Entscheidung einen Kinderwagen zu kaufen, sondern über den Preis dieses Geschenks beschwerte. Denn gerade, als er zu einer Erwiderung ansetzen wollte, erreichten sie die Abteilung des Babyfachgeschäfts, in der die Kinderwagen ausgestellt wurden. Nami wandte sich zu ihnen um und setzte ein kundenfreundliches Lächeln auf. Crocodile blieb nichts anderes übrig, als seine Entgegnung hinunterzuschlucken und sich vorzunehmen, seinen Partner zusammenzustauchen, sobald sie beide wieder allein waren. "Neugeborene Kinder liegen zumeist im Kinderwagen; erst später, ab allerfrühestens sechs Monaten, sollte man sie aufrecht sitzen lassen", erklärte ihnen Nami. "Praktisch ist darum ein Wagen, dessen Liege- sich zu einer Sitzfläche einstellen lässt und umgekehrt. Ein weiterer Vorteil dieser Funktion besteht darin, dass auch größere Kinder bei zum Beispiel längeren Ausflügen gemütlich schlafen können, indem man die Sitzfläche zur Waagerechten umklappt. Bei einem Buggy ist dies nicht möglich." Während Doflamingo an den Lippen der Verkäuferin hing und überaus interessiert ihren Ausführungen lauschte, ließ Crocodile seinen Blick über die vielen verschiedenen Kinderwagen schweifen, die ausgestellt waren. Unweigerlich fragte er sich, wie teuer ein solcher wohl sein würde. Mit seinen ursprünglich eingerechneten 500 bis 800 Berry käme er hier vermutlich nicht sonderlich weit. Während Crocodile so tat, als würde er sich ein bestimmtes Modell näher ansehen, suchte er unauffällig nach dem Preisschild. Als er es schließlich fand, stockte ihm der Atem. Dieser Kinderwagen kostete mehr als 4.000 Berry! "Erwarten Sie denn einen Jungen oder ein Mädchen?", hörte er Nami mit freundlicher Stimme fragen. Crocodile schreckte auf und fuhr sich mit der rechten Hand über den Mund. "Das wissen wir noch nicht", antwortete er, ehe sein Verlobter ihm erneut zuvor kommen konnte. "Leben Sie in der Stadt? Nur wenn Sie nicht auf dem Land wohnen, kann ich ihnen ein dreirädrigen Kinderwagen empfehlen. Auf unebenem Gelände sind Sie mit drei Rädern viel zu unsicher unterwegs..." Crocodile machte sich nicht die Mühe, den Erläuterungen der Verkäuferin zuzuhören. Er verließ sich darauf, dass sein Partner alle wichtigen Kaufkriterien im Kopf haben würde. Noch immer hörte dieser sehr genau zu und stellte sogar einige Zwischenfragen zu Details, die Crocodile niemals in den Sinn gekommen wären. Man könnte tatsächlich meinen, dachte er kopfschüttelnd, dass nicht Luffy, sondern Doflamingo Vater werden würde. Crocodile wurde erst wieder hellhörig, als es endlich darum ging, einen der Kinderwagen auszusuchen. Wie nicht anders zu erwarten gewesen, stürzte Doflamingo sich sofort auf ein komplett rosafarbenes Modell und meinte an seinen Verlobten gewandt: "Wie wäre es mit dem hier, Darling? Ich finde ihn wirklich hübsch!" Crocodile rollte mit den Augen. "Auf gar keinen Fall! Wir wissen doch gar nicht, ob es ein Mädchen wird." "Was hat denn das Eine mit dem Anderen zu tun?", erwiderte Doflamingo und tat so, als wäre er beleidigt. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wandte demonstrativ das Gesicht ab. Zufällig trug er heute ein rosafarbenes Hemd. Crocodile konnte sich ein Grinsen nicht ganz verkneifen. "Tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen", meinte er mit schelmischer Stimme und ließ sogar zu, dass Doflamingo ihm einen Mund auf den Kuss gab, obwohl er für den Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit normalerweise nicht sonderlich viel übrig hatte. Crocodile schämte sich nicht für seinen Partner, doch er war ein Mensch, der Privates und Öffentliches stark voneinander trennte. "Trotzdem bin ich für eine dezente Farbe", sagte Crocodile. Er schaute sich einige der Kinderwagen an und versuchte abzuschätzen, welcher wohl am preisgünstigsten sein würde. Gut genug waren sicherlich alle; jedenfalls deutlich teurer als jeder Kinderwagen, den Hancock und Luffy sich jemals angeschafft hätten. "Wie wäre es mit diesem hier?", meinte Crocodile und deutete auf einen schwarzen Kinderwagen, der sich in seinen Augen nicht sonderlich stark von den anderen im Raum abhob. Der einzige Unterschied bestand im Preis: Mit 1.600 Berry gehörte er noch zu den günstigen Exemplaren. Doflamingo begutachtete den von ihm vorgeschlagenen Kinderwagen kritisch. Schließlich schüttelte er mit ernster Miene den Kopf. Crocodile warf seinem Verlobten einen fragenden Blick zu. "Was stimmt denn nicht damit?", fragte er nach. "Ich finde ihn hübsch; mir gefällt er gut." "Darum geht es nicht", erwiderte Doflamingo mit ernster Stimme. "Nami hat uns doch eben erklärt, dass die Lehne mindestens fünfzig Zentimeter hoch sein muss, damit das Kind seinen Kopf vernünftig abstützen kann. Bei diesem hier ist die Lehne zu niedrig!" "Ähm..." Crocodile wusste nicht so recht, was er auf diese Aussage erwidern sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner so spitzfindig sein würde. Es ging hier doch bloß um die Auswahl eines Kinderwagens, nicht um eine Organtransplantation! "Der hier drüben ist gut", hörte er ebenjenen sagen. Doflamingo war vor einem hübschen, beigefarbenen Kinderwagen stehen geblieben. Crocodile ging zu seinem Partner hinüber und sah sich das ausgewählte Stück an. Er musste zugeben, dass der Wagen wirklich schick aussah. Leider war auch der Preis stolz; Crocodile schluckte, als er das entsprechende Schildchen sah: 5.000 Berry. "Bist du dir sicher, dass er alle wichtigen Kriterien erfüllt?", hakte Crocodile nach. Vielleicht fanden sie ja irgendeinen Makel und entschieden sich hinterher doch lieber für einen anderen (kostengünstigeren) Kinderwagen. "Ich gebe zu, dass er sehr hübsch aussieht, aber am wichtigsten ist die Sicherheit!" "Da hast du natürlich Recht", stimmte Doflamingo ihm zu und untersuchte den Kinderwagen ganz genau. Zu Crocodiles Unglück schien er allerdings keinen Negativpunkt zu finden. "Ich denke, den hier können wir nehmen. Man kann die Liegefläche hoch- und runterklappen, er hält bis zu 25 Kilogramm Gewicht aus, die Räder sind schwenkbar, die Lehne ist hoch genug und man kann ihn zusammenklappen. Das Gestell ist sogar aus Carbon; schwer ist der Kinderwagen also auch nicht. Ich sehe keinen Grund, wieso wir ihn nicht nehmen sollten." "Okay, gut, von mir aus", meinte Crocodile, der allmählich in echte Bedrängnis geriet. Er hatte nicht damit gerechnet, heute 2.500 Berry auszugeben. So viel Geld hatte er überhaupt gar nicht dabei. Und er besaß auch keine Kreditkarte mehr, mit der einen solch großen Geldbetrag bezahlen könnte. Weil ihm in seiner Panik nichts Anderes einfiel, meinte er an Doflamingo gewandt: "Wollen wir uns noch ein paar andere Dinge anschauen, bevor wir ihn kaufen? Vielleicht finden wir ja noch einen niedlichen Strampler oder so etwas?" "Klar, gute Idee!", pflichtete ihm Doflamingo bei, der sofort ganz begeistert wirkte. Er griff nach seinem Unterarm und schleppte ihn eilig ein paar Gänge weiter. Crocodile ließ sich mitschleifen. Er wusste nicht, ob es ein guter Einfall von ihm gewesen war, seinen Verlobten von dem teuren Kinderwagen abzulenken. Schlimmstenfalls fand dieser noch einen Strampler für 500 Berry, den er Hancocks Baby unbedingt schenken wollte. Crocodile seufzte leise. Wenn Doflamingo so weiter machte, dann war dieses Kind bald besser ausgestatt als er selbst - und dabei war es doch noch nicht einmal geboren! Leider musste Crocodile feststellen, dass die Kaufwut seines Partners jede seiner Befürchtungen weit überstieg: Am Ende standen sie an der Kasse mit nicht weniger als zehn Stramplern, fünf Hosen, fünf T-Shirts und zehn Paar Socken. Und den ausgewählten Kinderwagen wollte Doflamingo selbstverständlich auch kaufen. "Findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?", fragte Crocodile seinen Verlobten, während Nami mit goldenen Berry-Zeichen in den Augen die teuren Artikel abrechnete. "So viele Sachen... Und das Baby ist doch noch gar nicht auf der Welt!" "Ihr Baby hat nur das Beste vom Besten verdient", warf Nami fröhlich ein. "Und Babysachen einzukaufen gehört doch für werdende Eltern mit zu den schönsten Dingen! Adoption oder Leihmutterschaft?" "Wie bitte?", fragte Crocodile verwundert nach. Er verstand die Frage überhaupt nicht. "Ob Sie beide ein Kind adoptieren oder eines durch künstliche Befruchtung gezeugt haben?", wiederholte Nami, als handelte es sich dabei um eine völlig normale Frage. Es dauerte einige Sekunden, bis zu Crocodile durchdrang, worauf die junge Verkäuferin hinauswollte. Sofort spürte er, wie sich Röte in seinem Gesicht ausbreitete. Er wischte sich nervös über den Mund. Hatten Doflamingo und er tatsächlich den Eindruck von werdenden Eltern erweckt? Nun gut, musste Crocodile sich eingestehen, bei ihnen handelte es sich offensichtlich um ein homosexuelles Paar, das Babysachen kaufte; eine solche Vermutung lag also nahe. "Adoption", antwortete Doflamingo kurzerhand und nahm die Tüte mit Babykleidung entgegen, die Nami ihm reichte. Den Kinderwagen ließen sie liefern. "Wir freuen uns sehr auf das Baby. Schon immer habe ich irgendwann Vater werden wollen. Mein Verlobter ist sehr verunsichert, was die ganze Situation angeht, aber auch er freut sich sehr. Sie wissen ja, wie das mit werdenden Eltern ist: Man macht sich viele Gedanken um die Zukunft und hat Angst, etwas falsch zu machen." "Machen Sie sich keine Sorgen", entgegnete Nami unbekümmert und nahm das Geld entgegen, das Doflamingo ihr reichte. "Ich bin mir sicher, dass Sie beide wunderbare Eltern werden. Das einzige, was zählt, ist die Frage, ob man sein Kind liebt oder nicht. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann nichts schiefgehen." "Da haben Sie vollkommen Recht", meinte Doflamingo breit grinsend. In der einen Hand hielt er die Tüte mit den eingekauften Babysachen, mit der anderen griff er nach dem Unterarm seines Verlobten und verließ gemeinsam mit ihm das Fachgeschäft. Crocodile schämte sich so sehr, dass er kein einziges Wort über die Lippen brachte. Noch immer war sein Gesicht knallrot. Erst als sie beide wieder im Auto saßen, fand Crocodile wieder zu sich. Er warf Doflamingo einen verständnislosen Blick zu und fragte: "Wieso hast du behauptet, wir beide würden ein Baby adoptieren?" Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso dieser die Verkäuferin angelogen hatte. Doflamingo allerdings grinste bloß und zuckte mit den Schultern. "Wieso nicht?", erwiderte er mit leichtherziger Stimme. "Ich habe mir einfach einen kleinen Spaß erlaubt. Es ist wirklich unfassbar, wie rot du geworden bist." Er kicherte leise. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass man mir eine solche Frage stellen würde", lenkte Crocodile (mit noch immer knallrotem Gesicht) nuschelnd ein. "Ich kann es Nami nicht verübeln", meinte Doflamingo. "Immerhin hätten wir auch genausogut für unser eigenes Kind die vielen Sachen kaufen können. Vielleicht tun wir das ja irgendwann sogar." Angesichts dieser dubios klingenden Aussage wandte Crocodile sich zu seinem Partner um und warf diesem einen skeptischen Blick zu. "Was meinst du damit?", fragte er ihn. "Nun ja", erwiderte Doflamingo. "Ich wollte damit einfach nur sagen, dass es nicht unmöglich ist, dass wir beide irgendwann einmal ein eigenes Kind haben werden, nicht wahr?" "Ein Kind?" Crocodile hatte niemals über Kinder nachgedacht. Da er homosexuell war, war ihm diese Frage nie zuvor in den Sinn gekommen. Doflamingo allerdings, dachte er betroffen, war bisexuell. Er hatte bereits Beziehungen mit Frauen geführt. Und sich vielleicht immer vorgestellt, später einmal Vater zu werden. Nicht zum ersten Mal fragte Crocodile sich, ob Doflamingo sich manchmal nach einer Frau sehnte. Einer Partnerin. Mit der er auch Kinder bekommen könnte. Leibliche Kinder. "Crocodile?" Es war die besorgt klingende Stimme seines Verlobten, die ihn aus seinen Gedanken riss. "Geht es dir gut? Du wirkst plötzlich ganz abwesend." "Mir geht es gut", erwiderte Crocodile unwirsch. "Ich habe eben bloß über, naja, Kinder nachgedacht." "Käme es für dich infrage, Vater zu werden?" Doflamingos Stimme klang ungewohnt ernst, als er ihm diese Frage stellte. "Also, nicht unbedingt in nächster Zeit. Aber vielleicht in ein paar Jahren?" "Wie soll das denn gehen?", wich Crocodile dieser Frage aus. "Ich bin homosexuell!" "Du weißt, was ich meine", warf sein Partner ein. "Adoption. Leihmutterschaft. Es gibt viele Wege, um Vater zu werden." Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht", sagte er schließlich wahrheitsgemäß. "Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Keiner der Männer, mit denen ich jemals zusammen gewesen bin, hat deutlich gemacht, dass er irgendwann einmal Kinder haben möchte. Vielleicht möchte ich irgendwann Kinder; vielleicht auch nicht. Derzeit kommt es für mich jedenfalls nicht infrage, Vater zu werden." Und weil er spürte, dass es sich bei dieser Antwort nicht um diejenige handelte, die sein Verlobter gerne hören wollte, fügte er hinzu: "Lass uns nichts überstürzen, Doffy, ja? Zuerst konzentrieren wir uns auf unsere Hochzeit. Und auf das Baby, das Hancock bekommen wird. Wenn wir beide verheiratet sind, ist es ja sozusagen auch deine Nichte oder dein Neffe. Später können wir von mir aus noch einmal über eigene Kinder reden." Doflamingo lächelte zaghaft. Er legte seinen Arm um die Schulter seines Partners und drückte diesen an sich. Crocodile ließ die Berührung geschehen und schloss sogar die Augen. Er atmete den angenehmen Geruch seines Partners ein. Um ehrlich zu sein, hatte er nicht damit gerechnet, dass Doflamingo ihn jemals nach Kindern fragen würde. Aber dasselbe hatte er ja auch über ihre Verlobung gedacht. Es gab Seiten an seinem Partner, die überraschten Crocodile. Doflamingo war nicht so egoistisch, rücksichtslos und genusssüchtig, wie viele glaubten. Vielleicht vermisst er es, eine Familie zu haben, schoss es Crocodile durch den Kopf und er konnte nicht verhindern, dass ihn dieser Gedanke traurig stimmte. Hatte Doflamingo ihm einen Heiratsantrag gemacht und ihn auf Kinder angesprochen, weil ihm seine Eltern und sein jüngerer Bruder fehlten? Tat er nach außen hin bloß immer so unbeschwert und ausschweifend, um zu verdecken, dass er sich in Wirklichkeit nach einer festen Ehe, einer Familie sehnte? "Woran denkst du?", fragte Doflamingo ihn und streichelte sein Handgelenk. "An uns", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Und daran, wie sehr ich dich liebe." Es hatte ihn geschockt, als sein Partner ihm von seinen Eltern und Corazon erzählt hatte. Crocodile war der Meinung, dass Doflamingo eine intakte Familie verdiente. Genauso wie er selbst. Aber Kinder bekommen, fügte er gedanklich hinzu, sollten sie allerfrühestens erst dann, wenn er keine Schulden mehr hatte und es ihm psychisch wieder besser ging. * Um genau vierzehn Uhr dreißig parkte Crocodile seinen Mercedes C 216 vor dem Bürogebäude von Tom's Workers. Es war kleiner als er es vermutet hätte, doch im Nachhinein erschien ihm dieser Umstand sinnig: Immerhin ging es um die Organisation einer Messe; sicherlich gab es vieles, was vor Ort besprochen und geregelt wurde. Crocodile holte eine Zigarre aus seiner Manteltasche hervor, zündete sie an und nahm einen tiefen Zug. Sofort beruhigte ihn der Geschmack des Tabaks in seinem Mund. Im Kopf ging er noch einmal alle wichtigen Informationen durch. Er war sehr zuversichtlich, dass es ihm gelingen würde, sich bei dem bevorstehenden Vorstellungsgespräch gut darzustellen. In seinem Leben hatte er bereits Dutzende solcher Gespräche geführt. Das erste Mal im Alter von sechzehn Jahren, als er einen Nebenjob beim örtlichen Supermarkt angenommen hatte. Um vierzehn Uhr fünfzig betrat Crocodile das Bürogebäude. Er hielt nach einer Orientierungstafel oder Ähnlichem Ausschau, die er schließlich neben dem Aufzug fand und die ihm verriert, dass er hoch in das zweite Stockwerk musste. Bevor er den Raum Nummer 44 betrat, holte Crocodile noch einmal tief Luft. Er bemühte sich um seinen selbstsicheren Gesichtsausdruck und eine gerade Körperhaltung. Nur wenn er den Eindruck erweckte, von sich selbst überzeugt zu sein, würde es ihm gelingen, auch andere Menschen zu beeindrucken. Zuversichtlich klopfte er an die Zimmertüre an. Erst als Crocodile ein freundlich klingendes "Herein!" vernahm, öffnete er diese. Im Inneren des Raums hielten sich ein Mann und zwei Frauen auf. Die beiden Frauen waren (vermutete Crocodile) Zwillinge oder zumindest Geschwister, denn sie sahen sich sehr ähnlich. Nicht nur, was die Gesichtszüge und den Körperbau, sondern auch die Frisuren und den Kleidungsstil anging. Die dritte Person war ein großer, bulliger Mann, der Crocodiles Ansicht nach absolut unpassend gekleidet war: Er trug eine kurze Hose und ein buntes Hawaii-Hemd. Trotzdem ließ Crocodile sich nicht beirren. Nicht zuletzt sein eigener Verlobter hatte ihn gelehrt, dass die Garderobe eines Menschen nicht unbedingt etwas über seine Intelligenz oder seinen Einfluss aussagen musste. "Guten Tag", begrüßte ihn der lächerlich gekleidete Mann mit freundlicher Stimme und reichte ihm seine Hand, in die Crocodile ohne zu Zögern einschlug. "Mein Name ist Cutty Franky. Sie sind sicherlich Sir Crocodile, nicht wahr?" "Ja, das ist richtig", meinte er und bemühte sich um einen festen Händedruck. "Es freut mich, Sie kennenzulernen." Anschließend schüttelte er den beiden Damen im Raum die Hand. Die Frau, die eine gelbe Bluse trug, stellte sich als Mozz vor; diejenige mit der roten Bluse als Kiwi. Crocodile setzte ein charmantes Lächeln auf, als er ihr die Hand schüttelte und merkte an, dass sie beide ja bereits schon telefoniert hätten. "Bitte setzen Sie sich doch", sagte Franky zu ihm; Crocodile kam dieser Aufforderung zu gerne nach. Er schob den Stuhl zurück, der vor dem ausladenden Schreibtisch stand, hinter den sich Franky setzte, und ließ sich darauf nieder. Kiwi und Mozz suchten sich zwei Stühle ein Stück weiter abseits aus. Alle drei Gesprächspartner musterten ihn neugierig. Franky tat es ganz unverhohlen, während die beiden Frauen (vermutlich seine Sekretärinnen) bloß immer mal wieder verstohlen zu ihm hinüberlinsten. Crocodile ließ diese Inspizierung über sich ergehen, ohne auch nur ein einziges Anzeichen von Unwohlsein zu zeigen. "Haben Sie gut hergefunden?", fragte Franky ihn mit freundlicher Stimme. "Am Ende der Straße gibt es seit Neuestem eine große Baustelle; dort steht der Verkehr immer lange." "Prinzipiell schon", meinte Crocodile, der in dieser Frage einen ersten Test sah. "Ich habe zwar, ich weiß nicht, zehn oder fünfzehn Minuten dort festgehangen, aber zum Glück bin ich zeitig genug losgefahren." Auf einen unerfahrenen Bewerber hätten Frankys Fragen wahrscheinlich den Eindruck von nettem Smalltalk gemacht, doch Crocodile wusste es besser: Viele Arbeitgeber stellten gleich zu Beginn des Vorstellungsgesprächs Fragen, bei denen man leicht in ein Fettnäpfchen treten konnte. Crocodile nahm sich vor, achtsam zu sein; gleichzeitig durfte er jedoch nicht unauthentisch wirken. Es war alles eine Sache des Fingerspitzengefühls. "Das ist schön zu hören", meinte Franky, ehe er endlich auf den eigentlichen Anlass für ihr Treffen zu sprechen kam: "Wissen Sie, wofür wir zuständig sind und welche Stelle Sie gegebenenfalls einnehmen würden?" "Natürlich", antwortete Crocodile, dem nun seine ausführliche Vorbereitung zugute kam. "Sie organisieren die Elektronikmesse Tom's Workers. Da es nur noch wenige Monate dauert, bis diese stattfindet, gehe ich davon aus, dasss ich jemanden vertreten soll, der kurzfristig verhindert ist." Franky nickte. "Um ehrlich zu sein", meinte er, "haben Sie damit vollkommen Recht. Ein wichtiger Mitarbeiter ist vor kurzem bei einem sehr tragischen Autounfall ums Leben gekommen. Sein Name war Iceberg; ein sehr kompetenter Mann. Sein Verlust trifft uns nicht nur auf emotionaler Ebene hart. Ich möchte Ihnen nichts vormachen, Sir Crocodile: Der Job, den wir Ihnen anbieten, wird kein leichter sein. Sie müssen innerhalb kurzer Zeit viel Arbeit leisten. Es wird stressig. Sie müssen wissen, was Sie tun, und vor allem müssen Sie zeitlich flexibel sein." "Mein herzliches Beileid", sagte Crocodile. "Dass ich die Arbeit von jemand Anderem fortsetzen muss, habe ich mir bereits gedacht. Mit diesem Umstand werde ich auf jeden Fall zurechtkommen. Ich bin es gewohnt, hohe Verantwortung zu tragen und auch unter Stress gute Leistungen zu erbringen. Vor welche Probleme Sie mich auch immer setzen werden: Ich werde Sie lösen." Franky zog eine Augenbraue hoch. Crocodile fragte sich, ob sein Gegenüber beeindruckt von ihm war oder ob er ihn bloß für einen reißerischen Prahler hielt. Er war sich dessen bewusst, dass er eben relativ dick aufgetragen hatte, doch diesen Schritt hatte er aus gutem Grund gewagt. Anscheinend wurde hier jemand gesucht, der eine Position bekleiden konnte, die mit viel Stress und Hektik verbunden war. Hätte er sich verunsichert oder zweifelnd gegeben, würde man ihn sicherlich nicht nehmen. Ganz im Gegenteil: Er musste sich als einen sehr selbstbewussten Menschen präsentieren, der immer einen kühlen Kopf bewahrte. Auch jetzt in dieser Situation ließ Crocodile sich seine Nervosität nicht im geringsten anmerken. "Von Nico Robin, Ihrer ehemaligen Sekretärin, habe ich erfahren, dass sie zuvor als Manager gearbeitet haben", fuhr Franky fort. "Sie sprach in höchsten Tönen von Ihnen und vor allem ihrer hohen Kompetenz. Darf ich fragen, wieso Sie Ihre Arbeitsstelle wechseln möchten?" Crocodile zögerte bloß eine halbe Sekunde, ehe er sich für die Wahrheit entschied: "Ich habe einen Fehler gemacht, der als Vorwand genutzt wurde, um mir zu kündigen. Den finanziellen Schaden, den ich verursacht habe, hätte ich ohne allzu viel Mühe wieder ausgleichen können. Den wahren Grund für meine Kündigung kenne ich nicht. Nun, wie auch immer: Infolgedessen suche ich nun eine neue Arbeitsstelle." In einem anderen Vorstellungsgespräch hätte Crocodile womöglich gelogen, doch da Franky mit Robin gut befreundet zu sein schien, hielt es für klüger, bei der Wahrheit zu bleiben. Arbeitnehmer unterhielten sich lieber mit einem Bewerber, der einen Fehler gemacht hatte und offen zu diesem stand, als mit einem Lügner. Und er konnte nicht ausschließen, dass Robin Franky über seine Kündigung informiert hatte. "Haben Sie denn eine Vermutung, was der eigentliche Grund für Ihre Kündigung sein könnte?", hakte Franky mit ernster Stimme nach. Crocodile zuckte mit den Schultern. Schließlich meinte er: "Vermutlich meine Sexualität. Womöglich aber auch persönliche Differenzen. Ich habe mich mit meinen Vorgesetzten nie gut vorgestanden." "Ihre Sexualität?" Franky warf ihm einen überraschten Blick zu. Crocodile hatte nicht damit gerechnet, dass Franky nicht über seine sexuelle Ausrichtung Bescheid wusste. Um ehrlich zu sein, war er davon ausgegangen, dass Robin ihm davon erzählt hatte. Er hätte diese Tatsache lieber verschweigen wollen. Sollte Franky sich als homophob herausstellen, wären seine Chancen auf diesen Job praktisch bei null. Jetzt war es allerdings sowieso zu spät. "Ich bin homosexuell", sagte Crocodile und bemühte sich um eine feste Stimme. Franky blinzelte zweimal und starrte ihn verwundert an. Crocodile seufzte leise und zwang sich dazu, nicht mit den Augen zu rollen. Da er nicht dem Klischee des typischen Schwulen entsprach, war er solche Reaktion gewohnt. Viele Menschen wollten ihm gar nicht glauben, dass er homosexuell war. Sie sagten dann immer, er sähe, nun ja, heterosexuell aus. Crocodile selbst konnte solche Oberflächlichkeit überhaupt nicht nachvollziehen. Er war der Meinung, dass die Sexualität eines Menschen nichts mit dessen Äußeren zutun haben musste. Natürlich gab es homosexuelle Männer, denen sah man ihre Neigung sofort an (wie zum Beispiel Doflamingo oder Dellinger), doch ebenso gut gab es auch welche, bei denen man es eigentlich nicht vermuten würde. Dazu zählte Crocodile sich selbst, aber auch zum Beispiel Law und die meisten seiner Exfreunde. "Bitte verstehen Sie mich nicht falsch!", warf Franky sofort hektisch ein, als er zu bemerken schien, wie rücksichtslos und schroff seine Reaktion gewirkt haben musste. "Ich habe überhaupts nichts gegen Schwule oder Lesben! Ein paar meiner besten Freunde sind homosexuell! Man würde es, na ja, bei einem Mann wie Ihnen einfach bloß nicht erwarten." "Ist schon gut", erwiderte Crocodile. "Viele Menschen reagieren überrascht, wenn sie von meiner Sexualität erfahren. Aber ich denke, in diesem Verhältnis tut die Frage, ob ich an Männern oder Frauen interessiert bin, sowieso nicht zur Sache. Seien Sie sich bitte sicher, dass meine sexuelle Ausrichtung überhaupt nichts mit der Frage zu tun hat, ob ich gute oder schlechte Arbeit leiste." "So etwas würde ich auch niemals behaupten", warf Franky rasch ein. Er schien sich sehr dafür zu schämen, dass er eben einen solch unhöflich Eindruck erweckt hatte. "Um ehrlich zu sein, wirken Sie auf mich überaus kompetent. Ich denke, Sie sind genau der Mann, den wir suchen. Wenn von Ihrer Seite also nichts dagegen spricht, würde ich Ihnen gerne noch heute Ihren Arbeitsvertrag mitgeben. Wir sind zeitlich in starkem Verzug und möchten Sie gleich am Montag bei uns begrüßen." "Ähm, ja natürlich, sehr gerne." Crocodile war stolz darauf, dass er nicht angefangen hatte zu stottern. Er konnte sein Glück kaum fassen. Träumte er? Am liebsten hätte er sich selbst in den Arm gekniffen, um sicherzugehen, dass er wach war. Dass er tatsächlich eine neue Arbeitstelle gefunden hatte. "Wunderbar!", meinte Franky und stand von seinem Schreibtischstuhl auf. "Kiwi wird Ihnen am Montag Ihren Arbeitsvertrag in dreifacher Ausführung aushändigen. Bitte unterschreiben Sie alle drei Versionen und geben dann zwei an uns zurück. Ihre Arbeitswoche beträgt 40 Stunden. Das monatliche Gehalt liegt bei 30.000 Berry. Für Überstunden, Arbeit nach zwanzig Uhr und an Feiertagen erhalten Sie einen Zuschlag von 25 Prozent auf den Studenlohn. Ihnen stehen außerdem 20 Urlaubstage zu. Befristet ist die Stelle bis Ende dieses Jahres. Sollten Sie uns jedoch von sich überzeugen können, steht einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sicherlich nichts im Wege." Er stand auf und reichte ihm die Hand. Crocodile kam sich vor wie in einer Art Trance, als er einschlug. Die ganze Situation kam ihm unwirklich vor. Er schämte sich dafür, doch er musste sich ernsthaft zusammenreißen, um sich nicht selbst zu kneifen. Die Tatsache, dass er nicht mehr arbeitslos war, war noch lange nichts bis zu ihm durchgedrungen. "Ich muss mich jetzt leider entschuldigen", fuhr Franky fort. "Es gibt viel zu tun. Bis Montag! Bitte erscheinen Sie um acht Uhr morgens in Raum 7, meinem Büro. Dann besprechen wir Ihre Aufgaben." Crocodile nickte. Einen Moment später war Franky verschwunden; Crocodile blieb mit Kiwi und Mozz im Raum zurück. Er schreckte auf, als er hörte, wie beide leise zu kichern begannen. Verwundert wandte Crocodile sich zu den zwei Schwestern um und warf ihnen einen fragenden Blick zu. Er konnte überhaupt nicht verstehen, was diese plötzlich so unfassbar lustig fanden. Oder lachten Kiwi und Mozz ihn etwa aus? Handelte es sich um einen Scherz? Waren dieses Vorstellungsgespräch und der versprochene Arbeitsvertrag nichts anderes als ein schlechter Witz gewesen? Immerhin schien es sich bei Cutty Franky um einen doch sehr eigenartigen und kuriosen Menschen zu handeln. Ein bitterer Geschmack legte sich auf Crocodiles Lippen, als ihm diese Möglichkeit in den Sinn kam. Es war wohl einfach zu schön gewesen, um wahr zu sein. "Entschuldigung", meinte Kiwi und hielt sich eine Hand vor den Mund, als sie seinen Blick bemerkte. "Es ist nur so, dass Franky eben ein riesiger Stein vom Herzen gefallen ist." "Was meinen Sie denn damit?", fragte Crocodile und zog die Augenbrauen zusammen. "Nun ja", erwiderte Mozz grinsend. "Franky ist nun bereits schon seit einiger Zeit an Robin interessiert. Da Sie allerdings von ihr so inständig empfohlen worden sind, ist er davon ausgegangen, dass Sie beide ein Paar wären. Glücklicherweise hat sich ja nun aber herausgestellt, dass dies nicht der Fall ist. Franky ist ein kompetenter Mann, aber manchmal fällt es ihm schwer, Privates und Berufliches zu trennen. Ich denke, mitunter der Tatsache, dass Sie homosexuell sind und somit keine Konkurrenz für ihn darstellen, haben Sie Ihre neue Anstellung zu verdanken." "Cutty Franky und Nico Robin?", murmelte Crocodileund fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Auch ihm fiel ein Stein vom Herzen. Also nahm man ihn doch nicht auf den Arm. Alles ging mit rechten Dingen zu. Am Montag würde er seinen Arbeitsvertrag unterschreiben und dann würde er endlich wieder Geld verdienen. Er könnte seine Schulden tilgen. Und er könnte Doflamingo heiraten. Seine Probleme würden sich in Luft auflösen. Ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf Crocodiles Lippen. "Ich erinnere mich daran, dass Robin ab und an einen Mann namens Franky erwähnt hat", meinte Crocodile an Kiwi und Mozz gewandt. "Sie hat stets in höchsten Tönen von ihm gesprochen." Sofort brachen die beiden Geschwister erneut in fröhliches Gelächter aus. "Wir haben eine Wette abgeschlossen", sagte Kiwi. "Ich glaube, dass Franky und Robin demnächst ein Paar werden. Mozz hält allerdings dagegen." "Ich bin auf Ihrer Seite, Kiwi", meinte Crocodile. Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln. "Das freut mich. Franky und Robin gehören einfach zusammen. Aber nun Schluss mit dem Klatsch und Tratsch! Wir möchten Sie nicht langweilen, Sir Crocodile. Ich bringe Sie zur Tür. Bis Montag!" * "Hoffentlich freut Hancock sich über unsere Geschenke", meinte Doflamingo mit aufgeregter Stimme. Sie waren gerade auf den Weg zur Schwangerschaftsparty. Crocodile fuhr seinen Mercedes C 216, während Doflamingo neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und wild zu schwadronieren begann. "Bestimmt", erwiderte Crocodile mit eher desinteressiert klingender Stimme. Noch immer konnte er die übertriebene Vorfreude seines Verlobten nicht ganz nachvollziehen. Er hatte sich zwar inzwischen mit dem Gedanken angefreundet, Onkel zu werden, doch Doflamingos Begeisterung hielt er beinahe schon für unangemessen. Immerhin war dieser mit dem Kind ja noch nicht einmal verwandt. "Meinst du, es wird ein Junge oder ein Mädchen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Über diese Frage hatte er sich bisher keine sonderlich großen Gedanken gemacht. Immerhin war es nicht so, als hätte das Sinnieren über das Geschlecht des Kindes irgendeinen Einfluss auf das tatsächliche Faktum. Außerdem würden sie es doch sowieso schon in wenigen Stunden erfahren. "Zum Glück haben wir geschlechtsneutrale Kleidung für das Baby besorgt", fuhr Doflamingo fort, der die Teilnahmslosigkeit seines Partners entweder nicht zu bemerken oder sich daran nicht zu stören schien. "Ich persönlich hätte zwar kein Problem damit, einem kleinen Jungen einen rosafarbenen Strampler anzuziehen, aber vermutlich sind Hancock und Luffy in dieser Hinsicht ein wenig traditioneller eingestellt als ich. Ich hoffe, dass den beiden die Farbe des Kinderwagens zusagt. Vielleicht hätte ich vorher doch lieber unauffällig nach Hancocks Lieblingsfarbe fragen sollen..." "Ich bin mir sicher, beide werden sich über unsere Geschenke sehr freuen", warf Crocodile augenrollend ein. Er glaubte beim besten Willen nicht, dass Hancock einen 5.000 Berry teuren Kinderwagen ablehnen würde, weil ihr womöglich die Farbe nicht gefiel. Obwohl seine Schwester manchmal ein echtes Frauenzimmer sein konnte, schätzte Crocodile sie nicht als so furchtbar wählerisch und anspruchsvoll ein. Vor allem in ihrer derzeitigen finanziellen Lage nicht. Sicherlich würde sie sich über jede Art von Unterstützung freuen, die sie bekam. "Vermutlich hast du Recht", lenkte Doflamingo ein, der gleich ein wenig beruhigter klang. "Schließlich sind sowohl der Kinderwagen als auch die Babykleidung wirklich hübsch. Ich kann es kaum erwarten, Hancocks Gesicht zu sehen, wenn sie die vielen schönen Sachen auspackt!" "Mir geht es genauso", erwiderte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme leicht zynisch klang. Allmählich ging ihm die überzogene Vorfreude seines Verlobten gewaltig auf die Nerven. Crocodile parkte seinen Mercedes nicht weit von dem Haus entfernt, in dem seine Schwester wohnte. Ähnlich wie sein Bruder Mihawk lebte auch Hancock in einem kleinen Einfamilienhaus in der Vorstadt. Es war ein hübsches Gebäude mit Fensterläden und einem hingebungsvoll gepflegten Vorgarten. Hancock war eine Frau, die viel für Dekoration und Kitsch übrig hatte, und diese Schwäche sah man ihrem Zuhause auch sehr deutlich an. Liebevoll war das Haus sowohl von außen als auch von innen geschmückt und verschönert worden. Bevor Crocodile aus dem Wagen ausstieg, wandte er sich an seinen Partner. Er warf Doflamingo einen unwilligen Blick zu und seufzte leise. Anschließend sagte er: "Hör mal, Doffy: Ich, ähm, ich habe meinen Geschwistern noch nichts von unserer Verlobung erzählt. Weil Hancock kurz darauf ihre Schwangerschaft bekannt gegeben hat und ich ihr nicht die Show stehlen möchte. Wenn ich auf meinen Ring angesprochen werden sollte, dann erzähle ich von unserer Verlobung. Ansonsten möchte ich mich allerdings lieber bedeckt halten. Es wäre sehr unhöflich, Hancocks Schwangerschaft auf diese Weise in den Schatten zu stellen. Wir warten einfach noch ein paar Tage ab und verkünden dann unsere Verlobung. Ist das in Ordnung für dich?" Doflamingo zögerte einen Augenblick lang, ehe er nickte. "Ich denke, du hast Recht", sagte er. "Es würde einen sehr wichtigtuerischen und arroganten Eindruck machen, während ihrer Schwangerschaftsparty unsere Verlobung bekannt zu geben. Mir macht es nichts aus, noch ein bisschen zu warten." "Ehrlich?", hakte Crocodile nach. Es erleichterte ihn, dass Doflamingo auf seinen Vorschlag so unerwartet verständnisvoll reagierte, doch er war sich nicht sicher, ob dieser seine Worte tatsächlich ernst meinte. Sein Partner konnte manchmal eine sehr selbstsüchtige und rücksichtslose Person sein. Und er wollte ihn nicht verletzen, indem er ihre Verlobung herabsetzte. Zumindest Doflamingo schien sie sehr wichtig zu sein. "Ganz ehrlich." Doflamingo lächelte, beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Crocodile seufzte erleichtert auf. Er legte seine rechte Hand in den Nacken seines Verlobten und zog diesen zu sich hinunter. Anschließend küsste er ihn auf den Mund. Es war kein sanfter und zaghafter, sondern ein sehr leidenschaftlicher Kuss. Doflamingo erwiderte ihn überraschend stürmisch. "Crocodile, Doflamingo; wie schön, dass ihr da seid", begrüßte seine Schwester sie beide herzlich, als sie das Wohnzimmer des kleinen Einfamilienhauses betraten. Es war ein liebevoll eingerichteter Raum mit bodentiefen Fenstern. Überall waren Dekoartikel jedweder Art platziert: auf dem Tisch stand eine selbst bemalte Vase mit Blumen, am Fenster hingen kleine Basteleien herab und an jedem freien Fleckchen befanden sich ein paar Kerzen. Natürlich war alles farblich aufeinander abgestimmt worden. Auch Crocodile selbst hatte sich bei der Ausstattung seiner Loft-Wohnung viel Mühe gegeben, doch für Dekor hatte er einfach nichts übrig. Seiner Ansicht nach sollte die Einrichtung eines Raums möglichst funktional sein. Blumenvasen und Kerzen waren für ihn bloß nutzlose Staubfänger. Der Gedanke an seine Loft-Wohnung, in der er sich sehr wohl gefühlt und die er so schnell wieder aufgegeben hatte, betrübte Crocodile. Rasch zwang er sich dazu, ein freundliches Lächeln aufzusetzen und sich auf seine Schwester und ihre Schwangerschaft zu konzentrieren. Zur Begrüßung umarmte er sie herzlich und erklärte, es wäre ihm eine Freude, heute hier zu sein. "Möchtet ihr etwas trinken?", fragte Hancock und führte sie zum ausladenden Sofa hinüber, auf dem bereits einige andere Leute Platz genommen hatten. "Stilles Wasser, bitte", meinte Crocodile und setzte sich neben Sondersonia, eine gute Freundin seiner jüngeren Schwester. "Ich hätte gerne einen Kaffee", sagte Doflamingo, ließ sich jedoch noch nicht auf dem Sofa nieder. "Wenn du möchtest, kann ich die Getränke für dich tragen." "Vielen Dank für das Angebot; es ist wirklich sehr lieb, dass du helfen möchtest, Doflamingo", erwiderte Hancock mit freundlicher Stimme und winkte ab, "aber das schaffe ich schon allein." "Okay, gut." Endlich setzte Doflamingo sich neben seinen Verlobten. "Aber falls du bei irgendetwas Hilfe brauchen solltest, dann sprich mich ruhig an. Schließlich sollte man sich nicht übernehmen, wenn man schwanger ist." "Pass auf, dass du Hancock durch deine übertriebene Hilfsbereitschaft nicht in eine unangenehme Lage bringst", raunte Crocodile seinem Partner leise zu. Ob er es sich eingestehen wollte oder nicht: Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass dieser sich seiner hübschen Schwester gegenüber so fürsorglich verhielt. "Sie ist schwanger, nicht schwerkrank." "Das weiß ich selbst", flüsterte Doflamingo zurück. "Ich versuche doch nur, nett zu sein. Eine Schwangerschaft ist nicht immer eine einfache Sache. Wir sollten sie unterstützen, wo auch immer wir können." "Sie ist erst in der zwölften Woche", hielt Crocodile dagegen. "Man sieht noch nicht einmal, dass sie schwanger ist. Du übertreibst völlig." Er verstummte notgedrungen, als Hancock ins Wohnzimmer zurückkehrte und ihnen ihre Getränke reichte. Crocodile war nicht unbedingt ein Mensch, der leicht eifersüchtig wurde, doch er gab zu, dass ihn Doflamingos Interesse an seiner Schwester störte. Bei Hancock handelte es sich um eine wunderhübsche, liebevolle Frau; und sein Partner war nicht homo-, sondern bisexuell. Er kam nicht umhin, sich Sorgen zu machen, wenn Doflamingo sich so aufmerksam um sie kümmerte. "Darf ich mal deinen Bauch anfassen?", hörte er ebenjenen mit aufgeregter Stimme fragen. Crocodile verschluckte sich beinahe an seinem Wasser. Entsetzt sah er zu seinem Verlobten und seiner Schwester hinüber. Hancock nickte und schob den violetten Pullover, den sie heute trug, ein Stück nach oben. Obwohl Crocodiles Ansicht nach von einem Schwangerschaftsbauch noch überhaupt nichts zu sehen war, fuhr Doflamingo zärtlich mit seiner rechte Hand über die makellose Haut. "Ich freue mich schon sehr darauf, das Geschlecht das Babies zu erfahren", meinte er mit freundlicher Stimme und ohne ihren Bauch loszulassen. "Hoffst du auf einen Jungen oder auf ein Mädchen?" "Ach, das ist mir ganz egal", meinte Hancock schmunzelnd. "Hauptsache das Baby ist gesund. Aber natürlich bin ich trotzdem aufgeregt. Nachher werden Luffy und ich den Brief öffnen, den der Frauenarzt uns mitgegeben hat. Darin steht das Geschlecht des Kindes." Doflamingo gluckste fröhlich und ließ endlich von der Schwester seines Verlobten ab. Hancock bedeckte ihren schlanken Bauch wieder mit ihrem Pullover und wandte sich nun Ran zu, die sie ansprach. Crocodile starrte missgelaunt auf den Fußboden und biss sich selbst auf die Unterlippe. Wieder einmal kam ihm in den Sinn, dass alle seine Partner, die bisexuell waren, ihn wegen seiner Schwester verlassen hatte. Hancock war zwar auf die Avancen keines einzigen eingegangen, sie hatte sich sogar jedes Mal bei ihm entschuldigt, obwohl sie prinzipiell keine Schuld trug, doch trotzdem hatte Crocodile sich irgendwann vorgenommen, sich bloß noch auf homosexuelle Männer einzulassen. Indem er die Beziehung mit Doflamingo eingegangen war, hatte er diesen Vorsatz gebrochen (wobei er zu Beginn gar nicht gewusst hatte, dass sein Partner nicht homo-, sondern bisexuell war). Plötzlich kamen Crocodile Zweifel. Jeder bisexuelle Mann, mit dem er ausgegangen war, hatte sich in seine wunderhübsche Schwester verliebt. Warum sollte es bei Doflamingo anders sein? "Geht es dir gut, Wani?" Crocodile schreckte auf, als er spürte, dass sein Verlobter ihn sachte am Arm berührte. "Hast du etwa wieder Magenschmerzen bekommen?" "Ich bin okay", erwiderte er rasch. "Sicher?", hakte Doflamingo nach und Crocodile kam nicht umhin festzustellen, dass die Stimme seines Partners sehr besorgt klang. "Du hast eben dein Gesicht ganz schmerzerfüllt verzogen... Wenn es dir schlecht geht, musst du mir das sagen, ja? Notfalls fahren wir zum Arzt oder nach Hause. Ich möchte nicht, das du dich quälst. Auch wenn ich mich sehr auf Hancocks Schwangerschaftsparty gefreut habe, gehst du natürlich vor. Und vor allem deine Gesundheit." "Mir geht es gut", sagte Crocodile und bemühte sich um eine gefasst klingende Stimme. "Wirklich." "Okay", erwiderte sein Verlobter, der nur halb überzeug wirkte. "Aber sag mir bitte Bescheid, falls der Fall doch eintreten sollte, ja?" Crocodile fuhr sich durch sein Haar und nickte. "Klar doch." Hancocks Schwangerschaftsparty war nett, doch nicht sonderlich spannend. Crocodile bemühte sich darum, einen interessierten Eindruck zu erwecken, obwohl er mit dem vielen Trubel um die Schwangerschaft seiner Schwester nicht allzu viel anfangen konnte. Schließlich war das Baby noch nicht einmal auf der Welt. Und auch ein Ansatz des Schwangerschaftsbauchs war nicht zu erkennen. Man könnte genausogut meinen, Hancock hätte sich die ganze Sache bloß ausgedacht. Aus diesem Grund war für Crocodile der Fakt, dass er bald Onkel werden würde, nur schwer zu fassen; er konnte es sich noch gar nicht richtig vorstellen. Vielleicht fand er sich besser in diese neue Rolle ein, sobald sein Neffe oder seine Nichte geboren worden war und er ihn oder sie vor sich sehen konnte. Auch mit dem Ultraschall-Bild, das seine Schwester ihm reichte, konnte Crocodile nicht sonderlich viel anfangen. Er machte auf dem schwarz-weißen Foto weder ein Baby noch sonst irgendetwas Anderes aus; Doflamingo hingegen betrachtete absolut entzückt die schwarzen und weißen Flecken auf dem Foto. Er schien völlig hingerissen zu sein von allem, was mit Hancock und ihrer Schwangerschaft zusammenhing. Aufgeregt grinsend überreichte er ihr auch die Babykleidung und den Kinderwagen, den sie beide für Hancock besorgt hatten. Entgegen Doflamingos Befürchtung freute sich diese sehr über die Geschenke. Freudestrahlend schloss sie ihren Bruder und dessen Partner in die Arme und bedankte sich überschwänglich. Auch von den anderen Gästen der kleinen Party erhielt Hancock Geschenke: von ihrem Bruder Mihawk bekam sie ein Babybett, von Sondersonia eine Krabbeldecke, von Ran Umstandskleidung und noch einige andere Dinge. Beliebte Geschenkideen waren Babykleidung, Spielzeug und Windeln gewesen. Das mit Abstand teuerste und größte Geschenk stellte definitiv der Kinderwagen dar, den Doflamingo und er für sie besorgt hatten. Um ehrlich zu sein, war Crocodile beinahe schon froh angesichts der Tatsache, dass Hancock den hohen Preis für den Wagen nicht kannte. Ansonsten hätten sein Verlobter und er wohl einen schrecklich arroganten und aufschneiderischen Eindruck erweckt. "Ich bin sehr froh darüber, dass Hancock unsere Geschenke gefallen haben", meinte Doflamingo zu ihm, während ebenjene sich daran machte, die Torte anzuschneiden. Wie üblich sah das gute Stück einfach wunderbar aus. Die zweistöckig Torte war mit bunten Blüten aus Zuckerguss dekoriert, während obenauf zwei kleine Teddybären aus Marzipan thronten. Hancock ließ verlauten, dass ihr beim Backen der Torte ihre beste Freundin Sondersonia geholfen hätte, genauso wie bei den Vorbereitungen für die kleine Party. "Das habe ich dir doch die ganze Zeit über schon gesagt", flüsterte Crocodile zurück und sah dabei zu, wie die hübsche Torte an die fröhlichen Gäste verteilt wurde. Er selbst wurde ausgespart: Allein bei dem Gedanken an den vielen Zucker, den ein einzelnes Tortenstück enthielt, wurde ihm schlecht. Er wollte sich gar nicht erst ausmalen, wie sein empfindlicher Magen reagieren würde, sollte er es tatsächlich wagen, die Torte zu probieren. "Hancock hat sich mal wieder selbst übertroffen, was die Torte angeht, findest du nicht auch?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Es ärgerte ihn, dass sein Partner schon wieder auf seine Schwester zu sprechen kam. Natürlich verstand Crocodile, dass bei diesem Anlass Hancock im Mittelpunkt stand, doch er fand, dass Doflamingo trotzdem wenigstens ab und an einmal über etwas Anderes sprechen könnte. Seiner Eifersucht tat es jedenfalls nicht gut, wenn seine Schwester das einzige Gesprächsthema für diesen darstellte: Hancocks Schwangerschaftsbauch, das Geschlecht ihres Babies, die Geschenke, die sie bekommen hatte, die Torte... "Oh, verdammt, schon wieder ins Fettnäpfchen getreten", hörte er da plötzlich mit Doflamingo mit vollem Mund sagen. "Erst hinunterschlucken, dann sprechen", meinte Crocodile zu diesem. Es war unfassbar, dass ein solch erfolgreicher Geschäftsmann wie Doflamingo ab und an doch sehr manierlos werden konnte. "Und was meinst du überhaupt damit?" "Ich habe schon wieder von Hancocks Torte geschwärmt und ganz vergessen, dass du sie überhaupt nicht essen darfst", gab sein Partner mit schuldbewusst klingender Stimme zu. "Ist schon gut", erwiderte Crocodile und lächelte zaghaft. Daran hatte er überhaupt nicht gedacht gehabt. Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als Hancock um Ruhe bat. Sie wollte nun den Briefumschlag öffnen, in dem von ihrem Frauenarzt das Geschlecht des Kindes festgehalten worden war. Alle Gäste der kleinen Party schauten gespannt zur Gastgeberin herüber, während diese mit leicht zitternden Händen den Umschlag öffnete. Luffy, der neben ihr stand, hatte einen aufgeregten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Plötzlich begann Crocodile sich furchtbar schlecht zu fühlen wegen seiner Eifersucht. Es war nicht gerecht, dass er sich wegen Doflamingo über seine jüngere Schwester ärgerte. Hancock konnte schließlich nichts dafür, dass ihr die Männer der Reihe nach verfielen. Sie flirtete ja nicht einmal. Und außerdem war es ihr gutes Recht, heute im Rampenlicht zu stehen. Ihre Schwangerschaft war immerhin Anlass dieser Zusammenkunft. Insgeheim beschloss Crocodile, sich so gut wie möglich zurückzunehmen. "Mädchen", verkündete Hancock mit gerührter Stimme. Die Partygäste begannen zu klatschen und zu jubeln. Sondersonia stand von ihrem Platz auf und stürmte zu Hancock hinüber, um diese zu umarmen. Andere, die sie ebenfalls beglückwünschen wollten, folgten rasch. Auch Crocodile und Doflamingo standen auf. "Wir hätten also doch den rosafarbenen Kinderwagen kaufen können", raunte ihm sein Partner mit verschmitzter Stimme zu, während sie darauf warteten, dass sie an die Reihe kamen. Crocodile zuckte mit den Schultern. "Das haben wir ja vorher nicht wissen können", meinte er. Er fragte sich, wieso er sich noch immer so schrecklich schlecht fühlte. Im Augenblick war er nicht zornig auf Hancock; ganz im Gegenteil: Er freute sich für diese und schloss sie herzlich in den Arm, als sie sich ihm zuwandte. Trotzdem wurde er das ungute Gefühl, das sich in seinem Magen ausbreitete, einfach nicht los. Woher rührte seine Missstimmung bloß? "Herzlichen Glückwunsch", meinte Doflamingo mit freudiger Stimme und umarmte Hancock. "Danke", erwiderte diese lächelnd. Sie wirkte ganz aufgeregt und schien ihr Glück noch gar nicht richtig fassen zu können. "Hast du dir schon einen Namen für das Baby überlegt? Jetzt, wo du ja weißt, dass es ein Mädchen wird." Sie schüttelte den Kopf. "Luffy und mir ist noch kein passender Name eingefallen. Aber wir haben ja auch noch einige Monate Zeit, um ihn uns zu überlegen. Schließlich dauert es noch sechs Monate, bis das Baby, ähm, bis sie endlich da ist." "Falls ihr beide Hilfe bei irgendetwas brauchen solltet, kannst du mich gerne anrufen", bot Doflamingo freundlich an. "Crocodile und ich freuen uns schon sehr auf das Baby. Wir werden euch unterstützen, wo auch immer wir können." "Vielen Dank." Hancock lächelte. "Es tut gut zu wissen, dass man nicht alleine dasteht und andere Menschen sich ebenfalls sorgen. Ich möchte mich außerdem noch einmal für die tollen Geschenke von Crocodile und dir bedanken. Der Kinderwagen ist wirklich wundervoll. Und ich bin mir sicher, dass unser kleines Mädchen auch die vielen Strampler, die ihr uns geschenkt habt, lieben wird." "Keine Ursache", erwiderte Doflamingo, der plötzlich recht verlegen wirkte. "Es hat mir großen Spaß gemacht, die Sachen einzukaufen." Er kicherte leise und fügte hinzu: "Die Verkäuferin hat geglaubt, Crocodile und ich bekämen ein Baby. Du kannst dir nicht vorstellen, wie peinlich ihm dieser Irrtum gewesen ist." "Tatsächlich?", meinte Hancock und warf ihrem Bruder einen verschmitzten Blick zu. "Nun ja, vielleicht werdet ihr beiden irgendwann auch mal einen Kinderwagen für euer eigenes Baby einkaufen. Wer weiß schon, was die Zukunft bringen wird?" Crocodile senkte den Blick. Plötzlich kam ihm in den Sinn, woher seine schlechte Laune herrühren könnte: Womöglich lag es daran, dass Doflamingo in letzter Zeit nichts Anderes als Kinder im Kopf zu haben schien. Crocodile schluckte. Er erinnerte sich daran, dass sein Partner ihm gesagt hatte, er könnte es sich sehr gut vorstellen, später einmal eine Familie zu gründen. Um ehrlich zu sein, wusste Crocodile selbst nicht so recht, wie er sich bei diesem Thema verortete. Über Kinder hatte er sich nie zuvor Gedanken gemacht. Er fragte sich, ob Doflamingo ihn verlassen würde, wenn er sich weigerte, eine Familie zu gründen. Sein Verlobter schien sich sehr nach familiären Zusammenhalt zu sehnen; vor allem nach dem Tod seiner Eltern und seines Bruders. Ob es sich wohl um ein K.O.-Kriterium handelte? Crocodile spürte, wie ihm schlecht wurde. Doflamingo war bisexuell. Vielleicht hatte er sich immer schon vorgestellt, eines Tages eine Frau zu heiraten und gemeinsam mit ihr Kinder zu zeugen. Selbst wenn er es wollte, würde Crocodile seinem Partner diesen Wunsch jedoch niemals erfüllen können. Gegen Mitternacht löste sich die kleine Partygesellschaft allmählich auf. Um null Uhr dreißig waren die Gastgeberin Hancock, ihr Freund Luffy, ihre beiden Brüder und Doflamingo die einzigen Gäste, die noch anwesend waren. Fleißig halfen sie dabei, aufzuräumen und das Wohnzimmer wieder in Ordnung zu bringen. Erst gegen ein Uhr machten sich auch Crocodile und sein Partner auf den Weg nach Hause. "Es freut mich sehr, dass ihr heute gekommen seid", sagte Hancock zu ihnen, als sie im Flur standen. "Vielen Dank für eure wunderbaren Geschenke und für eure Hilfe beim Aufräumen. Ich schätze es wirklich wert, dass ihr beide mich unterstützt." "Das ist doch selbstverständlich", erwiderte Doflamingo leicht verlegen und winkte ab. Crocodile, der keine Lust hatte, viele Worte zu verlieren, nickte zustimmend. Um ehrlich zu sein, wollte er sich am liebsten so schnell wie möglich auf den Rückweg machen und ins Bett legen. Er hatte genug von dem Gerede über Schwangerschaft und Kinder; davon wollte er nichts mehr hören. Plötzlich mischte sich Mihawk ein. "Crocodile", sagte er mit bedachtsamer Stimme, "darf ich mich unter vier Augen mit dir unterhalten? Es dauert nicht lange." "Ähm, klar", meinte Crocodile, der ein wenig überrascht war. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Bruder vertraulich mit ihm sprechen wollte; er hatte auch keine Vorstellung davon, worum es gehen könnte. Trotzdem folgte er Mihawk in den Nebenraum. Sein Bruder schloss die Tür hinter ihnen. Anschließend meinte er: "Da es beim heutigen Anlass um Hancock und ihre Schwangerschaft ging, wollte ich dich nicht vor all den Partygästen darauf ansprechen; doch ich kam einfach nicht umhin, zu bemerken, dass du einen neuen Ring am Finger trägst. Und zwar an dem Finger, den du normalerweise immer frei lässt. Stimmt meine Vermutung? Haben Doflamingo und du sich verlobt?" Crocodile schwieg einen kurzen Moment lang. Anschließend nickte er. "Ja, das haben wir", antwortete er lächelnd. "Vor ein paar Tagen in unserem Urlaub. Allerdings haben Doflamingo und ich beschlossen, dass wir unsere Verlobung noch nicht bekannt geben, weil wir Hancock mit ihrer Schwangerschaft nicht in den Schatten stellen wollten. Es freut mich, dass dir der Ring dennoch aufgefallen ist." Mihawk lächelte leicht. "Herzlichen Glückwunsch", sagte er und schloss seinen Bruder in den Arm. "Ich freue mich für euch. Auch wenn ihr beide sehr unterschiedlich seid, passt ihr gut zusammen." Er zögerte kurz, ehe er mit ernster Stimme hinzufügte: "Freust du dich auch? Hast du Doflamingo inzwischen von deiner Kündigung erzählt?" "Ich freue mich sehr über unsere Verlobung", meinte Crocodile. "Und ich brauche mir auch keine Sorgen mehr zu machen, weil mir gekündigt worden ist. Ich habe eine neue Arbeitsstelle gefunden. Ich werde dabei helfen, die im Herbst stattfindende Elektronikmesse Tom's Workers zu organisieren. Sie zahlen mir weniger als die Bank es getan hat, doch das Gehalt reicht aus, um nach und nach meine Schulden zu tilgen. Das bedeutet also, dass meiner Hochzeit mit Doflamingo nichts mehr im Wege steht." Überraschenderweise wirkte Mihawk nicht begeistert angesichts dieser Aussage, sondern verzog besorgt den Mund. Schließlich meinte er: "Ich finde es gut, dass du neue Arbeit gefunden hast und nun dazu in der Lage bist, deine Schulden abzubezahlen. Und ich weiß auch, dass ich kein Recht dazu habe, mich in eure Beziehung einzumischen... doch denkst du nicht, dass du Doflamingo endlich die Wahrheit sagen solltest? Da du jetzt wieder ein Einkommen hast, gibt es ja keinen Grund mehr für dich, um deine Kündigung länger geheimzuhalten. Hältst du es für richtig, mit einer Lüge in eure Ehe zu starten? Ich bin der Meinung, dass dein Verlobter die Wahrheit verdient." Crocodile senkte den Blick. Er wusste nicht so recht, was er von dem Ratschlag seines Bruders halten sollte. Er war sich dessen bewusst, dass dieser prinzipiell Recht hatte, doch gleichzeitig machte es ihn auch wütend, dass Mihawk es wagte, ihm einreden zu wollen, was richtig und was falsch war. Sein Bruder konnte seine Lebenssituation doch gar nicht nachvollziehen! Er wusste nicht, wie es war, mit einem Multimillionär zusammen zu sein, während man selbst völlig mittellos war. Schlimmer noch: Überschuldet. "Ich musste ihn anlügen wegen meiner Kündigung", sagte er also. "Ich hatte keine Wahl. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich geschämt habe. Mir blieb doch gar nichts anderes übrig als zu lügen!" "Das verstehe ich", erwiderte Mihawk. "Ich finde deine Entscheidung nicht gut, doch ich verstehe sie. Allerdings hat sich die Situation nun geändert: Du hast eine neue Arbeitsstelle gefunden. Es besteht keine Notwendigkeit mehr, die ganze Sache zu vertuschen. Ich werde dich selbstverständlich zu nichts zwingen, doch ich rate dir, ihm endlich die Wahrheit zu erzählen. Je früher du das Netz aus Lügen, das du selber gestrickt hast, auflöst, desto höher ist die Chance, dass Doflamingo dir vergibt. Wartest du zu lange, wird er vielleicht nicht mehr dazu in der Lage sein, dir zu verzeihen." "Ich danke dir für deine Sorge, aber ich tue, was ich für richtig halte", sagte Crocodile und bemühte sich um eine gefasste Stimme. Mihawk seufzte. "Du bist und bleibst ein Sturkopf", meinte er schließlich. "Ich hoffe bloß, dass dein Stolz nicht das Ende für deine Beziehung zu Doflamingo bedeuten wird. Er liebt dich sehr. Und ich denke, dass er ein guter Mensch ist. Es würde mir für euch beide leidtun." Crocodile nickte bedächtig. "Wir sollten zurückgehen", meinte er. "Doflamingo wartet sicherlich schon auf mich." "Bitte lass dir meine Worte noch einmal durch den Kopf gehen", sagte Mihawk, während er seine Hand an die Türklinke legte. "Du bist mein kleiner Bruder und ich wünsche mir alles Gute für dich." "Ich schätze deine Sorge um mich sehr", erwiderte Crocodile und kehrte gemeinsam mit seinem Bruder in den Flur zurück, wo Hancock und Doflamingo auf sie warteten. Crocodile umarmte seine Schwester und warf Mihawk einen nachdrücklichen Blick zu, ehe er gemeinsam mit seinem Verlobten das Haus verließ. Draußen war dunkel und kalt. Sofort begann Crocodile zu zittern; er war ein Mensch, der sehr empfindlich auf Kälte reagierte. "Worüber wollte Mihawk mit dir sprechen?", fragte Doflamingo ihn mit teils neugierig, teils besorgt klingender Stimme, während sie sich auf den Weg zum Auto machten. "Ihm ist mein Verlobungsring aufgefallen", antwortete Crocodile. "Er wollte mir zu unserer Verlobung gratulieren." * Franky hatte nicht gelogen, als er prophezeite, dass eine Menge Arbeit und Stress auf ihn zukämen. Kaum trat Crocodile am Montag seinen ersten Arbeitstag bei Tom's Workers an, überschüttete man ihn mit wichtigen Aufgaben verschiedenster Art. Er hatte gerade einmal seine Jacke aufgehangen und das Foto von Doflamingo, das er immer am Arbeitsplatz stehen hatte, auf seinen Schreibtisch gestellt, als Kiwi in sein Büro kam und meinte, in fünf Minuten würde ein Kunde anrufen, der kurzfristig noch einen Stand für die bereits in wenigen Monaten stattfindende Messe mieten wollte. Crocodile nickte und atmete tief durch. Es war ein überwältigendes Gefühl zu wissen, dass man eine wichtige Position bekleidete. Dass man gebraucht wurde. Entscheidungen fällte. Nicht der Niederste in der Kette war. Crocodile genoss seine neue Arbeit sehr. Endlich wurde er nicht mehr mit unwichtigen und stupiden Aufgaben gequält. Diese Zeit war vorbei. Er gab offen zu, dass er ein Workaholic war; ein echtes Arbeitstier. Nicht umsonst hatte Crocodile sich für ein teures Studium entschieden und sich mühselig bis zu Spitze hochgearbeitet. Es ging ihm nicht nur ums Geld. Er wollte seinem Leben Bedeutung verleihen. Er wollte etwas erreichen. Dass er viel Arbeit zu erledigen hatte, störte ihn dabei nicht im geringsten. Man konnte die Karriereleiter nicht erklimmen, wenn man die Hände in den Hosentasche hatte. Crocodile warf dem Foto von Doflamingo einen liebevollen Blick zu und lächelte breit, als er das Telefon abnahm. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich das letzte Mal so gut gefühlt hatte. Auf dem Weg nach Hause kam Crocodile an einem kleinen Blumenladen vorbei. Plötzlich erinnerte er sich daran, dass sein Partner ihm vor ein paar Wochen einen Rosenstrauß mitgebracht hatte. Ohne irgendeinen Anlass; einfach aus einer Laune heraus. Crocodile beschloss kurzerhand, diese liebe Geste zu erwidern. Es war lange her, seit er das letzte Mal einen Blumenstrauß verschenkt hatte. Eigentlich war Crocodile kein Mensch, der viel für Pflanzen übrig hatte. Er bevorzugte praktische und funktionale Geschenke. Doflamingo hingegen war verrückt nach jeder Art von Kitsch und Romantik. Crocodile war sich sicher, dass er sich über einen hübschen Blumenstrauß freuen würde. "Guten Tag", begrüßte ihn freundlich die junge Verkäuferin, die hinter dem Verkaufsthresen stand. "Mein Name ist Marguerite. Kann ich Ihnen helfen?" Crocodile nickte. "Ich suche einen hübschen Blumenstrauß. Nicht zu groß, nicht zu festlich. Gerne mit ein paar seltenen Blumen." "Hier sind Sie genau richtig", meinte Marguerite. "Heute erst sind uns einige sehr seltene und wunderschöne Orchideen geliefert worden. Welche Farbe bevorzugen Sie?" Crocodile brauchte nicht lange zu überlegen. "Haben Sie zufällig Orchideen mit rosafarbenen Blüten da?", fragte er. Marguerite nickte. "Möchten Sie bei einer Farbe bleiben oder eine zweite dazunehmen?", fragte sie, und führte ihn in den Bereich des Blumenladens, in dem die besagten Orchideen ausgestellt wurden. "Orchideen sind sehr farbenreiche Pflanzen. Sie haben die Auswahl zwischen faktisch allen Farben, die es gibt. Auch die Form der Blüten ist variabel." "Ich möchte bei einer Farbe bleiben", erwiderte Crocodile und musterte die Blumen, die Marguerite ihm zeigte. Er kannte sich nicht sonderlich gut aus, was Pflanzen anging. Schlussendlich entschied er sich für eine Orchideenart mit großen, rosafarbenen Blüten und einem starken, hellgrünen Stiel. Sie wirkte sehr außergewöhnlich; Crocodile zweifelte nicht daran, dass sie seinem nicht weniger extravaganten Verlobten gefallen würde. Marguerite stellte ihm einen hübschen Strauß zusammen: Das Hauptaugenmerk lag auf der seltenen Orchidee, außerdem fügte sie ebenfalls rosafarbenes Beiwerk hinzu. Crocodile selbst hatte nicht sonderlich viel für diese mädchenhafte Farbe übrig; doch er wusste, dass Doflamingo sie liebte. Und schließlich ging es darum, seinem Verlobten eine Freude zu bereiten, und nicht ihm selbst. "Das macht sechsundzwanzig Berry", sagte Marguerite, während sie den entsprechenden Betrag in die Kasse eintippte. Crocodile holte dreißig Berry aus seinem Portemone hervor und überreichte sie Marguerite. "Das stimmt so", meinte er und begutachtete den Blumenstrauß in seiner Hand. Er hoffte wirklich sehr, dass Doflamingo sich freuen würde. Wenn schon nicht über die seltene Orchidee, dann doch wenigstens über die Geste. "Vielen Dank", sagte Marguerite und lächelte freundlich. "Beehren Sie uns bitte bald wieder." bye sb Kapitel 15: Kapitel 8 --------------------- Crocodile wachte früh am Morgen auf. Ihn hatte die Übelkeit geweckt, die versuchte sich ihren Weg seine Speiseröhre hinauf zu bahnen. Rasch wollte er hinüber ins angrenzende Badezimmer stürmen, doch er schaffte es nicht rechtzeitig: Ein übelriechender Schwall Erbrochenes landete auf dem Teppichboden neben dem Bett. Crocodile fühlte sich furchtbar. Er wollte sich nicht übergeben, hatte sich sogar die rechte Hand auf den Mund gepresst, doch er konnte einfach nichts dagegen tun. Kaum hatte er zweimal tief ein- und ausgeatmet, übermannte ihn abermals der Brechreiz. Völlig hilflos musste er mitansehen, wie er sich erneut in mehreren Schüben erbrach. Als er hörte, wie neben ihm im Bett die Decke raschelte, erhob Crocodile sich hastig. Auf leisen Sohlen huschte er hinüber ins Bad und verschloss die Türe hinter sich. Er war eine sehr stolze Person und wollte nicht, dass Doflamingo ihn in diesem Zustand sah. Außerdem schämte er sich, weil er sicher war, dass sein Atem bitter nach Erbrochenem stank. Kraftlos schleppte Crocodile sich zur Toilette hinüber. Er übergab sich mehrere Male, ehe er sich endlich ein wenig besser fühlte. Anschließend gönnte er sich selbst fünf tiefe Atemzüge, um wieder zu sich zu finden. Der schicken Designeruhr an der Wand entnahm er, dass es gerade einmal fünf Uhr fünfundzwanzig war. Nicht gerade die schönste Art, um in einen neuen Tag zu starten. Es klopfte laut an der Türe. "Crocodile?" Die Stimme seines Partners klang besorgt. "Geht es dir gut? Bitte mach auf!" Verdrossen zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Es war nicht seine Absicht gewesen, Doflamingo zu wecken. Dieser hatte gestern Abend einen wichtigen Geschäftstermin gehabt und war erst sehr spät ins Bett gekommen. "Ich bin okay", sagte er so laut, dass man ihn mit Sicherheit auch durch die geschlossene Türe hindurch verstehen konnte. Glücklicherweise klang seine Stimme recht überzeugend. So sehr Crocodile es auch verabscheute, sich zu erbrechen, so war er den Hergang doch gewöhnt: Sein empfindlicher Magen reagierte auf viele Speisen, indem er sie wieder von sich stieß. Nicht selten litt Crocodile entweder unter heftiger Übelkeit oder Durchfall, wenn er irgendein neues Gericht ausprobierte. "Sicher? Musst du dich nicht mehr übergeben? Und jetzt öffne bitte endlich die verdammte Tür!" "Du kannst dich ruhig wieder ins Bett legen", erwiderte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein ungekämmtes Haar. "Ich putze mir nur eben die Zähne und komme danach zu dir." "Warum machst du nicht einfach die Tür auf?" Inzwischen klang Doflamingos Stimme nicht bloß besorgt, sondern auch ungeduldig. "Ich will mich davon überzeugen, dass es dir gut geht." "Du bist heute erst so spät nach Hause gekommen", wandte Crocodile ein. "Bestimmt bist du müde. Ich möchte dich nicht vom Schlafen abhalten. Leg dich einfach wieder hin. Es ist alles in Ordnung. Versprochen." "Du hast doch wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!", war jedoch zu seiner Verwunderung die empört klingende Erwiderung, die er seitens Doflamingo erhielt. "Ich geh doch nicht schlafen, wenn mein Verlobter sich im Bad einsperrt und sich die Seele aus dem Leib kotzt! Für wie rücksichtslos hältst du mich denn eigentlich? Und jetzt öffne endlich die Türe oder ich breche sie auf!" "Ist ja schon gut", meinte Crocodile, der, um ehrlich zu sein, ein wenig erschrocken war angesichts dieser unerwartet heftigen Reaktion. Er nahm sich einen kurzen Moment Zeit, um sein unordentliches Haar glattzustreichen und um seinen nach Erbrochenem schmeckenden Rachen rasch mit einem Schluck Mundwasser auszuspülen. Anschließend drehte er den Schlüssel im Schloss herum, sodass Doflamingo die Badezimmertüre öffnen konnte. Wie immer, wenn dieser seine Brille nicht trug, fühlte Crocodile sich, als würde er geröntgt werden. Doflamingos grüne Augen drückten Besorgnis und Beunruhigung aus. Crocodile, der es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man sich um ihn sorgte, begann sofort sich unwohl zu fühlen. "Mir geht es gut", meinte er rasch und wich dem penetranten Blick seines Partner aus. "Ich habe mich eben übergeben, aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Tut mir leid, dass ich dich aufgeweckt habe." "Du musst dich nicht entschuldigen", erwiderte Doflamingo und zog ihn in eine Umarmung, die Crocodile zu seiner eigenen Überraschung zuließ. Er legte sogar den Kopf an die Schulter seines Verlobten und schloss für einen Moment die Augen. Es war ein unwahrscheinlich angenehmes Gefühl. "Aber wieso ist dir denn schlecht geworden?", fuhr Doflamingo fort. "Bist du krank?" Ungefragt legte er seine Hand auf Crocodiles Stirn. "Oder hast du gestern Abend vielleicht ein Glas Wein zu viel getrunken?" "Es hat wahrscheinlich bloß an meinem Magen gelegen", erwiderte Crocodile und brachte ein wenig Distanz zwischen sich und seinen Partner. Dass dieser ihn so einfach betastete, gefiel ihm überhaupt nicht. "Ich habe gestern Abend vermutlich irgendetwas gegessen, was mir nicht gut bekommen ist. So etwas passiert häufiger." "Bist du dir da sicher?", hakte Doflamingo nach. "Deine Temperatur ist leicht erhöht. Vielleicht sollte ich lieber einen Arzt rufen?" "Unsinn!", warf Crocodile energisch ein. Er hielt den Vorschlag seines Partners für völlig überzogen. Immerhin hatte er sich bloß übergeben; er war nicht sterbenskrank. "Alles was ich jetzt brauche, ist ein wenig Ruhe. Wir sollten uns wieder ins Bett legen und versuchen zu schlafen. Morgen wird es mir ganz bestimmt wieder besser gehen." "Okay, gut", sagte Doflamingo, obwohl Crocodile sicher war, dass er seinen Verlobten noch nicht vollständig überzeugt hatte. "Ich lasse nur schnell einen Angestellten das Erbrochene im Schlafzimmer wegmachen. Dann können wir weiterschlafen." Crocodile nickte. "Es tut mir wirklich leid", meinte er noch einmal mit ehrlich schuldbewusster Stimme. "Es ist nicht meine Absicht gewesen, den Teppich zu versauen. Ich wollte sofort hinüber ins Badezimmer gehen, aber habe es nicht mehr geschafft." "Ach, vergiss doch den blöden Teppich", erwiderte Doflamingo und winkte ab. "Ich hoffe bloß, dass du Recht hast und es dir morgen wirklich besser geht; nicht dass du dir womöglich irgendeine Art von Magen-Darm-Grippe eingefangen hast." "Wir können getrennt schlafen, wenn du möchtest", bot Crocodile hilfsbereit an. "Dann riskierst du keine Ansteckung. Allerdings glaube ich nicht, dass es eine Grippe oder Ähnliches ist; nur mein blöder Magen, der mal wieder Ärger macht. Zwischenfälle wie diesen hier habe ich schon ziemlich häufig erlebt." Doflamingo schüttelte den Kopf. "Natürlich schlafen wir nicht getrennt", meinte er sofort. "Wo denkst du nur hin? Putz dir deine Zähne und dann legen wir uns wieder ins Bett. Du solltest dich ausruhen. Morgen sehen wir dann weiter." "In Ordnung", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu und griff nach seiner Zahnbürste. Er selbst war sich sehr sicher, dass er bloß an einer Magenverstimmung litt. Crocodile konnte seinen eigenen Körper ziemlich gut einschätzen. Wenn er sich erbrach oder Durchfall hatte, lag dies in den meisten Fällen einfach bloß daran, dass er irgendetwas gegessen hatte, was sein überaus empfindlicher Magen nicht vertrug. Nichtsdestotrotz war er doch recht froh darüber, dass es sich beim heutigen Tag um einen Samstag handelte und er aus diesem Grund ausschlafen durfte. Erst jetzt spürte Crocodile, wie schrecklich müde und erschöpft er eigentlich war. Ein paar Stunden erholsamen Schlaf würden ihm auf jeden Fall guttun. Als er das nächste Mal aufwachte, war es dreizehn Uhr dreißig. Zu seinen Ungunsten fühlte Crocodile sich keineswegs besser als zuvor, vielleicht sogar ein wenig schlechter. Wieder war ihm speiübel, außerdem hatte er Kopfschmerzen. Schlaftrunken griff er nach der Flasche Wasser, die immer auf seinem Nachttisch stand, und nahm einige Schlücke. Er wusste, dass man durch Erbrechen und Durchfall viel Flüssigkeit verlor, und auch Kopfschmerzen konnten ein Zeichen von Dehydration sein. Nachdem er die halbe Flasche leer getrunken hatte, ging es ihm ein klein wenig besser. Crocodile fand die andere Seite des Bettes verwaist vor; Doflamingo war bereits aufgestanden. Er fuhr sich durch sein ungekämmtes und verknotetes Haar, ehe er sich zum zweiten Mal an diesem Tag im Badezimmer einschloss, um sich zu übergeben. Gerade verließ er (frisch geduscht und vernünftig eingekleidet) das Bad, als Doflamingo ihr gemeinsames Schlafzimmer betrat. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte auch sein Partner sich bereits für den Tag fertig gemacht. Sein Blick blieb unter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen. "Oh, du bist endlich aufgewacht", meinte er in einem freundlich und erleichtert klingenden Tonfall. "Ich habe immer mal wieder nach dir gesehen. Geht es dir besser?" Crocodile nickte und bemühte sich darum, so wenig wie möglich zu lügen, als er seine Worte wählte: "Es geht mir besser als heute Nacht. Dass ich mich erbrochen habe, lag vermutlich wirklich bloß an meinem empfindlichen Magen." "Das ist schön zu hören", erwiderte Doflamingo und kam ein wenig näher. Erneut legte er ungefragt seine Hand auf die Stirn seines Partners. Sofort wich Crocodile ein Stück zurück. "Lass das!", meinte er scharf. "Ich kann es nicht leiden, wenn du das tust!" "Deine Temperatur ist immer noch leicht erhöht", erwiderte Doflamingo, ohne auf seinen Einwand einzugehen. "Ach, das kannst du doch gar nicht wissen", widersprach Crocodile. "Es ist unmöglich, zuverlässig die Temperatur zu messen, indem man die Hand auf die Stirn legt. Man spürt ja bloß das Verhältnis zur eigenen Körpertemperatur. Vielleicht hast du heute also einfach nur ziemlich kalte Hände. Mir ist jedenfalls nicht besonders warm." "Ich habe im Badezimmer ein Fieberthermometer da", meinte Doflamingo daraufhin. "Das misst deine Körpertemperatur exakt." Crocodile rollte mit den Augen. "Du übertreibst maßlos, Doflamingo", sagte er und warf seinem Verlobten einen ernsthaften Blick zu. "Mir geht es gut. Jeder übergibt sich ab und an mal. Es ist alles in Ordnung. Hör bitte auf, dir Sorgen um mich zu machen." Sein Verlobter biss sich auf die Unterlippe und schwieg für einen Moment. Schließlich sagte er: "Bitte, Crocodile. Seine Gesundheit sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Als du dich heute Nacht übergeben hast, musste ich sofort wieder an diesen schrecklichen Vorfall im Skypia zurückdenken. Danach hast du tagelang im Krankenhaus gelegen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie besorgt ich um dich war und was für schlimme Vorwürfe ich mir selbst gemacht habe. Ich würde mich wirklich besser fühlen, wenn ich genau wüsste, ob du krank bist oder nicht." "Das kann man doch überhaupt nicht miteinander vergleichen", wandte Crocodile ein. "Im Skypia wurden meine Drinks vergiftet. Deswegen habe ich mich übergeben. Aber das kann ja dieses Mal überhaupt nicht der Fall gewesen sein. Wahrscheinlich hätte ich einfach bloß lieber die Finger von den Würstchen lassen sollen, die ich gestern Abend gegessen habe. Die waren wohl doch ein bisschen zu fettig für meinen empfindlichen Magen." Auch wenn er mit diesen Worten seinen besorgten Verlobten ein Stück weit beruhigen zu können schien, wirkte Doflamingo noch immer nicht vollständig überzeugt. "Bitte", meinte er. "Es stellt doch wirklich keinen Umstand dar, eben deine Temperatur zu messen." Crocodile seufzte leise und gab schließlich klein bei. Er kannte Doflamingo gut genug, um zu wissen, dass dieser ansonsten den ganzen Tag lang keine Ruhe geben würde. Sein Partner konnte manchmal nämlich fast schon beeindruckend penetrant und hartnäckig sein. Crocodile war sich sicher, dass Doflamingo als Kind schrecklich verzogen worden war und ausnahmslos immer bekommen hatte, was er wollte. "Also gut", sagte er schließlich seufzend. "Dann hol eben dieses blöde Fieberthermometer her. Aber ich bin mir sicher, dass du völlig umsonst ein solches Theater veranstaltest." Doflamingo hastete sofort hinüber ins angrenzende Badezimmer, um besagtes Thermomether hervorzukramen. Es dauerte nicht lange, bis er es gefunden hatte und ins Schlafzimmer zurückgekehrt war. Crocodile hatte sich inzwischen aufs Bett gesetzt. Er war sich sicher, dass er kein Fieber hatte. Doflamingo übertrieb bloß (wie so oft) völlig maßlos. "Mund auf", wies ihn sein Verlobter an. Crocodile rollte genervt mit den Augen, doch tat wie ihm geheißen und ließ zu, dass Doflamingo das digitale Fieberthermometer unter seine Zunge schob. "Wir müssen eine Minute warten", erklärte sein Partner ihm und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um Doflamingo nicht darauf hinzuweisen, dass er durchaus wusste, wie ein Fieberthermometer funktionierte. Je nach Art des Geräts wartete man zwischen einigen Sekunden und mehreren Minuten, ehe ein Piepton zu hören war. Dann konnte die Temperatur abgelesen werden. "38, 1 Grad", meinte Doflamingo. "Ich hatte also doch recht: Du hast Fieber!" "Bloß leichtes Fieber", lenkte Crocodile ein, der (ob er es zugeben wollte oder nicht) doch recht überrascht war angesichts des Messergebnisses. Damit hatte er nicht gerechnet gehabt. Trotzdem war er der Ansicht, dass noch lange kein Grund zur Beunruhigung bestand. "Das geht von selbst wieder vorüber. Ich bin mir sicher, wenn ich mich heute schone, wird es mir morgen wieder gutgehen." Doflamingo zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Ich weiß ja nicht", meinte er unschlüssig. "Soll ich nicht doch lieber einen Arzt für dich rufen?" Crocodile schüttelte den Kopf. "Was würde der denn schon tun? Mir wahrscheinlich bloß ein fiebersenkendes Mittel verschreiben. Und was das Einnehmen von Medikamenten angeht, bin ich prinzipiell sowieso ziemlich misstrauisch eingestellt. Ich möchte lieber versuchen, das Fieber auf anderem Wege zu senken. Du hast doch bestimmt ein paar Wadenwickel da, oder nicht?" Sein Verlobter nickte. "Wir können es zuerst mit den Wadenwickeln versuchen", meinte er. "Aber wenn sie nicht helfen, sollten wir auf jeden Fall einen Arzt rufen." "Ich denke nicht, dass das nötig sein wird", entgegnete Crocodile. "Wadenwickel haben bei mir bisher immer sehr gut funktioniert." "Warum wehrst du dich so vehement dagegen, von einem Arzt untersucht zu werden?", fragte ihn Doflamingo plötzlich. "Man könnte meinen, du hättest Angst davor." "Ich habe keine Angst vor Ärzten", meinte Crocodile wahrheitsgemäß. "Nun ja, vielleicht vor dem Zahnarzt, wenn er bohren muss, aber ansonsten nicht. Ich kann Ärzte bloß einfach nicht leiden." "Wieso nicht? Ärzte tun Gutes; sie retten Leben. Ich verstehe nicht, wie man sie deshalb verachten kann." "Ich verachte sie nicht", lenkte Crocodile rasch ein. "Ich weiß ja, dass der Arztberuf sehr ehrenhaft ist. Aber ich verbinde mit Ärzten nun einmal nicht unbedingt Positives. Ich meine, das letzte Mal, als ich im Krankenhaus lag, bin ich von meinem psychopathischen Exfreund vergiftet worden. Und davor gab es auch noch andere schlimme Vorfälle: die Verletzung in meinem Gesicht, der Verlust meiner linken Hand und so weiter. Als ich zwölf Jahre alt war, musste ich wegen eines schwierig gebrochenen Beins sogar volle drei Monate im Krankenhaus verbringen. All meine Erinnerungen an Ärzte und Krankenhäuser sind an schreckliche Ereignisse gebunden. Deswegen versuche ich meistens zuerst, mir selbst zu helfen." "Das kann ich natürlich nachvollziehen", meinte Doflamingo. "Trotzdem bekomme ich zunehmend das Gefühl, dass du in letzter Zeit sehr fahrlässig mit deinem Körper umgehst. Da muss ich nur an den starken Gewichtsverlust denken, den du vor kurzem erlitten hast. Und du bist noch immer nicht bei einem gesunden Körpergewicht angelangt." "Es fehlen bloß noch drei oder vier Kilogramm", wandte Crocodile ein. "Außerdem bemühe ich mich doch darum, genug zu essen. Mehr kann ich nicht tun. Es ist nicht meine Schuld, wenn ich krank werde." "Das habe ich auch nicht behauptet", entgegnete sein Verlobter. "Ich meine bloß, dass du ein bisschen besser auf die Signale achten solltest, die dein Körper dir gibt. Deinen Gewichtsverlust wolltest du dir überhaupt nicht eingestehen, ehe ich dich dazu gezwungen habe, dich zu wiegen. Und genauso war es gerade eben mit dem Fieber. Du ignorierst es meisten einfach, wenn es dir schlecht geht. Du spielst deine Symptome solange herunter, bis man dir bewiesen hat, dass du krank bist. Erst dann reagierst du darauf. Das ist keine vernünftige Art und Weise, um mit seinem Körper umzugehen." "Ich bin bloß niemand, der wegen jeder Kleinigkeit sofort den Arzt ruft", wandte Crocodile ein, der sich durch die harsche Kritik seitens Doflamingo ernsthaft verletzt fühlte. "Für mich kommt es nicht infrage, ständig irgendwelche Medikamente und Schmerzmittel einzunehmen, die gar nicht notwendig sein. Das ist nämlich mindestens genauso schlecht!" "Darum geht es doch auch gar nicht", meinte sein Partner. "Natürlich ist es nicht gut, wenn man wegen jedem kleinen Wehwehchen wie verrückt Tabletten schluckt. Aber ernsthafte Krankheitssymptome einfach zu missachten, kann sehr gefährlich werden! Ich liebe dich, Wani, und ich möchte einfach nicht riskieren, dass du unnötig leidest. Je früher man zum Arzt geht, desto höher ist die Chance, dass man schnell wieder vollständig gesund wird." "Du tust so, als wäre ich sterbenskrank", warf Crocodile verärgert seinem Partner vor. "Ich habe mich bloß übergeben und meine Temperatur ist leicht erhöht. Unter diesen Symptomen leidet doch jeder manchmal. Es gibt keinen Grund, um in Panik auszubrechen, Doflamingo. Du machst mich noch ganz verrückt mit deinen Paranoia!" "Es sind keine Paranoia", wandte Doflamingo in einem unerwartet energisch klingenden Tonfall ein. Er zögerte einen Augenblick, ehe er mit leiser Stimme anfügte: "Die Krankheit, an der meine Mutter gestorben ist, hat auch mit harmlosen Symptomen begonnen. Sie hat angefangen ständig zu husten, litt unter Kopfschmerzen und Fieber, doch wollte nicht zum Arzt gehen. Erst als es ihr deutlich schlechter ging, haben wir sie dazu überreden können, sich untersuchen zu lassen. Der Arzt stellte eine schwere Grippe fest; er hat versucht ihr zu helfen, doch er konnte nichts mehr für sie tun. Ich bin mir sicher, dass man meine Mutter hätte retten können, wenn sie nur früher beim Arzt gewesen wäre. Seitdem bin ich vielleicht ein wenig überempfindlich, was dieses Thema angeht, aber ich möchte einfach verhindern, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt." Crocodile wusste nicht, wie er auf dieses überraschende Geständnis reagieren sollte; er hatte überhaupt nicht gewusst gehabt, dass Doflamingos Mutter an einer Grippe gestorben war. Schließlich räusperte er sich und meinte: "Das, ähm, tut mir leid. Warum versuchen wir es nicht mit einem Kompromiss: Heute benutze ich die Wadenwickel, um mein Fieber zu senken. Und sollte es mir bis morgen nicht besser gehen, dann rufen wir einen Arzt. In Ordnung?" "In Ordnung", erwiderte Doflamingo und nickte. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber gewesen, wenn er wieder einmal seinen Willen hätte durchsetzen zu können, doch mit der Lösung, die Crocodile ihm vorgeschlagen hatte, schien er auch leben zu können. Den restlichen Samstag verbrachte Crocodile damit, im Bett zu liegen, Bücher zu lesen und den Tee zu trinken, den sein Verlobter ihm in regelmäßigen Abständen brachte. Und obwohl das Fieber und die Kopfschmerzen ihm zu schaffen machten, musste Crocodile sich eingestehen, dass seine Situation deutlich schlechter sein könnte. Auch wenn er es nur ungern zugab, genoss er es sehr, von Doflamingo umsorgt zu werden, ohne dass er ihn belästigte oder nervte. (Vermutlich war dieser der Ansicht, dass er jetzt besonders viel Ruhe brauchte). Es tat Crocodile gut, eine Pause einzulegen und sich für ein paar Stunden um nichts kümmern zu müssen. Selbst seine Arbeit schob er ausnahmsweise einmal beiseite: Er checkte nicht seine Emails, rief niemanden an und durchsah nicht noch einmal seine Pläne für die nächste Arbeitswoche. "Wie geht es dir, Wani?" Doflamingo legte wieder einmal ungefragt seine Hand auf die Stirn seines Partners; Crocodile hatte sich an diese aufdringliche Geste inzwischen gewohnt und es aufgegeben, Doflamingo zurechtzuweisen. Immerhin meinte es sein Verlobter nur gut. "Schon viel besser", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Ich habe mich seit heute Mittag nicht mehr übergeben. Und ich habe das Gefühl, dass auch das Fieber gesunken ist. Was meinst du?" "Deine Stirn ist tatsächlich nicht mehr so heiß wie heute Morgen", sagte Doflamingo. Er klang erleichtert, wenn auch nicht hundertprozentig zufrieden. "Trotzdem wäre es mir lieber, wenn ich deine exakte Körpertemperatur wüsste. Ich hole eben das Fieberthermometer, ja?" Crocodile nickte. Er war sehr froh darüber, dass er sich auf dem Weg der Besserung befand. Nur ungern hätte er am Montag bei der Arbeit gefehlt. Es gab unheimlich viel zu tun und er trug schließlich große Verantwortung. Wenn jemand, der eine so hohe Stelle bekleidete wie er, fehlte, dann wurde der gesamte Betriebsablauf gestört oder zumindest stark verlangsamt. Aus diesem Grund ließ Crocodile sich nur sehr selten krankschreiben, selbst wenn ihn ein paar Symptome plagten. Er hatte sich nun einmal für eine Arbeitsstelle mit Führungsposition entschieden und musste damit Leben, dass viel von ihm gefordert wurde. Es hatte ihm nie etwas ausgemacht; am Ende war er eben doch ein echter Workaholic. Ehe Doflamingo ihn erneut dazu anweisen konnte, seinen Mund zu öffnen, hatte Crocodile diesem das Fieberthermometer längst weggenommen und es sich selbst unter die Zunge gelegt. Er genoss es, von seinem Partner bedient und verwöhnt zu werden, doch er konnte es nicht leiden, wenn dieser so tat, als handelte es sich bei ihm um ein kleines Kind. Crocodile war der Ansicht, dass er durchaus dazu in der Lage, bei sich selbst Fieber zu messen. Doflamingo ließ es sich natürlich trotzdem nicht nehmen, das Thermometer wieder an sich zu nehmen, als es piepte. "37,7 Grad", las dieser ab. "Das ist doch gut", merkte Crocodile an. "Fast schon Normaltemperatur. Morgen bin ich sicher wieder fit." "Hoffentlich", erwiderte Doflamingo. "Aber vielleicht solltest du dich für Montag lieber krankschreiben lassen. Nur zur Sicherheit." "Unsinn", meinte Crocodile kopfschüttelnd. "Ich werde garantiert nicht Zuhause bleiben, wenn es mir gut geht. Sonst bleibt bloß eine Menge Arbeit liegen, die ich dann zu einem anderen Zeitpunkt erledigen muss. Im Endeffekt hätte ich also nichts gewonnen. Außerdem ist morgen erst Sonntag. Das heißt, dass ich noch einen ganzen Tag lang Zeit habe, um mich vollständig auszukurieren." "Okay, gut", sagte Doflamingo widerstrebend und legte das Fieberthermometer zur Seite. "Aber dann solltest du dich wenigstens morgen auch noch schonen und im Bett liegen bleiben. Ich kann zwar verstehen, dass es sehr ärgerlich für dich ist, wenn du das Wochenende auf diese Weise verbringen musst, aber deine Gesundheit geht selbstverständlich vor. Ich möchte lieber kein Risiko eingehen!" "In Ordnung." Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile überhaupt kein Problem damit, auch den folgenden Tag im Bett zu verbringen. Er hatte gerade begonnen einen sehr spannenden Roman zu lesen, den er morgen gerne beenden würde. Noch während er über die Handlung des Romans nachdachte, kam ihm plötzlich ein ganz anderer Gedanke: Würde sein Verlobter mit ihm schlafen wollen, auch wenn er krank war? Geistesabwesend zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Doflamingo und er hatte im Regelfall an jedem Tag, den sie gemeinsam verbrachten, miteinander Sex; mindestens einmal, manchmal auch mehrmals. Er hatte nichts dagegen. Sein Verlobter war ein guter Liebhaber und Crocodile kam immer auf seine Kosten. Gleichzeitig war er sich jedoch auch dessen bewusst, dass Doflamingo dem Geschlechtsverkehr eine größere Bedeutung zuwies als er. Crocodile verfügte über ein schwächeres Libido als sein Partner. Ihm machte es nichts aus, mal einen oder auch mehrere Tage lang auf Sex zu verzichten. Er konnte jedoch nur schwer einschätzen, wie Doflamingo die Sache sah. Natürlich hatte dieser zuvor auch schon des Öfteren zurücktreten müssen. Schließlich hatten sie bis vor kurzem noch gar nicht zusammen gewohnt und sich nicht unbedingt jeden Tag getroffen. Doch wenn sie sich sahen, dann hatten sie Sex miteinander. Für Crocodile handelte es sich hierbei um eine Art unausgesprochene Regel. Unweigerlich überlegte er sich, ob er körperlich wohl dazu in der Lage sein würde, heute mit seinem Verlobten zu schlafen. Da inzwischen seine Kopfschmerzen abgeflaut waren und auch sein Fieber deutlich gesunken war, ging Crocodile davon aus, dass dem Sex nichts im Wege stand. Er nahm sich vor, heute Abend, wenn Doflamingo sich zu ihm ins Bett legte, den Versuch zu wagen. Schlussendlich hatte er ja nichts zu verlieren. "Warum verziehst du dein Gesicht?", riss ihn plötzlich sein Partner mit besorgter Stimme aus seinen Gedanken. "Hast du etwa Schmerzen? Macht dir wieder dein Magen zu schaffen?" Rasch schüttelte Crocodile den Kopf. "Nein, nein", meinte er und bemühte sich um einen glaubwürdig klingenden Tonfall. "Es ist alles in Ordnung; ich habe keine Magenschmerzen." "Sicher?", hakte Doflamingo nach; er wirkte nicht hundertprozentig überzeugt. "Leidest du denn noch unter anderen Beschwerden als Übelkeit und Fieber? Kopfschmerzen? Schüttelfrost? Blut im Urin oder Durchfall?" "Darüber werde ich garantiert nicht mit dir reden!", erwiderte Crocodile aufgebracht und spürte sofort, wie sein Gesicht und seine Ohren rot wurden. Er war eine schrecklich schamhafte Person. "Wie kannst du mich nur solche Dinge fragen! Das ist ja widerlich!" Doflamingo wirkte sehr verdutzt angesichts des plötzlichen Wutanfalls seines Verlobten; er schien dessen Empörung überhaupt nicht nachvollziehen zu können. "Was ist denn nur los mit dir?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch. "Du musst dich doch nicht schämen. Es ist überhaupt nicht schlimm, mit seinem Verlobten über solche Dinge zu sprechen. Immerhin geht es um deine Gesundheit." "Über so etwas redet man mit überhaupt niemandem", wandte Crocodile (noch immer knallrot im Gesicht) ein. "Höchstens mit einem Arzt. Es ist nämlich widerlich und unangebracht!" Auch wenn Doflamingo wie üblich seine Sonnenbrille trug, konnte Crocodile genau sehen, dass sein Partner mit den Augen rollte. Im Gegensatz zu ihm selbst machte dieser überhaupt keinen peinlich berührten Eindruck. Es schien ihm überhaupt keine Probleme zu bereiten, über solch ekelhafte Themen zu sprechen. "Wie kann man nur so fürchterlich verklemmt sein?", hörte er Doflamingo leise murmeln, ehe dieser mit lauterer Stimme meinte: "Also, was ist nun? Blut im Urin? Durchfall? Oder vielleicht Verstopfung? Jetzt stell dich nicht an, Wani, sondern sag mir einfach, was los ist. Sonst mache ich mir nur unnötig Sorgen um dich." Crocodile zögerte für eine Weile, ehe er schließlich äußerst widerwillig erklärte: "Es ist alles in Ordnung. Keine Verstopfung, kein Durchfall, kein Blut im Urin. Können wir dieses Thema jetzt bitte beenden? Ich würde am liebsten im Boden versinken." Doflamingo kicherte. Wie üblich amüsierte ihn die Schamhaftigkeit seines Partners über alle Maßen. "Ist ja gut", meinte er schließlich in einem recht versöhnlich klingenden Tonfall. "Reden wir über etwas Anderes: Du hast heute noch nichts gegessen, nicht wahr? Ich habe in der Küche Bescheid gegeben, dass man für uns beide eine leckere Hühnersuppe kochen soll. Die ist in etwa einer halben Stunde fertig. Möchtest du im Speisesaal essen oder doch lieber im Bett?" "Ist das dein Ernst?", fragte Crocodile seinen Verlobten ungläubig und warf diesem eines seiner Kissen gegen den Kopf. "Du kommst von Durchfall und blutigem Urin auf Hühnersuppe zu sprechen? Kennst du denn überhaupt keinen Anstand, du Ekel?" Anstatt zu einer Erwiderung anzusetzen, brach Doflamingo bloß in lautes Gelächter aus und warf das Kissen zurück. Es war gegen dreiundzwanzig Uhr und Crocodile war der Grenze zum Einschlafen bereits sehr nahe, als Doflamingo zu ihm ins Bett kam. Sofort war Crocodile wieder hellwach. Er lauschte dem leisen Rascheln der Decke und spürte, wie sich die Matratze ein Stück weit absenkte, als Doflamingo sich neben ihn legte. Sein Verlobter machte keine Anstalten, den Sex mit ihm einzuleiten. Er berührte ihn nicht, weder direkt an seinen Geschlechtsteilen noch an irgendeiner anderen Körperstelle, und er flüsterte ihm auch keine schmutzigen Worte ins Ohr. Vermutlich, dachte Crocodile, ging Doflamingo davon aus, dass er längst tief und fest schlief, und wollte ihn nicht aufwecken. Crocodile war hin- und hergerissen. Obwohl er heute einen recht entspannten Tag verlebt hatte, fühlte er sich sehr erschöpft; das Fieber war eben doch nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Am liebsten hätte er seinen Partner also in dem Glauben gelassen, er wäre längst eingeschlafen, und würde in aller Ruhe abwarten, bis er tatsächlich im Schlaf versank. Auf der anderen Seite fühlte Crocodile sich nicht wohl dabei, Doflamingo auf diese Weise zu hintergehen. Da sie beide ein Paar waren, vertrat er irgendwo die Ansicht, dass sein Partner ein Anrecht auf Geschlechtsverkehr mit ihm hatte. Auch wenn Doflamingo ihm bereits mehrmals deutlich gemacht hatte, das er den Sex nicht als Verpflichtung ansehen sollte, konnte Crocodile sich von dieser Sichtweise nicht ganz frei machen. In seinen früheren Beziehungen war Sex zumeist kein Privileg, sondern eine absolute Selbstverständlichkeit gewesen. Schlussendlich obsiegte Crocodiles schlechtes Gewissen. Obwohl er keine echte Lust auf Sex hatte, rückte er nah an Doflamingo heran und ließ seine Finger unter das Shirt, das dieser zum Schlafen trug, gleiten. Die Berührung war federleicht, doch reichte aus, um Doflamingo aufzuschrecken. "Was machst du da?", fragte er und klang zu Crocodiles Überraschung nicht halb so begeistert wie erwartet. Weil ihm auf die Schnelle keine bessere Antwort einfiel, erwiderte Crocodile: "Na, ich verführe dich natürlich." Auch wenn er seinem Partner bloß den Sex anbot, weil er sich dazu verpflichtet fühlte, verspürte Crocodile einen Hauch von Enttäuschung angesichts Doflamingos nur mäßig enthusiastischer Reaktion. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet gehabt. Normalerweise konnte Doflamingo gar nicht genug von ihm bekommen. "Das sollten wir heute Abend lieber bleiben lassen", meinte jedoch ebenjener. Er drehte sich zu Crocodile um und warf ihm einen unerwartet ernsten Blick zu. "Du bist immer noch krank." "Aber das hat dich bisher doch überhaupt nicht gestört gehabt", wandte Crocodile irritiert ein. Es war unsinnig, dass er Doflamingo unbedingt dazu überreden wollte, Sex mit ihm zu haben (immerhin wollte er selbst ja gar nicht so wirklich), doch um ehrlich zu sein, fühlte Crocodile sich schrecklich gekränkt. Er war Zurückweisung seitens seines Verlobten nicht gewohnt. "Wir haben uns doch ständig geküsst und so weiter. Du hättest dich auch vorher schon anstecken können." "Darum geht es doch überhaupt gar nicht", erwiderte Doflamingo und verzog das Gesicht. "Du brauchst viel Energie, um wieder gesund zu werden. Und ich möchte nicht, dass du dich auspowerst. Anstatt Sex mit mir zu haben, solltest du dich lieber ausruhen und am besten versuchen zu schlafen." "Was?" Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter da von sich gab. "Ich kann verstehen, dass du Lust auf Sex hast", fuhr Doflamingo fort. "Ich hätte auch nichts dagegen, wenn du nicht krank wärst. Aber leider bist du es nun einmal. Und deswegen sollten wir heute lieber zurücktreten. Von mir aus können wir es morgen Abend versuchen, falls es dir dann besser geht." Crocodile senkte den Blick und schwieg für eine Weile. Plötzlich fühlte er sich unwahrscheinlich schlecht. Wie konnte er es bloß wagen, so schlecht von seinem Partner zu denken? Doflamingo verlangte überhaupt keinen Sex von ihm. Er lehnte ihn sogar ab. Aus Rücksicht auf ihn. Wieder einmal hatte Crocodile seinen Verlobten für egoistischer gehalten als dieser eigentlich war. Hatte Doflamingo nicht sogar schon mit ihm darüber gesprochen gehabt, dass er bitte mit weniger Stress an ihr Sexleben herangehen sollte? Wieder hatte Crocodile es vermasselt. Wieso nur musste er alles komplizierter machen als es war? "Ich hoffe, dass du jetzt nicht enttäuscht bist", warf Doflamingo hektisch ein, als er die niedergeschlagene Miene seines Partners bemerkte. "Es ist wirklich bloß, weil du krank bist! Du solltest dich schonen! Aber, ähm, wenn du unbedingt möchtest, dann kann ich dir trotzdem einen Blowjob geben oder so. Ich will dich natürlich zufriedenstellen und deinen Bedürfnissen gerecht werden, aber auf der anderen Seite... naja... shit... Wie kann ich es dir nur erklären, ohne dass du wütend auf mich wirst?" "Ist schon gut", lenkte Crocodile ein und brachte sogar ein wackeres Lächeln zustande. Er wollte nicht, dass Doflamingo sich seinetwegen schlecht fühlte. Dazu bestand überhaupt kein Anlass. "Ich verstehe, was du mir sagen möchtest." "Wirklich?" "Klar. Und du musst mir auch keinen Blowjob geben. Du sollst nichts tun, worauf du eigentlich gar keine Lust hast. Von mir aus können wir den Sex auf morgen Abend verschieben. Es macht mir nichts aus." "Dann ist ja gut." Doflamingo atmete erleichtert auf. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben. Und du bist ganz sicher nicht wütend auf mich?" "Wieso sollte ich das sein?", erwiderte Crocodile. Er beugte sich zu seinem Verlobten hinüber und küsste diesen sanft auf den Mund. Doflamingo erwiderte den Kuss bereitwillig. * Zum Abendessen hatte Doflamingo ein paar Freunde eingeladen. Crocodile war, um ganz ehrlich zu sein, nicht sonderlich begeistert davon. Seine Arbeit und seine psychischen Probleme verursachten seiner Ansicht nach bereits Stress genug; da wollte er wenigstens seine karge Freizeit so ruhig und entspannt wie nur möglich zubringen. Er hatte bereits darüber nachgedacht, sich einfach unter irgendeinem Vorwand zu entschuldigen, doch Doflamingo schien sich so sehr auf den gemeinsamen Abend zu freuen, dass Crocodile es schlussendlich doch nichts übers Herz brachte. Ihm blieb also nichts Anderes übrig, als seine Lustlosigkeit so gut wie nur möglich zu verbergen und darauf zu hoffen, dass die Zeit rasch herum ging. Es geschah sehr oft, dass Doflamingo jemanden einlud. Im Gegensatz zu Crocodile hatte er ziemlich viele Freunde und traf sich regelmäßig ihnen. Ständig gingen sie gemeinsam in einen Nachtclub, ins Kino, ins Restaurant und so weiter. Crocodile störte es nicht, dass sein Verlobter ein so geselliger Mensch war; es machte ihm nichts aus, wenn Doflamingo mit seinen Freunden etwas unternahm. Er konnte es bloß nicht leiden, wenn dieser ihn dazu drängte, ebenfalls teilzunehmen. Crocodile war kein allzu kontaktfreudiger Typ. Er verbrachte sehr gerne Zeit mit seinem Partner und hielt engen Kontakt zu seinen beiden Geschwistern und zu Daz, doch um ehrlich zu sein, reichte ihm dieses Personenumfeld bereits aus. Anstatt sich die Nächte in irgendwelchen Clubs und Diskotheken um die Ohren zu schlagen, las er lieber ein gutes Buch oder nahm ein entspannendes Schaumbad. Insgeheim war Crocodile sich dessen bewusst, dass es ihm durchaus guttun würde, sich öfter mit anderen Menschen zu treffen. Er konnte gastfreundlich, unterhaltsam, ja sogar charmant sein, wenn er wollte. Vielleicht sollte er die Gelegenheit nutzen, um sich einfach mal wieder in Gesellschaft zu begeben. Schaden würde es ihm sicherlich nicht. Außerdem bereitete Crocodile seinem Verlobten gerne eine Freude, indem er sich darum bemühte, Spaß zu haben und das gemeinsame Abendessen zu genießen. Das Bankett fand im Speisesaal im Erdgeschoss der Villa statt; dieser Raum war größer als das Esszimmer, das Doflamingo und er zumeist nutzten, wenn sie bloß zu zweit aßen, doch nicht weniger gemütlich und komfortabel eingerichtet. Eine lange Tafel bot ausreichend Platz für das Dutzend Gäste, das sein Verlobter eingeladen hatte. Crocodile und Doflamingo begrüßten den Besuch, der überraschenderweise pünktlich um acht Uhr abends erschienen war, bereits an der Tür. Die meisten Gäste kannte Crocodile zumindest flüchtig: Law, Bellamy und dessen Partner Cirkies, Dellinger und Kuma gehörten zum engeren Freundeskreis seines Partners. Dazu erschienen Vergo, Gladius, Diamante, Buffalo und Violet. Bloß zwei Gäste waren Crocodile bisher noch unbekannt: eine hübsche Frau mit langem Haar namens Monet und ein bulliger Mann, den man ihm unter dem Namen Pica vorstellte. (Es war allein Crocodiles Selbstdisziplin und Professionalität geschuldet, dass er nicht in lautes Gelächter ausbrach, als er die piepsige Stimme des Mannes hörte, die überhaupt nicht zu dessen kräftiger Statur passen wollte. Aus dem Augenwinkel heraus bekam Crocodile mit, dass sein Verlobter erleichtert aufatmete, als er Pica begrüßte. Er hatte wohl vergessen, ihn vorzuwarnen.) Obwohl die einzelnen Mitglieder der bunten Truppe sehr unterschiedlich waren, herrschte insgesamt eine gute Stimmung. Man unterhielt sich bereits unbefangen über dieses und jenes, noch ehe man den Speisesaal überhaupt erst erreicht hatte. Crocodile wusste, dass Doflamingo alles andere als geizig war und seine Freunde sehr gerne verwöhnte, doch das riesige Aufgebot an Speisen, das mehrere Angestellte auftrugen, erstaunte ihn nichtsdestotrotz: Du konntest wählen zwischen Suppe, Salat, Backwerk, Fleisch, Fisch, Garnelen, Kaviar, eingelegtes oder gefülltes Gemüse, Antipasti und vielem weiteren. Als Vorspeise selbstverständlich. Auch wenn Crocodile es sich kaum vorstellen konnte, war der zweite Gang sogar noch um einiges pompöser als der erste. Von dem Geld, dass all diese delikaten und hübsch drappierten Gerichte gekostet haben mussten, hätte Doflamingo sie alle mit Sicherheit auch in das teuerste Restaurant der Stadt, das Baratie, einladen können, dessen war Crocodile sich sicher. Plötzlich begann er sich wieder schrecklich zu fühlen, weil er monatlich bloß ein paar hundert Berry an Doflamingo zahlte, um in diesen Genuss zu kommen; dabei war bestimmt allein dieses Abendessen mehrere tausend Berry wert. Wieder einmal kam Crocodile sich vor wie ein Schmarotzer, der sich am Reichtum seines wohlhabenden Verlobten ergötzte. Er war sehr froh darüber, dass Doflamingos Freunde nicht darüber Bescheid wussten, dass er nur so wenig Miete zahlte. Crocodile nahm ein wenig Bruschetta zu sich und hielt sich aus den Konversationen, die überaus rege betrieben wurden, weitesgehend heraus, auch wenn er den einen oder anderen Gesprächsverlauf sporadisch verfolgte. Dellinger, Bellamy und Cirkies unterhielten sich über Mode und debattierten heiß die neu erschienene Kollektion irgendeines namenhaften Designers; Diamante, Buffalo, Gladius und Pika sprachen über ein Fußballspiel, das letztes Wochenende stattgefunden hatte; Vergo, Monet und Violet erinnerten sich an ihren letzten Besuch in der Oper (Crocodile konnte heraushören, dass Violet als Tänzerin und Sängerin arbeitete); und Law und Kuma unterhielten sich zuerst über Politik, dann über seinen Bruder Mihawk. Crocodile wurde unweigerlich hellhörig. "Mihawk und ich haben letztes Wochenende einen sehr hübschen Mittelalter-Markt besucht", schilderte Kuma. Wie üblich erweckte er einen sehr besonnenen Eindruck, doch man merkte dennoch, dass er sich in der Gesellschaft seiner Freunde nicht unwohl fühlte. Er war eben einfach bloß ein eher ruhiger und zurückhaltender Mensch. "Wirklich schade, dass du nicht dabei sein konntest, Law. Der Markt hätte dir bestimmt auch gefallen. Ein Stand verkaufte sogar mittelalterliches Operationswerkzeug. Sägen, Schädelbohrer und so weiter. Meistens handelte es sich um Nachbildungen, doch es wurden auch einige echte Relikte angeboten." Law zuckte mit den Schultern. "Ich wäre gern mitgekommen", meinte er, "aber leider musste die Hirnoperation, die eigentlich für Mittwoch vorgesehen gewesen war, vorgezogen worden. Das Mädchen hätte ansonsten nicht überlebt. Aber es freut mich, dass ihr beide einen schönen Tag hattet. Hatte Mihawk denn gute Laune?" "Ja, auf jeden Fall", antwortete Kuma. "Er ist eher der zurückhaltende Typ, so wie ich eben, aber man hat trotzdem deutlich gemerkt, dass er sehr ausgelassen war. Das liegt vermutlich mitunter daran, dass seine Schwester schwanger ist. Er freut sich sehr darauf, Onkel zu werden." "Tatsächlich?" Law zog eine Augenbraue hoch. "Hm, versteh mich bitte nicht falsch, aber er hat auf mich nie den Eindruck eines Menschen gemacht, der gerne mit Kindern zu tun hat. Ich meine, du weißt doch, wie er ist: Still, besonnen, ein bisschen sonderbar. Er ist auch kinderlos, nicht wahr?" "Das bedeutet ja nicht zwangsweise, dass er Kinder nicht leiden kann", warf Kuma kopfschüttelnd ein. "Womöglich wäre er gerne Vater, doch hat bisher bloß noch nicht den richtigen Partner gefunden? Denk doch nur mal an Doflamingo: Er hat selbst hat keine Kinder, doch geht unfassbar liebevoll mit jedem Kind um, das ihm über den Weg läuft. Ich erinnere mich noch gut daran, wie er einmal Sugar im Arm gehalten hat, als sie noch ein kleines Baby gewesen ist: Er wirkte wie der glücklichste Mensch auf der Welt." "Hast vermutlich Recht", stimmte ihm Law zu. "Doflamingo ist da ein echtes Paradebeispiel. Als ich ihn das erste Mal getroffen habe, hielt ihn bloß für einen idiotischen Draufgänger, der alles auf die leichte Schulter nimmt und sich nicht einmal um einen Hund kümmern könnte. Aber er hat auch andere Seiten; er kann auch verantwortungsbewusst und fürsorglich sein. Vielleicht ist es bei Mihawk genauso. Vielleicht ist er ja gar nicht immer der nüchterne Langeweiler, für den ihn alle halten." Er lachte leise, ehe er wieder auf das ursprüngliche Thema zurückkam: "Bist du dir sicher, dass die ausgestellten Operationswerkzeuge echt waren? Manche Verkäufer besitzen Fälschungen, die täuschend echt wirken." "Sie waren definitiv echt", erwiderte Kuma. "Ich kenne mich in dieser Hinsicht sehr gut aus. Da fällt mir ein: Hast du eigentlich schon das Schwert gesehen, das Mihawk von Doflamingo und Crocodile zum Geburtstag geschenkt bekommen hat? Es ist ein echtes Ritterschwert aus dem 14. Jahrhundert. Absolut atemberaubend!" Kuma und Law unterhielten sich noch weiter miteinander, sowohl über Mihawks Ritterschwert als auch über andere Themen, doch Crocodile hatte genug gehört. Weil seine Kehle sich plötzlich unangenehm trocken anfühlte, nahm er einen großen Schluck Wasser. Er hatte nicht damit gerechnet, schon wieder unter die Nase gerieben zu bekommen, wie sehr sein Partner sich Kinder wünschte und was für einen tollen Vater dieser abgeben würde. Noch immer war Crocodile sich nicht sicher, ob er selbst jemals Kinder haben wollte. "Hast du keinen Hunger?", riss ihn plötzlich Doflamingos Stimme aus den Gedanken. "Du hast deine Bruschetta kaum angerührt. Oder schmeckt sie dir einfach nicht?" "Die Bruschetta schmeckt ausgezeichnet", erwiderte Crocodile rasch. "Aber ich möchte bei der Vorspeise nicht allzu stark zulangen, sonst habe ich keinen Appetit mehr, wenn das Hauptgericht serviert wird." Doflamingo gluckste. "Du kannst ruhig bei beidem gut zulangen", meinte er und kniff ihn spaßhaft in die Seite. "Schließlich fehlen dir immer noch ein paar Kilogramm, um dein Mindestgewicht zu erreichen." "Na und? Du willst doch nicht, dass ich dick werde, nicht wahr?", gab er neckisch zurück. Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. "Lieber fünf Kilogramm zu viel als zu wenig", meinte er schließlich. "Ich mag ausgemergelte Hüften und Bäuche nicht. Ich habe nie verstanden, wieso manche Leute sich halbtot hungern, nur um möglichst schlank zu sein. Vor allem Frauen machen sich in dieser Hinsicht ja völlig verrückt. Mir jedenfalls wird fast schon schlecht, wenn man jede Rippe ganz genau sehen kann. Das ist doch ekelhaft!" "Also stehst du auf dicke Frauen und Männer?" Verwundert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Doflamingo schüttelte den Kopf. "Adipositas ist das andere Extrem", lenkte er ein. "Aber es gibt doch nicht bloß entweder übergewichtige oder magersüchtige Menschen. Dazwischen liegt ein gesundes Normalgewicht. Und das finde ich persönlich auch am attraktivsten. Nicht zu dick, nicht zu dünn, sondern einfach bloß fit und gesund. Deswegen versuche ich ja auch immer, dich dazu bewegen mehr zu essen. Du bist ja noch nicht einmal bei deinem Mindestgewicht angekommen, geschweige denn bei deinem Normalgewicht." "Können wir bitte das Thema wechseln?" Um ehrlich zu sein, nervte es Crocodile, dass bei diesem Abendessen bisher bloß wunde Punkte von ihm angesprochen worden waren. Er wollte keine Kinder, er war zu dünn... Konnten die Leute denn nicht einfach über Dinge sprechen, die nichts mit ihm zu tun hatten? Soweit er sich erinnerte, sollte heute Abend ein Bankett stattfinden und kein verdammtes Kreuzverhör! Doflamingo setzte einen skeptischen Gesichtsausdruck auf. "Was ist denn nur los mit dir?", fragte er ihn im Flüsterton. "Nichts ist mit mir los", entgegnete Crocodile, doch konnte nicht verhindern, dass sein Tonfall schrecklich gereizt klang. "Mich nervt es bloß, dass du bei jeder Gelegenheit auf mein Gewicht zu sprechen kommst. Ich kann nicht zu einem gesunden und normalen Umgang mit Essen zurückzufinden, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich zu dünn bin und möglichst viel zu mir nehmen soll. Wie soll ich mich denn dabei entspannen und lernen mit Freude zu essen?" Diese Aussage schien Doflamingo den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er schwieg für einen Augenblick, ehe er zu Crocodiles Überraschung meinte: "Du hast vermutlich Recht. Ich sollte dich nicht unter Druck setzen. Es tut mir leid. Ich mache mir bloß Sorgen um dich. Ich liebe dich und wünsche mir, dass du schnell wieder gesund wirst." Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um zu verhindern, dass ihm die Kinnlade herunterfiel. Es kam nur sehr, sehr selten vor, dass sein Partner sich entschuldigte. Normalerweise hasste Doflamingo es abgrundtief, Fehler zuzugeben. Er entschuldigte sich bloß dann, wenn Crocodile absolut unnachgiebig darauf bestand, und selbst in diesen Fällen tat er es nur äußerst widerwillig. Dass Doflamingo also so einfach eine Verfehlung einräumte, stellte eine echte Sensation dar. "Ist schon gut", meinte Crocodile rasch, der sich ein wenig überfordert mit dieser unerwarteten Situation fühlte. "Ich weiß ja, dass du es nicht böse meinst. Vergessen wir die Sache einfach, ja?" Doflamingo nickte und lächelte zaghaft. Crocodile erwiderte das Lächeln und beugte sich zu seinem Verlobten hinüber, um diesen auf den Mund zu küssen, obwohl er normalerweise den offensichtlichen Austausch von Zärtlichkeiten verabscheute, wenn Gäste anwesend waren. Ihr Kuss sorgte für neuen Gesprächsstoff am Tisch. "Crocodile", meinte Dellinger breit grinsend und warf ihm einen vielsagenden Blick zu, "du hast uns noch gar nicht deinen Verlobungsring präsentiert. Bisher hat ihn nur Law gesehen gehabt, weil er beim Kauf mit dabei gewesen ist. Zeig doch mal her!" Eigentlich war Crocodile kein Mensch, der gerne mit seinen Schmuck protzte, doch weil es sich bei dem Verlobungsring um ein ganz besonderes Stück handelte und außerdem ein Dutzend Augenpaare erwartungsvoll auf ihn gerichtet waren, streckte er schließlich seine Hand aus und präsentierte den goldenen Ring mit dem grünen Edelstein. Teils begeistertes, teils neidisches Raunen ging durch den Saal. "Wunderschön!", hauchte Violet, die einen besonders genauen Blick auf das wertvolle Schmuckstück warf. Monet, die die einzige andere Dame am Tisch war, nickte zustimmend. Crocodile, der sich allmählich unwohl zu fühlen begann angesichts der vielen Aufmerksamkeit, senkte seine Hand rasch wieder. Leider war damit der Trubel um die Verlobung längst nicht vorbei. Noch immer grinsend fragte Dellinger: "Wisst ihr schon, wann ihr heiraten möchtet? Doflamingo ist sicher schon ganz ungeduldig, so wie ich ihn kenne!" Die anderen Gäste zu Tisch lachten und glucksten leise. "Wir haben uns noch nicht auf ein Datum geeinigt", warf Crocodile ein, ehe sein Verlobter zu Wort kam. Er wollte nicht so tun, als stünde die Planung ihrer Hochzeit bereits fest. Schlimmstenfalls drängten ihn die Freunde seines Partners noch zu irgendwelchen voreiligen Versprechungen, was er unter allen Umständen vermeiden wollte. "Und wie sieht es mit einem Ort aus?", hakte Cirkies nach. "Ich persönlich könnte mir gut eine Hochzeit am Strand vorstellen." (Sofort warf Bellamy seinem Partner einen skeptischen Blick zu, den allerdings bloß Crocodile zu bemerken schien.) "Ihr habt euch doch auch am Strand verlobt, nicht wahr?" "Über den richtigen Ort haben wir uns auch noch keine Gedanken gemacht", erwiderte Crocodile, dem es ganz und gar nicht gefiel, dass sich plötzlich alle Gäste über die Hochzeit von Doflamingo und ihm unterhielten. Konnte man denn nicht über etwas Anderes sprechen? "Ich könnte es mir gut vorstellen in dem Schloss in Frankreich zu heiraten, in dem meine Familie und ich vor einigen Jahren Urlaub gemacht haben", meldete sich nun auch Doflamingo selbst zu Wort. Anschließend wandte er sich direkt an seinen Partner: "Es würde dir gefallen, Wani! Das Schloss wurde im 17. Jahrhundert fertiggestellt und sieht absolut traumhaft aus! Als würde es direkt aus einem Märchen stammen." "Ich weiß ja nicht", entgegnete Crocodile stammelnd. Über ein Schloss in Frankreich hatte Doflamingo nie zuvor ein Wort verloren. "Im Ausland?" "Warum denn nicht?", meinte dieser unbekümmert. "Ich bin noch nie in Frankreich gewesen", erwiderte Crocodile. Er wollte verhindern, dass sein Verlobter auf irgendwelche fixe Ideen kam. Für ihn selbst war ihre Hochzeit ein sehr abstraktes Ereignis, über dessen Details er sich bisher noch keine ernsthaften Gedanken gemacht hatte. Crocodile hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet gehabt, dass er jemals heiraten würde. Er war kein sonderlich romantischer Mensch. "Ich bin mir nicht sicher, ob mir der Gedanke gefällt, in einem Land zu heiraten, das ich überhaupt nicht kenne." "Du könntest es doch kennenlernen", schlug Monet freundlich lächelnd vor. "Warum verbringen du und Doflamingo nicht einfach ein Wochenende in Frankreich? Paris ist eine wunderschöne Stadt! Ich bin selbst schon mehrmals dort gewesen. Auch kulturell hat Frankreich viel zu bieten. Interessierst du dich für Kunst, Crocodile?" "Nun, ähm, das kommt ganz darauf an", meinte er recht unbeholfen. "Es war bloß ein Vorschlag", lenkte Doflamingo ein, der zu bemerken schien, dass sein Partner sich unwohl fühlte. "Es bringt nichts, Crocodile dazu zu drängen, unbedingt in Frankreich zu heiraten, wenn er es nicht möchte. Immerhin sollte der Ort uns beiden gefallen." "Da hast du natürlich Recht", gab Monet zu. "Außerdem gibt es ja auch noch viele andere schöne Orte. Die Idee, am Strand zu heiraten, finde ich sehr schön. Oder wie wäre es an Bord eines Schiffes? Käme da nicht eine deiner Yachten infrage, Doflamingo?" "Eine deiner Yachten?", wiederholte Crocodile verblüfft. Er warf seinem Verlobten einen ungläubigen Blick zu. Besaß Doflamingo tatsächlich nicht bloß einen Privatjet, sondern dazu auch noch mehrere Schiffe? "Davon hast du mir nie erzählt!" "Nun ja, es hat sich bisher noch nicht die Möglichkeit dazu ergeben", erwiderte Doflamingo, den das offensichtliche Erstaunen seines Partners wohl ein wenig in Verlegenheit brachte. "Ich erinnere mich noch gut an die vielen Parties, die Doflamingo auf seinen Yachten geschmissen hat", warf Dellinger fröhlich ein. Die meisten der anderen Gäste nickten zustimmend. "Vor allem seine Geburtstagsparty war absolut einmalig", fügte Gladius an. "Es ist doch dein 28. Geburtstag gewesen, den du damals auf der Pink Flamingo gefeiert hast, nicht wahr, Doflamingo? Ich kann mich noch ganz genau an das tolle Feuerwerk erinnern! Es ist wirklich eine unvergessliche Nacht gewesen!" Die anderen Gäste bestätigten Gladius' Eindruck und nutzten die Gelegenheit, um über weitere Details der tollen Feier zu sprechen. Crocodile konnte nicht mitreden; damals hatte er Doflamingo noch gar nicht gekannt. Plötzlich wurde ihm wieder überdeutlich bewusst, dass sie beide seit noch nicht einmal einem Jahr ein Paar waren. Und schon hatten sie sich verlobt und planten ihre Hochzeit. Crocodile liebte Doflamingo, doch er musste zugeben, dass alles sehr schnell ging. Als der Großteil der Gäste damit beschäftigt war, sich an Doflamingos legendären 28. Geburtstags zurückzuerinnern, wandte sich ebenjener an seinen Partner. "Bitte nimm das Gerede der Leute nicht zu ernst", meinte er und lächelte nervös. "Wir sollten uns nicht beeinflussen lassen. Ich möchte unsere Hochzeit nicht als Vorwand nutzen, um mit meinem Reichtum zu protzen. Mir reicht eine kleine, schöne Feier mit unseren engsten Freunden. Und natürlich müssen wir auch nicht in Frankreich heiraten, wenn du nicht möchtest." Crocodile nickte zaghaft. Noch immer war nicht ganz bis zu ihm durchgedrungen, dass sein Partner mehrere Yachten besaß. Unweigerlich fragte er sich, wie viele Dinge es noch gab, von denen dieser ihm nie erzählt hatte. Doch welches Recht nahm er sich heraus, über Doflamingo zu urteilen? Schließlich war er selbst doch der größte Geheimniskrämer. "Wir werden schon einen passenden Ort für unsere Hochzeit finden", sagte Crocodile und drückte die Hand seines Verlobten. "Da mache ich mir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass es ein wundervolles Fest wird. Ganz gleich, in welchem Land es stattfindet und an welchem Tag." * Es war Mittwoch und Crocodile hatte unfassbar gute Laune. Heute war sein erster Monatslohn angekommen und er freute sich sehr über das dringend benötigte Geld. Sofort beglich er diejenigen Schulden, die ihm derzeit am schlimmsten im Nacken saßen; außerdem hob er 4.000 Berry in bar ab, die er später Doflamingo geben wollte. Es nagte an Crocodile, dass er seinem Verlobten noch immer nicht das Geld für die Geschenke seiner beiden Geschwister zurückgegeben hatte. Und auch wenn er die nicht gerade kleine Summe eigentlich viel besser investieren könnte, hielt er es doch für die richtige Entscheidung, zuerst die Schulden, die er bei seinem Verlobten hatte, zu bezahlen. Der Gedanke, dass dieser ihn für einen Schmarotzer halten könnte, war für Crocodile absolut unerträglich. Immerhin war er eine schrecklich stolze Person. Und er wollte Doflamingo nicht das Gefühl geben, dass er ihn ausnutzte. Außerdem war er zuversichtlich, dass nun, da er wieder über ein festes Einkommen verfügte, bald all seine Schulden endgültig getilgt sein würde. Crocodile hatte sich ausgerechnet, dass er in weniger als einem Jahr schuldenfrei wäre, wenn er jeden Monat mindestens 85 Prozent seines Gehalts einzahlte. Bereits jetzt wartete er sehnsüchtig auf den Moment, da sein Kontoauszug endlich wieder eine Zahl zeigen würde, bei der ihm nicht nach Heulen zumute war. Die Arbeit lief gut. Crocodile fühlte sich sehr wohl bei Tom's Workers. Kiwi und Moz schauten immer mal wieder in seinem Büro vorbei, um ihm einen Kaffee zu bringen und ein wenig zu plaudern, doch trotzdem kam er gut voran, was die Planung der in wenigen Monaten stattfindenden Elektronikmesse anging. Schon zwei Wochen nach seiner Einstellung hatte er Franky vernünftige Ergebnisse vorweisen können. Crocodile überzeugte durch seine hohe Kompetenz, seine Zuverlässigkeit und seinen Fleiß. Er war unfassbar froh darüber, endlich wieder mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut zu werden, anstatt bloß stupide Praktikantenarbeiten erledigen zu müssen, und stürzte sich in geradezu die Arbeit. Im Büro blühte er regelrecht auf. Diese Veränderung hatte auch positive Auswirkungen auf die Zeit, die Crocodile gemeinsam mit Doflamingo verbrachte. Er fühlte sich insgesamt deutlich glücklicher, lachte öfter und war nicht mehr ständig angespannt. Selbst wenn er nachmittags erschöpft nach Hause kam, ließ er sich nicht die Laune verderben. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er heute viel geleistet hatte und stolz auf seine Arbeit sein konnte. Dass er bis spätabends im Büro blieb, stellte inzwischen außerdem bloß noch eine absolute Ausnahme dar; normalerweise machte er pünktlich um achtzehn Uhr Arbeitsschluss. Und da sich sein Arbeitsweg um die Hälfte verkürzt hatte, sparte er sich überdies insgesamt eine Stunde Autofahrt pro Tag. Um achtzehn Uhr dreißig abends betrat Crocodile das Wohnzimmer. Sein Partner saß auf der Couch und sah sich irgendeinen Film an. Doflamingo begann wochentags üblicherweise später mit der Arbeit als er, doch kam trotzdem etwa eine Stunde früher nach Hause. Obwohl er mehrere Unternehmen zu führen hatte, arbeitete er im Gegensatz zu Crocodile nur acht Stunden am Tag (Pausenzeiten inklusive). Als Doflamingo ihn bemerkte, lächelte er und schaltete den Fernseher stumm. "Da bist du ja endlich, Wani", begrüßte er ihn mit freundlicher Stimme und bedeutete ihm, sich dazu zu setzen. "Wie war die Arbeit heute?" "Gut", antwortete Crocodile, während er neben seinem Verlobten Platz nahm. Er ließ zu, dass Doflamingo einen Arm um ihn legte; lehnte sich sogar in die Umarmung hinein. "Und bei dir? Du hattest heute doch das Geschäftsessen mit... ähm, wie hieß noch gleich der Geschäftsführer des Pharmaunternehmens... Caesar Clown, nicht wahr? Ist alles gut gegangen?" Doflamingo nickte breit grinsend. "Es lief wunderbar", erklärte er enthusiastisch. "Caesar Clown war unfassbar leicht um den Finger zu wickeln. Ich war dazu in der Lage, sehr rentable Verträge für die Miracle-Sakura-Klinik abzuschließen. Dieses Geschäftsessen hat sich auf jeden Fall bezahlt gemacht!" "Das freut mich zu hören", sagte Crocodile. Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er anfügte: "Apropos bezahlen. Du bekommt doch noch Geld von mir." Er kramte die 4.000 Berry aus seinem Portemone hervor und hielt sie Doflamingo hin. "Für Mihawks Ritterschwert und den Kinderwagen für Hancocks Baby. Du bist beide Male für mich in Vorkasse gegangen, weißt du nicht mehr? Ich habe es zwischenzeitlich ganz vergessen gehabt, aber heute ist es mir wieder eingefallen. Hier, nimm!" Doflamingo verzog ungläubig das Gesicht. "Ich will dein Geld nicht", erwiderte schließlich in einem beinahe schon beleidigt klingenden Tonfall. "Aber es ist doch gar nicht mein Geld", wandte Crocodile ein, "sondern deins. Du hast es mir sozusagen geliehen. Und jetzt möchte ich es dir zurückgeben." Sein Verlobter fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Er atmete tief ein und aus, ehe er meinte: "Wie oft muss ich dir das noch erklären, Croco? Ich bestehe nicht auf getrennte Kassen. Ich habe absolut kein Problem damit, dich ab und an einzuladen. Und bitte komm nicht wieder mit dem Argument an, dass du dich nicht wie ein Schmarotzer fühlen möchtest. Denn das bist du ganz sicher nicht. Ganz im Gegenteil: Du bist der einzige Mensch, der nicht bloß wegen meines Geldes eine Beziehung mit mir eingegangen ist. Also hör bitte endlich damit auf, ständig jeden Berry aufzurechnen, ja? Dieses Verhalten geht mir nämlich allmählich tierisch auf die Nerven, weißt du?" "Ähm", erwiderte Crocodile recht unbeholfen. "O-okay, gut, wenn du das Geld nicht annehmen möchtest, dann behalte ich es eben. Ich habe es nicht böse gemeint." Crocodile musste zugeben, dass er sich insgeheim über die Weigerung seines Verlobten freute. Für ihn waren 4.000 Berry sehr viel Geld. Geld, das er momentan verdammt gut gebrauchen könnte. Es würde ihm bei seinem Vorhaben, in zwölf Monaten wieder schuldenfrei zu sein, einen großen Schritt nach vorne bringen. Crocodile fragte sich unweigerlich, ob es armselig war, so zu denken. Er war eine sehr stolze Person und hatte (ehe sein Leben in die Binsen gegangen war) niemals damit gerechnet, sich jemals in einem solchen Dilemma wiederzufinden. "Ich weiß doch, dass du es nur gut meinst", lenkte Doflamingo rasch in einem beschwichtigenden Tonfall ein. "Du bist ein stolzer Mann und möchtest nicht den Eindruck erwecken, du würdest mir auf der Tasche liegen. Aber wir beide sind inzwischen verlobt und deswegen solltest du dich endlich umgewöhnen. Wenn wir erst einmal verheiratet sind, wird es ja sowieso keine getrennten Kassen mehr geben. Dann löst sich dieses Problem hoffentlich von selbst. Bitte versteh mich nicht falsch, aber mich nerven diese Diskussion wirklich enorm. Es geht immer wieder um dasselbe Thema und was die Lösung angeht, drehen wir uns nur im Kreis herum." Crocodile wurde hellhörig; nervös betastete er das Bündel Geldscheine in seiner Hand. "Wenn wir verheiratet sind, wird es keine getrennten Kassen mehr geben?", hakte er nach. "Wie meinst du das?" "Nun ja, was mir gehört, gehört dann auch dir, und andersherum", erwiderte Doflamingo unbekümmert. "Ich meine, darum geht es doch in einer Ehe, nicht wahr? Dass man alles miteinander teilt und gemeinsam an einem Strang zieht. Wir werden nicht mehr zwei einzelne Menschen sein, sondern die beiden Hälften einer Gemeinschaft bilden." Crocodile schluckte. Auch wenn die Worte seines Verlobten mit Sicherheit positiv gemeint waren, musste er zugeben, dass er diese eher als bedrohlich empfand. Er fühlte sich in die Ecke gedrängt. Im Gegensatz zu Doflamingo, der unvorstellbar reich war, brachte er überhaupt kein Kapital mit in ihre Ehe hinein. Schlimmer noch: Durch ihre Heirat würde er seinen Partner mit Schulden in Höhe von beinahe 300.000 Berry belasten. Das war kein sonderlich guter Deal; zumindest für Doflamingo nicht. "Ist die Vorstellung von einer gemeinsamen Kasse denn überhaupt realistisch?", fragte Crocodile ausweichend. "Genauso wie ich verfügst du doch mit Sicherheit über mehrere Bankkonten. Immerhin beziehst du Geld aus vielen verschiedenen Quellen. Keiner von uns beiden entspricht dem Bild des mittelständischen Bürgers, der sein Leben über bloß ein einziges Konto abwickelt. Wie sollen wir eine gemeinsam Kasse einrichten, wenn wir nicht einmal selbst bloß über eine einzige verfügen? Ich denke nicht, dass wir unsere Finanzen so einfach zusammenlegen können. Dafür ist unser Vermögen viel zu vielschichtig organisiert." "Dessen bin ich mir bewusst", räumte Doflamingo ein. "Das meinte ich ja auch überhaupt nicht. Bloß, dass wir im Alltag nicht mehr zwischen meinem und deinem Besitz werden unterscheiden müssen. Dann spielt es keine Rolle mehr, wer von uns nun die Rechnung im Restaurant, den Ausbau des Wintergartens oder das neue Auto bezahlt. Denn das Geld, das wir privat ausgeben, gehört uns beiden. Es macht einfach keinen Unterschied mehr." Doflamingo lächelte, ehe er anfügte: "Die Miete, die du mir monatlich zahlst, können wir uns außerdem auch sparen. Denn selbstverständlich wird die Villa nicht nur mir, sondern auch dir gehören. Und genau dasselbe gilt für meine Wagen, meinen Privatjets, meine Yachten und so weiter. Alles, was mir gehört, möchte ich mit dir teilen, Wani. Sobald wir verheiratet sind, hat jeder ein Anrecht auf den Besitz des Anderen." Crocodile schluckte. Doflamingo wollte seinen unfassbaren Reichtum mit ihm teilen und sollte im Gegenzug Schulden in Höhe von 300.000 Berry zurückbekommen? Das klang in Crocodiles Ohren nicht sonderlich fair. Hektisch suchte er nach einer Möglichkeit, um seinem Verlobten diese Idee rasch wieder aus dem Kopf zu schlagen. Er konnte einfach nicht zulassen, dass seine Schulden auf Doflamingo abgewälzt wurden. Sie waren Crocodiles Last allein. Sein Partner sollte nicht darunter leiden. "Hälst du das wirklich für eine gute Idee?", fragte er schließlich mit zögerlicher Stimme. "Ich bin nicht so reich wie du. Im Gegensatz zu dir besitze ich keine Privatjets, keine Luxusyachten, nicht einmal Wohneigentum; und auch bloß ein einziges Auto." Kündigung hin oder her: Dies waren simple Tatsachen, über die auch Doflamingo Bescheid wusste. Selbst zu seinen besten Zeiten hatte Crocodile niemals mit seinem Partner mithalten können. "Stell dir nur einmal vor, wir würden uns irgendwann scheiden lassen. Dann würde mir praktisch die Hälfte deines Vermögens zustehen. Ich würde aus dieser Ehe mit mehr Geld austreten, als ich eingetreten bin. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wohl fühle bei diesem Gedanken. Vielleicht sollten wir lieber einen Ehevertrag aufsetzen. Und auch während unserer Ehe getrennte Kassen führen. Ich möchte dich nicht ausbeuten." Doflamingo verzog das Gesicht. "Wie kannst du so etwas nur sagen?", meinte er. Er erhob seine Stimme nicht, doch klang schrecklich wütend und auch verletzt, während er sprach. "Für mich kommt eine Ehevertrag überhaupt nicht infrage. Wieso sollte man denn überhaupt heiraten, wenn man am Ende doch von einer Scheidung ausgeht? Ich vertraue darauf, dass unsere Ehe nicht scheitern wird. Warum sollte sie das auch? Wir lieben einander und begegnen uns mit gegenseitigem Respekt. Niemals würde ich dich betrügen oder hintergehen." "Das weiß ich doch", lenkte Crocodile ein und überlegte hastig, was er als nächstes sagen sollte. "So habe ich es auch überhaupt nicht gemeint. Aber vielleicht sollten wir doch lieber auf Nummer sicher gehen. Eine Scheidung kann immerhin viele verschiedene Gründe haben. Vielleicht leben wir uns einfach auseinander. Oder einer von uns beiden wir schwerkrank. Heutzutage halten nicht einmal mehr die Hälfte aller geschlossenen Ehen. Und ich möchte nicht, dass mir in einem solchen Fall nachgesagt wird, ich hätte dich bloß geheiratet, um an dein Geld zu kommen..." "Halt! Stopp! Verdammt noch mal!" Crocodile hielt inne und warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu. Sein Partner hatte die Arme vor dem Oberkörper gekreuzt und an seiner Stirn pochte wütend eine rote Ader. Crocodile schluckte. Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Doflamingo plötzlich so wütend wurde. "Du redest absoluten Unsinn!", warf dieser ihm vor. "Wie kommst du nur auf diese bescheuerten Ideen? Glaubst du etwa ernsthaft, dass wir uns jemals auseinander leben würden? Habe ich dir in unserer gesamten Beziehung auch nur eine Minute lang das Gefühl gegeben, ich hätte genug von dir? Und wieso denkst du, dass ich dich verlassen würde, falls du schwerkrank werden solltest? Ich bete zu Gott, dass dieser Fall niemals eintreten wird, doch sollte es geschehen, wäre eine Trennung das allerletzte, woran ich denken würde. Natürlich würde ich dich unterstützen, wo ich nur könnte. Genauso wie mein Vater meine Mutter unterstützt hat, als sie krank wurde. Ich fasse es einfach nicht, dass du solch eine schlechte Meinung von mir hast! Deine Worte sind verletzend, Crocodile! Für wie egoistisch und rücksichtslos hältst du mich eigentlich?" Doflamingo atmete hörbar ein und aus. Sein Gesicht war inzwischen knallrot angelaufen. Er wirkte unfassbar wütend und aufgebracht. Man könnte meinen, Crocodile hätte ihn aufs Übelste beleidigt. Doflamingo zögerte noch einen kurzen Moment lang, ehe er abschließend feststellte: "Wenn du tatsächlich der Ansicht bist, dass ein Ehevertrag notwendig ist, dann können wir uns diese Hochzeit auch gleich sparen. Mein Heiratsantrag sollte einen Liebes- und Vertrauensbeweis darstellen. Und indem du auf einen Ehevertrag bestehst, machst du deutlich, dass du mir leider nicht dasselbe Maß an Liebe und Vertrauen entgegenbringst. Ich bekomme allmählich das Gefühl, dass du mich überhaupt nicht heiraten möchtest, Crocodile..." Crocodile musste schlucken. Er hatte nicht damit gerechnet, dass dieses Gespräch dermaßen eskalieren würde. Doch anscheinend vertrat sein Partner eine ganz andere Einstellung als er, was das Aufsetzen eines Ehevertrags anging. Crocodile war sich dessen bewusst, dass er seine nächsten Worte sehr sorgsam wählen sollte. Er bewegte sich auf äußerst dünnem Eis. Doflamingo schien dieses Thema sehr ernst zu sein und er wollte seinen Verlobten nicht enttäuschen. Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile kein großes Problem damit, Regelungen für den Fall einer Scheidung festzuhalten. Er war kein naiver Romantiker, sondern ein rational denkender Mensch. In der Gesellschaft, in der sie lebten, gab es nun einmal eben eine hohe Scheidungsrate. Dabei handelte es sich um einen simplen Fakt. Sollte ihre Ehe also ebenfalls in die Brüche gehen, konnten sie sich an ihrem gemeinsam ausgearbeiteten Vertrag orientieren, anstatt heftige Gerichtsverfahren zu durchschreiten, in denen geklärt wurde, wem von ihnen was zustand. Und wenn ihre Ehe tatsächlich bis zu ihrem Tod halten sollte, erledigte sich die Sache doch sowieso von selbst. Dieses Prinzip beinhaltete also ausschließlich Vorteile, fand Crocodile. Und vor allem in seiner derzeitigen Lebenssituation käme ihm ein Ehevertrag zugute. Dann müsste er sich nämlich keine Gedanken darüber machen, dass Doflamingo womöglich für seine Schulden in Höhe von beinahe 300.000 Berry aufkommen müsste. Alles würde sich viel einfacher gestalten. Leider hielt sein Verlobter von diesem Vorschlag ganz offensichtlich überhaupt nichts. Die manchmal doch furchtbar traditonellen und altmodischen Einstellungen Doflamingos überraschten ihn immer wieder. Dabei hatte Crocodile eigentlich gedacht, dass eher er der Konservative und Konventionelle von ihnen beiden war. "Sag doch bitte so etwas nicht", meinte Crocodile; es fiel ihm nicht allzu schwer, nun seinerseits beleidigt und verletzt zu klingen. "Natürlich möchte ich dich heiraten. Und wenn es dir wirklich so viel bedeutet, dann können wir auch auf den Ehevertrag verzichten. Es ist ja bloß ein Vorschlag gewesen. Und es war auch nicht meine Absicht, dich an meiner Liebe oder meinem Vertrauen in unsere Beziehung zweifeln zu lassen." Erleichtert stellte Crocodile fest, dass sein Partner sich wieder zu entspannen begann. Die Ader an seiner Stirn verschwand und seine Körperhaltung lockerte sich auf. "Mir geht es nur darum, keinen falschen Eindruck zu erwecken", fuhr Crocodile fort. "Ich kann mir gut vorstellen, dass es sehr viele Menschen gibt, die der Ansicht sind, ich würde dich bloß deines Geldes wegen heiraten. Die mir vorwerfen, ich würde deine Liebe zu mir schamlos ausnutzen und gleich nach unserer Hochzeit die Scheidung einreichen, um an die Hälfte deines Vermögens zu kommen. Und, nun ja, ich dachte eben, indem wir einen Ehevertrag aufsetzen, könnte ich diesen Gerüchten bestimmt entgehen." Glücklicherweise schienen seine Worte Doflamingo zu besänftigen. "Das kann ich verstehen", meinte dieser mit gesenktem Blick. "Aber ein Ehevertrag kommt für mich trotzdem unter keinen Umständen infrage. Mir ist es egal, was irgendwelche Menschen vielleicht über dich oder unsere Hochzeit denken werden. Sollen sie sich doch ihre blöden Mäuler zerreißen! Ich weiß, dass du mich nicht ausnutzt und nicht um meines Geldes willen heiratet. Und das ist alles, was für mich zählt." Crocodile seufzte innerlich enttäuscht auf. Er hatte gehofft, seinen Partner doch noch überreden zu können, aber anscheinend biss er sich an diesem die Zähne aus. Offenbar war es absolut unmöglich, Doflamingo vom Aufsetzen eines Ehevertrags zu überzeugen. Damit würde Crocodile sich wohl oder übel abfinden müssen. Er kannte seinen Verlobten und dessen unsägliche Hartnäckigkeit einfach viel zu gut. Dieser Lösungsweg kam für ihn also nicht infrage. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben", sagte Doflamingo und lächelte. Nun, da sie ihre Diskussion beendet hatten, machte sein Partner einen solch fröhlichen und unbekümmerten Eindruck wie eh und je. Doflamingo war keine nachtragende Person. "Allerdings gibt es noch genug andere Punkte, über die wir uns endlich einig werden sollten. Schließlich haben wir immer noch nicht damit begonnen, unsere Hochzeit wirklich ernsthaft zu planen. Wir wissen nicht einmal, wann und wo die Feier stattfinden soll. Und du hast ja unbedingt darauf bestanden, unsere Hochzeit selbst auszurichten, anstatt einen Wedding Planer zu engagieren. Wir sollten also endlich mit der Planung beginnen! Ich möchte dir nämlich am liebsten so bald wie möglich das Ja-Wort geben!" "Ich weiß gar nicht, wo wir anfangen sollen", murmelte Crocodile ausweichend. "Wir müssen einen geeigneten Ort und ein passendes Datum finden, die Gästeliste erstellen, Einladungskarten gestalten und verschicken, Dekoration aussuchen, uns um die Musik kümmern und noch vieles mehr. Außerdem haben wir beide sehr unterschiedliche Geschmäcker. Wir werden uns nicht sonderlich oft einig sein, da bin ich mir sicher. Es wird lange dauern, bis alles wirklich absolut perfekt ist." Erstaunlicherweise konnte Crocodile Doflamingo leise glucksen hören. "Ich freue mich schon sehr darauf, unsere Hochzeit vorzubereiten", verriet dieser ihm. "Aber gerade weil die Planung vermutlich ein ziemlich langwieriger Prozess sein wird, sollten wir endlich damit beginnen. Warum setzen wir uns nicht einfach dieses Wochenende zusammen und fangen damit an, eine Gästeliste auszuarbeiten?" "Dieses Wochenende?", wiederholte Crocodile und biss sich auf die Unterlippe. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner schon in so naher Zukunft die Planung ihrer Hochzeit in Angriff nehmen wollte. Er musste sich schleunigst irgendetwas einfallen lassen, um diesen Termin weiter hinauszuschieben. Doflamingo nickte. "Ist das ein Problem für dich?", fragte er ihn. "Nun ja, nicht direkt", lenkte Crocodile ein. "Es ist nur, na ja..." Verzweifelt suchte er nach einer glaubwürdigen Ausrede, doch musste leider feststellen, dass sein Kopf wie leergefegt war. Schließlich blieb ihm nichts Anderes übrig als aufzugeben. "Ach, was soll's...", meinte er schließlich unbeholfen und lächelte nervös. "Es ist nichts weiter. Gut, von mir aus können wir am Wochenende damit beginnen, die Gästeliste zu erstellen." "Du wolltest doch eigentlich etwas Anderes sagen", entgegnete Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Passt dir dieses Wochenende nicht?" "Ähm..." Crocodile senkte den Blick. Er atmetete einmal tief ein und aus. Und gerade, als er den Blick auf seine schwarzen Lederschuhe warf, kam ihm die rettende Idee: "Eigentlich hatte ich etwas Anderes für uns beide geplant. Aber wenn du lieber mit den Hochzeitsvorbereitungen beginnen möchtest, ist das auch in Ordnung für mich." Er hatte gar nicht mehr daran gedacht gehabt, doch Franky hatte ihm vor zwei Wochen Karten für ein Konzert des berühmten Musikers Brook, das am Samstag in der Nachbarstadt stattfinden sollte, geschenkt gehabt. Die beiden VIP-Karten waren als eine Belohnung für seine gute Arbeit gedacht gewesen; Franky war nämlich absolut begeistert von den schnellen Fortschritten, die sie durch ihn bei der Arbeit machten. Crocodile hatte sich höflich bedankt und sich, um ehrlich zu sein, auch sehr über die nette Geste gefreut, doch niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, das Konzert tatsächlich zu besuchen. Nun allerdings kam ihm dieses Geschenk sehr entgegen. "Was hast du denn geplant gehabt?", hakte Doflamingo neugierig nach und rückte näher an ihn heran. "Nun ja, du hörst doch gerne die Musik von Brook", erklärte Crocodile. "Und dieses Wochenende findet ganz in der Nähe ein Konzert von ihm statt. Ich habe zwei Karten für uns besorgt und wollte dich damit überraschen. Aber wenn du nicht hingehen möchtest, dann verstehe ich das und..." Doflamingo biss sofort an. "Natürlich möchte ich hingehen!", warf er rasch mit enthusiastischer Stimme ein. Crocodile grinste. Er hatte geahnt, dass sein Partner mit Begeisterung auf diesen Vorschlag reagieren würde. Eigentlich war Crocodile kein Mensch, der oft oder sonderlich gerne ausging. Aus diesem Grund quittierte Doflamingo üblicherweise jedes Angebot, einen gemeinsamen Ausflug zu unternehmen, mit Zustimmung. Unabhängig davon freute er sich bestimmt auch darüber, dass sein Verlobter sich eine nette Überraschung für ihn ausgedacht hatte. Da Crocodile im Gegensatz zu Doflamingo einfach kein Romantiker war und und es ihm außerdem an Kreativität mangelte, was solche Dinge anging, hoffte sein Partner zumeist vergebens auf Gesten dieser Art. Dass er Konzertkarten für sie beide besorgt hatte, freute Doflamingo also verständlicherweise außerordentlich. "Oh nein, jetzt habe ich die ganze Überraschung verdorben", jammerte er in einem entschuldigend klingenden Tonfall. "Aber du kannst dir sicher sein, dass ich mich wirklich sehr freue! Es ist sehr lieb von dir, dass du dir so etwas Nettes für mich überlegt hast. Ich möchte auf jeden Fall gemeinsam mit dir zu dem Konzert gehen. Dann verschieben wir das Erstellen der Gästeliste eben um eine Woche; das macht ja nichts." Crocodile atmete erleichtert auf und nickte zustimmend. "Dass die Überraschung ruiniert worden ist, ist nicht weiter schlimm", tröstete er seinen Partner. "Es hat sogar einen Vorteil: Ich war mir nämlich nicht sicher, ob du nach Ende des Konzerts direkt wieder nach Hause fahren möchtest oder ob wir uns für die Nacht ein Hotel suchen sollen. Also: Was ist dir lieber? Dann kann ich gegebenenfalls auch gleich ein Hotelzimmer reservieren." "Ich fände es besser, wenn wir in einem Hotel absteigen würden", antwortete Doflamingo ihm. "Bei Nacht und wenn man erschöpft ist, sollte man keine weiten Strecken mit dem Auto zurücklegen." "Okay, gut." Crocodile zögerte einen kurzen Moment lang, ehe er anfügte: "Hoffentlich finden wir so kurfristig ein Zimmer, das unseren Ansprüchen gerecht wird. Ich sollte am besten sofort mal im Internet nachsehen." Unweigerlich bereutete Crocodile es, seinem Verlobten eine Hotelübernachtung angeboten zu haben. Sicherlich war dieser bloß absolut luxuriöse Zimmer in exklusiven Hotels gewohnt. Leider hatten solche Unterkünfte im Regelfall auch einen entsprechenden Preis. Vielleicht könnte er Doflamingo vorgaukeln, dass alle oberklassigen Hotels bereits ausgebucht worden waren und sie darum in einem weniger luxuriösen Haus würden übernachten müssen? Crocodile war nicht geizig; er hatte nicht vor, seinem Verlobten eine furchtbare Absteige anzubieten, doch auf der anderen Seite vertrat er durchaus die Ansicht, dass man für eine Nacht auch mit einem mittelpreisigen Hotelzimmer Vorlieb nehmen konnte. "Es macht mir nichts aus, in einem weniger hochwertigen Hotel abzusteigen, wenn alle besseren komplett ausgebucht sein sollten", warf Doflamingo ein, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Allerdings denke ich nicht, dass das nötig sein wird. Bestimmt finden wir auch kurzfristig noch ein Zimmer in einem Fünf-Sterne-Hotel; das dürfte eigentlich kein Problem sein. Es kommt selten vor, dass in einem Haus wirklich jedes einzelne Zimmer belegt ist." "Ich weiß nicht, wie die Situation wegen des Konzerts aussieht", wandte Crocodile ein. "Aber was nützt es uns zu spekulieren? Wie wäre es, wenn du in der Küche Bescheid gibst, dass man das Abendessen für uns beide vorbereiten soll, während ich in der Zwischenzeit im Internet nach einem passenden Hotel suche? Dann werden wir ja sehen, womit wir rechnen müssen." Doflamingo nickte. "Okay, gut", meinte er mit fröhlicher Stimme. * Die Nachbarstadt, in der das Konzert des Musikers Brook stattfinden würde, war nicht allzu groß. Es gab bloß zwei Fünf-Sterne-Hotels. Eines der beiden Häuser war tatsächlich bereits vollständig ausgebucht worden; das andere bot noch acht freie Zimmer an. Die Hotelzimmer kosteten je nach Größe und Ausstattung zwischen 400 und 600 Berry pro Nacht. Privat hatte Crocodile noch niemals so viel Geld für eine Übernachtung ausgegeben, doch er hatte manchmal auf Geschäftsreisen in Zimmern dieser Preisklasse genächtigt, wenn die Bank die Kosten übernahm. "Insgesamt sieht es eher schlecht aus", erklärte Crocodile seinem Partner, als sie beide gemeinsam zu Abend essen. Es gab Crocodiles Leibgericht: Spaghetti mit Oliven und Tomaten. "Ich habe bloß ein einziges Fünf-Sterne-Hotel finden können, das noch ein paar Zimmer frei hat: Das Hotel Moby Dick. Ein Doppelzimmer kostet etwa 400 Berry pro Nacht. Wäre das in Ordnung für dich?" "Klar, wieso nicht?", erwiderte Doflamingo mit unbekümmert klingender Stimme. "Okay, gut." Crocodile freute sich darüber, dass sein Partner sich mit einem der günstigeren freien Zimmer zufriedengab. Er wollte sich gar nicht vorstellen, welche Hotel-Standards sein unvorstellbar reicher Verlobter normalerweise gewohnt war. Aber jedenfalls war er höflich genug, um sich angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Übernachtung um ein Geschenk handelte, nicht zu beschweren. "Dann buche ich gleich sofort, wenn wir mit dem Abendessen fertig sind. Es gab nicht einmal mehr zehn freie Zimmer und wenn wir noch länger warten, sind die schlimmstenfalls auch bald weg. Wir haben wirklich Glück gehabt." Doflamingo nickte und stopfte sich eine weitere Portion Nudeln in den Mund. Als er hinuntergschluckt hatte, erklärte er: "Ich bin vor ein paar Jahren schon einmal im Moby Dick abgestiegen. Es ist ein wirklich sehr schönes Hotel. Mit dem Besitzer Whitebeard habe ich sogar schon mal Geschäfte gemacht." "Oh, tatsächlich?", warf Crocodile ein und stocherte nervös in seinem Schafskäse herum. "Ein komischer Zufall. Nun ja, die Welt ist klein." Er hoffte von ganzem Herzen, dass diese Bekanntschaft nicht zu Problemen führen würde. Schlimmstenfalls bot Whitebeard seinem alten Geschäftspartner freundlicherweise ein hochwertigeres Zimmer an und dann fände Crocodile sich in schlimmer Erklärungsnot wieder. Welchen Grund könnte er anführen, der erklärte, wieso er nicht von Anfang an das bessere Zimmer reserviert hatte? Hoffentlich flog seine Lüge darüber, dass bloß noch Zimmer für 400 Berry pro Nacht frei waren, nicht auf. Sein Verlobter wäre sicherlich furchtbar wütend und enttäuscht. "Ich freue mich schon auf das Konzert", meinte Doflamingo und trank einen großes Schluck Cola. Im Gegensatz zu seinem Partner liebte er süße Getränke wie Limonade oder Fruchtsäfte. "Brook ist wirklich ein begnadeter Musiker! Ich hörte, dass die Karten unheimlich schnell weggingen; schon einen Tag später war der Konzertsaal vollständig ausgebucht. Es ist wirklich klasse, dass du noch zwei Karten für uns bekommen hast." Crocodile bemühte sich um ein freundliches Lächeln. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo dies nur sagte, um seine Wertschätzung für die nette Überraschung, die sein Partner ihm gemacht hatte, auszudrücken. Natürlich wäre er selbst zu jeder Zeit kinderleicht an Karten gekommen, wenn er das Konzert unbedingt hätte besuchen wollen. Viele Grenzen und Hindernisse lösten sich ganz einfach von selbst auf, wenn man Multimillionär war. Trotzdem sprang Crocodile auf den Zug auf. "Es sind VIP-Karten", erklärte er seinem Verlobten. "Unsere Plätze sind ganz vorne." Es war Samstagmittag. Crocodile warf einen undefinierbaren Blick auf die beiden Konzertkarten, die er in der Hand hielt und anschließend in seinem Portemone verstaute. Er wusste nicht so recht, wie er sich angesichts des bevorstehenden Abends fühlen sollte. Auf der einen Seite ärgerte er sich über sich selbst, weil er so bald schon wieder 400 Berry weniger in der Tasche haben würde, doch auf der anderen Seite musste er zugeben, dass es alles in allem auch deutlich schlimmer sein könnte. Da Doflamingo die 4.000 Berry, die ihm wegen der Geschenke für Mihawk und Hancock eigentlich zustanden, abgelehnt hatte, kam Crocodile immerhin immer noch auf ein Plus von 3.600 Berry. Außerdem machte es ihn glücklich zu sehen, dass sein Partner sich ehrlich über die geplante Überraschung zu freuen schien; schon den ganzen Tag lang sprach er von dem Konzert. Auch wenn erst um einundzwanzig Uhr Einlass war und die Autofahrt in die Nachbarstadt bloß eine, allerhöchstens eineinhalb Stunden dauern würde, bestand Doflamingo darauf, dass sie sich schon gegen sechzehn Uhr auf den Weg machten. Crocodile ahnte, dass sein Partner sich gerne noch mit ihm im Hotelzimmer vergnügen wollte, ehe es los zum Konzert ging. Crocodile, der beschlossen hatte sich nicht zu ärgern, sondern dem Abend eine faire Chance zu geben, störte diese Aussicht nicht. Als er gegen fünfzehn Uhr fünfundvierzig das Wohnzimmer betrat, hatte Doflamingo allerdings seine Unterhaltung mit Law noch immer nicht beendet. Der dunkelhaarige Mann mit den mysteriösen Tatoos war ein sehr guter Freund seines Verlobten und kam oft zu Besuch. Er grüßte Crocodile, als er den Raum betrat, und wandte sich dann wieder Doflamingo zu. Überhaupt lud sein Verlobter sehr gerne Besuch ein; er war ein sehr geselliger Mensch und genoss die Rolle des großzügigen Gastgebers regelrecht. Crocodile allerdings fühlte sich manchmal gestört durch die vielen verrückten und oftmals auch sehr lauten Freunde seines Partners. Im Gegensatz zu Doflamingo war er kein allzu kontaktfreudiger Mensch und legte vor allem großen Wert auf seine Privatsphäre. Da die Villa jedoch Doflamingo gehörte, vertrat er die Ansicht, dass er kein Recht dazu hatte, diesen darum zu bitten seine Freunde weniger häufig einzuladen. Sein Haus, seine Regeln. "Einen Moment, Croco", zwitscherte sein Verlobter fröhlich, während er Law einen schwarzen Motorradhelm reichte, der bis eben noch auf dem Couchtisch gelegen hatte. "Wir können gleich sofort los. Ich bringe Law nur eben zur Tür, ja?" Crocodile, der nicht dazu in der Lage war seinen Blick von dem schicken Racinghelm abzuwenden, nickte geistesabwesend. Auch wenn er selbst über einen entsprechenden Führerschein verfügte und früher einmal stolzer Besitzer zweier Motorräder gewesen war, hatte er sich schon seit vielen Jahren auf keines mehr gewagt gehabt. Trotzdem konnte Crocodile sich nicht zurückhalten und fragte unvermittelt: "Was für ein Motorrad fährst du, Law?" Angesprochener warf ihm einen überraschten Blick zu; anscheinend hatte Law nicht damit gerechnet, dass der so konservative und langweilige Partner seines verrückten Freundes etwas von motorisierten Zweirädern verstand. "Eine Honda VFR 1200F", antwortete er. "Darf ich sie mal sehen?", fragte Crocodile neugierig nach. Auch wenn es für ihn nicht infrage kam, jemals wieder Motorrad zu fahren, hatte er das Interesse an den schönen Zweirädern nie ganz verloren. Ab und an erwischte er sich selbst dabei, wie er einige Modelle bewunderte, wenn er zufällig die Gelegenheit dazu bekam. "Klar", meinte Law. Er zögerte einen Moment lang, ehe er mit schief gelegtem Kopf anfügte: "Versteh mich bitte nicht falsch, Crocodile, aber um ehrlich zu sein, wundert mich dein Interesse. Doflamingo hat mir gegenüber nie erwähnt, dass du Motorrad fährst, und normalerweise erzählt er alles mögliche von dir." "Er fährt kein Motorrad!", warf plötzlich Doflamingo unerwartet energisch ein. "Ich wüsste es, wenn er Motorrad fahren würde! Er fährt nur Auto, einen Mercedes C 216; er besitzt keine weiteren Fahrzeuge." "Ich bin früher mal Motorrad gefahren", erklärte Crocodile. "Aber das ist lange her. Trotzdem sehe ich sie mir manchmal gerne an." Law führte ihn zu seinem Fahrzeug, das draußen vor der Villa geparkt stand; er war nur eben zu einem kurzen Plausch mit Doflamingo vorbei gekommen, ansonsten hätte dieser veranlasst, dass das Motorrad in der Garage untergebracht wurde. "Ein wirklich sehr schönes Modell", kommentierte Crocodile, während er um die schwarze Honda herumschlich und sie sich ganz genau ansah. "Darf ich fragen, wann du sie gekauft hast?" "Erst vor etwa einem Jahr", antwortete Law ihm. "Vorher besaß ich das Vorgängermodell, die Honda VFR 800 FI, aber die 1200 F gefällt mir besser. Sie hat außerdem deutlich mehr PS." Crocodile nickte. "Du scheinst sie gut zu pflegen." "Natürlich." Law strich mit einer Hand über die Sitzfläche des Motorrads. Anschließend setzte er sich seinen schwarzen Racinghelm auf. Er passte gut zum sportlichen Design der Honda VFR 1200 F. "Aber ich möchte euch nicht länger aufhalten. Doflamingo wird bereits ungeduldig, sehe ich. Dann bis nächste Woche!" Law gab ihnen beiden die Hand, ehe er auf sein Motorrad stieg. Crocodile wich unweigerlich einen großen Schritt zurück. "Fahr vorsichtig", meinte er. Law nickte unter dem schweren Motorradhelm. Einen Moment später hatte er bereits den Motor gestartet und brauste davon. "Du hast mir nie erzählt, dass du Motorrad fährst!", warf Doflamingo ihm in einem ungemein vorwurfsvoll klingenden Tonfall vor, kaum war ihr Gast verschwunden. "Wie kommt es, dass ich so etwas nicht weiß?" Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich fahre doch gar kein Motorrad mehr", erwiderte er gelassen. Er verstand überhaupt nicht, wieso Doflamingo so schrecklich empört war angesichts der Tatsache, dass ihm dieses Detail bisher noch unbekannt gewesen ist. "Also spielt es sowieso keine Rolle." Doflamingo verschränkte die Oberarme vor der Brust und schob die Unterlippe vor. Crocodile musste unweigerlich lachen. Sein Verlobter wirkte wie ein frustriertes Kleinkind, dem man den Lutscher weggenommen hatte. "Lach mich nicht aus", meinte Doflamingo und schob seine Unterlippe noch ein Stück weiter nach vorne. "Mir gefällt der Gedanke nicht, dass es Dinge von dir gibt, die ich nicht weiß. Immerhin heiraten wir bald. Da sollte man einander doch kennen!" "Ärgere dich nicht", sagte Crocodile und küsste seinen Verlobten auf den Mund. "Du hast noch dein ganzes Leben lang Zeit, um alles von mir zu erfahren, was dich interessiert. Es gibt keinen Grund zur Eile." Seine Worte schienen Doflamingo zu besänftigen. "Du hast Recht", meinte er und erwiderte den Kuss überaus leidenschaftlich. "Wir haben viele Jahrzehnte miteinander. Du bist der Mann meines Lebens. Aber ich kann einfach nicht anders als mich zu fragen, wie viele Geheimnisse es noch zu lüften gibt." Crocodile löste ihren Kuss und zuckte mit den Schultern. Plötzlich begann er sich sehr unwohl zu fühlen. "Jeder Mensch hat seine Geheimnisse", meinte er schließlich ausweichend. "Ich bin mir sicher, dass ich auch noch nicht alles über dich weiß. Aber beenden wir dieses Thema jetzt lieber. Stattdessen sollten wir uns endlich auf den Weg machen. Das Konzert beginnt um neun Uhr und ich hätte nichts dagegen, vorher noch ein paar schöne Stunden gemeinsam mit dir in unserem Hotelzimmer zu verbringen." Sofort grinste Doflamingo breit. "Stimmt, wir sind spät dran", meinte er. "Ich sage eben dem Fahrer Bescheid, dann können wir sofort los." Das Fünf-Sterne-Hotel Moby Dick war ein wunderschöne Anlage, die sich auf einem großen und gut gepflegten Grundstück befand. Obwohl das Haus sehr zentral in der Innenstadt lag, war die Umgebung insgesamt ruhig und wirkte ebenso vornehm wie das luxuriöse Hotel. Crocodile musste wohl oder übel zugeben, dass die 400 Berry, die man hier allermindestens pro Nacht für ein Zimmer bezahlte, vermutlich durchaus gerechtfertigt waren. Sie wurden persönlich von Whitebeard begrüßt, kaum hatten sie das große Foyer des Hotels betreten. (Unnötig zu erwähnen, dass ihrem Fahrer, der das Gepäck aus dem Kofferraum des Aston Martin DBS V12 lud, dieses sofort von ein paar Angestellten des Moby Dick abgenommen wurde.) Crocodile schluckte nervös und scharrte mit den Füßen, ehe er dem Inhaber des Fünf-Sterne-Hotels die Hand gab. Er hoffte von ganzem Herzen, dass dieser ihn nicht vor seinem Partner blamieren würde. Angespannt lauschte Crocodile dem Small-Talk, den die beiden ehemaligen Geschäftspartner rege betrieben. Doch zum Glück sprachen sie bloß über alte Zeiten und irgendwelche Personen, von denen Crocodile noch nie zuvor gehört hatte. Gerade wollte er erleichtert aufatmen, als er Whitebeard jedoch völlig unvermittelt sagen hörte: "Ich habe mitbekommen, Doflamingo, dass du zusammen mit deinem Partner in einem unserer preisgünstigeren Zimmer nächtigen möchtest. Das kann ich unmöglich zulassen." Crocodile biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Wieso nur, dachte er verzweifelt, musste Whitebeard unbedingt auf dieses Thema zu sprechen kommen? Ihr Gespräch war doch beinahe schon beendet gewesen! Crocodile hatte darauf gehofft, dieser Blöße entgehen zu können, doch anscheinend war er in dieser Hinsicht zu naiv gewesen. Nun würde er sich also doch vor seinem Verlobten verantworten und diesem erklären müssen, wieso er keines der teureren Zimmer für sie beide reserviert hatte. Sicherlich würde Doflamingo wütend werden und ihm an den Kopf werfen, er wäre ein schrecklicher Geizhals und seiner nicht würdig. "Leider ist das Moby Dick absolut ausgebucht. Wegen des Konzerts, das heute Abend stattfindet, hat es einen sehr großen Andrang gegeben", fuhr Whitebeard fort. "Eines der anderen Zimmer kann ich euch beiden also nicht anbieten. Dafür allerdings die Präsidentensuite." Nur mit viel Mühe gelang es Crocodile, einen erleichterten Seufzer zu unterdrücken. Glücklicherweise war das Horrorszenario, das er sich ausgemalt hatte, nicht eingetreten. Dafür stand er nun allerdings vor einem ganz anderen Problem: Wie nur sollte er eine Präsidentensuite bezahlen? "Nein danke, das ist nicht nötig", meinte jedoch zu Crocodiles Überraschung sein Verlobter. Er warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu. Um ehrlich zu sein, hatte er fest damit gerechnet, dass sein reicher Partner bei diesem tollen Angebot sofort zugreifen würde. Bestimmt war er es gewohnt, in der Präsidentensuite, die zumeist die teuerste und größte Suite in einem Haus darstellte, zu übernachten. Auch Whitebeard wirkte überrascht. "Bist du dir sicher?", hakte er nach. "Sehr gerne würde ich dir die Präsidentensuite überlassen. Selbstverständlich kostenfrei; immerhin sind wir doch alte Geschäftspartner." Doflamingo schüttelte den Kopf. "Wir bleiben lieber bei dem Zimmer, das wir ursprünglich gebucht haben", meinte er in einem freundlich klingenden Tonfall. Sowohl Whitebeard als auch Crocodile gab die plötzliche Bescheidenheit Doflamingos Rätsel auf, doch ihnen blieb wohl nichts Anderes übrig, als sich dessen Wunsch zu fügen. Ihnen wurden zwei Karten für das Zimmer Nummer 324, das im dritten Stock lag, überreicht und sie wurden darauf hingewiesen, dass sie das Frühstück am nächsten Morgen zwischen fünf und vierzehn Uhr wahrnehmen konnten. "Ähm, sag mal", begann Crocodile, als sie ihr Hotelzimmer betreten hatten. "Wieso wolltest du denn nicht lieber in der Präsidentensuite übernachten? Die wird doch sicher eher deinen Ansprüchen gerecht als ein reguläres Hotelzimmer, oder nicht?" Um ehrlich zu sein, hätte er nichts dagegen gehabt, die Präsidentensuite zu beziehen, sofern diese für sie beide kostenlos war. Er hatte noch niemals zuvor in einer solchen Suite genächtigt. "Es wäre furchtbar unhöflich gewesen", erklärte Doflamingo ihm und ließ sich auf dem gemütlichen Kingsize-Bett nieder. "Immerhin handelt es sich bei dieser Hotelübernachtung um ein Geschenk von dir. Bestimmt hätte es dich verletzt, wenn ich mit einem besseren Zimmer vorlieb genommen hätte." "Oh", sagte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Dass sein Partner die Prasidentsuite aus Rücksicht auf ihn abgelehnt haben könnte, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Wieder einmal dachte er deutlich schlechter von Doflamingo, als dieser es verdiente. "Darum musst du dich nicht sorgen", erwiderte Crocodile. "Von mir aus können wir gerne auch die Präsidentensuite nehmen. Es würde mich nicht verletzen, ehrlich." "Das sagst du nur, um mich nicht vor den Kopf zu stoßen " Doflamingo schwieg für einen Moment, ehe er mit unerwartet ernster Stimme meinte: "Ich bin mir dessen bewusst, dass du über weniger Geld verfügst als ich, Crocodile. Und dass es dir manchmal schwerfällt, mit mir mitzuhalten. Deswegen ist es mir wichtig, dir zu zeigen, dass es mir bei deinen Geschenken nicht um den Geldwert geht. Ich freue mich sehr darüber, dass du mich zu dem Konzert von Brook eingeladen hast. Und ob wir in einem Zimmer für 400 Berry oder in der Präsidentensuite für 2.000 Berry pro Nacht schlafen, ist mir dabei völlig egal. Darum geht es schließlich gar nicht. Sondern um den Gedanken, der dahinter steht. Also fühl dich bitte nicht schlecht, ja? Ich schätze dein Geschenk wirklich wert, Crocodile, das musst du mir glauben." Crocodile nickte. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Die Worte seines Verlobten rührten ihn sehr. Nun allerdings fühlte er sich umso schlechter, weil ihn die Konzertkarten nichts gekostet hatten und er sich noch dazu das günstigste freie Zimmer im Hotel ausgesucht hatte. Würde Doflamingo sich noch immer so sehr freuen, wenn er herausfand, um was für einen Rappenspotter es sich bei seinem Verlobten handelte? "Bitte schau nicht so missmutig drein", bat Doflamingo ihn und stand vom Bett auf. Er ging hinüber zu seinem Partner und legte seine Arme um diesen. "Es gibt wirklich keinen Grund, wieso du dich schlecht fühlen solltest. Dieses Zimmer ist auch sehr schön. Was hältst du davon, wenn wir beide uns einfach ins Bett legen und ein paar schöne Stunden miteinander verbringen, ehe wir zum Konzert gehen? Würde dich das aufheitern?" "Okay", sagte Crocodile und bemühte sich darum zu lächeln, wenn auch bloß um seines Partners willen. Rasch schälten sie sich aus ihrer Kleidung und legten sich nebeneinander in das große und gemütliche Bett. Crocodile schmiegte sich eng an Doflamingos warmen Körper und atmetete tief dessen betörenden Geruch ein. Sofort entspannte er sich. Ihnen blieben noch etwa drei Stunden, bis sie sich auf den Weg zum Konzert machen sollten. Zärtlich begann Crocodile den Körper seines Verlobten zu streicheln und zu liebkosen. Die Haut, die Doflamingos Muskeln überspannte, war weich und warm. Und auch wenn er schon Dutzende Male mit seinem Partner intim geworden war, entdeckte Crocodile doch jedes Mal ein Detail an dessen Körper, das ihm zuvor noch nicht aufgefallen war: ein Muttermal, ein dünner Pflaum blonder Haare oder sogar eine kleine Narbe. Gerade fuhr er mit den Fingern die imposanten Bauchmuskeln seines Verlobten nach. Da sie genug Zeit hatten, sah Crocodile keinen Grund zur Eile. Anstatt sich zu hetzen, erkundete er bedächtig jede Stelle am Körper seines Partners, die ihn reizte. Auch Doflamingo machte keinen ungeduligen Eindruck. Eher im Gegenteil: Er schien die zärtlichen Berührungen sehr zu genießen; Crocodile meinte sogar, ihn leise schnurren zu hören. Die positive Stimmung seines Verlobten ging bald auch auf ihn selbst über: Allmählich spürte Crocodile, wie auch er deutlich ruhiger und entspannter wurde. In der Nähe von Doflamingo fühlte er sich ausgesprochen wohl. Gleichzeitig merkte er, dass sich seine Lust auf Sex ebenfalls steigerte. Als sein Partner nach seinem Glied griff und es langsam zu pumpen begann, war es bereits vollständig aufgerichtet. Crocodile stöhnte leise auf und ließ bereitwillig zu, dass Doflamingo sich für die Aufmerksamkeit, die er ihm eben geschenkt hatte, revangierte. Er schloss seine Augen und atmete genüsslich den betörenden Geruch seines Verlobten ein, während dieser ihm einen Handjob gab. Ein paar Minuten lang verwöhnte Doflamingo ihn mit seiner Hand; dann löste er sich von ihm. Crocodile öffnete die Augen und sah verwundert zu seinem Partner hinüber, nur um festzustellen, dass dieser in seiner Tasche, die auf dem Parkettboden neben dem Bett lag, herumkramte. Es dauerte nicht lange, bis eine Tube Gleitcreme zum Vorschein kam - und eine einzelne, große, rosafarbene Feder. Crocodile zog eine Augenbraue hoch, doch Doflamingo grinste bloß lüstern und leckte sich über die Lippen. "Es fühlt sich schön an", versicherte er ihm und krabbelte zurück auf die Matratze. "Glaub mir. Schließ einfach deine Augen und entspann dich. Alles Andere überlässt du mir." Crocodile war sich nicht sicher, ob es ihm gefallen würde, ausgekitzelt zu werden, während er einen Hand- oder Blowjob bekam, trotzdem tat er wie ihm geheißen. Am Ende handelte es sich ja doch bloß um eine harmlose Feder. Doflamingo positionierte sich zwischen seinen gespreizten Beinen; mit einer Hand setzte er den unterbrochenen Handjob fort, mit der anderen ließ er die Feder über den Oberkörper seines Partners gleiten. Crocodile musste zugeben, dass sich die Berührung lange nicht so schlecht anfühlte wie gedacht. Die Feder war sehr leicht und hinterließ ein angenehmes Kribbeln auf seiner Haut ohne zu kitzeln. Als sein Verlobter mit der Zunge die Spitze seines Glieds zu necken begann, berührte ihn die weiche Feder gerade an den Brustwarzen. Crocodile konnte gar nicht anders als laut zu stöhnen. Inzwischen genoss er die wortwörtlich federleichten Berührungen regelrecht. Seine Augen hatte er noch immer geschlossen und er fragte sich immer wieder, wo die Feder ihn im nächsten Moment berühren würde. Doflamingo begann die gesamte Länge seines Glieds in den Mund zu nehmen; gleichzeitig neckte er seinen Partner, indem er mit der Feder immer wieder seine sensibelsten Körperstellen streichelte: die Brustwarzen, den Hals, den Bauchnabel... Bald schon kam Crocodile mit dem Stöhnen kaum mehr hinterher. Er hätte niemals erwartet, dass eine Feder ihn so sehr erregen könnte. "Ich komme gleich", warnte er seinen Verlobten mit heiserer Stimme vor, als er spürte, wie sich in seinem Unterleib Druck aufbaute. Er glaubte zu verbrennen: Ausgehend von seinem Glied, das absolut gnadenlos von Doflamingo bearbeitet wurde, breiteten sich Hitzewellen in seinem gesamten Körper aus, während gleichzeitig die Feder, überall wo sie seine Haut berührte, ein sanftes Kribbeln hinterließ. Bald konnte Crocodile der Hitze nicht mehr standhalten: Während die Feder sanft die Innenseiten seiner Oberschenkel neckte, ergoss er sich in mehreren Schüben in den Mund seines Partners. Doflamingo schluckte ohne zu zögern und ohne in seiner Bewegung inne zu halten das Sperma hinunter. Crocodile bekam keine Möglichkeit, wieder zu Atem zu kommen. Er gab einen erschöpften Protestlaut von sich und schob die Feder fort. Nun da er seinen Höhepunkt bereits gehabt hatte, fühlte sie sich nicht mehr so angenehm wie zuvor an. Wahrscheinlich, dachte Crocodile, war sein Körper heillos überreizt. "Und?", fragte Doflamingo ihn und leckte sich über die Lippen. "Hat es dir gefallen? Oder habe ich dir zu viel versprochen?" "Warum stellst du immer wieder dieselbe Frage", gab Crocodile mit erschöpfter Stimme zurück, "wenn du die Antwort doch sowieso schon weißt?" Doflamingo begann selbszufrieden zu kichern. Anschließend meinte er: "Ich hoffe, dass du immer noch ein wenig Energie übrig hast. Das Beste liegt noch vor uns!" Im selben Atemzug griff er nach der Gleitcreme und benetzte die Finger seiner rechten Hand mit der durchsichtigen Flüssigkeit. Er zerrieb die Creme ein paar Sekunden lang, um sie zu erwärmen. Crocodile erinnerte sich daran, dass er Doflamingo mitgeteilt hatte, er könnte eiskalte Gleitcreme nicht ausstehen, nachdem sie schon etwa drei oder vier Mal miteinander geschlafen hatten. Seitdem war sein Verlobter so gut wie immer aufmerksam genug, um die dickflüssige Creme vorher kurz durch Reibung zu erwärmen. Eine sehr rücksichtsvolle Geste, fand Crocodile. Enel, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, hatte sich nie diese Mühe gemacht. Crocodile spreizte bereitwillig die Beine und ließ zu, dass Doflamingos Zeigefinger in ihn eindrang. Kurze Zeit später kam ein zweiter Finger dazu. Sein Partner war nicht mehr ganz so geduldig wie zu Beginn, stellte Crocodile fest, doch er schien sich dennoch darum zu bemühen ihm nicht wehzutun. Doflamingo konnte ein wirklich fürsorglicher Mensch sein. Es war ein unfassbar schönes Gefühl, als er endlich mit seinem steifen Glied in ihn eindrang. Crocodile stöhnte unweigerlich laut auf. Das ausgedehnte Vorspiel hatte ihn erschöpft, doch es hatte ihm auch Lust auf mehr gemacht. Und Crocodile konnte nicht verhehlen, dass er das Gefühl, ausgefüllt zu werden, einfach nur liebte. Kaum war Doflamingo vollständig in ihn eingedrungen, begann Crocodile seine Hüften zu bewegen, um Reibung zu erzeugen. Glücklicherweise schien sein Verlobter dieses Signal zu verstehen. Anstatt ihn weiter auf die Folter zu spannen, bewegte er sich mit langsamen und festen Stößen in ihm. Immer wieder entzog ihm Doflamingo sein Glied, nur damit er umso härter und schneller erneut in ihn eindringen konnte. Aufeinander klatschendes Fleisch und lautes Stöhnen waren für eine Weile die einzigen Geräusche, die zu hören waren. Crocodile genoss den Sex über alle Maßen. Bei der harten und schnellen Penetration handelte sich um eine angenehme Abwechslung nach der höllisch-schönen Tortur mit der Feder, die er zuvor hatte erdulden müssen. Er hoffte bloß, dass die Wände ihres Hotelzimmers dick genug waren, um die absolut eindeutige Geräuschkulisse zu schlucken. Bei dem Gedanken, dass jemand sie beide hören könnte, schoss Crocodile die Röte ins Gesicht. Er kreuzte den Blick mit seinem Partner. Doflamingos grüne Augen wirkten vor Lust ganz verschleiert. Bei jedem Stoß stöhnte er laut und seine Fingernägel krallten sich fest in die Hüften seines Verlobten, der unter ihm lag. Crocodile stellte stolz fest, dass Doflamingo genauso wie er im siebten Himmel zu schweben schien. Bis zu seinem zweiten Orgasmus brauchte Crocodile bloß noch ein halbes Dutzend Stöße. Er ergoss sich dieses Mal nicht in den Mund seines Partners, sondern auf dessen Oberkörper und auch auf seinen eigenen. Obwohl es sich um eine geringere Menge Sperma handelte und er zu erschöpft war, um zu schreien, war es ebenfalls ein sehr schöner Höhepunkt. Crocodile fühlte sich gleichermaßen glücklich und müde. Am liebsten würde er jetzt sofort einschlafen. Um jedoch die Gefühle seines Verlobten, der noch nicht auf seine Kosten gekommen war und immer wieder in ihn stieß, nicht zu verletzen, zwang Crocodile sich dazu wach zu bleiben. Ein paar Minuten später erreichte auch Doflamingo endlich seinen Höhepunkt. Er schloss seine giftgrünen Augen und pumpte sein Ejakulat laut keuchend in das Innere seines Partners. Dann brach er erschöpft über ihm zusammen. Normalerweise hätte Crocodile, sobald er wieder zu Atem gekommen wäre, Doflamingos schweren Körper von sich geschoben und rasch nach ein paar Taschentüchern gegriffen, um das Sperma, das warm aus ihm herauslief, wegzuwischen; derzeit fühlte er sich dazu jedoch viel zu schwach. Stattdessen schloss er seine Augen und glitt kaum einen Moment später in einen sehr erholsamen Schlaf über. Er träumte davon, dass er neben seinem Verlobten auf einer weichen Blumenwiese lag und die Wolken beobachtete, die gemächlich am azurblauen Himmel vorüberzogen. Als Crocodile wieder erwachte, blinzelte er mehrmals. Denn obwohl er seine Augen öffnete, wurde es seltsamerweise nicht heller. Erst nach einigen Minuten, in denen er schlaftrunken vor sich hin döste, wurde ihm klar, was passiert sein musste: Doflamingo und er waren nach dem Sex eingeschlafen und nun war die Nacht über sie hereingebrochen. Brooks Konzert, schlussfolgerte Crocodile, hatten sie beide demnach verpasst. Er spürte, dass sein Verlobter sich neben ihm im Bett bewegte; auch Doflamingo schien allmählich aufzuwachen. Crocodile seufzte leise und rieb sich mit seiner rechten Hand über die müden Augen. Wenn er ehrlich war, dann hatte er momentan eigentlich keine allzu große Lust, sich mit seinem Partner auseinanderzusetzen. Sicherlich war Doflamingo wütend, weil sie das Konzert, auf das er sich so sehr gefreut hatte, einfach verschlafen hatten. Wieso hatte Crocodile auch nicht daran gedacht, einen Wecker zu stellen? Schließlich hatte er doch gewusst, dass sie sich in ihrem Hotelzimmer vorher ein paar schöne Stunden gönnen wollten. Und damit, dass man nach dem Sex einschlief, musste man ja wohl definitiv rechnen. Furchtbare Gewissensbisse plagten Crocodile. Er hoffte, dass sein Verlobter nicht allzu sauer auf ihn sein würde. Er hatte sich doch so sehr auf Brooks Konzert gefreut gehabt. Doflamingo fuhr aufgeregt hoch. "Oh shit!", hörte Crocodile ihn verärgert flüstern. "So eine verdammte Scheiße!" Dann sagte er ein wenig lauter: "Croco?" "Ich bin wach", antwortete Crocodile und setzte sich ebenfalls auf. Je früher er die Standpauke seitens seines Partners hinter sich brachte, desto besser. Müde strich er ein paar Haarsträhnen zurück, die ihm ins Gesicht gefallen waren. Er musste furchtbar aussehen mit seinem unordentlichen Haar und dem getrockneten Sperma, das sowohl an seiner Brust als auch seinen Oberschenkeln klebte. "Wie spät ist es?", fragte Doflamingo ihn. Crocodile zuckte mit den Schultern und beugte sich zur Seite, um die Nachttischlampe anzuschalten. Das grelle Licht stach ihm einen kurzen Moment lang in die Augen; dann jedoch war er dazu in der Lage die Uhrzeit an der schicken Designeruhr, die über der Zimmertüre hing, abzulesen. "Dreiundzwanzig Uhr dreißig." Einlass war vor zweieinhalb Stunden gewesen; Brooks Konzert hatten sie also definitiv verschlafen. Doflamingo schwieg für einen Weile und Crocodile macht sich mental bereits auf das Schlimmste gefasst, als sein Partner plötzlich sagte: "Verdammt, es tut mir unendlich leid, Wani. Das musst du mir glauben! Bitte sei nicht wütend auf mich, ja? Es war wirklich keine Absicht." "Wieso sollte ich wütend auf dich sein?", gab Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen zurück. "Na, weil wir Brooks Konzert verpasst haben", meinte Doflamingo mit schuldbewusster Stimme. "Selbst wenn wir jetzt sofort losfahren würden, wären wir nicht vor Ende dort. Immerhin ist es fast schon Mitternacht. Das schaffen wir auf keinen Fall mehr. Warum nur bin ich gleich nach dem Sex eingeschlafen? Das passiert mir so gut wie nie." "Es ist nicht deine Schuld", versuchte Crocodile seinen Verlobten zu trösten und fuhr diesem zärtlich über den Rücken. Er sah tatsächlich keinen Grund, wieso Doflamingo sich schlecht fühlen sollte. Der Fehler lag bei ihm und nicht bei seinem Partner. Schließlich hatte er vorgeschlagen gehabt, das Konzert zu besuchen. "Ich fühle mich total beschissen", meinte Doflamingo trotz der Aufmunterungsversuche seitens seines Verlobten. Er klang schrecklich betrübt. "Du hast diese schöne Überraschung für mich geplant und ich habe alles kaputt gemacht! Und die teuren Konzertkarten hast du auch völlig umsonst bezahlt. Von unserem Hotelzimmer ganz zu schweigen. Wir hätten es uns also auch einfach sparen können, hierher zu fahren! Oh, Crocodile! Es tut mir so leid!" "Ist schon gut", redete Crocodile auf seinen Partner ein. Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Doflamingo ein solch schlechtes Gewissen hatte. Eigentlich war doch Crocodile derjenige, der die Schuld an dieser Situation trug. Eher sollte er sich bei Doflamingo entschuldigen, anstatt umgekehrt. Und für die Konzertkarten hatte er ja sowieso überhaupt nichts bezahlt gehabt. "Bitte mach dir keine Vorwürfe. So schlimm ist es nun auch wieder nicht." "Das sagst du nur, damit ich mich nicht schlecht fühle", gab Doflamingo zurück, doch zu Crocodile Erleichterung klang er bereits deutlich weniger niedergeschlagen. "Was passiert ist, ist passiert", meinte er und bemühte sich um einen zuversichtlich klingenden Tonfall. "Es ist nicht deine Schuld. Im Gegensatz zu dir schlafe ich ja öfter nach dem Sex ein; ich hätte also daran denken können, einen Wecker zu stellen. Aber was soll's. Die Situation ist nicht mehr zu ändern. Also hören wir auf uns zu ärgern, ja? Wir beide." "Naja", lenkte Doflamingo ein und grinste fast schon wieder, "du hast ja nicht damit rechnen können, dass unser Sex so unfassbar gut werden würde! Von der Feder habe ich dir schließlich vorher nichts erzählt gehabt." "Das stimmt", erwiderte Crocodile, der froh darüber war, dass sich die negative Stimmung allmählich wieder auflöste. Er konnte es absolut nicht leiden, wenn sein Partner niedergeschlagen war. Dass Doflamingo schlechte Laune hatte, kam nur sehr selten vor. "Da hast du mich wirklich unvorbereitet erwischt." Sein Verlobter gluckste. "Aber es hat dir doch gefallen, nicht wahr?" Crocodile rollte mit den Augen. "Hat es sich denn so angehört?", gab er zurück und spürte, dass sich Röte in seinem Gesicht ausbreitete. Doflamingo beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn sanft auf den Mund. Crocodile schloss die Augen und genoss das Gefühl von süßen Lippen auf den eigenen. Als sie den Kuss beendet hatten, meinte sein Partner: "Warum machen wir nicht einfach das Beste aus der Nacht? Du hast bestimmt Hunger, nicht wahr? Wir können uns ein paar leckere Snacks auf unser Zimmer bestellen; eine Art Mitternachts-Imbiss sozusagen. Und dazu hören wir ein bisschen Musik." "Gute Idee", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu. Erst jetzt wurde ihm klar, dass Doflamingo mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte: Tatsächlich war er sehr hungrig und durstig. "Aber vorher sollten wir duschen. Mir fällt es schwer eine Körperstelle zu finden, an der kein getrocknetes Sperma klebt." Angesichts dieser (für Crocodiles Verhältnisse sehr unverblümt ausgedrückten) Aussage brach Doflamingo sofort in lautes Gelächter aus. "Einverstanden", meinte er und erhob sich vom Bett. Im Halbdunkeln wirkte sein muskulöser Körper noch hübscher als sowieso schon, fand Crocodile, der sich ernsthaft zusammenreißen musste, um nicht zu starren. Auf dem Weg hinüber zum angrenzenden Badezimmer fügte Doflamingo hinzu: "Es war ein wirklich schöner Abend, auch wenn wir nicht zum Konzert gegangen sind." "Das freut mich zu hören", meinte Crocodile und wickelte die Bettdecke um seinen Körper, ehe er seinem Verlobten folgte. Inzwischen war es deutlich heruntergekühlt und sie hatten vergessen die Heizung anzuschalten. Er stellte sie auf die höchste Stufe, damit es im Hotelzimmer kuschelig warm sein würde, wenn sie aus der Dusche kamen. "Tut dein Arsch eigentlich sehr weh?", fragte Doflamingo ihn, als sie zu zweit in die geräumige Duschkabine stiegen. Crocodile, der sich gerade die Spermareste vom Oberkörper wischte, rollte mit den Augen. "Wenn du Lust auf eine zweite Runde hast", meinte er schnippisch, "dann musst du eine Menge Gleitcreme nehmen. Ich bin total wund. Du bist nicht gerade sanft gewesen." Den letzten Satz sprach er in einem ungemein vorwurfsvoll klingenden Tonfall aus. Doflamingo gluckste allerdings bloß. "Ich hatte das Gefühl, dass du nach der Sache mit der Feder Lust auf etwas Härteres hättest", meinte er und seifte ihm den Rücken ein. "Aber keine Sorge: Dieses Mal bin ich sanfter, wenn du darauf bestehst. Versprochen." Crocodile rollte erneut mit den Augen, doch gab keine Erwiderung. * Wieder einmal sah Crocodile sich dazu genötigt, mit ein paar Freunden seines Verlobten zu Abend zu essen. Da es sich um eine deutlich kleinere Runde handelte als beim letzten Mal (sie waren bloß zu fünft), nahmen sie ihre Mahlzeit nicht im großen Speisesaal, sondern im Esszimmer ein. Es war ein sehr gemütlich eingerichteter Raum. Doflamingo und er aßen hier zumeist zu Abend; im Speisesaal wären sie sich zu zweit nämlich ganz verloren vorgekommen. "Ist die Hirnoperation, die du gestern durchgeführt hast, erfolgreich gewesen, Law?", fragte Doflamingo seinen Gast in einem unbefangen klingenden Tonfall. Es wurden gerade ihre Vorspeisen serviert und Crocodile unterdrückte nur mit viel Mühe ein Seufzen. Konnte sich sein Verlobter denn kein appetitlicheres Thema auswählen, um Small-Talk zu betreiben? Zumindest Crocodile neigt dazu, sich alles, was er hörte, auch bildlich vorzustellen. Law jedoch schien die Frage seines Gastgebers nichts auszumachen. Wahrscheinlich hatte er inzwischen längst jedes Ekelgefühl abgelegt. Crocodile verwunderte dieser Umstand nicht; man entschied sich wohl nicht dazu Hirnchirug zu werden, wenn einem beim Gedanken an Blut und Gewebe die Übelkeit den Hals hinaufkroch. "Wir haben den Tumor erfolgreich entfernt", antwortete Law also mit völlig ungerührt klingender Stimme, während er nach dem Löffel für seine Gemüsesuppe griff. "Aber der Eingriff war, um ehrlich zu sein, auch nicht sonderlich kompliziert. Die Operation hat insgesamt bloß sechs Stunden gedauert. Es war ein sehr kleiner Tumor." "Das ist schön zu hören", meinte Doflamingo und griff nach einer kleinen Teigtasche, die mit Kaviar gefüllt war. "Wieder verdankt dir jemand sein Leben." Er verspeiste die Teigtasche in einem einzigen Bissen. "Du weißt, dass ich meinen Beruf nicht ausübe, damit meine Patienten mir ihr Leben schulden", erwiderte Law mit ruhiger Stimme. "Es gibt nur einen einzigen Grund, wieso ich Operationen durchführe: Weil es mir Spaß macht. Wenn es mir gelingt zum Beispiel einen Tumor zu entfernen, dann freue ich mich in erster Linie über meinen persönlichen Erfolg. Das Leben des Patienten steht für mich bloß an zweiter Stelle. Darum habe ich auch nicht das Gefühl, dass mir irgendjemand sein Leben verdankt." "Deine Arbeit ist überaus ehrenhaft", warf Monet, die zwei Plätze neben Crocodile saß, mit freundlicher Stimme ein, "aus welchen Beweggründen du sie auch immer tun magst. Ohne deine Hilfe wären viele Menschen inzwischen längst tot." "Nicht jede Operation, die ich durchgeführt habe, ist gut verlaufen", warf Law ein, dem die vielen Komplimente, die er bekam, unangenehm zu werden schienen. "Manchmal war ich einfach nicht dazu in der Lage, meine Patienten zu retten. Einmal ist ein junges Mädchen sogar wegen eines Fehlers, den ich gemacht habe, verstorben." "Niemand ist perfekt", meinte Crocodile und tunkte ein Stück geröstetes Brot in seine Tomatensuppe. "Ob man nun Chirug, Geschäftsmann, Pilot oder was auch immer ist: Jeder macht ab und an mal einen Fehler. Davor ist keiner sicher. Außerdem werden deine Patienten doch über das Risiko, das sie bei einer Operation eingehen, informiert, oder etwa nicht?" "Natürlich", sagte Law, den seine Worte tatsächlich ein wenig aufzumuntern schienen. Crocodile biss gerade von seinem gerösteten Brot ab, als er ein Zupfen an seinem linken Hemdsärmel spürte. Verwundert sah er sich um. Monet hatte zum Abendessen ihre Schwester Sugar mitgebracht, ein vielleicht drei- oder vierjähriges Mädchen, das ihn mit großen Augen ansah. Die Kleine berührte mit ihren beiden Händchen seinen Ärmel nah beim Armstumpf. Wie so häufig hatte Crocodile den eng anliegenden Hemdsärmel am Ende zugeknotet. Auf genau diesen Knoten deutete das kleine Mädchen nun und fragte ihn mit neugieriger Stimme: "Warum ist denn deine Hand weg?" "Sugar!", brüllte Doflamingo mit entsetzt klingender Stimme und erhob sich von seinem Stuhl, noch ehe Crocodile dazu kam, sich zu äußern. "So etwas fragt man nicht", wies er sie streng zurecht. "Das ist sehr, sehr unhöflich. Entschuldige dich gefälligst bei Crocodile!" "Ist schon gut", lenkte Crocodile hastig ein und bedeutete seinem Partner, sich wieder hinzusetzen. Die kleine Sugar wirkte völlig überfordert. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, dass eine (aus ihrer Sicht) völlig harmlose Frage ihr eine solch schlimme Standpauke einbringen würde. Das Mädchen war den Tränen nah und ließ Crocodiles Hemdsärmel rasch wieder los. "Ihre Frage hat mir nichts ausgemacht. Wirklich nicht", beteuerte Crocodile, der seine Worte tatsächlich ernst meinte. Bei dem Verlust seiner linken Hand handelte es sich um keinen seiner wunden Punkte. Er hatte sich längst schon an diesen Umstand gewöhnt. Natürlich erinnerte er sich nicht allzu gerne daran zurück, wie er seine Hand damals verloren hatte; doch solange sie sich nicht über ihn lustig machten, nahm er es den Leuten nicht übel, wenn sie ihn darauf ansprachen. Sugars Frage hatte ihn überhaupt nicht verletzt. Das kleine Mädchen war bloß neugierig gewesen. Crocodile war sich sicher, dass ihre Stimme nicht anders geklungen hätte, wenn sie ihn nach seinem langen Haar, seinem Ohrring oder irgendeinem anderen auffälligen Detail gefragt hätte. "Du musst sie nicht in Schutz nehmen, bloß weil sie noch ein Kind ist", meinte Doflamingo, den seine Worte überhaupt nicht zu überzeugen schienen. "Sie weiß es doch nicht besser", gab Crocodile schulterzuckend zurück. Er hatte überhaupt nicht damit gerechnet gehabt, dass sein Partner so furchtbar wütend auf Sugars Frage reagieren würde. Doflamingo machte einen sehr entsetzten und betretenen Eindruck. Man könnte meinen, das kleine Mädchen hätte ihm eine schlimme Beleidigung an den Kopf geworfen. "Dann muss sie es eben lernen!", erwiderte Doflamingo mit zorniger Stimme. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen und wandte sich dann an Sugar, die weinend auf dem Stuhl neben ihm saß. "Ist schon gut", sagte er und bemühte sich um einen freundlich klingenden Tonfall. "Du brauchst nicht zu weinen. Doflamingo meinte bloß, dass man Fragen dieser Art nur dann stellen sollte, wenn man sich ganz sicher ist, dass sie niemanden verletzen. Deine Frage hat mich aber zum Glück nicht verletzt. Also hör bitte auf zu weinen, ja?" Das kleine Mädchen nickte schluchzend und wischte sich schließlich die Tränen vom Gesicht. Crocodile atmete erleichtert auf. Er war sehr froh darüber, dass sich Sugar allmählich wieder beruhigte. Er wollte bloß dieses Abendessen in Frieden hinter sich bringen und hatte keine Lust auf Ärger. "Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt zum Hauptgang übergehen?", meinte Law wahrscheinlich einfach nur, um das Thema zu wechseln. Ihm und Monet schien diese Situation mindestens ebenso unangenehm wie Crocodile zu sein. Vermutlich, dachte er sich, hatten die beiden genauso wenig wie er damit gerechnet, dass Doflamingo so furchtbar wütend auf Sugars Frage reagieren würde. "Gute Idee", stimmte Crocodile ihm zu. Er hatte zwar das geröstete Brot, das er sich als Vorspeise bestellt hatte, kaum angerührt, doch ihm war jeder Vorwand recht, um die angespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern. Leider blieb die Stimmung während des gesamten Abendessens schlecht. Crocodile, Law und Monet bemühten sich zwar immer wieder darum, eine nette Konversation zu starten, doch Doflamingo brachte sich überhaupt nicht ein. Anstatt wie üblich gute Laune auszustrahlen und ständig für Lacher zu sorgen, stocherte er bloß die ganze Zeit über lustlos in seinem Essen herum. Bald begann Crocodile sich ernsthaft zu fragen, was mit seinem Verlobten bloß los sein könnte. Die Angelegenheit mit Sugars grenzwertiger Frage hatten sie doch schließlich längst geklärt gehabt. Law und Monet verabschiedeten sich bereits gegen einundzwanzig Uhr von ihnen; Crocodile konnte es ihnen nicht einmal verübeln. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er ebenfalls versucht, den Abend so schnell wie möglich zu beenden. Er bemühte sich darum sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen und verabschiedete vor allem die kleine Sugar besonders herzlich. Als ihre Gäste endlich verschwunden waren, wandte Crocodile sich mit finsterer Miene an seinen Partner. "Was ist denn bloß los mit dir gewesen?", fragte er ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du hast dich Law und Monet gegenüber absolut unhöflich verhalten! So kenne ich dich gar nicht." Anstatt auf seine Frage zu antworteten, erwiderte Doflamingo ganz unvermittelt: "Hat es dich wirklich nicht gestört, dass Sugar dich nach deiner linken Hand gefragt hat? Oder hast du bloß so getan, damit sie sich nicht schlecht fühlt?" Verdutzt zog Crocodile eine Augenbraue hoch. "Es hat mich wirklich nicht gestört", sagte er schließlich. "Aber worauf willst du eigentlich hinaus?" Doflamingo zögerte einen Moment lang. Crocodile konnte genau sehen, wie sein Verlobter mit sich selbst rang, ehe die Worte geradezu aus ihm herausplatzten: "Würde es dich stören, wenn ich dich danach fragen würde, wie du deine Hand verloren hast?" "Nein", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Dann fügte er hinzu: "Aber ich verstehe immer noch nicht, was dein Problem ist. Würdest du mir bitte endlich erklären, wieso du dich so komisch aufführst?" Noch immer gab ihm das Verhalten seines Partners Rätsel auf. "Naja", meinte Doflamingo und scharrte mit den Füßen. Plötzlich erweckte er einen stark verunsicherten Eindruck. Crocodile, der inzwischen überhaupt nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand, musste etwa eine Minute lang warten, bevor er eine Antwort bekam: "Es ist so, dass... dass ich mich ziemlich oft frage, wie du wohl deine Hand verloren hast. Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe, ist mir diese Frage in den Sinn gekommen. Aber ich habe mich nie getraut dich darauf anzusprechen, weil ich befürchtet habe, dass ich dich verletzen könnte. Sicherlich handelt es sich bei dem Verlust deiner Hand um ein sehr traumatisches Ereignis. Ich wollte dich nicht daran zurückerinnern. Und, nun ja, aus diesem Grund habe ich meine Neugierde immer wieder hinuntergeschluckt. Nur um heute zu erfahren, dass es dir überhaupt nichts ausmacht, wenn man dich nach deiner linken Hand fragt." Crocodile konnte gar nicht anders als zu lächeln. Er schüttelte ungläubig den Kopf und flüsterte leise: "Oh Mann, Doffy." Damit, dass sein häufig doch recht egoistischer Verlobter so fürsorglich und rücksichtsvoll sein konnte, hatte er gar nicht gerechnet gehabt. Normalerweise war Doflamingo eine sehr direkte Person. Da er sich für den Verlust seiner linken Hand nicht zu interessieren schien, war Crocodile auch nie auf den Gedanken gekommen, ihm davon zu erzählen. "Ich habe immer darauf gewartet, dass du von selbst auf mich zukommst", fuhr Doflamingo fort. "Ich weiß, dass es dir schwerfällt, Vertrauen aufzubauen. Und dass es sich bei deiner linken Hand bestimmt um ein sehr sensibles Thema handelt. Darum dachte ich mir, dass es besser wäre, dich nicht zu drängen. Dir stattdessen so viel Zeit zu lassen, wie du brauchst. Jetzt allerdings stelle ich fest, dass meine Geduld völlig umsonst gewesen ist!" "Wenigstens hat das Warten nun ein Ende", meinte Crocodile und bemühte sich um einen aufmunternd klingenden Tonfall. "Ich habe kein Problem damit, dir zu erzählen, was passiert ist. Warum machen wir es uns nicht einfach im Wohnzimmer auf der Couch gemütlich? Wir könnten ein bisschen Wein trinken." Doflamingo nickte. Er wirkte sehr aufgeregt. Es rührte Crocodile, dass seinem Verlobten diese Angelegenheit so wichtig zu sein schien. Er hätte nie damit gerechnet, dass dieser sich so sehr für den Verlust seiner linken Hand interessierte. Ihm selbst machte dieser Umstand inzwischen nichts mehr aus; er hatte sich daran gewöhnt, dass er seinen Alltag mit bloß einer einzigen Hand meistern musste. Crocodile nippte an seinem Wein und überlegte sich, wo er anfangen sollte. Doflamingo saß neben ihm auf der Couch und hatte den Arm um seine Hüfte gelegt. Er spürte sehr deutlich, dass sein Partner neugierig und aufgeregt war, doch trotzdem wagte dieser es nicht, ihn zu drängen. Auch wenn Crocodile ihm das Gegenteil versichert hatte, schien er noch immer davon auszugehen, dass es sich beim Verlust seiner linken Hand um ein sehr sensibles Thema handelte und er sich ihm nicht aufzwingen dürfte. Crocodile stellte sein Weinglas zur Seite, ehe er meinte: "Nun ja, du weißt ja schon, dass, ähm, die ganze Sache vor etwa zehn Jahren passiert ist. Damals war ich mit meinem Studium beinahe schon fertig; ich stand kurz vor den Abschlussprüfungen. Nebenbei arbeitete ich als Assistent eines Event-Managers. Ich verdiente gut genug, um mir ein gebrauchtes Motorrad leisten zu können. (Den entsprechenden Führerschein hatte Mihawk mir zum Geburtstag geschenkt.) Zum Üben kaufte ich zuerst eine Honda CBR 125 R. Dieses Modell ist ziemlich günstig und für Einsteiger gut geeignet. Als ich mich ein bisschen sicherer fühlte, bin ich auf die teurere und schnellere CBR 650 F umgestiegen. Ich musste ein halbes Jahr lang sparen und habe jeden Berry, den ich zwischen die Finger bekam, zur Seite gelegt, um sie mir leisten zu können." Crocodile strich unwirsch eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. Er spürte, dass Doflamingos Griff um seine Hüfte fester wurde. Wahrscheinlich konnte sein Verlobter sich inzwischen ausmalen, was geschehen war. Trotzdem gab er keinen Ton von sich; er überließ ihm allein das Wort und unterbrach ihn auch nicht, als er fortfuhr. "Ich bin gerne im Gebirge gefahren; mich reizten die Steigungen und die schlängelnd verlaufenen Fahrbahnen. Manchmal verbrachte ich sogar meine Wochenenden dort oben. Dann fuhr ich den ganzen Tag lang ohne Unterlass und nahm mir abends ein Hotelzimmer. Ein solcher Ausflug war für mich wie ein entspannender Kurzurlaub. Wegen des Studiums und des Nebenjobs gestaltete sich mein Alltag häufig ziemlich stressig; ich hetzte von einem Termin zum nächsten. Sobald ich allerdings auf mein Motorrad stieg, war es, als hätte man mir eine schwere Last von den Schultern genommen. In meinem Kopf war kein Platz mehr für Gedanken an meine nächste Prüfung, irgendwelche wichtigen Telefonanrufe oder was auch immer. Daz sagte mal zu mir, dass ich wie ausgewechselt wirken würde, wenn ich von einem solchen Wochenende wiederkam." Crocodile senkte den Blick und griff nach seinem Glas, um einen großen Schluck Wein zu nehmen. Er räusperte sich kurz und meinte dann: "Tja, leider wurde mir mein Hobby zum Verhängnis. Es war das Wochenende vor meiner ersten wichtigen Prüfung. Ich hatte wochenlang gelernt und wollte die letzten Tage vor der Klausur nutzen, um mich ein wenig zu entspannen und den Kopf frei zu kriegen. In den ersten Stunden gab es auch überhaupt keine Probleme: Das Wetter war gut und nur sehr wenige Fahrzeuge waren auf den Straßen unterwegs. Mein Fehler war jedoch, dass ich einen Gebirgspass entlangfuhr, der auf beiden Seiten von hohen Felswänden eingerahmt wurde. Außerdem war die Fahrbahn alles andere als gerade und übersichtlich: Es folgte praktisch eine Kurve der nächsten. Daher war die Sicht sehr schlecht. Ich bemühte mich darum vorsichtig zu fahren und aufmerksam zu bleiben, doch am Ende nützte mir meine Sorgsamkeit rein gar nichts. Von hinten kam ein Auto, irgendein Volvo, herangerast. Der Fahrer war viel zu schnell unterwegs. (Später fand man auch heraus, dass er Alkohol im Blut hatte; 1, 2 Promille, glaube ich.) Er sah mich nicht rechtzeitig. Ich versuchte dem Wagen auszuweichen, doch die Fahrbahn war an dieser Stelle schrecklich eng. Hätte der Fahrer des Volvos nicht so viel getrunken gehabt, dann wäre es ihm vielleicht gelungen, an mir vorbeizukommen, doch er fuhr praktisch Schlangenlinien. Ich wurde mit meinem Motorrad zwischen der hinteren Autotüre und der steilen Felswand eingequetscht. Der Volvo schleifte mich noch etwa zwanzig Meter mit sich, ehe er zum stehen kam." Aus dem Augenwinkel heraus sah Crocodile, dass sein Verlobter sich die Innenseite der rechten Hand auf den Mund gepresst hatte. Er war kreidebleich im Gesicht und erweckte den Eindruck, dass er sich jeden Moment übergeben müsste. "Vielleicht sollten wir das Gespräch an dieser Stelle lieber abbrechen", sagte Crocodile mit sorgenvoller Stimme. "Du siehst total fertig aus." Er wollte gerade von der Couch aufstehen, als Doflamingo ihn zurückhielt. "Nein!", meinte er in einem überraschend energisch klingenden Tonfall. Als ihm selbst klar wurde, wie laut er geworden war, fügte er mit leiser und sanfter Stimme hinzu: "Bitte, Crocodile. Solange es dir nichts ausmacht, möchte ich, dass du fortfährst. Ich... ich muss einfach wissen, was damals passiert ist. Alles." Crocodile nickte. "Okay, gut", gab er zurück und versuchte den roten Faden wiederzufinden. "Ich, ähm, ich wurde also zwischen der Felswand und dem Volvo eingequetscht. Und, ob du es glaubst oder nicht, im ersten Moment spürte ich keinen Schmerz. Ich spürte überhaupt nichts. Ich hatte auch keine Angst. Es war, als wäre jegliches Gefühl einfach ausgelöscht worden. Später erklärten die Ärzte mir, dass ich einen schlimmen Schock gehabt hätte. Keine ungewöhnliche Reaktion in solch einer Situation. Irgendwann fand ich dann wieder zu mir. Und auch der Schmerz setzte ein. Eine Weile lang tat ich gar nichts außer zu schreien wie am Spieß. Erst als mir die Puste ausging, konnte ich wieder einigermaßen klar denken. Es war sozusagen mein Glück gewesen, dass mich nur die Hintertüre des Volvos erwischt hatte. Wäre mein Körper von der gesamten Wagenlänge eingequetscht worden, hätte ich diesen Unfall wohl nicht überlebt. Es gelang mir nicht, mich aus den vielen Trümmerteilen zu befreien. Mein linkes Bein machte auf den ersten Blick zwar einen einigermaßen unversehrten Eindruck (ich konnte es sogar bewegen), doch mein rechtes Bein war definitiv gebrochen. Es lag ganz verdreht dar, als würden sich überhaupt keine Knochen darin befinden." Crocodile hielt einen kurzen Moment lang inne und schluckte schwer, ehe er fortfuhr: "Meine linke Hand war, nun ja, sie war... ich konnte es nicht direkt sehen... aber ich wusste, dass sie eingeklemmt war. Zerquetscht. Es war mir absolut unmöglich mich zu befreien, ohne..." Crocodile schloss seine Augen und atmete schwer. Doflamingo verstärkte den Griff um seine Hüfte. "Meine rechte Hand war zum Glück jedoch relativ unverletzt und lag frei. Mir kam der Gedanke, dass ich einen Notarzt rufen musste, wenn ich überleben wollte. Schließlich war ich ja hoch oben im Gebirge. Und wie gesagt, an diesem Tag waren nur wenige Autos auf den Straßen unterwegs. Ich schaffte es, mit der rechten Hand mein Handy hervorzukramen, doch leider hatte es den Unfall nicht heil überstanden Ich versuchte trotzdem, es einzuschalten und einen Notarzt zu kontaktieren. Dieses Handy stellte ja sozusagen meine einzige Hoffnung auf Rettung dar. Als ich mir schließlich eingestehen musste, dass es kaputt gegangen war, schmiss ich es wütend auf die Straße. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten. Ich lag einfach bloß da. Zwischen all den Trümmerteilen. Mit gebrochenem Bein und eingeklemmter Hand. Ich weiß gar nicht mehr, worauf ich wartete. Meine Hoffnung auf Rettung erschien mir mit jeder Minute, die verging, immer abwegiger. Ich war völlig verzweifelt. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht so schlimm wäre zu sterben. Und gerade als ich aufgeben wollte... tja.... in genau diesem Moment geschah ein unfassbares Wunder: Ein schwarzer VW Passat B6 fuhr an der Unfallstelle vorbei. Der Fahrer hielt an, stieg aus seinem Wagen, kotzte sich auf die Füße und kramte dann schnell sein Handy aus dem Handschuhfach hervor, um den Notarzt zu alarmieren. Anschließend kam er mit einem Erste-Hilfe-Kasten und einer halb vollen Flasche Mineralwasser auf mich zu. Es gab nicht viel, was er tun konnte, doch er blieb bei mir, bis der Zivilschutz-Hubschrauber auftauchte und der Notarzt sich um mich kümmerte. Es dauerte etwa eine Stunde lang, mich aus den Trümmern zu befreien und für den Abtransport fertig zu machen. Was danach passiert ist, weiß ich nur aus den Erzählungen der Ärzte. Man stellte mich nämlich unter Narkose, sodass ich von meinem Flug ins nächstliegende Krankenhaus und meiner Not-Operation überhaupt nichts mitbekam. Meine linke Hand ist nicht zu retten gewesen; den Ärzten blieb nichts anderes übrig, als sie abzunehmen. Wegen der Amputation und der vielen anderen Verletzungen, die ich davon getragen hatte, musste ich insgesamt zwei Monate lang im Krankenhaus bleiben. Meine Abschlussprüfungen konnte ich in diesem Semester nicht schreiben. Ich unterbrach mein Studium und zog für etwa ein halbes Jahr zu Mihawk. Aber das weißt du ja schon." "Was ist aus dem Fahrer des Volvos geworden?", fragte Doflamino mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Es klingt ja beinahe so, als hätte er sich, nachdem der Unfall passiert ist, einfach in Luft aufgelöst. Ist er gestorben?" Crocodile schüttelte den Kopf. "Fahrerflucht", erklärte er. "Als der Mann sah, was er angerichtet hatte, ist er aus seinem Volvo ausgestiegen und davongelaufen. Die Polizei fand ihn fünf Kilometer weiter südlich und nahm ihn fest. Er wurde auch vor Gericht gestellt, doch das Urteil kenne ich nicht. Es hat mich nicht interessiert." "Es hat dich nicht interessiert?", wiederholte Doflamingo mit ungläubiger Stimme. Doch Crocodile zuckte bloß mit den Schultern. "Was würde es mir nützen, zu wissen, wie lange er im Gefängnis saß? Oder was er zu seiner Rechtfertigung zu sagen hatte? Meine Hand würde ich ja doch nicht zurückbekommen. Also habe ich die Sache auf sich beruhen lassen. Ich hatte sowieso mit mehr als genug anderen Problemen zu tun: Ich habe dir ja schon einmal erzählt gehabt, dass es mir sehr schwerfiel, mit bloß einer Hand zurechtzukommen. Die einfachsten und älltäglichsten Aufgaben verwandelten sich plötzlich in kaum überwindbare Hürden. Seitdem kann ich es auch überhaupt nicht mehr leiden, Hilfe anzunehmen. Dann werde ich nämlich sofort wieder an die furchtbare Zeit nach dem Unfall zurückerinnert." "In dieser Hinsicht bist du wirklich ein schrecklicher Sturkopf", sagte Doflamingo halb tadelnd, halb seufzend. "Aber du darfst nicht vergessen, dass Hilfe prinzipiell nichts Schlimmes oder Schlechtes ist. Denk doch nur einmal an den Mann, der angehalten hat, um sich um dich zu kümmern und den Notarzt zu rufen! Wäre er nicht gewesen..." "Ich weiß", meinte Crocodile. "Er ist zwar kein Hirnchirug so wie Law, doch ich verdanke ihm trotzdem mein Leben. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich mir seine Adresse geben lassen und bin zu ihm hingefahren, um mich persönlich zu bedanken. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie er aussah. Ein ziemlich komischer Kerl: Er hatte knallrotes Haar, das in alle Richtungen abstand, und trug dunklen Lippenstift. Eigentlich machte er keinen sonderlich sympathischen Eindruck. Aber er hat mein Leben gerettet und das bedeutet, dass er kein schlechter Mensch sein kann. Es gibt genug Leute, die einfach weitergefahren wären; da bin ich mir sicher." "Weißt du auch noch, wie er hieß?", fragte Doflamingo ihn neugierig. Crocodile schwieg für einen Moment, ehe er antwortete: "Eustass Kid. Richtig, das ist sein Name gewesen. Er wohnte damals in der Nähe der Gold-Roger-Brücke. Aber ich habe keine Ahnung, was er derzeit macht. Ich habe mich bei ihm für seine Hilfe bedankt und ihn seitdem nicht mehr wiedergesehen." Doflamingo nickte und schwieg für eine Weile. Crocodile fragte sich, was seinem Verlobten wohl gerade durch den Kopf ging. Anscheinend hatte er ihn mit seiner Beschreibung des Unfallhergangs heftig geschockt. Plötzlich bereute Crocodile seine Offenheit ein klein wenig. Vielleicht hätte er Doflamingo gegenüber doch lieber das eine oder andere Detail aussparen sollen. "Warum gehen wir beide nicht zusammen duschen und legen uns dann ins Bett?", schlug Crocodile vor. Eigentlich war er noch nicht sonderlich müde, doch ihm war jede Vorwand recht, um die unangenehme Stille zu unterbrechen. Doflamingo nickte und erhob sich von der Couch. "Klar", meinte er und Crocodile kam nicht umhin zu bemerken, dass sein Partner noch immer einen sehr geistesabwesenden Eindruck erweckte. Crocodile schlief sehr schlecht. Er wachte immer wieder scheinbar grundlos auf und obwohl Doflamingo (der sich im Bett praktisch in eine übergroße Wärmflasche verwandelte) direkt neben ihm lag, fror er fürchterlich. Bald war sein gesamter Körper von Gänsehaut überzogen. In den kurzen Phasen der Nacht, in denen er ein wenig Schlaf fand, plagte ihn ein Alptraum nach dem nächsten. Zuerst träumte er, dass Doflamingo von seinen hohen Schulden erfuhr und sich ohne zu zögern von ihm trennte. Dann rief ihn Hancock an, um ihm mitzuteilen, ihr Freund hätte sie und das ungeborene Kind für eine Jüngere verlassen. Und gleich danach sagte Franky zu ihm, dass die Arbeit, die er leistete, furchtbar schlecht wäre und er ihm mit sofortiger Wirkung kündigen würde. Crocodile war sich nicht dessen bewusst, dass er träumte. Er wälzte sich im Bett unruhig von der einen Seite zur anderen, murmelte unzusammenhängende Sätze vor sich her und bemühte sich verzweifelt darum, sein ruiniertes Leben irgendwie noch zu retten. Doflamingo, Hancock und Franky verblassten vor seinem inneren Auge. Stattdessen sah Crocodile nun einen engen und kurvenreichen Gebirgspass vor sich, der auf beiden Seiten von hohen Felswänden eingerahmt wurde. Er blickte in den linken Seitenspiegel seiner Honda CBR 650 F und machte einen hellgrauen Volvo aus, der von hinten auf ihn zugerast kam. Der Fahrer fuhr viel zu schnell und in Schlangenlinien. Crocodile versuchte auszuweichen. Er fuhr dicht an der rechten Felswand entlang, um den Volvo die Möglichkeit zu geben, ihn zu überholen. Doch die Straße war zu eng und der Autofahrer war so betrunken, dass er ihn überhaupt nicht bemerkte. Der Volvo kam immer näher. Er drängte ihn immer dichter an den Fahrbahnrand. Zwischen der Hintertüre des Volvos auf der einen und der Felswand auf der anderen Seite befand sich kaum mehr ein Abstand von einem Meter. Und er mit seinem Motorrad genau dazwischen. Der Abstand wurde immer kleiner. Und dann... und dann... Schweißgebadet und laut schreiend fuhr Crocodile im Bett hoch. Er zitterte wie Espenlaub und seine Augen waren vor Schreck geweitet. Im ersten Moment verstand er gar nicht, wo er sich befand oder wie er hierher gekommen war. Als er begriff, dass alles bloß ein schlimmer Traum gewesen war, presste er die Innenfläche der rechten Hand auf seinen Mund und versuchte, seinen Atem wieder zu normalisieren. Es gelang ihm nur mit sehr viel Mühe. Sein panischer Schrei hatte auch seinen Partner aufgeweckt. Doflamingo richtete sich schlaftrunken im Bett auf und sah sich nach ihm um. "Crocodile?", fragte er mit müder Stimme. "Ist schon gut", gab ebenjener zurück und bemühte sich darum, möglichst gefasst zu klingen. Leider scheiterte er kläglich. "Du kannst dich ruhig wieder schlafen legen." Doch Doflamingo wäre natürlich nicht Doflamingo gewesen, wenn er sich an die Anweisung seines Verlobten gehalten hätte. Stattdessen tat er das Gegenteil: Genau in dem Augenblick, in dem er verstand, was geschehen war, verschwand jegliche Müdigkeit aus seinem Blick. Er legte seine Arme um Crocodiles Oberkörper und streichelte ihm zärtlich über den Rücken, während er ein paar beruhigende Worte flüsterte. Obwohl Crocodile eigentlich schon viel zu alt war, um wegen eines schlechten Traums getröstet zu werden, setzte er sich nicht zu wehr. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Er genoss die Aufmerksamkeit, die sein Partner ihm schenkte. Die Worte, die in einem sehr sanften Tonfall gesprochen wurden, und die warmen Finger, die seinen Rücken berührten, beruhigten ihn über alle Maßen. Schon zwei Minuten später hatte Crocodile wieder einigermaßen zu sich gefunden. "Danke", sagte er mit leiser Stimme und vermied es, Doflamingo in die Augen zu sehen. Nun, da es ihm wieder besser ging, schämte er sich dafür, dass er seinen Verlobten um dessen Schlaf gebracht hatte. Und dass dieser ihn hatte trösten müssen wie ein ängstliches Kind. "Du musst dich nicht bedanken", sagte Doflamingo, ohne ihn loszulassen. "Und nein, du musst dich auch nicht bei mir entschuldigen." "Ich habe dich aufgeweckt", gab Crocodile zurück. "Du bist mein Verlobter", sagte Doflamingo und es klang beinahe so, als würde diese Aussage allein als Erklärung vollkommen ausreichen. Crocodile lächelte zaghaft. "Was hast du denn geträumt?", fragte Doflamingo, nachdem sie beide sich wieder hingelegt hatten. Er hielt ihn noch immer fest im Arm; Crocodile schloss seine Augen und genoss den überaus angenehmen Geruch seines Partners. "So einiges", antwortete er und fuhr mit dem Daumen über Doflamingos weiche Haut. "Und was genau?" Crocodile seufzte auf. Er wusste ganz genau, dass sein Verlobter erst dann Ruhe geben würde, wenn er eine zufriedenstellende Antwort erhalten hatte. Darum erbarmte er sich und erklärte schließlich: "Ich habe von meinem Motorrad-Unfall geträumt." Sofort verstärkte sich Doflamingos Griff um seinen Körper. Er schwieg so lang, dass Crocodile gar nicht mehr mit einer Erwiderung jedweder Art rechnete, als sein Partner plötzlich ganz unvermittelt sagte: "Es tut mir leid." Crocodile, der beinahe schon wieder eingeschlafen war, zog verwunderte eine Augenbraue hoch. "Was redest du denn da?", fragte er. "Dir muss nichts leid tun. Du hast doch überhaupt gar nichts getan." "Ich habe dich dazu gedrängt, mir von deinen Unfall zu erzählen", erwiderte Doflamingo in einem überraschend bestimmt klingenden Tonfall. "Ich wollte jedes kleine Detail wissen. Und nur darum hast du diesen furchtbaren Alptraum gehabt. Es tut mir leid, Wani. Das ist nicht meine Absicht gewesen." "Ist schon gut", sagte Crocodile und er meinte seine Worte tatsächlich ernst. "Es ist nicht deine Schuld. Manchmal holt mich meine Vergangenheit einfach ein. Da kann niemand etwas für. Also mach dir bitte keine Vorwürfe, ja?" Sein Verlobter wirkte noch immer nicht ganz überzeugt. Crocodile seufzte leise und fragte sich, wie er diese Sache bloß wieder in Ordnung bringen könnte. Inzwischen bereute er es, Doflamingo von den Ereignissen vor zehn Jahren erzählt zu haben. Vielleicht hätte er aus dem Verlust seiner linken Hand doch lieber ein Geheimnis machen sollen; zumindest um seinetwillen. Seinen Partner schien die Geschichte wirklich sehr stark mitgenommen zu haben. Damit hatte Crocodile überhaupt nicht gerechnet gehabt. "Dich trifft keine Schuld", wiederholte er darum mit fester Stimme. "Und das sage ich nicht einfach nur so, Doffy. Versprochen." "Ich fühle mich aber schuldig", erwiderte Doflamingo und verzog das Gesicht. "Kann ich irgendetwas tun, um Wiedergutmachung zu leisten?" "Du könntest mir morgen früh mein Frühstück ans Bett bringen", gab er teils ernst, teils neckisch zurück. Doflamingo lachte leise. Es war ein unfassbar schönes Geräusch, fand Crocodile. bye sb Kapitel 16: Kapitel 8 (zensiert) -------------------------------- Crocodile wachte früh am Morgen auf. Ihn hatte die Übelkeit geweckt, die versuchte sich ihren Weg seine Speiseröhre hinauf zu bahnen. Rasch wollte er hinüber ins angrenzende Badezimmer stürmen, doch er schaffte es nicht rechtzeitig: Ein übelriechender Schwall Erbrochenes landete auf dem Teppichboden neben dem Bett. Crocodile fühlte sich furchtbar. Er wollte sich nicht übergeben, hatte sich sogar die rechte Hand auf den Mund gepresst, doch er konnte einfach nichts dagegen tun. Kaum hatte er zweimal tief ein- und ausgeatmet, übermannte ihn abermals der Brechreiz. Völlig hilflos musste er mitansehen, wie er sich erneut in mehreren Schüben erbrach. Als er hörte, wie neben ihm im Bett die Decke raschelte, erhob Crocodile sich hastig. Auf leisen Sohlen huschte er hinüber ins Bad und verschloss die Türe hinter sich. Er war eine sehr stolze Person und wollte nicht, dass Doflamingo ihn in diesem Zustand sah. Außerdem schämte er sich, weil er sicher war, dass sein Atem bitter nach Erbrochenem stank. Kraftlos schleppte Crocodile sich zur Toilette hinüber. Er übergab sich mehrere Male, ehe er sich endlich ein wenig besser fühlte. Anschließend gönnte er sich selbst fünf tiefe Atemzüge, um wieder zu sich zu finden. Der schicken Designeruhr an der Wand entnahm er, dass es gerade einmal fünf Uhr fünfundzwanzig war. Nicht gerade die schönste Art, um in einen neuen Tag zu starten. Es klopfte laut an der Türe. "Crocodile?" Die Stimme seines Partners klang besorgt. "Geht es dir gut? Bitte mach auf!" Verdrossen zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Es war nicht seine Absicht gewesen, Doflamingo zu wecken. Dieser hatte gestern Abend einen wichtigen Geschäftstermin gehabt und war erst sehr spät ins Bett gekommen. "Ich bin okay", sagte er so laut, dass man ihn mit Sicherheit auch durch die geschlossene Türe hindurch verstehen konnte. Glücklicherweise klang seine Stimme recht überzeugend. So sehr Crocodile es auch verabscheute, sich zu erbrechen, so war er den Hergang doch gewöhnt: Sein empfindlicher Magen reagierte auf viele Speisen, indem er sie wieder von sich stieß. Nicht selten litt Crocodile entweder unter heftiger Übelkeit oder Durchfall, wenn er irgendein neues Gericht ausprobierte. "Sicher? Musst du dich nicht mehr übergeben? Und jetzt öffne bitte endlich die verdammte Tür!" "Du kannst dich ruhig wieder ins Bett legen", erwiderte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein ungekämmtes Haar. "Ich putze mir nur eben die Zähne und komme danach zu dir." "Warum machst du nicht einfach die Tür auf?" Inzwischen klang Doflamingos Stimme nicht bloß besorgt, sondern auch ungeduldig. "Ich will mich davon überzeugen, dass es dir gut geht." "Du bist heute erst so spät nach Hause gekommen", wandte Crocodile ein. "Bestimmt bist du müde. Ich möchte dich nicht vom Schlafen abhalten. Leg dich einfach wieder hin. Es ist alles in Ordnung. Versprochen." "Du hast doch wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!", war jedoch zu seiner Verwunderung die empört klingende Erwiderung, die er seitens Doflamingo erhielt. "Ich geh doch nicht schlafen, wenn mein Verlobter sich im Bad einsperrt und sich die Seele aus dem Leib kotzt! Für wie rücksichtslos hältst du mich denn eigentlich? Und jetzt öffne endlich die Türe oder ich breche sie auf!" "Ist ja schon gut", meinte Crocodile, der, um ehrlich zu sein, ein wenig erschrocken war angesichts dieser unerwartet heftigen Reaktion. Er nahm sich einen kurzen Moment Zeit, um sein unordentliches Haar glattzustreichen und um seinen nach Erbrochenem schmeckenden Rachen rasch mit einem Schluck Mundwasser auszuspülen. Anschließend drehte er den Schlüssel im Schloss herum, sodass Doflamingo die Badezimmertüre öffnen konnte. Wie immer, wenn dieser seine Brille nicht trug, fühlte Crocodile sich, als würde er geröntgt werden. Doflamingos grüne Augen drückten Besorgnis und Beunruhigung aus. Crocodile, der es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man sich um ihn sorgte, begann sofort sich unwohl zu fühlen. "Mir geht es gut", meinte er rasch und wich dem penetranten Blick seines Partner aus. "Ich habe mich eben übergeben, aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Tut mir leid, dass ich dich aufgeweckt habe." "Du musst dich nicht entschuldigen", erwiderte Doflamingo und zog ihn in eine Umarmung, die Crocodile zu seiner eigenen Überraschung zuließ. Er legte sogar den Kopf an die Schulter seines Verlobten und schloss für einen Moment die Augen. Es war ein unwahrscheinlich angenehmes Gefühl. "Aber wieso ist dir denn schlecht geworden?", fuhr Doflamingo fort. "Bist du krank?" Ungefragt legte er seine Hand auf Crocodiles Stirn. "Oder hast du gestern Abend vielleicht ein Glas Wein zu viel getrunken?" "Es hat wahrscheinlich bloß an meinem Magen gelegen", erwiderte Crocodile und brachte ein wenig Distanz zwischen sich und seinen Partner. Dass dieser ihn so einfach betastete, gefiel ihm überhaupt nicht. "Ich habe gestern Abend vermutlich irgendetwas gegessen, was mir nicht gut bekommen ist. So etwas passiert häufiger." "Bist du dir da sicher?", hakte Doflamingo nach. "Deine Temperatur ist leicht erhöht. Vielleicht sollte ich lieber einen Arzt rufen?" "Unsinn!", warf Crocodile energisch ein. Er hielt den Vorschlag seines Partners für völlig überzogen. Immerhin hatte er sich bloß übergeben; er war nicht sterbenskrank. "Alles was ich jetzt brauche, ist ein wenig Ruhe. Wir sollten uns wieder ins Bett legen und versuchen zu schlafen. Morgen wird es mir ganz bestimmt wieder besser gehen." "Okay, gut", sagte Doflamingo, obwohl Crocodile sicher war, dass er seinen Verlobten noch nicht vollständig überzeugt hatte. "Ich lasse nur schnell einen Angestellten das Erbrochene im Schlafzimmer wegmachen. Dann können wir weiterschlafen." Crocodile nickte. "Es tut mir wirklich leid", meinte er noch einmal mit ehrlich schuldbewusster Stimme. "Es ist nicht meine Absicht gewesen, den Teppich zu versauen. Ich wollte sofort hinüber ins Badezimmer gehen, aber habe es nicht mehr geschafft." "Ach, vergiss doch den blöden Teppich", erwiderte Doflamingo und winkte ab. "Ich hoffe bloß, dass du Recht hast und es dir morgen wirklich besser geht; nicht dass du dir womöglich irgendeine Art von Magen-Darm-Grippe eingefangen hast." "Wir können getrennt schlafen, wenn du möchtest", bot Crocodile hilfsbereit an. "Dann riskierst du keine Ansteckung. Allerdings glaube ich nicht, dass es eine Grippe oder Ähnliches ist; nur mein blöder Magen, der mal wieder Ärger macht. Zwischenfälle wie diesen hier habe ich schon ziemlich häufig erlebt." Doflamingo schüttelte den Kopf. "Natürlich schlafen wir nicht getrennt", meinte er sofort. "Wo denkst du nur hin? Putz dir deine Zähne und dann legen wir uns wieder ins Bett. Du solltest dich ausruhen. Morgen sehen wir dann weiter." "In Ordnung", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu und griff nach seiner Zahnbürste. Er selbst war sich sehr sicher, dass er bloß an einer Magenverstimmung litt. Crocodile konnte seinen eigenen Körper ziemlich gut einschätzen. Wenn er sich erbrach oder Durchfall hatte, lag dies in den meisten Fällen einfach bloß daran, dass er irgendetwas gegessen hatte, was sein überaus empfindlicher Magen nicht vertrug. Nichtsdestotrotz war er doch recht froh darüber, dass es sich beim heutigen Tag um einen Samstag handelte und er aus diesem Grund ausschlafen durfte. Erst jetzt spürte Crocodile, wie schrecklich müde und erschöpft er eigentlich war. Ein paar Stunden erholsamen Schlaf würden ihm auf jeden Fall guttun. Als er das nächste Mal aufwachte, war es dreizehn Uhr dreißig. Zu seinen Ungunsten fühlte Crocodile sich keineswegs besser als zuvor, vielleicht sogar ein wenig schlechter. Wieder war ihm speiübel, außerdem hatte er Kopfschmerzen. Schlaftrunken griff er nach der Flasche Wasser, die immer auf seinem Nachttisch stand, und nahm einige Schlücke. Er wusste, dass man durch Erbrechen und Durchfall viel Flüssigkeit verlor, und auch Kopfschmerzen konnten ein Zeichen von Dehydration sein. Nachdem er die halbe Flasche leer getrunken hatte, ging es ihm ein klein wenig besser. Crocodile fand die andere Seite des Bettes verwaist vor; Doflamingo war bereits aufgestanden. Er fuhr sich durch sein ungekämmtes und verknotetes Haar, ehe er sich zum zweiten Mal an diesem Tag im Badezimmer einschloss, um sich zu übergeben. Gerade verließ er (frisch geduscht und vernünftig eingekleidet) das Bad, als Doflamingo ihr gemeinsames Schlafzimmer betrat. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte auch sein Partner sich bereits für den Tag fertig gemacht. Sein Blick blieb unter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen. "Oh, du bist endlich aufgewacht", meinte er in einem freundlich und erleichtert klingenden Tonfall. "Ich habe immer mal wieder nach dir gesehen. Geht es dir besser?" Crocodile nickte und bemühte sich darum, so wenig wie möglich zu lügen, als er seine Worte wählte: "Es geht mir besser als heute Nacht. Dass ich mich erbrochen habe, lag vermutlich wirklich bloß an meinem empfindlichen Magen." "Das ist schön zu hören", erwiderte Doflamingo und kam ein wenig näher. Erneut legte er ungefragt seine Hand auf die Stirn seines Partners. Sofort wich Crocodile ein Stück zurück. "Lass das!", meinte er scharf. "Ich kann es nicht leiden, wenn du das tust!" "Deine Temperatur ist immer noch leicht erhöht", erwiderte Doflamingo, ohne auf seinen Einwand einzugehen. "Ach, das kannst du doch gar nicht wissen", widersprach Crocodile. "Es ist unmöglich, zuverlässig die Temperatur zu messen, indem man die Hand auf die Stirn legt. Man spürt ja bloß das Verhältnis zur eigenen Körpertemperatur. Vielleicht hast du heute also einfach nur ziemlich kalte Hände. Mir ist jedenfalls nicht besonders warm." "Ich habe im Badezimmer ein Fieberthermometer da", meinte Doflamingo daraufhin. "Das misst deine Körpertempreratur exakt." Crocodile rollte mit den Augen. "Du übertreibst maßlos, Doflamingo", sagte er und warf seinem Verlobten einen ernsthaften Blick zu. "Mir geht es gut. Jeder übergibt sich ab und an mal. Es ist alles in Ordnung. Hör bitte auf, dir Sorgen um mich zu machen." Sein Verlobter biss sich auf die Unterlippe und schwieg für einen Moment. Schließlich sagte er: "Bitte, Crocodile. Seine Gesundheit sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Als du dich heute Nacht übergeben hast, musste ich sofort wieder an diesen schrecklichen Vorfall im Skypia zurückdenken. Danach hast du tagelang im Krankenhaus gelegen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie besorgt ich um dich war und was für schlimme Vorwürfe ich mir selbst gemacht habe. Ich würde mich wirklich besser fühlen, wenn ich genau wüsste, ob du krank bist oder nicht." "Das kann man doch überhaupt nicht miteinander vergleichen", wandte Crocodile ein. "Im Skypia wurden meine Drinks vergiftet. Deswegen habe ich mich übergeben. Aber das kann ja dieses Mal überhaupt nicht der Fall gewesen sein. Wahrscheinlich hätte ich einfach bloß lieber die Finger von den Würstchen lassen sollen, die ich gestern Abend gegessen habe. Die waren wohl doch ein bisschen zu fettig für meinen empfindlichen Magen." Auch wenn er mit diesen Worten seinen besorgten Verlobten ein Stück weit beruhigen zu können schien, wirkte Doflamingo noch immer nicht vollständig überzeugt. "Bitte", meinte er. "Es stellt doch wirklich keinen Umstand dar, eben deine Temperatur zu messen." Crocodile seufzte leise und gab schließlich klein bei. Er kannte Doflamingo gut genug, um zu wissen, dass dieser ansonsten den ganzen Tag lang keine Ruhe geben würde. Sein Partner konnte manchmal nämlich fast schon beeindruckend penetrant und hartnäckig sein. Crocodile war sich sicher, dass Doflamingo als Kind schrecklich verzogen worden war und ausnahmslos immer bekommen hatte, was er wollte. "Also gut", sagte er schließlich seufzend. "Dann hol eben dieses blöde Fieberthermometer her. Aber ich bin mir sicher, dass du völlig umsonst ein solches Theater veranstaltest." Doflamingo hastete sofort hinüber ins angrenzende Badezimmer, um besagtes Thermometer hervorzukramen. Es dauerte nicht lange, bis er es gefunden hatte und ins Schlafzimmer zurückgekehrt war. Crocodile hatte sich inzwischen aufs Bett gesetzt. Er war sich sicher, dass er kein Fieber hatte. Doflamingo übertrieb bloß (wie so oft) völlig maßlos. "Mund auf", wies ihn sein Verlobter an. Crocodile rollte genervt mit den Augen, doch tat wie ihm geheißen und ließ zu, dass Doflamingo das digitale Fieberthermometer unter seine Zunge schob. "Wir müssen eine Minute warten", erklärte sein Partner ihm und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um Doflamingo nicht darauf hinzuweisen, dass er durchaus wusste, wie ein Fieberthermometer funktionierte. Je nach Art des Geräts wartete man zwischen einigen Sekunden und mehreren Minuten, ehe ein Piepton zu hören war. Dann konnte die Temperatur abgelesen werden. "38, 1 Grad", meinte Doflamingo. "Ich hatte also doch recht: Du hast Fieber!" "Bloß leichtes Fieber", lenkte Crocodile ein, der (ob er es zugeben wollte oder nicht) doch recht überrascht war angesichts des Messergebnisses. Damit hatte er nicht gerechnet gehabt. Trotzdem war er der Ansicht, dass noch lange kein Grund zur Beunruhigung bestand. "Das geht von selbst wieder vorüber. Ich bin mir sicher, wenn ich mich heute schone, wird es mir morgen wieder gutgehen." Doflamingo zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Ich weiß ja nicht", meinte er unschlüssig. "Soll ich nicht doch lieber einen Arzt für dich rufen?" Crocodile schüttelte den Kopf. "Was würde der denn schon tun? Mir wahrscheinlich bloß ein fiebersenkendes Mittel verschreiben. Und was das Einnehmen von Medikamenten angeht, bin ich prinzipiell sowieso ziemlich misstrauisch eingestellt. Ich möchte lieber versuchen, das Fieber auf anderem Wege zu senken. Du hast doch bestimmt ein paar Wadenwickel da, oder nicht?" Sein Verlobter nickte. "Wir können es zuerst mit den Wadenwickeln versuchen", meinte er. "Aber wenn sie nicht helfen, sollten wir auf jeden Fall einen Arzt rufen." "Ich denke nicht, dass das nötig sein wird", entgegnete Crocodile. "Wadenwickel haben bei mir bisher immer sehr gut funktioniert." "Warum wehrst du dich so vehement dagegen, von einem Arzt untersucht zu werden?", fragte ihn Doflamingo plötzlich. "Man könnte meinen, du hättest Angst davor." "Ich habe keine Angst vor Ärzten", meinte Crocodile wahrheitsgemäß. "Nun ja, vielleicht vor dem Zahnarzt, wenn er bohren muss, aber ansonsten nicht. Ich kann Ärzte bloß einfach nicht leiden." "Wieso nicht? Ärzte tun Gutes; sie retten Leben. Ich verstehe nicht, wie man sie deshalb verachten kann." "Ich verachte sie nicht", lenkte Crocodile rasch ein. "Ich weiß ja, dass der Arztberuf sehr ehrenhaft ist. Aber ich verbinde mit Ärzten nun einmal nicht unbedingt Positives. Ich meine, das letzte Mal, als ich im Krankenhaus lag, bin ich von meinem psychopathischen Exfreund vergiftet worden. Und davor gab es auch noch andere schlimme Vorfälle: die Verletzung in meinem Gesicht, der Verlust meiner linken Hand und so weiter. Als ich zwölf Jahre alt war, musste ich wegen eines schwierig gebrochenen Beins sogar volle drei Monate im Krankenhaus verbringen. All meine Erinnerungen an Ärzte und Krankenhäuser sind an schreckliche Ereignisse gebunden. Deswegen versuche ich meistens zuerst, mir selbst zu helfen." "Das kann ich natürlich nachvollziehen", meinte Doflamingo. "Trotzdem bekomme ich zunehmend das Gefühl, dass du in letzter Zeit sehr fahrlässig mit deinem Körper umgehst. Da muss ich nur an den starken Gewichtsverlust denken, den du vor kurzem erlitten hast. Und du bist noch immer nicht bei einem gesunden Körpergewicht angelangt." "Es fehlen bloß noch drei oder vier Kilogramm", wandte Crocodile ein. "Außerdem bemühe ich mich doch darum, genug zu essen. Mehr kann ich nicht tun. Es ist nicht meine Schuld, wenn ich krank werde." "Das habe ich auch nicht behauptet", entgegnete sein Verlobter. "Ich meine bloß, dass du ein bisschen besser auf die Signale achten solltest, die dein Körper dir gibt. Deinen Gewichtsverlust wolltest du dir überhaupt nicht eingestehen, ehe ich dich dazu gezwungen habe, dich zu wiegen. Und genauso war es gerade eben mit dem Fieber. Du ignorierst es meisten einfach, wenn es dir schlecht geht. Du spielst deine Symptome solange herunter, bis man dir bewiesen hat, dass du krank bist. Erst dann reagierst du darauf. Das ist keine vernünftige Art und Weise, um mit seinem Körper umzugehen." "Ich bin bloß niemand, der wegen jeder Kleinigkeit sofort den Arzt ruft", wandte Crocodile ein, der sich durch die harsche Kritik seitens Doflamingo ernsthaft verletzt fühlte. "Für mich kommt es nicht infrage, ständig irgendwelche Medikamente und Schmerzmittel einzunehmen, die gar nicht notwendig sein. Das ist nämlich mindestens genauso schlecht!" "Darum geht es doch auch gar nicht", meinte sein Partner. "Natürlich ist es nicht gut, wenn man wegen jedem kleinen Wehwehchen wie verrückt Tabletten schluckt. Aber ernsthafte Krankheitssymptome einfach zu missachten, kann sehr gefährlich werden! Ich liebe dich, Wani, und ich möchte einfach nicht riskieren, dass du unnötig leidest. Je früher man zum Arzt geht, desto höher ist die Chance, dass man schnell wieder vollständig gesund wird." "Du tust so, als wäre ich sterbenskrank", warf Crocodile verärgert seinem Partner vor. "Ich habe mich bloß übergeben und meine Temperatur ist leicht erhöht. Unter diesen Symptomen leidet doch jeder manchmal. Es gibt keinen Grund, um in Panik auszubrechen, Doflamingo. Du machst mich noch ganz verrückt mit deinen Paranoia!" "Es sind keine Paranoia", wandte Doflamingo in einem unerwartet energisch klingenden Tonfall ein. Er zögerte einen Augenblick, ehe er mit leiser Stimme anfügte: "Die Krankheit, an der meine Mutter gestorben ist, hat auch mit harmlosen Symptomen begonnen. Sie hat angefangen ständig zu husten, litt unter Kopfschmerzen und Fieber, doch wollte nicht zum Arzt gehen. Erst als es ihr deutlich schlechter ging, haben wir sie dazu überreden können, sich untersuchen zu lassen. Der Arzt stellte eine schwere Grippe fest; er hat versucht ihr zu helfen, doch er konnte nichts mehr für sie tun. Ich bin mir sicher, dass man meine Mutter hätte retten können, wenn sie nur früher beim Arzt gewesen wäre. Seitdem bin ich vielleicht ein wenig überempfindlich, was dieses Thema angeht, aber ich möchte einfach verhindern, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt." Crocodile wusste nicht, wie er auf dieses überraschende Geständnis reagieren sollte; er hatte überhaupt nicht gewusst gehabt, dass Doflamingos Mutter an einer Grippe gestorben war. Schließlich räusperte er sich und meinte: "Das, ähm, tut mir leid. Warum versuchen wir es nicht mit einem Kompromiss: Heute benutze ich die Wadenwickel, um mein Fieber zu senken. Und sollte es mir bis morgen nicht besser gehen, dann rufen wir einen Arzt. In Ordnung?" "In Ordnung", erwiderte Doflamingo und nickte. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber gewesen, wenn er wieder einmal seinen Willen hätte durchsetzen zu können, doch mit der Lösung, die Crocodile ihm vorgeschlagen hatte, schien er auch leben zu können. Den restlichen Samstag verbrachte Crocodile damit, im Bett zu liegen, Bücher zu lesen und den Tee zu trinken, den sein Verlobter ihm in regelmäßigen Abständen brachte. Und obwohl das Fieber und die Kopfschmerzen ihm zu schaffen machten, musste Crocodile sich eingestehen, dass seine Situation deutlich schlechter sein könnte. Auch wenn er es nur ungern zugab, genoss er es sehr, von Doflamingo umsorgt zu werden, ohne dass er ihn belästigte oder nervte. (Vermutlich war dieser der Ansicht, dass er jetzt besonders viel Ruhe brauchte). Es tat Crocodile gut, eine Pause einzulegen und sich für ein paar Stunden um nichts kümmern zu müssen. Selbst seine Arbeit schob er ausnahmsweise einmal beiseite: Er checkte nicht seine Emails, rief niemanden an und durchsah nicht noch einmal seine Pläne für die nächste Arbeitswoche. "Wie geht es dir, Wani?" Doflamingo legte wieder einmal ungefragt seine Hand auf die Stirn seines Partners; Crocodile hatte sich an diese aufdringliche Geste inzwischen gewohnt und es aufgegeben, Doflamingo zurechtzuweisen. Immerhin meinte es sein Verlobter nur gut. "Schon viel besser", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Ich habe mich seit heute Mittag nicht mehr übergeben. Und ich habe das Gefühl, dass auch das Fieber gesunken ist. Was meinst du?" "Deine Stirn ist tatsächlich nicht mehr so heiß wie heute Morgen", sagte Doflamingo. Er klang erleichtert, wenn auch nicht hundertprozentig zufrieden. "Trotzdem wäre es mir lieber, wenn ich deine exakte Körpertemperatur wüsste. Ich hole eben das Fieberthermometer, ja?" Crocodile nickte. Er war sehr froh darüber, dass er sich auf dem Weg der Besserung befand. Nur ungern hätte er am Montag bei der Arbeit gefehlt. Es gab unheimlich viel zu tun und er trug schließlich große Verantwortung. Wenn jemand, der eine so hohe Stelle bekleidete wie er, fehlte, dann wurde der gesamte Betriebsablauf gestört oder zumindest stark verlangsamt. Aus diesem Grund ließ Crocodile sich nur sehr selten krankschreiben, selbst wenn ihn ein paar Symptome plagten. Er hatte sich nun einmal für eine Arbeitsstelle mit Führungsposition entschieden und musste damit Leben, dass viel von ihm gefordert wurde. Es hatte ihm nie etwas ausgemacht; am Ende war er eben doch ein echter Workaholic. Ehe Doflamingo ihn erneut dazu anweisen konnte, seinen Mund zu öffnen, hatte Crocodile diesem das Fieberthermometer längst weggenommen und es sich selbst unter die Zunge gelegt. Er genoss es, von seinem Partner bedient und verwöhnt zu werden, doch er konnte es nicht leiden, wenn dieser so tat, als handelte es sich bei ihm um ein kleines Kind. Crocodile war der Ansicht, dass er durchaus dazu in der Lage, bei sich selbst Fieber zu messen. Doflamingo ließ es sich natürlich trotzdem nicht nehmen, das Thermometer wieder an sich zu nehmen, als es piepte. "37,7 Grad", las dieser ab. "Das ist doch gut", merkte Crocodile an. "Fast schon Normaltemperatur. Morgen bin ich sicher wieder fit." "Hoffentlich", erwiderte Doflamingo. "Aber vielleicht solltest du dich für Montag lieber krankschreiben lassen. Nur zur Sicherheit." "Unsinn", meinte Crocodile kopfschüttelnd. "Ich werde garantiert nicht Zuhause bleiben, wenn es mir gut geht. Sonst bleibt bloß eine Menge Arbeit liegen, die ich dann zu einem anderen Zeitpunkt erledigen muss. Im Endeffekt hätte ich also nichts gewonnen. Außerdem ist morgen erst Sonntag. Das heißt, dass ich noch einen ganzen Tag lang Zeit habe, um mich vollständig auszukurieren." "Okay, gut", sagte Doflamingo widerstrebend und legte das Fieberthermometer zur Seite. "Aber dann solltest du dich wenigstens morgen auch noch schonen und im Bett liegen bleiben. Ich kann zwar verstehen, dass es sehr ärgerlich für dich ist, wenn du das Wochenende auf diese Weise verbringen musst, aber deine Gesundheit geht selbstverständlich vor. Ich möchte lieber kein Risiko eingehen!" "In Ordnung." Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile überhaupt kein Problem damit, auch den folgenden Tag im Bett zu verbringen. Er hatte gerade begonnen einen sehr spannenden Roman zu lesen, den er morgen gerne beenden würde. Noch während er über die Handlung des Romans nachdachte, kam ihm plötzlich ein ganz anderer Gedanke: Würde sein Verlobter mit ihm schlafen wollen, auch wenn er krank war? Geistesabwesend zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Doflamingo und er hatte im Regelfall an jedem Tag, den sie gemeinsam verbrachten, miteinander Sex; mindestens einmal, manchmal auch mehrmals. Er hatte nichts dagegen. Sein Verlobter war ein guter Liebhaber und Crocodile kam immer auf seine Kosten. Gleichzeitig war er sich jedoch auch dessen bewusst, dass Doflamingo dem Geschlechtsverkehr eine größere Bedeutung zuwies als er. Crocodile verfügte über ein schwächeres Libido als sein Partner. Ihm machte es nichts aus, mal einen oder auch mehrere Tage lang auf Sex zu verzichten. Er konnte jedoch nur schwer einschätzen, wie Doflamingo die Sache sah. Natürlich hatte dieser zuvor auch schon des Öfteren zurücktreten müssen. Schließlich hatten sie bis vor kurzem noch gar nicht zusammen gewohnt und sich nicht unbedingt jeden Tag getroffen. Doch wenn sie sich sahen, dann hatten sie Sex miteinander. Für Crocodile handelte es sich hierbei um eine Art unausgesprochene Regel. Unweigerlich überlegte er sich, ob er körperlich wohl dazu in der Lage sein würde, heute mit seinem Verlobten zu schlafen. Da inzwischen seine Kopfschmerzen abgeflaut waren und auch sein Fieber deutlich gesunken war, ging Crocodile davon aus, dass dem Sex nichts im Wege stand. Er nahm sich vor, heute Abend, wenn Doflamingo sich zu ihm ins Bett legte, den Versuch zu wagen. Schlussendlich hatte er ja nichts zu verlieren. "Warum verziehst du dein Gesicht?", riss ihn plötzlich sein Partner mit besorgter Stimme aus seinen Gedanken. "Hast du etwa Schmerzen? Macht dir wieder dein Magen zu schaffen?" Rasch schüttelte Crocodile den Kopf. "Nein, nein", meinte er und bemühte sich um einen glaubwürdig klingenden Tonfall. "Es ist alles in Ordnung; ich habe keine Magenschmerzen." "Sicher?", hakte Doflamingo nach; er wirkte nicht hundertprozentig überzeugt. "Leidest du denn noch unter anderen Beschwerden als Übelkeit und Fieber? Kopfschmerzen? Schüttelfrost? Blut im Urin oder Durchfall?" "Darüber werde ich garantiert nicht mit dir reden!", erwiderte Crocodile aufgebracht und spürte sofort, wie sein Gesicht und seine Ohren rot wurden. Er war eine schrecklich schamhafte Person. "Wie kannst du mich nur solche Dinge fragen! Das ist ja widerlich!" Doflamingo wirkte sehr verdutzt angesichts des plötzlichen Wutanfalls seines Verlobten; er schien dessen Empörung überhaupt nicht nachvollziehen zu können. "Was ist denn nur los mit dir?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch. "Du musst dich doch nicht schämen. Es ist überhaupt nicht schlimm, mit seinem Verlobten über solche Dinge zu sprechen. Immerhin geht es um deine Gesundheit." "Über so etwas redet man mit überhaupt niemandem", wandte Crocodile (noch immer knallrot im Gesicht) ein. "Höchstens mit einem Arzt. Es ist nämlich widerlich und unangebracht!" Auch wenn Doflamingo wie üblich seine Sonnenbrille trug, konnte Crocodile genau sehen, dass sein Partner mit den Augen rollte. Im Gegensatz zu ihm selbst machte dieser überhaupt keinen peinlich berührten Eindruck. Es schien ihm überhaupt keine Probleme zu bereiten, über solch ekelhafte Themen zu sprechen. "Wie kann man nur so fürchterlich verklemmt sein?", hörte er Doflamingo leise murmeln, ehe dieser mit lauterer Stimme meinte: "Also, was ist nun? Blut im Urin? Durchfall? Oder vielleicht Verstopfung? Jetzt stell dich nicht an, Wani, sondern sag mir einfach, was los ist. Sonst mache ich mir nur unnötig Sorgen um dich." Crocodile zögerte für eine Weile, ehe er schließlich äußerst widerwillig erklärte: "Es ist alles in Ordnung. Keine Verstopfung, kein Durchfall, kein Blut im Urin. Können wir dieses Thema jetzt bitte beenden? Ich würde am liebsten im Boden versinken." Doflamingo kicherte. Wie üblich amüsierte ihn die Schamhaftigkeit seines Partners über alle Maßen. "Ist ja gut", meinte er schließlich in einem recht versöhnlich klingenden Tonfall. "Reden wir über etwas Anderes: Du hast heute noch nichts gegessen, nicht wahr? Ich habe in der Küche Bescheid gegeben, dass man für uns beide eine leckere Hühnersuppe kochen soll. Die ist in etwa einer halben Stunde fertig. Möchtest du im Speisesaal essen oder doch lieber im Bett?" "Ist das dein Ernst?", fragte Crocodile seinen Verlobten ungläubig und warf diesem eines seiner Kissen gegen den Kopf. "Du kommst von Durchfall und blutigem Urin auf Hühnersuppe zu sprechen? Kennst du denn überhaupt keinen Anstand, du Ekel?" Anstatt zu einer Erwiderung anzusetzen, brach Doflamingo bloß in lautes Gelächter aus und warf das Kissen zurück. Es war gegen dreiundzwanzig Uhr und Crocodile war der Grenze zum Einschlafen bereits sehr nahe, als Doflamingo zu ihm ins Bett kam. Sofort war Crocodile wieder hellwach. Er lauschte dem leisen Rascheln der Decke und spürte, wie sich die Matratze ein Stück weit absenkte, als Doflamingo sich neben ihn legte. Sein Verlobter machte keine Anstalten, den Sex mit ihm einzuleiten. Er berührte ihn nicht, weder direkt an seinen Geschlechtsteilen noch an irgendeiner anderen Körperstelle, und er flüsterte ihm auch keine schmutzigen Worte ins Ohr. Vermutlich, dachte Crocodile, ging Doflamingo davon aus, dass er längst tief und fest schlief, und wollte ihn nicht aufwecken. Crocodile war hin- und hergerissen. Obwohl er heute einen recht entspannten Tag verlebt hatte, fühlte er sich sehr erschöpft; das Fieber war eben doch nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Am liebsten hätte er seinen Partner also in dem Glauben gelassen, er wäre längst eingeschlafen, und würde in aller Ruhe abwarten, bis er tatsächlich im Schlaf versank. Auf der anderen Seite fühlte Crocodile sich nicht wohl dabei, Doflamingo auf diese Weise zu hintergehen. Da sie beide ein Paar waren, vertrat er irgendwo die Ansicht, dass sein Partner ein Anrecht auf Geschlechtsverkehr mit ihm hatte. Auch wenn Doflamingo ihm bereits mehrmals deutlich gemacht hatte, das er den Sex nicht als Verpflichtung ansehen sollte, konnte Crocodile sich von dieser Sichtweise nicht ganz frei machen. In seinen früheren Beziehungen war Sex zumeist kein Privileg, sondern eine absolute Selbstverständlichkeit gewesen. Schlussendlich obsiegte Crocodiles schlechtes Gewissen. Obwohl er keine echte Lust auf Sex hatte, rückte er nah an Doflamingo heran und ließ seine Finger unter das Shirt, das dieser zum Schlafen trug, gleiten. Die Berührung war federleicht, doch reichte aus, um Doflamingo aufzuschrecken. "Was machst du da?", fragte er und klang zu Crocodiles Überraschung nicht halb so begeistert wie erwartet. Weil ihm auf die Schnelle keine bessere Antwort einfiel, erwiderte Crocodile: "Na, ich verführe dich natürlich." Auch wenn er seinem Partner bloß den Sex anbot, weil er sich dazu verpflichtet fühlte, verspürte Crocodile einen Hauch von Enttäuschung angesichts Doflamingos nur mäßig enthusiastischer Reaktion. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet gehabt. Normalerweise konnte Doflamingo gar nicht genug von ihm bekommen. "Das sollten wir heute Abend lieber bleiben lassen", meinte jedoch ebenjener. Er drehte sich zu Crocodile um und warf ihm einen unerwartet ernsten Blick zu. "Du bist immer noch krank." "Aber das hat dich bisher doch überhaupt nicht gestört gehabt", wandte Crocodile irritiert ein. Es war unsinnig, dass er Doflamingo unbedingt dazu überreden wollte, Sex mit ihm zu haben (immerhin wollte er selbst ja gar nicht so wirklich), doch um ehrlich zu sein, fühlte Crocodile sich schrecklich gekränkt. Er war Zurückweisung seitens seines Verlobten nicht gewohnt. "Wir haben uns doch ständig geküsst und so weiter. Du hättest dich auch vorher schon anstecken können." "Darum geht es doch überhaupt gar nicht", erwiderte Doflamingo und verzog das Gesicht. "Du brauchst viel Energie, um wieder gesund zu werden. Und ich möchte nicht, dass du dich auspowerst. Anstatt Sex mit mir zu haben, solltest du dich lieber ausruhen und am besten versuchen zu schlafen." "Was?" Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter da von sich gab. "Ich kann verstehen, dass du Lust auf Sex hast", fuhr Doflamingo fort. "Ich hätte auch nichts dagegen, wenn du nicht krank wärst. Aber leider bist du es nun einmal. Und deswegen sollten wir heute lieber zurücktreten. Von mir aus können wir es morgen Abend versuchen, falls es dir dann besser geht." Crocodile senkte den Blick und schwieg für eine Weile. Plötzlich fühlte er sich unwahrscheinlich schlecht. Wie konnte er es bloß wagen, so schlecht von seinem Partner zu denken? Doflamingo verlangte überhaupt keinen Sex von ihm. Er lehnte ihn sogar ab. Aus Rücksicht auf ihn. Wieder einmal hatte Crocodile seinen Verlobten für egoistischer gehalten als dieser eigentlich war. Hatte Doflamingo nicht sogar schon mit ihm darüber gesprochen gehabt, dass er bitte mit weniger Stress an ihr Sexleben herangehen sollte? Wieder hatte Crocodile es vermasselt. Wieso nur musste er alles komplizierter machen als es war? "Ich hoffe, dass du jetzt nicht enttäuscht bist", warf Doflamingo hektisch ein, als er die niedergeschlagene Miene seines Partners bemerkte. "Es ist wirklich bloß, weil du krank bist! Du solltest dich schonen! Aber, ähm, wenn du unbedingt möchtest, dann kann ich dir trotzdem einen Blowjob geben oder so. Ich will dich natürlich zufriedenstellen und deinen Bedürfnissen gerecht werden, aber auf der anderen Seite... naja... shit... Wie kann ich es dir nur erklären, ohne dass du wütend auf mich wirst?" "Ist schon gut", lenkte Crocodile ein und brachte sogar ein wackeres Lächeln zustande. Er wollte nicht, dass Doflamingo sich seinetwegen schlecht fühlte. Dazu bestand überhaupt kein Anlass. "Ich verstehe, was du mir sagen möchtest." "Wirklich?" "Klar. Und du musst mir auch keinen Blowjob geben. Du sollst nichts tun, worauf du eigentlich gar keine Lust hast. Von mir aus können wir den Sex auf morgen Abend verschieben. Es macht mir nichts aus." "Dann ist ja gut." Doflamingo atmete erleichtert auf. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben. Und du bist ganz sicher nicht wütend auf mich?" "Wieso sollte ich das sein?", erwiderte Crocodile. Er beugte sich zu seinem Verlobten hinüber und küsste diesen sanft auf den Mund. Doflamingo erwiderte den Kuss bereitwillig. * Zum Abendessen hatte Doflamingo ein paar Freunde eingeladen. Crocodile war, um ganz ehrlich zu sein, nicht sonderlich begeistert davon. Seine Arbeit und seine psychischen Probleme verursachten seiner Ansicht nach bereits Stress genug; da wollte er wenigstens seine karge Freizeit so ruhig und entspannt wie nur möglich zubringen. Er hatte bereits darüber nachgedacht, sich einfach unter irgendeinem Vorwand zu entschuldigen, doch Doflamingo schien sich so sehr auf den gemeinsamen Abend zu freuen, dass Crocodile es schlussendlich doch nichts übers Herz brachte. Ihm blieb also nichts Anderes übrig, als seine Lustlosigkeit so gut wie nur möglich zu verbergen und darauf zu hoffen, dass die Zeit rasch herum ging. Es geschah sehr oft, dass Doflamingo jemanden einlud. Im Gegensatz zu Crocodile hatte er ziemlich viele Freunde und traf sich regelmäßig ihnen. Ständig gingen sie gemeinsam in einen Nachtclub, ins Kino, ins Restaurant und so weiter. Crocodile störte es nicht, dass sein Verlobter ein so geselliger Mensch war; es machte ihm nichts aus, wenn Doflamingo mit seinen Freunden etwas unternahm. Er konnte es bloß nicht leiden, wenn dieser ihn dazu drängte, ebenfalls teilzunehmen. Crocodile war kein allzu kontaktfreudiger Typ. Er verbrachte sehr gerne Zeit mit seinem Partner und hielt engen Kontakt zu seinen beiden Geschwistern und zu Daz, doch um ehrlich zu sein, reichte ihm dieses Personenumfeld bereits aus. Anstatt sich die Nächte in irgendwelchen Clubs und Diskotheken um die Ohren zu schlagen, las er lieber ein gutes Buch oder nahm ein entspannendes Schaumbad. Insgeheim war Crocodile sich dessen bewusst, dass es ihm durchaus guttun würde, sich öfter mit anderen Menschen zu treffen. Er konnte gastfreundlich, unterhaltsam, ja sogar charmant sein, wenn er wollte. Vielleicht sollte er die Gelegenheit nutzen, um sich einfach mal wieder in Gesellschaft zu begeben. Schaden würde es ihm sicherlich nicht. Außerdem bereitete Crocodile seinem Verlobten gerne eine Freude, indem er sich darum bemühte, Spaß zu haben und das gemeinsame Abendessen zu genießen. Das Bankett fand im Speisesaal im Erdgeschoss der Villa statt; dieser Raum war größer als das Esszimmer, das Doflamingo und er zumeist nutzten, wenn sie bloß zu zweit aßen, doch nicht weniger gemütlich und komfortabel eingerichtet. Eine lange Tafel bot ausreichend Platz für das Dutzend Gäste, das sein Verlobter eingeladen hatte. Crocodile und Doflamingo begrüßten den Besuch, der überraschenderweise pünktlich um acht Uhr abends erschienen war, bereits an der Tür. Die meisten Gäste kannte Crocodile zumindest flüchtig: Law, Bellamy und dessen Partner Cirkies, Dellinger und Kuma gehörten zum engeren Freundeskreis seines Partners. Dazu erschienen Vergo, Gladius, Diamante, Buffalo und Violet. Bloß zwei Gäste waren Crocodile bisher noch unbekannt: eine hübsche Frau mit langem Haar namens Monet und ein bulliger Mann, den man ihm unter dem Namen Pica vorstellte. (Es war allein Crocodiles Selbstdisziplin und Professionalität geschuldet, dass er nicht in lautes Gelächter ausbrach, als er die piepsige Stimme des Mannes hörte, die überhaupt nicht zu dessen kräftiger Statur passen wollte. Aus dem Augenwinkel heraus bekam Crocodile mit, dass sein Verlobter erleichtert aufatmete, als er Pica begrüßte. Er hatte wohl vergessen, ihn vorzuwarnen.) Obwohl die einzelnen Mitglieder der bunten Truppe sehr unterschiedlich waren, herrschte insgesamt eine gute Stimmung. Man unterhielt sich bereits unbefangen über dieses und jenes, noch ehe man den Speisesaal überhaupt erst erreicht hatte. Crocodile wusste, dass Doflamingo alles andere als geizig war und seine Freunde sehr gerne verwöhnte, doch das riesige Aufgebot an Speisen, das mehrere Angestellte auftrugen, erstaunte ihn nichtsdestotrotz: Du konntest wählen zwischen Suppe, Salat, Backwerk, Fleisch, Fisch, Garnelen, Kaviar, eingelegtes oder gefülltes Gemüse, Antipasti und vielem weiteren. Als Vorspeise selbstverständlich. Auch wenn Crocodile es sich kaum vorstellen konnte, war der zweite Gang sogar noch um einiges pompöser als der erste. Von dem Geld, dass all diese delikaten und hübsch drappierten Gerichte gekostet haben mussten, hätte Doflamingo sie alle mit Sicherheit auch in das teuerste Restaurant der Stadt, das Baratie, einladen können, dessen war Crocodile sich sicher. Plötzlich begann er sich wieder schrecklich zu fühlen, weil er monatlich bloß ein paar hundert Berry an Doflamingo zahlte, um in diesen Genuss zu kommen; dabei war bestimmt allein dieses Abendessen mehrere tausend Berry wert. Wieder einmal kam Crocodile sich vor wie ein Schmarotzer, der sich am Reichtum seines wohlhabenden Verlobten ergötzte. Er war sehr froh darüber, dass Doflamingos Freunde nicht darüber Bescheid wussten, dass er nur so wenig Miete zahlte. Crocodile nahm ein wenig Bruschetta zu sich und hielt sich aus den Konversationen, die überaus rege betrieben wurden, weitesgehend heraus, auch wenn er den einen oder anderen Gesprächsverlauf sporadisch verfolgte. Dellinger, Bellamy und Cirkies unterhielten sich über Mode und debattierten heiß die neu erschienene Kollektion irgendeines namenhaften Designers; Diamante, Buffalo, Gladius und Pika sprachen über ein Fußballspiel, das letztes Wochenende stattgefunden hatte; Vergo, Monet und Violet erinnerten sich an ihren letzten Besuch in der Oper (Crocodile konnte heraushören, dass Violet als Tänzerin und Sängerin arbeitete); und Law und Kuma unterhielten sich zuerst über Politik, dann über seinen Bruder Mihawk. Crocodile wurde unweigerlich hellhörig. "Mihawk und ich haben letztes Wochenende einen sehr hübschen Mittelalter-Markt besucht", schilderte Kuma. Wie üblich erweckte er einen sehr besonnenen Eindruck, doch man merkte dennoch, dass er sich in der Gesellschaft seiner Freunde nicht unwohl fühlte. Er war eben einfach bloß ein eher ruhiger und zurückhaltender Mensch. "Wirklich schade, dass du nicht dabei sein konntest, Law. Der Markt hätte dir bestimmt auch gefallen. Ein Stand verkaufte sogar mittelalterliches Operationswerkzeug. Sägen, Schädelbohrer und so weiter. Meistens handelte es sich um Nachbildungen, doch es wurden auch einige echte Relikte angeboten." Law zuckte mit den Schultern. "Ich wäre gern mitgekommen", meinte er, "aber leider musste die Hirnoperation, die eigentlich für Mittwoch vorgesehen gewesen war, vorgezogen worden. Das Mädchen hätte ansonsten nicht überlebt. Aber es freut mich, dass ihr beide einen schönen Tag hattet. Hatte Mihawk denn gute Laune?" "Ja, auf jeden Fall", antwortete Kuma. "Er ist eher der zurückhaltende Typ, so wie ich eben, aber man hat trotzdem deutlich gemerkt, dass er sehr ausgelassen war. Das liegt vermutlich mitunter daran, dass seine Schwester schwanger ist. Er freut sich sehr darauf, Onkel zu werden." "Tatsächlich?" Law zog eine Augenbraue hoch. "Hm, versteh mich bitte nicht falsch, aber er hat auf mich nie den Eindruck eines Menschen gemacht, der gerne mit Kindern zu tun hat. Ich meine, du weißt doch, wie er ist: Still, besonnen, ein bisschen sonderbar. Er ist auch kinderlos, nicht wahr?" "Das bedeutet ja nicht zwangsweise, dass er Kinder nicht leiden kann", warf Kuma kopfschüttelnd ein. "Womöglich wäre er gerne Vater, doch hat bisher bloß noch nicht den richtigen Partner gefunden? Denk doch nur mal an Doflamingo: Er hat selbst hat keine Kinder, doch geht unfassbar liebevoll mit jedem Kind um, das ihm über den Weg läuft. Ich erinnere mich noch gut daran, wie er einmal Sugar im Arm gehalten hat, als sie noch ein kleines Baby gewesen ist: Er wirkte wie der glücklichste Mensch auf der Welt." "Hast vermutlich Recht", stimmte ihm Law zu. "Doflamingo ist da ein echtes Paradebeispiel. Als ich ihn das erste Mal getroffen habe, hielt ihn bloß für einen idiotischen Draufgänger, der alles auf die leichte Schulter nimmt und sich nicht einmal um einen Hund kümmern könnte. Aber er hat auch andere Seiten; er kann auch verantwortungsbewusst und fürsorglich sein. Vielleicht ist es bei Mihawk genauso. Vielleicht ist er ja gar nicht immer der nüchterne Langeweiler, für den ihn alle halten." Er lachte leise, ehe er wieder auf das ursprüngliche Thema zurückkam: "Bist du dir sicher, dass die ausgestellten Operationswerkzeuge echt waren? Manche Verkäufer besitzen Fälschungen, die täuschend echt wirken." "Sie waren definitiv echt", erwiderte Kuma. "Ich kenne mich in dieser Hinsicht sehr gut aus. Da fällt mir ein: Hast du eigentlich schon das Schwert gesehen, das Mihawk von Doflamingo und Crocodile zum Geburtstag geschenkt bekommen hat? Es ist ein echtes Ritterschwert aus dem 14. Jahrhundert. Absolut atemberaubend!" Kuma und Law unterhielten sich noch weiter miteinander, sowohl über Mihawks Ritterschwert als auch über andere Themen, doch Crocodile hatte genug gehört. Weil seine Kehle sich plötzlich unangenehm trocken anfühlte, nahm er einen großen Schluck Wasser. Er hatte nicht damit gerechnet, schon wieder unter die Nase gerieben zu bekommen, wie sehr sein Partner sich Kinder wünschte und was für einen tollen Vater dieser abgeben würde. Noch immer war Crocodile sich nicht sicher, ob er selbst jemals Kinder haben wollte. "Hast du keinen Hunger?", riss ihn plötzlich Doflamingos Stimme aus den Gedanken. "Du hast deine Bruschetta kaum angerührt. Oder schmeckt sie dir einfach nicht?" "Die Bruschetta schmeckt ausgezeichnet", erwiderte Crocodile rasch. "Aber ich möchte bei der Vorspeise nicht allzu stark zulangen, sonst habe ich keinen Appetit mehr, wenn das Hauptgericht serviert wird." Doflamingo gluckste. "Du kannst ruhig bei beidem gut zulangen", meinte er und kniff ihn spaßhaft in die Seite. "Schließlich fehlen dir immer noch ein paar Kilogramm, um dein Mindestgewicht zu erreichen." "Na und? Du willst doch nicht, dass ich dick werde, nicht wahr?", gab er neckisch zurück. Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. "Lieber fünf Kilogramm zu viel als zu wenig", meinte er schließlich. "Ich mag ausgemergelte Hüften und Bäuche nicht. Ich habe nie verstanden, wieso manche Leute sich halbtot hungern, nur um möglichst schlank zu sein. Vor allem Frauen machen sich in dieser Hinsicht ja völlig verrückt. Mir jedenfalls wird fast schon schlecht, wenn man jede Rippe ganz genau sehen kann. Das ist doch ekelhaft!" "Also stehst du auf dicke Frauen und Männer?" Verwundert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Doflamingo schüttelte den Kopf. "Adipositas ist das andere Extrem", lenkte er ein. "Aber es gibt doch nicht bloß entweder übergewichtige oder magersüchtige Menschen. Dazwischen liegt ein gesundes Normalgewicht. Und das finde ich persönlich auch am attraktivsten. Nicht zu dick, nicht zu dünn, sondern einfach bloß fit und gesund. Deswegen versuche ich ja auch immer, dich dazu bewegen mehr zu essen. Du bist ja noch nicht einmal bei deinem Mindestgewicht angekommen, geschweige denn bei deinem Normalgewicht." "Können wir bitte das Thema wechseln?" Um ehrlich zu sein, nervte es Crocodile, dass bei diesem Abendessen bisher bloß wunde Punkte von ihm angesprochen worden waren. Er wollte keine Kinder, er war zu dünn... Konnten die Leute denn nicht einfach über Dinge sprechen, die nichts mit ihm zu tun hatten? Soweit er sich erinnerte, sollte heute Abend ein Bankett stattfinden und kein verdammtes Kreuzverhör! Doflamingo setzte einen skeptischen Gesichtsausdruck auf. "Was ist denn nur los mit dir?", fragte er ihn im Flüsterton. "Nichts ist mit mir los", entgegnete Crocodile, doch konnte nicht verhindern, dass sein Tonfall schrecklich gereizt klang. "Mich nervt es bloß, dass du bei jeder Gelegenheit auf mein Gewicht zu sprechen kommst. Ich kann nicht zu einem gesunden und normalen Umgang mit Essen zurückzufinden, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich zu dünn bin und möglichst viel zu mir nehmen soll. Wie soll ich mich denn dabei entspannen und lernen mit Freude zu essen?" Diese Aussage schien Doflamingo den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er schwieg für einen Augenblick, ehe er zu Crocodiles Überraschung meinte: "Du hast vermutlich Recht. Ich sollte dich nicht unter Druck setzen. Es tut mir leid. Ich mache mir bloß Sorgen um dich. Ich liebe dich und wünsche mir, dass du schnell wieder gesund wirst." Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um zu verhindern, dass ihm die Kinnlade herunterfiel. Es kam nur sehr, sehr selten vor, dass sein Partner sich entschuldigte. Normalerweise hasste Doflamingo es abgrundtief, Fehler zuzugeben. Er entschuldigte sich bloß dann, wenn Crocodile absolut unnachgiebig darauf bestand, und selbst in diesen Fällen tat er es nur äußerst widerwillig. Dass Doflamingo also so einfach eine Verfehlung einräumte, stellte eine echte Sensation dar. "Ist schon gut", meinte Crocodile rasch, der sich ein wenig überfordert mit dieser unerwarteten Situation fühlte. "Ich weiß ja, dass du es nicht böse meinst. Vergessen wir die Sache einfach, ja?" Doflamingo nickte und lächelte zaghaft. Crocodile erwiderte das Lächeln und beugte sich zu seinem Verlobten hinüber, um diesen auf den Mund zu küssen, obwohl er normalerweise den offensichtlichen Austausch von Zärtlichkeiten verabscheute, wenn Gäste anwesend waren. Ihr Kuss sorgte für neuen Gesprächsstoff am Tisch. "Crocodile", meinte Dellinger breit grinsend und warf ihm einen vielsagenden Blick zu, "du hast uns noch gar nicht deinen Verlobungsring präsentiert. Bisher hat ihn nur Law gesehen gehabt, weil er beim Kauf mit dabei gewesen ist. Zeig doch mal her!" Eigentlich war Crocodile kein Mensch, der gerne mit seinen Schmuck protzte, doch weil es sich bei dem Verlobungsring um ein ganz besonderes Stück handelte und außerdem ein Dutzend Augenpaare erwartungsvoll auf ihn gerichtet waren, streckte er schließlich seine Hand aus und präsentierte den goldenen Ring mit dem grünen Edelstein. Teils begeistertes, teils neidisches Raunen ging durch den Saal. "Wunderschön!", hauchte Violet, die einen besonders genauen Blick auf das wertvolle Schmuckstück warf. Monet, die die einzige andere Dame am Tisch war, nickte zustimmend. Crocodile, der sich allmählich unwohl zu fühlen begann angesichts der vielen Aufmerksamkeit, senkte seine Hand rasch wieder. Leider war damit der Trubel um die Verlobung längst nicht vorbei. Noch immer grinsend fragte Dellinger: "Wisst ihr schon, wann ihr heiraten möchtet? Doflamingo ist sicher schon ganz ungeduldig, so wie ich ihn kenne!" Die anderen Gäste zu Tisch lachten und glucksten leise. "Wir haben uns noch nicht auf ein Datum geeinigt", warf Crocodile ein, ehe sein Verlobter zu Wort kam. Er wollte nicht so tun, als stünde die Planung ihrer Hochzeit bereits fest. Schlimmstenfalls drängten ihn die Freunde seines Partners noch zu irgendwelchen voreiligen Versprechungen, was er unter allen Umständen vermeiden wollte. "Und wie sieht es mit einem Ort aus?", hakte Cirkies nach. "Ich persönlich könnte mir gut eine Hochzeit am Strand vorstellen." (Sofort warf Bellamy seinem Partner einen skeptischen Blick zu, den allerdings bloß Crocodile zu bemerken schien.) "Ihr habt euch doch auch am Strand verlobt, nicht wahr?" "Über den richtigen Ort haben wir uns auch noch keine Gedanken gemacht", erwiderte Crocodile, dem es ganz und gar nicht gefiel, dass sich plötzlich alle Gäste über die Hochzeit von Doflamingo und ihm unterhielten. Konnte man denn nicht über etwas Anderes sprechen? "Ich könnte es mir gut vorstellen in dem Schloss in Frankreich zu heiraten, in dem meine Familie und ich vor einigen Jahren Urlaub gemacht haben", meldete sich nun auch Doflamingo selbst zu Wort. Anschließend wandte er sich direkt an seinen Partner: "Es würde dir gefallen, Wani! Das Schloss wurde im 17. Jahrhundert fertiggestellt und sieht absolut traumhaft aus! Als würde es direkt aus einem Märchen stammen." "Ich weiß ja nicht", entgegnete Crocodile stammelnd. Über ein Schloss in Frankreich hatte Doflamingo nie zuvor ein Wort verloren. "Im Ausland?" "Warum denn nicht?", meinte dieser unbekümmert. "Ich bin noch nie in Frankreich gewesen", erwiderte Crocodile. Er wollte verhindern, dass sein Verlobter auf irgendwelche fixe Ideen kam. Für ihn selbst war ihre Hochzeit ein sehr abstraktes Ereignis, über dessen Details er sich bisher noch keine ernsthaften Gedanken gemacht hatte. Crocodile hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet gehabt, dass er jemals heiraten würde. Er war kein sonderlich romantischer Mensch. "Ich bin mir nicht sicher, ob mir der Gedanke gefällt, in einem Land zu heiraten, das ich überhaupt nicht kenne." "Du könntest es doch kennenlernen", schlug Monet freundlich lächelnd vor. "Warum verbringen du und Doflamingo nicht einfach ein Wochenende in Frankreich? Paris ist eine wunderschöne Stadt! Ich bin selbst schon mehrmals dort gewesen. Auch kulturell hat Frankreich viel zu bieten. Interessierst du dich für Kunst, Crocodile?" "Nun, ähm, das kommt ganz darauf an", meinte er recht unbeholfen. "Es war bloß ein Vorschlag", lenkte Doflamingo ein, der zu bemerken schien, dass sein Partner sich unwohl fühlte. "Es bringt nichts, Crocodile dazu zu drängen, unbedingt in Frankreich zu heiraten, wenn er es nicht möchte. Immerhin sollte der Ort uns beiden gefallen." "Da hast du natürlich Recht", gab Monet zu. "Außerdem gibt es ja auch noch viele andere schöne Orte. Die Idee, am Strand zu heiraten, finde ich sehr schön. Oder wie wäre es an Bord eines Schiffes? Käme da nicht eine deiner Yachten infrage, Doflamingo?" "Eine deiner Yachten?", wiederholte Crocodile verblüfft. Er warf seinem Verlobten einen ungläubigen Blick zu. Besaß Doflamingo tatsächlich nicht bloß einen Privatjet, sondern dazu auch noch mehrere Schiffe? "Davon hast du mir nie erzählt!" "Nun ja, es hat sich bisher noch nicht die Möglichkeit dazu ergeben", erwiderte Doflamingo, den das offensichtliche Erstaunen seines Partners wohl ein wenig in Verlegenheit brachte. "Ich erinnere mich noch gut an die vielen Parties, die Doflamingo auf seinen Yachten geschmissen hat", warf Dellinger fröhlich ein. Die meisten der anderen Gäste nickten zustimmend. "Vor allem seine Geburtstagsparty war absolut einmalig", fügte Gladius an. "Es ist doch dein 28. Geburtstag gewesen, den du damals auf der Pink Flamingo gefeiert hast, nicht wahr, Doflamingo? Ich kann mich noch ganz genau an das tolle Feuerwerk erinnern! Es ist wirklich eine unvergessliche Nacht gewesen!" Die anderen Gäste bestätigten Gladius' Eindruck und nutzten die Gelegenheit, um über weitere Details der tollen Feier zu sprechen. Crocodile konnte nicht mitreden; damals hatte er Doflamingo noch gar nicht gekannt. Plötzlich wurde ihm wieder überdeutlich bewusst, dass sie beide seit noch nicht einmal einem Jahr ein Paar waren. Und schon hatten sie sich verlobt und planten ihre Hochzeit. Crocodile liebte Doflamingo, doch er musste zugeben, dass alles sehr schnell ging. Als der Großteil der Gäste damit beschäftigt war, sich an Doflamingos legendären 28. Geburtstags zurückzuerinnern, wandte sich ebenjener an seinen Partner. "Bitte nimm das Gerede der Leute nicht zu ernst", meinte er und lächelte nervös. "Wir sollten uns nicht beeinflussen lassen. Ich möchte unsere Hochzeit nicht als Vorwand nutzen, um mit meinem Reichtum zu protzen. Mir reicht eine kleine, schöne Feier mit unseren engsten Freunden. Und natürlich müssen wir auch nicht in Frankreich heiraten, wenn du nicht möchtest." Crocodile nickte zaghaft. Noch immer war nicht ganz bis zu ihm durchgedrungen, dass sein Partner mehrere Yachten besaß. Unweigerlich fragte er sich, wie viele Dinge es noch gab, von denen dieser ihm nie erzählt hatte. Doch welches Recht nahm er sich heraus, über Doflamingo zu urteilen? Schließlich war er selbst doch der größte Geheimniskrämer. "Wir werden schon einen passenden Ort für unsere Hochzeit finden", sagte Crocodile und drückte die Hand seines Verlobten. "Da mache ich mir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass es ein wundervolles Fest wird. Ganz gleich, in welchem Land es stattfindet und an welchem Tag." * Es war Mittwoch und Crocodile hatte unfassbar gute Laune. Heute war sein erster Monatslohn angekommen und er freute sich sehr über das dringend benötigte Geld. Sofort beglich er diejenigen Schulden, die ihm derzeit am schlimmsten im Nacken saßen; außerdem hob er 4.000 Berry in bar ab, die er später Doflamingo geben wollte. Es nagte an Crocodile, dass er seinem Verlobten noch immer nicht das Geld für die Geschenke seiner beiden Geschwister zurückgegeben hatte. Und auch wenn er die nicht gerade kleine Summe eigentlich viel besser investieren könnte, hielt er es doch für die richtige Entscheidung, zuerst die Schulden, die er bei seinem Verlobten hatte, zu bezahlen. Der Gedanke, dass dieser ihn für einen Schmarotzer halten könnte, war für Crocodile absolut unerträglich. Immerhin war er eine schrecklich stolze Person. Und er wollte Doflamingo nicht das Gefühl geben, dass er ihn ausnutzte. Außerdem war er zuversichtlich, dass nun, da er wieder über ein festes Einkommen verfügte, bald all seine Schulden endgültig getilgt sein würde. Crocodile hatte sich ausgerechnet, dass er in weniger als einem Jahr schuldenfrei wäre, wenn er jeden Monat mindestens 85 Prozent seines Gehalts einzahlte. Bereits jetzt wartete er sehnsüchtig auf den Moment, da sein Kontoauszug endlich wieder eine Zahl zeigen würde, bei der ihm nicht nach Heulen zumute war. Die Arbeit lief gut. Crocodile fühlte sich sehr wohl bei Tom's Workers. Kiwi und Moz schauten immer mal wieder in seinem Büro vorbei, um ihm einen Kaffee zu bringen und ein wenig zu plaudern, doch trotzdem kam er gut voran, was die Planung der in wenigen Monaten stattfindenden Elektronikmesse anging. Schon zwei Wochen nach seiner Einstellung hatte er Franky vernünftige Ergebnisse vorweisen können. Crocodile überzeugte durch seine hohe Kompetenz, seine Zuverlässigkeit und seinen Fleiß. Er war unfassbar froh darüber, endlich wieder mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut zu werden, anstatt bloß stupide Praktikantenarbeiten erledigen zu müssen, und stürzte sich in geradezu die Arbeit. Im Büro blühte er regelrecht auf. Diese Veränderung hatte auch positive Auswirkungen auf die Zeit, die Crocodile gemeinsam mit Doflamingo verbrachte. Er fühlte sich insgesamt deutlich glücklicher, lachte öfter und war nicht mehr ständig angespannt. Selbst wenn er nachmittags erschöpft nach Hause kam, ließ er sich nicht die Laune verderben. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er heute viel geleistet hatte und stolz auf seine Arbeit sein konnte. Dass er bis spätabends im Büro blieb, stellte inzwischen außerdem bloß noch eine absolute Ausnahme dar; normalerweise machte er pünktlich um achtzehn Uhr Arbeitsschluss. Und da sich sein Arbeitsweg um die Hälfte verkürzt hatte, sparte er sich überdies insgesamt eine Stunde Autofahrt pro Tag. Um achtzehn Uhr dreißig abends betrat Crocodile das Wohnzimmer. Sein Partner saß auf der Couch und sah sich irgendeinen Film an. Doflamingo begann wochentags üblicherweise später mit der Arbeit als er, doch kam trotzdem etwa eine Stunde früher nach Hause. Obwohl er mehrere Unternehmen zu führen hatte, arbeitete er im Gegensatz zu Crocodile nur acht Stunden am Tag (Pausenzeiten inklusive). Als Doflamingo ihn bemerkte, lächelte er und schaltete den Fernseher stumm. "Da bist du ja endlich, Wani", begrüßte er ihn mit freundlicher Stimme und bedeutete ihm, sich dazu zu setzen. "Wie war die Arbeit heute?" "Gut", antwortete Crocodile, während er neben seinem Verlobten Platz nahm. Er ließ zu, dass Doflamingo einen Arm um ihn legte; lehnte sich sogar in die Umarmung hinein. "Und bei dir? Du hattest heute doch das Geschäftsessen mit... ähm, wie hieß noch gleich der Geschäftsführer des Pharmaunternehmens... Caesar Clown, nicht wahr? Ist alles gut gegangen?" Doflamingo nickte breit grinsend. "Es lief wunderbar", erklärte er enthusiastisch. "Caesar Clown war unfassbar leicht um den Finger zu wickeln. Ich war dazu in der Lage, sehr rentable Verträge für die Miracle-Sakura-Klinik abzuschließen. Dieses Geschäftsessen hat sich auf jeden Fall bezahlt gemacht!" "Das freut mich zu hören", sagte Crocodile. Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er anfügte: "Apropos bezahlen. Du bekommt doch noch Geld von mir." Er kramte die 4.000 Berry aus seinem Portemone hervor und hielt sie Doflamingo hin. "Für Mihawks Ritterschwert und den Kinderwagen für Hancocks Baby. Du bist beide Male für mich in Vorkasse gegangen, weißt du nicht mehr? Ich habe es zwischenzeitlich ganz vergessen gehabt, aber heute ist es mir wieder eingefallen. Hier, nimm!" Doflamingo verzog ungläubig das Gesicht. "Ich will dein Geld nicht", erwiderte schließlich in einem beinahe schon beleidigt klingenden Tonfall. "Aber es ist doch gar nicht mein Geld", wandte Crocodile ein, "sondern deins. Du hast es mir sozusagen geliehen. Und jetzt möchte ich es dir zurückgeben." Sein Verlobter fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Er atmete tief ein und aus, ehe er meinte: "Wie oft muss ich dir das noch erklären, Croco? Ich bestehe nicht auf getrennte Kassen. Ich habe absolut kein Problem damit, dich ab und an einzuladen. Und bitte komm nicht wieder mit dem Argument an, dass du dich nicht wie ein Schmarotzer fühlen möchtest. Denn das bist du ganz sicher nicht. Ganz im Gegenteil: Du bist der einzige Mensch, der nicht bloß wegen meines Geldes eine Beziehung mit mir eingegangen ist. Also hör bitte endlich damit auf, ständig jeden Berry aufzurechnen, ja? Dieses Verhalten geht mir nämlich allmählich tierisch auf die Nerven, weißt du?" "Ähm", erwiderte Crocodile recht unbeholfen. "O-okay, gut, wenn du das Geld nicht annehmen möchtest, dann behalte ich es eben. Ich habe es nicht böse gemeint." Crocodile musste zugeben, dass er sich insgeheim über die Weigerung seines Verlobten freute. Für ihn waren 4.000 Berry sehr viel Geld. Geld, das er momentan verdammt gut gebrauchen könnte. Es würde ihm bei seinem Vorhaben, in zwölf Monaten wieder schuldenfrei zu sein, einen großen Schritt nach vorne bringen. Crocodile fragte sich unweigerlich, ob es armselig war, so zu denken. Er war eine sehr stolze Person und hatte (ehe sein Leben in die Binsen gegangen war) niemals damit gerechnet, sich jemals in einem solchen Dilemma wiederzufinden. "Ich weiß doch, dass du es nur gut meinst", lenkte Doflamingo rasch in einem beschwichtigenden Tonfall ein. "Du bist ein stolzer Mann und möchtest nicht den Eindruck erwecken, du würdest mir auf der Tasche liegen. Aber wir beide sind inzwischen verlobt und deswegen solltest du dich endlich umgewöhnen. Wenn wir erst einmal verheiratet sind, wird es ja sowieso keine getrennten Kassen mehr geben. Dann löst sich dieses Problem hoffentlich von selbst. Bitte versteh mich nicht falsch, aber mich nerven diese Diskussion wirklich enorm. Es geht immer wieder um dasselbe Thema und was die Lösung angeht, drehen wir uns nur im Kreis herum." Crocodile wurde hellhörig; nervös betastete er das Bündel Geldscheine in seiner Hand. "Wenn wir verheiratet sind, wird es keine getrennten Kassen mehr geben?", hakte er nach. "Wie meinst du das?" "Nun ja, was mir gehört, gehört dann auch dir, und andersherum", erwiderte Doflamingo unbekümmert. "Ich meine, darum geht es doch in einer Ehe, nicht wahr? Dass man alles miteinander teilt und gemeinsam an einem Strang zieht. Wir werden nicht mehr zwei einzelne Menschen sein, sondern die beiden Hälften einer Gemeinschaft bilden." Crocodile schluckte. Auch wenn die Worte seines Verlobten mit Sicherheit positiv gemeint waren, musste er zugeben, dass er diese eher als bedrohlich empfand. Er fühlte sich in die Ecke gedrängt. Im Gegensatz zu Doflamingo, der unvorstellbar reich war, brachte er überhaupt kein Kapital mit in ihre Ehe hinein. Schlimmer noch: Durch ihre Heirat würde er seinen Partner mit Schulden in Höhe von beinahe 300.000 Berry belasten. Das war kein sonderlich guter Deal; zumindest für Doflamingo nicht. "Ist die Vorstellung von einer gemeinsamen Kasse denn überhaupt realistisch?", fragte Crocodile ausweichend. "Genauso wie ich verfügst du doch mit Sicherheit über mehrere Bankkonten. Immerhin beziehst du Geld aus vielen verschiedenen Quellen. Keiner von uns beiden entspricht dem Bild des mittelständischen Bürgers, der sein Leben über bloß ein einziges Konto abwickelt. Wie sollen wir eine gemeinsam Kasse einrichten, wenn wir nicht einmal selbst bloß über eine einzige verfügen? Ich denke nicht, dass wir unsere Finanzen so einfach zusammenlegen können. Dafür ist unser Vermögen viel zu vielschichtig organisiert." "Dessen bin ich mir bewusst", räumte Doflamingo ein. "Das meinte ich ja auch überhaupt nicht. Bloß, dass wir im Alltag nicht mehr zwischen meinem und deinem Besitz werden unterscheiden müssen. Dann spielt es keine Rolle mehr, wer von uns nun die Rechnung im Restaurant, den Ausbau des Wintergartens oder das neue Auto bezahlt. Denn das Geld, das wir privat ausgeben, gehört uns beiden. Es macht einfach keinen Unterschied mehr." Doflamingo lächelte, ehe er anfügte: "Die Miete, die du mir monatlich zahlst, können wir uns außerdem auch sparen. Denn selbstverständlich wird die Villa nicht nur mir, sondern auch dir gehören. Und genau dasselbe gilt für meine Wagen, meinen Privatjets, meine Yachten und so weiter. Alles, was mir gehört, möchte ich mit dir teilen, Wani. Sobald wir verheiratet sind, hat jeder ein Anrecht auf den Besitz des Anderen." Crocodile schluckte. Doflamingo wollte seinen unfassbaren Reichtum mit ihm teilen und sollte im Gegenzug Schulden in Höhe von 300.000 Berry zurückbekommen? Das klang in Crocodiles Ohren nicht sonderlich fair. Hektisch suchte er nach einer Möglichkeit, um seinem Verlobten diese Idee rasch wieder aus dem Kopf zu schlagen. Er konnte einfach nicht zulassen, dass seine Schulden auf Doflamingo abgewälzt wurden. Sie waren Crocodiles Last allein. Sein Partner sollte nicht darunter leiden. "Hälst du das wirklich für eine gute Idee?", fragte er schließlich mit zögerlicher Stimme. "Ich bin nicht so reich wie du. Im Gegensatz zu dir besitze ich keine Privatjets, keine Luxusyachten, nicht einmal Wohneigentum; und auch bloß ein einziges Auto." Kündigung hin oder her: Dies waren simple Tatsachen, über die auch Doflamingo Bescheid wusste. Selbst zu seinen besten Zeiten hatte Crocodile niemals mit seinem Partner mithalten können. "Stell dir nur einmal vor, wir würden uns irgendwann scheiden lassen. Dann würde mir praktisch die Hälfte deines Vermögens zustehen. Ich würde aus dieser Ehe mit mehr Geld austreten, als ich eingetreten bin. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wohl fühle bei diesem Gedanken. Vielleicht sollten wir lieber einen Ehevertrag aufsetzen. Und auch während unserer Ehe getrennte Kassen führen. Ich möchte dich nicht ausbeuten." Doflamingo verzog das Gesicht. "Wie kannst du so etwas nur sagen?", meinte er. Er erhob seine Stimme nicht, doch klang schrecklich wütend und auch verletzt, während er sprach. "Für mich kommt eine Ehevertrag überhaupt nicht infrage. Wieso sollte man denn überhaupt heiraten, wenn man am Ende doch von einer Scheidung ausgeht? Ich vertraue darauf, dass unsere Ehe nicht scheitern wird. Warum sollte sie das auch? Wir lieben einander und begegnen uns mit gegenseitigem Respekt. Niemals würde ich dich betrügen oder hintergehen." "Das weiß ich doch", lenkte Crocodile ein und überlegte hastig, was er als nächstes sagen sollte. "So habe ich es auch überhaupt nicht gemeint. Aber vielleicht sollten wir doch lieber auf Nummer sicher gehen. Eine Scheidung kann immerhin viele verschiedene Gründe haben. Vielleicht leben wir uns einfach auseinander. Oder einer von uns beiden wir schwerkrank. Heutzutage halten nicht einmal mehr die Hälfte aller geschlossenen Ehen. Und ich möchte nicht, dass mir in einem solchen Fall nachgesagt wird, ich hätte dich bloß geheiratet, um an dein Geld zu kommen..." "Halt! Stopp! Verdammt noch mal!" Crocodile hielt inne und warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu. Sein Partner hatte die Arme vor dem Oberkörper gekreuzt und an seiner Stirn pochte wütend eine rote Ader. Crocodile schluckte. Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Doflamingo plötzlich so wütend wurde. "Du redest absoluten Unsinn!", warf dieser ihm vor. "Wie kommst du nur auf diese bescheuerten Ideen? Glaubst du etwa ernsthaft, dass wir uns jemals auseinander leben würden? Habe ich dir in unserer gesamten Beziehung auch nur eine Minute lang das Gefühl gegeben, ich hätte genug von dir? Und wieso denkst du, dass ich dich verlassen würde, falls du schwerkrank werden solltest? Ich bete zu Gott, dass dieser Fall niemals eintreten wird, doch sollte es geschehen, wäre eine Trennung das allerletzte, woran ich denken würde. Natürlich würde ich dich unterstützen, wo ich nur könnte. Genauso wie mein Vater meine Mutter unterstützt hat, als sie krank wurde. Ich fasse es einfach nicht, dass du solch eine schlechte Meinung von mir hast! Deine Worte sind verletzend, Crocodile! Für wie egoistisch und rücksichtslos hältst du mich eigentlich?" Doflamingo atmete hörbar ein und aus. Sein Gesicht war inzwischen knallrot angelaufen. Er wirkte unfassbar wütend und aufgebracht. Man könnte meinen, Crocodile hätte ihn aufs Übelste beleidigt. Doflamingo zögerte noch einen kurzen Moment lang, ehe er abschließend feststellte: "Wenn du tatsächlich der Ansicht bist, dass ein Ehevertrag notwendig ist, dann können wir uns diese Hochzeit auch gleich sparen. Mein Heiratsantrag sollte einen Liebes- und Vertrauensbeweis darstellen. Und indem du auf einen Ehevertrag bestehst, machst du deutlich, dass du mir leider nicht dasselbe Maß an Liebe und Vertrauen entgegenbringst. Ich bekomme allmählich das Gefühl, dass du mich überhaupt nicht heiraten möchtest, Crocodile..." Crocodile musste schlucken. Er hatte nicht damit gerechnet, dass dieses Gespräch dermaßen eskalieren würde. Doch anscheinend vertrat sein Partner eine ganz andere Einstellung als er, was das Aufsetzen eines Ehevertrags anging. Crocodile war sich dessen bewusst, dass er seine nächsten Worte sehr sorgsam wählen sollte. Er bewegte sich auf äußerst dünnem Eis. Doflamingo schien dieses Thema sehr ernst zu sein und er wollte seinen Verlobten nicht enttäuschen. Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile kein großes Problem damit, Regelungen für den Fall einer Scheidung festzuhalten. Er war kein naiver Romantiker, sondern ein rational denkender Mensch. In der Gesellschaft, in der sie lebten, gab es nun einmal eben eine hohe Scheidungsrate. Dabei handelte es sich um einen simplen Fakt. Sollte ihre Ehe also ebenfalls in die Brüche gehen, konnten sie sich an ihrem gemeinsam ausgearbeiteten Vertrag orientieren, anstatt heftige Gerichtsverfahren zu durchschreiten, in denen geklärt wurde, wem von ihnen was zustand. Und wenn ihre Ehe tatsächlich bis zu ihrem Tod halten sollte, erledigte sich die Sache doch sowieso von selbst. Dieses Prinzip beinhaltete also ausschließlich Vorteile, fand Crocodile. Und vor allem in seiner derzeitigen Lebenssituation käme ihm ein Ehevertrag zugute. Dann müsste er sich nämlich keine Gedanken darüber machen, dass Doflamingo womöglich für seine Schulden in Höhe von beinahe 300.000 Berry aufkommen müsste. Alles würde sich viel einfacher gestalten. Leider hielt sein Verlobter von diesem Vorschlag ganz offensichtlich überhaupt nichts. Die manchmal doch furchtbar traditonellen und altmodischen Einstellungen Doflamingos überraschten ihn immer wieder. Dabei hatte Crocodile eigentlich gedacht, dass eher er der Konservative und Konventionelle von ihnen beiden war. "Sag doch bitte so etwas nicht", meinte Crocodile; es fiel ihm nicht allzu schwer, nun seinerseits beleidigt und verletzt zu klingen. "Natürlich möchte ich dich heiraten. Und wenn es dir wirklich so viel bedeutet, dann können wir auch auf den Ehevertrag verzichten. Es ist ja bloß ein Vorschlag gewesen. Und es war auch nicht meine Absicht, dich an meiner Liebe oder meinem Vertrauen in unsere Beziehung zweifeln zu lassen." Erleichtert stellte Crocodile fest, dass sein Partner sich wieder zu entspannen begann. Die Ader an seiner Stirn verschwand und seine Körperhaltung lockerte sich auf. "Mir geht es nur darum, keinen falschen Eindruck zu erwecken", fuhr Crocodile fort. "Ich kann mir gut vorstellen, dass es sehr viele Menschen gibt, die der Ansicht sind, ich würde dich bloß deines Geldes wegen heiraten. Die mir vorwerfen, ich würde deine Liebe zu mir schamlos ausnutzen und gleich nach unserer Hochzeit die Scheidung einreichen, um an die Hälfte deines Vermögens zu kommen. Und, nun ja, ich dachte eben, indem wir einen Ehevertrag aufsetzen, könnte ich diesen Gerüchten bestimmt entgehen." Glücklicherweise schienen seine Worte Doflamingo zu besänftigen. "Das kann ich verstehen", meinte dieser mit gesenktem Blick. "Aber ein Ehevertrag kommt für mich trotzdem unter keinen Umständen infrage. Mir ist es egal, was irgendwelche Menschen vielleicht über dich oder unsere Hochzeit denken werden. Sollen sie sich doch ihre blöden Mäuler zerreißen! Ich weiß, dass du mich nicht ausnutzt und nicht um meines Geldes willen heiratet. Und das ist alles, was für mich zählt." Crocodile seufzte innerlich enttäuscht auf. Er hatte gehofft, seinen Partner doch noch überreden zu können, aber anscheinend biss er sich an diesem die Zähne aus. Offenbar war es absolut unmöglich, Doflamingo vom Aufsetzen eines Ehevertrags zu überzeugen. Damit würde Crocodile sich wohl oder übel abfinden müssen. Er kannte seinen Verlobten und dessen unsägliche Hartnäckigkeit einfach viel zu gut. Dieser Lösungsweg kam für ihn also nicht infrage. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben", sagte Doflamingo und lächelte. Nun, da sie ihre Diskussion beendet hatten, machte sein Partner einen solch fröhlichen und unbekümmerten Eindruck wie eh und je. Doflamingo war keine nachtragende Person. "Allerdings gibt es noch genug andere Punkte, über die wir uns endlich einig werden sollten. Schließlich haben wir immer noch nicht damit begonnen, unsere Hochzeit wirklich ernsthaft zu planen. Wir wissen nicht einmal, wann und wo die Feier stattfinden soll. Und du hast ja unbedingt darauf bestanden, unsere Hochzeit selbst auszurichten, anstatt einen Wedding Planer zu engagieren. Wir sollten also endlich mit der Planung beginnen! Ich möchte dir nämlich am liebsten so bald wie möglich das Ja-Wort geben!" "Ich weiß gar nicht, wo wir anfangen sollen", murmelte Crocodile ausweichend. "Wir müssen einen geeigneten Ort und ein passendes Datum finden, die Gästeliste erstellen, Einladungskarten gestalten und verschicken, Dekoration aussuchen, uns um die Musik kümmern und noch vieles mehr. Außerdem haben wir beide sehr unterschiedliche Geschmäcker. Wir werden uns nicht sonderlich oft einig sein, da bin ich mir sicher. Es wird lange dauern, bis alles wirklich absolut perfekt ist." Erstaunlicherweise konnte Crocodile Doflamingo leise glucksen hören. "Ich freue mich schon sehr darauf, unsere Hochzeit vorzubereiten", verriet dieser ihm. "Aber gerade weil die Planung vermutlich ein ziemlich langwieriger Prozess sein wird, sollten wir endlich damit beginnen. Warum setzen wir uns nicht einfach dieses Wochenende zusammen und fangen damit an, eine Gästeliste auszuarbeiten?" "Dieses Wochenende?", wiederholte Crocodile und biss sich auf die Unterlippe. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner schon in so naher Zukunft die Planung ihrer Hochzeit in Angriff nehmen wollte. Er musste sich schleunigst irgendetwas einfallen lassen, um diesen Termin weiter hinauszuschieben. Doflamingo nickte. "Ist das ein Problem für dich?", fragte er ihn. "Nun ja, nicht direkt", lenkte Crocodile ein. "Es ist nur, na ja..." Verzweifelt suchte er nach einer glaubwürdigen Ausrede, doch musste leider feststellen, dass sein Kopf wie leergefegt war. Schließlich blieb ihm nichts Anderes übrig als aufzugeben. "Ach, was soll's...", meinte er schließlich unbeholfen und lächelte nervös. "Es ist nichts weiter. Gut, von mir aus können wir am Wochenende damit beginnen, die Gästeliste zu erstellen." "Du wolltest doch eigentlich etwas Anderes sagen", entgegnete Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Passt dir dieses Wochenende nicht?" "Ähm..." Crocodile senkte den Blick. Er atmetete einmal tief ein und aus. Und gerade, als er den Blick auf seine schwarzen Lederschuhe warf, kam ihm die rettende Idee: "Eigentlich hatte ich etwas Anderes für uns beide geplant. Aber wenn du lieber mit den Hochzeitsvorbereitungen beginnen möchtest, ist das auch in Ordnung für mich." Er hatte gar nicht mehr daran gedacht gehabt, doch Franky hatte ihm vor zwei Wochen Karten für ein Konzert des berühmten Musikers Brook, das am Samstag in der Nachbarstadt stattfinden sollte, geschenkt gehabt. Die beiden VIP-Karten waren als eine Belohnung für seine gute Arbeit gedacht gewesen; Franky war nämlich absolut begeistert von den schnellen Fortschritten, die sie durch ihn bei der Arbeit machten. Crocodile hatte sich höflich bedankt und sich, um ehrlich zu sein, auch sehr über die nette Geste gefreut, doch niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, das Konzert tatsächlich zu besuchen. Nun allerdings kam ihm dieses Geschenk sehr entgegen. "Was hast du denn geplant gehabt?", hakte Doflamingo neugierig nach und rückte näher an ihn heran. "Nun ja, du hörst doch gerne die Musik von Brook", erklärte Crocodile. "Und dieses Wochenende findet ganz in der Nähe ein Konzert von ihm statt. Ich habe zwei Karten für uns besorgt und wollte dich damit überraschen. Aber wenn du nicht hingehen möchtest, dann verstehe ich das und..." Doflamingo biss sofort an. "Natürlich möchte ich hingehen!", warf er rasch mit enthusiastischer Stimme ein. Crocodile grinste. Er hatte geahnt, dass sein Partner mit Begeisterung auf diesen Vorschlag reagieren würde. Eigentlich war Crocodile kein Mensch, der oft oder sonderlich gerne ausging. Aus diesem Grund quittierte Doflamingo üblicherweise jedes Angebot, einen gemeinsamen Ausflug zu unternehmen, mit Zustimmung. Unabhängig davon freute er sich bestimmt auch darüber, dass sein Verlobter sich eine nette Überraschung für ihn ausgedacht hatte. Da Crocodile im Gegensatz zu Doflamingo einfach kein Romantiker war und und es ihm außerdem an Kreativität mangelte, was solche Dinge anging, hoffte sein Partner zumeist vergebens auf Gesten dieser Art. Dass er Konzertkarten für sie beide besorgt hatte, freute Doflamingo also verständlicherweise außerordentlich. "Oh nein, jetzt habe ich die ganze Überraschung verdorben", jammerte er in einem entschuldigend klingenden Tonfall. "Aber du kannst dir sicher sein, dass ich mich wirklich sehr freue! Es ist sehr lieb von dir, dass du dir so etwas Nettes für mich überlegt hast. Ich möchte auf jeden Fall gemeinsam mit dir zu dem Konzert gehen. Dann verschieben wir das Erstellen der Gästeliste eben um eine Woche; das macht ja nichts." Crocodile atmete erleichtert auf und nickte zustimmend. "Dass die Überraschung ruiniert worden ist, ist nicht weiter schlimm", tröstete er seinen Partner. "Es hat sogar einen Vorteil: Ich war mir nämlich nicht sicher, ob du nach Ende des Konzerts direkt wieder nach Hause fahren möchtest oder ob wir uns für die Nacht ein Hotel suchen sollen. Also: Was ist dir lieber? Dann kann ich gegebenenfalls auch gleich ein Hotelzimmer reservieren." "Ich fände es besser, wenn wir in einem Hotel absteigen würden", antwortete Doflamingo ihm. "Bei Nacht und wenn man erschöpft ist, sollte man keine weiten Strecken mit dem Auto zurücklegen." "Okay, gut." Crocodile zögerte einen kurzen Moment lang, ehe er anfügte: "Hoffentlich finden wir so kurfristig ein Zimmer, das unseren Ansprüchen gerecht wird. Ich sollte am besten sofort mal im Internet nachsehen." Unweigerlich bereutete Crocodile es, seinem Verlobten eine Hotelübernachtung angeboten zu haben. Sicherlich war dieser bloß absolut luxuriöse Zimmer in exklusiven Hotels gewohnt. Leider hatten solche Unterkünfte im Regelfall auch einen entsprechenden Preis. Vielleicht könnte er Doflamingo vorgaukeln, dass alle oberklassigen Hotels bereits ausgebucht worden waren und sie darum in einem weniger luxuriösen Haus würden übernachten müssen? Crocodile war nicht geizig; er hatte nicht vor, seinem Verlobten eine furchtbare Absteige anzubieten, doch auf der anderen Seite vertrat er durchaus die Ansicht, dass man für eine Nacht auch mit einem mittelpreisigen Hotelzimmer Vorlieb nehmen konnte. "Es macht mir nichts aus, in einem weniger hochwertigen Hotel abzusteigen, wenn alle besseren komplett ausgebucht sein sollten", warf Doflamingo ein, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Allerdings denke ich nicht, dass das nötig sein wird. Bestimmt finden wir auch kurzfristig noch ein Zimmer in einem Fünf-Sterne-Hotel; das dürfte eigentlich kein Problem sein. Es kommt selten vor, dass in einem Haus wirklich jedes einzelne Zimmer belegt ist." "Ich weiß nicht, wie die Situation wegen des Konzerts aussieht", wandte Crocodile ein. "Aber was nützt es uns zu spekulieren? Wie wäre es, wenn du in der Küche Bescheid gibst, dass man das Abendessen für uns beide vorbereiten soll, während ich in der Zwischenzeit im Internet nach einem passenden Hotel suche? Dann werden wir ja sehen, womit wir rechnen müssen." Doflamingo nickte. "Okay, gut", meinte er mit fröhlicher Stimme. * Die Nachbarstadt, in der das Konzert des Musikers Brook stattfinden würde, war nicht allzu groß. Es gab bloß zwei Fünf-Sterne-Hotels. Eines der beiden Häuser war tatsächlich bereits vollständig ausgebucht worden; das andere bot noch acht freie Zimmer an. Die Hotelzimmer kosteten je nach Größe und Ausstattung zwischen 400 und 600 Berry pro Nacht. Privat hatte Crocodile noch niemals so viel Geld für eine Übernachtung ausgegeben, doch er hatte manchmal auf Geschäftsreisen in Zimmern dieser Preisklasse genächtigt, wenn die Bank die Kosten übernahm. "Insgesamt sieht es eher schlecht aus", erklärte Crocodile seinem Partner, als sie beide gemeinsam zu Abend essen. Es gab Crocodiles Leibgericht: Spaghetti mit Oliven und Tomaten. "Ich habe bloß ein einziges Fünf-Sterne-Hotel finden können, das noch ein paar Zimmer frei hat: Das Hotel Moby Dick. Ein Doppelzimmer kostet etwa 400 Berry pro Nacht. Wäre das in Ordnung für dich?" "Klar, wieso nicht?", erwiderte Doflamingo mit unbekümmert klingender Stimme. "Okay, gut." Crocodile freute sich darüber, dass sein Partner sich mit einem der günstigeren freien Zimmer zufriedengab. Er wollte sich gar nicht vorstellen, welche Hotel-Standards sein unvorstellbar reicher Verlobter normalerweise gewohnt war. Aber jedenfalls war er höflich genug, um sich angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Übernachtung um ein Geschenk handelte, nicht zu beschweren. "Dann buche ich gleich sofort, wenn wir mit dem Abendessen fertig sind. Es gab nicht einmal mehr zehn freie Zimmer und wenn wir noch länger warten, sind die schlimmstenfalls auch bald weg. Wir haben wirklich Glück gehabt." Doflamingo nickte und stopfte sich eine weitere Portion Nudeln in den Mund. Als er hinuntergschluckt hatte, erklärte er: "Ich bin vor ein paar Jahren schon einmal im Moby Dick abgestiegen. Es ist ein wirklich sehr schönes Hotel. Mit dem Besitzer Whitebeard habe ich sogar schon mal Geschäfte gemacht." "Oh, tatsächlich?", warf Crocodile ein und stocherte nervös in seinem Schafskäse herum. "Ein komischer Zufall. Nun ja, die Welt ist klein." Er hoffte von ganzem Herzen, dass diese Bekanntschaft nicht zu Problemen führen würde. Schlimmstenfalls bot Whitebeard seinem alten Geschäftspartner freundlicherweise ein hochwertigeres Zimmer an und dann fände Crocodile sich in schlimmer Erklärungsnot wieder. Welchen Grund könnte er anführen, der erklärte, wieso er nicht von Anfang an das bessere Zimmer reserviert hatte? Hoffentlich flog seine Lüge darüber, dass bloß noch Zimmer für 400 Berry pro Nacht frei waren, nicht auf. Sein Verlobter wäre sicherlich furchtbar wütend und enttäuscht. "Ich freue mich schon auf das Konzert", meinte Doflamingo und trank einen großes Schluck Cola. Im Gegensatz zu seinem Partner liebte er süße Getränke wie Limonade oder Fruchtsäfte. "Brook ist wirklich ein begnadeter Musiker! Ich hörte, dass die Karten unheimlich schnell weggingen; schon einen Tag später war der Konzertsaal vollständig ausgebucht. Es ist wirklich klasse, dass du noch zwei Karten für uns bekommen hast." Crocodile bemühte sich um ein freundliches Lächeln. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo dies nur sagte, um seine Wertschätzung für die nette Überraschung, die sein Partner ihm gemacht hatte, auszudrücken. Natürlich wäre er selbst zu jeder Zeit kinderleicht an Karten gekommen, wenn er das Konzert unbedingt hätte besuchen wollen. Viele Grenzen und Hindernisse lösten sich ganz einfach von selbst auf, wenn man Multimillionär war. Trotzdem sprang Crocodile auf den Zug auf. "Es sind VIP-Karten", erklärte er seinem Verlobten. "Unsere Plätze sind ganz vorne." Es war Samstagmittag. Crocodile warf einen undefinierbaren Blick auf die beiden Konzertkarten, die er in der Hand hielt und anschließend in seinem Portemone verstaute. Er wusste nicht so recht, wie er sich angesichts des bevorstehenden Abends fühlen sollte. Auf der einen Seite ärgerte er sich über sich selbst, weil er so bald schon wieder 400 Berry weniger in der Tasche haben würde, doch auf der anderen Seite musste er zugeben, dass es alles in allem auch deutlich schlimmer sein könnte. Da Doflamingo die 4.000 Berry, die ihm wegen der Geschenke für Mihawk und Hancock eigentlich zustanden, abgelehnt hatte, kam Crocodile immerhin immer noch auf ein Plus von 3.600 Berry. Außerdem machte es ihn glücklich zu sehen, dass sein Partner sich ehrlich über die geplante Überraschung zu freuen schien; schon den ganzen Tag lang sprach er von dem Konzert. Auch wenn erst um einundzwanzig Uhr Einlass war und die Autofahrt in die Nachbarstadt bloß eine, allerhöchstens eineinhalb Stunden dauern würde, bestand Doflamingo darauf, dass sie sich schon gegen sechzehn Uhr auf den Weg machten. Crocodile ahnte, dass sein Partner sich gerne noch mit ihm im Hotelzimmer vergnügen wollte, ehe es los zum Konzert ging. Crocodile, der beschlossen hatte sich nicht zu ärgern, sondern dem Abend eine faire Chance zu geben, störte diese Aussicht nicht. Als er gegen fünfzehn Uhr fünfundvierzig das Wohnzimmer betrat, hatte Doflamingo allerdings seine Unterhaltung mit Law noch immer nicht beendet. Der dunkelhaarige Mann mit den mysteriösen Tatoos war ein sehr guter Freund seines Verlobten und kam oft zu Besuch. Er grüßte Crocodile, als er den Raum betrat, und wandte sich dann wieder Doflamingo zu. Überhaupt lud sein Verlobter sehr gerne Besuch ein; er war ein sehr geselliger Mensch und genoss die Rolle des großzügigen Gastgebers regelrecht. Crocodile allerdings fühlte sich manchmal gestört durch die vielen verrückten und oftmals auch sehr lauten Freunde seines Partners. Im Gegensatz zu Doflamingo war er kein allzu kontaktfreudiger Mensch und legte vor allem großen Wert auf seine Privatsphäre. Da die Villa jedoch Doflamingo gehörte, vertrat er die Ansicht, dass er kein Recht dazu hatte, diesen darum zu bitten seine Freunde weniger häufig einzuladen. Sein Haus, seine Regeln. "Einen Moment, Croco", zwitscherte sein Verlobter fröhlich, während er Law einen schwarzen Motorradhelm reichte, der bis eben noch auf dem Couchtisch gelegen hatte. "Wir können gleich sofort los. Ich bringe Law nur eben zur Tür, ja?" Crocodile, der nicht dazu in der Lage war seinen Blick von dem schicken Racinghelm abzuwenden, nickte geistesabwesend. Auch wenn er selbst über einen entsprechenden Führerschein verfügte und früher einmal stolzer Besitzer zweier Motorräder gewesen war, hatte er sich schon seit vielen Jahren auf keines mehr gewagt gehabt. Trotzdem konnte Crocodile sich nicht zurückhalten und fragte unvermittelt: "Was für ein Motorrad fährst du, Law?" Angesprochener warf ihm einen überraschten Blick zu; anscheinend hatte Law nicht damit gerechnet, dass der so konservative und langweilige Partner seines verrückten Freundes etwas von motorisierten Zweirädern verstand. "Eine Honda VFR 1200F", antwortete er. "Darf ich sie mal sehen?", fragte Crocodile neugierig nach. Auch wenn es für ihn nicht infrage kam, jemals wieder Motorrad zu fahren, hatte er das Interesse an den schönen Zweirädern nie ganz verloren. Ab und an erwischte er sich selbst dabei, wie er einige Modelle bewunderte, wenn er zufällig die Gelegenheit dazu bekam. "Klar", meinte Law. Er zögerte einen Moment lang, ehe er mit schief gelegtem Kopf anfügte: "Versteh mich bitte nicht falsch, Crocodile, aber um ehrlich zu sein, wundert mich dein Interesse. Doflamingo hat mir gegenüber nie erwähnt, dass du Motorrad fährst, und normalerweise erzählt er alles mögliche von dir." "Er fährt kein Motorrad!", warf plötzlich Doflamingo unerwartet energisch ein. "Ich wüsste es, wenn er Motorrad fahren würde! Er fährt nur Auto, einen Mercedes C 216; er besitzt keine weiteren Fahrzeuge." "Ich bin früher mal Motorrad gefahren", erklärte Crocodile. "Aber das ist lange her. Trotzdem sehe ich sie mir manchmal gerne an." Law führte ihn zu seinem Fahrzeug, das draußen vor der Villa geparkt stand; er war nur eben zu einem kurzen Plausch mit Doflamingo vorbei gekommen, ansonsten hätte dieser veranlasst, dass das Motorrad in der Garage untergebracht wurde. "Ein wirklich sehr schönes Modell", kommentierte Crocodile, während er um die schwarze Honda herumschlich und sie sich ganz genau ansah. "Darf ich fragen, wann du sie gekauft hast?" "Erst vor etwa einem Jahr", antwortete Law ihm. "Vorher besaß ich das Vorgängermodell, die Honda VFR 800 FI, aber die 1200 F gefällt mir besser. Sie hat außerdem deutlich mehr PS." Crocodile nickte. "Du scheinst sie gut zu pflegen." "Natürlich." Law strich mit einer Hand über die Sitzfläche des Motorrads. Anschließend setzte er sich seinen schwarzen Racinghelm auf. Er passte gut zum sportlichen Design der Honda VFR 1200 F. "Aber ich möchte euch nicht länger aufhalten. Doflamingo wird bereits ungeduldig, sehe ich. Dann bis nächste Woche!" Law gab ihnen beiden die Hand, ehe er auf sein Motorrad stieg. Crocodile wich unweigerlich einen großen Schritt zurück. "Fahr vorsichtig", meinte er. Law nickte unter dem schweren Motorradhelm. Einen Moment später hatte er bereits den Motor gestartet und brauste davon. "Du hast mir nie erzählt, dass du Motorrad fährst!", warf Doflamingo ihm in einem ungemein vorwurfsvoll klingenden Tonfall vor, kaum war ihr Gast verschwunden. "Wie kommt es, dass ich so etwas nicht weiß?" Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich fahre doch gar kein Motorrad mehr", erwiderte er gelassen. Er verstand überhaupt nicht, wieso Doflamingo so schrecklich empört war angesichts der Tatsache, dass ihm dieses Detail bisher noch unbekannt gewesen ist. "Also spielt es sowieso keine Rolle." Doflamingo verschränkte die Oberarme vor der Brust und schob die Unterlippe vor. Crocodile musste unweigerlich lachen. Sein Verlobter wirkte wie ein frustriertes Kleinkind, dem man den Lutscher weggenommen hatte. "Lach mich nicht aus", meinte Doflamingo und schob seine Unterlippe noch ein Stück weiter nach vorne. "Mir gefällt der Gedanke nicht, dass es Dinge von dir gibt, die ich nicht weiß. Immerhin heiraten wir bald. Da sollte man einander doch kennen!" "Ärgere dich nicht", sagte Crocodile und küsste seinen Verlobten auf den Mund. "Du hast noch dein ganzes Leben lang Zeit, um alles von mir zu erfahren, was dich interessiert. Es gibt keinen Grund zur Eile." Seine Worte schienen Doflamingo zu besänftigen. "Du hast Recht", meinte er und erwiderte den Kuss überaus leidenschaftlich. "Wir haben viele Jahrzehnte miteinander. Du bist der Mann meines Lebens. Aber ich kann einfach nicht anders als mich zu fragen, wie viele Geheimnisse es noch zu lüften gibt." Crocodile löste ihren Kuss und zuckte mit den Schultern. Plötzlich begann er sich sehr unwohl zu fühlen. "Jeder Mensch hat seine Geheimnisse", meinte er schließlich ausweichend. "Ich bin mir sicher, dass ich auch noch nicht alles über dich weiß. Aber beenden wir dieses Thema jetzt lieber. Stattdessen sollten wir uns endlich auf den Weg machen. Das Konzert beginnt um neun Uhr und ich hätte nichts dagegen, vorher noch ein paar schöne Stunden gemeinsam mit dir in unserem Hotelzimmer zu verbringen." Sofort grinste Doflamingo breit. "Stimmt, wir sind spät dran", meinte er. "Ich sage eben dem Fahrer Bescheid, dann können wir sofort los." Das Fünf-Sterne-Hotel Moby Dick war ein wunderschöne Anlage, die sich auf einem großen und gut gepflegten Grundstück befand. Obwohl das Haus sehr zentral in der Innenstadt lag, war die Umgebung insgesamt ruhig und wirkte ebenso vornehm wie das luxuriöse Hotel. Crocodile musste wohl oder übel zugeben, dass die 400 Berry, die man hier allermindestens pro Nacht für ein Zimmer bezahlte, vermutlich durchaus gerechtfertigt waren. Sie wurden persönlich von Whitebeard begrüßt, kaum hatten sie das große Foyer des Hotels betreten. (Unnötig zu erwähnen, dass ihrem Fahrer, der das Gepäck aus dem Kofferraum des Aston Martin DBS V12 lud, dieses sofort von ein paar Angestellten des Moby Dick abgenommen wurde.) Crocodile schluckte nervös und scharrte mit den Füßen, ehe er dem Inhaber des Fünf-Sterne-Hotels die Hand gab. Er hoffte von ganzem Herzen, dass dieser ihn nicht vor seinem Partner blamieren würde. Angespannt lauschte Crocodile dem Small-Talk, den die beiden ehemaligen Geschäftspartner rege betrieben. Doch zum Glück sprachen sie bloß über alte Zeiten und irgendwelche Personen, von denen Crocodile noch nie zuvor gehört hatte. Gerade wollte er erleichtert aufatmen, als er Whitebeard jedoch völlig unvermittelt sagen hörte: "Ich habe mitbekommen, Doflamingo, dass du zusammen mit deinem Partner in einem unserer preisgünstigeren Zimmer nächtigen möchtest. Das kann ich unmöglich zulassen." Crocodile biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Wieso nur, dachte er verzweifelt, musste Whitebeard unbedingt auf dieses Thema zu sprechen kommen? Ihr Gespräch war doch beinahe schon beendet gewesen! Crocodile hatte darauf gehofft, dieser Blöße entgehen zu können, doch anscheinend war er in dieser Hinsicht zu naiv gewesen. Nun würde er sich also doch vor seinem Verlobten verantworten und diesem erklären müssen, wieso er keines der teureren Zimmer für sie beide reserviert hatte. Sicherlich würde Doflamingo wütend werden und ihm an den Kopf werfen, er wäre ein schrecklicher Geizhals und seiner nicht würdig. "Leider ist das Moby Dick absolut ausgebucht. Wegen des Konzerts, das heute Abend stattfindet, hat es einen sehr großen Andrang gegeben", fuhr Whitebeard fort. "Eines der anderen Zimmer kann ich euch beiden also nicht anbieten. Dafür allerdings die Präsidentensuite." Nur mit viel Mühe gelang es Crocodile, einen erleichterten Seufzer zu unterdrücken. Glücklicherweise war das Horrorszenario, das er sich ausgemalt hatte, nicht eingetreten. Dafür stand er nun allerdings vor einem ganz anderen Problem: Wie nur sollte er eine Präsidentensuite bezahlen? "Nein danke, das ist nicht nötig", meinte jedoch zu Crocodiles Überraschung sein Verlobter. Er warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu. Um ehrlich zu sein, hatte er fest damit gerechnet, dass sein reicher Partner bei diesem tollen Angebot sofort zugreifen würde. Bestimmt war er es gewohnt, in der Präsidentensuite, die zumeist die teuerste und größte Suite in einem Haus darstellte, zu übernachten. Auch Whitebeard wirkte überrascht. "Bist du dir sicher?", hakte er nach. "Sehr gerne würde ich dir die Präsidentensuite überlassen. Selbstverständlich kostenfrei; immerhin sind wir doch alte Geschäftspartner." Doflamingo schüttelte den Kopf. "Wir bleiben lieber bei dem Zimmer, das wir ursprünglich gebucht haben", meinte er in einem freundlich klingenden Tonfall. Sowohl Whitebeard als auch Crocodile gab die plötzliche Bescheidenheit Doflamingos Rätsel auf, doch ihnen blieb wohl nichts Anderes übrig, als sich dessen Wunsch zu fügen. Ihnen wurden zwei Karten für das Zimmer Nummer 324, das im dritten Stock lag, überreicht und sie wurden darauf hingewiesen, dass sie das Frühstück am nächsten Morgen zwischen fünf und vierzehn Uhr wahrnehmen konnten. "Ähm, sag mal", begann Crocodile, als sie ihr Hotelzimmer betreten hatten. "Wieso wolltest du denn nicht lieber in der Präsidentensuite übernachten? Die wird doch sicher eher deinen Ansprüchen gerecht als ein reguläres Hotelzimmer, oder nicht?" Um ehrlich zu sein, hätte er nichts dagegen gehabt, die Präsidentensuite zu beziehen, sofern diese für sie beide kostenlos war. Er hatte noch niemals zuvor in einer solchen Suite genächtigt. "Es wäre furchtbar unhöflich gewesen", erklärte Doflamingo ihm und ließ sich auf dem gemütlichen Kingsize-Bett nieder. "Immerhin handelt es sich bei dieser Hotelübernachtung um ein Geschenk von dir. Bestimmt hätte es dich verletzt, wenn ich mit einem besseren Zimmer vorlieb genommen hätte." "Oh", sagte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Dass sein Partner die Prasidentsuite aus Rücksicht auf ihn abgelehnt haben könnte, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Wieder einmal dachte er deutlich schlechter von Doflamingo, als dieser es verdiente. "Darum musst du dich nicht sorgen", erwiderte Crocodile. "Von mir aus können wir gerne auch die Präsidentensuite nehmen. Es würde mich nicht verletzen, ehrlich." "Das sagst du nur, um mich nicht vor den Kopf zu stoßen " Doflamingo schwieg für einen Moment, ehe er mit unerwartet ernster Stimme meinte: "Ich bin mir dessen bewusst, dass du über weniger Geld verfügst als ich, Crocodile. Und dass es dir manchmal schwerfällt, mit mir mitzuhalten. Deswegen ist es mir wichtig, dir zu zeigen, dass es mir bei deinen Geschenken nicht um den Geldwert geht. Ich freue mich sehr darüber, dass du mich zu dem Konzert von Brook eingeladen hast. Und ob wir in einem Zimmer für 400 Berry oder in der Präsidentensuite für 2.000 Berry pro Nacht schlafen, ist mir dabei völlig egal. Darum geht es schließlich gar nicht. Sondern um den Gedanken, der dahinter steht. Also fühl dich bitte nicht schlecht, ja? Ich schätze dein Geschenk wirklich wert, Crocodile, das musst du mir glauben." Crocodile nickte. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Die Worte seines Verlobten rührten ihn sehr. Nun allerdings fühlte er sich umso schlechter, weil ihn die Konzertkarten nichts gekostet hatten und er sich noch dazu das günstigste freie Zimmer im Hotel ausgesucht hatte. Würde Doflamingo sich noch immer so sehr freuen, wenn er herausfand, um was für einen Rappenspotter es sich bei seinem Verlobten handelte? "Bitte schau nicht so missmutig drein", bat Doflamingo ihn und stand vom Bett auf. Er ging hinüber zu seinem Partner und legte seine Arme um diesen. "Es gibt wirklich keinen Grund, wieso du dich schlecht fühlen solltest. Dieses Zimmer ist auch sehr schön. Was hältst du davon, wenn wir beide uns einfach ins Bett legen und ein paar schöne Stunden miteinander verbringen, ehe wir zum Konzert gehen? Würde dich das aufheitern?" "Okay", sagte Crocodile und bemühte sich darum zu lächeln, wenn auch bloß um seines Partners willen. Rasch schälten sie sich aus ihrer Kleidung und legten sich nebeneinander in das große und gemütliche Bett. Crocodile schmiegte sich eng an Doflamingos warmen Körper und atmetete tief dessen betörenden Geruch ein. Sofort entspannte er sich. Ihnen blieben noch etwa drei Stunden, bis sie sich auf den Weg zum Konzert machen sollten. Zärtlich begann Crocodile den Körper seines Verlobten zu streicheln und zu liebkosen. Die Haut, die Doflamingos Muskeln überspannte, war weich und warm. Und auch wenn er schon Dutzende Male mit seinem Partner intim geworden war, entdeckte Crocodile doch jedes Mal ein Detail an dessen Körper, das ihm zuvor noch nicht aufgefallen war: ein Muttermal, ein dünner Pflaum blonder Haare oder sogar eine kleine Narbe. Gerade fuhr er mit den Fingern die imposanten Bauch [zensiert] Als Crocodile wieder erwachte, blinzelte er mehrmals. Denn obwohl er seine Augen öffnete, wurde es seltsamerweise nicht heller. Erst nach einigen Minuten, in denen er schlaftrunken vor sich hin döste, wurde ihm klar, was passiert sein musste: Doflamingo und er waren nach dem Sex eingeschlafen und nun war die Nacht über sie hereingebrochen. Brooks Konzert, schlussfolgerte Crocodile, hatten sie beide demnach verpasst. Er spürte, dass sein Verlobter sich neben ihm im Bett bewegte; auch Doflamingo schien allmählich aufzuwachen. Crocodile seufzte leise und rieb sich mit seiner rechten Hand über die müden Augen. Wenn er ehrlich war, dann hatte er momentan eigentlich keine allzu große Lust, sich mit seinem Partner auseinanderzusetzen. Sicherlich war Doflamingo wütend, weil sie das Konzert, auf das er sich so sehr gefreut hatte, einfach verschlafen hatten. Wieso hatte Crocodile auch nicht daran gedacht, einen Wecker zu stellen? Schließlich hatte er doch gewusst, dass sie sich in ihrem Hotelzimmer vorher ein paar schöne Stunden gönnen wollten. Und damit, dass man nach dem Sex einschlief, musste man ja wohl definitiv rechnen. Furchtbare Gewissensbisse plagten Crocodile. Er hoffte, dass sein Verlobter nicht allzu sauer auf ihn sein würde. Er hatte sich doch so sehr auf Brooks Konzert gefreut gehabt. Doflamingo fuhr aufgeregt hoch. "Oh shit!", hörte Crocodile ihn verärgert flüstern. "So eine verdammte Scheiße!" Dann sagte er ein wenig lauter: "Croco?" "Ich bin wach", antwortete Crocodile und setzte sich ebenfalls auf. Je früher er die Standpauke seitens seines Partners hinter sich brachte, desto besser. Müde strich er ein paar Haarsträhnen zurück, die ihm ins Gesicht gefallen waren. Er musste furchtbar aussehen mit seinem unordentlichen Haar und dem getrockneten Sperma, das sowohl an seiner Brust als auch seinen Oberschenkeln klebte. "Wie spät ist es?", fragte Doflamingo ihn. Crocodile zuckte mit den Schultern und beugte sich zur Seite, um die Nachttischlampe anzuschalten. Das grelle Licht stach ihm einen kurzen Moment lang in die Augen; dann jedoch war er dazu in der Lage die Uhrzeit an der schicken Designeruhr, die über der Zimmertüre hing, abzulesen. "Dreiundzwanzig Uhr dreißig." Einlass war vor zweieinhalb Stunden gewesen; Brooks Konzert hatten sie also definitiv verschlafen. Doflamingo schwieg für einen Weile und Crocodile macht sich mental bereits auf das Schlimmste gefasst, als sein Partner plötzlich sagte: "Verdammt, es tut mir unendlich leid, Wani. Das musst du mir glauben! Bitte sei nicht wütend auf mich, ja? Es war wirklich keine Absicht." "Wieso sollte ich wütend auf dich sein?", gab Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen zurück. "Na, weil wir Brooks Konzert verpasst haben", meinte Doflamingo mit schuldbewusster Stimme. "Selbst wenn wir jetzt sofort losfahren würden, wären wir nicht vor Ende dort. Immerhin ist es fast schon Mitternacht. Das schaffen wir auf keinen Fall mehr. Warum nur bin ich gleich nach dem Sex eingeschlafen? Das passiert mir so gut wie nie." "Es ist nicht deine Schuld", versuchte Crocodile seinen Verlobten zu trösten und fuhr diesem zärtlich über den Rücken. Er sah tatsächlich keinen Grund, wieso Doflamingo sich schlecht fühlen sollte. Der Fehler lag bei ihm und nicht bei seinem Partner. Schließlich hatte er vorgeschlagen gehabt, das Konzert zu besuchen. "Ich fühle mich total beschissen", meinte Doflamingo trotz der Aufmunterungsversuche seitens seines Verlobten. Er klang schrecklich betrübt. "Du hast diese schöne Überraschung für mich geplant und ich habe alles kaputt gemacht! Und die teuren Konzertkarten hast du auch völlig umsonst bezahlt. Von unserem Hotelzimmer ganz zu schweigen. Wir hätten es uns also auch einfach sparen können, hierher zu fahren! Oh, Crocodile! Es tut mir so leid!" "Ist schon gut", redete Crocodile auf seinen Partner ein. Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Doflamingo ein solch schlechtes Gewissen hatte. Eigentlich war doch Crocodile derjenige, der die Schuld an dieser Situation trug. Eher sollte er sich bei Doflamingo entschuldigen, anstatt umgekehrt. Und für die Konzertkarten hatte er ja sowieso überhaupt nichts bezahlt gehabt. "Bitte mach dir keine Vorwürfe. So schlimm ist es nun auch wieder nicht." "Das sagst du nur, damit ich mich nicht schlecht fühle", gab Doflamingo zurück, doch zu Crocodile Erleichterung klang er bereits deutlich weniger niedergeschlagen. "Was passiert ist, ist passiert", meinte er und bemühte sich um einen zuversichtlich klingenden Tonfall. "Es ist nicht deine Schuld. Im Gegensatz zu dir schlafe ich ja öfter nach dem Sex ein; ich hätte also daran denken können, einen Wecker zu stellen. Aber was soll's. Die Situation ist nicht mehr zu ändern. Also hören wir auf uns zu ärgern, ja? Wir beide." "Naja", lenkte Doflamingo ein und grinste fast schon wieder, "du hast ja nicht damit rechnen können, dass unser Sex so unfassbar gut werden würde! Von der Feder habe ich dir schließlich vorher nichts erzählt gehabt." "Das stimmt", erwiderte Crocodile, der froh darüber war, dass sich die negative Stimmung allmählich wieder auflöste. Er konnte es absolut nicht leiden, wenn sein Partner niedergeschlagen war. Dass Doflamingo schlechte Laune hatte, kam nur sehr selten vor. "Da hast du mich wirklich unvorbereitet erwischt." Sein Verlobter gluckste. "Aber es hat dir doch gefallen, nicht wahr?" Crocodile rollte mit den Augen. "Hat es sich denn so angehört?", gab er zurück und spürte, dass sich Röte in seinem Gesicht ausbreitete. Doflamingo beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn sanft auf den Mund. Crocodile schloss die Augen und genoss das Gefühl von süßen Lippen auf den eigenen. Als sie den Kuss beendet hatten, meinte sein Partner: "Warum machen wir nicht einfach das Beste aus der Nacht? Du hast bestimmt Hunger, nicht wahr? Wir können uns ein paar leckere Snacks auf unser Zimmer bestellen; eine Art Mitternachts-Imbiss sozusagen. Und dazu hören wir ein bisschen Musik." "Gute Idee", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu. Erst jetzt wurde ihm klar, dass Doflamingo mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte: Tatsächlich war er sehr hungrig und durstig. "Aber vorher sollten wir duschen. Mir fällt es schwer eine Körperstelle zu finden, an der kein getrocknetes Sperma klebt." Angesichts dieser (für Crocodiles Verhältnisse sehr unverblümt ausgedrückten) Aussage brach Doflamingo sofort in lautes Gelächter aus. "Einverstanden", meinte er und erhob sich vom Bett. Im Halbdunkeln wirkte sein muskulöser Körper noch hübscher als sowieso schon, fand Crocodile, der sich ernsthaft zusammenreißen musste, um nicht zu starren. Auf dem Weg hinüber zum angrenzenden Badezimmer fügte Doflamingo hinzu: "Es war ein wirklich schöner Abend, auch wenn wir nicht zum Konzert gegangen sind." "Das freut mich zu hören", meinte Crocodile und wickelte die Bettdecke um seinen Körper, ehe er seinem Verlobten folgte. Inzwischen war es deutlich heruntergekühlt und sie hatten vergessen die Heizung anzuschalten. Er stellte sie auf die höchste Stufe, damit es im Hotelzimmer kuschelig warm sein würde, wenn sie aus der Dusche kamen. "Tut dein Arsch eigentlich sehr weh?", fragte Doflamingo ihn, als sie zu zweit in die geräumige Duschkabine stiegen. Crocodile, der sich gerade die Spermareste vom Oberkörper wischte, rollte mit den Augen. "Wenn du Lust auf eine zweite Runde hast", meinte er schnippisch, "dann musst du eine Menge Gleitcreme nehmen. Ich bin total wund. Du bist nicht gerade sanft gewesen." Den letzten Satz sprach er in einem ungemein vorwurfsvoll klingenden Tonfall aus. Doflamingo gluckste allerdings bloß. "Ich hatte das Gefühl, dass du nach der Sache mit der Feder Lust auf etwas Härteres hättest", meinte er und seifte ihm den Rücken ein. "Aber keine Sorge: Dieses Mal bin ich sanfter, wenn du darauf bestehst. Versprochen." Crocodile rollte erneut mit den Augen, doch gab keine Erwiderung. * Wieder einmal sah Crocodile sich dazu genötigt, mit ein paar Freunden seines Verlobten zu Abend zu essen. Da es sich um eine deutlich kleinere Runde handelte als beim letzten Mal (sie waren bloß zu fünft), nahmen sie ihre Mahlzeit nicht im großen Speisesaal, sondern im Esszimmer ein. Es war ein sehr gemütlich eingerichteter Raum. Doflamingo und er aßen hier zumeist zu Abend; im Speisesaal wären sie sich zu zweit nämlich ganz verloren vorgekommen. "Ist die Hirnoperation, die du gestern durchgeführt hast, erfolgreich gewesen, Law?", fragte Doflamingo seinen Gast in einem unbefangen klingenden Tonfall. Es wurden gerade ihre Vorspeisen serviert und Crocodile unterdrückte nur mit viel Mühe ein Seufzen. Konnte sich sein Verlobter denn kein appetitlicheres Thema auswählen, um Small-Talk zu betreiben? Zumindest Crocodile neigt dazu, sich alles, was er hörte, auch bildlich vorzustellen. Law jedoch schien die Frage seines Gastgebers nichts auszumachen. Wahrscheinlich hatte er inzwischen längst jedes Ekelgefühl abgelegt. Crocodile verwunderte dieser Umstand nicht; man entschied sich wohl nicht dazu Hirnchirug zu werden, wenn einem beim Gedanken an Blut und Gewebe die Übelkeit den Hals hinaufkroch. "Wir haben den Tumor erfolgreich entfernt", antwortete Law also mit völlig ungerührt klingender Stimme, während er nach dem Löffel für seine Gemüsesuppe griff. "Aber der Eingriff war, um ehrlich zu sein, auch nicht sonderlich kompliziert. Die Operation hat insgesamt bloß sechs Stunden gedauert. Es war ein sehr kleiner Tumor." "Das ist schön zu hören", meinte Doflamingo und griff nach einer kleinen Teigtasche, die mit Kaviar gefüllt war. "Wieder verdankt dir jemand sein Leben." Er verspeiste die Teigtasche in einem einzigen Bissen. "Du weißt, dass ich meinen Beruf nicht ausübe, damit meine Patienten mir ihr Leben schulden", erwiderte Law mit ruhiger Stimme. "Es gibt nur einen einzigen Grund, wieso ich Operationen durchführe: Weil es mir Spaß macht. Wenn es mir gelingt zum Beispiel einen Tumor zu entfernen, dann freue ich mich in erster Linie über meinen persönlichen Erfolg. Das Leben des Patienten steht für mich bloß an zweiter Stelle. Darum habe ich auch nicht das Gefühl, dass mir irgendjemand sein Leben verdankt." "Deine Arbeit ist überaus ehrenhaft", warf Monet, die zwei Plätze neben Crocodile saß, mit freundlicher Stimme ein, "aus welchen Beweggründen du sie auch immer tun magst. Ohne deine Hilfe wären viele Menschen inzwischen längst tot." "Nicht jede Operation, die ich durchgeführt habe, ist gut verlaufen", warf Law ein, dem die vielen Komplimente, die er bekam, unangenehm zu werden schienen. "Manchmal war ich einfach nicht dazu in der Lage, meine Patienten zu retten. Einmal ist ein junges Mädchen sogar wegen eines Fehlers, den ich gemacht habe, verstorben." "Niemand ist perfekt", meinte Crocodile und tunkte ein Stück geröstetes Brot in seine Tomatensuppe. "Ob man nun Chirug, Geschäftsmann, Pilot oder was auch immer ist: Jeder macht ab und an mal einen Fehler. Davor ist keiner sicher. Außerdem werden deine Patienten doch über das Risiko, das sie bei einer Operation eingehen, informiert, oder etwa nicht?" "Natürlich", sagte Law, den seine Worte tatsächlich ein wenig aufzumuntern schienen. Crocodile biss gerade von seinem gerösteten Brot ab, als er ein Zupfen an seinem linken Hemdsärmel spürte. Verwundert sah er sich um. Monet hatte zum Abendessen ihre Schwester Sugar mitgebracht, ein vielleicht drei- oder vierjähriges Mädchen, das ihn mit großen Augen ansah. Die Kleine berührte mit ihren beiden Händchen seinen Ärmel nah beim Armstumpf. Wie so häufig hatte Crocodile den eng anliegenden Hemdsärmel am Ende zugeknotet. Auf genau diesen Knoten deutete das kleine Mädchen nun und fragte ihn mit neugieriger Stimme: "Warum ist denn deine Hand weg?" "Sugar!", brüllte Doflamingo mit entsetzt klingender Stimme und erhob sich von seinem Stuhl, noch ehe Crocodile dazu kam, sich zu äußern. "So etwas fragt man nicht", wies er sie streng zurecht. "Das ist sehr, sehr unhöflich. Entschuldige dich gefälligst bei Crocodile!" "Ist schon gut", lenkte Crocodile hastig ein und bedeutete seinem Partner, sich wieder hinzusetzen. Die kleine Sugar wirkte völlig überfordert. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, dass eine (aus ihrer Sicht) völlig harmlose Frage ihr eine solch schlimme Standpauke einbringen würde. Das Mädchen war den Tränen nah und ließ Crocodiles Hemdsärmel rasch wieder los. "Ihre Frage hat mir nichts ausgemacht. Wirklich nicht", beteuerte Crocodile, der seine Worte tatsächlich ernst meinte. Bei dem Verlust seiner linken Hand handelte es sich um keinen seiner wunden Punkte. Er hatte sich längst schon an diesen Umstand gewöhnt. Natürlich erinnerte er sich nicht allzu gerne daran zurück, wie er seine Hand damals verloren hatte; doch solange sie sich nicht über ihn lustig machten, nahm er es den Leuten nicht übel, wenn sie ihn darauf ansprachen. Sugars Frage hatte ihn überhaupt nicht verletzt. Das kleine Mädchen war bloß neugierig gewesen. Crocodile war sich sicher, dass ihre Stimme nicht anders geklungen hätte, wenn sie ihn nach seinem langen Haar, seinem Ohrring oder irgendeinem anderen auffälligen Detail gefragt hätte. "Du musst sie nicht in Schutz nehmen, bloß weil sie noch ein Kind ist", meinte Doflamingo, den seine Worte überhaupt nicht zu überzeugen schienen. "Sie weiß es doch nicht besser", gab Crocodile schulterzuckend zurück. Er hatte überhaupt nicht damit gerechnet gehabt, dass sein Partner so furchtbar wütend auf Sugars Frage reagieren würde. Doflamingo machte einen sehr entsetzten und betretenen Eindruck. Man könnte meinen, das kleine Mädchen hätte ihm eine schlimme Beleidigung an den Kopf geworfen. "Dann muss sie es eben lernen!", erwiderte Doflamingo mit zorniger Stimme. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen und wandte sich dann an Sugar, die weinend auf dem Stuhl neben ihm saß. "Ist schon gut", sagte er und bemühte sich um einen freundlich klingenden Tonfall. "Du brauchst nicht zu weinen. Doflamingo meinte bloß, dass man Fragen dieser Art nur dann stellen sollte, wenn man sich ganz sicher ist, dass sie niemanden verletzen. Deine Frage hat mich aber zum Glück nicht verletzt. Also hör bitte auf zu weinen, ja?" Das kleine Mädchen nickte schluchzend und wischte sich schließlich die Tränen vom Gesicht. Crocodile atmete erleichtert auf. Er war sehr froh darüber, dass sich Sugar allmählich wieder beruhigte. Er wollte bloß dieses Abendessen in Frieden hinter sich bringen und hatte keine Lust auf Ärger. "Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt zum Hauptgang übergehen?", meinte Law wahrscheinlich einfach nur, um das Thema zu wechseln. Ihm und Monet schien diese Situation mindestens ebenso unangenehm wie Crocodile zu sein. Vermutlich, dachte er sich, hatten die beiden genauso wenig wie er damit gerechnet, dass Doflamingo so furchtbar wütend auf Sugars Frage reagieren würde. "Gute Idee", stimmte Crocodile ihm zu. Er hatte zwar das geröstete Brot, das er sich als Vorspeise bestellt hatte, kaum angerührt, doch ihm war jeder Vorwand recht, um die angespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern. Leider blieb die Stimmung während des gesamten Abendessens schlecht. Crocodile, Law und Monet bemühten sich zwar immer wieder darum, eine nette Konversation zu starten, doch Doflamingo brachte sich überhaupt nicht ein. Anstatt wie üblich gute Laune auszustrahlen und ständig für Lacher zu sorgen, stocherte er bloß die ganze Zeit über lustlos in seinem Essen herum. Bald begann Crocodile sich ernsthaft zu fragen, was mit seinem Verlobten bloß los sein könnte. Die Angelegenheit mit Sugars grenzwertiger Frage hatten sie doch schließlich längst geklärt gehabt. Law und Monet verabschiedeten sich bereits gegen einundzwanzig Uhr von ihnen; Crocodile konnte es ihnen nicht einmal verübeln. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er ebenfalls versucht, den Abend so schnell wie möglich zu beenden. Er bemühte sich darum sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen und verabschiedete vor allem die kleine Sugar besonders herzlich. Als ihre Gäste endlich verschwunden waren, wandte Crocodile sich mit finsterer Miene an seinen Partner. "Was ist denn bloß los mit dir gewesen?", fragte er ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du hast dich Law und Monet gegenüber absolut unhöflich verhalten! So kenne ich dich gar nicht." Anstatt auf seine Frage zu antworteten, erwiderte Doflamingo ganz unvermittelt: "Hat es dich wirklich nicht gestört, dass Sugar dich nach deiner linken Hand gefragt hat? Oder hast du bloß so getan, damit sie sich nicht schlecht fühlt?" Verdutzt zog Crocodile eine Augenbraue hoch. "Es hat mich wirklich nicht gestört", sagte er schließlich. "Aber worauf willst du eigentlich hinaus?" Doflamingo zögerte einen Moment lang. Crocodile konnte genau sehen, wie sein Verlobter mit sich selbst rang, ehe die Worte geradezu aus ihm herausplatzten: "Würde es dich stören, wenn ich dich danach fragen würde, wie du deine Hand verloren hast?" "Nein", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Dann fügte er hinzu: "Aber ich verstehe immer noch nicht, was dein Problem ist. Würdest du mir bitte endlich erklären, wieso du dich so komisch aufführst?" Noch immer gab ihm das Verhalten seines Partners Rätsel auf. "Naja", meinte Doflamingo und scharrte mit den Füßen. Plötzlich erweckte er einen stark verunsicherten Eindruck. Crocodile, der inzwischen überhaupt nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand, musste etwa eine Minute lang warten, bevor er eine Antwort bekam: "Es ist so, dass... dass ich mich ziemlich oft frage, wie du wohl deine Hand verloren hast. Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe, ist mir diese Frage in den Sinn gekommen. Aber ich habe mich nie getraut dich darauf anzusprechen, weil ich befürchtet habe, dass ich dich verletzen könnte. Sicherlich handelt es sich bei dem Verlust deiner Hand um ein sehr traumatisches Ereignis. Ich wollte dich nicht daran zurückerinnern. Und, nun ja, aus diesem Grund habe ich meine Neugierde immer wieder hinuntergeschluckt. Nur um heute zu erfahren, dass es dir überhaupt nichts ausmacht, wenn man dich nach deiner linken Hand fragt." Crocodile konnte gar nicht anders als zu lächeln. Er schüttelte ungläubig den Kopf und flüsterte leise: "Oh Mann, Doffy." Damit, dass sein häufig doch recht egoistischer Verlobter so fürsorglich und rücksichtsvoll sein konnte, hatte er gar nicht gerechnet gehabt. Normalerweise war Doflamingo eine sehr direkte Person. Da er sich für den Verlust seiner linken Hand nicht zu interessieren schien, war Crocodile auch nie auf den Gedanken gekommen, ihm davon zu erzählen. "Ich habe immer darauf gewartet, dass du von selbst auf mich zukommst", fuhr Doflamingo fort. "Ich weiß, dass es dir schwerfällt, Vertrauen aufzubauen. Und dass es sich bei deiner linken Hand bestimmt um ein sehr sensibles Thema handelt. Darum dachte ich mir, dass es besser wäre, dich nicht zu drängen. Dir stattdessen so viel Zeit zu lassen, wie du brauchst. Jetzt allerdings stelle ich fest, dass meine Geduld völlig umsonst gewesen ist!" "Wenigstens hat das Warten nun ein Ende", meinte Crocodile und bemühte sich um einen aufmunternd klingenden Tonfall. "Ich habe kein Problem damit, dir zu erzählen, was passiert ist. Warum machen wir es uns nicht einfach im Wohnzimmer auf der Couch gemütlich? Wir könnten ein bisschen Wein trinken." Doflamingo nickte. Er wirkte sehr aufgeregt. Es rührte Crocodile, dass seinem Verlobten diese Angelegenheit so wichtig zu sein schien. Er hätte nie damit gerechnet, dass dieser sich so sehr für den Verlust seiner linken Hand interessierte. Ihm selbst machte dieser Umstand inzwischen nichts mehr aus; er hatte sich daran gewöhnt, dass er seinen Alltag mit bloß einer einzigen Hand meistern musste. Crocodile nippte an seinem Wein und überlegte sich, wo er anfangen sollte. Doflamingo saß neben ihm auf der Couch und hatte den Arm um seine Hüfte gelegt. Er spürte sehr deutlich, dass sein Partner neugierig und aufgeregt war, doch trotzdem wagte dieser es nicht, ihn zu drängen. Auch wenn Crocodile ihm das Gegenteil versichert hatte, schien er noch immer davon auszugehen, dass es sich beim Verlust seiner linken Hand um ein sehr sensibles Thema handelte und er sich ihm nicht aufzwingen dürfte. Crocodile stellte sein Weinglas zur Seite, ehe er meinte: "Nun ja, du weißt ja schon, dass, ähm, die ganze Sache vor etwa zehn Jahren passiert ist. Damals war ich mit meinem Studium beinahe schon fertig; ich stand kurz vor den Abschlussprüfungen. Nebenbei arbeitete ich als Assistent eines Event-Managers. Ich verdiente gut genug, um mir ein gebrauchtes Motorrad leisten zu können. (Den entsprechenden Führerschein hatte Mihawk mir zum Geburtstag geschenkt.) Zum Üben kaufte ich zuerst eine Honda CBR 125 R. Dieses Modell ist ziemlich günstig und für Einsteiger gut geeignet. Als ich mich ein bisschen sicherer fühlte, bin ich auf die teurere und schnellere CBR 650 F umgestiegen. Ich musste ein halbes Jahr lang sparen und habe jeden Berry, den ich zwischen die Finger bekam, zur Seite gelegt, um sie mir leisten zu können." Crocodile strich unwirsch eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. Er spürte, dass Doflamingos Griff um seine Hüfte fester wurde. Wahrscheinlich konnte sein Verlobter sich inzwischen ausmalen, was geschehen war. Trotzdem gab er keinen Ton von sich; er überließ ihm allein das Wort und unterbrach ihn auch nicht, als er fortfuhr. "Ich bin gerne im Gebirge gefahren; mich reizten die Steigungen und die schlängelnd verlaufenen Fahrbahnen. Manchmal verbrachte ich sogar meine Wochenenden dort oben. Dann fuhr ich den ganzen Tag lang ohne Unterlass und nahm mir abends ein Hotelzimmer. Ein solcher Ausflug war für mich wie ein entspannender Kurzurlaub. Wegen des Studiums und des Nebenjobs gestaltete sich mein Alltag häufig ziemlich stressig; ich hetzte von einem Termin zum nächsten. Sobald ich allerdings auf mein Motorrad stieg, war es, als hätte man mir eine schwere Last von den Schultern genommen. In meinem Kopf war kein Platz mehr für Gedanken an meine nächste Prüfung, irgendwelche wichtigen Telefonanrufe oder was auch immer. Daz sagte mal zu mir, dass ich wie ausgewechselt wirken würde, wenn ich von einem solchen Wochenende wiederkam." Crocodile senkte den Blick und griff nach seinem Glas, um einen großen Schluck Wein zu nehmen. Er räusperte sich kurz und meinte dann: "Tja, leider wurde mir mein Hobby zum Verhängnis. Es war das Wochenende vor meiner ersten wichtigen Prüfung. Ich hatte wochenlang gelernt und wollte die letzten Tage vor der Klausur nutzen, um mich ein wenig zu entspannen und den Kopf frei zu kriegen. In den ersten Stunden gab es auch überhaupt keine Probleme: Das Wetter war gut und nur sehr wenige Fahrzeuge waren auf den Straßen unterwegs. Mein Fehler war jedoch, dass ich einen Gebirgspass entlangfuhr, der auf beiden Seiten von hohen Felswänden eingerahmt wurde. Außerdem war die Fahrbahn alles andere als gerade und übersichtlich: Es folgte praktisch eine Kurve der nächsten. Daher war die Sicht sehr schlecht. Ich bemühte mich darum vorsichtig zu fahren und aufmerksam zu bleiben, doch am Ende nützte mir meine Sorgsamkeit rein gar nichts. Von hinten kam ein Auto, irgendein Volvo, herangerast. Der Fahrer war viel zu schnell unterwegs. (Später fand man auch heraus, dass er Alkohol im Blut hatte; 1, 2 Promille, glaube ich.) Er sah mich nicht rechtzeitig. Ich versuchte dem Wagen auszuweichen, doch die Fahrbahn war an dieser Stelle schrecklich eng. Hätte der Fahrer des Volvos nicht so viel getrunken gehabt, dann wäre es ihm vielleicht gelungen, an mir vorbeizukommen, doch er fuhr praktisch Schlangenlinien. Ich wurde mit meinem Motorrad zwischen der hinteren Autotüre und der steilen Felswand eingequetscht. Der Volvo schleifte mich noch etwa zwanzig Meter mit sich, ehe er zum stehen kam." Aus dem Augenwinkel heraus sah Crocodile, dass sein Verlobter sich die Innenseite der rechten Hand auf den Mund gepresst hatte. Er war kreidebleich im Gesicht und erweckte den Eindruck, dass er sich jeden Moment übergeben müsste. "Vielleicht sollten wir das Gespräch an dieser Stelle lieber abbrechen", sagte Crocodile mit sorgenvoller Stimme. "Du siehst total fertig aus." Er wollte gerade von der Couch aufstehen, als Doflamingo ihn zurückhielt. "Nein!", meinte er in einem überraschend energisch klingenden Tonfall. Als ihm selbst klar wurde, wie laut er geworden war, fügte er mit leiser und sanfter Stimme hinzu: "Bitte, Crocodile. Solange es dir nichts ausmacht, möchte ich, dass du fortfährst. Ich... ich muss einfach wissen, was damals passiert ist. Alles." Crocodile nickte. "Okay, gut", gab er zurück und versuchte den roten Faden wiederzufinden. "Ich, ähm, ich wurde also zwischen der Felswand und dem Volvo eingequetscht. Und, ob du es glaubst oder nicht, im ersten Moment spürte ich keinen Schmerz. Ich spürte überhaupt nichts. Ich hatte auch keine Angst. Es war, als wäre jegliches Gefühl einfach ausgelöscht worden. Später erklärten die Ärzte mir, dass ich einen schlimmen Schock gehabt hätte. Keine ungewöhnliche Reaktion in solch einer Situation. Irgendwann fand ich dann wieder zu mir. Und auch der Schmerz setzte ein. Eine Weile lang tat ich gar nichts außer zu schreien wie am Spieß. Erst als mir die Puste ausging, konnte ich wieder einigermaßen klar denken. Es war sozusagen mein Glück gewesen, dass mich nur die Hintertüre des Volvos erwischt hatte. Wäre mein Körper von der gesamten Wagenlänge eingequetscht worden, hätte ich diesen Unfall wohl nicht überlebt. Es gelang mir nicht, mich aus den vielen Trümmerteilen zu befreien. Mein linkes Bein machte auf den ersten Blick zwar einen einigermaßen unversehrten Eindruck (ich konnte es sogar bewegen), doch mein rechtes Bein war definitiv gebrochen. Es lag ganz verdreht dar, als würden sich überhaupt keine Knochen darin befinden." Crocodile hielt einen kurzen Moment lang inne und schluckte schwer, ehe er fortfuhr: "Meine linke Hand war, nun ja, sie war... ich konnte es nicht direkt sehen... aber ich wusste, dass sie eingeklemmt war. Zerquetscht. Es war mir absolut unmöglich mich zu befreien, ohne..." Crocodile schloss seine Augen und atmete schwer. Doflamingo verstärkte den Griff um seine Hüfte. "Meine rechte Hand war zum Glück jedoch relativ unverletzt und lag frei. Mir kam der Gedanke, dass ich einen Notarzt rufen musste, wenn ich überleben wollte. Schließlich war ich ja hoch oben im Gebirge. Und wie gesagt, an diesem Tag waren nur wenige Autos auf den Straßen unterwegs. Ich schaffte es, mit der rechten Hand mein Handy hervorzukramen, doch leider hatte es den Unfall nicht heil überstanden Ich versuchte trotzdem, es einzuschalten und einen Notarzt zu kontaktieren. Dieses Handy stellte ja sozusagen meine einzige Hoffnung auf Rettung dar. Als ich mir schließlich eingestehen musste, dass es kaputt gegangen war, schmiss ich es wütend auf die Straße. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten. Ich lag einfach bloß da. Zwischen all den Trümmerteilen. Mit gebrochenem Bein und eingeklemmter Hand. Ich weiß gar nicht mehr, worauf ich wartete. Meine Hoffnung auf Rettung erschien mir mit jeder Minute, die verging, immer abwegiger. Ich war völlig verzweifelt. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht so schlimm wäre zu sterben. Und gerade als ich aufgeben wollte... tja.... in genau diesem Moment geschah ein unfassbares Wunder: Ein schwarzer VW Passat B6 fuhr an der Unfallstelle vorbei. Der Fahrer hielt an, stieg aus seinem Wagen, kotzte sich auf die Füße und kramte dann schnell sein Handy aus dem Handschuhfach hervor, um den Notarzt zu alarmieren. Anschließend kam er mit einem Erste-Hilfe-Kasten und einer halb vollen Flasche Mineralwasser auf mich zu. Es gab nicht viel, was er tun konnte, doch er blieb bei mir, bis der Zivilschutz-Hubschrauber auftauchte und der Notarzt sich um mich kümmerte. Es dauerte etwa eine Stunde lang, mich aus den Trümmern zu befreien und für den Abtransport fertig zu machen. Was danach passiert ist, weiß ich nur aus den Erzählungen der Ärzte. Man stellte mich nämlich unter Narkose, sodass ich von meinem Flug ins nächstliegende Krankenhaus und meiner Not-Operation überhaupt nichts mitbekam. Meine linke Hand ist nicht zu retten gewesen; den Ärzten blieb nichts anderes übrig, als sie abzunehmen. Wegen der Amputation und der vielen anderen Verletzungen, die ich davon getragen hatte, musste ich insgesamt zwei Monate lang im Krankenhaus bleiben. Meine Abschlussprüfungen konnte ich in diesem Semester nicht schreiben. Ich unterbrach mein Studium und zog für etwa ein halbes Jahr zu Mihawk. Aber das weißt du ja schon." "Was ist aus dem Fahrer des Volvos geworden?", fragte Doflamino mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Es klingt ja beinahe so, als hätte er sich, nachdem der Unfall passiert ist, einfach in Luft aufgelöst. Ist er gestorben?" Crocodile schüttelte den Kopf. "Fahrerflucht", erklärte er. "Als der Mann sah, was er angerichtet hatte, ist er aus seinem Volvo ausgestiegen und davongelaufen. Die Polizei fand ihn fünf Kilometer weiter südlich und nahm ihn fest. Er wurde auch vor Gericht gestellt, doch das Urteil kenne ich nicht. Es hat mich nicht interessiert." "Es hat dich nicht interessiert?", wiederholte Doflamingo mit ungläubiger Stimme. Doch Crocodile zuckte bloß mit den Schultern. "Was würde es mir nützen, zu wissen, wie lange er im Gefängnis saß? Oder was er zu seiner Rechtfertigung zu sagen hatte? Meine Hand würde ich ja doch nicht zurückbekommen. Also habe ich die Sache auf sich beruhen lassen. Ich hatte sowieso mit mehr als genug anderen Problemen zu tun: Ich habe dir ja schon einmal erzählt gehabt, dass es mir sehr schwerfiel, mit bloß einer Hand zurechtzukommen. Die einfachsten und älltäglichsten Aufgaben verwandelten sich plötzlich in kaum überwindbare Hürden. Seitdem kann ich es auch überhaupt nicht mehr leiden, Hilfe anzunehmen. Dann werde ich nämlich sofort wieder an die furchtbare Zeit nach dem Unfall zurückerinnert." "In dieser Hinsicht bist du wirklich ein schrecklicher Sturkopf", sagte Doflamingo halb tadelnd, halb seufzend. "Aber du darfst nicht vergessen, dass Hilfe prinzipiell nichts Schlimmes oder Schlechtes ist. Denk doch nur einmal an den Mann, der angehalten hat, um sich um dich zu kümmern und den Notarzt zu rufen! Wäre er nicht gewesen..." "Ich weiß", meinte Crocodile. "Er ist zwar kein Hirnchirug so wie Law, doch ich verdanke ihm trotzdem mein Leben. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich mir seine Adresse geben lassen und bin zu ihm hingefahren, um mich persönlich zu bedanken. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie er aussah. Ein ziemlich komischer Kerl: Er hatte knallrotes Haar, das in alle Richtungen abstand, und trug dunklen Lippenstift. Eigentlich machte er keinen sonderlich sympathischen Eindruck. Aber er hat mein Leben gerettet und das bedeutet, dass er kein schlechter Mensch sein kann. Es gibt genug Leute, die einfach weitergefahren wären; da bin ich mir sicher." "Weißt du auch noch, wie er hieß?", fragte Doflamingo ihn neugierig. Crocodile schwieg für einen Moment, ehe er antwortete: "Eustass Kid. Richtig, das ist sein Name gewesen. Er wohnte damals in der Nähe der Gold-Roger-Brücke. Aber ich habe keine Ahnung, was er derzeit macht. Ich habe mich bei ihm für seine Hilfe bedankt und ihn seitdem nicht mehr wiedergesehen." Doflamingo nickte und schwieg für eine Weile. Crocodile fragte sich, was seinem Verlobten wohl gerade durch den Kopf ging. Anscheinend hatte er ihn mit seiner Beschreibung des Unfallhergangs heftig geschockt. Plötzlich bereute Crocodile seine Offenheit ein klein wenig. Vielleicht hätte er Doflamingo gegenüber doch lieber das eine oder andere Detail aussparen sollen. "Warum gehen wir beide nicht zusammen duschen und legen uns dann ins Bett?", schlug Crocodile vor. Eigentlich war er noch nicht sonderlich müde, doch ihm war jede Vorwand recht, um die unangenehme Stille zu unterbrechen. Doflamingo nickte und erhob sich von der Couch. "Klar", meinte er und Crocodile kam nicht umhin zu bemerken, dass sein Partner noch immer einen sehr geistesabwesenden Eindruck erweckte. Crocodile schlief sehr schlecht. Er wachte immer wieder scheinbar grundlos auf und obwohl Doflamingo (der sich im Bett praktisch in eine übergroße Wärmflasche verwandelte) direkt neben ihm lag, fror er fürchterlich. Bald war sein gesamter Körper von Gänsehaut überzogen. In den kurzen Phasen der Nacht, in denen er ein wenig Schlaf fand, plagte ihn ein Alptraum nach dem nächsten. Zuerst träumte er, dass Doflamingo von seinen hohen Schulden erfuhr und sich ohne zu zögern von ihm trennte. Dann rief ihn Hancock an, um ihm mitzuteilen, ihr Freund hätte sie und das ungeborene Kind für eine Jüngere verlassen. Und gleich danach sagte Franky zu ihm, dass die Arbeit, die er leistete, furchtbar schlecht wäre und er ihm mit sofortiger Wirkung kündigen würde. Crocodile war sich nicht dessen bewusst, dass er träumte. Er wälzte sich im Bett unruhig von der einen Seite zur anderen, murmelte unzusammenhängende Sätze vor sich her und bemühte sich verzweifelt darum, sein ruiniertes Leben irgendwie noch zu retten. Doflamingo, Hancock und Franky verblassten vor seinem inneren Auge. Stattdessen sah Crocodile nun einen engen und kurvenreichen Gebirgspass vor sich, der auf beiden Seiten von hohen Felswänden eingerahmt wurde. Er blickte in den linken Seitenspiegel seiner Honda CBR 650 F und machte einen hellgrauen Volvo aus, der von hinten auf ihn zugerast kam. Der Fahrer fuhr viel zu schnell und in Schlangenlinien. Crocodile versuchte auszuweichen. Er fuhr dicht an der rechten Felswand entlang, um den Volvo die Möglichkeit zu geben, ihn zu überholen. Doch die Straße war zu eng und der Autofahrer war so betrunken, dass er ihn überhaupt nicht bemerkte. Der Volvo kam immer näher. Er drängte ihn immer dichter an den Fahrbahnrand. Zwischen der Hintertüre des Volvos auf der einen und der Felswand auf der anderen Seite befand sich kaum mehr ein Abstand von einem Meter. Und er mit seinem Motorrad genau dazwischen. Der Abstand wurde immer kleiner. Und dann... und dann... Schweißgebadet und laut schreiend fuhr Crocodile im Bett hoch. Er zitterte wie Espenlaub und seine Augen waren vor Schreck geweitet. Im ersten Moment verstand er gar nicht, wo er sich befand oder wie er hierher gekommen war. Als er begriff, dass alles bloß ein schlimmer Traum gewesen war, presste er die Innenfläche der rechten Hand auf seinen Mund und versuchte, seinen Atem wieder zu normalisieren. Es gelang ihm nur mit sehr viel Mühe. Sein panischer Schrei hatte auch seinen Partner aufgeweckt. Doflamingo richtete sich schlaftrunken im Bett auf und sah sich nach ihm um. "Crocodile?", fragte er mit müder Stimme. "Ist schon gut", gab ebenjener zurück und bemühte sich darum, möglichst gefasst zu klingen. Leider scheiterte er kläglich. "Du kannst dich ruhig wieder schlafen legen." Doch Doflamingo wäre natürlich nicht Doflamingo gewesen, wenn er sich an die Anweisung seines Verlobten gehalten hätte. Stattdessen tat er das Gegenteil: Genau in dem Augenblick, in dem er verstand, was geschehen war, verschwand jegliche Müdigkeit aus seinem Blick. Er legte seine Arme um Crocodiles Oberkörper und streichelte ihm zärtlich über den Rücken, während er ein paar beruhigende Worte flüsterte. Obwohl Crocodile eigentlich schon viel zu alt war, um wegen eines schlechten Traums getröstet zu werden, setzte er sich nicht zu wehr. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Er genoss die Aufmerksamkeit, die sein Partner ihm schenkte. Die Worte, die in einem sehr sanften Tonfall gesprochen wurden, und die warmen Finger, die seinen Rücken berührten, beruhigten ihn über alle Maßen. Schon zwei Minuten später hatte Crocodile wieder einigermaßen zu sich gefunden. "Danke", sagte er mit leiser Stimme und vermied es, Doflamingo in die Augen zu sehen. Nun, da es ihm wieder besser ging, schämte er sich dafür, dass er seinen Verlobten um dessen Schlaf gebracht hatte. Und dass dieser ihn hatte trösten müssen wie ein ängstliches Kind. "Du musst dich nicht bedanken", sagte Doflamingo, ohne ihn loszulassen. "Und nein, du musst dich auch nicht bei mir entschuldigen." "Ich habe dich aufgeweckt", gab Crocodile zurück. "Du bist mein Verlobter", sagte Doflamingo und es klang beinahe so, als würde diese Aussage allein als Erklärung vollkommen ausreichen. Crocodile lächelte zaghaft. "Was hast du denn geträumt?", fragte Doflamingo, nachdem sie beide sich wieder hingelegt hatten. Er hielt ihn noch immer fest im Arm; Crocodile schloss seine Augen und genoss den überaus angenehmen Geruch seines Partners. "So einiges", antwortete er und fuhr mit dem Daumen über Doflamingos weiche Haut. "Und was genau?" Crocodile seufzte auf. Er wusste ganz genau, dass sein Verlobter erst dann Ruhe geben würde, wenn er eine zufriedenstellende Antwort erhalten hatte. Darum erbarmte er sich und erklärte schließlich: "Ich habe von meinem Motorrad-Unfall geträumt." Sofort verstärkte sich Doflamingos Griff um seinen Körper. Er schwieg so lang, dass Crocodile gar nicht mehr mit einer Erwiderung jedweder Art rechnete, als sein Partner plötzlich ganz unvermittelt sagte: "Es tut mir leid." Crocodile, der beinahe schon wieder eingeschlafen war, zog verwunderte eine Augenbraue hoch. "Was redest du denn da?", fragte er. "Dir muss nichts leid tun. Du hast doch überhaupt gar nichts getan." "Ich habe dich dazu gedrängt, mir von deinen Unfall zu erzählen", erwiderte Doflamingo in einem überraschend bestimmt klingenden Tonfall. "Ich wollte jedes kleine Detail wissen. Und nur darum hast du diesen furchtbaren Alptraum gehabt. Es tut mir leid, Wani. Das ist nicht meine Absicht gewesen." "Ist schon gut", sagte Crocodile und er meinte seine Worte tatsächlich ernst. "Es ist nicht deine Schuld. Manchmal holt mich meine Vergangenheit einfach ein. Da kann niemand etwas für. Also mach dir bitte keine Vorwürfe, ja?" Sein Verlobter wirkte noch immer nicht ganz überzeugt. Crocodile seufzte leise und fragte sich, wie er diese Sache bloß wieder in Ordnung bringen könnte. Inzwischen bereute er es, Doflamingo von den Ereignissen vor zehn Jahren erzählt zu haben. Vielleicht hätte er aus dem Verlust seiner linken Hand doch lieber ein Geheimnis machen sollen; zumindest um seinetwillen. Seinen Partner schien die Geschichte wirklich sehr stark mitgenommen zu haben. Damit hatte Crocodile überhaupt nicht gerechnet gehabt. "Dich trifft keine Schuld", wiederholte er darum mit fester Stimme. "Und das sage ich nicht einfach nur so, Doffy. Versprochen." "Ich fühle mich aber schuldig", erwiderte Doflamingo und verzog das Gesicht. "Kann ich irgendetwas tun, um Wiedergutmachung zu leisten?" "Du könntest mir morgen früh mein Frühstück ans Bett bringen", gab er teils ernst, teils neckisch zurück. Doflamingo lachte leise. Es war ein unfassbar schönes Geräusch, fand Crocodile. bye sb Kapitel 17: Kapitel 9 --------------------- Crocodile hielt sich gerade in seinem Lesezimmer auf und verfasste eine Antwort auf die Email, die sein Chef Franky ihm gesendet hatte, als es an der Tür klopfte. Rasch schloss er alle verdächtigen Fenster, ehe er mit möglichst unbefangen klingender Stimme "Herein!" rief. "Hey, Wani", meinte sein Verlobter, der breit grinste und in seinem typisch o-beinigen Gang auf ihn zukam. "Hast du ein bisschen Zeit?" "Klar", gab Crocodile zurück. "Worum geht es denn?" "Nun ja, da wir letztes Wochenende nicht dazu gekommen sind", sagte Doflamingo, "dachte ich mir, dass wir heute endlich mit den Hochzeitsvorbereitungen beginnen könnten." "Ähm", erwiderte Crocodile recht unbeholfen. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust, mit seinem Verlobten nach einem passenden Ort für ihre Hochzeit zu suchen und die Frage zu diskutieren, ob sie lieber eine Band oder einen DJ engagieren sollten. Trotzdem fing er sich recht schnell wieder und fügte hinzu: "Okay, sehr gerne. Gibst du mir fünf Minuten? Ich muss eben noch ein, zwei Mails schreiben, dann bin ich sofort bei dir." "In Ordnung", meinte Doflamingo mit unbekümmerter Stimme. Er beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn zärtlich auf den Mund. Crocodile erwiderte den Kuss. "Ich warte im Wohnzimmer auf dich." Crocodile nickte. Als sein Verlobter den Raum verlassen hatte, seufzte er leise und fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. Auch wenn er die Hochzeit am liebsten um ein oder zwei Jahre nach hinten verschieben würde, war er sich doch dessen bewusst, dass er sich nicht ewig vor den Vorbereitungen drücken konnte. Doflamingo freute sich schon sehr auf den großen Tag und drängte ihn immer weiter in die Ecke. Hastig antwortete er Frankys auf die Email. Anschließend fuhr er seinen Laptop herunter und erhob sich von dem gemütlichen Lesesessel, auf dem er gesessen hatte. Obwohl sein Verlobter ihm dieses Zimmer geschenkt hatte, um hier Ruhe und Entspannung zu finden, nutzte er es meistens, um heimlich Dinge zu erledigen, die mit seiner Arbeit zu tun hatten und von denen Doflamingo nichts erfahren sollte. Glücklicherweise hatte sein Partner es sich wenigstens endlich angewöhnt zu klopfen, ehe er eintrat. Crocodile atmetete dreimal tief ein uns aus, ehe er das Lesezimmer verließ und sich auf den Weg hinunter ins Wohnzimmer machte. Hoffentlich würde es ihm gelingen, seinem Verlobten klar zu machen, dass sie beide nicht in naher Zukunft heiraten könnten. Er verfügte nicht über genug Geld, um eine Hochzeit zu bezahlen. Zumindest keine Hochzeit, die für einen Multimillionär wie Donquixote Doflamingo infrage kam. Sein Verlobter saß im Wohnzimmer auf der Couch und spielte mit dem Kugelschreiber, den er in der Hand hielt. In seinem Schoß lag ein dicker Schreibblock. Er lächelte breit, als Crocodile sich neben ihn setzte. Dieser erwiderte das Lächeln schwach. "Ich denke, dass wir als allererstes mit der Ausarbeitung der Gästeliste beginnen sollten", sagte Doflamingo. Er schlug den Block auf, schrieb oben auf die Seite Gäste und unterstrich das Wort doppelt. "Denn erst wenn wir wissen, mit wie vielen Gästen zu rechnen ist, macht es Sinn nach einer passenden Location Ausschau zu halten." "Klingt logisch", gab Crocodile zu. Dann fügte er rasch an: "Wir hatten uns schon darauf geeinigt, dass wir lieber im kleinen Kreis heiraten wollen, nicht wahr? Nur Familie und enge Freunde. Ich möchte keine Paparazzi oder irgendwelche Leute, die ich nicht leiden kann oder kaum kenne, dabei haben." Doflamingo nickte. "Sehe ich genauso", meinte er. "Ich möchte diesen Anlass nicht ausnutzen, um mit meinem Geld zu protzen. Wir genießen einfach gemeinsam mit unseren Freunden und unserer Familie eine schöne Feier." Das klang gut, dachte Crocodile erleichtert. "Auf jeden Fall sollen meine Geschwister kommen", sagte er sogleich. "Und Daz natürlich auch. Das sind die allerwichtigsten Leute von meiner Seite." Doflamingo nickte und notierte die entsprechenden Namen. "Haben Mihawk und Hancock eigentlich denselben Familiennamen wie du?", fragte er nach. "Klar", antwortete Crocodile. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. "Wie kommst du denn darauf?" "Es hätte ja sein können, dass einer von ihnen schon einmal verheiratet gewesen ist und daher einen anderen Namen hat", gab Doflamingo zurück. "Und natürlich möchte ich mich nicht blamieren, indem ich meinem Schwager oder meiner Schwägerin falsch adressierte Einladungskarten zuschicke." "Nein, keine Sorge", erwiderte Crocodile. "Keiner von ihnen war jemals verheiratet. Alle beiden tragen denselben Namen wie ich." Anbetracht der Tatsache, dass sein Bruder letztens schon seinen vierzigsten Geburtstag gefeiert hatte und es sich bei seiner Schwester Hancock um eine absolute Schönheit handelte, war die Frage wohl nicht ganz unberechtigt, musste Crocodile zugeben. "Das ist gut", ließ Doflamingo verlauten. "Dann gibt es auch keinen allzu schlimmen Konkurrenzdruck." "Konkurrenzdruck? Was meinst du denn damit?", hakte er verwundert nach. "Nun ja..." Doflamingo druckste einen Moment lang herum, ehe er erklärte: "Jedes Paar möchte eine absolut perfekte Hochzeit feiern und neigt schnell dazu, einen gewissen Ehrgeiz zu entwickeln. Man fängt an, die eigenen Wünsche umzugestalten, bloß weil man die Hochzeiten der Anderen um jeden Preis übertrumpfen möchte. Aber da du der Erste in deinem Familienkreis bist, der heiratet, haben wir dieses Problem zum Glück nicht. Worüber ich übrigens sehr, sehr froh bin. Ich möchte nämlich den schönsten Tag in meinem Leben verbringen und nicht an einem Wettbewerb teilnehmen." "Ach, darum musst du dir keine Sorgen machen", meinte Crocodile und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich bin niemand, der sich mit anderen Leuten vergleicht. Zumindest nicht in dieser Hinsicht. Das habe ich überhaupt nicht nötig. Man muss wohl ein sehr oberflächlicher Mensch sein, wenn man den Tag seiner Hochzeit nutzen möchte, um zu prahlen und die Feste der Anderen niederzumachen." "Das stimmt", sagte Doflamingo mit relativ leiser Stimme. "Allerdings würdest du dich wundern, bei wie vielen Menschen ich dieses Verhalten schon beobachtet habe." "Tatsächlich?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Auf wie vielen Hochzeitsfeiern bist du denn schon gewesen? Ist denn überhaupt schon jemand aus deinem engeren Bekanntenkreis verheiratet? Du hast doch viele Freunde, die noch ziemlich jung sind, oder nicht?" Doflamingo nickte. "Meine Freunde meine ich nicht", sagte er. "Aber ich habe bereits viele Hochzeitsfeiern von Bekannten meiner Eltern besucht. Wenn man so reich ist wie meine Familie, wird man ständig zu irgendwelchen Feierlichkeiten eingeladen. Hochzeiten, runde Geburtstage, Taufen und so weiter. Meistens geht es allerdings bloß darum, mit seinem Geld zu prahlen. Die Leute versuchen die Anderen zu übertrumpfen, indem sie mehr Gäste einladen, eine größere Location mieten oder exoterisches Essen auftischen. Der ursprüngliche Sinn dieser Feste geht dabei meistens völlig verloren." "Das klingt ja absolut grauenhaft", meinte Crocodile kopfschüttelnd. "Genau so sehe ich das auch", stimmte Doflamingo ihm zu. "Und aus diesem Grund möchte ich mich von diesen Leuten absetzen. Unsere Feier soll absolut perfekt werden; aber eben perfekt für uns. Verstehst du, wie ich das meine?" "Klar", antwortete Crocodile. Um ehrlich zu sein, erleichterte ihn die Sichtweise seines Verlobten ungemein. Je geringer ihre Ansprüche waren, desto kostengünstiger würde die Hochzeit werden. Und Crocodile konnte es sich derzeit wirklich nicht leisten, mehr Geld als unbedingt notwendig auszugeben. Am besten bemühte er sich darum, ihre Feier so klein und und wenig extravagant wie möglich zu gestalten. Es galt: Je schlichter, desto besser. "Wen möchtest du denn unbedingt einladen?", fragte Crocodile. "Doch bestimmt Law, Monet, Bellamy, Dellinger und Kuma, nicht wahr?" "Klar", gab Doflamingo zurück. "Law, Monet, Bellamy, Cirkies, Dellinger, Kuma, Vergo, Gladius, Diamante, Violet und Pica." Hastig notierte er sich alle Namen. "Das sind die allerwichtigsten Leute. Dazu kommen dann noch ein paar Andere." "Noch ein paar Andere?", hakte Crocodile skeptisch nach. "Wen hattest du denn noch im Sinn?" "Ich habe noch einige Verwandte, die ich gerne einladen möchte", erklärte Doflamingo ihm. "Dazu zählen zum Beispiel die Eltern von Bellamy und Dellinger. Aber auch andere Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins." "Bis auf Bellamy und Dellinger kenne ich aber gar keinen von ihnen", wandte er ein. "Ich bin mir nicht sicher, ob mir der Gedanke gefällt, Menschen zu meiner Hochzeit einzuladen, die ich noch nie zuvor gesehen habe." Und was noch viel wichtiger war: Crocodile wusste überhaupt nicht, wie groß die Verwandtschaft seines Verlobten war. Er hatte keine Lust, womöglich zu Dutzenden für irgendwelchen Verwandten aufzukommen, die er nicht einmal kannte. Dafür war sein Budget definitiv zu knapp. "Sie gehören zu meiner Familie!", entgegnete Doflamingo mit überraschend energischer Stimme. "Das sind die Schwester und Brüder meines Vaters und meiner Mutter. Natürlich werde ich sie einladen!" "Also feiern wir doch nicht in einem kleinem Kreis?", hielt Crocodile dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Doch, tun wir", meinte Doflamingo. "Es handelt sich um meine Familie. Sie gehören zum kleinen Kreis dazu!" "Für dich vielleicht", meinte Crocodile, "aber nicht für mich. Ich kenne diese Leute gar nicht; ich weiß nicht einmal ihre Namen. Und die soll ich zu meiner Hochzeit einladen?" "Sie sind auch deine Familie", entgegnete Doflamingo. "Ich sehe Mihawk und Hancock längst als meinen Schwager und meine Schwägerin an. Und genauso wie die beiden Teil meiner Familie geworden sind, werden meine Verwandten teil deiner Familie werden." "Das klingt ziemlich idealistisch", meinte Crocodile und rollte mit den Augen. "Meine Geschwister kennst du wenigstens. Ihr habt euch schon mehrmals getroffen. Deine Verwandten hingegen habe ich noch nie zu Gesicht bekommen." Er schwieg einen kurzen Moment lang, ehe er anfügte: "Vielleicht mögen sie mich ja gar nicht. Vielleicht denken sie, dass ich keine gute Partie bin und du dir lieber jemand Anderen suchen sollst. Am besten eine hübsche Frau, die aus ebenso gutem Haus kommt wie du selbst." "Du redest totalen Unsinn!", hielt Doflamingo dagegen. "So denken meine Verwandten nicht; keiner von ihnen ist homophob. Schließlich haben sie vier homo- beziehungsweise bisexuelle Kinder in ihrer Familie." "Aber sie alle sind reiche Geschäftsleute, oder nicht?" Crocodile verzog den Mund. "Und ich stamme bloß aus der Mittelschicht. Bestimmt denken sie, dass ich dich deines Geldes wegen heiraten möchte." "Ich habe ihnen schon sehr häufig von dir erzählt", entgegnete Doflamingo. "Sie haben sich nie negativ zu dir geäußert. Ganz im Gegenteil: Sie bewundern es sehr, dass du es wider aller Umstände geschafft hast, so weit aufzusteigen. Immerhin bist du inzwischen ein sehr erfolgreicher Bankmanager." Crocodile senkte den Blick. Dass Doflamingo so unverblümt von seiner Arbeit sprach, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz. Er diskutierte mit Doflamingo die Details ihrer Hochzeit, doch dabei wusste sein Verlobter nicht einmal, dass er längst schon kein Bankmanager mehr war. Vermutlich dachten Doflamingos Verwandten absolut zu recht schlecht von ihm. Crocodile seufzte und strich eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. "Wie wäre es mit einem Kompromiss?", schlug er schließlich vor. "Wir laden deine Familie zu unserer Hochzeit ein, sobald ich sie kennengelernt habe, in Ordnung?" Dieser Vorschlag würde seinen Partner hoffentlich zufriedenstellen. Außerdem war Crocodile sich sicher, dass er auf diese Weise ein wenig mehr Zeit für sich herausschlagen könnte. Wenn Doflamingos Verwandtschaft tatsächlich größtenteils aus erfolgreichen Geschäftsleuten bestand, würde es mit Sicherheit schwer werden, zeitnah ein gemeinsames Treffen auszumachen. Bestenfalls dauerte es Monate, bis Crocodile alle Tanten und Onkels, Cousinen und Cousins kennengelernt hatte. Doflamingo nickte. "Gut, in Ordnung", sagte er. "Damit kann ich leben. Aber wie sieht es denn mit weiteren Hochzeitsgästen aus? Du möchtest doch sicher mehr als nur drei Leute einladen, nicht wahr?" "Ich habe keinen so großen Freundeskreis wie du", erwiderte Crocodile. "Von meiner Familie ganz zu schweigen. Hm. Du könntest Shanks noch auf die Gästeliste setzen. Mit ihm verstehst du dich auch ganz gut, oder nicht?" "Shanks ist ein klasse Typ", meinte Doflamingo und fügte seinen Namen zur Gästeliste hinzu. "Bei Mihawks Geburtstagsparty habe ich mich viel mit ihm unterhalten." "Mach mich nicht eifersüchtig", warf Crocodile grinsend ein. "Er hat mich sehr stark an dich erinnert", meinte Doflamingo und legte einen Arm um ihn. Crocodile zog die Augenbrauen hoch. "Inwiefern?" Seiner Ansicht nach war Shanks ihm ungefähr so ähnlich wie ein Hund einem Pferd. Sie hatten nicht einmal dieselbe Haar- oder Augenfarbe. Erst als sein Partner ihre Gemeinsamkeiten laut aussprach, wurde Crocodile klar, worauf dieser hinauswollte. "Euch fehlt beiden ein Arm", sagte Doflamingo. "Und ihr habt beide eine Narbe im Gesicht. Das ist ein ziemlich seltsamer Zufall, findest du nicht auch?" "Es ist kein Zufall", erwiderte Crocodile und schloss seine Augen. "Du weißt, dass ich für etwa sechs Monate bei Mihawk gewohnt habe, nachdem ich meine linke Hand verloren hatte. Ich verfiel in eine schlimme Depression und zog mich immer weiter zurück. Wollte niemanden mehr sehen. Selbst meine Freunde und Geschwister gingen mir auf die Nerven. Obwohl mich alle bemitleideten, hatte ich das Gefühl, dass keiner von ihnen meine Situation wirklich nachvollziehen konnte. Niemand hat mich verstanden. Also machte Mihawk sich auf die Suche nach einem Menschen, dem es genauso ergangen war wie mir. Und nach ein paar Wochen fand er dann Shanks. Mihawk hat mich dazu überredet, mich mit ihm zu treffen. Zuerst weigerte ich mich; ich habe nämlich einen Verkupplungsversuch gewittert und hatte überhaupt keine Lust, mich darauf einzulassen. Aber die Gespräche mit Shanks haben mir wirklich weitergeholfen. Er war einer der wenigen Leute, die mich nicht bemitleidet haben. Stattdessen motivierte er mich und zwang mich, immer mal wieder das Haus zu verlassen. Wir sind essen gegangen, ins Kino oder in einen Club. Einmal waren wir sogar Schlittschuhlaufen. Shanks ist schon immer eine sehr lebensfrohe Person gewesen und mit ihm machte mir jeder Ausflug Spaß. Er hat sich nie unterkriegen lassen und bald färbte seine positive Lebenseinstellung auch auf mich ab. Ich verdanke ihm sehr viel." "Wow", meinte Doflamingo und wirkte sehr erstaunt. Mit einem solchen Geständnis schien er nicht gerechnet zu haben. Er fing sich jedoch rasch wieder. "Es ist eine gute Sache, dass ihr beide euch kennengelernt habt", sagte er. "Dir hat Shanks dabei geholfen, wieder auf die Beine zu kommen, und Mihawk hat in ihm einen guten Freund gefunden. Manchmal hält das Leben wohl doch nicht immer nur böse Überraschungen bereit." "Sieht so aus", erwiderte Crocodile. Inzwischen war er müde und hungrig geworden. Gemeinsam mit seinem Verlobten eine Gästeliste für ihre Hochzeit zu erstellen, war deutlich anstrengender, als er angenommen hatte. Am liebsten würde er für heute Schluss machen, eine heiße Tomatensuppe essen und sich eine Stunde früher ins Bett legen. "Aber, ähm..." Doflamingo spielte eine Weile mit dem Kugelschreiber, den er in seiner Hand hielt, eher er mit der Sprache herausrückte: "Aber zwischen euch beiden... also dir uns Shanks... ist nie wirklich etwas gelaufen, oder? Restaurant, Kino, Nachtclub und Eishalle... Das klingt ziemlich stark nach Orten, an denen man sich für ein Date trifft. Warst du, nun ja, mit ihm zusammen oder so etwas in der Art?" Crocodile brach unweigerlich in lautes Gelächter aus. Es war sehr selten, dass er seinen Verlobten verunsichert erlebte. "Nein, keine Sorge", antwortete er prustend und ignorierte den fiesen Blick, den Doflamingo ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch zuwarf. "Zwischen uns beiden lief nie etwas. Unsere Beziehung ist rein freundschaftlich. Shanks ist sowieso hetero." "Meine Frage war nicht unberechtigt", warf Doflamingo ein und verzog den Mund. Er konnte es überhaupt nicht leiden, ausgelacht zu werden. "Immerhin hattest du schon so einige Beziehungen!" Sofort hörte Crocodile zu lachen auf; stattdessen setzte er eine finstere Miene auf. "Was willst du damit sagen?", fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust. "Nichts weiter", gab Doflamingo zurück. Er schien nicht auf Streit aus zu sein, doch erweckte auch keinen sonderlich beschwichtigenden Eindruck. "Nur dass du eben eine nicht gerade geringe Anzahl an Exfreunden hast. Woher soll ich wissen, dass Shanks nicht dazu gehört? Es hätte schließlich durchaus sein können." "Eine nicht gerade geringe Anzahl an Exfreunden?", wiederholte Crocodile ungläubig. "Jetzt tu doch nicht so unschuldig, Doflamingo! Ich bin mir sicher, dass du in deinem Leben deutlich mehr Menschen deinen Freund oder deine Freundin genannt hast, als ich. Von deinen vielen One-Night-Stands ganz zu schweigen!" "Ich bin in keinen von ihnen jemals verliebt gewesen", erwiderte Doflamingo ungerührt. "Und keine meiner Beziehungen hielt länger als sechs Wochen!" "Na und? Ist das meine Schuld?" Crocodile verstand überhaupt nicht, worauf sein Verlobter hinauswollte. "Wie oft sollen wir diese Diskussion denn noch führen? Wir sind beide in unseren Dreißigern, Doflamingo. Wir haben beide Erfahrungen unterschiedlicher Art gemacht. Was willst du mir sagen?" "Ich will überhaupt nichts sagen", meinte sein Partner. "Es stört mich bloß eben, dass du schon so viele feste Beziehungen geführt hast. Manchmal, wenn ich höre, dass du mit einem anderen Mann schon deutlich länger zusammengewesen bist als mit mir, werde ich furchtbar eifersüchtig. Dann komme ich mir vor wie einer von vielen. Als würde ich nur darauf warten, von deinem nächsten Liebhaber abgelöst zu werden. Ich wünsche mir, dass dich vor mir noch niemals jemand angefasst hätte. Dass du, nun ja, sozusagen unschuldig wärst." Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Er konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter ihm an den Kopf warf. Wollte Doflamingo ihm ehrlich vorwerfen, dass er mit anderen Männern zusammengewesen war, bevor er ihn kennengelernt hatte? Er war fünfunddreißig Jahre alt, verdammt nochmal! Und sie lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert. Was erwartete sein Verlobter von ihm? Dass er bis zur Ehe enthaltsam blieb? Er hätte niemals gedacht, dass Doflamingo so furchtbar altmodisch und konservativ eingestellt war. Crocodile war absolut entsetzt. Er war zu überhaupt keiner Antwort fähig. Sein Verlobter hatte ihn praktisch als Schlampe bezeichnet. Als jemand, der leicht zu haben war. Der seine Partner tauschte wie seine Kleidung. Anstatt zu einer Erwiderung anzusetzen, erhob Crocodile sich von seinem Platz. Er ging hinüber zur Tür und verließ das Wohnzimmer. So schnell er nur konnte hastete er die Treppe in den ersten Stock hinauf. Als er in seinem Lesezimmer angekommen war, verschloss er die Tür hinter sich und ließ sich daran herab auf den Boden gleiten. Noch niemals zuvor hatte Doflamingo ihn so furchtbar beleidigt wie gerade eben. Es dauerte nicht lange, bis Crocodile hörte, wie jemand laut an die Zimmertüre klopfte. Natürlich wusste er sofort, um wen es sich handelte. "Crocodile?", rief Doflamingo und hämmerte erneut gegen die Türe. "Komm schon! Lass diesen Blödsinn! Mach auf!" "Wozu?", entgegnete Crocodile. Er sprach laut genug, sodass auch sein Verlobter auf der anderen Seite ihn deutlich verstehen konnte. "Damit ich mich noch einmal von dir als Schlampe bezeichnen lassen kann? Garantiert nicht!" "Ich habe dich nie eine Schlampe genannt!" "Du hast gesagt, dass ich eine große Anzahl an Exfreunden hätte!", hielt Crocodile wütend dagegen. "Dass du dir vorkommst wie einer von vielen und nur darauf wartest, ausgewechselt zu werden! Denkst du tatsächlich so schlecht von mir?" "So... so habe ich es nicht gemeint", stammelte Doflamingo. "Mach die Tür auf und lass uns in Ruhe darüber reden!" "Ich öffne die Türe erst dann, wenn du dich bei mir entschuldigt hast", forderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. Noch immer war er stocksauer. "Wofür soll ich mich entschuldigen?", erwiderte Doflamingo, der nicht minder wütend wirkte. "Dafür, dass ich dich angeblich eine Schlampe genannt hätte? Das habe ich aber gar nicht getan!" "Nicht direkt", gab Crocodile zurück. "Aber die Dinge, die du eben gesagt hast, laufen auf dasselbe hinaus!" "Du drehst mir mal wieder die Worte im Mund herum!", schimpfte sein Verlobter. "Alles, was ich sage, verdrehst du, um eine Entschuldigung von mir zu erzwingen!" Crocodile konnte den Unsinn, den Doflamingo von sich gab, kaum fassen. "Was?!", meinte er. "Ich drehe dir die Worte im Mund herum? Hast du noch alle Tassen im Schrank? Ich habe es überhaupt nicht nötig, dir die Worte im Mund herumzudrehen. Was du eben gesagt hast, war nämlich mehr als eindeutig!" "Ich habe bloß meine Gefühlslage deutlich gemacht", hielt Doflamingo mit leiser Stimme dagegen. "Willst du mir vorhalten, dass ich meine Gefühle und Gedanken mit dir geteilt habe?" "Deine Gefühle und Gedanken?!", wiederholte Crocodile zornig. "Wenn deine Gefühle und Gedanken beinhalten, dass ich bloß ein billiges Flittchen bin und auf die nächste Gelegenheit warte, um dich gegen einen anderen Mann einzutauschen, dann kann ich sie dir definitiv vorhalten! Warum sagst du so etwas, Doflamingo? Glaubst du etwa, dass ich unsere Beziehung nicht ernst nehme? Oder du mir nicht wichtig bist?" "Doch, natürlich", erwiderte Doflamingo, der inzwischen beinahe schon verzweifelt klang. "Aber, nun ja.... Du hast schon ziemlich viele Beziehungen ernst genommen, oder nicht? Und so einige Männer sind dir in deinem Leben schon wichtig gewesen. Ich habe das Gefühl, dass ich aus dieser Menge nicht wirklich heraussteche. Ich möchte etwas Besonderes für dich sein, aber manchmal denke ich, dass ich bloß einer von vielen bin." "Soll ich mich etwa bei dir entschuldigen, weil ich keine unberührte Jungfrau war, als ich dich kennengelernt habe?" Für Crocodile ergaben die Worte seine Verlobten nur wenig Sinn. "Verdammt, wir leben doch nicht im Mittelalter, Doflamingo! Es ist nicht meine heilige Pflicht, bis zur Ehe enthaltsam zu bleiben! Du kannst mir nicht vorwerfen, bereits mit anderen Männern zusammengewesen zu sein! Damals wusste ich noch nicht einmal, dass du überhaupt existierst!" "Dessen bin ich mir bewusst", meinte Doflamingo schwach. "Und warum machst du mir dann Vorwürfe?!" "Ich mache dir keine Vorwürfe", erwiderte sein Verlobter. "Aber ich kann auch nicht verleugnen, dass ich manchmal Zweifel hege und mir wünsche, ich wäre der einzige Mann, mit dem du jemals eine wirklich ernsthafte Beziehung eingegangen bist. Wenn du mir sagst, dass du mich liebst, muss ich immer wieder an die vielen anderen Menschen denken, zu denen du diese Worte auch schon gesagt hast." Er hielt einen kurzen Moment lang inne, ehe er fortfuhr: "Du hast mein Leben völlig auf den Kopf gestellt, Crocodile. Als ich dich bei dem Geschäftsessen mit Sengoku kennengelernt habe, ist es sofort um mich geschehen gewesen. Es war Liebe auf den ersten Blick! Nun, zumindest auf meiner Seite. Es hat wochenlang gedauert, bis es mir endlich gelungen war, dich zu einem Date zu überreden. Aber schon von der allerersten Sekunde an wusste ich, dass du der Mann meines Lebens bist. Früher bin ich jedes Wochenende feiern gegangen, habe mich mit unzähligen Männern und Frauen vergnügt und einfach bloß in den Tag hinein gelebt. Aber du hast meine Denkweise völlig verändert. Seitdem ich dich kenne, interessiere ich mich für keinen anderen Mann und keine andere Frau mehr. Ich möchte nur dich. Ich genieße es, jeden Morgen neben dir aufzuwachen. Ich möchte dich heiraten und ich möchte Kinder mit dir haben, Crocodile! Du hast meinem Leben eine ganz neue Bedeutung verliehen. Und... und es quält mich, dass ich anscheinend nicht dieselbe Wirkung bei dir erzielt habe. Ich habe dein Leben nicht stärker beeinflusst als irgendeiner deiner anderen Freunde. Du hast gezögert, als ich dir angeboten habe, zu mir zu ziehen. Und nahezu jedes Mal, wenn ich von der bevorstehenden Hochzeit spreche, machst du einen ausweichenden Eindruck. Ich weiß, dass du mich liebst, aber manchmal komme ich gegen diese Gefühle einfach nicht an. Verstehst du das, Crocodile?" Crocodile seufzte laut und bedeckte sein Gesicht mit der rechten Hand. Sein Verlobter und er hatten bereits vor einigen Wochen über dieses Thema gesprochen gehabt, doch ihm war nicht klar gewesen, dass Doflamingo so stark litt. Eigentlich hatte er geglaubt, dass es ihm gelungen wäre, die Zweifel seines Partners zu zerstreuen. Aber in diesem Punkt hatte er sich wohl geirrt. "Machst du bitte die Türe auf?" Crocodile erhob sich und fuhr sich durch sein dunkles Haar, ehe er den Schlüssel im Schloss umdrehte. Sofort kam Doflamingo ins Zimmer gestürmt, legte seine Arme um ihn und zog ihn so nah zu sich, dass Crocodile den Herzschlag seines Verlobten hören konnte. Er war sich nicht sicher, ob ihn dieses Geräusch beruhigte oder aufwühlte. "Es tut mir leid, dass du meine Worte als Vorwurf verstanden hast", sagte Doflamingo. "So habe ich es nicht gemeint. Meine Zweifel sind nicht deine Schuld." "Ist schon gut", meinte Crocodile in Ermangelung einer besseren Erwiderung. Er hatte nicht damit gerechnet gehabt, dass sein Verlobter ein solches Geständnis ablegen würde, und fühlte sich völlig überfordert. Wie hatte die Erstellung der Gästeliste für ihre Hochzeit bloß zu diesem Streit führen können? Nach einer Weile fügte er hinzu: "Es gibt keinen Grund, um zu zweifeln. Ich liebe dich, Doffy. Mit keinem anderen Menschen genieße ich meine Zeit so sehr wie mit dir. Du hast recht, wenn du sagst, dass ich schon einige Beziehungen geführt habe, ehe ich auf dich getroffen aber. Aber du solltest nicht vergessen, dass, ganz egal wie viele Freunde ich schon gehabt habe, es in meinem Leben nur einen einzigen Verlobten gibt. Und auch nur einen einzigen Ehemann." Doflamingo nickte und intensivierte ihre Umarmung. Er wirkte längst nicht mehr so angespannt und aufgewühlt wie gerade eben noch. Crocodile beschloss, es ihm gleichzutun und bemühte sich darum, ein wenig lockerer zu werden. Er war sehr froh darüber, dass sie diesen Streit endlich geklärt hatten. Oder eher: fast geklärt hatten. Es gab da nämlich noch eine Sache, die Crocodile noch auf dem Herzen lag. Er löste sich von seinem Partner, sah diesem ins Gesicht und meinte: "Ich hoffe, dass ich dir nicht zu nahe trete, Doffy, aber darf ich dir eine Frage stellen?" Doflamingo nickte. Auch wenn sie nun nicht mehr eng aneinander gepresst dastanden, hatte er noch immer die Arme um seine Hüfte geschlungen. Crocodile störte dieser Kontakt nicht. "Hetzt du aus diesem Grund so sehr mit den Hochzeitsvorbereitungen? Weil du denkst, dass du aus der Masse herausstichst und nicht mehr bloß einer von vielen bist, wenn du erst einmal mein Ehemann bist?" "Ja und nein", gab Doflamingo zu. "Du hast recht, wenn du sagst, dass ich dich möglichst bald heiraten möchte. Ich möchte unsere Beziehung auf eine neue Stufe stellen. Vermutlich auch, damit ich dein Leben auf ganz besondere und absolut einzigartige Weise beeinflusse. Aber hauptsächlich einfach bloß, weil ich dich liebe und mir kein Grund einfällt, wieso wir länger warten sollten." Er hielt kurz inne, ehe er hinzufügte: "Hast du wirklich das Gefühl, dass ich dich hetze, was die Vorbereitungen für die Hochzeit angeht?" "Ein wenig", erwiderte Crocodile zögerlich. Er war sich dessen bewusst, dass er sich momentan auf sehr dünnem Eis bewegte. Auf der einen Seite wollte er seinem Partner klarmachen, dass sie sich mit ihrer Hochzeit gerne noch ein wenig Zeit lassen konnten, doch auf der anderen Seite durfte er Doflamingo nicht verletzen. Schließlich bedeutete diesem ihre Vermählung sehr viel. "Ich habe keine Lust, mich hetzen und drängen zu lassen", sagte Crocodile und bemühte sich darum, den richtigen Tonfall zu treffen. "Unsere Hochzeit soll wundervoll werden. Aber für mich gehört nicht bloß dieser eine Tag dazu, an dem wir uns das Ja-Wort geben und mit unseren Freunden und Verwandten feiern. Ich habe es dir schon einmal gesagt: Auch die Vorbereitungen für die Hochzeit möchte ich in guter Erinnerung behalten." Zur Bekräftigung fügte er noch hinzu: "Auch wenn es mir in letzter Zeit psychisch wieder besser geht, bin ich immer noch nicht vollständig wieder gesund. Und ich möchte kurz vor unserem großen Tag keinen Nervenzusammenbruch erleiden, bloß weil wir unbedingt so früh wie möglich heiraten wollten. Stress und Hektik kann ich derzeit wirklich überhaupt nicht gebrauchen. Ich spreche sehr gern mit dir über unsere Hochzeit, Doflamingo, aber bitte lass uns die Sache ein bisschen langsamer angehen. In Ordnung?" "Klar, das verstehe ich", sagte sein Verlobter und Crocodile stellte erleichter fest, dass dieser seine Worte tatsächlich ernst zu meinen schien. "Gut." Crocodile atmete auf. "Ich denke, dass es uns beiden guttun wird, wenn wir uns nicht so sehr in diese Sache hineinsteigern. Du weißt doch hoffentlich, dass du der Mann meines Lebens bist, auch ohne dass wir beide im Rathaus einen Vertrag unterschreiben und gegenseitig die Ringe austauschen?" "Natürlich." Doflamingo lächelte und beugte sich zu ihm hinunter, um ihn auf den Mund zu küssen. Crocodile schloss seine Augen und erwiderte den Kuss. Da er nun einige gute Gründe hatte, um die Vorbereitungen für ihre Hochzeit weiter nach hinten zu verschieben, fiel ihm ein großer Stein vom Herzen. Je später sie beide heirateten, desto besser. "Aber, nur um es klarzustellen, du willst doch nicht bloß standesamtlich heiraten, nicht wahr?" Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Wieso nicht?", fragte er schulterzuckend. "Ich bin nicht sonderlich religiös. Ich hätte kein Problem damit, die Kirche außenvorzulassen." Doflamingo wirkte absolut entsetzt. "Du willst nicht kirchlich heiraten?", wiederholte und klang, als hätte Crocodile ihm gerade verkündet, dass er kleinen Hundewelpen gerne den Hals umdrehte. "Nun ja, nicht unbedingt", gab er zu. "Bist du denn sonderlich religiös?" "Nicht so richtig", lenkte Doflamingo ein. "Aber es ist doch total unromantisch, nur standesamtlich zu heiraten! Hast du denn nicht schon immer davon geträumt, anmutig nach vorne zum Altar zu schreiten, wo dein zukünftiger Ehemann auf dich wartet?" "Nein, habe ich nicht", gab Crocodile schnippisch zurück. "Und wieso bin überhaupt ich derjenige, der nach vorne zum Altar schreitet? Ich bin doch nicht deine Braut! Soll ich etwa ein weißes Kleid und einen Schleier tragen? Du spinnst doch." "Kein weißes Kleid, schließlich bist du keine Frau", erwiderte Doflamingo, "aber was hältst du von einem weißen Anzug? Ich trage schwarz und du weiß. Das würde doch passen, oder nicht?" "Garantiert nicht!" Crocodile verschränkte pikiert die Arme vor der Brust. "Warum trägst du keinen weißen Anzug? Wieso sollte ausgerechnet ich die Braut sein und nicht du?" "Na, du bist deutlich kleiner als ich", erklärte Doflamingo neckisch grinsend. "Es macht viel mehr Sinn, wenn du die Braut bist und ich der Bräutigam. Wenn du möchtest, dann darfst du auch den Brautstrauß werfen. Und ich trage dich über die Türschwelle." "Ph!" Crocodile streckte seinem Verlobten die Zunge heraus. "Träum weiter, Doffy!" * Crocodile saß im Wohnzimmer auf der Couch und blätterte relativ gedankenlos durch eine Zeitschrift, die sein Verlobter irgendwann einmal abonniert hatte. Auf dem Beistelltisch standen eine nur noch halb volle Flasche Wein und ein Glas, aus dem Crocodile immer mal wieder einen Schluck nahm. Auch wenn die Arbeit heute sehr anstrengend gewesen war (es gab viel zu tun und er war von einem wichtigen Meeting zum nächsten gehetzt), fühlte er sich insgesamt ziemlich wohl. Crocodile empfand Erschöpfung nicht zwingend als negativ. Dass er erschöpft war, bedeutete, dass er heute viel geleistet hatte, und darauf konnte er stolz sein. Tatsächlich schien Franky mit seiner Arbeit sehr zufrieden zu sein. Gestern erst hatte er ein großes Lob von Seiten seines Chefs bekommen. Crocodile nippte gerade an seinem Weinglas, als unerwarteterweise die Türe zum Wohnzimmer aufging. Verwundert hob er den Kopf und sah zu seinem Verlobten hinüber, der breit grinsend den Raum betrat. "Was machst du denn schon hier?", fragte er irritiert, denn Doflamingo hatte ihm gesagt gehabt, dass er den Nachmittag bei einem Freund verbringen wollte. Er hatte ihm auch den Namen genannt, doch daran erinnerte Crocodile sich nicht mehr so ganz. Er tippte auf Vergo oder Diamante. "Ich habe eine Überraschung für dich!", erklärte Doflamingo mit aufgeregter Stimme und kam hastig auf ihn zu. Skeptisch zog Crocodile die Augenbrauen zusammen und legte seine Zeitschrift zur Seite. (Erst jetzt fiel ihm auf, dass es sich um irgendein Brautmagazin handelte, doch diesen Umstand schien sein Verlobter zum Glück nicht zu bemerken). "Eine Überraschung? Was denn für eine Überraschung?" "Wenn ich es dir verraten würde, wäre es keine Überraschung mehr, oder nicht?", erwiderte Doflamingo, der von Ohr zu Ohr grinste. "Komm schon, steh auf!" Er griff nach seinem Handgelenk und zog ihn mit sanfter Gewalt auf die Füße. "Wohin gehen wir denn?", fragte Crocodile. Er fühlte sich überfordert; damit, dass sein Partner so plötzlich auftauchte und ihn entführte, hatte er beim besten Willen nicht gerechnet gehabt. "In ein Restaurant oder so etwas? Wenn ja, muss ich mich vorher umziehen." Da er eigentlich vorgehabt hatte, einen entspannten Nachmittag Zuhause zu verbringen, trug er gemütliche Kleidung, die für ein auswärtiges Essen definitiv nicht angemessen war. Doch Doflamingo schüttelte sowieso den Kopf. "Wir müssen nicht einmal die Villa verlassen", meinte er und lozte ihn die Treppe hoch. "Die Überraschung wartet in deinem Lesezimmer auf dich!" "In meinem Lesezimmer?" Crocodile überlegte, was sein Partner für ihn besorgt haben könnte. Ein neues Bücherregal vielleicht? Nein, das war zu langweilig für einen Mann wie Doflamingo. So wie Crocodile seinen Verlobten kannte, hatte dieser eher etwas vorbereitet, was mit Sex zu tun hatte. Hoffentlich erwartete ihn gleich keine bereits installierte Sexschaukel, Strip-Stange oder Ähnliches in seinem hübschen Lesezimmer. Zum Einen kannte Crocodile sich mit solchen Geräten überhaupt nicht aus und zum Anderen vertrat er die Ansicht, dass, wenn man sich so etwas besorgte, diese Dinge ins Schlafzimmer gehörte und nirgendwo anders hin. Immerhin handelte es sich um absolute Privatsache. "Ich bin mir sicher, dass du begeistert sein wirst!", verkündete Doflamingo mit freudestrahlender Stimme. Er holte einen schwarzen Seidenschal aus seiner Hosentasche hervor und verband ihm damit die Augen. Crocodile schluckte, doch ließ sich diese Behandlung gefallen. Inzwischen war er sich sehr sicher, dass sein Verlobter irgendeine absolut perverse Überraschung für ihn geplant hatte. Dieser ließ bei solchen Gelegenheiten nämlich sehr gerne Seidenschals zum Einsatz kommen. Noch gut erinnerte sich Crocodile daran, wie Doflamingo ihn vor ein paar Wochen erst mit zwei schwarzen Schals gefesselt und anschließend auf absolut agonische Art und Weise verwöhnt hatte. Zuerst massierte ihn sein Partner mit Wildrosenöl, dann fingerte er ihn und schlussendlich kam sogar (zum ersten Mal in ihrer Beziehung) ein Vibrator zum Einsatz. Auch wenn er es nur ungern zugab, hätte Crocodile gegen eine Wiederholung nichts einzuwenden. Den Vibrator hatten sie zwar ein oder zwei weitere Male benutzt gehabt, doch in letzter Zeit war er zu seinem Unmut ein wenig in Vergessenheit geraten. "Überraschung!", rief Doflamingo mit heiterer Stimme und nahm ihm den Schal wieder ab. Neugierig öffnete Crocodile seine Augen. Als er sah, was sich in seinem Lesezimmer befand, stockte ihm der Atem. Das kann doch nicht wahr sein, schoss es ihm durch den Kopf. Zu einem anderen Gedanken war er momentan nicht fähig. Es dauerte etwa eine halbe Minute, bis er sich wieder gesammelt hatte. Vor seinen Füßen auf dem Teppichboden stand ein großer, mit weichen Kissen ausgelegter Weidenkorb. Darin befanden sich zwei kleine Kätzchen. Beide hatten silber-graues Fell und trugen jeweils eine Schleife um den Hals. "Gefallen sie dir?", fragte sein Verlobter ihn in einem gespannt klingenden Tonfall. Crocodile wusste nicht, was er auf diese Frage antworten sollte. Einerseits wollte er seinen Partner nicht verletzen (dieser hatte es bestimmt bloß gut gemeint), doch auf der anderen Seite war er absolut entsetzt und geschockt. Wie zur Hölle kam Doflamingo bloß auf die Idee, ihm zwei Katzen zu schenken? Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, ihm gegenüber jemals erwähnt zu haben, dass er sich ein Haustier wünschte. Aus seinem Schweigen schien sein Verlobter eigene Schlüsse zu ziehen. "Sie gefallen dir nicht", stellte er mit niedergeschlagener Stimme fest und verzog den Mund. "Sie sehen niedlich aus", erwiderte Crocodile schwach. Er wandte den Blick von den beiden Kätzchen ab und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Als er sich einigermaßen wieder gefasst hatte, meinte er schließlich: "Um ehrlich zu sein, bin ich ziemlich geschockt. Warum schenkst du mir denn auf einmal zwei Katzen? Wie bist du nur auf diesen verrückten Gedanken gekommen, Doflamingo?" "Wieso verrückt?", gab dieser zurück. Er erweckte einen furchtbar enttäuschten Eindruck. "Ich wollte dir mit den Kleinen eine Freude machen!" "Dessen bin ich mir bewusst", lenkte Crocodile beschwichtigend ein. "Aber ich frage mich, weshalb es ausgerechnet zwei Katzen sein müssen." "Bist du allergisch?", hakte Doflamingo nach. Crocodile schüttelte den Kopf. "Darum geht es nicht", erklärte er. "Aber es bedeutet eine ganze Menge Verantwortung, sich um Haustiere zu kümmern. Und wir beide sind viel beschäftigte Männer. Jeder von uns arbeitet mindestens acht Stunden pro Tag. Wann sollen wir uns denn um die Kleinen kümmern? Hast du dir das mal überlegt?" "Du übertreibst", warf sein Verlobter ein. "Mann muss sie jeden Tag füttern und gelegentlich die Katzentoilette sauber machen. Das ist überhaupt nicht viel Arbeit. Und weil wir beide so oft unterwegs sind, habe ich auch gleich zwei von ihnen besorgt. Dann sind sie nie alleine und vereinsamen nicht. Es gibt also überhaupt kein Problem." "Doch, das gibt es", erwiderte Crocodile. Er konnte die grenzenlose Naivität seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen. "Verdammt, Doflamingo! Sich Haustiere zuzulegen, ist eine echt große Sache. Du hättest mit mir sprechen müssen, bevor du die Katzen besorgst." "Aber dann wäre es doch keine Überraschung mehr gewesen", hielt Doflamingo dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du tust so, als hätte ich ohne deine Einwilligung ein Kind adoptiert. Es sind doch bloß zwei Kätzchen." "Ob es nun ein Kind oder ein Tier ist!", meinte Crocodile zornig. "Du lädst mir einfach eine riesige Verantwortung auf die Schultern, ohne mich vorher danach zu fragen! Ich bin doch in letzter Zeit sowieso ständig im Stress und muss oft Überstunden machen. Wie soll ich mich denn da gleichzeitig noch um zwei Tiere kümmern? Aber daran hast du natürlich keinen einzigen Gedanken verschwendet!" "Tiere helfen gegen Stress", wandte Doflamingo ein. "Es gibt doch sogar Therapien, bei denen Tiere mitwirken, oder nicht? Bestimmt können dir die beiden Kätzchen dabei helfen, dich zu entspannen. Warum nimmst du nicht einfach eines von ihnen hoch? Schau doch nur, wie süß die beiden sind!" "Ich will keines von ihnen hochnehmen", erwiderte er schroff. "Bring die Katzen wieder dahin zurück, wo du sie her hast, ja? Ich bin nicht bereit für eine solche Verantwortung, Doflamingo!" "Aber wenn du es dir nicht einmal zutraust, für ein Tier zu sorgen, wie willst du es denn dann schaffen, dich um ein kleines Kind zu kümmern?" "Was redest du da für einen Unsinn?" Crocodile verstand überhaupt nicht, worauf sein Partner hinauswollte. "Wir reden hier doch gerade über die beiden Katzen. Wie kommst du da plötzlich auf Kinder?" "Na, wir wollen doch später Kinder haben", meinte Doflamingo. "Aber wie soll das gehen, wenn du es nicht einmal schaffst, dich um ein Haustier zu kümmern?" Nun endlich erkannte Crocodile die Absicht, die hinter diesem Geschenk stand. "Willst du etwa mithilfe dieser beiden Kätzchen meinen Kinderwunsch wecken?", fragte er mit entsetzter und zorniger Stimme. "Soll das irgendeine Art Vater-Training werden? Doflamingo!" "Wieso denn nicht?", meinte sein Verlobter. "Es wäre eine gute Übung, oder nicht?" "Bist du eigentlich komplett bescheuert?!" Crocodile gelang es nicht länger, seine Wut in Zaum zu halten. "Ich fasse es nicht! Ich fasse es einfach nicht! Du versuchst mir diese beiden Katzen unterzujubeln, um deine eigenen Wünsche durchzusetzen! Ich hätte nie gedacht, dass du so furchtbar egoistisch sein kannst!" "Wieso denn egoistisch?" Nun ging auch Doflamingo in Angriffsposition über. "Kinder zu wollen ist praktisch das absolute Gegenteil! Schließlich geht es darum, sein Leben zu teilen. Seine Zeit zu opfern, um sich um andere Menschen zu kümmern und sie zu erziehen. Es handelt sich um eine große Verantwortung. Und daran ist überhaupt nichts egoistisch!" "Es ist egoistisch, seinem Partner einen Kinderwunsch aufdrängen zu wollen!", entgegnete Crocodile scharf. "Ich habe dir gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich jemals Vater werden möchte. Aber darüber setzt du dich einfach hinweg! Für dich zählen bloß deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Du willst Kinder, also kriegst du Kinder. Und es ist dir vollkommen egal, wie ich dazu stehe!" "Das ist mir nicht egal!", meinte Doflamingo in einem energisch klingenden Tonfall. "Ich würde nie ohne dein Einverständnis ein Kind adoptieren. Genau darum versuche ich doch, dir klar zu machen, wie schön es ist, Kinder zu haben. Und es ist mein gutes Recht, den Versuch zu starten, dich zu überzeugen, oder nicht?" "Mich überzeugen zu wollen und mir zwei Katzen anzudrehen, sind zwei grundverschiedene Dinge!", warf Crocodile seinem Verlobten vor. "Du versuchst, mich zu manipulieren!" "Ich manipuliere dich nicht", meinte Doflamingo, "ich versuche nur dein Interesse zu wecken. Du sollst merken, dass es eine wunderbare Sache sein kann, Verantwortung für Andere zu tragen. Wenn man seine Haustiere gut behandelt, kriegt man sehr viel Zuneigung von ihnen zurück. Und bei Kindern ist es genauso." "Aber warum ausgerechnet jetzt?!" Crocodile sah hinüber zu den beiden Kätzchen mit dem grau-silbernen Fell, die in dem großen Weidenkorb lagen. Er schüttelte den Kopf und warf dann seinem Verlobten einen verständnislosen Blick zu. "Selbst wenn wir davon ausgehen, dass ich grundsätzlich nichts dagegen hätte, mal Vater zu werden, ist dieses Thema doch trotzdem derzeit überhaupt nicht interessant für uns. Momentan ist nicht einmal für ein Haustier Platz in meinem Leben; geschweige denn für ein Kind. Wir würden uns also sowieso frühestens in ein paar Jahren ernsthaft mit Adoption beschäftigen. Warum willst du mir dann jetzt schon diese beiden Katzen aufdrängen?" "Wieso denn erst in ein paar Jahren?", erwiderte Doflamingo und wischte sich über den Mund. "Wir lieben uns und verstehen uns hervorragend. Geld und Platz haben wir mehr als genug. Und reif für Kinder sind wir auch; immerhin sind wir beide in unseren Dreißigern. Grundsätzlich würde also nichts dagegen sprechen, oder?" Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Doflamingo konnte seine Worte unmöglich ernst meinen! "Wir sind erst seit zehn Monaten ein Paar!", hielt Crocodile mit lauter Stimme dagegen. "Außerdem bist du Geschäftsmann und ich bin Manager. Keiner von uns beiden kann so einfach aus seinem Job aussteigen. Ganz abgesehen mal davon, dass ich absolut nicht der Meinung bin, wir beide wären reif für Kinder. Verdammt nochmal! Bist du denn blind, Doflamingo? Ich hatte erst vor ein paar Wochen einen Nervenzusammenbruch! Ich stehe wegen meiner Arbeit und unseren Hochzeitsvorbereitungen ständig unter Strom. Wie soll ich mich denn in dieser Situation um ein Kind kümmern? Das geht nicht!" "Nun ja", gab sein Verlobter zögernd zurück. "Ein Kind würde dir vielleicht dabei helfen, Stress abzubauen. Du könntest dir eine Auszeit nehmen von deiner Arbeit. Ein paar Jahre lang für die Kinder Zuhause bleiben. Und wenn es dir besser geht, wieder in den Beruf zurückkehren. Das wäre die ideale Lösung für unsere Probleme!" "Du willst, dass ich meine Arbeit aufgebe!? Dass ich wie eine brave Hausfrau Zuhause bleibe und die Windeln unserer Kindern wechsle? Während du deine Geschäfte weiterführst und eine Millionen nach der anderen verdienst?" Für Crocodile war diese Diskussion beendet. Er warf Doflamingo einen völlig entgeisterten Blick zu, ehe er aus dem Raum stürmte. Sein Partner lief ihm hinterher, doch Crocodile schenkte ihm keine Beachtung. Er war schrecklich wütend. Am liebsten würde er jetzt irgendjemanden verprügeln. Idealerweise seinen Verlobten. "Crocodile? Hey, jetzt warte doch mal!" Doflamingo hatte ihn eingeholt. Er hielt ihn am Handgelenk fest, doch Crocodile riss sich sofort los. "Lass mich in Ruhe!", zischte er. Es erschreckte ihn selbst, wie zornig und verletzt seine Stimme klang. "Wo willst du denn hin?" "Irgendwohin, wo du nicht bist!", erwiderte Crocodile schroff. Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Füße ihn hinüber zu dem Fahrstuhl, der unter Anderem in die weitläufige Tiefgarage der Villa führte, trugen. Die Vorstellung, sich in seinen Mercedes C 216 zu setzen und ein paar Kilometer über eine verlassene Landstraße zu fahren, sagte ihm zu. Er brauchte jetzt dringend ein wenig Abstand von seinem Partner. "Lauf nicht schon wieder weg!", sagte Doflamingo. "Bitte, Wani! Wir können doch über alles reden!" "Fick dich!", erwiderte Crocodile und drückte den Knopf, um den Fahrstuhl zu rufen. Er konnte nicht in Worte fassen, wie wütend er im Moment war. Er fühlte sich herabgesetzt. Was erlaubte sein Verlobter sich eigentlich? "Jetzt sei doch nicht so bockig!" Doflamingo stieg zu ihm in den Fahrstuhl und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht komplett auszurasten. "Komm schon! Wir setzen uns ins Wohnzimmer, beruhigen uns wieder und sprechen wie erwachsene Menschen miteinander. Ich möchte nicht, dass wir im Streit auseinandergehen." "Lass mich einfach in Ruhe!" Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich. Crocodile stürmte hinaus und ging schnurstracks zu seinem Mercedes C 216 hinüber. Doflamingo folgte ihm auf dem Fuße. "Du solltest jetzt nicht Auto fahren", sagte er und schien sich um eine ruhige Stimmlage zu bemühen. "Deine Meinung ist mir scheißegal", erwiderte Crocodile und stieg in den Wagen ein. "Das ist mein Auto und ich bin nicht dein Eigentum. Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!" Er schloss laut knallend die Fahrertüre und schaltete in den Rückwärtsgang. Seine rechte Hand zitterte vor Wut. * Etwa eine Stunde lang fuhr Crocodile ziellos durch die Gegend. Er fühlte sich schrecklich. Schrecklich wütend, schrecklich aufgebracht, schrecklich verletzt. Wie konnte sein Verlobter es bloß wagen, ihn in die Rolle der passiven Hausfrau drängen zu wollen?! Bloß weil womöglich alle anderen Männer und Frauen, mit denen Doflamingo jemals in einer Beziehung war, zu gerne ein Kind mit diesem gehabt hätten, galt dies nicht automatisch auch für ihn. Er war viel zu stolz, um sich von seinem Partner versorgen zu lassen und seine Tage damit zuzubringen, sich von Babies bespucken zu lassen. Crocodile presste die Zähne aufeinander. Zu gerne würde er jetzt mit dem Fuß auf das Gaspedal drücken, doch momentan schlängelte er sich durch eine Reihe von Dreißigerzonen. Ohne es selbst zu bemerken, war er in die Vorstadt gelangt. Hübsche Einfamilienhäuser mit gut gepflegten Vorgärten standen am Straßenrand. Fast erwartete Crocodile, auf das Haus von Daz zu stoßen. Seine alter Studienfreund lebten in einer Gegend, die dieser hier zum Verwechseln ähnlich sah. Irgendwann endete der nette Vorort und Crocodile fand sich auf einer gut ausgebauten und glücklicherweise beinahe leeren Landstraße wieder. Rechts und links wurde die Fahrbahn von Feldern und größeren Baumgruppen gesäumt. Ein Grinsen schlich sich auf Crocodiles Gesicht, als er auf das Gaspedal drückte. Die etwa 100.000 Berry, die der Mercedes C 216 kostete, lohnten sich in Momenten wie diesem ganz besonders: Die mehr als 400 PS sorgten für eine wahnsinnige Beschleunigung. Crocodile lachte laut und erhöhte die Geschwindigkeit auf mehr als 170 Stundenkilometer. Auf der Landstraße, die er gerade entlangfuhr, galt zwar eine offizielle Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern, doch die Fahrbahn war fast leer und außerdem hatte Crocodile den Kick, den die Geschwindigkeit ihm gab, dringend nötig. Für ein paar Minuten vergaß er den schlimmen Streit, den er mit seinem Verlobten gehabt hatte, und genoss stattdessen die atemberaubende Leistungsfähigkeit seines Wagens. Ein paar Dutzend Kilometer später hatte Crocodile sich beinahe schon wieder eingekriegt. Inzwischen befand er sich in der Nähe der Nachbarstadt; in einem der Vororte lebte Daz und Crocodile spielte mit dem Gedanken, ihn anzurufen und zu fragen, ob er bei ihm übernachten könnte. Auch wenn er sich einigermaßen beruhigt hatte, würde er gerne darauf verzichten, sich heute Abend mit Doflamingo auseinanderzusetzen. Er wollte nicht über Adoption reden oder darüber, wie schön es war, Vater zu sein. Die Aussicht, gemeinsam mit Daz einen Film anzuschauen und ein paar Cracker zu verdrücken, erschien ihm deutlich verlockender. Crocodile verließ die Landstraße. Hoffentlich war Daz Zuhause. Er hätte seinen alten Freund gerne angerufen, aber Crocodile war nicht verantwortungslos genug, um während des Fahrens mit dem Handy zu telefonieren. Eigentlich passte es auch gar nicht zum ihm, mit dem Auto zu fahren, um sich abzuregen. Seit dem Verkehrsunfall, bei dem er seine linke Hand verloren hatte, war Crocodile insgesamt zu einem sehr vorsichtigen und besonnenen Fahrer geworden. Es geschah selten, dass er die Höchstgeschwindigkeit überschritt. Wäre die Straße eben nicht beinahe leer gewesen, hätte er mit Sicherheit auch keine Ausnahme gemacht. Crocodile folgte einer Haupstraße, von der er wusste, dass sie in den Stadtteil führte, in dem sein bester Freund lebte. Genauso wie Mihawk und Hancock hatte dieser sich ein hübsches Einfamilienhaus in der Vorstadt zugelegt. Auch Daz war unverheiratet und kinderlos; es kam selten vor, dass man ihn öfter als ein halbes Dutzend Mal mit derselben Frau sah. Er war kein Mann, der mit den Gefühlen anderer Menschen spielte, doch es fiel ihm schwer, enge Beziehungen einzugehen. Wenn er allerdings jemanden in sein Herz schloss, entwickelte er sich zu einer sehr fürsorglichen Person. Diese Erfahrung hatte Crocodile schließlich selbst gemacht. Zu dem kleinen Kreis Auserwählter, die in den Genuss von Daz' Freundschaft kamen, zählten zum Beispiel seine Cousine Paula und auch sein Hund Fiffie. Daz hatte sich den Golden Retriever vor etwa vier Jahren zugelegt. Zu seiner Rechten konnte Crocodile eine hübsche Kirche ausmachen. Es handelte sich um ein sehr altes Gebäude, das über einen hohen Glockenturm verfügte und dessen breite Flügeltüre mit aufwändigen Schnitzereien geschmückt worden war. (Auch wenn Crocodile kein sonderlich religiöser Mensch war, konnte er durchaus entscheiden, ob ein Haus ästhetisch ansprechend wirkte oder nicht.) Hier musste er links abbiegen. Weniger als zwei Sekunden später war ein furchtbar lautes Krachen zu hören und ein heftiger Ruck durchfuhr Crocodiles gesamten Körper. Der Seitenairbag wurde ausgelöst und verhinderte, dass er mit seinem Kopf oder seiner Schulter gegen die linke Türe des Mercedes C 216 prallte, während dieser über die Kreuzung geschleudert wurde. Ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können, brach er in völlige Panik aus. Laut schreiend klammerte er sich an sein Lenkrad und bat Gott darum, ihn noch ein wenig länger leben zu lassen. Irgendwann kam der Mercedes C 216 zum stehen. Crocodile konnte überhaupt nicht einschätzen, ob es sich um Sekunden, Minuten oder Stunden gehandelt hatte. Um ehrlich zu sein, verstand er nicht einmal, was überhaupt passiert war. Er ließ das Lenkrad los, blickte auf seine zitternde Hand und brach unvermittelt in Tränen aus. Es gab bloß eine einzige Sache, der Crocodile sich bewusst war: Er stand unter Schock. Ob er verletzt war oder nicht, konnte er nicht beurteilen. Die Fahrertüre wurde geöffnet und ein dunkelhaariger Mann, dessen Gesicht stark geschminkt war, lugte in das Wageninnere hinein. Er wirkte mindestens ebenso durch den Wind wie Crocodile sich fühlte. "Geht es Ihnen gut?", fragte er. Crocodile fiel sofort der leichte französische Akzent auf. "Sind Sie unverletzt? Oder soll ich lieber einen Krankenwagen rufen?" Crocodile atmete zweimal tief ein und aus. Er wischte sich mit dem rechten Hemdsärmel über die Augen und löste anschließend den Sicherheitsgurt. "Mir fehlt nichts, denke ich", meinte er mit schwacher Stimme und stieg aus dem Mercedes C 216. Seine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding. "Sicher?", hakte der fremde Mann nach. "Sie sehen (verständlicherweise) völlig fertig aus. Vielleicht haben sie eine Gehirnerschütterung, ein Schleudertrauma oder so etwas in der Art." Crocodile schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. "Mir geht es gut", wiederholte er. Allmählich spürte er, wie er wieder zu sich fand. "Sie können von Glück sprechen, dass Sie so glimpflich davon gekommen sind", meinte der dunkelhaarige Mann. "Dieser Unfall sah wirklich schlimm aus. Ich kam von rechts und habe alles genau gesehen. Die Beifahrertür ist vollkommen demoliert; von der Motorhaube des anderen Wagens ganz zu schweigen." Crocodile umrundete langsamen Schrittes seinen Mercedes C 216 und sah sich die Unfallstelle selbst an. Der Mann mit dem stark geschminkten Gesicht hatte nicht untertrieben: Beinahe die komplette rechte Seite seines Autos war zerstört. Grund dafür war die Motorhaube eines dunkelblauen Citroen C6, die sich tief in die Beifahrertüre grub. "Wie geht es den Insassen des Citroen?", fragte Crocodile, als er feststellte, dass der Wagen leer war. "Der Fahrer hat eine gebrochene Nase", erwiderte der Mann mit dem dunklen, kurzen Haar. "Wegen des Frontairbags. Ansonsten scheint er nichts abbekommen zu haben. Über sie beide hat heute wohl ein Schutzengel gewacht. Als ich gesehen habe, wie der Citroen Ihren Mercedes quer über die Kreuzung geschoben hat, war ich mir sicher, dass es Schwerverletzte, wenn nicht sogar Tote geben würde. Glück im Unglück, nenne ich so etwas. Die Polizei habe ich übrigens bereits alarmiert. Und einen Krankenwagen hat der Fahrer des Citroen sich selbst gerufen." Crocodile nickte. Noch immer konnte er nicht so recht fassen, was geschehen war. Seit dem Motorradunfall, bei dem er seine linke Hand verloren hatte, war er nicht mehr in einen schweren Unfall verwickelt gewesen. Als er sah, wie sowohl ein Kranken- und Streifenwagen als auch der Abschleppdienst in die Kreuzung einbogen, wurde ihm plötzlich furchtbar schlecht. Mit seiner rechten Hand stützte Crocodile sich am Heck des Mercedes C 216 ab, während er sich in mehreren Schüben mitten auf der Straße übergab. Er war mit den Nerven völlig am Ende. Diesen Umstand schien auch der Polizist, der mit ihm sprach, zu bemerken. Genauso wie der Mann mit dem französischen Akzent fragte der Beamte mehrmals, ob er einen Krankenwagen für ihn rufen sollten, doch Crocodile lehnte jedes Mal ab. Da ihm nichts fehlte und er sich in Krankenhäusern zumeist unwohl fühlte, sah er keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme. Man befragte ihn bezüglich des Unfallhergangs. Crocodile erklärte wahrheitsgemäß, dass er links abbiegen wollte, während des Vorgangs jedoch vom dunkelblauen Citroen gerammt und über die Kreuzung geschoben worden war. "Der Fehler lag eindeutig bei Ihnen", meinte der Polizist. Es handelte sich um einen pflichtbewusst wirkenden Mann mit schwarzem Haar, der sich unter dem Namen Chaka vorgestellt hatte. "Sie hätten vor dem Abbiegen den Gegenverkehr durchlassen müssen. Wie kommt es, dass Sie das versäumt haben?" Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich war in Gedanken", sagte er schließlich. Den heftigen Streit, den er mit seinem Verlobten gehabt hatte, ließ er außen vor. Um ehrlich zu sein, hatte er keine sonderlich große Lust, mit dem Polizeibeamten zu sprechen. Er stand noch immer unter Schock. Am liebsten hätte er sich einfach ein Taxi gerufen, um zu Daz zu fahren und sich von diesem umsorgen zu lassen. Eine kuschelige Decke um die Schultern und einen heißen Tee in der Hand könnte er nun wirklich gut gebrauchen. Chaka warf ihm einen skeptischen Blick zu. "Sie erwecken einen stark aufgewühlten Eindruck", sagte er. "Außerdem haben Sie sich übergeben, als mein Kollege und ich die Unfallstelle erreichten." Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Worauf wollen Sie hinaus?", fragte er. "Sie werden sich einem Bluttest unterziehen", gab Chaka zurück. "Und wozu?" "Um herauszufinden, ob Sie momentan unter dem Einfluss von Rauschmitteln stehen", erklärte ihm der Polizeibeamte, während er sich ein paar Notizen machte. Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was man ihm da vorwarf. "Ist das Ihr Ernst?", wollte er mit wütender Stimme wissen. "Sie glauben, dass ich unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehe? Bloß weil ich aufgewühlt bin und mich erbrochen habe? Sind Sie denn komplett verrückt?! Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber ich hatte eben einen schweren Autounfall und bin in meinem Wagen über die komplette Kreuzung geschleudert worden!" "Bitte mäßigen Sie sich", erwiderte Chaka, der von seinem Notizblock aufsah und ihm einen ernsten Blick zuwarf. "Ich kann nachvollziehen, dass Sie unter Schock stehen, aber das gibt Ihnen nicht das Recht, mir gegenüber ausfallend zu werden." "Tut mir wirklich sehr leid", gab Crocodile mit giftiger Stimme zurück. "Bei meinem nächsten Verkehrsunfall bemühe ich mich darum, nicht Ihre Schicht zu treffen. Ich kann nachvollziehen, dass es Sie nervt, sich mit Menschen herumzuschlagen, die womöglich nur um Haaresbreite dem Tod entkommen sind. Sorry!" "Bitte beruhigen Sie sich", meinte der Polizist. "Es nützt weder Ihnen noch mir etwas, wenn Sie jetzt ausrasten. Sie werden sich einem Bluttest unterziehen müssen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Die Polizei hat das Recht, zu prüfen, ob der Verursacher eines Autounfalls unter dem Einfluss von Rauschmitteln steht oder nicht." "Leck mich doch am Arsch, du Wichser!" Bei Crocodile brannten die Sicherungen durch. Ihm war überhaupt nicht bewusst, was er tat, während er brüllte: "Ich habe nichts getrunken und auch kein Gras geraucht, verdammt nochmal! Ich bin absolut dagegen, betrunken Auto zu fahren! Würden sich alle Menschen an diese Regel halten, dann hätte ich vielleicht noch meine linke Hand! Also wirf mir nicht vor, ich hätte mich unter Drogeneinfluss hinters Steuer gesetzt!" "Ganz ruhig!" Chaka hob in einer teils beschwichtigend, teils alarmiert wirkenden Geste seine beiden Hände. Sein Kollege, der sich im Augenblick mit dem geschminkten Mann unterhielt, der den Unfall beobachtet hatte, sah sofort zu ihnen hinüber. Crocodile schloss seine Augen und atmete zweimal tief ein und aus. Schließlich sagte er mit leiser Stimme: "Entschuldigung. Es war nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen. Ich habe meine Hand vor zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall verloren. Der Unfallverursacher stand unter starkem Alkoholeinfluss. Seitdem bin ich sehr empfindlich, was dieses Thema angeht. Um ehrlich zu sein, weiß ich gerade gar nicht, wo mir der Kopf steht. Bitte verzeihen Sie." "Ist in Ordnung", meinte Chaka. Crocodile konnte überhaupt nicht einschätzen, ob der Polizist seine Worte ernst meinte oder nicht. "Aber bitte bemühen Sie sich darum, Ruhe zu bewahren. Sobald wir mit der Befragung und dem Bluttest fertig sind, können Sie jemanden anrufen, der Sie abholt und sich um Sie kümmert." Crocodile nickte und versuchte, der Anweisung des Beamten folge zu leisten. Der Autounfall, den er verursacht hatte, nahm ihn bereits sehr mit; er hatte keine Lust darauf, sich nun auch noch Ärger mit der Polizei einzuhandeln. Anstatt also erneut aufbrausend zu werden, fügte er sich seinem Schicksal und folgte Chaka hinüber zum Streifenwagen, um sich dort dem angeordneten Bluttest zu unterziehen. Crocodile fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar und seufzte leise. Er fühlte sich absolut miserabel und sehnte sich nach jemandem, der ihm über den Rücken streichte und ein paar beruhigende Worte zuflüsterte. Ihm kamen Daz oder Doflamingo in den Sinn. Den Streit, den er mit seinem Partner gehabt hatte, hatte Crocodile beinahe schon wieder vergessen. Er erschien ihm absolut nebensächlich im Gegensatz zu dem, was gerade eben geschehen war. Herrgott, er hatte einen schlimmen Verkehrsunfall herbeigeführt! Plötzlich wurde Crocodile die gesamte Brandbreite seines Handelns klar. Verunsichert blickte er zu seinem Mercedes C 216 hinüber, dessen rechte Türe vollständig demoliert war. Der dunkelblaue Citroen C6, der gerade abgeschleppt wurde, hatte eine komplett zerstörte Motorhaube. Und bei den Schäden an den beiden Wagen handelte es sich um wohl um das geringere Übel. Weil er unaufmerksam gewesen war, wurde ein anderer Mensch in genau diesem Augenblick wegen einer gebrochenen Nase im Krankenhaus behandelt. Genausogut hätte der Fahrer des Citroen tot sein können. So wie er selbst auch. Crocodile wusste nicht, ob er von Glück oder Unglück sprechen sollte. Gerade als Chaka die Spritze zückte und ihm versicherte, es würde nicht wehtun, sondern bloß einmal kurz pieksen, wurde Crocodile bewusst, dass er tatsächlich unter Alkoholeinfluss stand. Bevor Doflamingo das Wohnzimmer betrat, um ihn wegen der beiden Kätzchen ins Lesezimmer zu führen, hatte er bereits eine halbe Flasche Wein getrunken gehabt. Daran hatte Crocodile gar nicht mehr gedacht. In seinem Kopf war bloß Platz für Wut auf seinen Verlobten gewesen. Für einen kurzen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Crocodile drehte sich von Chaka weg und übergab sich ein weiteres Mal auf der asphaltierten Fahrbahn. Er war betrunken Auto gefahren. Er hatte einen Unfall verursacht, bei dem ein anderer Mensch verletzt worden war. Crocodile ekelte sich vor sich selbst. * "Beruhige dich", sagte Daz in einem Tonfall, der so unfassbar gelassen klang, dass Crocodile sich nicht sicher war, ob seine Worte ernst oder ironisch gemeint waren. "Es hätte schlimmer kommen können. Niemand ist gestorben, niemand ist schwer verletzt worden." "Zwei Autos haben praktisch einen Totalschaden", erwiderte er und vergrub sein Gesicht in einem weichen Couchkissen. "Ein Mann hat sich die Nase gebrochen. Und es ist alles nur meine Schuld." "In einen Verkehrsunfall zu geraten, kann jedem passieren", meinte sein bester Freund. Er setzte sich neben ihn und stellte auf den Couchtisch zwei dampfende Tassen ab, die vermutlich Kamillentee enthielten. "Ich bin nicht hineingeraten, ich habe ihn verursacht", korrigierte Crocodile ihn und beobachtete den Dampf, der von den beiden Teetassen aufstieg. Er fühlte sich gleichzeitig aufgewühlt und ausgelaugt. Am liebsten hätte er sich für ein paar Stunden schlafen gelegt, doch er wusste, dass er die Augen nicht zu bekäme, wenn er es versuchen würde. "Weil ich mich betrunken hinters Steuer gesetzt habe, musste jemand ins Krankenhaus. Ich verabscheue mich selbst! Ich bin nicht besser als der Fahrer des Volvos, wegen dem ich meine Hand verloren habe. Ich sollte eine gebrochene Nase haben und nicht der Fahrer des Citroen!" "Dieser Fehler hätte dir auch nüchtern passieren können." Daz nahm einen Schluck Tee. "Du warst einfach in Gedanken. Ab und an ist jeder mal beim Auto fahren geistig abwesend. Du hattest einfach bloß Pech." "Dieser Unfall ist vermeidbar gewesen", hielt Crocodile energisch dagegen. "Wenn ich nüchtern gewesen wäre, hätte ich daran gedacht, den Gegenverkehr durchzulassen, bevor ich links abbiege." "Das kannst du überhaupt nicht wissen." Daz seufzte leise und meinte schließlich: "Es ist falsch gewesen, dass du unter Einfluss von Alkohol Auto gefahren bist. In dieser Hinsicht hast du absolut recht, Crocodile. Aber es nützt nichts, wenn du dich deswegen selbst quälst. Was passiert ist, ist passiert und lässt sich nicht mehr ändern. Außerdem darfst du nicht vergessen, dass du völlig kopflos warst wegen dem Streit, den du mit Doflamingo gehabt hast. Dieser Verkehrsunfall hätte dir genausogut auch stocknüchtern passieren können. Du warst einfach nicht ganz bei dir." "Ob der Grund für den Unfall der Alkohol in meinem Blut oder meine Wut auf Doflamingo gewesen ist", erwiderte Crocodile, "macht für den Fahrer des Citroen doch überhaupt keinen Unterschied. Sein Wagen ist demoliert und seine Nase auch. Meinetwegen." "Und was möchtest du deswegen jetzt tun?" Daz sah mit einem ernsten Gesichtsausdruck zu ihm hinüber. "Soll ich dir der Gerechtigkeit halber ebenfalls die Nase brechen? Glaubst du, das hilft dem Fahrer des Citroen in irgendeiner Art und Weise?" Crocodile zuckte mit den Schultern und schloss seine Augen. Er konnte Daz seufzen hören. "Wahrscheinlich brauchst du ein wenig mehr Zeit, um über deinen Schock hinwegzukommen", meinte er mit leiser Stimme. "Ich werde Doflamingo Bescheid geben, dass du bei mir bist. Er hat bereits bei mir angerufen, kurz nachdem du abgehauen bist, und nachgefragt, ob ich ich wüsste, wo du bist. Er macht sich große Sorgen um dich." Crocodile erwiderte auf diese Aussage nichts. Er verstärkte seinen Griff um das weiche und große Couchkissen, das er fest umkrallt hielt, und fragte sich, wie sein Verlobter wohl reagieren würde, wenn er von dem Unfall erfuhr, den er fahrlässigerweise verursacht hatte. Plötzlich erinnerte Crocodile sich daran, dass Doflamingos jüngerer Bruder gerade erst vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Sein Partner hatte psychatrische Hilfe in Anspruch nehmen müssen, um diesen Verlust zu verarbeiten. Der Unfallverursacher war ein anderer Fahrer gewesen, der ebenfalls Alkohol im Blut gehabt hatte. Crocodile schluckte und versuchte mit aller Kraft die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Er war völlig verzweifelt. Etwa eine dreiviertel Stunde später tauchte Doflamingo auf. Er wirkte sehr erleichtert; anscheinend war er froh darüber, ihn endlich gefunden zu haben. Bestimmt hat er sich furchtbare Sorgen gemacht, als ich verschwunden bin, schoss es Crocodile durch den Kopf. Trotzdem machte er keine Anstalten, seinen Partner zu begrüßen. Stattdessen vermied Crocodile den Blickkontakt und vergrub sein Gesicht erneut in dem weichen und großen Couchkissen, das er fest umkrallt hielt. Doflamingo lächelte zaghaft, als er sich neben seinen Verlobten auf die Couch setzte. Er schwieg für einen Moment. Vielleicht wollte er Crocodile die Möglichkeit geben, zuerst zu sprechen, doch als dieser auch nach mehr als einer halben Minute keinen Ton von sich gegeben hatte, ergriff er schließlich selbst das Wort: "Ich hoffe, dass du nicht allzu wütend auf mich bist, Crocodile. Du musst wissen, dass mir nichts auf der Welt wichtiger ist als unsere Beziehung und ich dich auf keinen Fall verlieren möchte. Ich liebe dich und würde am liebsten gleich sofort eine Familie mit dir gründen. Trotzdem war es falsch, die beiden Katzen zu besorgen, ohne diese Sache vorher mit dir abzusprechen. Das war ein hinterhältiger Schachzug von mir und ich verspreche dir, dass..." "Verdammt nochmal, Doflamingo, halt die Klappe!" Eigentlich hatte Crocodile überhaupt nicht vorgehabt, seinen Partner anzubrüllen, doch, um ehrlich zu sein, wusste er sich einfach nicht anders zu helfen. Zwei kleine Katzen stellten zurzeit wohl sein allergeringsten Problem dar. Was ihn um einiges stärker belastete, war der schlimme Autounfall, den er vor kaum eineinhalb Stunden verursacht hatte. Crocodile war definitiv nicht in der richtigen Verfassung, um sich mit Doflamingo über den Streit zu unterhalten, den sie beide zuvor gehabt hatten. Er fühlte sich nichtsnutzig, kraftlos und schrecklich erschöpft. Obwohl die Augen seines Verlobten wie üblich durch die getönten Gläser einer Sonnenbrille verdeckt wurden, wusste Crocodile ganz genau, dass Doflamingo ihm einen verwunderten und verunsicherten Blick zuwarf. Es dauerte nicht lange, bis er sich wieder gefangen hatte. "Ich kann verstehen, dass du wütend bist", sagte er und schien sich um einen sachlichen Tonfall zu bemühen, "aber ich bin mir sicher, dass wir ganz in Ruhe über die Dinge reden können, die vorgefallen sind. Schließlich sehe ich meinen Fehler ja auch ein." "Halt die Klappe", wiederholte Crocodile; dieses Mal klangen seine Worte jedoch deutlich schwächer. Sein Gesicht hatte er noch immer fest in einem der Couchkissen vergraben. Er spürte sehr deutlich, dass ihn die Verzweiflung überkam. Ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können, begann er zu zittern. Außerdem spürte er überdeutlich, dass er zum zweiten Mal an diesem Tag kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Aus dem Augenwinkel heraus konnte er beobachten, wie sein Verlobter fragend zu Daz hinübersah, der eben mit einer weiteren Tasse Tee aus der Küche zurückgekehrt war. Er stellte die Tasse vor Doflamingo auf den Couchtisch ab und ließ sich anschließend neben diesem nieder. "Nimm es ihm nicht übel", sagte er und seufzte leise. "Crocodile ist mit den Nerven vollkommen am Ende. Er steht unter Schock." "Schock?", hakte Doflamingo besorgt nach und ließ seinen Blick zwischen Crocodile und Daz hin- und herschweifen. "Er hatte einen Autounfall." "Was?" Doflamingo schien kaum fassen zu können, was sein Gastgeber da erzählte. "Ich.... ich... wow... ich meine... Wann? Wo?" Crocodile schloss die Augen. Es gefiel ihm nicht, dass Daz seinem Verlobten erzählte, was geschehen war, was er getan hatte, doch er fühlte sich zu schwach, um dem Einhalt zu gebieten. Außerdem war er froh darüber, dass Doflamingo von ihm abgelassen hatte und sich nun stattdessen Daz zuwandte. Er hätte nicht die Kraft dazu aufbringen können, seinen häufig doch so furchtbar sturen und hartnäckigen Partner abzuwimmeln. "Der Unfall ist vor etwas mehr als einer Stunde passiert", erklärte Daz. "Crocodile wollte wohl zu mir fahren, nachdem ihr beide euch gestritten hattet. Hast du auf dem Weg hierher die katholische Kirche gesehen, die ein paar Blocks entfernt steht? Dort wollte er links abbiegen, war allerdings so durcheinander, dass er nicht daran gedacht hat, vorher den Gegenverkehr durchzulassen. Ein anderer Wagen hat seinen Mercedes gerammt und ihn quer über die gesamte Kreuzung geschleudert. Es ist ein Wunder, dass niemand schwer verletzt wurde. Ich habe die beiden Autos gesehen, als ich Crocodile abgeholt habe: Die komplette rechte Seite seines Mercedes ist demoliert, genauso wie die Motorhaube des anderen Wagens. Es sah wirklich sehr schlimm ist. Und, nun ja, auch wenn Crocodile (dem Himmel sei Dank) unverletzt geblieben ist, steht er immer noch unter Schock. Er braucht sehr viel Ruhe." Doflamingo schluckte sichtbar, ehe er nickte. Er wirkte beinahe so aufgelöst wie Crocodile sich fühlte. "Ich würde vorschlagen, dass ihr beide heute bei mir übernachtet. Eine lange Autofahrt ist wohl das Letzte, was Crocodile jetzt gebrauchen kann. Außerdem ist morgen ja sowieso Samstag." "Das hört sich gut an", meinte Doflamingo. "Vielen Dank." Daz winkte ab. "Wenn es euch nichts ausmacht, werde ich jetzt das Abendessen vorbereiten", sagte er und erhob sich. Crocodile war sofort klar, dass es sich nur um einen Vorwand handelte, um Doflamingo und ihm die Möglichkeit zu geben, ein wenig unter sich zu sein. Daz aß nämlich normalerweise bereits gegen neunzehn Uhr zu Abend; und der große Zeiger der Uhr, die an der Querwand des Wohnzimmers hing, lief bereits auf die Neun zu. Kaum hatte Daz den Raum verlassen, spürte Crocodile die Hand seines Partners an seiner Schulter. Fast erwartete er, dass Doflamingo ihn schüttelte und ihm wütend vorwarf, der Unfall wäre allein seine Schuld gewesen, doch zu seiner Verwunderung handelte es sich um eine sehr zärtliche und liebevolle Berührung. Crocodile schämte sich dafür, dass er die Nähe seines Verlobten genoss. Schließlich hatte er gerade eben erst einen schlimmen Autounfall verursacht; Mitleid und Rücksichtnahme waren da das Letzte, was er verdient hatte. "Du musst jetzt nichts sagen", meinte Doflamingo in einem Tonfall, der ebenso sanft klang wie seine Berührung sich anfühlte. "Ich verstehe, dass du nervlich total fertig bist und jetzt keine Lust hast, mit mir über unseren Streit oder irgendetwas Anderes zu sprechen. Das ist in Ordnung." Crocodile nickte und löste sich endlich von seinem Couchkissen. Damit, dass sein Verlobter so unfassbar verständnisvoll reagieren würde, hatte er beim besten Willen nicht gerechnet gehabt. Immerhin wusste Doflamingo doch, dass er ein paar Gläser Wein getrunken hatte, ehe er losgefahren war. Crocodile setzte sich auf und fuhr sich leise seufzend mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar. Er spürte, dass er seinen Schock allmählich überwand. Was allerdings nicht bedeutete, dass er sich in irgendeiner Art und Weise besser fühlte. Noch immer vertrat er die Ansicht, dass er etwas absolut Furchtbares getan hatte. Unweigerlich fragte er sich, ob der Fahrer des Citroen das Krankenhaus inzwischen bereits wieder verlassen hatte. Crocodile wusste nicht, wie lange es dauerte, eine gebrochene Nase zu behandeln. Doflamingo legte die Arme um seinen Körper; wie von selbst schloss Crocodile seine Augen und lehnte sich in die Umarmung hinein. Es tat ihm unwahrscheinlich gut, den Herzschlag und die Körperwärme seines Partners zu spüren. Sofort fühlte er sich ein klein wenig besser. Zu Abend gab es eine Tomatensuppe, die Daz selbst gemacht hatte. Doch obwohl sie wirklich ausgezeichnet schmeckte, verspürte Crocodile überhaupt keinen Appetit. Er zwang lediglich ein paar Löffel der Flüssigkeit hinunter, um seinen Gastgeber nicht zu beleidigen. Anschließend führte Daz sie ins Gästezimmer, das im ersten Stock seines Hauses lag. Es war zwar gerade einmal zehn Uhr abends, doch Daz schien genug Menschenkenntnis zu besitzen, um zu verstehen, dass sie beide ein wenig Ruhe brauchten und lieber unter sich sein wollten. Doflamingo und Crocodile bedankten sich beide überschwänglich für die Möglichkeit, hier übernachten zu dürfen, doch ihr Gastgeber erwiderte lediglich, dass es sich um eine Selbstverständlichkeit handelte und sie beide gerne so lange bleiben dürften, wie sie wollten. Um ehrlich zu sein, täte Crocodile nichts lieber, als sich einfach ins Bett zu legen und darauf zu warten, dass ihn irgendwann der Schlaf einholte. Er hoffte, dass es ihm morgen womöglich ein klein wenig besser ging und er eine andere Sicht auf die Dinge bekam. Das einzige Problem, das es gab, war Doflamingo: Denn obwohl Crocodile die Nähe seines Verlobten sehr genoss, war er sich ziemlich sicher, dass er heute Abend keine Lust auf Sex bekommen würde. Er fragte sich, ob Doflamingo trotz der schlechten seelischen Verfassung, in der er sich momentan befand, den Versuch wagen würde ihn zu verführen. Schweigend und ohne den Blick mit seinem Partner zu kreuzen, entkleidete Crocodile sich bis auf die Boxershorts, ehe er unter die Decke schlüpfte. Daz schien die Bettwäsche erst vor kurzem gewechselt zu haben: Sie roch sehr angenehm nach Waschpulver und verleitete Crocodile dazu, tief ein- und auszuatmen. Doflamingo rückte nah an ihn heran, legte den Arm um seine Hüfte und vergrub das Gesicht in seinem Haar. Crocodile schob seinen Verlobten mit der Hand von sich und meinte mit leiser, aber energischer Stimme: "Ich habe keine Lust auf Sex, Doffy." Es war das erste Mal in ihrer Beziehung, dass er Doflamingo absolut eindeutig den Sex verweigerte. Fast erhoffte Crocodile sich, einen Streit vom Zaun zu brechen. Er wollte seinen Partner wütend machen; er wollte, dass er ihn anschrie. Ihm sagte, er wäre nichtsnutzig und verantwortungslos. Denn genau so fühlte Crocodile sich im Augenblick. Es kam ihm so vor, als verdiente er das Mitgefühl und den Trost seines Verlobten nicht. Immerhin hatte wegen seines rücksichtslosen Verhaltens jemand anders eine gebrochene Nase davongetragen. Der Fahrer des Citroen hätte genausogut auch tot sein können. Er wünschte sich, dass Doflamingo ihn mit Wut und Verachtung strafte. Gerade weil dieser seinen jüngeren Bruder bei einem Unfall verloren hatte, der ebenfalls durch einen betrunkenen Autofahrer verursacht worden war, hatte er jedes Recht dazu. "Ist schon gut", sagte Doflamingo in einem ruhig und sanft klingenden Tonfall. Er rückte erneut nah ihn heran, während er fortfuhr: "Ich habe überhaupt nichts vor. Ich möchte einfach nur eine Weile neben dir liegen. Versuch jetzt am besten einzuschlafen, Baby, ja?" Crocodile windete sich aus der Umarmung seines Partners, setzte sich im Bett auf und bedeckte seine Augen mit der Innenfläche der rechten Hand. Er konnte es kaum fassen, dass Doflamingo seine Ablehnung so einfach akzeptierte. Anscheinend brachte er ja sogar Verständnis dafür auf. Dabei war Crocodile doch gar nicht das Opfer in dieser Situation. Ganz im Gegenteil: Er war der Täter. Dieses Mal war er der betrunkene Autofahrer gewesen, der einen schlimmen Unfall verursacht hatte. "Was hast du?", fragte Doflamingo, der sich ebenfalls aufgesetzt hatte. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Was ist los mit dir?" Crocodile schüttelte die Hand seines Verlobten ab, stieg aus dem Bett und schlüpfte in seine Kleidung, die auf dem Teppichboden verstreut lag. Wieso konnte sein Partner, der ihn schon wegen viel geringerer Dinge angeschrien hatte, nicht auch jetzt wütend werden? Warum tat er so, als hätte er überhaupt nichts falsch gemacht? "Hey! Wohin willst du denn?" Geistesgegenwärtig sprang Doflamingo aus dem Bett, hastete zur Zimmertüre hinüber, drehte den Schlüssel im Schloss herum und nahm diesen anschließend an sich. "Schließ gefälligst wieder auf!", verlangte Crocodile, als er (bis auf seine Schuhe, die unten im Flur standen) vollständig angekleidet war. "Du solltest jetzt nicht allein irgendwo hingehen", erwiderte Doflamingo, ohne seinem Wunsch nachzukommen. "Du bist immer noch viel zu durcheinander. Leg dich am besten wieder ins Bett und versuch einzuschlafen. Morgen wird es dir mit Sicherheit gleich viel besser gehen." "Du hast kein Recht dazu, mich hier einzusperren!", hielt Crocodile zornig dagegen. "Ich bin kein kleines Kind, verdammt nochmal!" "Wohin willst du überhaupt? Es ist zweiundzwanzig Uhr dreißig", erwiderte Doflamingo, der die Einwände seines Verlobten erneut einfach überging. Crocodile zuckte mit den Schultern. Er hatte daran gedacht, eine Bar aufzusuchen und solange zu trinken, bis er nicht mehr wusste, wer er überhaupt war, doch wahrscheinlich wäre es nicht allzu klug, diesen Plan seinem Partner mitzuteilen. Außerdem stand er überhaupt nicht in der Pflicht, Doflamingo gegenüber Rechenschaft abzulegen. Schließlich war dieser nicht sein Vater. "Möchtest du einen Spaziergang machen, um auf andere Gedanken zu kommen?", mutmaßte Doflamingo. "Damit bin ich einverstanden, aber lass mich wenigstens mitkommen. Wir müssen nicht miteinander reden, wenn du das nicht willst, aber ich möchte sichergehen, dass dir nichts zustößt." "Lass diesen Unsinn!", knurrte Crocodile, während Doflamingo seine Kleidung zusammensuchte. Es ärgerte ihn, dass sein Verlobter sich erneut so furchtbar fürsorglich verhielt, wo er doch eigentlich das genaue Gegenteil provozieren wollte. "Was soll mir denn schon passieren?" "Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus", erwiderte Doflamingo ungerührt. "Ich weiß nicht, wer sich nachts hier herumtreibt. Ein paar Jugendliche, die dich überfallen, sind das Letzte, was du jetzt gebrauchen kannst." "Wir befinden uns in einem Vorort", hielt Crocodile dagegen. "Hier treiben sich keine Diebesbanden herum. Außerdem sollte ich im schlimmsten Fall selbst mit ein paar Halbwüchsigen klarkommen. Ich bin kein wehrloses Mädchen, Doflamingo." "Du bist schon einmal überfallen worden! Und ich möchte unter allen Umständen vermeiden, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt!" Verwundert legte Crocodile den Kopf schief. Er war in seinem ganzen Leben noch nie überfallen worden. (Seine imposante Körpergröße und seine im Regelfall recht autoritäre Ausstrahlung hatten ihn bisher vor Übergriffen dieser Art ganz gut schützen können.) Es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, worauf Doflamingo hinaus wollte: Vor etwa fünf Jahren, kurz nach der Trennung von seinem gewalttätigen Exfreund Enel, hatte dieser ihm im Dunkeln aufgelauert und mit einem Messer das Gesicht aufgeschlitzt. Teils aus Scham und teils, weil er seine Geschwister und Freunde nicht zusätzlich in Angst versetzen wollte, hatte Crocodile diesen gegenüber angegeben, er wäre von einer Gruppe Jugendlicher überfallen worden. Er erinnerte sich daran, dass er sogar seinen teuren Mantel und seine Geldbörse in die nächste Mülltonne geworfen hatte, um die Geschichte glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Weil er Mihawk, Hancock und Daz erklärt hatte, die jungen Delinquenten hätten angedroht, ihm erneut Gewalt anzudrohen, wenn er sich an die Polizei wandte, hatte er wegen dieser Gewalttat niemals Anzeige erstattet. Anschließend hatte er auch die Anzeige wegen des gebrochenen Arms, der gebrochenen Rippe und der Gehirnerschütterung, die er bei der Trennung von Enel davongetragen hatte, zurückgezogen. Unweigerlich fragte Crocodile sich, woher Doflamingo Wind von dieser Lügengeschichte bekommen hatte. "Wer hat dir davon erzählt?", fragte er darum mit ernster Stimme. Der Gesichtsausdruck, den sein Partner aufsetzte, bestätigte ihm, dass dieser ganz genau wusste, wovon er sprach. "Shanks", gab Doflamingo schließlich zu. "Wir sind bei Hancocks Schwangerschaftsparty irgendwie auf dieses Thema gekommen. Er hat mir erzählt, dass du abends von einer Bande Jugendlicher überfallen worden bist und sie dir dein Gesicht aufgeschlitzt haben. Und, nun ja, seit ich von dieser Sache erfahren habe, mache ich mir in dieser Hinsicht eben besonders große Sorgen um dich. Mir wäre es wirklich lieber, wenn ich dich begleiten würde." Crocodile zögerte für einen Moment, ehe er erwiderte: "Die Geschichte ist erlogen." Er hoffte, dass Doflamingo endlich wütend werden und ihn anbrüllen würde, wenn er ihm offenbarte, dass er sich diesen Vorfall bloß ausgedacht hatte. "Es gab nie irgendwelche Jugendlichen, die mich bestohlen haben." "Was?" Verwundert zog sein Verlobter die Augenbrauen zusammen. Crocodile nickte eifrig. "Du hast richtig gehört", sagte er. "Ich habe meine Geschwister und meine Freunde angelogen." "Dein Mantel und deine Geldbörse waren verschwunden", hielt Doflamingo dagegen. "Und du hattest eine schwere Wunde im Gesicht. Das sind Fakten, die nicht erfunden sein können." "Es stimmt, dass mir das Gesicht mit einem Messer aufgeschlitzt wurde, als ich abends allein unterwegs war", gab Crocodile zu. "Aber ich bin nicht überfallen worden. Meinen Mantel und meine Geldbörse habe ich anschließend selbst entsorgt, um meiner Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen. Ich habe keine Angst davor, abends allein nach draußen zu gehen. Und ich fürchte mich auch nicht vor irgendwelchen halbwüchsigen Rowdies. Also schließ jetzt gefälligst endlich wieder die Türe auf!" "Aber warum?" Doflamingo schien nicht so recht fassen zu können, was sein Partner ihm auftischte. "Warum hast du alle angelogen? Wer hat dir in Wirklichkeit diese Verletzung zugefügt?" "Das spielt keine Rolle" entgegnete Crocodile, der überhaupt keine Lust verspürte, mit seinem Verlobten über Enel zu sprechen. "Mach die Türe auf, Doflamingo! So langsam verliere ich die Geduld!" "Ich schließe auf, sobald ich mich angezogen habe", entgegnete dieser mit ernster Stimme. "Du brauchst mich nicht zu begleiten", erwiderte Crocodile, dem sofort klar war, worauf sein Partner hinaus wollte. "Ich bin mir sicher, dass ich nicht überfallen werde. Also hör auf, dir Sorgen um mich zu machen!" "Dir geht es nicht gut", hielt Doflamingo dagegen, während er in seine Hose schlüpfte. "Du stehst immer noch unter Schock, du bist vollkommen durcheinander. In diesem Zustand werde ich dich nicht allein auf die Straße lassen." "Und wieso nicht?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Hast du Angst, ich könnte mich vor einen Zug werfen oder von einer Brücke stürzen?" "Ich dachte eigentlich daran, dass du dich womöglich verläufst oder einen Nervenzusammenbruch erleidest, so etwas in der Art", meinte Doflamingo und presste seine Lippen fest aufeinander. "Aber vielen Dank für diese neuen Ängste, die du in mir geschürt hast!" Crocodile rollte mit den Augen. "Du übertreibst. Mir geht es gut. Ich bin nicht einmal verletzt worden." "Nicht körperlich", korrigierte sein Verlobter spitzfindig. "Verdammt, Crocodile: Warum musst du immer so furchtbar stolz sein? Warum kannst du dir nicht einmal eingestehen, dass es dir schlecht geht und du Hilfe brauchst? Nur ein einziges Mal?" Crocodile seufzte leise auf und senkte den Blick. Er kannte den Grund ganz genau. Crocodile zögerte einen Moment lang, ehe die Worte geradezu aus ihm herausbrachen: "Weil ich es nicht verdiene." "Was?" Doflamingo hielt in seiner Bewegung inne und sah verdutzt zu ihm hinüber. "Was hast du da gesagt?" Anstatt seine Aussage zu wiederholen, zuckte Crocodile bloß mit den Schultern. Er war sich ziemlich sicher, dass sein Partner seine Worte verstanden hatte. Doflamingo kam auf ihn zu und legte die Arme um seinen Körper. Crocodile wehrte sich nicht gegen die Umarmung; er lehnte sich sogar in sie hinein und schloss seine Augen. Er konnte das Herz seines Verlobten laut schlagen hören. "Schlag dir diesen verfluchten Gedanken gleich wieder aus dem Kopf", flüsterte Doflamingo. Seine Stimme war leise, doch klang so unfassbar energisch und durchdringend, dass Crocodile nicht den geringsten Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Worte hegte. "Du darfst dich nicht schuldig fühlen! Es war ein Unfall!" Crocodile schüttelte den Kopf, doch löste die Umarmung nicht auf. Dazu fühlte er sich im Augenblick nicht imstande, auch wenn er sich selbst für seine Schwäche hasste. "Ich war betrunken", erwiderte er. "Eigentlich hatte ich geplant, den Abend Zuhause zu verbringen. Ich saß auf der Couch, habe eine Zeitschrift gelesen und ein paar Gläser Wein getrunken. Erinnerst du dich noch? Deswegen habe ich vergessen, den Gegenverkehr durchzulassen, bevor ich links abbiege. Nicht wegen unseres Streits, sondern weil ich Alkohol getrunken hatte. Es ist alles meine Schuld, Doflamingo!" Doflamingo schüttelte den Kopf und intensivierte ihre Umarmung. "Ich weiß", sagte er. "Aber du hast den Autounfall doch nicht absichtlich herbeigeführt, oder? Und wenn du es nicht absichtlich getan hast, ist es auch nicht deine Schuld. Du hast nicht vorsätzlich gehandelt, Crocodile!" "Aber fahrlässig", wandte dieser ein. "Ich bin noch nie mit Alkohol im Blut Auto gefahren. Selbst wenn ich bloß ein Glas Wein getrunken habe, habe ich mir immer lieber ein Taxi gerufen, anstatt selbst zu fahren. Gerade ich weiß doch, welche verheerenden Folgen es haben kann, wenn man betrunken Auto fährt. Der Fahrer des Citroen ist dieses Mal zwar mit einer gebrochenen Nase davon gekommen, aber er hätte genausogut auch tot sein können. Oder schwer verletzt. Und ich hätte für den Rest meines Lebens einen unschuldigen Menschen auf dem Gewissen!" "Es ist aber niemand gestorben und auch nicht schwer verletzt worden", wandte Doflamingo ein. "Du musst aufhören, dich ständig zu fragen, was hätte passieren können. Konzentrier dich stattdessen auf die Fakten: Ja, du bist betrunken Auto gefahren. Ja, das war ein riesiger Fehler. Und ja, du hast einen Unfall herbeigeführt, bei dem zwei Wagen und eine Nase zu Schaden gekommen sind. Mehr musst du dir nicht vorwerfen, denn mehr ist nicht geschehen. Also hör bitte auf, dir Vorwürfe zu machen wegen Dingen, die überhaupt nicht passiert sind. Und auch nie passieren werden, denn ich bin mir sicher, dass du niemals wieder Auto fahren wirst, wenn du etwas getrunken hast." "Als ich mich ins Auto gesetzt habe, habe ich gar nicht mehr daran gedacht, dass ich Wein getrunken hatte", sagte Crocodile mit leiser Stimme. "Ich war so wütend wegen der beiden kleinen Katzen, dass ich völlig vergessen habe, was vorher gewesen ist. Selbst als ich mit der Polizei gesprochen habe, war ich mir noch absolut sicher, völlig nüchtern gewesen zu sein. Erst als mir Blut abgenommen wurde, ist mir wirklich klar geworden, dass ich zuvor ein paar Gläser Wein getrunken habe." "Du hattest nichts Anderes im Kopf als unseren Streit", bestätigte Doflamingo seine Worte. "Wenn du daran gedacht hättest, dass du Alkohol getrunken hast, wärst du niemals auch nur auf die Idee gekommen, Auto zu fahren. Da bin ich mir hundertprozentig sicher. Du bist keine verantwortungslose Person, Crocodile, du warst einfach bloß durcheinander." Was Doflamingo sagte, klang in Crocodiles Ohren äußerst verführerisch. Es schien gar keine so schwere Sache zu sein, die Schuld einfach von sich zu schieben. Also erwiderte er: "Vielleicht war der Fahrer des Volvos auch einfach bloß durcheinander. Genauso wie der Fahrer, der Corazon auf dem Gewissen hat. Vielleicht hätte ich noch meine linke Hand und du deinen Bruder, wenn sie nicht durcheinander gewesen wären." "Das kannst du nicht miteinander vergleichen", erwiderte Doflamingo in einem überraschend gefassten Tonfall. Eigentlich war Crocodile davon ausgegangen, dass es sich bei Corazon um den wunden Punkt seines Verlobten handelte, dass dieser endlich ausrasten und ihn wütend anschreien würde, doch anscheinend hatten die vielen Treffen mit seinem Psychater Wirkung gezeigt. Doflamingo ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Anstatt ihn von sich zu stoßen und wild zu toben, meinte er: "Der Fahrer des Volvos, der für den Verlust deiner Hand verantwortlich ist, hatte 1, 2 Promille. Der Autofahrer, der meinen Bruder auf dem Gewissen hat, hatte 2, 4 Promille. Wie viel Promille hattest du laut Bluttest, Crocodile?" "0, 3", antwortete er wahrheitsgemäß. Doflamingo zog verwundert eine Augenbraue hoch. "Damit befindest du dich sogar noch im legalen Bereich", sagte er schließlich. "Man darf mit bis zu 0, 5 Promille Alkohol im Blut noch Auto fahren, solange der Fahrer dadurch nicht beeinträchtigt wird. Hast du dich durch in irgendeiner Form beeinträchtigt gefühlt? Hast du doppelt gewesen? War dir schwindelig? Irgendetwas in der Art?" Crocodile schüttelte den Kopf. "Wie gesagt", meinte er. "Ich habe ja völlig vergessen gehabt, dass ich Wein getrunken hatte. Wenn es mir klar gewesen wäre, hätte ich mich ja niemals hinters Steuer gesetzt." Dann fügte er rasch hinzu: "Aber ich war in meiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt! Sonst wäre es doch gar nicht erst zu diesem Unfall gekommen!" "Das kannst du gar nicht wissen", wandte Doflamingo ein. "Vielleicht ist dieser Unfall passiert, weil du wütend und durcheinander warst, und hat überhaupt nichts mit deinen 0, 3 Promille zu tun gehabt. Das wissen wir nicht und werden wir auch niemals erfahren. Also hör auf, dich deswegen selbst fertig zu machen. Du hast einen Fehler gemacht, Crocodile. Jeder macht ab und an mal einen Fehler. Lern daraus und nimm dir vor, diesen Fehler nie zu wiederholen. Aber es nützt nichts, wenn du dich deswegen geißelst. Haben wir uns verstanden?" Crocodile nickte zaghaft. "Ich habe auch schon ein paar Unfälle verursacht", versuchte Doflamingo ihn zu trösten. "Einer der Gründe, wieso ich mir einen Chaffeur zugelegt habe, ist der, dass ich selbst furchtbar schlecht Auto fahre. Einmal, ähm, als ich versucht habe auszuparken, bin ich rückwärts gegen ein am Rand stehendes Straßenschild gefahren. Meine Stoßstange ist aus der Verankerung gerissen; ganz zu schweigen von dem Schild, das ich umgenietet habe. Ein anderes Mal habe ich aus Versehen die Rechts-vor-links-Regel nicht beachtet und einem BMW i8 die Vorfahrt genommen. Der Fahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und ist in die rechte Seite meines Cadillacs gedonnert. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich geärgert habe, denn den Cadillac hat mein Vater mit zum achtzehnten Geburtstag geschenkt gehabt. Aber dieser Unfall hatte auch etwas Gutes, denn auf diese Weise habe ich Monet kennengelernt." "Wirklich?" Doflamingo nickte eifrig. "Klar. Man muss nur für kurze Zeit geistesabwesend sein und schon hat man ein Schild, ein anderes Auto oder was auch immer übersehen. Ich bin sogar einmal schnurstracks gegen eine Betonwand gefahren. Ich hatte in einer Tiefgarage einparken wollen und bin einfach zu weit nach vorne gefahren. Unfassbar, hm? Monet saß auf dem Beifahrersitz und hat sich schlappgelacht. Ich war gedanklich noch bei dem Film gewesen, den wir uns zuvor im Kino angesehen haben. Jeder baut früher oder später mal einen Unfall. Diese Dinge passieren eben. Niemand ist davor sicher. Verstehst du, was ich dir sagen möchte, Crocodile?" Crocodile löste sich von seinem Verlobten, atmete zweimal tief ein und aus, und nickte schließlich. Doflamingo lächelte breit. "Wunderbar", sagte er und küsste ihn auf die Stirn. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben." "Ich auch", gestand Crocodile. Er fühlte sich immer noch schlecht, aber spürte bereits, dass seine Laune allmählich besser wurde. Mit Doflamingo zu sprechen, hatte ihm wirklich gutgetan. "Wollen wir uns wieder ins Bett legen?", fragte sein Partner. "Bett klingt gut", antwortete Crocodile mit schwacher Stimme und zog sich sein Hemd kurzerhand über den Kopf. Doflamingo tat es ihm gleich. * Dieses Mal war es Crocodile, der nah an seinen Verlobten heranrückte. Doflamingos Körper war warm und spendete ihm Trost. Er presste seinen Kopf gegen die muskulöse Brust seines Partners, schloss seine Augen und atmete tief durch. Wenige Augenblicke später spürte er eine Hand, die ihm zärtlich über das Haar und den Rücken strich. Es dauerte nicht lange, bis Crocodile vollkommen entspannt war. Er genoss die Nähe zu Doflamingo sehr und merkte, dass die schwere Last, die er den ganzen Tag über mit sich getragen hatten, allmählich von seinen Schultern genommen wurde. Irgendwann fühlte Crocodile sich so wohl, dass er sich wünschte, Doflamingos Hand würde nicht bloß seinen Rücken, sondern auch Körperregionen, die ein wenig weiter unten lagen, streicheln. Er verspürte keine wilde Lust auf harten Sex, allerdings das starke Bedürfnis, seinem Verlobten nah zu sein. Näher, als sie sich momentan waren. Er sehnte sich danach, dass Doflamingos warme Hände ihn an intimeren Stellen berührten. Crocodile, der in solcher Hinsicht eine eher zurückhaltende Person war, versuchte sein Verlangen deutlich zu machen, indem er selbst den Körper seines Partners anfasste: Mit dem Zeigefinger strich er sanft über Doflamingos Hüfte und seine Oberschenkel. Als (abgesehen von einem leisen Schnurren) jedoch keine Reaktion kam, wurde Crocodile ein wenig kühner: Er tastete nach dem Schritt seines Verlobten und rieb ihn über dem Stoff der Boxershorts. Er konnte hören, wie Doflamingo überrascht aufkeuchte. Es dauerte wenige Sekunden, bis sich sein Glied zur vollen Größe aufgerichtet hatte. Crocodile konnte ein triumphierendes Grinsen nicht ganz unterdrücken. Ob er es zugab oder nicht: Dass es ihm gelang, bei seinem nichtsahnenden Partner so schnell eine Erektion heraufzubeschwören, erfüllte ihn mit Stolz. "Wani", flüsterte Doflamingo mit undefinierbarer Stimme. Crocodile hob den Kopf und küsste den Hals seines Verlobten, während er gleichzeitig mit der Boxershorts spielte, die dieser trug: Immer wieder presste er seine rechte Hand auf Doflamingos Schritt, rieb über dem Stoff dessen erigiertes Glied oder ließ seine Finger neugierig unter den Bund gleiten. Die zwar leisen, doch sehr eindeutigen Geräusche, die sein Partner von sich gab, erregten auch Crocodile; es dauerte nicht lange, bis er spürte, dass seine eigene, halbsteife Männlichkeit sich zu ihrer vollen Größe aufrichtete. "Du musst das nicht tun", sagte Doflamingo plötzlich. "Ich verstehe, dass es dir heute nicht gut geht. Seelisch, meine ich. Du hast eben selbst gesagt, dass du keine Lust auf Sex hast." "Ich habe meine Meinung geändert", gab Crocodile grinsend zurück. Er griff endlich in die Boxershorts seines Verlobten und begann dessen Glied langsam zu pumpen. Es fühlte sich unwahrscheinlich warm und verführerisch in seiner Hand an. "Ich kann es kaum erwarten, dich in mir zu spüren." Normalerweise war Crocodile niemand, der solche Dinge sagte; doch in diesem Augenblick kam es ihm richtig vor. Doflamingo hatte recht, wenn er behauptete, dass es ihm nicht gut ging. Doch aus genau diesem Grund benötigte er nun die Unterstützung seines Verlobten. Er wünschte sich, dass Doflamingo begriff, wie sehr er sich nach Nähe und Trost sehnte. Und anscheinend tat Doflamingo dies auch: Kaum hatte er zu Ende gesprochen, vergrub dieser beide Hände in seinem dunklen Haar und verwickelte ihn in einen leidenschaftlichen Zungenkuss. Crocodile fühlte sich unfassbar wohl und ließ sich nur zu gerne darauf ein. Es war nicht gelogen gewesen, als er gemeint hatte, er könnte es kaum erwarten, seinen Partner in sich zu spüren. Crocodile stöhnte laut auf, als Doflamingo eine Hand aus seinem Haar löste und stattdessen nach seinem Glied griff. Für ein paar Minuten lagen sie beide da, küssten einander leidenschaftlich und rieben eifrig das aufgerichtete Glied des jeweils Anderen. Bald sehnte Crocodile sich nach mehr. Er wandte sich an seinen Verlobten und hauchte mit leiser Stimme: "Ich kann nicht länger warten, Doffy. Ich brauche dich jetzt." Doflamingo nickte. Weniger als eine halbe Sekunde später riss er entsetzt die Augen auf und schlug die Hände vor den Mund zusammen. "Die Gleitcreme", flüsterte er. "Oh, verdammt!" "Nimm einfach Speichel", erwiderte Crocodile. Er spürte, dass sein Verlangen, von Doflamingo ausgefüllt zu werden, immer größer wurde. Sein Verlobter schüttelte den Kopf. "Spucke ist kein sonderlich guter Ersatz für Gleitcreme", erklärte er. "Vor allen Dingen bei meiner Penisgröße nicht. Ich würde dir wehtun und das möchte ich nicht." "Das wird schon gehen", versuchte Crocodile ihn zu überzeugen. Die Vorstellung, dass sie den Sex womöglich abbrechen mussten, weil sie kein Gleitmittel zu Hand hatten, sagte ihm überhaupt nicht zu. "Ich habe Gleitcreme mitgenommen", sagte Doflamingo plötzlich. "Ich, ähm, um ehrlich zu sein... also, bevor ich von dem Unfall erfahren habe... nun ja... da habe ich auf Versöhnungssex gehofft. Deswegen habe ich eine kleine Tube eingepackt, bevor ich losgefahren bin." "Und wo ist dann das Problem?", hakte Crocodile verärgert nach. Er hatte jetzt überhaupt keine Lust darauf, mit seinem Partner zu diskutieren. Er sehnte sich nach Sex. "Die Tube befindet sich in der Innentasche meines Mantels", antwortete Doflamingo. "Und der hängt an der Garderobe unten im Flur." "Na, dann geh runter und hol sie!", befahl Crocodile ungeduldig. "Was? Jetzt?" Verunsichert deutete sein Partner auf sein vollständig erigiertes Glied; ein paar Lustropfen befeuchteten die glänzende Eichel. "Zieh dir eben was über", gab Crocodile zurück. "Vielleicht ist Daz noch wach", wandte Doflamingo zweifelnd ein. "Und mein Penis ist zu groß; ich kann ihn nicht so einfach verbergen. Auch wenn ich meine Hose überstreife, wird er sofort sehen, dass ich einen Steifen habe." Crocodile verschränkte die Arme vor der Brust, presste die Lippen fest aufeinander und wich dem Blick seines Partners aus. "Willst du nun Sex haben oder nicht?", fragte er mit erbarmungsloser Stimme. "Ist ja gut." Beschwichtigend hob Doflamingo beide Hände. "Ich gehe ja schon." Hastig stieg er aus dem Bett und schlüpfte provisorisch in sein Hemd und seine Hose. Obwohl Crocodiles Laune sich durch diesen nervigen Zwischenfall verschlechterte, musste er zugeben, dass der Anblick, der sich ihm nun bot, ihn beinahe schon wieder entschädigte: Dabei zuzusehen, wie sein Verlobter extrem vorsichtig in seine Hose stieg und versuchte, unnötige Reibung zu vermeiden, amüsierte ihn einfach nur köstlich. Außerdem stellte Crocodile fest, dass Doflamingo durchaus nicht übertrieben hatte: Seine Erektion zeichnete sich tatsächlich überdeutlich unter dem Stoff der Hose ab. "Tja, ein riesiger Schwanz ist wohl nicht immer von Vorteil", neckte er seinen Verlobten. "Das kannst du schlecht beurteilen", gab dieser schlagfertig zurück, "außer, wenn er in dir drin steckt." Crocodile setzte zu einer schnippischen Erwiderung an, entschied sich dann allerdings doch dazu, lieber zu schweigen. Er wusste, dass Doflamingo seine Worte nicht wirklich ernst gemeint hatte. (Immerhin war Crocodiles Penis nur unwesentlich kleiner als der seines Verlobten. Vielleicht zwei oder drei Zentimeter. Höchstens.) Außerdem wollte er sich nicht in einer erneuten Diskussion verfangen. Doflamingo sollte sich bloß beeilen und so schnell wie möglich die Gleitcreme besorgen. Aufmerksam lauschte Crocodile den Schritten seines Partners. Auf leisen Sohlen stahl Doflamingo sich die Treppe hinunter. Es dauerte nicht lange, bis er ins Gästezimmer zurückgekehrt war. In seiner rechten Hand hielt er eine kleine Tube Gleitcreme. "Wunderbar", hauchte Crocodile, während sein Verlobter wieder unter die Bettdecke kroch und ihn leidenschaftlich auf den Mund küsste. Anscheinend war er nicht der Einzige von ihnen beiden, der sich den Sex so sehnsüchtig herbeiwünschte, dachte Crocodile, während er mit Doflamingos Zunge kämpfte. Keiner von ihnen verschwendete Zeit. Noch während sie einander küssten, öffnete Doflamingo die Tube und benetzte seine Finger großzügig mit Gleitcreme. Durch Reibung erhitzte er rasch die dicke, durchsichtige Flüssigkeit, ehe er sie auf den Eingang seines Partners verteilte. Gänsehaut breitete sich auf Crocodiles nacktem Körper aus, als er die Gleitcreme auf seiner Haut spürte. Auch wenn er Doflamingo eben noch dazu gedrängt hatte, ersatzweise einfach Spucke zu nehmen, war er nun doch froh darüber, dass ihnen die Gleitcreme zur Verfügung stand. Aus Erfahrung wusste er, dass die Art des Gleitmittels sehr viel ausmachen konnte. Doflamingos Zunge wanderte hinab zu seinem Hals; gleichzeitig drang er mit einem Finger langsam in seinen Partner ein. Crocodile stöhnte laut und vergrub sein Gesicht in Doflamingos kurzes, blondes Haar. Er war nicht dazu in der Lage, in Worte zu fassen, wie unfassbar schön sich diese Penetration anfühlte. Es dauerte nicht lange, bis Crocodile spürte, wie Doflamingo erst einen zweiten, dann einen dritten Finger dazu nahm. Er ging nicht ganz so sanft vor wie üblich, doch an diesem Umstand störte Crocodile sich nicht; er war mindestens genauso ungeduldig wie sein Partner und wollte endlich dessen Glied in sich spüren. "Bist du bereit?", fragte Doflamingo ihn, während er sich positionierte. Crocodile griff nach einem Kopfkissen und schob es sich unter die Hüfte, um seinem Verlobten das Eindringen zu erleichtern. Anschließend nickte er. Sie hielten Blickkontakt, während Doflamingos Glied zwar langsam, doch unablässig in ihn eindrang. Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals wohler gefühlt zu haben. Er genoss das prickelnde Gefühl in seinem Unterleib; es fehlten nur noch wenige Zentimeter, bis Doflamingo bis zum Anschlag in ihm versenkt war. Gleichzeitig verlor er sich in den strahlend grünen Iriden seines Verlobten. Zum ersten Mal seit langem überkam Crocodile nicht das unangenehme Gefühl, geröntgt zu werden, während er Doflamingo in die Augen sah; stattdessen fühlte er sich sicher und geborgen. Am liebsten hätte er diesen Moment für immer festgehalten. Als er das Glied seines Partners vollkommen in sich aufgenommen hatte, gab Crocodile ein erleichtertes Seufzen von sich. Er legte seine Arme um Doflamingos Oberkörper, zog diesen zu sich hinunter und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. Danach hatte er sich gesehnt: Doflamingo war ihm so nah wie nur irgendwie möglich. Er war über ihm. Er war in ihm. Crocodile spürte das Glied seines Verlobten, das sein Inneres komplett ausfüllte. Er spürte die Wärme und das Gewicht seines Körpers. Er konnte ihn riechen und auf seiner Zunge schmecken. Genau dieses Gefühl hatte Crocodile so dringend gebraucht. "Ich liebe dich", keuchte er, als ihre Zungen sich für einen Moment voneinander lösten. "Ich liebe dich auch", erwiderte Doflamingo. "Du bist mein Ein und Alles. Ich will dich glücklich machen, Crocodile!" Mit diesen Worten zog er sich ein Stück weit zurück, nur um erneut in ihn einzudringen. Crocodile stöhnte laut auf. Die Stöße seines Partners waren stark, doch zu Beginn beinahe schon quälend langsam. Crocodile genoss jede Sekunde. Er konnte ganz genau spüren, wie sich Doflamingos Glied Zentimeter für Zentimeter in ihm bewegte. Es war ein sagenhaftes Gefühl. Irgendwann erhöhte sein Verlobter die Geschwindigkeit. Sein Gehirn schüttete so viele Glückshormone auf einmal aus, dass Crocodile viel zu benommen war, um festzustellen, wann genau die Stöße schneller geworden waren. Nichtsdestotrotz reagierte er mit lauten Stöhngeräuschen auf diese Veränderung. Für eine Weile war in dem kleinen Gästezimmer nichts zu hören außer Stöhnen, Keuchen, Seufzen und das klatschende Geräusch, das entstand, wenn Fleisch immer wieder hart aufeinander schlug. Erst als Crocodile zum Höhepunkt kam, erweiterte er die harmonische Kulisse um ein weiteres Geräusch: Laut schreiend und ohne, dass Doflamingo sein Glied auch nur angerührt hatte, ergoss er sich auf seinen eigenen Oberkörper. Wenige Sekunden später und bedeutend leiser folgte schließlich auch sein Verlobter. Schwer atmend brach Doflamingo über ihm zusammen. Crocodile machte das zusätzliche Gewicht, das er auf seinem Körper spürte, nichts aus. Noch immer genoss er die Nähe zu seinem Partner sehr. Das einzige Detail, das ihn ein klein wenig störte, war sein Ejakulat, das ihn nass und warm bedeckte, und auf das Doflamingo sich völlig gleichgültig niedergelassen hatte. Unauffällig sah Crocodile sich im Raum nach einem Paket Taschentücher um; leider war nirgendwo eines zu finden. "Das war gut", murmelte Doflamingo, als er sich wieder aufrichtete. Ungefähr die Hälfte des Spermas, das Crocodile von sich gegeben hatte, klebte an seinem muskulösen Oberkörper. Er spürte, dass er rot im Gesicht wurde, als er feststellte, um welch große Menge es sich handelte. So viel Ejakulat hatte er das letzte Mal bei einem Samenerguss verloren, als er noch ein Jugendlicher gewesen war. "Anscheinend hat es dir auch gefallen", grinste Doflamingo, der die Gedanken seines Partners lesen zu können schien. Er warf einen Blick auf das viele Sperma, das seine Brust und seinen Bauch bedeckte, und pfiff anerkennend. Crocodile gab einen verlegenen Brummlaut von sich und bewarf Doflamingo mit einem Kissen. Der brach jedoch bloß in lautes Gelächter aus. Das Gelächter seines Verlobten erstarb augenblicklich, als Crocodile sich aufrichtete. Da er keine Taschentücher ausfindig machen konnte, wollte er hinüber ins angrenzende Gästebad huschen, um zu duschen. Sein kompletter Oberkörper wurde von seinem eigenen Sperma bedeckt, während Doflamingos Ejakulat warm an seinen beiden Oberschenkel hinunter lief. "Oh shit", sagte Doflamingo und saugte scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. "Croco, du blutest!" "Hm?" Verwundert wandte Crocodile sich nach unten und erblickte zu seiner Überraschung tatsächlich die rote Flüssigkeit, die gemeinsam mit dem Sperma seines Partners aus ihm heraus tropfte. "Verdammt!" Rasch hastete er hinüber ins kleine Gästebadezimmer und griff nach dem Toilettenpapier, um sich provisorisch zu säubern. Leider kam diese Maßnahme zu spät: Unglücklicherweise musste Crocodile feststellen, dass er sowohl die Matratze als auch den beigefarbenen Teppichboden bereits mit seinem Blut besudelt hatte. Es handelte sich zwar nicht um sonderlich große Flecken, doch auf dem hellen Untergrund waren sie überdeutlich zu sehen. Wie sollte er dieses Malheur bloß Daz erklären? "Hast du Schmerzen?", fragte Doflamingo, der ihm auf dem Fuße gefolgt war. Crocodile schüttelte den Kopf. "Nein, überhaupt nicht", antwortete er wahrheitsgemäß. "Mir ist es gar nicht aufgefallen, bevor du mich darauf hingewiesen hast." Er nahm sich noch mehr Toilettenpapier; die Blutung war zwar nicht stark, doch leider wollte sie sich auch nicht so einfach stoppen lassen. Crocodile fragte sich, was passiert sein mochte. Als er die Flüssigkeiten von seinen Oberschenkeln entfernt hatte, machte er sich daran, seinen noch immer von Sperma bedeckten Oberkörper zu säubern. Um ehrlich zu sein, fühlte er sich schrecklich schmutzig. Außerdem schämte er sich: Zum Einen, weil er das hübsche Gästezimmer von Daz mit seinem Blut völlig versaut hatte, und zum Anderen, weil sein Partner ihn in dieser äußerst peinlichen Situation sah. Dass er nach dem Sex blutete, war noch nie vorgekommen. "Ich möchte kurz duschen", sagte Crocodile an seinen Verlobten gewandt; er hoffte, dass Doflamingo die Andeutung verstehen und das kleine Gästebad für ein paar Minuten verlassen würde. "Zuerst fahre ich dich ins Krankenhaus", erwiderte Doflamingo mit ernster Stimme. "Was?" Crocodile warf seinem Partner einen verwunderten Blick zu. Anschließend machte er eine wegwerfende Handbewegung. "Ach, Quatsch. So schlimm ist es nicht. Ich glaube, die Blutung hat jetzt sowieso aufgehört." "Lass uns nicht schon wieder diese Diskussion führen!" Doflamingo verschränkte die Arme vor der Brust. "Wenn man blutet und keine Ahnung hat, woher es kommt, gehört man ins Krankenhaus. Und damit basta! Komm schon; zieh dir ein paar Klamotten über und dann fahren wir los." "Du übertreibst", erwiderte Crocodile. "Es ist doch bloß ein bisschen Blut. Lass uns nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Es besteht absolut kein Anlass, um mitten in der Nacht ins Krankenhaus zu fahren." "Wie viel es ist, tut nicht zur Sache", wandte Doflamingo ein. "Der ausschlaggebende Punkt ist, dass wir nicht wissen, was die Ursache für die Blutung ist." Crocodile rollte mit den Augen. "Das ist doch wohl offensichtlich", schnaubte er. Für ihn lag die Sache klar auf der Hand: Sie beide waren beim Sex heute sehr ungeduldig gewesen. Die Vorbereitung hatten sie praktisch im Schnelldurchlauf durchgezogen. Außerdem verfügte Doflamingo über ein sehr großes Organ. Da war es wohl nicht ungewöhnlich, dass er als passiver Part hinterher ein bisschen blutete. Crocodile nahm seinem Verlobten dieses Malheur nicht übel; er spürte überhaupt keine Schmerzen und außerdem war er sich dessen bewusst, dass Doflamingo ihn nicht absichtlich verletzt hatte. Dennoch war Crocodile sehr froh darüber, dass sie beide doch nicht auf die Gleitcreme verzichtet hatten. Er wollte sich nicht vorstellen, wie schlimm er bluten würde, wenn sie tatsächlich bloß ein wenig Spucke als Gleitmittel verwendet hätten. Da hatte er vermutlich noch Glück im Unglück gehabt. "Dass es beim Sex passiert ist, ist mir schon klar", gab Doflamingo zurück. "Trotzdem kann es viele unterschiedliche Gründe für die Blutung geben. Wir sollten lieber ganz sichergehen und ins Krankenhaus fahren." "Vermutlich ist es bloß ein kleiner Hautriss", meinte Crocodile. "So etwas kommt beim Analsex schon mal vor. Darum müssen wir uns keine Sorgen machen. Schau, es blutet nicht einmal mehr. Ich möchte einfach bloß duschen und mich danach wieder ins Bett legen." "Ich weiß ja nicht...." Doflamingo hatte einen zweifelnden Gesichtsausdruck aufgesetzt. "Du bist viel zu empfindlich", warf Crocodile seinem Partner vor. "Wegen jeder Kleinigkeit verlangst du sofort, dass ich von einem Arzt untersucht werde. Ich kann verstehen, dass du in dieser Hinsicht sehr vorsichtig bist. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, was mit deinen Eltern geschehen ist. Aber du musst auch einfach mal versuchen, auf dem Teppich zu bleiben, Doflamingo. Es ist wirklich nicht nötig, wegen einem kleinen bisschen Blut mitten in der Nacht ins Krankenhaus zu fahren." "Also gut." Doflamingo wirkte zwar nicht ganz überzeugt, doch schien die Entscheidung seines Partners zu akzeptieren. Crocodile seufzte erleichtert auf. "Endlich wirst du vernünftig", sagte er. "Anstatt uns die Nacht im Wartezimmer eines Krankenhauses um die Ohren zu schlagen, sollten wir lieber duschen und dann endlich schlafen." "Wir müssten nicht warten", lenkte Doflamingo sofort ein. "Wenn du nicht ins Krankenhaus möchtest, weil du keine Lust auf lange Wartezeiten hast, ist das absolut kein Problem. Einer der vielen Vorteile, wenn man reich ist, besteht darin, dass man nirgendwo warten muss." Crocodile fuhr sich genervt mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar. "Ich werde garantiert nicht mitten in der Nacht ich-weiß-nicht-wie-lange bis zum nächsten Krankenhaus fahren, damit sich dort irgendein wildfremder Mensch meinen Arsch anschaut", meinte er entschieden. "Für mich ist dieses Thema endgültig erledigt!" "Also gut." Endlich gab Doflamingo sich geschlagen. "Aber falls du morgen immer noch bluten solltest, dann..." "... dann gehe ich auf jeden Fall zum Arzt", beendete Crocodile den Satz seines Partners augenrollend. "Ist ja gut, verdammt. Können wir uns jetzt bitte endlich schlafen legen?" "Erst möchte ich mir deine Verletzung ansehen. Um sicherzugehen, dass es sich tatsächlich nur um einen harmlosen Hautriss handelt." Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. "Was?", brachte er entsetzt hervor. "Du spinnst doch wohl, Doflamingo! Und jetzt lass mich bitte für ein paar Minuten allein, damit ich in Ruhe duschen kann." "Wieso stellst du dich denn so an?" Sein Verlobter schien seine Reaktion überhaupt nicht nachvollziehen zu können. "Da ist doch nichts dabei." "Jetzt reicht es aber!" Allmählich spürte Crocodile, wie seine Geduld sich dem Ende zuneigte. "Du brauchst dich nicht zu schämen", redete Doflamingo auf ihn ein. "Immerhin sind wir beide verlobt. Außerdem mache ich mir Sorgen um dich. Ich könnte viel ruhiger schlafen, wenn ich wüsste, dass die Ursache für das Blut wirklich nur ein kleiner Hautriss ist." "Nein, nein, nein!" Für Crocodile stand diese Frage überhaupt nicht zur Diskussion. "Ob verlobt oder nicht, Doflamingo: Du wirst dir definitiv nicht... nicht meinen Arsch anschauen und nach einer möglichen Verletzung suchen!" Er war so schrecklich prüde, dass es ihm schwerfiel, diese Worte auch nur über die Lippen zu bringen. Sofort spürte Crocodile, wie sich Schamesröte in seinem Gesicht ausbreitete. Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. "Also, um diese Sache mal klarzustellen", meinte er: "Ich darf meine Finger in dein Arschloch hineinstecken, meinen Schwanz auch, gelegentlich sogar meine Zunge... Aber wenn es um eine so ernste Sache wie eine Verletzung geht, lässt du mich nicht ran? Wo ist denn da die Logik? Crocodile zuckte mit den Schultern. "Es ist mir egal, was du davon hältst", erwiderte er ausweichend. "Jedenfalls bekommst du meine Erlaubnis nicht." "Aber es ist doch besser, wenn ich es mir ansehe, als ein Arzt, den du überhaupt nicht kennst", wandte Doflamingo ein. "Du kennst dich in medizinischer Hinsicht doch gar nicht aus", gab Crocodile zurück. "Du bist überhaupt nicht dazu in der Lage, dir eine Meinung zu bilden, die irgendetwas wert wäre. Also lassen wir diesen Unfug lieber gleich bleiben. Und damit basta!" Um deutlich zu machen, dass für ihn dieses Gespräch tatsächlich beendet war, drehte Crocodile sich um und stieg in die Duschkabine. Zum Glück war die Verkleidung aus Milchglas, sodass er seinen Partner auf der anderen Seite bloß noch schemenhaft erkennen konnte. Er seufzte leise und genoss das Gefühl von warmen Wasser, das auf ihn herab rieselte. Irgendwann schien selbst Doflamingo einsehen zu müssen, dass er seinen Willen dieses Mal nicht durchsetzen konnte. Crocodile hörte, wie er das kleine Gästebad verließ. Um ehrlich zu sein, war er sehr froh darüber, dass sein Verlobter ihm endlich ein klein wenig Privatsphäre gönnte. Gewissenhaft wischte Crocodile alle Blut- und Spermaspuren von seinem Körper fort. Als er die kleine Duschkabine wieder verließ und sich mit einem weichen, weißen Handtuch abtrocknete, fühlte er sich beinahe schon wieder gut. Auch seine Blutung hatte aufgehört. Erst als er das Gästebadezimmer verließ und sein Blick auf die roten Flecken fiel, die sowohl auf dem hellen Teppich als auch auf dem Bettlaken überdeutlich zu sehen waren, wurde ihm das volle Ausmaß der Situation wieder bewusst. "Wie soll ich die Sache bloß Daz erklären?", flüsterte er verzweifelt, während er sich neben Doflamingo auf das Bett niederließ. Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. "Ich verstehe dein Problem nicht", meinte er mit ehrlich klingender Stimme. "Wir erklären ihm einfach, was vorgefallen ist und kommen für die Reinigung des Teppichs und des Bettlakens auf. Und damit hat es sich dann." "Ich werde Daz auf keinen Fall erzählen, woher diese Blutflecken kommen!", wandte Crocodile energisch ein. Er konnte überhaupt nicht verstehen, wie sein Partner auf die verrückte Idee kam, ihrem Gastgeber die Wahrheit zu sagen. "Ich würde vor Scham im Boden versinken!" "Ach, ich bin mir sicher, dass Daz Verständnis dafür aufbringen wird", erwiderte Doflamingo und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ihr beide kennt euch doch schon sehr lange. Du solltest dir nicht so viele Sorgen machen, Wani. Außerdem wäre es unhöflich, einfach abzuhauen, ohne ihm davon zu erzählen. Mir wäre es sehr unangenehm, ihn auf den Kosten für die Reinigung einfach sitzen zu lassen." "Wir könnten uns irgendeine Ausrede einfallen lassen", lenkte Crocodile ein. "Wir könnten so tun, als hätte sich einer von uns beiden geschnitten oder so etwas." "Woran hätten wir uns denn schneiden sollen?", gab Doflamingo zurück. "Hier gibt es überhaupt nichts, woran man sich schneiden kann." Crocodile zuckte mit den Schultern. Schließlich sagte er: "Ich könnte ihm erzählen, dass ich abends noch einmal hinunter in die Küche gegangen bin, um mir ein Sandwich zu machen. Dabei habe ich mich dann aus Versehen geschnitten. Leider ist mir das erst aufgefallen, als ich schon wieder oben im Gästezimmer war. Das ist eine gute Story, nicht wahr?" Doflamingo rollte mit den Augen. "Du verhältst dich wie ein Mädchen, das gerade seine erste Periode bekommen hat und verhindern möchte, dass irgendjemand davon Wind bekommt. Warum sagen wir Daz nicht einfach die Wahrheit? Du bist viel zu prüde, Croco." "Und was soll ich ihm erzählen? Hey Daz, mein Verlobter und ich haben es gestern so wild getrieben, dass mein Arsch angefangen hat zu bluten. Aber keine Sorge, wir kommen für die Reinigung des Teppichs und der Matratze auf. " "Das klingt wirklich ziemlich lustig", meinte Doflamingo und brach prompt in schallendes Gelächter aus, für das Crocodile ihn mit einem finsteren Blick strafte. Crocodile schlüpfte rasch in seine Kleidung, verließ das Gästezimmer und schlich auf leisen Sohlen die Treppe hinunter. Doflamingo folgte ihm auf dem Fuße und bemühte sich ebenfalls darum, keine lauten Geräusche zu verursachen. Erst als sie beide sich in der Küche im Erdgeschoss wiederfanden und die Türe hinter sich geschlossen hatte, fragte Doflamingo mit skeptischer Stimme: "Was hast du vor?" "Ich verleihe meiner Geschichte Glaubwürdigkeit", gab Crocodile zurück, während er den Kühlschrank öffnete. "Indem du dir ein Sandwich machst?", gluckste sein Verlobter. "Keine schlechte Idee. Machst du mir auch eins? Ich könnte einen kleinen Snack vertragen." Crocodile nickte geistesabwesend. Er holte Weißbrot, Butter, Hähnchenbrust, Kopfsalat, Gurken, Tomaten, Mayonnaise und ein scharfes Messer hervor. Schweigend bereitete er zwei Sandwiches zu; eines davon reichte er Doflamingo, der sich mit einem Kuss auf die Wange bedankte. Kaum hatte dieser jedoch in sein Sandwich hineingebissen, spuckte er den Inhalt seines Mundraumes gleich wieder aus. "Was machst du denn da?!", fragte Doflamingo mit entsetzter Stimme und hielt ihm am Handgelenk fest. "Das habe ich dir doch schon gesagt", erwiderte Crocodile energisch und befreite sich aus dem Griff seines Partners. "Ich verleihe meiner Geschichte Glaubwürdigkeit!" "Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!" "Jetzt reg dich doch nicht so auf", meinte er und versuchte Doflamingo zu beschwichtigen. Crocodile wollte um jeden Preis verhindern, dass sie beide Daz aufweckten. "Es ist doch bloß ein kleiner Schnitt. Im Schrank des Gästebadezimmers befindet sich ein Verbandskasten; dort werden wir Pflaster finden. Alles ist gut." "Nichts ist gut", hielt Doflamingo dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Weil er mit der rechten Hand noch immer sein Sandwich festhielt, konnte Crocodile diese Geste nicht wirklich ernst nehmen. Er empfand die Reaktion seines Verlobten als lächerlich und überzogen. Crocodile rollte mit den Augen und legte das blutverschmierte Messer in die Spüle. "Lass uns wieder nach oben gehen", meinte er an Doflamingo gewandt. "Ich bin müde und möchte endlich schlafen." "Jetzt tu nicht so als wäre überhaupt nichts geschehen!", gab sein Verlobter wütend zurück und blockierte die Küchentüre. "Was ist denn nur los mit dir? Seit wann verletzt du dich selbst? So kenne ich dich überhaupt nicht. Ist es wegen dem Autounfall? Verhältst du dich deswegen so seltsam? Ich hatte eigentlich geglaubt, dass du den Schock allmählich überwindest." "Mir geht es gut." Crocodile seufzte leise und warf Doflamingo einen genervten Blick zu. "Ich habe mir doch bloß in den Finger geschnitten, damit ich Daz morgen eine glaubwürdige Geschichte auftischen kann. Ich möchte nicht, dass er die Wahrheit über die Blutflecken auf der Matratze und dem Teppich erfährt. Darüber haben wir doch schon gesprochen. Jetzt hör bitte auf mit diesem Theater, Doflamingo, und lass uns nach oben gehen." Sein Partner rang mit sich selbst, gab schlussendlich jedoch den Weg nach oben zum Gästezimmer frei. Aber Doflamingo wäre nicht Doflamingo gewesen, wenn er dieses Thema einfach hätte auf sich beruhen lassen. Er folgte ihm hinüber ins Badezimmer und redete weiter auf ihn ein, während Crocodile nach einem Pflaster Ausschau hielt. "Hast du so etwas vorher schon mal gemacht?", fragte er mit misstrauischer Stimme. "Dich absichtlich selbst verletzt?" "Ich bin kein von Liebeskummer geplagter Sechzehnjähriger, der sich mit Rasierklingen die Haut aufschlitzt", gab Crocodile zurück. Er hatte überhaupt keine Lust auf diese Diskussion. Worauf wollte Doflamingo überhaupt hinaus? "Also hast du so etwas vorher noch nie gemacht? Versprochen?" "Versprochen." Allmählich nervten ihn die Fragen seines Verlobten. "Und es kommt auch nicht wieder vor", fügte Crocodile an, damit Doflamingo ihn endlich in Ruhe ließ. "Das habe ich doch sowieso nur getan, weil momentan ein kleiner Notfall vorliegt. Ich würde in Grund und Boden versinken, wenn Daz erfärt, woher die Blutflecken wirklich stammen. Du weißt doch, dass ich ein sehr schamhafter Mensch bin, Doflamingo. Ich möchte mich bloß einfach nicht blamieren. Also überbewerte diese Sache bitte nicht. In Ordnung?" Doflamingo zögerte, ehe er schließlich widerwillig nickte. "Gut finde ich es trotzdem nicht", sagte er, als sie beide wieder ins Bett stiegen. * Crocodile saß gemeinsam mit Doflamingo am Frühstückstisch. Seit dem Autounfall, den er verursacht hatte, waren etwa drei Wochen vergangen. Und auch wenn er es sich nicht verzeihen konnte, was er angerichtet hatte, lernte Crocodile allmählich mit seiner Schuld zu leben. Jeden Tag fühlte er sich ein klein wenig besser; inzwischen war er beinahe schon wieder bei seinem normalen Gemütszustand angekommen. Momentan jedenfalls fühlte er sich ziemlich wohl: Es war Samstagmorgen, die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Das Wetter war so mild, dass Doflamingo und er beschlossen hatten, draußen auf der Terrasse zu frühstücken. Sie saßen friedlich beieinander. Sein Verlobter schlürfte seinen Kaffee und genoss die warmen Sonnenstrahlen, die ihm ins Gesicht schienen, während Crocodile durch die Zeitung blätterte und hin und wieder an einer Scheibe geröstetem Toastbrot knabberte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so entspannt gewesen war. "Hast du Lust heute Mittags auswärts zu essen?" Meistens war es Doflamingo, der solche Fragen stellte, doch heute fühlte Crocodile sich motiviert genug, um selbst einmal eine Aktivität vorzuschlagen. Bei einem Restaurantbesuch sollten auch nicht allzu viele Kosten auf ihn zukommen. Das Gehalt, das er für seine Arbeit bei Tom's Workers erhielt, tilgte seine Schulden nach und nach. Inzwischen war sein Schuldenberg auf 263.000 Berry geschrumpft; das war ein bisschen weniger als die Hälfte des ursprünglichen Betrags. Trotz des Autounfalls sah Crocodile optimistisch in die Zukunft. Gestern erst hatte Franky angedeutet, dass einer dauerhaften Zusammenarbeit nichts im Wege stünde; Crocodile hoffte auf eine Verlängerung seines befristeten Vertrags. "Klar, sehr gerne", meinte Doflamingo. "Weißt du schon, in welches Restaurant du gehen möchtest?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Schließlich erwiderte er: "Warum machen wir uns nicht einen netten Tag in der Innenstadt? Das Wetter ist ja wirklich schön heute. Wir könnten ein bisschen bummeln und währenddessen nach einem Lokal Ausschau halten, das uns gefällt. Oder hast du schon etwas Anderes vor?" "Heute Abend gegen zwanzig Uhr kommen Law und Vergo vorbei", antwortete Doflamingo. "Aber ansonsten habe ich nichts geplant. Gegen einen schönen Stadtbummel hätte ich nichts einzuwenden. Aber wie kommt es denn, dass du so plötzlich Lust darauf hast, die sicheren vier Wände zu verlassen, Wani? Normalerweise muss ich dich doch zu solchen Dingen fast schon zwingen." Er lachte leise. "Stört es dich?", gab Crocodile keck zurück, während sich eine leichte Röte auf seine Wangen legte. Ihm war bewusst, dass sein Verlobter durchaus recht hatte: Um ehrlich zu sein, war er kein sonderlich geselliger oder aktiver Mensch. Während Doflamingo am Wochenende nichts lieber tat als mit seinen Freunden um die Häuser zu ziehen, nahm Crocodile lieber ein entspannendes Schaumbad oder las ein gutes Buch. "Überhaupt nicht", meinte sein Partner grinsend. "Es würde dir guttun, endlich mal wieder aus dem Haus zu kommen. Warum machen wir uns nicht gleich nach dem Frühstück auf den Weg? Dann haben wir auch noch genug Zeit, um beim Standesamt vorbeizuschauen. Immerhin müssen wir uns darüber informieren, welche Dokumente für unsere Hochzeit erforderlich sind. Ich gehe leider davon aus, dass auch eine Menge Papierkram auf uns zukommen wird. Es ist besser, wenn wir uns frühzeitig darüber im klaren sind, welche Dokumente wir bereithalten oder vielleicht auch noch besorgen müssen." "Gute Idee", stimmte Crocodile halbherzig zu. Die Vorstellung, gemeinsam mit seinem Verlobten das örtliche Standesamt aufzusuchen, behagte ihm ganz und gar nicht. In letzter Zeit hatte er es sich angewöhnt, so wenig Gedanken wir möglich an ihre bevorstehende Hochzeitsfeier zu verschwenden. Vermutlich aus Rücksicht auf den Autounfall, den er verursacht hatte, und seinen damit verbundenen Schock, hatte Doflamingo in letzter Zeit nur selten von ihrer Hochzeit gesprochen. Es behagte Crocodile nicht, dass dieses Thema nun wieder in den Fokus rückte. "Wir könnten die Gelegenheit auch nutzen, um uns über freie Termine für die Eheschließung beim Standesamt zu informieren", fügte Doflamingo hinzu. "Mir ist die kirchliche Hochzeit zwar wichtiger, aber letztendlich ist unsere Ehe rechtlich natürlich nur dann gültig, wenn wir den entsprechenden Vertrag beim Standesamt unterschreiben." "Das wäre praktisch, ja", meinte Crocodile. Er bemühte sich darum, sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen, während er sich hastig überlegte, wie er dem Besuch beim Standesamt entgehen könnte. Das Standesamt lag im Osten der Stadt. Ob es ihm gelingen würde, Doflamingo in ein möglich westlich liegendes Restaurant zu lotsen? Er musste auf jeden Fall verhindern, dass sie bereits einen festen Termin für die Hochzeit ausmachten. Zum Glück betrat ein Dienstmädchen die Terrasse, ehe Doflamingo dazu kam, das Thema weiter aufzuführen. Die junge Frau war für die Post zuständig, wie Crocodile wusste. Sie reichte die Briefe, die sie in der Hand hielt, mit ein paar freundlichen Worten an Doflamingo weiter, der ihr ein Trinkgeld gab und sie dann entließ. "Ist irgendetwas für mich dabei?", fragte Crocodile möglichst beiläufig. Er hoffte, dass sie beide nicht wiederauf das Thema Standesamt zurückkommen würden. Doflamingo nickte und reichte ihm über den Tisch hinweg drei große Briefumschläge. "Zwei der Briefe sind von deiner Versicherung", sagte er. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen und nahm die Briefe entgegen. Einer der Briefe war von Tom's Workers; er enthielt vermutlich seine Gehaltsabrechnung. Dass sein Verlobter Post von einer der weltweit größten Elektronik-Messen erhielt, schien Doflamingo zum Glück nicht skeptisch zu stimmen. Crocodile vermutete, dass er diesem Umstand entweder keine große Bedeutung beimaß oder seine Aufmerksamkeit ganz auf die anderen beiden Briefe gerichtet war. Sie stammten tatsächlich von seiner Versicherung. Seiner Autoversicherung. Crocodile schluckte. "Ich kümmere mich um die Post, sobald ich mit meiner Zeitung fertig bin", sagte er und legte die drei Briefe zur Seite. Stattdessen griff er nach der Tageszeitung; er versuchte den Artikel wiederzufinden, bei dem er stehengeblieben war, doch musste feststellen, dass er sich an die entsprechende Stelle nicht mehr erinnern konnte. Es dauerte nicht lange, bis Doflamingo sich zu Wort meldete: "Du solltest die beiden Briefe von deiner Versicherung lesen, Crocodile." Crocodile senkte den Blick. Er zögerte einen Moment lang, ehe er erwiderte: "Heute ist so ein schöner Tag, Doffy. Und um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, was in diesen Briefen stehen könnte. Ich möchte mir die Laune nicht von einer bösen Überraschung verderben lassen. Ich lese sie heute Abend." "Eben hast du noch behauptet, du würdest sie lesen, sobald du mit der Zeitung fertig bist", warf sein Verlobter ein. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er anfügte: "Ich weiß nicht, ob dich in diesen Briefen irgendeine Art böse Überraschung erwartet oder nicht. Aber es ist besser, wenn man vor solchen Dingen nicht davonläuft. Du solltest Bescheid wissen. Also lies bitte die beiden Briefe, ja?" "Ich will mich aber nicht an den Unfall zurückerinnern", erwiderte Crocodile hartnäckig. "Nicht heute. Möchtest du, dass ich den ganzen Tag lang an diese furchtbare Sache denke? Auch während wir beim Standesamt sind und uns wegen unserer Hochzeit informieren? Ich werde mich morgen darum kümmern." "Wir können auch ein anderes Mal zum Standesamt fahren", sagte Doflamingo. "Diese Briefe solltest du heute lesen. Es bringt nichts, wenn man sich ständig vornimmt, etwas erst am nächsten Tag zu erledigen. Morgen wirst du nämlich wieder einen Grund finden, wieso du die Briefe noch nicht lesen kannst. Und bevor du dich versiehst, befindest du dich in einem Teufelskreis. Vielleicht stehen in den Briefen wichtige Informationen." "Vielleicht steht auch nichts Wichtiges drin. Dann werde ich den ganzen Tag lang völlig umsonst furchtbar schlecht gelaunt sein." "Welcher Fall eintritt, wissen wir erst, wenn wir den Inhalt der Briefe kennen." Crocodile seufzte und warf einen unwilligen Blick auf die beiden Briefumschläge, die auf dem Frühstückstisch lagen. Er gab es nur ungern zu, doch er fürchtete sich vor den Dingen, die in diesen Briefen stehen könnten. Als Doflamingo merkte, mit welchen Schwierigkeiten sein Verlobter zu kämpfen hatte, wurde er sanfter. "Wenn du möchtest, dann kann ich die beiden Briefe zuerst lesen", bot er hilfsbereit an. Crocodile zögerte. Er ließ den Blick zwischen Doflamingo und den Briefen hin- und herschweifen, ehe er schließlich nickte. "Okay, gut", sagte er mit schwacher Stimme. Geschwind griff Doflamingo nach den Briefumschlägen, riss sie auf und ließ seinen Blick über die Papierbögen gleiten, die zum Vorschein kamen. Es vergingen ein paar Minuten, in denen keiner von ihnen beiden ein Wort sagte. Crocodile empfand diese Stille als absolut unerträglich. Sein Herz klopfte laut und in seinem Magen hatte sich ein schmerzhafter Knoten gebildet. Er befürchtete das Schlimmste. Irgendwann sagte Doflamingo: "Sowohl deine Versicherung als auch die Versicherung des anderen Unfallbeteiligten weigern sich, für die verursachten Schäden aufzukommen. Das betrifft die beiden Wagen und auch die Behandlung des Unfallopfers. Als Grund wird genannt, dass du Alkohol im Blut hattest, während der Unfall geschehen ist. Hier stehst, dass du sämtliche Kosten selbst tragen musst." Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter ihm erklärte. Er fühlte sich mindestens genauso geschockt wie damals, als sein Mercedes C 216 urplötzlich über die Kreuzung geschleudert worden war. Der erste klare Gedanke, den Crocodile fasste, war: Bitte, lieber Gott, bitte lass das hier nur einen schlimmen Alptraum sein. Leider erfüllte sich sein verzweifelter Wunsch nicht. Anstatt aufzuwachen und erleichtert festzustellen, dass diese Hiobsbotschaft nicht real war, starrte Crocodile weiterhin völlig fassungslos in das Gesicht seines Partners. "Steht... steht in den Briefen auch, auf welche Summe sich die Kosten ungefähr belaufen werden?" Crocodile bemühte sich um einen ruhigen Atem, doch fühlte sich trotzdem, als bekäme er nicht genug Luft. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Er stand kurz davor, einfach zusammenzubrechen. Doflamingo nickte. "Hier steht eine vorläufige Summe", sagte er. "Eine Art Kostenvoranschlag. Er beinhaltet die Reparatur deines Mercedes, die Reparatur des Citroen und die medizinische Behandlung des Fahrers." "Wie viel?", fragte Crocodile. Es gelang ihm nur mit viel Mühe, das Zittern auf seiner Stimme zu verbannen. "Einhundertzwanzigtausend Berry", antwortete Doflamingo. bye sb Kapitel 18: Kapitel 9 (zensiert) -------------------------------- Crocodile hielt sich gerade in seinem Lesezimmer auf und verfasste eine Antwort auf die Email, die sein Chef Franky ihm gesendet hatte, als es an der Tür klopfte. Rasch schloss er alle verdächtigen Fenster, ehe er mit möglichst unbefangen klingender Stimme "Herein!" rief. "Hey, Wani", meinte sein Verlobter, der breit grinste und in seinem typisch o-beinigen Gang auf ihn zukam. "Hast du ein bisschen Zeit?" "Klar", gab Crocodile zurück. "Worum geht es denn?" "Nun ja, da wir letztes Wochenende nicht dazu gekommen sind", sagte Doflamingo, "dachte ich mir, dass wir heute endlich mit den Hochzeitsvorbereitungen beginnen könnten." "Ähm", erwiderte Crocodile recht unbeholfen. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust, mit seinem Verlobten nach einem passenden Ort für ihre Hochzeit zu suchen und die Frage zu diskutieren, ob sie lieber eine Band oder einen DJ engagieren sollten. Trotzdem fing er sich recht schnell wieder und fügte hinzu: "Okay, sehr gerne. Gibst du mir fünf Minuten? Ich muss eben noch ein, zwei Mails schreiben, dann bin ich sofort bei dir." "In Ordnung", meinte Doflamingo mit unbekümmerter Stimme. Er beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn zärtlich auf den Mund. Crocodile erwiderte den Kuss. "Ich warte im Wohnzimmer auf dich." Crocodile nickte. Als sein Verlobter den Raum verlassen hatte, seufzte er leise und fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. Auch wenn er die Hochzeit am liebsten um ein oder zwei Jahre nach hinten verschieben würde, war er sich doch dessen bewusst, dass er sich nicht ewig vor den Vorbereitungen drücken konnte. Doflamingo freute sich schon sehr auf den großen Tag und drängte ihn immer weiter in die Ecke. Hastig antwortete er Frankys auf die Email. Anschließend fuhr er seinen Laptop herunter und erhob sich von dem gemütlichen Lesesessel, auf dem er gesessen hatte. Obwohl sein Verlobter ihm dieses Zimmer geschenkt hatte, um hier Ruhe und Entspannung zu finden, nutzte er es meistens, um heimlich Dinge zu erledigen, die mit seiner Arbeit zu tun hatten und von denen Doflamingo nichts erfahren sollte. Glücklicherweise hatte sein Partner es sich wenigstens endlich angewöhnt zu klopfen, ehe er eintrat. Crocodile atmetete dreimal tief ein uns aus, ehe er das Lesezimmer verließ und sich auf den Weg hinunter ins Wohnzimmer machte. Hoffentlich würde es ihm gelingen, seinem Verlobten klar zu machen, dass sie beide nicht in naher Zukunft heiraten könnten. Er verfügte nicht über genug Geld, um eine Hochzeit zu bezahlen. Zumindest keine Hochzeit, die für einen Multimillionär wie Donquixote Doflamingo infrage kam. Sein Verlobter saß im Wohnzimmer auf der Couch und spielte mit dem Kugelschreiber, den er in der Hand hielt. In seinem Schoß lag ein dicker Schreibblock. Er lächelte breit, als Crocodile sich neben ihn setzte. Dieser erwiderte das Lächeln schwach. "Ich denke, dass wir als allererstes mit der Ausarbeitung der Gästeliste beginnen sollten", sagte Doflamingo. Er schlug den Block auf, schrieb oben auf die Seite Gäste und unterstrich das Wort doppelt. "Denn erst wenn wir wissen, mit wie vielen Gästen zu rechnen ist, macht es Sinn nach einer passenden Location Ausschau zu halten." "Klingt logisch", gab Crocodile zu. Dann fügte er rasch an: "Wir hatten uns schon darauf geeinigt, dass wir lieber im kleinen Kreis heiraten wollen, nicht wahr? Nur Familie und enge Freunde. Ich möchte keine Paparazzi oder irgendwelche Leute, die ich nicht leiden kann oder kaum kenne, dabei haben." Doflamingo nickte. "Sehe ich genauso", meinte er. "Ich möchte diesen Anlass nicht ausnutzen, um mit meinem Geld zu protzen. Wir genießen einfach gemeinsam mit unseren Freunden und unserer Familie eine schöne Feier." Das klang gut, dachte Crocodile erleichtert. "Auf jeden Fall sollen meine Geschwister kommen", sagte er sogleich. "Und Daz natürlich auch. Das sind die allerwichtigsten Leute von meiner Seite." Doflamingo nickte und notierte die entsprechenden Namen. "Haben Mihawk und Hancock eigentlich denselben Familiennamen wie du?", fragte er nach. "Klar", antwortete Crocodile. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. "Wie kommst du denn darauf?" "Es hätte ja sein können, dass einer von ihnen schon einmal verheiratet gewesen ist und daher einen anderen Namen hat", gab Doflamingo zurück. "Und natürlich möchte ich mich nicht blamieren, indem ich meinem Schwager oder meiner Schwägerin falsch adressierte Einladungskarten zuschicke." "Nein, keine Sorge", erwiderte Crocodile. "Keiner von ihnen war jemals verheiratet. Alle beiden tragen denselben Namen wie ich." Anbetracht der Tatsache, dass sein Bruder letztens schon seinen vierzigsten Geburtstag gefeiert hatte und es sich bei seiner Schwester Hancock um eine absolute Schönheit handelte, war die Frage wohl nicht ganz unberechtigt, musste Crocodile zugeben. "Das ist gut", ließ Doflamingo verlauten. "Dann gibt es auch keinen allzu schlimmen Konkurrenzdruck." "Konkurrenzdruck? Was meinst du denn damit?", hakte er verwundert nach. "Nun ja..." Doflamingo druckste einen Moment lang herum, ehe er erklärte: "Jedes Paar möchte eine absolut perfekte Hochzeit feiern und neigt schnell dazu, einen gewissen Ehrgeiz zu entwickeln. Man fängt an, die eigenen Wünsche umzugestalten, bloß weil man die Hochzeiten der Anderen um jeden Preis übertrumpfen möchte. Aber da du der Erste in deinem Familenkreis bist, der heiratet, haben wir dieses Problem zum Glück nicht. Worüber ich übrigens sehr, sehr froh bin. Ich möchte nämlich den schönsten Tag in meinem Leben verbringen und nicht an einem Wettbewerb teilnehmen." "Ach, darum musst du dir keine Sorgen machen", meinte Crocodile und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich bin niemand, der sich mit anderen Leuten vergleicht. Zumindest nicht in dieser Hinsicht. Das habe ich überhaupt nicht nötig. Man muss wohl ein sehr oberflächlicher Mensch sein, wenn man den Tag seiner Hochzeit nutzen möchte, um zu prahlen und die Feste der Anderen niederzumachen." "Das stimmt", sagte Doflamingo mit relativ leiser Stimme. "Allerdings würdest du dich wundern, bei wie vielen Menschen ich dieses Verhalten schon beobachtet habe." "Tatsächlich?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Auf wie vielen Hochzeitsfeiern bist du denn schon gewesen? Ist denn überhaupt schon jemand aus deinem engeren Bekanntenkreis verheiratet? Du hast doch viele Freunde, die noch ziemlich jung sind, oder nicht?" Doflamingo nickte. "Meine Freunde meine ich nicht", sagte er. "Aber ich habe bereits viele Hochzeitsfeiern von Bekannten meiner Eltern besucht. Wenn man so reich ist wie meine Familie, wird man ständig zu irgendwelchen Feierlichkeiten eingeladen. Hochzeiten, runde Geburtstage, Taufen und so weiter. Meistens geht es allerdings bloß darum, mit seinem Geld zu prahlen. Die Leute versuchen die Anderen zu übertrumpfen, indem sie mehr Gäste einladen, eine größere Location mieten oder exoterisches Essen auftischen. Der ursprüngliche Sinn dieser Feste geht dabei meistens völlig verloren." "Das klingt ja absolut grauenhaft", meinte Crocodile kopfschüttelnd. "Genau so sehe ich das auch", stimmte Doflamingo ihm zu. "Und aus diesem Grund möchte ich mich von diesen Leuten absetzen. Unsere Feier soll absolut perfekt werden; aber eben perfekt für uns. Verstehst du, wie ich das meine?" "Klar", antwortete Crocodile. Um ehrlich zu sein, erleichterte ihn die Sichtweise seines Verlobten ungemein. Je geringer ihre Ansprüche waren, desto kostengünstiger würde die Hochzeit werden. Und Crocodile konnte es sich derzeit wirklich nicht leisten, mehr Geld als unbedingt notwendig auszugeben. Am besten bemühte er sich darum, ihre Feier so klein und und wenig extravagant wie möglich zu gestalten. Es galt: Je schlichter, desto besser. "Wen möchtest du denn unbedingt einladen?", fragte Crocodile. "Doch bestimmt Law, Monet, Bellamy, Dellinger und Kuma, nicht wahr?" "Klar", gab Doflamingo zurück. "Law, Monet, Bellamy, Cirkies, Dellinger, Kuma, Vergo, Gladius, Diamante, Violet und Pica." Hastig notierte er sich alle Namen. "Das sind die allerwichtigsten Leute. Dazu kommen dann noch ein paar Andere." "Noch ein paar Andere?", hakte Crocodile skeptisch nach. "Wen hattest du denn noch im Sinn?" "Ich habe noch einige Verwandte, die ich gerne einladen möchte", erklärte Doflamingo ihm. "Dazu zählen zum Beispiel die Eltern von Bellamy und Dellinger. Aber auch andere Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins." "Bis auf Bellamy und Dellinger kenne ich aber gar keinen von ihnen", wandte er ein. "Ich bin mir nicht sicher, ob mir der Gedanke gefällt, Menschen zu meiner Hochzeit einzuladen, die ich noch nie zuvor gesehen habe." Und was noch viel wichtiger war: Crocodile wusste überhaupt nicht, wie groß die Verwandtschaft seines Verlobten war. Er hatte keine Lust, womöglich zu Dutzenden für irgendwelchen Verwandten aufzukommen, die er nicht einmal kannte. Dafür war sein Budget definitiv zu knapp. "Sie gehören zu meiner Familie!", entgegnete Doflamingo mit überraschend energischer Stimme. "Das sind die Schwester und Brüder meines Vaters und meiner Mutter. Natürlich werde ich sie einladen!" "Also feiern wir doch nicht in einem kleinem Kreis?", hielt Crocodile dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Doch, tun wir", meinte Doflamingo. "Es handelt sich um meine Familie. Sie gehören zum kleinen Kreis dazu!" "Für dich vielleicht", meinte Crocodile, "aber nicht für mich. Ich kenne diese Leute gar nicht; ich weiß nicht einmal ihre Namen. Und die soll ich zu meiner Hochzeit einladen?" "Sie sind auch deine Familie", entgegnete Doflamingo. "Ich sehe Mihawk und Hancock längst als meinen Schwager und meine Schwägerin an. Und genauso wie die beiden Teil meiner Familie geworden sind, werden meine Verwandten teil deiner Familie werden." "Das klingt ziemlich idealistisch", meinte Crocodile und rollte mit den Augen. "Meine Geschwister kennst du wenigstens. Ihr habt euch schon mehrmals getroffen. Deine Verwandten hingegen habe ich noch nie zu Gesicht bekommen." Er schwieg einen kurzen Moment lang, ehe er anfügte: "Vielleicht mögen sie mich ja gar nicht. Vielleicht denken sie, dass ich keine gute Partie bin und du dir lieber jemand Anderen suchen sollst. Am besten eine hübsche Frau, die aus ebenso gutem Haus kommt wie du selbst." "Du redest totalen Unsinn!", hielt Doflamingo dagegen. "So denken meine Verwandten nicht; keiner von ihnen ist homophob. Schließlich haben sie vier homo- beziehungsweise bisexuelle Kinder in ihrer Familie." "Aber sie alle sind reiche Geschäftsleute, oder nicht?" Crocodile verzog den Mund. "Und ich stamme bloß aus der Mittelschicht. Bestimmt denken sie, dass ich dich deines Geldes wegen heiraten möchte." "Ich habe ihnen schon sehr häufig von dir erzählt", entgegnete Doflamingo. "Sie haben sich nie negativ zu dir geäußert. Ganz im Gegenteil: Sie bewundern es sehr, dass du es wider aller Umstände geschafft hast, so weit aufzusteigen. Immerhin bist du inzwischen ein sehr erfolgreicher Bankmanager." Crocodile senkte den Blick. Dass Doflamingo so unverblümt von seiner Arbeit sprach, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz. Er diskutierte mit Doflamingo die Details ihrer Hochzeit, doch dabei wusste sein Verlobter nicht einmal, dass er längst schon kein Bankmanager mehr war. Vermutlich dachten Doflamingos Verwandten absolut zu recht schlecht von ihm. Crocodile seufzte und strich eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. "Wie wäre es mit einem Kompromiss?", schlug er schließlich vor. "Wir laden deine Familie zu unserer Hochzeit ein, sobald ich sie kennengelernt habe, in Ordnung?" Dieser Vorschlag würde seinen Partner hoffentlich zufriedenstellen. Außerdem war Crocodile sich sicher, dass er auf diese Weise ein wenig mehr Zeit für sich herausschlagen könnte. Wenn Doflamingos Verwandtschaft tatsächlich größtenteils aus erfolgreichen Geschäftsleuten bestand, würde es mit Sicherheit schwer werden, zeitnah ein gemeinsames Treffen auszumachen. Bestenfalls dauerte es Monate, bis Crocodile alle Tanten und Onkels, Cousinen und Cousins kennengelernt hatte. Doflamingo nickte. "Gut, in Ordnung", sagte er. "Damit kann ich leben. Aber wie sieht es denn mit weiteren Hochzeitsgästen aus? Du möchtest doch sicher mehr als nur drei Leute einladen, nicht wahr?" "Ich habe keinen so großen Freundeskreis wie du", erwiderte Crocodile. "Von meiner Familie ganz zu schweigen. Hm. Du könntest Shanks noch auf die Gästeliste setzen. Mit ihm verstehst du dich auch ganz gut, oder nicht?" "Shanks ist ein klasse Typ", meinte Doflamingo und fügte seinen Namen zur Gästeliste hinzu. "Bei Mihawks Geburtstagsparty habe ich mich viel mit ihm unterhalten." "Mach mich nicht eifersüchtig", warf Crocodile grinsend ein. "Er hat mich sehr stark an dich erinnert", meinte Doflamingo und legte einen Arm um ihn. Crocodile zog die Augenbrauen hoch. "Inwiefern?" Seiner Ansicht nach war Shanks ihm ungefähr so ähnlich wie ein Hund einem Pferd. Sie hatten nicht einmal dieselbe Haar- oder Augenfarbe. Erst als sein Partner ihre Gemeinsamkeiten laut aussprach, wurde Crocodile klar, worauf dieser hinauswollte. "Euch fehlt beiden ein Arm", sagte Doflamingo. "Und ihr habt beide eine Narbe im Gesicht. Das ist ein ziemlich seltsamer Zufall, findest du nicht auch?" "Es ist kein Zufall", erwiderte Crocodile und schloss seine Augen. "Du weißt, dass ich für etwa sechs Monate bei Mihawk gewohnt habe, nachdem ich meine linke Hand verloren hatte. Ich verfiel in eine schlimme Depression und zog mich immer weiter zurück. Wollte niemanden mehr sehen. Selbst meine Freunde und Geschwister gingen mir auf die Nerven. Obwohl mich alle bemitleideten, hatte ich das Gefühl, dass keiner von ihnen meine Situation wirklich nachvollziehen konnte. Niemand hat mich verstanden. Also machte Mihawk sich auf die Suche nach einem Menschen, dem es genauso ergangen war wie mir. Und nach ein paar Wochen fand er dann Shanks. Mihawk hat mich dazu überredet, mich mit ihm zu treffen. Zuerst weigerte ich mich; ich habe nämlich einen Verkupplungsversuch gewittert und hatte überhaupt keine Lust, mich darauf einzulassen. Aber die Gespräche mit Shanks haben mir wirklich weitergeholfen. Er war einer der wenigen Leute, die mich nicht bemitleidet haben. Stattdessen motivierte er mich und zwang mich, immer mal wieder das Haus zu verlassen. Wir sind essen gegangen, ins Kino oder in einen Club. Einmal waren wir sogar Schlittschuhlaufen. Shanks ist schon immer eine sehr lebensfrohe Person gewesen und mit ihm machte mir jeder Ausflug Spaß. Er hat sich nie unterkriegen lassen und bald färbte seine positive Lebenseinstellung auch auf mich ab. Ich verdanke ihm sehr viel." "Wow", meinte Doflamingo und wirkte sehr erstaunt. Mit einem solchen Geständnis schien er nicht gerechnet zu haben. Er fing sich jedoch rasch wieder. "Es ist eine gute Sache, dass ihr beide euch kennengelernt habt", sagte er. "Dir hat Shanks dabei geholfen, wieder auf die Beine zu kommen, und Mihawk hat in ihm einen guten Freund gefunden. Manchmal hält das Leben wohl doch nicht immer nur böse Überraschungen bereit." "Sieht so aus", erwiderte Crocodile. Inzwischen war er müde und hungrig geworden. Gemeinsam mit seinem Verlobten eine Gästeliste für ihre Hochzeit zu erstellen, war deutlich anstrengender, als er angenommen hatte. Am liebsten würde er für heute Schluss machen, eine heiße Tomatensuppe essen und sich eine Stunde früher ins Bett legen. "Aber, ähm..." Doflamingo spielte eine Weile mit dem Kugelschreiber, den er in seiner Hand hielt, eher er mit der Sprache herausrückte: "Aber zwischen euch beiden... also dir uns Shanks... ist nie wirklich etwas gelaufen, oder? Restaurant, Kino, Nachtclub und Eishalle... Das klingt ziemlich stark nach Orten, an denen man sich für ein Date trifft. Warst du, nun ja, mit ihm zusammen oder so etwas in der Art?" Crocodile brach unweigerlich in lautes Gelächter aus. Es war sehr selten, dass er seinen Verlobten verunsichert erlebte. "Nein, keine Sorge", antwortete er prustend und ignorierte den fiesen Blick, den Doflamingo ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch zuwarf. "Zwischen uns beiden lief nie etwas. Unsere Beziehung ist rein freundschaftlich. Shanks ist sowieso hetero." "Meine Frage war nicht unberechtigt", warf Doflamingo ein und verzog den Mund. Er konnte es überhaupt nicht leiden, ausgelacht zu werden. "Immerhin hattest du schon so einige Beziehungen!" Sofort hörte Crocodile zu lachen auf; stattdessen setzte er eine finstere Miene auf. "Was willst du damit sagen?", fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust. "Nichts weiter", gab Doflamingo zurück. Er schien nicht auf Streit aus zu sein, doch erweckte auch keinen sonderlich beschwichtigenden Eindruck. "Nur dass du eben eine nicht gerade geringe Anzahl an Exfreunden hast. Woher soll ich wissen, dass Shanks nicht dazu gehört? Es hätte schließlich durchaus sein können." "Eine nicht gerade geringe Anzahl an Exfreunden?", wiederholte Crocodile ungläubig. "Jetzt tu doch nicht so unschuldig, Doflamingo! Ich bin mir sicher, dass du in deinem Leben deutlich mehr Menschen deinen Freund oder deine Freundin genannt hast, als ich. Von deinen vielen One-Night-Stands ganz zu schweigen!" "Ich bin in keinen von ihnen jemals verliebt gewesen", erwiderte Doflamingo ungerührt. "Und keine meiner Beziehungen hielt länger als sechs Wochen!" "Na und? Ist das meine Schuld?" Crocodile verstand überhaupt nicht, worauf sein Verlobter hinauswollte. "Wie oft sollen wir diese Diskussion denn noch führen? Wir sind beide in unseren Dreißigern, Doflamingo. Wir haben beide Erfahrungen unterschiedlicher Art gemacht. Was willst du mir sagen?" "Ich will überhaupt nichts sagen", meinte sein Partner. "Es stört mich bloß eben, dass du schon so viele feste Beziehungen geführt hast. Manchmal, wenn ich höre, dass du mit einem anderen Mann schon deutlich länger zusammengewesen bist als mit mir, werde ich furchtbar eifersüchtig. Dann komme ich mir vor wie einer von vielen. Als würde ich nur darauf warten, von deinem nächsten Liebhaber abgelöst zu werden. Ich wünsche mir, dass dich vor mir noch niemals jemand angefasst hätte. Dass du, nun ja, sozusagen unschuldig wärst." Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Er konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter ihm an den Kopf warf. Wollte Doflamingo ihm ehrlich vorwerfen, dass er mit anderen Männern zusammengewesen war, bevor er ihn kennengelernt hatte? Er war fünfunddreißig Jahre alt, verdammt nochmal! Und sie lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert. Was erwartete sein Verlobter von ihm? Dass er bis zur Ehe enthaltsam blieb? Er hätte niemals gedacht, dass Doflamingo so furchtbar altmodisch und konservativ eingestellt war. Crocodile war absolut entsetzt. Er war zu überhaupt keiner Antwort fähig. Sein Verlobter hatte ihn praktisch als Schlampe bezeichnet. Als jemand, der leicht zu haben war. Der seine Partner tauschte wie seine Kleidung. Anstatt zu einer Erwiderung anzusetzen, erhob Crocodile sich von seinem Platz. Er ging hinüber zur Tür und verließ das Wohnzimmer. So schnell er nur konnte hastete er die Treppe in den ersten Stock hinauf. Als er in seinem Lesezimmer angekommen war, verschloss er die Tür hinter sich und ließ sich daran herab auf den Boden gleiten. Noch niemals zuvor hatte Doflamingo ihn so furchtbar beleidigt wie gerade eben. Es dauerte nicht lange, bis Crocodile hörte, wie jemand laut an die Zimmertüre klopfte. Natürlich wusste er sofort, um wen es sich handelte. "Crocodile?", rief Doflamingo und hämmerte erneut gegen die Türe. "Komm schon! Lass diesen Blödsinn! Mach auf!" "Wozu?", entgegnete Crocodile. Er sprach laut genug, sodass auch sein Verlobter auf der anderen Seite ihn deutlich verstehen konnte. "Damit ich mich noch einmal von dir als Schlampe bezeichnen lassen kann? Garantiert nicht!" "Ich habe dich nie eine Schlampe genannt!" "Du hast gesagt, dass ich eine große Anzahl an Exfreunden hätte!", hielt Crocodile wütend dagegen. "Dass du dir vorkommst wie einer von vielen und nur darauf wartest, ausgewechselt zu werden! Denkst du tatsächlich so schlecht von mir?" "So... so habe ich es nicht gemeint", stammelte Doflamingo. "Mach die Tür auf und lass uns in Ruhe darüber reden!" "Ich öffne die Türe erst dann, wenn du dich bei mir entschuldigt hast", forderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. Noch immer war er stocksauer. "Wofür soll ich mich entschuldigen?", erwiderte Doflamingo, der nicht minder wütend wirkte. "Dafür, dass ich dich angeblich eine Schlampe genannt hätte? Das habe ich aber gar nicht getan!" "Nicht direkt", gab Crocodile zurück. "Aber die Dinge, die du eben gesagt hast, laufen auf dasselbe hinaus!" "Du drehst mir mal wieder die Worte im Mund herum!", schimpfte sein Verlobter. "Alles, was ich sage, verdrehst du, um eine Entschuldigung von mir zu erzwingen!" Crocodile konnte den Unsinn, den Doflamingo von sich gab, kaum fassen. "Was?!", meinte er. "Ich drehe dir die Worte im Mund herum? Hast du noch alle Tassen im Schrank? Ich habe es überhaupt nicht nötig, dir die Worte im Mund herumzudrehen. Was du eben gesagt hast, war nämlich mehr als eindeutig!" "Ich habe bloß meine Gefühlslage deutlich gemacht", hielt Doflamingo mit leiser Stimme dagegen. "Willst du mir vorhalten, dass ich meine Gefühle und Gedanken mit dir geteilt habe?" "Deine Gefühle und Gedanken?!", wiederholte Crocodile zornig. "Wenn deine Gefühle und Gedanken beinhalten, dass ich bloß ein billiges Flittchen bin und auf die nächste Gelegenheit warte, um dich gegen einen anderen Mann einzutauschen, dann kann ich sie dir definitiv vorhalten! Warum sagst du so etwas, Doflamingo? Glaubst du etwa, dass ich unsere Beziehung nicht ernst nehme? Oder du mir nicht wichtig bist?" "Doch, natürlich", erwiderte Doflamingo, der inzwischen beinahe schon verzweifelt klang. "Aber, nun ja.... Du hast schon ziemlich viele Beziehungen ernst genommen, oder nicht? Und so einige Männer sind dir in deinem Leben schon wichtig gewesen. Ich habe das Gefühl, dass ich aus dieser Menge nicht wirklich heraussteche. Ich möchte etwas Besonderes für dich sein, aber manchmal denke ich, dass ich bloß einer von vielen bin." "Soll ich mich etwa bei dir entschuldigen, weil ich keine unberührte Jungfrau war, als ich dich kennengelernt habe?" Für Crocodile ergaben die Worte seine Verlobten nur wenig Sinn. "Verdammt, wir leben doch nicht im Mittelalter, Doflamingo! Es ist nicht meine heilige Pflicht, bis zur Ehe enthaltsam zu bleiben! Du kannst mir nicht vorwerfen, bereits mit anderen Männern zusammengewesen zu sein! Damals wusste ich noch nicht einmal, dass du überhaupt existierst!" "Dessen bin ich mir bewusst", meinte Doflamingo schwach. "Und warum machst du mir dann Vorwürfe?!" "Ich mache dir keine Vorwürfe", erwiderte sein Verlobter. "Aber ich kann auch nicht verleugnen, dass ich manchmal Zweifel hege und mir wünsche, ich wäre der einzige Mann, mit dem du jemals eine wirklich ernsthafte Beziehung eingegangen bist. Wenn du mir sagst, dass du mich liebst, muss ich immer wieder an die vielen anderen Menschen denken, zu denen du diese Worte auch schon gesagt hast." Er hielt einen kurzen Moment lang inne, ehe er fortfuhr: "Du hast mein Leben völlig auf den Kopf gestellt, Crocodile. Als ich dich bei dem Geschäftsessen mit Sengoku kennengelernt habe, ist es sofort um mich geschehen gewesen. Es war Liebe auf den ersten Blick! Nun, zumindest auf meiner Seite. Es hat wochenlang gedauert, bis es mir endlich gelungen war, dich zu einem Date zu überreden. Aber schon von der allerersten Sekunde an wusste ich, dass du der Mann meines Lebens bist. Früher bin ich jedes Wochenende feiern gegangen, habe mich mit unzähligen Männern und Frauen vergnügt und einfach bloß in den Tag hinein gelebt. Aber du hast meine Denkweise völlig verändert. Seitdem ich dich kenne, interessiere ich mich für keinen anderen Mann und keine andere Frau mehr. Ich möchte nur dich. Ich genieße es, jeden Morgen neben dir aufzuwachen. Ich möchte dich heiraten und ich möchte Kinder mit dir haben, Crocodile! Du hast meinem Leben eine ganz neue Bedeutung verliehen. Und... und es quält mich, dass ich anscheinend nicht dieselbe Wirkung bei dir erzielt habe. Ich habe dein Leben nicht stärker beeinflusst als irgendeiner deiner anderen Freunde. Du hast gezögert, als ich dir angeboten habe, zu mir zu ziehen. Und nahezu jedes Mal, wenn ich von der bevorstehenden Hochzeit spreche, machst du einen ausweichenden Eindruck. Ich weiß, dass du mich liebst, aber manchmal komme ich gegen diese Gefühle einfach nicht an. Verstehst du das, Crocodile?" Crocodile seufzte laut und bedeckte sein Gesicht mit der rechten Hand. Sein Verlobter und er hatten bereits vor einigen Wochen über dieses Thema gesprochen gehabt, doch ihm war nicht klar gewesen, dass Doflamingo so stark litt. Eigentlich hatte er geglaubt, dass es ihm gelungen wäre, die Zweifel seines Partners zu zerstreuen. Aber in diesem Punkt hatte er sich wohl geirrt. "Machst du bitte die Türe auf?" Crocodile erhob sich und fuhr sich durch sein dunkles Haar, ehe er den Schlüssel im Schloss umdrehte. Sofort kam Doflamingo ins Zimmer gestürmt, legte seine Arme um ihn und zog ihn so nah zu sich, dass Crocodile den Herzschlag seines Verlobten hören konnte. Er war sich nicht sicher, ob ihn dieses Geräusch beruhigte oder aufwühlte. "Es tut mir leid, dass du meine Worte als Vorwurf verstanden hast", sagte Doflamingo. "So habe ich es nicht gemeint. Meine Zweifel sind nicht deine Schuld." "Ist schon gut", meinte Crocodile in Ermangelung einer besseren Erwiderung. Er hatte nicht damit gerechnet gehabt, dass sein Verlobter ein solches Geständnis ablegen würde, und fühlte sich völlig überfordert. Wie hatte die Erstellung der Gästeliste für ihre Hochzeit bloß zu diesem Streit führen können? Nach einer Weile fügte er hinzu: "Es gibt keinen Grund, um zu zweifeln. Ich liebe dich, Doffy. Mit keinem anderen Menschen genieße ich meine Zeit so sehr wie mit dir. Du hast recht, wenn du sagst, dass ich schon einige Beziehungen geführt habe, ehe ich auf dich getroffen aber. Aber du solltest nicht vergessen, dass, ganz egal wie viele Freunde ich schon gehabt habe, es in meinem Leben nur einen einzigen Verlobten gibt. Und auch nur einen einzigen Ehemann." Doflamingo nickte und intensivierte ihre Umarmung. Er wirkte längst nicht mehr so angespannt und aufgewühlt wie gerade eben noch. Crocodile beschloss, es ihm gleichzutun und bemühte sich darum, ein wenig lockerer zu werden. Er war sehr froh darüber, dass sie diesen Streit endlich geklärt hatten. Oder eher: fast geklärt hatten. Es gab da nämlich noch eine Sache, die Crocodile noch auf dem Herzen lag. Er löste sich von seinem Partner, sah diesem ins Gesicht und meinte: "Ich hoffe, dass ich dir nicht zu nahe trete, Doffy, aber darf ich dir eine Frage stellen?" Doflamingo nickte. Auch wenn sie nun nicht mehr eng aneinander gepresst dastanden, hatte er noch immer die Arme um seine Hüfte geschlungen. Crocodile störte dieser Kontakt nicht. "Hetzt du aus diesem Grund so sehr mit den Hochzeitsvorbereitungen? Weil du denkst, dass du aus der Masse herausstichst und nicht mehr bloß einer von vielen bist, wenn du erst einmal mein Ehemann bist?" "Ja und nein", gab Doflamingo zu. "Du hast recht, wenn du sagst, dass ich dich möglichst bald heiraten möchte. Ich möchte unsere Beziehung auf eine neue Stufe stellen. Vermutlich auch, damit ich dein Leben auf ganz besondere und absolut einzigartige Weise beeinflusse. Aber hauptsächlich einfach bloß, weil ich dich liebe und mir kein Grund einfällt, wieso wir länger warten sollten." Er hielt kurz inne, ehe er hinzufügte: "Hast du wirklich das Gefühl, dass ich dich hetze, was die Vorbereitungen für die Hochzeit angeht?" "Ein wenig", erwiderte Crocodile zögerlich. Er war sich dessen bewusst, dass er sich momentan auf sehr dünnem Eis bewegte. Auf der einen Seite wollte er seinem Partner klarmachen, dass sie sich mit ihrer Hochzeit gerne noch ein wenig Zeit lassen konnten, doch auf der anderen Seite durfte er Doflamingo nicht verletzen. Schließlich bedeutete diesem ihre Vermählung sehr viel. "Ich habe keine Lust, mich hetzen und drängen zu lassen", sagte Crocodile und bemühte sich darum, den richtigen Tonfall zu treffen. "Unsere Hochzeit soll wundervoll werden. Aber für mich gehört nicht bloß dieser eine Tag dazu, an dem wir uns das Ja-Wort geben und mit unseren Freunden und Verwandten feiern. Ich habe es dir schon einmal gesagt: Auch die Vorbereitungen für die Hochzeit möchte ich in guter Erinnerung behalten." Zur Bekräftigung fügte er noch hinzu: "Auch wenn es mir in letzter Zeit psychisch wieder besser geht, bin ich immer noch nicht vollständig wieder gesund. Und ich möchte kurz vor unserem großen Tag keinen Nervenzusammenbruch erleiden, bloß weil wir unbedingt so früh wie möglich heiraten wollten. Stress und Hektik kann ich derzeit wirklich überhaupt nicht gebrauchen. Ich spreche sehr gern mit dir über unsere Hochzeit, Doflamingo, aber bitte lass uns die Sache ein bisschen langsamer angehen. In Ordnung?" "Klar, das verstehe ich", sagte sein Verlobter und Crocodile stellte erleichter fest, dass dieser seine Worte tatsächlich ernst zu meinen schien. "Gut." Crocodile atmete auf. "Ich denke, dass es uns beiden guttun wird, wenn wir uns nicht so sehr in diese Sache hineinsteigern. Du weißt doch hoffentlich, dass du der Mann meines Lebens bist, auch ohne dass wir beide im Rathaus einen Vertrag unterschreiben und gegenseitig die Ringe austauschen?" "Natürlich." Doflamingo lächelte und beugte sich zu ihm hinunter, um ihn auf den Mund zu küssen. Crocodile schloss seine Augen und erwiderte den Kuss. Da er nun einige gute Gründe hatte, um die Vorbereitungen für ihre Hochzeit weiter nach hinten zu verschieben, fiel ihm ein großer Stein vom Herzen. Je später sie beide heirateten, desto besser. "Aber, nur um es klarzustellen, du willst doch nicht bloß standesamtlich heiraten, nicht wahr?" Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Wieso nicht?", fragte er schulterzuckend. "Ich bin nicht sonderlich religiös. Ich hätte kein Problem damit, die Kirche außenvorzulassen." Doflamingo wirkte absolut entsetzt. "Du willst nicht kirchlich heiraten?", wiederholte und klang, als hätte Crocodile ihm gerade verkündet, dass er kleinen Hundewelpen gerne den Hals umdrehte. "Nun ja, nicht unbedingt", gab er zu. "Bist du denn sonderlich religiös?" "Nicht so richtig", lenkte Doflamingo ein. "Aber es ist doch total unromantisch, nur standesamtlich zu heiraten! Hast du denn nicht schon immer davon geträumt, anmutig nach vorne zum Altar zu schreiten, wo dein zukünftiger Ehemann auf dich wartet?" "Nein, habe ich nicht", gab Crocodile schnippisch zurück. "Und wieso bin überhaupt ich derjenige, der nach vorne zum Altar schreitet? Ich bin doch nicht deine Braut! Soll ich etwa ein weißes Kleid und einen Schleier tragen? Du spinnst doch." "Kein weißes Kleid, schließlich bist du keine Frau", erwiderte Doflamingo, "aber was hältst du von einem weißen Anzug? Ich trage schwarz und du weiß. Das würde doch passen, oder nicht?" "Garantiert nicht!" Crocodile verschränkte pikiert die Arme vor der Brust. "Warum trägst du keinen weißen Anzug? Wieso sollte ausgerechnet ich die Braut sein und nicht du?" "Na, du bist deutlich kleiner als ich", erklärte Doflamingo neckisch grinsend. "Es macht viel mehr Sinn, wenn du die Braut bist und ich der Bräutigam. Wenn du möchtest, dann darfst du auch den Brautstrauß werfen. Und ich trage dich über die Türschwelle." "Ph!" Crocodile streckte seinem Verlobten die Zunge heraus. "Träum weiter, Doffy!" * Crocodile saß im Wohnzimmer auf der Couch und blätterte relativ gedankenlos durch eine Zeitschrift, die sein Verlobter irgendwann einmal abonniert hatte. Auf dem Beistelltisch standen eine nur noch halb volle Flasche Wein und ein Glas, aus dem Crocodile immer mal wieder einen Schluck nahm. Auch wenn die Arbeit heute sehr anstrengend gewesen war (es gab viel zu tun und er war von einem wichtigen Meeting zum nächsten gehetzt), fühlte er sich insgesamt ziemlich wohl. Crocodile empfand Erschöpfung nicht zwingend als negativ. Dass er erschöpft war, bedeutete, dass er heute viel geleistet hatte, und darauf konnte er stolz sein. Tatsächlich schien Franky mit seiner Arbeit sehr zufrieden zu sein. Gestern erst hatte er ein großes Lob von Seiten seines Chefs bekommen. Crocodile nippte gerade an seinem Weinglas, als unerwarteterweise die Türe zum Wohnzimmer aufging. Verwundert hob er den Kopf und sah zu seinem Verlobten hinüber, der breit grinsend den Raum betrat. "Was machst du denn schon hier?", fragte er irritiert, denn Doflamingo hatte ihm gesagt gehabt, dass er den Nachmittag bei einem Freund verbringen wollte. Er hatte ihm auch den Namen genannt, doch daran erinnerte Crocodile sich nicht mehr so ganz. Er tippte auf Vergo oder Diamante. "Ich habe eine Überraschung für dich!", erklärte Doflamingo mit aufgeregter Stimme und kam hastig auf ihn zu. Skeptisch zog Crocodile die Augenbrauen zusammen und legte seine Zeitschrift zur Seite. (Erst jetzt fiel ihm auf, dass es sich um irgendein Brautmagazin handelte, doch diesen Umstand schien sein Verlobter zum Glück nicht zu bemerken). "Eine Überraschung? Was denn für eine Überraschung?" "Wenn ich es dir verraten würde, wäre es keine Überraschung mehr, oder nicht?", erwiderte Doflamingo, der von Ohr zu Ohr grinste. "Komm schon, steh auf!" Er griff nach seinem Handgelenk und zog ihn mit sanfter Gewalt auf die Füße. "Wohin gehen wir denn?", fragte Crocodile. Er fühlte sich überfordert; damit, dass sein Partner so plötzlich auftauchte und ihn entführte, hatte er beim besten Willen nicht gerechnet gehabt. "In ein Restaurant oder so etwas? Wenn ja, muss ich mich vorher umziehen." Da er eigentlich vorgehabt hatte, einen entspannten Nachmittag Zuhause zu verbringen, trug er gemütliche Kleidung, die für ein auswärtiges Essen definitiv nicht angemessen war. Doch Doflamingo schüttelte sowieso den Kopf. "Wir müssen nicht einmal die Villa verlassen", meinte er und lozte ihn die Treppe hoch. "Die Überraschung wartet in deinem Lesezimmer auf dich!" "In meinem Lesezimmer?" Crocodile überlegte, was sein Partner für ihn besorgt haben könnte. Ein neues Bücherregal vielleicht? Nein, das war zu langweilig für einen Mann wie Doflamingo. So wie Crocodile seinen Verlobten kannte, hatte dieser eher etwas vorbereitet, was mit Sex zu tun hatte. Hoffentlich erwartete ihn gleich keine bereits installierte Sexschaukel, Strip-Stange oder Ähnliches in seinem hübschen Lesezimmer. Zum Einen kannte Crocodile sich mit solchen Geräten überhaupt nicht aus und zum Anderen vertrat er die Ansicht, dass, wenn man sich so etwas besorgte, diese Dinge ins Schlafzimmer gehörte und nirgendwo anders hin. Immerhin handelte es sich um absolute Privatsache. "Ich bin mir sicher, dass du begeistert sein wirst!", verkündete Doflamingo mit freudestrahlender Stimme. Er holte einen schwarzen Seidenschal aus seiner Hosentasche hervor und verband ihm damit die Augen. Crocodile schluckte, doch ließ sich diese Behandlung gefallen. Inzwischen war er sich sehr sicher, dass sein Verlobter irgendeine absolut perverse Überraschung für ihn geplant hatte. Dieser ließ bei solchen Gelegenheiten nämlich sehr gerne Seidenschals zum Einsatz kommen. Noch gut erinnerte sich Crocodile daran, wie Doflamingo ihn vor ein paar Wochen erst mit zwei schwarzen Schals gefesselt und anschließend auf absolut agonische Art und Weise verwöhnt hatte. Zuerst massierte ihn sein Partner mit Wildrosenöl, dann fingerte er ihn und schlussendlich kam sogar (zum ersten Mal in ihrer Beziehung) ein Vibrator zum Einsatz. Auch wenn er es nur ungern zugab, hätte Crocodile gegen eine Wiederholung nichts einzuwenden. Den Vibrator hatten sie zwar ein oder zwei weitere Male benutzt gehabt, doch in letzter Zeit war er zu seinem Unmut ein wenig in Vergessenheit geraten. "Überraschung!", rief Doflamingo mit heiterer Stimme und nahm ihm den Schal wieder ab. Neugierig öffnete Crocodile seine Augen. Als er sah, was sich in seinem Lesezimmer befand, stockte ihm der Atem. Das kann doch nicht wahr sein, schoss es ihm durch den Kopf. Zu einem anderen Gedanken war er momentan nicht fähig. Es dauerte etwa eine halbe Minute, bis er sich wieder gesammelt hatte. Vor seinen Füßen auf dem Teppichboden stand ein großer, mit weichen Kissen ausgelegter Weidenkorb. Darin befanden sich zwei kleine Kätzchen. Beide hatten silber-graues Fell und trugen jeweils eine Schleife um den Hals. "Gefallen sie dir?", fragte sein Verlobter ihn in einem gespannt klingenden Tonfall. Crocodile wusste nicht, was er auf diese Frage antworten sollte. Einerseits wollte er seinen Partner nicht verletzen (dieser hatte es bestimmt bloß gut gemeint), doch auf der anderen Seite war er absolut entsetzt und geschockt. Wie zur Hölle kam Doflamingo bloß auf die Idee, ihm zwei Katzen zu schenken? Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, ihm gegenüber jemals erwähnt zu haben, dass er sich ein Haustier wünschte. Aus seinem Schweigen schien sein Verlobter eigene Schlüsse zu ziehen. "Sie gefallen dir nicht", stellte er mit niedergeschlagener Stimme fest und verzog den Mund. "Sie sehen niedlich aus", erwiderte Crocodile schwach. Er wandte den Blick von den beiden Kätzchen ab und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Als er sich einigermaßen wieder gefasst hatte, meinte er schließlich: "Um ehrlich zu sein, bin ich ziemlich geschockt. Warum schenkst du mir denn auf einmal zwei Katzen? Wie bist du nur auf diesen verrückten Gedanken gekommen, Doflamingo?" "Wieso verrückt?", gab dieser zurück. Er erweckte einen furchtbar enttäuschten Eindruck. "Ich wollte dir mit den Kleinen eine Freude machen!" "Dessen bin ich mir bewusst", lenkte Crocodile beschwichtigend ein. "Aber ich frage mich, weshalb es ausgerechnet zwei Katzen sein müssen." "Bist du allergisch?", hakte Doflamingo nach. Crocodile schüttelte den Kopf. "Darum geht es nicht", erklärte er. "Aber es bedeutet eine ganze Menge Verantwortung, sich um Haustiere zu kümmern. Und wir beide sind viel beschäftigte Männer. Jeder von uns arbeitet mindestens acht Stunden pro Tag. Wann sollen wir uns denn um die Kleinen kümmern? Hast du dir das mal überlegt?" "Du übertreibst", warf sein Verlobter ein. "Mann muss sie jeden Tag füttern und gelegentlich die Katzentoilette sauber machen. Das ist überhaupt nicht viel Arbeit. Und weil wir beide so oft unterwegs sind, habe ich auch gleich zwei von ihnen besorgt. Dann sind sie nie alleine und vereinsamen nicht. Es gibt also überhaupt kein Problem." "Doch, das gibt es", erwiderte Crocodile. Er konnte die grenzenlose Naivität seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen. "Verdammt, Doflamingo! Sich Haustiere zuzulegen, ist eine echt große Sache. Du hättest mit mir sprechen müssen, bevor du die Katzen besorgst." "Aber dann wäre es doch keine Überraschung mehr gewesen", hielt Doflamingo dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du tust so, als hätte ich ohne deine Einwilligung ein Kind adoptiert. Es sind doch bloß zwei Kätzchen." "Ob es nun ein Kind oder ein Tier ist!", meinte Crocodile zornig. "Du lädst mir einfach eine riesige Verantwortung auf die Schultern, ohne mich vorher danach zu fragen! Ich bin doch in letzter Zeit sowieso ständig im Stress und muss oft Überstunden machen. Wie soll ich mich denn da gleichzeitig noch um zwei Tiere kümmern? Aber daran hast du natürlich keinen einzigen Gedanken verschwendet!" "Tiere helfen gegen Stress", wandte Doflamingo ein. "Es gibt doch sogar Therapien, bei denen Tiere mitwirken, oder nicht? Bestimmt können dir die beiden Kätzchen dabei helfen, dich zu entspannen. Warum nimmst du nicht einfach eines von ihnen hoch? Schau doch nur, wie süß die beiden sind!" "Ich will keines von ihnen hochnehmen", erwiderte er schroff. "Bring die Katzen wieder dahin zurück, wo du sie her hast, ja? Ich bin nicht bereit für eine solche Verantwortung, Doflamingo!" "Aber wenn du es dir nicht einmal zutraust, für ein Tier zu sorgen, wie willst du es denn dann schaffen, dich um ein kleines Kind zu kümmern?" "Was redest du da für einen Unsinn?" Crocodile verstand überhaupt nicht, worauf sein Partner hinauswollte. "Wir reden hier doch gerade über die beiden Katzen. Wie kommst du da plötzlich auf Kinder?" "Na, wir wollen doch später Kinder haben", meinte Doflamingo. "Aber wie soll das gehen, wenn du es nicht einmal schaffst, dich um ein Haustier zu kümmern?" Nun endlich erkannte Crocodile die Absicht, die hinter diesem Geschenk stand. "Willst du etwa mithilfe dieser beiden Kätzchen meinen Kinderwunsch wecken?", fragte er mit entsetzter und zorniger Stimme. "Soll das irgendeine Art Vater-Training werden? Doflamingo!" "Wieso denn nicht?", meinte sein Verlobter. "Es wäre eine gute Übung, oder nicht?" "Bist du eigentlich komplett bescheuert?!" Crocodile gelang es nicht länger, seine Wut in Zaum zu halten. "Ich fasse es nicht! Ich fasse es einfach nicht! Du versuchst mir diese beiden Katzen unterzujubeln, um deine eigenen Wünsche durchzusetzen! Ich hätte nie gedacht, dass du so furchtbar egoistisch sein kannst!" "Wieso denn egoistisch?" Nun ging auch Doflamingo in Angriffsposition über. "Kinder zu wollen ist praktisch das absolute Gegenteil! Schließlich geht es darum, sein Leben zu teilen. Seine Zeit zu opfern, um sich um andere Menschen zu kümmern und sie zu erziehen. Es handelt sich um eine große Verantwortung. Und daran ist überhaupt nichts egoistisch!" "Es ist egoistisch, seinem Partner einen Kinderwunsch aufdrängen zu wollen!", entgegnete Crocodile scharf. "Ich habe dir gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich jemals Vater werden möchte. Aber darüber setzt du dich einfach hinweg! Für dich zählen bloß deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Du willst Kinder, also kriegst du Kinder. Und es ist dir vollkommen egal, wie ich dazu stehe!" "Das ist mir nicht egal!", meinte Doflamingo in einem energisch klingenden Tonfall. "Ich würde nie ohne dein Einverständnis ein Kind adoptieren. Genau darum versuche ich doch, dir klar zu machen, wie schön es ist, Kinder zu haben. Und es ist mein gutes Recht, den Versuch zu starten, dich zu überzeugen, oder nicht?" "Mich überzeugen zu wollen und mir zwei Katzen anzudrehen, sind zwei grundverschiedene Dinge!", warf Crocodile seinem Verlobten vor. "Du versuchst, mich zu manipulieren!" "Ich manipuliere dich nicht", meinte Doflamingo, "ich versuche nur dein Interesse zu wecken. Du sollst merken, dass es eine wunderbare Sache sein kann, Verantwortung für Andere zu tragen. Wenn man seine Haustiere gut behandelt, kriegt man sehr viel Zuneigung von ihnen zurück. Und bei Kindern ist es genauso." "Aber warum ausgerechnet jetzt?!" Crocodile sah hinüber zu den beiden Kätzchen mit dem grau-silbernen Fell, die in dem großen Weidenkorb lagen. Er schüttelte den Kopf und warf dann seinem Verlobten einen verständnislosen Blick zu. "Selbst wenn wir davon ausgehen, dass ich grundsätzlich nichts dagegen hätte, mal Vater zu werden, ist dieses Thema doch trotzdem derzeit überhaupt nicht interessant für uns. Momentan ist nicht einmal für ein Haustier Platz in meinem Leben; geschweige denn für ein Kind. Wir würden uns also sowieso frühestens in ein paar Jahren ernsthaft mit Adoption beschäftigen. Warum willst du mir dann jetzt schon diese beiden Katzen aufdrängen?" "Wieso denn erst in ein paar Jahren?", erwiderte Doflamingo und wischte sich über den Mund. "Wir lieben uns und verstehen uns hervorragend. Geld und Platz haben wir mehr als genug. Und reif für Kinder sind wir auch; immerhin sind wir beide in unseren Dreißigern. Grundsätzlich würde also nichts dagegen sprechen, oder?" Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Doflamingo konnte seine Worte unmöglich ernst meinen! "Wir sind erst seit zehn Monaten ein Paar!", hielt Crocodile mit lauter Stimme dagegen. "Außerdem bist du Geschäftsmann und ich bin Manager. Keiner von uns beiden kann so einfach aus seinem Job aussteigen. Ganz abgesehen mal davon, dass ich absolut nicht der Meinung bin, wir beide wären reif für Kinder. Verdammt nochmal! Bist du denn blind, Doflamingo? Ich hatte erst vor ein paar Wochen einen Nervenzusammenbruch! Ich stehe wegen meiner Arbeit und unseren Hochzeitsvorbereitungen ständig unter Strom. Wie soll ich mich denn in dieser Situation um ein Kind kümmern? Das geht nicht!" "Nun ja", gab sein Verlobter zögernd zurück. "Ein Kind würde dir vielleicht dabei helfen, Stress abzubauen. Du könntest dir eine Auszeit nehmen von deiner Arbeit. Ein paar Jahre lang für die Kinder Zuhause bleiben. Und wenn es dir besser geht, wieder in den Beruf zurückkehren. Das wäre die ideale Lösung für unsere Probleme!" "Du willst, dass ich meine Arbeit aufgebe!? Dass ich wie eine brave Hausfrau Zuhause bleibe und die Windeln unserer Kindern wechsle? Während du deine Geschäfte weiterführst und eine Millionen nach der anderen verdienst?" Für Crocodile war diese Diskussion beendet. Er warf Doflamingo einen völlig entgeisterten Blick zu, ehe er aus dem Raum stürmte. Sein Partner lief ihm hinterher, doch Crocodile schenkte ihm keine Beachtung. Er war schrecklich wütend. Am liebsten würde er jetzt irgendjemanden verprügeln. Idealerweise seinen Verlobten. "Crocodile? Hey, jetzt warte doch mal!" Doflamingo hatte ihn eingeholt. Er hielt ihn am Handgelenk fest, doch Crocodile riss sich sofort los. "Lass mich in Ruhe!", zischte er. Es erschreckte ihn selbst, wie zornig und verletzt seine Stimme klang. "Wo willst du denn hin?" "Irgendwohin, wo du nicht bist!", erwiderte Crocodile schroff. Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Füße ihn hinüber zu dem Fahrstuhl, der unter Anderem in die weitläufige Tiefgarage der Villa führte, trugen. Die Vorstellung, sich in seinen Mercedes C 216 zu setzen und ein paar Kilometer über eine verlassene Landstraße zu fahren, sagte ihm zu. Er brauchte jetzt dringend ein wenig Abstand von seinem Partner. "Lauf nicht schon wieder weg!", sagte Doflamingo. "Bitte, Wani! Wir können doch über alles reden!" "Fick dich!", erwiderte Crocodile und drückte den Knopf, um den Fahrstuhl zu rufen. Er konnte nicht in Worte fassen, wie wütend er im Moment war. Er fühlte sich herabgesetzt. Was erlaubte sein Verlobter sich eigentlich? "Jetzt sei doch nicht so bockig!" Doflamingo stieg zu ihm in den Fahrstuhl und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht komplett auszurasten. "Komm schon! Wir setzen uns ins Wohnzimmer, beruhigen uns wieder und sprechen wie erwachsene Menschen miteinander. Ich möchte nicht, dass wir im Streit auseinandergehen." "Lass mich einfach in Ruhe!" Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich. Crocodile stürmte hinaus und ging schnurstracks zu seinem Mercedes C 216 hinüber. Doflamingo folgte ihm auf dem Fuße. "Du solltest jetzt nicht Auto fahren", sagte er und schien sich um eine ruhige Stimmlage zu bemühen. "Deine Meinung ist mir scheißegal", erwiderte Crocodile und stieg in den Wagen ein. "Das ist mein Auto und ich bin nicht dein Eigentum. Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!" Er schloss laut knallend die Fahrertüre und schaltete in den Rückwärtsgang. Seine rechte Hand zitterte vor Wut. * Etwa eine Stunde lang fuhr Crocodile ziellos durch die Gegend. Er fühlte sich schrecklich. Schrecklich wütend, schrecklich aufgebracht, schrecklich verletzt. Wie konnte sein Verlobter es bloß wagen, ihn in die Rolle der passiven Hausfrau drängen zu wollen?! Bloß weil womöglich alle anderen Männer und Frauen, mit denen Doflamingo jemals in einer Beziehung war, zu gerne ein Kind mit diesem gehabt hätten, galt dies nicht automatisch auch für ihn. Er war viel zu stolz, um sich von seinem Partner versorgen zu lassen und seine Tage damit zuzubringen, sich von Babies bespucken zu lassen. Crocodile presste die Zähne aufeinander. Zu gerne würde er jetzt mit dem Fuß auf das Gaspedal drücken, doch momentan schlängelte er sich durch eine Reihe von Dreißigerzonen. Ohne es selbst zu bemerken, war er in die Vorstadt gelangt. Hübsche Einfamilienhäuser mit gut gepflegten Vorgärten standen am Straßenrand. Fast erwartete Crocodile, auf das Haus von Daz zu stoßen. Seine alter Studienfreund lebten in einer Gegend, die dieser hier zum Verwechseln ähnlich sah. Irgendwann endete der nette Vorort und Crocodile fand sich auf einer gut ausgebauten und glücklicherweise beinahe leeren Landstraße wieder. Rechts und links wurde die Fahrbahn von Feldern und größeren Baumgruppen gesäumt. Ein Grinsen schlich sich auf Crocodiles Gesicht, als er auf das Gaspedal drückte. Die etwa 100.000 Berry, die der Mercedes C 216 kostete, lohnten sich in Momenten wie diesem ganz besonders: Die mehr als 400 PS sorgten für eine wahnsinnige Beschleunigung. Crocodile lachte laut und erhöhte die Geschwindigkeit auf mehr als 170 Stundenkilometer. Auf der Landstraße, die er gerade entlangfuhr, galt zwar eine offizielle Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern, doch die Fahrbahn war fast leer und außerdem hatte Crocodile den Kick, den die Geschwindigkeit ihm gab, dringend nötig. Für ein paar Minuten vergaß er den schlimmen Streit, den er mit seinem Verlobten gehabt hatte, und genoss stattdessen die atemberaubende Leistungsfähigkeit seines Wagens. Ein paar Dutzend Kilometer später hatte Crocodile sich beinahe schon wieder eingekriegt. Inzwischen befand er sich in der Nähe der Nachbarstadt; in einem der Vororte lebte Daz und Crocodile spielte mit dem Gedanken, ihn anzurufen und zu fragen, ob er bei ihm übernachten könnte. Auch wenn er sich einigermaßen beruhigt hatte, würde er gerne darauf verzichten, sich heute Abend mit Doflamingo auseinanderzusetzen. Er wollte nicht über Adoption reden oder darüber, wie schön es war, Vater zu sein. Die Aussicht, gemeinsam mit Daz einen Film anzuschauen und ein paar Cracker zu verdrücken, erschien ihm deutlich verlockender. Crocodile verließ die Landstraße. Hoffentlich war Daz Zuhause. Er hätte seinen alten Freund gerne angerufen, aber Crocodile war nicht verantwortungslos genug, um während des Fahrens mit dem Handy zu telefonieren. Eigentlich passte es auch gar nicht zum ihm, mit dem Auto zu fahren, um sich abzuregen. Seit dem Verkehrsunfall, bei dem er seine linke Hand verloren hatte, war Crocodile insgesamt zu einem sehr vorsichtigen und besonnenen Fahrer geworden. Es geschah selten, dass er die Höchstgeschwindigkeit überschritt. Wäre die Straße eben nicht beinahe leer gewesen, hätte er mit Sicherheit auch keine Ausnahme gemacht. Crocodile folgte einer Haupstraße, von der er wusste, dass sie in den Stadtteil führte, in dem sein bester Freund lebte. Genauso wie Mihawk und Hancock hatte dieser sich ein hübsches Einfamilienhaus in der Vorstadt zugelegt. Auch Daz war unverheiratet und kinderlos; es kam selten vor, dass man ihn öfter als ein halbes Dutzend Mal mit derselben Frau sah. Er war kein Mann, der mit den Gefühlen anderer Menschen spielte, doch es fiel ihm schwer, enge Beziehungen einzugehen. Wenn er allerdings jemanden in sein Herz schloss, entwickelte er sich zu einer sehr fürsorglichen Person. Diese Erfahrung hatte Crocodile schließlich selbst gemacht. Zu dem kleinen Kreis Auserwählter, die in den Genuss von Daz' Freundschaft kamen, zählten zum Beispiel seine Cousine Paula und auch sein Hund Fiffie. Daz hatte sich den Golden Retriver vor etwa vier Jahren zugelegt. Zu seiner Rechten konnte Crocodile eine hübsche Kirche ausmachen. Es handelte sich um ein sehr altes Gebäude, das über einen hohen Glockenturm verfügte und dessen breite Flügeltüre mit aufwändigen Schnitzereien geschmückt worden war. (Auch wenn Crocodile kein sonderlich religiöser Mensch war, konnte er durchaus entscheiden, ob ein Haus ästhetisch ansprechend wirkte oder nicht.) Hier musste er links abbiegen. Weniger als zwei Sekunden später war ein furchtbar lautes Krachen zu hören und ein heftiger Ruck durchfuhr Crocodiles gesamten Körper. Der Seitenairbag wurde ausgelöst und verhinderte, dass er mit seinem Kopf oder seiner Schulter gegen die linke Türe des Mercedes C 216 prallte, während dieser über die Kreuzung geschleudert wurde. Ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können, brach er in völlige Panik aus. Laut schreiend klammerte er sich an sein Lenkrad und bat Gott darum, ihn noch ein wenig länger leben zu lassen. Irgendwann kam der Mercedes C 216 zum stehen. Crocodile konnte überhaupt nicht einschätzen, ob es sich um Sekunden, Minuten oder Stunden gehandelt hatte. Um ehrlich zu sein, verstand er nicht einmal, was überhaupt passiert war. Er ließ das Lenkrad los, blickte auf seine zitternde Hand und brach unvermittelt in Tränen aus. Es gab bloß eine einzige Sache, der Crocodile sich bewusst war: Er stand unter Schock. Ob er verletzt war oder nicht, konnte er nicht beurteilen. Die Fahrertüre wurde geöffnet und ein dunkelhaariger Mann, dessen Gesicht stark geschminkt war, lugte in das Wageninnere hinein. Er wirkte mindestens ebenso durch den Wind wie Crocodile sich fühlte. "Geht es Ihnen gut?", fragte er. Crocodile fiel sofort der leichte französische Akzent auf. "Sind Sie unverletzt? Oder soll ich lieber einen Krankenwagen rufen?" Crocodile atmete zweimal tief ein und aus. Er wischte sich mit dem rechten Hemdsärmel über die Augen und löste anschließend den Sicherheitsgurt. "Mir fehlt nichts, denke ich", meinte er mit schwacher Stimme und stieg aus dem Mercedes C 216. Seine Knie fühlten sich an wie Wackeludding. "Sicher?", hakte der fremde Mann nach. "Sie sehen (verständlicherweise) völlig fertig aus. Vielleicht haben sie eine Gehirnerschütterung, ein Schleudertrauma oder so etwas in der Art." Crocodile schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. "Mir geht es gut", wiederholte er. Allmählich spürte er, wie er wieder zu sich fand. "Sie können von Glück sprechen, dass Sie so glimpflich davon gekommen sind", meinte der dunkelhaarige Mann. "Dieser Unfall sah wirklich schlimm aus. Ich kam von rechts und habe alles genau gesehen. Die Beifahrertür ist vollkommen demoliert; von der Motorhaube des anderen Wagens ganz zu schweigen." Crocodile umrundete langsamen Schrittes seinen Mercedes C 216 und sah sich die Unfallstelle selbst an. Der Mann mit dem stark geschminkten Gesicht hatte nicht untertrieben: Beinahe die komplette rechte Seite seines Autos war zerstört. Grund dafür war die Motorhaube eines dunkelblauen Citroen C6, die sich tief in die Beifahrertüre grub. "Wie geht es den Insassen des Citroen?", fragte Crocodile, als er feststellte, dass der Wagen leer war. "Der Fahrer hat eine gebrochene Nase", erwiderte der Mann mit dem dunklen, kurzen Haar. "Wegen des Frontairbags. Ansonsten scheint er nichts abbekommen zu haben. Über sie beide hat heute wohl ein Schutzengel gewacht. Als ich gesehen habe, wie der Citroen Ihren Mercedes quer über die Kreuzung geschoben hat, war ich mir sicher, dass es Schwerverletzte, wenn nicht sogar Tote geben würde. Glück im Unglück, nenne ich so etwas. Die Polizei habe ich übrigens bereits alarmiert. Und einen Krankenwagen hat der Fahrer des Citroen sich selbst gerufen." Crocodile nickte. Noch immer konnte er nicht so recht fassen, was geschehen war. Seit dem Motorradunfall, bei dem er seine linke Hand verloren hatte, war er nicht mehr in einen schweren Unfall verwickelt gewesen. Als er sah, wie sowohl ein Kranken- und Streifenwagen als auch der Abschleppdienst in die Kreuzung einbogen, wurde ihm plötzlich furchtbar schlecht. Mit seiner rechten Hand stützte Crocodile sich am Heck des Mercedes C 216 ab, während er sich in mehreren Schüben mitten auf der Straße übergab. Er war mit den Nerven völlig am Ende. Diesen Umstand schien auch der Polizist, der mit ihm sprach, zu bemerken. Genauso wie der Mann mit dem französischen Akzent fragte der Beamte mehrmals, ob er einen Krankenwagen für ihn rufen sollten, doch Crocodile lehnte jedes Mal ab. Da ihm nichts fehlte und er sich in Krankenhäusern zumeist unwohl fühlte, sah er keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme. Man befragte ihn bezüglich des Unfallhergangs. Crocodile erklärte wahrheitsgemäß, dass er links abbiegen wollte, während des Vorgangs jedoch vom dunkelblauen Citroen gerammt und über die Kreuzung geschoben worden war. "Der Fehler lag eindeutig bei Ihnen", meinte der Polizist. Es handelte sich um einen pflichtbewusst wirkenden Mann mit schwarzem Haar, der sich unter dem Namen Chaka vorgestellt hatte. "Sie hätten vor dem Abbiegen den Gegenverkehr durchlassen müssen. Wie kommt es, dass Sie das versäumt haben?" Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich war in Gedanken", sagte er schließlich. Den heftigen Streit, den er mit seinem Verlobten gehabt hatte, ließ er außen vor. Um ehrlich zu sein, hatte er keine sonderlich große Lust, mit dem Polizeibeamten zu sprechen. Er stand noch immer unter Schock. Am liebsten hätte er sich einfach ein Taxi gerufen, um zu Daz zu fahren und sich von diesem umsorgen zu lassen. Eine kuschelige Decke um die Schultern und einen heißen Tee in der Hand könnte er nun wirklich gut gebrauchen. Chaka warf ihm einen skeptischen Blick zu. "Sie erwecken einen stark aufgewühlten Eindruck", sagte er. "Außerdem haben Sie sich übergeben, als mein Kollege und ich die Unfallstelle erreichten." Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Worauf wollen Sie hinaus?", fragte er. "Sie werden sich einem Bluttest unterziehen", gab Chaka zurück. "Und wozu?" "Um herauszufinden, ob Sie momentan unter dem Einfluss von Rauschmitteln stehen", erklärte ihm der Polizeibeamte, während er sich ein paar Notizen machte. Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was man ihm da vorwarf. "Ist das Ihr Ernst?", wollte er mit wütender Stimme wissen. "Sie glauben, dass ich unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehe? Bloß weil ich aufgewühlt bin und mich erbrochen habe? Sind Sie denn komplett verrückt?! Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber ich hatte eben einen schweren Autounfall und bin in meinem Wagen über die komplette Kreuzung geschleudert worden!" "Bitte mäßigen Sie sich", erwiderte Chaka, der von seinem Notizblock aufsah und ihm einen ernsten Blick zuwarf. "Ich kann nachvollziehen, dass Sie unter Schock stehen, aber das gibt Ihnen nicht das Recht, mir gegenüber ausfallend zu werden." "Tut mir wirklich sehr leid", gab Crocodile mit giftiger Stimme zurück. "Bei meinem nächsten Verkehrsunfall bemühe ich mich darum, nicht Ihre Schicht zu treffen. Ich kann nachvollziehen, dass es Sie nervt, sich mit Menschen herumzuschlagen, die womöglich nur um Haaresbreite dem Tod entkommen sind. Sorry!" "Bitte beruhigen Sie sich", meinte der Polizist. "Es nützt weder Ihnen noch mir etwas, wenn Sie jetzt ausrasten. Sie werden sich einem Bluttest unterziehen müssen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Die Polizei hat das Recht, zu prüfen, ob der Verursacher eines Autounfalls unter dem Einfluss von Rauschmitteln steht oder nicht." "Leck mich doch am Arsch, du Wichser!" Bei Crocodile brannten die Sicherungen durch. Ihm war überhaupt nicht bewusst, was er tat, während er brüllte: "Ich habe nichts getrunken und auch kein Gras geraucht, verdammt nochmal! Ich bin absolut dagegen, betrunken Auto zu fahren! Würden sich alle Menschen an diese Regel halten, dann hätte ich vielleicht noch meine linke Hand! Also wirf mir nicht vor, ich hätte mich unter Drogeneinfluss hinters Steuer gesetzt!" "Ganz ruhig!" Chaka hob in einer teils beschwichtigend, teils alarmiert wirkenden Geste seine beiden Hände. Sein Kollege, der sich im Augenblick mit dem geschminkten Mann unterhielt, der den Unfall beobachtet hatte, sah sofort zu ihnen hinüber. Crocodile schloss seine Augen und atmete zweimal tief ein und aus. Schließlich sagte er mit leiser Stimme: "Entschuldigung. Es war nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen. Ich habe meine Hand vor zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall verloren. Der Unfallverursacher stand unter starkem Alkoholeinfluss. Seitdem bin ich sehr empfindlich, was dieses Thema angeht. Um ehrlich zu sein, weiß ich gerade gar nicht, wo mir der Kopf steht. Bitte verzeihen Sie." "Ist in Ordnung", meinte Chaka. Crocodile konnte überhaupt nicht einschätzen, ob der Polizist seine Worte ernst meinte oder nicht. "Aber bitte bemühen Sie sich darum, Ruhe zu bewahren. Sobald wir mit der Befragung und dem Bluttest fertig sind, können Sie jemanden anrufen, der Sie abholt und sich um Sie kümmert." Crocodile nickte und versuchte, der Anweisung des Beamten folge zu leisten. Der Autounfall, den er verursacht hatte, nahm ihn bereits sehr mit; er hatte keine Lust darauf, sich nun auch noch Ärger mit der Polizei einzuhandeln. Anstatt also erneut aufbrausend zu werden, fügte er sich seinem Schicksal und folgte Chaka hinüber zum Streifenwagen, um sich dort dem angeordneten Bluttest zu unterziehen. Crocodile fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar und seufzte leise. Er fühlte sich absolut miserabel und sehnte sich nach jemandem, der ihm über den Rücken streichte und ein paar beruhigende Worte zuflüsterte. Ihm kamen Daz oder Doflamingo in den Sinn. Den Streit, den er mit seinem Partner gehabt hatte, hatte Crocodile beinahe schon wieder vergessen. Er erschien ihm absolut nebensächlich im Gegensatz zu dem, was gerade eben geschehen war. Herrgott, er hatte einen schlimmen Verkehrsunfall herbeigeführt! Plötzlich wurde Crocodile die gesamte Brandbeite seines Handelns klar. Verunsichert blickte er zu seinem Mercedes C 216 hinüber, dessen rechte Türe vollständig demoliert war. Der dunkelblaue Citroen C6, der gerade abgeschleppt wurde, hatte eine komplett zerstörte Motorhaube. Und bei den Schäden an den beiden Wagen handelte es sich um wohl um das geringere Übel. Weil er unaufmerksam gewesen war, wurde ein anderer Mensch in genau diesem Augenblick wegen einer gebrochenen Nase im Krankenhaus behandelt. Genausogut hätte der Fahrer des Citroen tot sein können. So wie er selbst auch. Crocodile wusste nicht, ob er von Glück oder Unglück sprechen sollte. Gerade als Chaka die Spritze zückte und ihm versicherte, es würde nicht wehtun, sondern bloß einmal kurz pieksen, wurde Crocodile bewusst, dass er tatsächlich unter Alkoholeinfluss stand. Bevor Doflamingo das Wohnzimmer betrat, um ihn wegen der beiden Kätzchen ins Lesezimmer zu führen, hatte er bereits eine halbe Flasche Wein getrunken gehabt. Daran hatte Crocodile gar nicht mehr gedacht. In seinem Kopf war bloß Platz für Wut auf seinen Verlobten gewesen. Für einen kurzen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Crocodile drehte sich von Chaka weg und übergab sich ein weiteres Mal auf der asphaltierten Fahrbahn. Er war betrunken Auto gefahren. Er hatte einen Unfall verursacht, bei dem ein anderer Mensch verletzt worden war. Crocodile ekelte sich vor sich selbst. * "Beruhige dich", sagte Daz in einem Tonfall, der so unfassbar gelassen klang, dass Crocodile sich nicht sicher war, ob seine Worte ernst oder ironisch gemeint waren. "Es hätte schlimmer kommen können. Niemand ist gestorben, niemand ist schwer verletzt worden." "Zwei Autos haben praktisch einen Totalschaden", erwiderte er und vergrub sein Gesicht in einem weichen Couchkissen. "Ein Mann hat sich die Nase gebrochen. Und es ist alles nur meine Schuld." "In einen Verkehrsunfall zu geraten, kann jedem passieren", meinte sein bester Freund. Er setzte sich neben ihn und stellte auf den Couchtisch zwei dampfende Tassen ab, die vermutlich Kamillentee enthielten. "Ich bin nicht hineingeraten, ich habe ihn verursacht", korrigierte Crocodile ihn und beobachtete den Dampf, der von den beiden Teetassen aufstieg. Er fühlte sich gleichzeitig aufgewühlt und ausgelaugt. Am liebsten hätte er sich für ein paar Stunden schlafen gelegt, doch er wusste, dass er die Augen nicht zubekäme, wenn er es versuchen würde. "Weil ich mich betrunken hinters Steuer gesetzt habe, musste jemand ins Krankenhaus. Ich verabscheue mich selbst! Ich bin nicht besser als der Fahrer des Volvos, wegen dem ich meine Hand verloren habe. Ich sollte eine gebrochene Nase haben und nicht der Fahrer des Citroen!" "Dieser Fehler hätte dir auch nüchtern passieren können." Daz nahm einen Schluck Tee. "Du warst einfach in Gedanken. Ab und an ist jeder mal beim Auto fahren geistig abwesend. Du hattest einfach bloß Pech." "Dieser Unfall ist vermeidbar gewesen", hielt Crocodile energisch dagegen. "Wenn ich nüchtern gewesen wäre, hätte ich daran gedacht, den Gegenverkehr durchzulassen, bevor ich links abbiege." "Das kannst du überhaupt nicht wissen." Daz seufzte leise und meinte schließlich: "Es ist falsch gewesen, dass du unter Einfluss von Alkohol Auto gefahren bist. In dieser Hinsicht hast du absolut recht, Crocodile. Aber es nützt nichts, wenn du dich deswegen selbst quälst. Was passiert ist, ist passiert und lässt sich nicht mehr ändern. Außerdem darfst du nicht vergessen, dass du völlig kopflos warst wegen dem Streit, den du mit Doflamingo gehabt hast. Dieser Verkehrsunfall hätte dir genausogut auch stocknüchtern passieren können. Du warst einfach nicht ganz bei dir." "Ob der Grund für den Unfall der Alkohol in meinem Blut oder meine Wut auf Doflamingo gewesen ist", erwiderte Crocodile, "macht für den Fahrer des Citroen doch überhaupt keinen Unterschied. Sein Wagen ist demoliert und seine Nase auch. Meinetwegen." "Und was möchtest du deswegen jetzt tun?" Daz sah mit einem ernsten Gesichtsausdruck zu ihm hinüber. "Soll ich dir der Gerechtigkeit halber ebenfalls die Nase brechen? Glaubst du, das hilft dem Fahrer des Citroen in irgendeiner Art und Weise?" Crocodile zuckte mit den Schultern und schloss seine Augen. Er konnte Daz seufzen hören. "Wahrscheinlich brauchst du ein wenig mehr Zeit, um über deinen Schock hinwegzukommen", meinte er mit leiser Stimme. "Ich werde Doflamingo Bescheid geben, dass du bei mir bist. Er hat bereits bei mir angerufen, kurz nachdem du abgehauen bist, und nachgefragt, ob ich ich wüsste, wo du bist. Er macht sich große Sorgen um dich." Crocodile erwiderte auf diese Aussage nichts. Er verstärkte seinen Griff um das weiche und große Couchkissen, das er fest umkrallt hielt, und fragte sich, wie sein Verlobter wohl reagieren würde, wenn er von dem Unfall erfuhr, den er fahrlässigerweise verursacht hatte. Plötzlich erinnerte Crocodile sich daran, dass Doflamingos jüngerer Bruder gerade erst vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Sein Partner hatte psychatrische Hilfe in Ansprech nehmen müssen, um diesen Verlust zu verarbeiten. Der Unfallverursacher war ein anderer Fahrer gewesen, der ebenfalls Alkohol im Blut gehabt hatte. Crocodile schluckte und versuchte mit aller Kraft die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Er war völlig verzweifelt. Etwa eine dreiviertel Stunde später tauchte Doflamingo auf. Er wirkte sehr erleichtert; anscheinend war er froh darüber, ihn endlich gefunden zu haben. Bestimmt hat er sich furchtbare Sorgen gemacht, als ich verschwunden bin, schoss es Crocodile durch den Kopf. Trotzdem machte er keine Anstalten, seinen Partner zu begrüßen. Stattdessen vermied Crocodile den Blickkontakt und vergrub sein Gesicht erneut in dem weichen und großen Couchkissen, das er fest umkrallt hielt. Doflamingo lächelte zaghaft, als er sich neben seinen Verlobten auf die Couch setzte. Er schwieg für einen Moment. Vielleicht wollte er Crocodile die Möglichkeit geben, zuerst zu sprechen, doch als dieser auch nach mehr als einer halben Minute keinen Ton von sich gegeben hatte, ergriff er schließlich selbst das Wort: "Ich hoffe, dass du nicht allzu wütend auf mich bist, Crocodile. Du musst wissen, dass mir nichts auf der Welt wichtiger ist als unsere Beziehung und ich dich auf keinen Fall verlieren möchte. Ich liebe dich und würde am liebsten gleich sofort eine Familie mit dir gründen. Trotzdem war es falsch, die beiden Katzen zu besorgen, ohne diese Sache vorher mit dir abzusprechen. Das war ein hinterhältiger Schachzug von mir und ich verspreche dir, dass..." "Verdammt nochmal, Doflamingo, halt die Klappe!" Eigentlich hatte Crocodile überhaupt nicht vorgehabt, seinen Partner anzubrüllen, doch, um ehrlich zu sein, wusste er sich einfach nicht anders zu helfen. Zwei kleine Katzen stellten zurzeit wohl sein allergeringsten Problem dar. Was ihn um einiges stärker belastete, war der schlimme Autounfall, den er vor kaum eineinhalb Stunden verursacht hatte. Crocodile war definitiv nicht in der richtigen Verfassung, um sich mit Doflamingo über den Streit zu unterhalten, den sie beide zuvor gehabt hatten. Er fühlte sich nichtsnutzig, kraftlos und schrecklich erschöpft. Obwohl die Augen seines Verlobten wie üblich durch die getönten Gläser einer Sonnenbrille verdeckt wurden, wusste Crocodile ganz genau, dass Doflamingo ihm einen verwunderten und verunsicherten Blick zuwarf. Es dauerte nicht lange, bis er sich wieder gefangen hatte. "Ich kann verstehen, dass du wütend bist", sagte er und schien sich um einen sachlichen Tonfall zu bemühen, "aber ich bin mir sicher, dass wir ganz in Ruhe über die Dinge reden können, die vorgefallen sind. Schließlich sehe ich meinen Fehler ja auch ein." "Halt die Klappe", wiederholte Crocodile; dieses Mal klangen seine Worte jedoch deutlich schwächer. Sein Gesicht hatte er noch immer fest in einem der Couchkissen vergraben. Er spürte sehr deutlich, dass ihn die Verzweilfung überkam. Ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können, begann er zu zittern. Außerdem spürte er überdeutlich, dass er zum zweiten Mal an diesem Tag kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Aus dem Augenwinkel heraus konnte er beobachten, wie sein Verlobter fragend zu Daz hinübersah, der eben mit einer weiteren Tasse Tee aus der Küche zurückgekehrt war. Er stellte die Tasse vor Doflamingo auf den Couchtisch ab und ließ sich anschließend neben diesem nieder. "Nimm es ihm nicht übel", sagte er und seufzte leise. "Crocodile ist mit den Nerven vollkommen am Ende. Er steht unter Schock." "Schock?", hakte Doflamingo besorgt nach und ließ seinen Blick zwischen Crocodile und Daz hin- und herschweifen. "Er hatte einen Autounfall." "Was?" Doflamingo schien kaum fassen zu können, was sein Gastgeber da erzählte. "Ich.... ich... wow... ich meine... Wann? Wo?" Crocodile schloss die Augen. Es gefiel ihm nicht, dass Daz seinem Verlobten erzählte, was geschehen war, was er getan hatte, doch er fühlte sich zu schwach, um dem Einhalt zu gebieten. Außerdem war er froh darüber, dass Doflamingo von ihm abgelassen hatte und sich nun stattdessen Daz zuwandte. Er hätte nicht die Kraft dazu aufbringen können, seinen häufig doch so furchtbar sturen und hartnäckigen Partner abzuwimmeln. "Der Unfall ist vor etwas mehr als einer Stunde passiert", erklärte Daz. "Crocodile wollte wohl zu mir fahren, nachdem ihr beide euch gestritten hattet. Hast du auf dem Weg hierher die katholische Kirche gesehen, die ein paar Blocks entfernt steht? Dort wollte er links abbiegen, war allerdings so durcheinander, dass er nicht daran gedacht hat, vorher den Gegenverkehr durchzulassen. Ein anderer Wagen hat seinen Mercedes gerammt und ihn quer über die gesamte Kreuzung geschleudert. Es ist ein Wunder, dass niemand schwer verletzt wurde. Ich habe die beiden Autos gesehen, als ich Crocodile abgeholt habe: Die komplette rechte Seite seines Mercedes ist demoliert, genauso wie die Motorhaube des anderen Wagens. Es sah wirklich sehr schlimm ist. Und, nun ja, auch wenn Crocodile (dem Himmel sei Dank) unverletzt geblieben ist, steht er immer noch unter Schock. Er braucht sehr viel Ruhe." Doflamingo schluckte sichtbar, ehe er nickte. Er wirkte beinahe so aufgelöst wie Crocodile sich fühlte. "Ich würde vorschlagen, dass ihr beide heute bei mir übernachtet. Eine lange Autofahrt ist wohl das Letzte, was Crocodile jetzt gebrauchen kann. Außerdem ist morgen ja sowieso Samstag." "Das hört sich gut an", meinte Doflamingo. "Vielen Dank." Daz winkte ab. "Wenn es euch nichts ausmacht, werde ich jetzt das Abendessen vorbereiten", sagte er und erhob sich. Crocodile war sofort klar, dass es sich nur um einen Vorwand handelte, um Doflamingo und ihm die Möglichkeit zu geben, ein wenig unter sich zu sein. Daz aß nämlich normalerweise bereits gegen neunzehn Uhr zu Abend; und der große Zeiger der Uhr, die an der Querwand des Wohnzimmers hing, lief bereits auf die Neun zu. Kaum hatte Daz den Raum verlassen, spürte Crocodile die Hand seines Partners an seiner Schulter. Fast erwartete er, dass Doflamingo ihn schüttelte und ihm wütend vorwarf, der Unfall wäre allein seine Schuld gewesen, doch zu seiner Verwunderung handelte es sich um eine sehr zärtliche und liebevolle Berührung. Crocodile schämte sich dafür, dass er die Nähe seines Verlobten genoss. Schließlich hatte er gerade eben erst einen schlimmen Autounfall verursacht; Mitleid und Rücksichtnahme waren da das Letzte, was er verdient hatte. "Du musst jetzt nichts sagen", meinte Doflamingo in einem Tonfall, der ebenso sanft klang wie seine Berührung sich anfühlte. "Ich verstehe, dass du nervlich total fertig bist und jetzt keine Lust hast, mit mir über unseren Streit oder irgendetwas Anderes zu sprechen. Das ist in Ordnung." Crocodile nickte und löste sich endlich von seinem Couchkissen. Damit, dass sein Verlobter so unfassbar verständnisvoll reagieren würde, hatte er beim besten Willen nicht gerechnet gehabt. Immerhin wusste Doflamingo doch, dass er ein paar Gläser Wein getrunken hatte, ehe er losgefahren war. Crocodile setzte sich auf und fuhr sich leise seufzend mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar. Er spürte, dass er seinen Schock allmählich überwand. Was allerdings nicht bedeutete, dass er sich in irgendeiner Art und Weise besser fühlte. Noch immer vertrat er die Ansicht, dass er etwas absolut Furchtbares getan hatte. Unweigerlich fragte er sich, ob der Fahrer des Citroen das Krankenhaus inzwischen bereits wieder verlassen hatte. Crocodile wusste nicht, wie lange es dauerte, eine gebrochene Nase zu behandeln. Doflamingo legte die Arme um seinen Körper; wie von selbst schloss Crocodile seine Augen und lehnte sich in die Umarmung hinein. Es tat ihm unwahrscheinlich gut, den Herzschlag und die Körperwärme seines Partners zu spüren. Sofort fühlte er sich ein klein wenig besser. Zu Abend gab es eine Tomatensuppe, die Daz selbst gemacht hatte. Doch obwohl sie wirklich ausgezeichnet schmeckte, verspürte Crocodile überhaupt keinen Appetit. Er zwang lediglich ein paar Löffel der Flüssigkeit hinunter, um seinen Gastgeber nicht zu beleidigen. Anschließend führte Daz sie ins Gästezimmer, das im ersten Stock seines Hauses lag. Es war zwar gerade einmal zehn Uhr abends, doch Daz schien genug Menschenkenntnis zu besitzen, um zu verstehen, dass sie beide ein wenig Ruhe brauchten und lieber unter sich sein wollten. Doflamingo und Crocodile bedankten sich beide überschwänglich für die Möglichkeit, hier übernachten zu dürfen, doch ihr Gastgeber erwiderte lediglich, dass es sich um eine Selbstverständlichkeit handelte und sie beide gerne so lange bleiben dürften, wie sie wollten. Um ehrlich zu sein, täte Crocodile nichts lieber, als sich einfach ins Bett zu legen und darauf zu warten, dass ihn irgendwann der Schlaf einholte. Er hoffte, dass es ihm morgen womöglich ein klein wenig besser ging und er eine andere Sicht auf die Dinge bekam. Das einzige Problem, das es gab, war Doflamingo: Denn obwohl Crocodile die Nähe seines Verlobten sehr genoss, war er sich ziemlich sicher, dass er heute Abend keine Lust auf Sex bekommen würde. Er fragte sich, ob Doflamingo trotz der schlechten seelischen Verfassung, in der er sich momentan befand, den Versuch wagen würde ihn zu verführen. Schweigend und ohne den Blick mit seinem Partner zu kreuzen, entkleidete Crocodile sich bis auf die Boxershorts, ehe er unter die Decke schlüpfte. Daz schien die Bettwäsche erst vor kurzem gewechselt zu haben: Sie roch sehr angenehm nach Waschpulver und verleitete Crocodile dazu, tief ein- und auszuatmen. Doflamingo rückte nah an ihn heran, legte den Arm um seine Hüfte und vergrub das Gesicht in seinem Haar. Crocodile schob seinen Verlobten mit der Hand von sich und meinte mit leiser, aber energischer Stimme: "Ich habe keine Lust auf Sex, Doffy." Es war das erste Mal in ihrer Beziehung, dass er Doflamingo absolut eindeutig den Sex verweigerte. Fast erhoffte Crocodile sich, einen Streit vom Zaun zu brechen. Er wollte seinen Partner wütend machen; er wollte, dass er ihn anschrie. Ihm sagte, er wäre nichtsnutzig und verantwortungslos. Denn genau so fühlte Crocodile sich im Augenblick. Es kam ihm so vor, als verdiente er das Mitgefühl und den Trost seines Verlobten nicht. Immerhin hatte wegen seines rücksichtslosen Verhaltens jemand anders eine gebrochene Nase davongetragen. Der Fahrer des Citroen hätte genausogut auch tot sein können. Er wünschte sich, dass Doflamingo ihn mit Wut und Verachtung strafte. Gerade weil dieser seinen jüngeren Bruder bei einem Unfall verloren hatte, der ebenfalls durch einen betrunkenen Autofahrer verursacht worden war, hatte er jedes Recht dazu. "Ist schon gut", sagte Doflamingo in einem ruhig und sanft klingenden Tonfall. Er rückte erneut nah ihn heran, während er fortfuhr: "Ich habe überhaupt nichts vor. Ich möchte einfach nur eine Weile neben dir liegen. Versuch jetzt am besten einzuschlafen, Baby, ja?" Crocodile windete sich aus der Umarmung seines Partners, setzte sich im Bett auf und bedeckte seine Augen mit der Innenfläche der rechten Hand. Er konnte es kaum fassen, dass Doflamingo seine Ablehnung so einfach akzeptierte. Anscheinend brachte er ja sogar Verständnis dafür auf. Dabei war Crocodile doch gar nicht das Opfer in dieser Situation. Ganz im Gegenteil: Er war der Täter. Dieses Mal war er der betrunkene Autofahrer gewesen, der einen schlimmen Unfall verursacht hatte. "Was hast du?", fragte Doflamingo, der sich ebenfalls aufgesetzt hatte. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Was ist los mit dir?" Crocodile schüttelte die Hand seines Verlobten ab, stieg aus dem Bett und schlüpfte in seine Kleidung, die auf dem Teppichboden verstreut lag. Wieso konnte sein Partner, der ihn schon wegen viel geringerer Dinge angeschrien hatte, nicht auch jetzt wütend werden? Warum tat er so, als hätte er überhaupt nichts falsch gemacht? "Hey! Wohin willst du denn?" Geistesgegenwärtig sprang Doflamingo aus dem Bett, hastete zur Zimmertüre hinüber, drehte den Schlüssel im Schloss herum und nahm diesen anschließend an sich. "Schließ gefälligst wieder auf!", verlangte Crocodile, als er (bis auf seine Schuhe, die unten im Flur standen) vollständig angekleidet war. "Du solltest jetzt nicht allein irgendwo hingehen", erwiderte Doflamingo, ohne seinem Wunsch nachzukommen. "Du bist immer noch viel zu durcheinander. Leg dich am besten wieder ins Bett und versuch einzuschlafen. Morgen wird es dir mit Sicherheit gleich viel besser gehen." "Du hast kein Recht dazu, mich hier einzusperren!", hielt Crocodile zornig dagegen. "Ich bin kein kleines Kind, verdammt nochmal!" "Wohin willst du überhaupt? Es ist zweiundzwanzig Uhr dreißig", erwiderte Doflamingo, der die Einwände seines Verlobten erneut einfach überging. Crocodile zuckte mit den Schultern. Er hatte daran gedacht, eine Bar aufzusuchen und solange zu trinken, bis er nicht mehr wusste, wer er überhaupt war, doch wahrscheinlich wäre es nicht allzu klug, diesen Plan seinem Partner mitzuteilen. Außerdem stand er überhaupt nicht in der Pflicht, Doflamingo gegenüber Rechenschaft abzulegen. Schließlich war dieser nicht sein Vater. "Möchtest du einen Spaziergang machen, um auf andere Gedanken zu kommen?", mutmaßte Doflamingo. "Damit bin ich einverstanden, aber lass mich wenigstens mitkommen. Wir müssen nicht miteinander reden, wenn du das nicht willst, aber ich möchte sichergehen, dass dir nichts zustößt." "Lass diesen Unsinn!", knurrte Crocodile, während Doflamingo seine Kleidung zusammensuchte. Es ärgerte ihn, dass sein Verlobter sich erneut so furchtbar fürsorglich verhielt, wo er doch eigentlich das genaue Gegenteil provozieren wollte. "Was soll mir denn schon passieren?" "Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus", erwiderte Doflamingo ungerührt. "Ich weiß nicht, wer sich nachts hier herumtreibt. Ein paar Jugendliche, die dich überfallen, sind das Letzte, was du jetzt gebrauchen kannst." "Wir befinden uns in einem Vorort", hielt Crocodile dagegen. "Hier treiben sich keine Diebesbanden herum. Außerdem sollte ich im schlimmsten Fall selbst mit ein paar Halbwüchsigen klarkommen. Ich bin kein wehrloses Mädchen, Doflamingo." "Du bist schon einmal überfallen worden! Und ich möchte unter allen Umständen vermeiden, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt!" Verwundert legte Crocodile den Kopf schief. Er war in seinem ganzen Leben noch nie überfallen worden. (Seine imposante Körpergröße und seine im Regelfall recht autoritäre Ausstrahlung hatten ihn bisher vor Übergriffen dieser Art ganz gut schützen können.) Es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, worauf Doflamingo hinaus wollte: Vor etwa fünf Jahren, kurz nach der Trennung von seinem gewalttätigen Exfreund Enel, hatte dieser ihm im Dunkeln aufgelauert und mit einem Messer das Gesicht aufgeschlitzt. Teils aus Scham und teils, weil er seine Geschwister und Freunde nicht zusätzlich in Angst versetzen wollte, hatte Crocodile diesen gegenüber angegeben, er wäre von einer Gruppe Jugendlicher überfallen worden. Er erinnerte sich daran, dass er sogar seinen teuren Mantel und seine Geldbörse in die nächste Mülltonne geworfen hatte, um die Geschichte glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Weil er Mihawk, Hancock und Daz erklärt hatte, die jungen Delinquenten hätten angedroht, ihm erneut Gewalt anzudrohen, wenn er sich an die Polizei wandte, hatte er wegen dieser Gewalttat niemals Anzeige erstattet. Anschließend hatte er auch die Anzeige wegen des gebrochenen Arms, der gebrochenen Rippe und der Gehirnerschütterung, die er bei der Trennung von Enel davongetragen hatte, zurückgezogen. Unweigerlich fragte Crocodile sich, woher Doflamingo Wind von dieser Lügengeschichte bekommen hatte. "Wer hat dir davon erzählt?", fragte er darum mit ernster Stimme. Der Gesichtsausdruck, den sein Partner aufsetzte, bestätigte ihm, dass dieser ganz genau wusste, wovon er sprach. "Shanks", gab Doflamingo schließlich zu. "Wir sind bei Hancocks Schwangerschaftsparty irgendwie auf dieses Thema gekommen. Er hat mir erzählt, dass du abends von einer Bande Jugendlicher überfallen worden bist und sie dir dein Gesicht aufgeschlitzt haben. Und, nun ja, seit ich von dieser Sache erfahren habe, mache ich mir in dieser Hinsicht eben besonders große Sorgen um dich. Mir wäre es wirklich lieber, wenn ich dich begleiten würde." Crocodile zögerte für einen Moment, ehe er erwiderte: "Die Geschichte ist erlogen." Er hoffte, dass Doflamingo endlich wütend werden und ihn anbrüllen würde, wenn er ihm offenbarte, dass er sich diesen Vorfall bloß ausgedacht hatte. "Es gab nie irgendwelche Jugendlichen, die mich bestohlen haben." "Was?" Verwundert zog sein Verlobter die Augenbrauen zusammen. Crocodile nickte eifrig. "Du hast richtig gehört", sagte er. "Ich habe meine Geschwister und meine Freunde angelogen." "Dein Mantel und deine Geldbörse waren verschwunden", hielt Doflamingo dagegen. "Und du hattest eine schwere Wunde im Gesicht. Das sind Fakten, die nicht erfunden sein können." "Es stimmt, dass mir das Gesicht mit einem Messer aufgeschlitzt wurde, als ich abends allein unterwegs war", gab Crocodile zu. "Aber ich bin nicht überfallen worden. Meinen Mantel und meine Geldbörse habe ich anschließend selbst entsorgt, um meiner Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen. Ich habe keine Angst davor, abends allein nach draußen zu gehen. Und ich fürchte mich auch nicht vor irgendwelchen halbwüchsigen Rowdies. Also schließ jetzt gefälligst endlich wieder die Türe auf!" "Aber warum?" Doflamingo schien nicht so recht fassen zu können, was sein Partner ihm auftischte. "Warum hast du alle angelogen? Wer hat dir in Wirklichkeit diese Verletzung zugefügt?" "Das spielt keine Rolle" entgegnete Crocodile, der überhaupt keine Lust verspürte, mit seinem Verlobten über Enel zu sprechen. "Mach die Türe auf, Doflamingo! So langsam verliere ich die Geduld!" "Ich schließe auf, sobald ich mich angezogen habe", entgegnete dieser mit ernster Stimme. "Du brauchst mich nicht zu begleiten", erwiderte Crocodile, dem sofort klar war, worauf sein Partner hinaus wollte. "Ich bin mir sicher, dass ich nicht überfallen werde. Also hör auf, dir Sorgen um mich zu machen!" "Dir geht es nicht gut", hielt Doflamingo dagegen, während er in seine Hose schlüpfte. "Du stehst immer noch unter Schock, du bist vollkommen durcheinander. In diesem Zustand werde ich dich nicht allein auf die Straße lassen." "Und wieso nicht?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Hast du Angst, ich könnte mich vor einen Zug werfen oder von einer Brücke stürzen?" "Ich dachte eigentlich daran, dass du dich womöglich verläufst oder einen Nervenzusammenbruch erleidest, so etwas in der Art", meinte Doflamingo und presste seine Lippen fest aufeinander. "Aber vielen Dank für diese neuen Ängste, die du in mir geschürt hast!" Crocodile rollte mit den Augen. "Du übertreibst. Mir geht es gut. Ich bin nicht einmal verletzt worden." "Nicht körperlich", korrigierte sein Verlobter spitzfindig. "Verdammt, Crocodile: Warum musst du immer so furchtbar stolz sein? Warum kannst du dir nicht einmal eingestehen, dass es dir schlecht geht und du Hilfe brauchst? Nur ein einziges Mal?" Crocodile seufzte leise auf und senkte den Blick. Er kannte den Grund ganz genau. Crocodile zögerte einen Moment lang, ehe die Worte geradezu aus ihm herausbrachen: "Weil ich es nicht verdiene." "Was?" Doflamingo hielt in seiner Bewegung inne und sah verdutzt zu ihm hinüber. "Was hast du da gesagt?" Anstatt seine Aussage zu wiederholen, zuckte Crocodile bloß mit den Schultern. Er war sich ziemlich sicher, dass sein Partner seine Worte verstanden hatte. Doflamingo kam auf ihn zu und legte die Arme um seinen Körper. Crocodile wehrte sich nicht gegen die Umarmung; er lehnte sich sogar in sie hinein und schloss seine Augen. Er konnte das Herz seines Verlobten laut schlagen hören. "Schlag dir diesen verfluchten Gedanken gleich wieder aus dem Kopf", flüsterte Doflamingo. Seine Stimme war leise, doch klang so unfassbar energisch und durchdringend, dass Crocodile nicht den geringsten Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Worte hegte. "Du darfst dich nicht schuldig fühlen! Es war ein Unfall!" Crocodile schüttelte den Kopf, doch löste die Umarmung nicht auf. Dazu fühlte er sich im Augenblick nicht imstande, auch wenn er sich selbst für seine Schwäche hasste. "Ich war betrunken", erwiderte er. "Eigentlich hatte ich geplant, den Abend Zuhause zu verbringen. Ich saß auf der Couch, habe eine Zeitschrift gelesen und ein paar Gläser Wein getrunken. Erinnerst du dich noch? Deswegen habe ich vergessen, den Gegenverkehr durchzulassen, bevor ich links abbiege. Nicht wegen unseres Streits, sondern weil ich Alkohol getrunken hatte. Es ist alles meine Schuld, Doflamingo!" Doflamingo schüttelte den Kopf und intensivierte ihre Umarmung. "Ich weiß", sagte er. "Aber du hast den Autounfall doch nicht absichtlich herbeigeführt, oder? Und wenn du es nicht absichtlich getan hast, ist es auch nicht deine Schuld. Du hast nicht vorsätzlich gehandelt, Crocodile!" "Aber fahrlässig", wandte dieser ein. "Ich bin noch nie mit Alkohol im Blut Auto gefahren. Selbst wenn ich bloß ein Glas Wein getrunken habe, habe ich mir immer lieber ein Taxi gerufen, anstatt selbst zu fahren. Gerade ich weiß doch, welche verheerenden Folgen es haben kann, wenn man betrunken Auto fährt. Der Fahrer des Citroen ist dieses Mal zwar mit einer gebrochenen Nase davon gekommen, aber er hätte genausogut auch tot sein können. Oder schwer verletzt. Und ich hätte für den Rest meines Lebens einen unschuldigen Menschen auf dem Gewissen!" "Es ist aber niemand gestorben und auch nicht schwer verletzt worden", wandte Doflamingo ein. "Du musst aufhören, dich ständig zu fragen, was hätte passieren können. Konzentrier dich stattdessen auf die Fakten: Ja, du bist betrunken Auto gefahren. Ja, das war ein riesiger Fehler. Und ja, du hast einen Unfall herbeigeführt, bei dem zwei Wagen und eine Nase zu Schaden gekommen sind. Mehr musst du dir nicht vorwerfen, denn mehr ist nicht geschehen. Also hör bitte auf, dir Vorwürfe zu machen wegen Dingen, die überhaupt nicht passiert sind. Und auch nie passieren werden, denn ich bin mir sicher, dass du niemals wieder Auto fahren wirst, wenn du etwas getrunken hast." "Als ich mich ins Auto gesetzt habe, habe ich gar nicht mehr daran gedacht, dass ich Wein getrunken hatte", sagte Crocodile mit leiser Stimme. "Ich war so wütend wegen der beiden kleinen Katzen, dass ich völlig vergessen habe, was vorher gewesen ist. Selbst als ich mit der Polizei gesprochen habe, war ich mir noch absolut sicher, völlig nüchtern gewesen zu sein. Erst als mir Blut abgenommen wurde, ist mir wirklich klar geworden, dass ich zuvor ein paar Gläser Wein getrunken habe." "Du hattest nichts Anderes im Kopf als unseren Streit", bestätigte Doflamingo seine Worte. "Wenn du daran gedacht hättest, dass du Alkohol getrunken hast, wärst du niemals auch nur auf die Idee gekommen, Auto zu fahren. Da bin ich mir hundertprozentig sicher. Du bist keine verantwortungslose Person, Crocodile, du warst einfach bloß durcheinander." Was Doflamingo sagte, klang in Crocodiles Ohren äußerst verführerisch. Es schien gar keine so schwere Sache zu sein, die Schuld einfach von sich zu schieben. Also erwiderte er: "Vielleicht war der Fahrer des Volvos auch einfach bloß durcheinander. Genauso wie der Fahrer, der Corazon auf dem Gewissen hat. Vielleicht hätte ich noch meine linke Hand und du deinen Bruder, wenn sie nicht durcheinander gewesen wären." "Das kannst du nicht miteinander vergleichen", erwiderte Doflamingo in einem überraschend gefassten Tonfall. Eigentlich war Crocodile davon ausgegangen, dass es sich bei Corazon um den wunden Punkt seines Verlobten handelte, dass dieser endlich ausrasten und ihn wütend anschreien würde, doch anscheinend hatten die vielen Treffen mit seinem Psychater Wirkung gezeigt. Doflamingo ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Anstatt ihn von sich zu stoßen und wild zu toben, meinte er: "Der Fahrer des Volvos, der für den Verlust deiner Hand verantwortlich ist, hatte 1, 2 Promille. Der Autofahrer, der meinen Bruder auf dem Gewissen hat, hatte 2, 4 Promille. Wie viel Promille hattest du laut Bluttest, Crocodile?" "0, 3", antwortete er wahrheitsgemäß. Doflamingo zog verwundert eine Augenbraue hoch. "Damit befindest du dich sogar noch im legalen Bereich", sagte er schließlich. "Man darf mit bis zu 0, 5 Promille Alkohol im Blut noch Auto fahren, solange der Fahrer dadurch nicht beeinträchtigt wird. Hast du dich durch in irgendeiner Form beeinträchtigt gefühlt? Hast du doppelt gewesen? War dir schwindelig? Irgendetwas in der Art?" Crocodile schüttelte den Kopf. "Wie gesagt", meinte er. "Ich habe ja völlig vergessen gehabt, dass ich Wein getrunken hatte. Wenn es mir klar gewesen wäre, hätte ich mich ja niemals hinters Steuer gesetzt." Dann fügte er rasch hinzu: "Aber ich war in meiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt! Sonst wäre es doch gar nicht erst zu diesem Unfall gekommen!" "Das kannst du gar nicht wissen", wandte Doflamingo ein. "Vielleicht ist dieser Unfall passiert, weil du wütend und durcheinander warst, und hat überhaupt nichts mit deinen 0, 3 Promille zu tun gehabt. Das wissen wir nicht und werden wir auch niemals erfahren. Also hör auf, dich deswegen selbst fertig zu machen. Du hast einen Fehler gemacht, Crocodile. Jeder macht ab und an mal einen Fehler. Lern daraus und nimm dir vor, diesen Fehler nie zu wiederholen. Aber es nützt nichts, wenn du dich deswegen geißelst. Haben wir uns verstanden?" Crocodile nickte zaghaft. "Ich habe auch schon ein paar Unfälle verursacht", versuchte Doflamingo ihn zu trösten. "Einer der Gründe, wieso ich mir einen Chaffeur zugelegt habe, ist der, dass ich selbst furchtbar schlecht Auto fahre. Einmal, ähm, als ich versucht habe auszuparken, bin ich rückwärts gegen ein am Rand stehendes Straßenschild gefahren. Meine Stoßstange ist aus der Verankerung gerissen; ganz zu schweigen von dem Schild, das ich umgenietet habe. Ein anderes Mal habe ich aus Versehen die Rechts-vor-links-Regel nicht beachtet und einem BMW i8 die Vorfahrt genommen. Der Fahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und ist in die rechte Seite meines Cadillacs gedonnert. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich geärgert habe, denn den Cadillac hat mein Vater mit zum achtzehnten Geburtstag geschenkt gehabt. Aber dieser Unfall hatte auch etwas Gutes, denn auf diese Weise habe ich Monet kennengelernt." "Wirklich?" Doflamingo nickte eifrig. "Klar. Man muss nur für kurze Zeit geistesabwesend sein und schon hat man ein Schild, ein anderes Auto oder was auch immer übersehen. Ich bin sogar einmal schnurstracks gegen eine Betonwand gefahren. Ich hatte in einer Tiefgarage einparken wollen und bin einfach zu weit nach vorne gefahren. Unfassbar, hm? Monet saß auf dem Beifahrersitz und hat sich schlappgelacht. Ich war gedanklich noch bei dem Film gewesen, den wir uns zuvor im Kino angesehen haben. Jeder baut früher oder später mal einen Unfall. Diese Dinge passieren eben. Niemand ist davor sicher. Verstehst du, was ich dir sagen möchte, Crocodile?" Crocodile löste sich von seinem Verlobten, atmete zweimal tief ein und aus, und nickte schließlich. Doflamingo lächelte breit. "Wunderbar", sagte er und küsste ihn auf die Stirn. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben." "Ich auch", gestand Crocodile. Er fühlte sich immer noch schlecht, aber spürte bereits, dass seine Laune allmählich besser wurde. Mit Doflamingo zu sprechen, hatte ihm wirklich gutgetan. "Wollen wir uns wieder ins Bett legen?", fragte sein Partner. "Bett klingt gut", antwortete Crocodile mit schwacher Stimme und zog sich sein Hemd kurzerhand über den Kopf. Doflamingo tat es ihm gleich. * Dieses Mal war es Crocodile, der nah an seinen Verlobten heranrückte. Doflamingos Körper war warm und spendete ihm Trost. Er presste seinen Kopf gegen die muskulöse Brust seines Partners, schloss seine Augen und atmete tief durch. Wenige Augenblicke später spürte er eine Hand, die ihm zärtlich über das Haar und den Rücken strich. Es dauerte nicht lange, bis Crocodile vollkommen entspannt war. Er genoss die Nähe zu Doflamingo sehr und merkte, dass die schwere Last, die er den ganzen Tag über mit sich getragen hatten, allmählich von seinen Schultern genommen wurde. Irgendwann fühlte Crocodile sich so wohl, dass er sich wünschte, Doflamingos Hand würde nicht bloß seinen Rücken, sondern auch Körperregionen, die ein wenig weiter unten lagen, streicheln. Er verspürte keine wilde Lust auf harten Sex, allerdings das starke Bedürfnis, seinem Verlobten nah zu sein. Näher, als sie sich momentan waren. Er sehnte sich danach, dass Doflamingos warme Hände ihn an intimeren Stellen berührten. [zensiert] Schwer atmend brach Doflamingo über ihm zusammen. Crocodile machte das zusätzliche Gewicht, das er auf seinem Körper spürte, nichts aus. Noch immer genoss er die Nähe zu seinem Partner sehr. Das einzige Detail, das ihn ein klein wenig störte, war sein Ejakulat, das ihn nass und warm bedeckte, und auf das Doflamingo sich völlig gleichgültig niedergelassen hatte. Unauffällig sah Crocodile sich im Raum nach einem Paket Taschentücher um; leider war nirgendwo eines zu finden. "Das war gut", murmelte Doflamingo, als er sich wieder aufrichtete. Ungefähr die Hälfte des Spermas, das Crocodile von sich gegeben hatte, klebte an seinem muskulösen Oberkörper. Er spürte, dass er rot im Gesicht wurde, als er feststellte, um welch große Menge es sich handelte. So viel Ejakulat hatte er das letzte Mal bei einem Samenerguss verloren, als er noch ein Jugendlicher gewesen war. "Anscheinend hat es dir auch gefallen", grinste Doflamingo, der die Gedanken seines Partners lesen zu können schien. Er warf einen Blick auf das viele Sperma, das seine Brust und seinen Bauch bedeckte, und pfiff anerkennend. Crocodile gab einen verlegenen Brummlaut von sich und bewarf Doflamingo mit einem Kissen. Der brach jedoch bloß in lautes Gelächter aus. Das Gelächter seines Verlobten erstarb augenblicklich, als Crocodile sich aufrichtete. Da er keine Taschentücher ausfindig machen konnte, wollte er hinüber ins angrenzende Gästebad huschen, um zu duschen. Sein kompletter Oberkörper wurde von seinem eigenen Sperma bedeckt, während Doflamingos Ejakulat warm an seinen beiden Oberschenkel hinunter lief. "Oh shit", sagte Doflamingo und saugte scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. "Croco, du blutest!" "Hm?" Verwundert wandte Crocodile sich nach unten und erblickte zu seiner Überraschung tatsächlich die rote Flüssigkeit, die gemeinsam mit dem Sperma seines Partners aus ihm heraus tropfte. "Verdammt!" Rasch hastete er hinüber ins kleine Gästebadezimmer und griff nach dem Toilettenpapier, um sich provisorisch zu säubern. Leider kam diese Maßnahme zu spät: Unglücklicherweise musste Crocodile feststellen, dass er sowohl die Matratze als auch den beigefarbenen Teppichboden bereits mit seinem Blut besudelt hatte. Es handelte sich zwar nicht um sonderlich große Flecken, doch auf dem hellen Untergrund waren sie überdeutlich zu sehen. Wie sollte er dieses Malheur bloß Daz erklären? "Hast du Schmerzen?", fragte Doflamingo, der ihm auf dem Fuße gefolgt war. Crocodile schüttelte den Kopf. "Nein, überhaupt nicht", antwortete er wahrheitsgemäß. "Mir ist es gar nicht aufgefallen, bevor du mich darauf hingewiesen hast." Er nahm sich noch mehr Toilettenpapier; die Blutung war zwar nicht stark, doch leider wollte sie sich auch nicht so einfach stoppen lassen. Crocodile fragte sich, was passiert sein mochte. Als er die Flüssigkeiten von seinen Oberschenkeln entfernt hatte, machte er sich daran, seinen noch immer von Sperma bedeckten Oberkörper zu säubern. Um ehrlich zu sein, fühlte er sich schrecklich schmutzig. Außerdem schämte er sich: Zum Einen, weil er das hübsche Gästezimmer von Daz mit seinem Blut völlig versaut hatte, und zum Anderen, weil sein Partner ihn in dieser äußerst peinlichen Situation sah. Dass er nach dem Sex blutete, war noch nie vorgekommen. "Ich möchte kurz duschen", sagte Crocodile an seinen Verlobten gewandt; er hoffte, dass Doflamingo die Andeutung verstehen und das kleine Gästebad für ein paar Minuten verlassen würde. "Zuerst fahre ich dich ins Krankenhaus", erwiderte Doflamingo mit ernster Stimme. "Was?" Crocodile warf seinem Partner einen verwunderten Blick zu. Anschließend machte er eine wegwerfende Handbewegung. "Ach, Quatsch. So schlimm ist es nicht. Ich glaube, die Blutung hat jetzt sowieso aufgehört." "Lass uns nicht schon wieder diese Diskussion führen!" Doflamingo verschränkte die Arme vor der Brust. "Wenn man blutet und keine Ahnung hat, woher es kommt, gehört man ins Krankenhaus. Und damit basta! Komm schon; zieh dir ein paar Klamotten über und dann fahren wir los." "Du übertreibst", erwiderte Crocodile. "Es ist doch bloß ein bisschen Blut. Lass uns nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Es besteht absolut kein Anlass, um mitten in der Nacht ins Krankenhaus zu fahren." "Wie viel es ist, tut nicht zur Sache", wandte Doflamingo ein. "Der ausschlaggebende Punkt ist, dass wir nicht wissen, was die Ursache für die Blutung ist." Crocodile rollte mit den Augen. "Das ist doch wohl offensichtlich", schnaubte er. Für ihn lag die Sache klar auf der Hand: Sie beide waren beim Sex heute sehr ungeduldig gewesen. Die Vorbereitung hatten sie praktisch im Schnelldurchlauf durchgezogen. Außerdem verfügte Doflamingo über ein sehr großes Organ. Da war es wohl nicht ungewöhnlich, dass er als passiver Part hinterher ein bisschen blutete. Crocodile nahm seinem Verlobten dieses Malheur nicht übel; er spürte überhaupt keine Schmerzen und außerdem war er sich dessen bewusst, dass Doflamingo ihn nicht absichtlich verletzt hatte. Dennoch war Crocodile sehr froh darüber, dass sie beide doch nicht auf die Gleitcreme verzichtet hatten. Er wollte sich nicht vorstellen, wie schlimm er bluten würde, wenn sie tatsächlich bloß ein wenig Spucke als Gleitmittel verwendet hätten. Da hatte er vermutlich noch Glück im Unglück gehabt. "Dass es beim Sex passiert ist, ist mir schon klar", gab Doflamingo zurück. "Trotzdem kann es viele unterschiedliche Gründe für die Blutung geben. Wir sollten lieber ganz sichergehen und ins Krankenhaus fahren." "Vermutlich ist es bloß ein kleiner Hautriss", meinte Crocodile. "So etwas kommt beim Analsex schon mal vor. Darum müssen wir uns keine Sorgen machen. Schau, es blutet nicht einmal mehr. Ich möchte einfach bloß duschen und mich danach wieder ins Bett legen." "Ich weiß ja nicht...." Doflamingo hatte einen zweifelnden Gesichtsausdruck aufgesetzt. "Du bist viel zu empfindlich", warf Crocodile seinem Partner vor. "Wegen jeder Kleinigkeit verlangst du sofort, dass ich von einem Arzt untersucht werde. Ich kann verstehen, dass du in dieser Hinsicht sehr vorsichtig bist. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, was mit deinen Eltern geschehen ist. Aber du musst auch einfach mal versuchen, auf dem Teppich zu bleiben, Doflamingo. Es ist wirklich nicht nötig, wegen einem kleinen bisschen Blut mitten in der Nacht ins Krankenhaus zu fahren." "Also gut." Doflamingo wirkte zwar nicht ganz überzeugt, doch schien die Entscheidung seines Partners zu akzeptieren. Crocodile seufzte erleichtert auf. "Endlich wirst du vernünftig", sagte er. "Anstatt uns die Nacht im Wartezimmer eines Krankenhauses um die Ohren zu schlagen, sollten wir lieber duschen und dann endlich schlafen." "Wir müssten nicht warten", lenkte Doflamingo sofort ein. "Wenn du nicht ins Krankenhaus möchtest, weil du keine Lust auf lange Wartezeiten hast, ist das absolut kein Problem. Einer der vielen Vorteile, wenn man reich ist, besteht darin, dass man nirgendwo warten muss." Crocodile fuhr sich genervt mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar. "Ich werde garantiert nicht mitten in der Nacht ich-weiß-nicht-wie-lange bis zum nächsten Krankenhaus fahren, damit sich dort irgendein wildfremder Mensch meinen Arsch anschaut", meinte er entschieden. "Für mich ist dieses Thema endgültig erledigt!" "Also gut." Endlich gab Doflamingo sich geschlagen. "Aber falls du morgen immer noch bluten solltest, dann..." "... dann gehe ich auf jeden Fall zum Arzt", beendete Crocodile den Satz seines Partners augenrollend. "Ist ja gut, verdammt. Können wir uns jetzt bitte endlich schlafen legen?" "Erst möchte ich mir deine Verletzung ansehen. Um sicherzugehen, dass es sich tatsächlich nur um einen harmlosen Hautriss handelt." Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. "Was?", brachte er entsetzt hervor. "Du spinnst doch wohl, Doflamingo! Und jetzt lass mich bitte für ein paar Minuten allein, damit ich in Ruhe duschen kann." "Wieso stellst du dich denn so an?" Sein Verlobter schien seine Reaktion überhaupt nicht nachvollziehen zu können. "Da ist doch nichts dabei." "Jetzt reicht es aber!" Allmählich spürte Crocodile, wie seine Geduld sich dem Ende zuneigte. "Du brauchst dich nicht zu schämen", redete Doflamingo auf ihn ein. "Immerhin sind wir beide verlobt. Außerdem mache ich mir Sorgen um dich. Ich könnte viel ruhiger schlafen, wenn ich wüsste, dass die Ursache für das Blut wirklich nur ein kleiner Hautriss ist." "Nein, nein, nein!" Für Crocodile stand diese Frage überhaupt nicht zur Diskussion. "Ob verlobt oder nicht, Doflamingo: Du wirst dir definitiv nicht... nicht meinen Arsch anschauen und nach einer möglichen Verletzung suchen!" Er war so schrecklich prüde, dass es ihm schwerfiel, diese Worte auch nur über die Lippen zu bringen. Sofort spürte Crocodile, wie sich Schamesröte in seinem Gesicht ausbreitete. Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. "Also, um diese Sache mal klarzustellen", meinte er: "Ich darf meine Finger in dein Arschloch hineinstecken, meinen Schwanz auch, gelegentlich sogar meine Zunge... Aber wenn es um eine so ernste Sache wie eine Verletzung geht, lässt du mich nicht ran? Wo ist denn da die Logik? Crocodile zuckte mit den Schultern. "Es ist mir egal, was du davon hältst", erwiderte er ausweichend. "Jedenfalls bekommst du meine Erlaubnis nicht." "Aber es ist doch besser, wenn ich es mir ansehe, als ein Arzt, den du überhaupt nicht kennst", wandte Doflamingo ein. "Du kennst dich in medizinischer Hinsicht doch gar nicht aus", gab Crocodile zurück. "Du bist überhaupt nicht dazu in der Lage, dir eine Meinung zu bilden, die irgendetwas wert wäre. Also lassen wir diesen Unfug lieber gleich bleiben. Und damit basta!" Um deutlich zu machen, dass für ihn dieses Gespräch tatsächlich beendet war, drehte Crocodile sich um und stieg in die Duschkabine. Zum Glück war die Verkleidung aus Milchglas, sodass er seinen Partner auf der anderen Seite bloß noch schemenhaft erkennen konnte. Er seufzte leise und genoss das Gefühl von warmen Wasser, das auf ihn herab rieselte. Irgendwann schien selbst Doflamingo einsehen zu müssen, dass er seinen Willen dieses Mal nicht durchsetzen konnte. Crocodile hörte, wie er das kleine Gästebad verließ. Um ehrlich zu sein, war er sehr froh darüber, dass sein Verlobter ihm endlich ein klein wenig Privatsphäre gönnte. Gewissenhaft wischte Crocodile alle Blut- und Spermaspuren von seinem Körper fort. Als er die kleine Duschkabine wieder verließ und sich mit einem weichen, weißen Handtuch abtrocknete, fühlte er sich beinahe schon wieder gut. Auch seine Blutung hatte aufgehört. Erst als er das Gästebadezimmer verließ und sein Blick auf die roten Flecken fiel, die sowohl auf dem hellen Teppich als auch auf dem Bettlaken überdeutlich zu sehen waren, wurde ihm das volle Ausmaß der Situation wieder bewusst. "Wie soll ich die Sache bloß Daz erklären?", flüsterte er verzweifelt, während er sich neben Doflamingo auf das Bett niederließ. Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. "Ich verstehe dein Problem nicht", meinte er mit ehrlich klingender Stimme. "Wir erklären ihm einfach, was vorgefallen ist und kommen für die Reinigung des Teppichs und des Bettlakens auf. Und damit hat es sich dann." "Ich werde Daz auf keinen Fall erzählen, woher diese Blutflecken kommen!", wandte Crocodile energisch ein. Er konnte überhaupt nicht verstehen, wie sein Partner auf die verrückte Idee kam, ihrem Gastgeber die Wahrheit zu sagen. "Ich würde vor Scham im Boden versinken!" "Ach, ich bin mir sicher, dass Daz Verständnis dafür aufbringen wird", erwiderte Doflamingo und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ihr beide kennt euch doch schon sehr lange. Du solltest dir nicht so viele Sorgen machen, Wani. Außerdem wäre es unhöflich, einfach abzuhauen, ohne ihm davon zu erzählen. Mir wäre es sehr unangenehm, ihn auf den Kosten für die Reinigung einfach sitzen zu lassen." "Wir könnten uns irgendeine Ausrede einfallen lassen", lenkte Crocodile ein. "Wir könnten so tun, als hätte sich einer von uns beiden geschnitten oder so etwas." "Woran hätten wir uns denn schneiden sollen?", gab Doflamingo zurück. "Hier gibt es überhaupt nichts, woran man sich schneiden kann." Crocodile zuckte mit den Schultern. Schließlich sagte er: "Ich könnte ihm erzählen, dass ich abends noch einmal hinunter in die Küche gegangen bin, um mir ein Sandwich zu machen. Dabei habe ich mich dann aus Versehen geschnitten. Leider ist mir das erst aufgefallen, als ich schon wieder oben im Gästezimmer war. Das ist eine gute Story, nicht wahr?" Doflamingo rollte mit den Augen. "Du verhältst dich wie ein Mädchen, das gerade seine erste Periode bekommen hat und verhindern möchte, dass irgendjemand davon Wind bekommt. Warum sagen wir Daz nicht einfach die Wahrheit? Du bist viel zu prüde, Croco." "Und was soll ich ihm erzählen? Hey Daz, mein Verlobter und ich haben es gestern so wild getrieben, dass mein Arsch angefangen hat zu bluten. Aber keine Sorge, wir kommen für die Reinigung des Teppichs und der Matratze auf. " "Das klingt wirklich ziemlich lustig", meinte Doflamingo und brach prompt in schallendes Gelächter aus, für das Crocodile ihn mit einem finsteren Blick strafte. Crocodile schlüpfte rasch in seine Kleidung, verließ das Gästezimmer und schlich auf leisen Sohlen die Treppe hinunter. Doflamingo folgte ihm auf dem Fuße und bemühte sich ebenfalls darum, keine lauten Geräusche zu verursachen. Erst als sie beide sich in der Küche im Erdgeschoss wiederfanden und die Türe hinter sich geschlossen hatte, fragte Doflamingo mit skeptischer Stimme: "Was hast du vor?" "Ich verleihe meiner Geschichte Glaubwürdigkeit", gab Crocodile zurück, während er den Kühlschrank öffnete. "Indem du dir ein Sandwich machst?", gluckste sein Verlobter. "Keine schlechte Idee. Machst du mir auch eins? Ich könnte einen kleinen Snack vertragen." Crocodile nickte geistesabwesend. Er holte Weißbrot, Butter, Hähnchenbrust, Kopfsalat, Gurken, Tomaten, Mayonnaise und ein scharfes Messer hervor. Schweigend bereitete er zwei Sandwiches zu; eines davon reichte er Doflamingo, der sich mit einem Kuss auf die Wange bedankte. Kaum hatte dieser jedoch in sein Sandwich hineingebissen, spuckte er den Inhalt seines Mundraumes gleich wieder aus. "Was machst du denn da?!", fragte Doflamingo mit entsetzter Stimme und hielt ihm am Handgelenk fest. "Das habe ich dir doch schon gesagt", erwiderte Crocodile energisch und befreite sich aus dem Griff seines Partners. "Ich verleihe meiner Geschichte Glaubwürdigkeit!" "Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!" "Jetzt reg dich doch nicht so auf", meinte er und versuchte Doflamingo zu beschwichtigen. Crocodile wollte um jeden Preis verhindern, dass sie beide Daz aufweckten. "Es ist doch bloß ein kleiner Schnitt. Im Schrank des Gästebadezimmers befindet sich ein Verbandskasten; dort werden wir Pflaster finden. Alles ist gut." "Nichts ist gut", hielt Doflamingo dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Weil er mit der rechten Hand noch immer sein Sandwich festhielt, konnte Crocodile diese Geste nicht wirklich ernst nehmen. Er empfand die Reaktion seines Verlobten als lächerlich und überzogen. Crocodile rollte mit den Augen und legte das blutverschmierte Messer in die Spüle. "Lass uns wieder nach oben gehen", meinte er an Doflamingo gewandt. "Ich bin müde und möchte endlich schlafen." "Jetzt tu nicht so als wäre überhaupt nichts geschehen!", gab sein Verlobter wütend zurück und blockierte die Küchentüre. "Was ist denn nur los mit dir? Seit wann verletzt du dich selbst? So kenne ich dich überhaupt nicht. Ist es wegen dem Autounfall? Verhältst du dich deswegen so seltsam? Ich hatte eigentlich geglaubt, dass du den Schock allmählich überwindest." "Mir geht es gut." Crocodile seufzte leise und warf Doflamingo einen genervten Blick zu. "Ich habe mir doch bloß in den Finger geschnitten, damit ich Daz morgen eine glaubwürdige Geschichte auftischen kann. Ich möchte nicht, dass er die Wahrheit über die Blutflecken auf der Matratze und dem Teppich erfährt. Darüber haben wir doch schon gesprochen. Jetzt hör bitte auf mit diesem Theater, Doflamingo, und lass uns nach oben gehen." Sein Partner rang mit sich selbst, gab schlussendlich jedoch den Weg nach oben zum Gästezimmer frei. Aber Doflamingo wäre nicht Doflamingo gewesen, wenn er dieses Thema einfach hätte auf sich beruhen lassen. Er folgte ihm hinüber ins Badezimmer und redete weiter auf ihn ein, während Crocodile nach einem Pflaster Ausschau hielt. "Hast du so etwas vorher schon mal gemacht?", fragte er mit misstrauischer Stimme. "Dich absichtlich selbst verletzt?" "Ich bin kein von Liebeskummer geplagter Sechzehnjähriger, der sich mit Rasierklingen die Haut aufschlitzt", gab Crocodile zurück. Er hatte überhaupt keine Lust auf diese Diskussion. Worauf wollte Doflamingo überhaupt hinaus? "Also hast du so etwas vorher noch nie gemacht? Versprochen?" "Versprochen." Allmählich nervten ihn die Fragen seines Verlobten. "Und es kommt auch nicht wieder vor", fügte Crocodile an, damit Doflamingo ihn endlich in Ruhe ließ. "Das habe ich doch sowieso nur getan, weil momentan ein kleiner Notfall vorliegt. Ich würde in Grund und Boden versinken, wenn Daz erfärt, woher die Blutflecken wirklich stammen. Du weißt doch, dass ich ein sehr schamhafter Mensch bin, Doflamingo. Ich möchte mich bloß einfach nicht blamieren. Also überbewerte diese Sache bitte nicht. In Ordnung?" Doflamingo zögerte, ehe er schließlich widerwillig nickte. "Gut finde ich es trotzdem nicht", sagte er, als sie beide wieder ins Bett stiegen. * Crocodile saß gemeinsam mit Doflamingo am Frühstückstisch. Seit dem Autounfall, den er verursacht hatte, waren etwa drei Wochen vergangen. Und auch wenn er es sich nicht verzeihen konnte, was er angerichtet hatte, lernte Crocodile allmählich mit seiner Schuld zu leben. Jeden Tag fühlte er sich ein klein wenig besser; inzwischen war er beinahe schon wieder bei seinem normalen Gemütszustand angekommen. Momentan jedenfalls fühlte er sich ziemlich wohl: Es war Samstagmorgen, die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Das Wetter war so mild, dass Doflamingo und er beschlossen hatten, draußen auf der Terrasse zu frühstücken. Sie saßen friedlich beieinander. Sein Verlobter schlürfte seinen Kaffee und genoss die warmen Sonnenstrahlen, die ihm ins Gesicht schienen, während Crocodile durch die Zeitung blätterte und hin und wieder an einer Scheibe geröstetem Toastbrot knabberte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so entspannt gewesen war. "Hast du Lust heute Mittags auswärts zu essen?" Meistens war es Doflamingo, der solche Fragen stellte, doch heute fühlte Crocodile sich motiviert genug, um selbst einmal eine Aktivität vorzuschlagen. Bei einem Restaurantbesuch sollten auch nicht allzu viele Kosten auf ihn zukommen. Das Gehalt, das er für seine Arbeit bei Tom's Workers erhielt, tilgte seine Schulden nach und nach. Inzwischen war sein Schuldenberg auf 263.000 Berry geschrumpft; das war ein bisschen weniger als die Hälfte des ursprünglichen Betrags. Trotz des Autounfalls sah Crocodile optimistisch in die Zukunft. Gestern erst hatty Franky angedeutet, dass einer dauerhaften Zusammenarbeit nichts im Wege stünde; Crocodile hoffte auf eine Verlängerung seines befristeten Vertrags. "Klar, sehr gerne", meinte Doflamingo. "Weißt du schon, in welches Restaurant du gehen möchtest?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Schließlich erwiderte er: "Warum machen wir uns nicht einen netten Tag in der Innenstadt? Das Wetter ist ja wirklich schön heute. Wir könnten ein bisschen bummeln und währenddessen nach einem Lokal Ausschau halten, das uns gefällt. Oder hast du schon etwas Anderes vor?" "Heute Abend gegen zwanzig Uhr kommen Law und Vergo vorbei", antwortete Doflamingo. "Aber ansonsten habe ich nichts geplant. Gegen einen schönen Stadtbummel hätte ich nichts einzuwenden. Aber wie kommt es denn, dass du so plötzlich Lust darauf hast, die sicheren vier Wände zu verlassen, Wani? Normalerweise muss ich dich doch zu solchen Dingen fast schon zwingen." Er lachte leise. "Stört es dich?", gab Crocodile keck zurück, während sich eine leichte Röte auf seine Wangen legte. Ihm war bewusst, dass sein Verlobter durchaus recht hatte: Um ehrlich zu sein, war er kein sonderlich geselliger oder aktiver Mensch. Während Doflamingo am Wochenende nichts lieber tat als mit seinen Freunden um die Häuser zu ziehen, nahm Crocodile lieber ein entspannendes Schaumbad oder las ein gutes Buch. "Überhaupt nicht", meinte sein Partner grinsend. "Es würde dir guttun, endlich mal wieder aus dem Haus zu kommen. Warum machen wir uns nicht gleich nach dem Frühstück auf den Weg? Dann haben wir auch noch genug Zeit, um beim Standesamt vorbeizuschauen. Immerhin müssen wir uns darüber informieren, welche Dokumente für unsere Hochzeit erforderlich sind. Ich gehe leider davon aus, dass auch eine Menge Papierkram auf uns zukommen wird. Es ist besser, wenn wir uns frühzeitig darüber im klaren sind, welche Dokumente wir bereithalten oder vielleicht auch noch besorgen müssen." "Gute Idee", stimmte Crocodile halbherzig zu. Die Vorstellung, gemeinsam mit seinem Verlobten das örtliche Standesamt aufzusuchen, behagte ihm ganz und gar nicht. In letzter Zeit hatte er es sich angewöhnt, so wenig Gedanken wir möglich an ihre bevorstehende Hochzeitsfeier zu verschwenden. Vermutlich aus Rücksicht auf den Autounfall, den er verursacht hatte, und seinen damit verbundenen Schock, hatte Doflamingo in letzter Zeit nur selten von ihrer Hochzeit gesprochen. Es behagte Crocodile nicht, dass dieses Thema nun wieder in den Fokus rückte. "Wir könnten die Gelegenheit auch nutzen, um uns über freie Termine für die Eheschließung beim Standesamt zu informieren", fügte Doflamingo hinzu. "Mir ist die kirchliche Hochzeit zwar wichtiger, aber letztendlich ist unsere Ehe rechtlich natürlich nur dann gültig, wenn wir den entsprechenden Vertrag beim Standesamt unterschreiben." "Das wäre praktisch, ja", meinte Crocodile. Er bemühte sich darum, sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen, während er sich hastig überlegte, wie er dem Besuch beim Standesamt entgehen könnte. Das Standesamt lag im Osten der Stadt. Ob es ihm gelingen würde, Doflamingo in ein möglich westlich liegendes Restaurant zu lotsen? Er musste auf jeden Fall verhindern, dass sie bereits einen festen Termin für die Hochzeit ausmachten. Zum Glück betrat ein Dienstmädchen die Terrasse, ehe Doflamingo dazu kam, das Thema weiter aufzuführen. Die junge Frau war für die Post zuständig, wie Crocodile wusste. Sie reichte die Briefe, die sie in der Hand hielt, mit ein paar freundlichen Worten an Doflamingo weiter, der ihr ein Trinkgeld gab und sie dann entließ. "Ist irgendetwas für mich dabei?", fragte Crocodile möglichst beiläufig. Er hoffte, dass sie beide nicht wiederauf das Thema Standesamt zurückkommen würden. Doflamingo nickte und reichte ihm über den Tisch hinweg drei große Briefumschläge. "Zwei der Briefe sind von deiner Versicherung", sagte er. Crocodile zog die Augenbrauen zusammen und nahm die Briefe entgegen. Einer der Briefe war von Tom's Workers; er enthielt vermutlich seine Gehaltsabrechnung. Dass sein Verlobter Post von einer der weltweit größten Elektronik-Messen erhielt, schien Doflamingo zum Glück nicht skeptisch zu stimmen. Crocodile vermutete, dass er diesem Umstand entweder keine große Bedeutung beimaß oder seine Aufmerksamkeit ganz auf die anderen beiden Briefe gerichtet war. Sie stammten tatsächlich von seiner Versicherung. Seiner Autoversicherung. Crocodile schluckte. "Ich kümmere mich um die Post, sobald ich mit meiner Zeitung fertig bin", sagte er und legte die drei Briefe zur Seite. Stattdessen griff er nach der Tageszeitung; er versuchte den Artikel wiederzufinden, bei dem er stehengeblieben war, doch musste feststellen, dass er sich an die entsprechende Stelle nicht mehr erinnern konnte. Es dauerte nicht lange, bis Doflamingo sich zu Wort meldete: "Du solltest die beiden Briefe von deiner Versicherung lesen, Crocodile." Crocodile senkte den Blick. Er zögerte einen Moment lang, ehe er erwiderte: "Heute ist so ein schöner Tag, Doffy. Und um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, was in diesen Briefen stehen könnte. Ich möchte mir die Laune nicht von einer bösen Überraschung verderben lassen. Ich lese sie heute Abend." "Eben hast du noch behauptet, du würdest sie lesen, sobald du mit der Zeitung fertig bist", warf sein Verlobter ein. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er anfügte: "Ich weiß nicht, ob dich in diesen Briefen irgendeine Art böse Überraschung erwartet oder nicht. Aber es ist besser, wenn man vor solchen Dingen nicht davonläuft. Du solltest Bescheid wissen. Also lies bitte die beiden Briefe, ja?" "Ich will mich aber nicht an den Unfall zurückerinnern", erwiderte Crocodile hartnäckig. "Nicht heute. Möchtest du, dass ich den ganzen Tag lang an diese furchtbare Sache denke? Auch während wir beim Standesamt sind und uns wegen unserer Hochzeit informieren? Ich werde mich morgen darum kümmern." "Wir können auch ein anderes Mal zum Standesamt fahren", sagte Doflamingo. "Diese Briefe solltest du heute lesen. Es bringt nichts, wenn man sich ständig vornimmt, etwas erst am nächsten Tag zu erledigen. Morgen wirst du nämlich wieder einen Grund finden, wieso du die Briefe noch nicht lesen kannst. Und bevor du dich versiehst, befindest du dich in einem Teufelskreis. Vielleicht stehen in den Briefen wichtige Informationen." "Vielleicht steht auch nichts Wichtiges drin. Dann werde ich den ganzen Tag lang völlig umsonst furchtbar schlecht gelaunt sein." "Welcher Fall eintritt, wissen wir erst, wenn wir den Inhalt der Briefe kennen." Crocodile seufzte und warf einen unwilligen Blick auf die beiden Briefumschläge, die auf dem Frühstückstisch lagen. Er gab es nur ungern zu, doch er fürchtete sich vor den Dingen, die in diesen Briefen stehen könnten. Als Doflamingo merkte, mit welchen Schwierigkeiten sein Verlobter zu kämpfen hatte, wurde er sanfter. "Wenn du möchtest, dann kann ich die beiden Briefe zuerst lesen", bot er hilfsbereit an. Crocodile zögerte. Er ließ den Blick zwischen Doflamingo und den Briefen hin- und herschweifen, ehe er schließlich nickte. "Okay, gut", sagte er mit schwacher Stimme. Geschwind griff Doflamingo nach den Briefumschlägen, riss sie auf und ließ seinen Blick über die Papierbögen gleiten, die zum Vorschein kamen. Es vergingen ein paar Minuten, in denen keiner von ihnen beiden ein Wort sagte. Crocodile empfand diese Stille als absolut unerträglich. Sein Herz klopfte laut und in seinem Magen hatte sich ein schmerzhafter Knoten gebildet. Er befürchtete das Schlimmste. Irgendwann sagte Doflamingo: "Sowohl deine Versicherung als auch die Versicherung des anderen Unfallbeteiligten weigern sich, für die verursachten Schäden aufzukommen. Das betrifft die beiden Wagen und auch die Behandlung des Unfallsopfers. Als Grund wird genannt, dass du Alkohol im Blut hattest, während der Unfall geschehen ist. Hier stehst, dass du sämtliche Kosten selbst tragen musst." Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter ihm erklärte. Er fühlte sich mindestens genauso geschockt wie damals, als sein Mercedes C 216 urplötzlich über die Kreuzung geschleudert worden war. Der erste klare Gedanke, den Crocodile fasste, war: Bitte, lieber Gott, bitte lass das hier nur einen schlimmen Alptraum sein. Leider erfüllte sich sein verzweifelter Wunsch nicht. Anstatt aufzuwachen und erleichtert festzustellen, dass diese Hiobsbotschaft nicht real war, starrte Crocodile weiterhin völlig fassungslos in das Gesicht seines Partners. "Steht... steht in den Briefen auch, auf welche Summe sich die Kosten ungefähr belaufen werden?" Crocodile bemühte sich um einen ruhigen Atem, doch fühlte sich trotzdem, als bekäme er nicht genug Luft. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Er stand kurz davor, einfach zusammenzubrechen. Doflamingo nickte. "Hier steht eine vorläufige Summe", sagte er. "Eine Art Kostenvoranschlag. Er beinhaltet die Reparatur deines Mercedes, die Reperatur des Citroen und die medizinische Behandlung des Fahrers." "Wie viel?", fragte Crocodile. Es gelang ihm nur mit viel Mühe, das Zittern auf seiner Stimme zu verbannen. "Einhundertzwanzigtausend Berry", antwortete Doflamingo. bye sb Kapitel 19: Kapitel 10 ---------------------- Crocodile saß draußen auf dem Balkon seines Lesezimmers. Obwohl die Temperaturen angenehm waren und die Sonne schien, fühlte er sich schrecklich niedergeschlagen. Auf dem kleinen, runden Tischchen vor ihm lagen die beiden Briefe, die seine Versicherung ihm zugeschickt hatte. Er hatte sie inzwischen schon mindestens einhundertmal gelesen. Und noch immer musste er jedes Mal schlucken, sobald sein verzweifelter Blick auf die Summe fiel, die er zahlen sollte: 120.000 Berry. Wenn er sie mit den anderen Schulden, die ja sowieso noch ausstanden, addierte, kam er auf insgesamt 383.000 Berry. Der Autounfall, den er verursacht hatte, warf ihn also verdammt weit zurück. Dreihundertdreiundachtzigtausend Berry, dachte Crocodile und biss sich auf die Unterlippe. Natürlich war er kein naiver Idiot; er war nicht untätig geblieben: Crocodile hatte sich die Forderungen seiner Versicherung ganz genau angesehen. Er hatte unzählige Bücher gewälzt und sorgsam nachgeprüft, ob alles mit rechten Dingen zuging. Mühsam hatte er nach irgendeiner Art von Schlupfwinkel gesucht, nach einer undichten Stelle im Vertrag, doch am Ende musste er sich wohl oder übel eingestehen, dass er um die Zahlung der geforderten 120.000 Berry nicht herumkommen würde. Diese Erkenntnis traf ihn hart. Crocodile hatte eigentlich das Gefühl gehabt, dass es allmählich wieder bergauf ging: Er hatte eine neue Arbeitsstelle gefunden und mehr als die Hälfte seiner Schulden bereits getilgt. Doch anscheinend war ihm das Schicksal nicht wohlgesonnen: Für nur wenige Sekunden, in denen er unaufmerksam gewesen war, wurde er mit einer Zahlung von mehr als einhunderttausend Berry bestraft. Nicht zum ersten Mal in seinem Leben fragte Crocodile sich, womit er diesen furchtbaren Schicksalsschlag verdient hatte. Er war stets ein anständiger, fleißiger und pflichtbewusster Mensch gewesen. Er hatte noch niemals gestohlen, nicht einmal ein paar Steuern hinterzogen. Während andere junge Leute sich die Nächte in irgendwelchen zwielichtigen Discotheken um die Ohren schlugen, hatte er Zuhause über seinen Büchern gehockt und für die nächste Klausur gelernt. Und wozu: Nur um als Erwachsener in einem riesigen Berg von Schulden zu ertrinken. So hatte er sich seine Zukunft definitiv nicht vorgestellt. Je länger Crocodile darüber nachdachte, desto frustrierter wurde er: Mit gerade einmal achtzehn Jahren wurde er von seinen Eltern wegen seiner Homosexualität verstoßen. Als er Mitte zwanzig war, verlor er bei einem Motorradunfall seine rechte Hand. Fünf Jahre später schlitzte sein gewalttätiger Exfreund Enel ihm das Gesicht auf. Vor kurzem hatte er seine Arbeitsstelle bei der Bank verloren. Und nun vergrößerte sich sein sowieso schon riesiger Schuldenberg um weitere 120.000 Berry. Zynisch fragte Crocodile sich selbst, ob es denn eigentlich noch schlimmer kommen konnte. Erst als Doflamingo ihn am Abend zum Essen rief, zwang Crocodile sich dazu, sein Lesezimmer zu verlassen. Mehr denn je verschanzte er sich in dem Raum: Wenn er nachmittags von der Arbeit nach Hause kam, machte er sich sofort auf den Weg hierher. Im Extremfall kam Crocodile nur dann aus seiner Höhle, wenn es Abendessen gab oder es Zeit fürs Bett war. Doflamingo hieß es nicht gut, dass er sich zurückzog, doch respektierte zumindest für den Anfang dieses Verhalten. Crocodile war dankbar für den Freiraum, den sein Verlobter ihm gewährte, auch wenn er vermutete, dass dessen Rücksichtnahme nicht ewig währen würde. Doflamingo hasste es, wenn ihm keine hundertprozentige Aufmerksamkeit gezollt wurde. Früher oder später würde sein Geduldsfaden auf jeden Fall reißen. Crocodile hoffte bloß, dass dieser Tag heute noch nicht gekommen war. "Es gibt Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Fetakäse", verkündete sein Partner breit lächelnd, als Crocodile sich zu ihm an den Tisch setzte. "Dein Leibgericht!" "Hm-hm", machte Crocodile, der sich nicht in der Stimmung für Jubelausbrüche befand. Er stützte sein Kinn auf der rechten Hand ab und wartete ungeduldig darauf, dass das Essen serviert wurde. Am liebsten wollte er so schnell wie möglich zurück in sein Lesezimmer, um sich dort erneut seinem grenzenlosen Selbstmitleid hinzugeben. "Wie war die Arbeit heute?", fragte Doflamingo, der sich nichtsdestotrotz um eine freundliche Unterhaltung zu bemühen schien. "Gut", antwortete Crocodile, ohne den Blick mit dem seines Partners zu kreuzen. Es lief auf der Arbeit tatsächlich ganz gut (sein Chef Franky war regelrecht begeistert von ihm), doch auch diese Tatsache vermochte Crocodile nicht aufzuheitern. Bei Tom's Workers verdiente er im Monat durchschnittlich um die 30.000 Berry. Davon gingen etwa fünfundachtzig Prozent für die Tilgung seiner Altschulden ab. Ihm blieb also beileibe nicht genug übrig, um die neu hinzugekommenen 120.000 Berry zu bezahlen. "Das ist schön zu hören", meinte Doflamingo. "Ähm, sag mal, hast du Lust morgen Nachmittag deine Geschwister zu besuchen? Hancock hat mich angerufen und gefragt, ob wir beide nicht mal wieder vorbeikommen wollen. Sie ist jetzt im fünften Monat und hat inzwischen einen richtigen kleinen Babybauch bekommen." Um ehrlich zu sein, war Crocodile nicht sonderlich angetan von der Idee, Mihawk und Hancock zu besuchen. Seinen beiden Geschwistern würde sofort auffallen, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Aus Sorge würden sie ihn solange mit Fragen bombardieren, bis er schlussendlich nachgab und ihnen vom Autounfall berichtete. Dieses Szenario wollte Crocodile unbedingt vermeiden. (Er hatte zuvor sowohl Doflamingo als auch Daz darum gebeten, Mihawk und Hancock nichts zu erzählen.) "Ich weiß nicht", murmelte er darum. "Ich möchte nicht, dass die beiden vom Autounfall und meinen Schulden erfahren. Diesen Schock kann ich ihnen nicht zumuten; vor allem Hancock in ihrem momentanen Zustand nicht." "Wir müssen ihnen ja nichts davon erzählen, wenn du das nicht möchtest", wandte Doflamingo ein. "Von mir aus können wir auch einfach nur über harmlose Themen sprechen. Wie zum Beispiel über das Baby." "Sie werden sofort bemerken, dass es mir nicht gut geht", entgegnete Crocodile kopfschüttelnd. "Aber ich habe nichts dagegen, wenn du Mihawk und Hancock ohne mich besuchst. Du kannst ihnen ja einfach erzählen, ich hätte mir eine Erkältung eingefangen." "Dellinger, Bellamy, Circies und Diamante wollen am Wochenende etwa trinken", wagte sein Verlobter tapfer einen weiteren Versuch. "Hast du Lust mitzukommen? Das wird bestimmt ein lustiger Abend!" "Lieber nicht", gab Crocodile zurück und rollte mit den Augen. "Wollt ihr etwa wieder ins Skypia? Nein danke, ich möchte nicht noch einmal vergiftet werden und im Krankenhaus landen." "Quatsch", meinte Doflamingo mit eindringlicher Stimme. "Wir haben vor, in Shakky's Bar zu gehen. Das Skypia existiert sowieso nicht mehr." Die letzte Aussage erregte Crocodiles Aufmerksamkeit. "Das Skypia existiert nicht mehr?", wiederholte er und zog ungläubig eine Augenbraue hoch. "Wie kommt denn das? Ich dachte eigentlich, der Laden würde gut laufen!" "Oh, er lief gut", erwiderte Doflamingo gehässig. Er grinste breit und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Aber, nun ja, was soll ich sagen? Es ist nun einmal keine gute Idee, sich mit dem Freund eines reichen und einflussreichen Mannes anzulegen." "Was meinst du damit?", hakte Crocodile nach und beugte sich ein Stück weit über den Esstisch. Er fragte sich, was hinter den geheimnisvollen Andeutungen seines Verlobten stecken könnte. Hatte Doflamingo sich etwa mit Enel angelegt? "Nun rück schon raus mit der Sprache!", drängte Crocodile ungeduldig, als dieser noch immer schwieg. "Muss ich dir denn jedes Wort aus der Nase ziehen?" Doflamingo lachte leise, ehe er endlich meinte: "Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass ich schrecklich wütend auf diesen Hurensohn war. Nicht nur wegen der Vergiftung, sondern vor allem, weil er dich fünf Jahre lang misshandelt hat. Du bist ein wundervoller Mensch, Crocodile, und hast es wirklich nicht verdient, so respektlos behandelt zu werden! Also habe ich mir überlegt, wie ich mich an Enel rächen könnte..." "Aber wie?", fragte Crocodile irritiert nach. "Wie ist es dir gelungen, das Skypia zu schließen?" "Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir davon erzählen sollte", erwiderte Doflamingo, ohne dass das breite Grinsen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde von seinem Gesicht verschwand. "Du würdest mich für einen Kriminellen halten." Crocodile winkte ab und gab mit ernster Stimme zurück: "Mach dir darum keine Sorgen. Egal, was du getan haben solltest: Enel tut mir nicht leid. Er hat mich fünf Jahre lang jeden Tag gedemütigt und geschlagen. Bei unserer Trennung hat er mir den Arm gebrochen. Und als ich ihn vor kurzem wiedersah, hat er mich vergiftet. Er ist der Kriminelle, nicht du, Doffy! Ich bin mir sicher, er hat nichts Besseres verdient! Aber jetzt erzähl doch endlich mal, was überhaupt geschehen ist!" "Also gut", sagte Doflamingo. Plötzlich erweckte er einen sehr eifrigen Eindruck. "Ich wollte Enel, diesen Wichser, unbedingt bestrafen. Und ich wollte dafür sorgen, dass er aus dem Verkehr gezogen wird." "Aus dem Verkehr gezogen?", unterbrach Crocodile seinen Verlobten mit skeptischer Stimme. "Er ist nicht tot", warf Doflamingo rasch ein. "Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte nicht mit dem Gedanken gespielt ihn umzubringen, aber nein, er ist nicht tot. Ich habe mir etwas Anderes ausgedacht." Crocodile nickte. Die Tatsache, dass er die Worte seines Partners überinterpretiert hatte, erleichterte ihn ungemein. Er war sich dessen bewusst, dass diesem vermutlich genug Mittel und Wege zur Verfügung standen, um jemanden aus dem Verkehr zu ziehen. Beinahe jedes Problem ließ sich mit ausreichend Geld lösen; und Geld besaß Doflamingo mehr als genug. Es täte ihm nicht im Mindesten leid, wenn Enel tot wäre, doch Crocodile wünschte sich nicht, dass dabei Doflamingo seine Finger mit ihm Spiel hatte. "Für die Umsetzung meines Plans benötigte ich ein paar Leute, die Einbrüche verüben können, ohne äußerliche Spuren zu hinterlassen, und Drogen im Wert von mehreren zehntausend Berry. An beides kommt man relativ leicht, wenn man so reich ist wie ich." Doflamingo kicherte laut. "Ich engagierte zwei Einbrecher, die das Skypia über mehrere Wochen hinweg observierten. Sie stellten fest, dass montags kein einziger Mitarbeiter im Hause ist. Außerdem fanden sie heraus, dass das Skypia weitläufig unterkellert ist. Ich glaube, du ahnst schon, was geschehen ist: Meine Leute sind montags eingebrochen und haben die Drogen in den Kellerräumen deponiert. Natürlich haben sie dafür gesorgt, dass alles realistisch wirkt. Anschließend gaben sie über Umwege der Polizei einen Hinweis. Die stieß dann relativ schnell auf die Drogen und nahm den Besitzer des Skypia fest. Enel saß in der Falle: Allein die riesige Menge Drogen (sie hatten einen Wert von ungefähr fünfzigtausend Berry, glaube ich) in seinem Keller belastete ihn ungemein. Dazu kamen dann noch einige falsche Beweise, welche die von mir beauftragten Leute in Umlauf gebracht hatten, und ein paar bestochene Zeugen, die gegen ihn aussagten." "Was... was ist aus ihm geworden?", fragte Crocodile mit leiser Stimme. Er konnte nicht so recht fassen, was sein Verlobter ihm gerade erzählte. Erlaubte Doflamingo sich etwa einen geschmacklosen Scherz? Oder hatte er tatsächlich 50.000 Berry aufgewendet, nur um den Exfreund seines Verlobten in einen Hinterhalt zu locken? Crocodile wollte schlucken, doch er stellte fest, dass seine Kehle staubtrocken war. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo ein sehr egoistischer und rücksichtsloser Mensch sein konnte, doch mit einer solchen Tat hätte er niemals gerechnet gehabt. Crocodile war völlig geschockt. "Er wurde wegen Drogenbesitz und -handel zu elf Jahren Haft verurteilt", sagte sein Verlobter. Seine Stimme klang so gelassen, dass man genausogut auch glauben könnte, er würde über das Wetter sprechen. "Das Skypia hat seinen Besitzer verloren und durch den Drogenskandal natürlich auch einen starken Imageschaden erlitten. Es ist bereits seit einigen Wochen geschlossen." Doflamingo schwieg für einen Moment, ehe er hinzufügte: "Möchtest du nun also mit ins Shakky's Bar? Bellamy war schon einmal dort und meinte, dass der Laden wirklich gute Musik spielt." Crocodile brachte kein Wort heraus. Anstatt auf die Frage seines Partners zu antworten, starrte er diesen einfach bloß mit großen Augen an. Er wusste überhaupt nicht, wie er sich fühlen sollte: Angewidert, weil Doflamingo zu einer solchen Tat fähig war? Freudig und dankbar, weil Enel nach all den Jahren endlich seiner gerechten Strafe zugeführt wurde? Crocodile fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar und senkte den Blick. Er betrachtete die Spaghetti, die vor ihm auf den Teller lagen, als handelte es sich dabei um ein faszinierendes Kunstobjekt. "Du hast dir gesagt, Enel würde dir nicht leid tun", warf Doflamingo mit verunsicherter Stimme ein, als er bemerkte, dass Crocodile mit seiner Verfassung rang. "Dass er nichts Besseres verdient hat." Er hielt einen kurzen Moment inne, ehe er in einem gefestigter klingenden Tonfall hinzufügte: "Und er hat auch nichts Besseres verdient! Er hat dich über Jahre hinweg jeden Tag gequält. Er hat dir den Arm gebrochen, als du dich von ihm trennen wolltest! Und er hat dir ein Gift verabreicht, das dich tagelang außer Gefecht gesetzt hätte. Stell dir nur einmal vor, was geschehen wäre, wenn Daz dich nicht aufgegriffen hätte! Mir wird schlecht, wenn ich daran denke, was Enel womöglich mit dir angestellt hätte. Bestimmt war er auch derjenige, der dein Gesicht aufgeschlitzt hat, nicht wahr!? Es ist nur gerecht, dass er nun im Gefängnis ist und für seine Taten büßen muss! Hast du etwa wirklich Mitleid mit ihm, Wani? Es erstaunt mich wirklich, wie sanftmütig du bist." Die Nennung seines Kosenamens holte Crocodile in die Wirklichkeit zurück. Er zögerte für einen Augenblick, ehe er schließlich sagte: "Du hast recht, Doffy. Er hat nichts Besseres verdient. Ich habe auch kein Mitleid mit ihm ihm. Ich bin... ich bin nur geschockt. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Wie bist du denn überhaupt an Drogen im Wert von fünfzigtausend Berry gekommen? Dabei handelt es sich doch schließlich um eine riesige Menge Geld!" "Für mich nicht", gab Doflamingo schulterzuckend zurück. "Wenn man die Bezahlung der Einbrecher und der angeblichen Zeugen dazurechnet, kommt man übrigens auf insgesamt etwa einhunderttausend Berry." "Einhunderttausend Berry?", wiederholte Crocodile ungläubig. Doflamingo nickte. "Das sind für mich nur Peanuts", meinte er mit ruhiger Stimme. "Außerdem war es mir das auf jeden Fall wert. Enel musste einfach bestraft werden für die schlimmen Dinge, die er dir angetan hat. Stimmt es eigentlich wirklich, dass er dein Gesicht aufgeschlitzt hat? Du hast mir zwar erzählt, dass du deine Geschwister und die Anderen in dieser Hinsicht angelogen hast, aber die Wahrheit kenne ich trotzdem immer noch nicht." "Du liegst richtig mit deiner Vermutung", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu. Nun, da Doflamingo von selbst auf die richtige Lösung gekommen war, sah er keinen Sinn mehr darin, dessen Behauptung abzustreiten. "Ich war erst vor kurzem aus dem Krankenhaus entlassen worden", erklärte Crocodile. "Mein Arm war noch immer eingegipst und auch meine gebrochene Rippe war noch nicht gänzlich verheilt. Enel lauerte mir auf, als ich abends allein unterwegs war. Ich hatte keine Chance gegen ihn. Die Geschichte mit den Jugendlichen, die mich überfallen haben, habe ich mir bloß ausgedacht. Um glaubwürdiger zu erscheinen, habe ich anschließend meine Geldbörse und meinen Mantel in die nächste Mülltonne geworfen. Enel hat mich nicht bestohlen. Es ging ihm nicht um Geld, sondern um Rache für die Trennung. Er wollte mich entstellen, damit ich nie mehr einen neuen Partner finde." "Ich hätte nicht so geizig sein sollen", murmelte Doflamingo. "Warum habe ich nicht Drogen im Wert vonzweihundert- oder zweihundertfünfzigtausend Berry im Skypia verstecken lassen? Bei einer solchen Menge hätte man ihn bestimmt zu zwanzig Jahren Haft verurteilt!" Zum ersten Mal seit Wochen konnte Crocodile ein Lachen nicht unterdrücken. "Es ist schon gut, Doffy", sagte er und war selbst überrascht, weil seine Stimme deutlich sanfter klang als beabsichtigt. "Enels Plan ist sowieso nicht aufgegangen", gab Doflamingo keck zurück. Er grinste breit. "Du hast nicht nur einen neuen Partner gefunden, sondern gleich den besten, den es überhaupt gibt!" "Wie kann man bloß so furchtbar eingebildet sein?", gab Crocodile zurück. Er rollte mit den Augen, auch wenn er der Aussage seines Verlobten insgeheim natürlich zustimmte. * Es war dreizehn Uhr fünfzehn, als Crocodile sein Büro verließ, um Pause zu machen. Die Arbeit war anstrengend, doch er kam gut voran. Die große Elektronikmesse Tom's Workers würde in zwei Wochen stattfinden und bis auf ein paar Kleinigkeiten hatte er bereits alles geregelt. Und gestern erst war Franky persönlich vorbeigekommen, um ihn für seinen Fleiß und seine gute Arbeit zu loben. Außerdem hatte er wieder stark angedeutet, dass er ihn gerne dauerhaft mit ins Boot holen wollte. Es waren Situationen wie diese, die Crocodile Hoffnung gaben. Wenn er tatsächlich als Manager für Tom's Workers fest angestellt wurde, gelang es ihm früher oder später, all seine Schulden zu tilgen. Auch die 120.000 Berry, die kürzlich neu dazugekommen waren. "Hey, Crocodile", grüßte ihn Kiwi, als sie beide sich im Gang begegneten. Sie trug einen dicken Stapel Ordner unter ihren Arm geklemmt und wirkte ein wenig gehetzt. Trotzdem nahm sie sich die Zeit für einen kleinen Plausch: "Wie läuft es bei dir?" "Gut", entgegnete Crocodile und bemühte sich darum, einen freundlichen Eindruck zu erwecken. "Heute komme ich mit der Arbeit wirklich schnell voran. Ähm, ich wollte mir ein bisschen die Beine vertreten und dann einen Abstecher in den Supermarkt machen. Soll ich dir irgendetwas mitbringen?" "Oh, danke, aber ich brauche nichts", antwortete Kiwi lächelnd. Nur wenige hundert Meter die Straße hinunter befand sich ein kleiner Supermarkt, den die Mitarbeiter von Tom's Workers in der Mittagspause hin und wieder aufsuchten. Crocodile besorgte sich dort häufig ein paar Flaschen stilles Mineralwasser. Um produktiv arbeiten zu können, musste er täglich mindestens zwei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Wenn sein Körper dehydriert war, bekam Crocodile nämlich schnell Kopfschmerzen und konnte sich dann überhaupt nicht mehr konzentrieren. "Okay", meinte er. "Wir sehen uns sicher heute Abend im Meeting. Bis nachher!" "Bis nachher", erwiderte Kiwi und huschte hinüber zu den Aufzügen. Im Supermarkt war nicht allzu viel los. Crocodile schnappte sich eine große Flasche stilles Mineralwasser und machte sich gleich danach auf den Weg zur Kasse. Früher war ein Besuch im Supermarkt bei ihm häufig darauf hinausgelaufen, dass er deutlich mehr einkaufte als ursprünglich beabsichtigt. Da ihm genug Geld zur Verfügung stand, hatte er nicht darüber nachdenken müssen, wie viel seine Einkäufe kosteten. Selbst wenn sein Bargeld knapp wurde, hatte er noch immer mehrere Kreditkarten in der Tasche gehabt. Inzwischen hatte sich seine Lebenssituation jedoch um einhundertachtzig Grad gewendet: Crocodile zwang sich selbst dazu, wirklich nur das Allernötigste zu kaufen. Nicht einmal eine Packung Kaugummis oder seine Lieblingscracker gönnte er sich. Jeder Berry, den er sparte, half ihm bei der Tilgung seiner Schulden. Da Crocodile ein sehr disziplinierter Mensch war, gelang es ihm meistens auch ganz gut, sich an seinen Vorsatz zu halten. Vor ihm an der Kasse stand eine ältere Dame mit langem, leicht ergrautem Haar. Sie legte eine Packung Karamellbonbons und ein paar Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung auf das Band. Ohne dass Crocodile sich dagegen wehren konnte, wurde er sofort an seinen Vater erinnert: Vor seinem geistigen Auge tauchte das Bild eines dunkelhaarigen Mannes auf, der in einem gemütlichen Fernsehsessel saß und Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung verputzte, während er sich einen Spielfilm ansah. Seitdem er vor rund siebzehn Jahren wegen seiner Homosexualität von ihnen verstoßen worden war, hatte Crocodile seine Eltern nicht mehr wiedergesehen. Zumeist vermied er es, an sie zu denken. Die Erinnerung erfüllte ihn mit Schmerz und (auch wenn er es niemals zugeben würde) Sehnsucht. Doch manchmal konnte Crocodile einfach nicht anders. Wenn er Gegenstände sah oder Situationen erlebte, die ihn an frühere Zeiten erinnerten, dann musste er unweigerlich an seine Eltern zurückdenken: An seinen Vater, der sich jeden Abend einen Spielfilm im Fernsehen anschaute und dabei ein ganzes Dutzend Donuts mit Kirschcremefüllung verputzen konnte. Wie er ihm das Fahrradfahren beibrachte oder in einer Menschenmenge auf seine Schultern hob. An seine Mutter, die ihm mittags bei den Hausaufgaben half und abends eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas. Um ehrlich zu sein, wusste Crocodile nicht mehr ganz genau, wie das Gesicht seiner Mutter aussah. Er erinnerte sich an einzelne Details (ihre bernsteinfarbenen Augen, das auffällige Muttermal an ihrer rechten Wange, die Form ihrer Lippen), doch diese wollten sich nicht zu einem Gesamtbild zusammenfügen lassen. Wer könnte es ihm verübeln? Seitdem er seine Mutter zum letzten Mal gesehen hatte, waren nahezu zwanzig Jahre vergangen. Es schockierte Crocodile ein klein wenig, als er darüber nachdachte, dass sie inzwischen einundsechzig Jahre alt sein musste. Die ältere Dame, dir vor ihm an der Kasse stand, griff in ihre Handtasche und holte ein Portemonnaie hervor. Als Crocodile in ihr Gesicht blickte, fühlte er sich, als hätte ihm jemand mit voller Wucht in den Bauch getreten. Alle Luft wich auch seinen Lungen, in seinem Magen bildete sich ein schmerzhafter Knoten und sein Rachen war mit einem Mal so trocken, dass er laut zu husten begann. Seine Mutter sah zu ihm hinüber, während sie dem Kassierer einen Zwanzig-Berry-Schein reichte. Und erst als ihre Blicke sich kreuzten, wurde Crocodile klar, dass sie ihn nicht wiedererkannte. Er stand hinter ihr an der Kasse, sie war kaum eine Armlänge von ihm entfernt, und doch sah sie ihn an als wäre er nicht ihr eigener Sohn, sondern bloß irgendein völlig Fremder. Völlig entsetzt beobachtete Crocodile, wie seine Mutter die Schokoladendonuts und die Karamellbonbons in ihre Handtasche packte, dem Kassierer einen schönen Tag wünschte und anschließend den Ausgang ansteuerte. Ihre Bewegungen waren nicht hektisch oder ungelenk. Sie zeigte nicht das Verhalten einer Person, die gerade jemandem begegnet war, den sie nicht leiden konnte. Sie benahm sich vollkommen normal. Sie war sich überhaupt nicht dessen bewusst, dass sie eben zum ersten Mal seit siebzehn Jahren ihrem zweitältesten Sohn begegnet war. "Das macht zwei Berry." Erst die Stimme des Verkäufers holte Crocodile in die Wirklichkeit zurück. Hastig kramte er seine Geldbörse hervor, reichte dem Kassierer die gewünschten zwei Berry, schnappte sich seine Wasserflasche und verließ geradezu fluchtartig den kleinen Supermarkt. Auch als er nach draußen in die Sonne trat und zweimal tief ein- uns ausatmete, konnte er noch immer nicht fassen, was er gerade eben erlebt hatte. Wenn Crocodile ehrlich war, dann hatte er sich schon hunderte Male ausgemalt, wie seine Eltern reagieren würden, falls er sie jemals wiedersah. Hin und wieder hatte Hoffnung in seinem Herzen zu keinem begonnen und er hatte geglaubt, sie würden bereuen, wie sie sich bei seinem Outing verhalten hatten. Dass sie sich bei ihm entschuldigten und ihn in ihre Arme schlossen. Da Crocodile allerdings kein naiver Idiot war, hatte er sie sich meistens natürlich mit wütenden und angewiderten Gesichtern vorgestellt. Er war davon ausgegangen, dass sie ihn beschimpfen und bespucken würden. Vielleicht sogar den Tag seiner Geburt verfluchen würden. Doch dass seine eigene Mutter ihm in die Augen sah und ihn nicht wiedererkannte... Crocodile wollte schlucken, doch der schmerzhafte Kloß in seinem Hals hinderte ihn daran. Als er spürte, dass seine Augen schwer wurden, bedeckte er sie mit seiner rechten Hand. Hatte seine Mutter ihn tatsächlich vollkommen aus ihrem Gedächtnis gelöscht? Mit zittriger Hand griff Crocodile in seine Hosentasche, holte sein Handy hervor und drückte auf die Kurzwahlnummer 5. Während er darauf wartete, dass sein Verlobter am anderen Ende der Leitung abnahm, versuchte er sich ein wenig zu beruhigen und seine Gedanken zu ordnen. Es gelang ihm nicht sonderlich gut. "Hey, Wani", begrüßte ihn Doflamingo mit fröhlicher Stimme. "Was gibt's?" "Ich..." Crocodile wollte erklären, wieso er anrief. Er wollte von der Begegnung mit seiner Mutter erzählen. Doch als er es versuchte, versagte ihm die Stimme. "Ich... ich...", stammelte er und schaffte es einfach nicht, einen vollständigen Satz über die Lippen zu bringen. "Ganz ruhig", sagte Doflamingo mit sanfter Stimme. Glücklicherweise schien er sofort den Ernst der Lage zu begreifen. "Beruhige dich, Crocodile. Atme tief ein uns aus." Crocodile befolgte die Anweisung seines Partners: Er zwang sich selbst dazu, mehre tiefe Atemzüge zu nehmen. Und tatsächlich spürte er, wie sich allmählich seine Zunge löste. "Kannst du... kannst du heute früher mit der Arbeit Schluss machen? U-und nach Hause kommen? Ich... ich brauche dich jetzt unbedingt in meiner Nähe! Es ist... ist etwas passiert. Ich... ich.... i-ich kann es dir nicht am Telefon erklären. Wir sprechen darüber, wenn wir Z-zuhause sind, ja?" "Klar", sagte Doflamingo mit ernster Stimme. Anscheinend hatte er verstanden, dass irgendetwas wirklich Schlimmes vorgefallen war. Es kam nur sehr selten vor, dass Crocodile ihn bei der Arbeit anrief. Und so aufgelöst wie er jetzt gerade war, hatte sein Verlobter ihn zuletzt erlebt, als die Sache mit dem Autounfall geschehen war. "Wo bist du momentan?", fragte Doflamingo ihn. "In der Bank? Ich schicke meinen Fahrer zu dir, damit er dich abholt." "Nein, ich..." Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Doflamingo wusste immer noch nicht, dass er eine neue Arbeitsstelle gefunden hatte und nun schon seit einigen Wochen nicht mehr bei der Bank arbeitete. Unglücklicherweise lag das Bürogebäude, in dem Tom's Workers untergebracht war, in einem komplett anderen Stadtteil. "Ich kann selber fahren." Weil sein Mercedes C 216 durch den Autounfall, den er verursacht hatte, praktisch einen Totalschaden erlitten hatte und nicht mehr fahrtauglich war, fuhr Crocodile inzwischen mit einem der zahlreichen Wagen seines Verlobten zur Arbeit und wieder zurück. "Bist du dir sicher?", hakte Doflamingo zweifelnd nach. "Du erweckst einen ziemlich aufgewühlten Eindruck. Ich denke, dass es besser wäre, wenn dich mein Fahrer abholt. Bitte leg deinen verdammten Stolz zur Seite, nur dieses eine Mal, ja? Ich würde mir wirklich große Sorgen um dich machen, wenn du dich in diesem Zustand hinters Steuer setzt." "I-ich werde mir ein Taxi nehmen", versprach Crocodile. Und um nicht allzu verdächtig zu wirken, fügte er hinzu: "Ich schaffe es nicht, genug Geduld aufzubringen, um auf deinen Fahrer zu warten. Ich... ich muss weg von hier. Sofort. Wann bist du Zuhause?" "So schnell wie möglich", antwortete Doflamingo. "Ich mache mich sofort auf dem Weg. Rufst du mich gleich noch einmal an, wenn du im Taxi sitzt? Oder schickst mir wenigstens eine Nachricht? Damit ich weiß, dass du okay bist?" Crocodile nickte. Als ihm einfiel, dass sein Partner diese Geste nicht sehen konnte, meinte er schnell: "Ja, okay, mache ich. Bis gleich, Doffy!" "Bis gleich, Crocodile." Crocodile legte auf und zählte im Kopf langsam bis zwanzig, ehe er die Telefonnummer von Kiwi wählte. Sie nahm nach dem fünften oder sechsten Mal Klingeln endlich ab. "Kiwi", sagte Crcodile und war selbst überrascht angesichts der Tatsache, wie schwach seine Stimme klang. "Kannst du Franky bitte mitteilen, dass ich nach Hause fahre? Ich habe mich eben auf dem Weg zum Supermarkt erbrochen und fühle mich furchtbar schlecht." "Natürlich", meinte Kiwi sofort. Sie klang sehr besorgt. "Du Armer, eben ging es dir doch noch gut!" "Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist", erwiderte Crocodile. "Es hat mich einfach von einer Sekunde auf die nächste überkommen! Ich denke, dass ich auch morgen nicht zur Arbeit kommen werde. Aber bis Montag bin ich bestimmt wieder fit!" "Nimm dir ruhig so viel Zeit wie du brauchts, um dich auszukurieren", meinte Kiwi. "Seine Gesundheit sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen! Außerdem sind ja sowieso bereits so gut wie alle Vorbereitungen für die Messe in zwei Wochen getroffen worden. Du hast in letzter Zeit wirklich gute Arbeit geleistet; ich will mir gar nicht vorstellen, wie weit wir im Ruckstand lägen, wenn du nicht eingesprungen wärst. Du hast es wirklich nicht verdient, dich zur Arbeit zu schleppen, wenn du krank bist!" "Ich werde mich morgen noch einmal melden und wegen Montag Bescheid geben." "Gut, mach das", sagte Kiwi. "Gute Besserung!" "Danke", gab Crocodile zurück. "Bis morgen!" "Bis morgen!" Auch wenn Crocodile schrecklich aufgewühlt war, brachte er es nicht über sich, mehr Geld als unbedingt notwendig auszugeben. Er wusste, dass es ganz in der Nähe eine U-Bahnstation gab und machte sich rasch auf den Weg dorthin. Er löste ein Ticket, das vier Berry kostete, und fuhr mit der Bahn in das Stadtgebiet, in dem Doflamingo und er wohnten. Um den Schein zu wahren, nahm er sich dort dann ein Taxi. Für die kurze Fahrt bis zur Villa bezahlte er knapp zehn Berry. Sein Verlobter wartete bereits vor der Eingangstüre. Als er das Taxi in der Auffahrt stehen sah, kam er zu ihm hinübergeeilt. Damit Doflamingo nicht sah, wie günstig die Fahrt gewesen war und Verdacht zu schöpfen begann, schickte er das Taxi rasch wieder fort. "Crocodile", begrüßte ihn sein besorgt wirkender Partner. Er gab ihm einen liebevollen Kuss auf den Mund. "Was ist denn passiert? Du klangst am Telefon ganz aufgelöst." Crocodile nickte. "Können wir uns hinsetzen?", bat er. Noch immer klang seine Stimme untypisch schwach und erschüttert. "Klar", erwiderte Doflamingo, nahm ihm die mitgebrachte Wasserflasche ab, fasste ihn bei der Hand und führte ihn zügig hinüber ins Wohnzimmer. Ohne einander loszulassen, ließen sie sich auf der teuren Couch nieder. Crocodile schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich einigermaßen zu sammeln. Der erste Schock war zwar überwunden, doch er fühlte sich noch immer absolut verzweifelt. Jedes Mal, wenn ihm der Blick seiner Mutter in den Sinn kam, musste er schwer schlucken. Sie hatte einfach durch ihn hindurch gesehen. "Ganz ruhig", sagte Doflamingo und strich sanft eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. "Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst. Und wenn du so weit bist, erzählst du mir der Reihe nach, was passiert ist." Crocodile fixierte die Spitzen seiner schwarzen Lederschuhe, als er mit zittriger Stimme zu sprechen begann: "Ich... ich... ich, ähm, ich... ich habe Mittagspause gemacht und bin in einen naheliegenden Supermarkt gegangen, um mir eine Flasche stilles Mineralwasser zu holen. Vor mir an der Kasse stand eine... eine Frau. Sie hat Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung gekauft. Genau dieselben, die mein Vater immer gegessen hat. Ich musste sofort an meine Eltern denken. Ich erinnere mich noch genau daran, wie Mihawk und Hancock sich jedes Mal freuten, wenn meine Mutter die Schokoladendonuts vom Einkaufen mitbrachte. Jedenfalls... also... a-also..." Seine Stimme überschlug sich. "Ruhig", sagte Doflamingo neben ihm und drückte seine Hand. "Du warst im Supermarkt und wurdest an deine Eltern zurückerinnert. Was ist dann passiert, Crocodile?" "Die Frau, die vor mir an der Kasse stand, hat zu mir hinübergesehen", erzählte er. "Ich musste husten und deswegen hat sie mich angeschaut." Crocodile hielt für einen Moment inne, ehe er meinte: "Sie ist meine Mutter gewesen." Er konnte hören, dass Doflamingo scharf die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. "Deine Mutter?", wiederholte er mit regelrecht schockiert klingender Stimme. "Du hast deine Mutter wiedergesehen?! Was ist passiert? Wie hat sie auf dich reagiert? Habt ihr euch unterhalten?" Crocodile schüttelte den Kopf. Der Kloß in seinem Hals begann schrecklich zu schmerzen, als er sagte: "Sie hat mich nicht erkannt." "Was?" Doflamingo wirkte ganz verdutzt. "Ich stand genau hinter ihr", flüsterte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass der Schmerz, den er fühlte, ganz deutlich herauszuhören war. "Wir waren kaum einen Meter voneinander entfernt. Sie hat mir direkt ins Gesicht gesehen. Aber sie hat mich nicht wiedererkannt. Sie hat mich angeblickt als wäre ich ein völlig Fremder. In ihren Augen war ich bloß irgendein Fremder." "Ich... Crocodile... ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll.... es tut mir so leid!" Es kam nicht oft vor, dass Doflamingo die Worte fehlten. In diesem Moment allerdings wirkte er genauso fassungslos wie sein Partner sich fühlte. Weil er spürte, dass sie erneut heiß und schwer zu werden begannen, bedeckte Crocodile seine Augen mit der rechten Hand. Doflamingo legte beide Arme um seinen Körper und zog ihn nah zu sich heran. Als Crocodile seinen Kopf in die Halsbeuge seines Verlobten bettete, konnte er die Tränen nicht länger zurückhalten: Heiß und schwer rollten sie über seine Wangen. Crocodile schämte sich und kam sich selbst furchtbar jämmerlich vor, doch es gelang ihm einfach nicht, seinen Gefühlen Einhalt zu gebieten. Doflamingo nahm es ihm nicht übel. Er hielt ihn fest, strich ihm zärtlich über den Rücken und flüsterte ihm ein paar tröstende Worte ins Ohr. Es dauerte ein paar Minuten, bis Crocodile sich einigermaßen wieder gefasst hatte. "Danke", sagte er mit belegter Stimme und rieb sich über die Augen, als er sich von seinem Partner löste. "Es gibt nichts, wofür du dich bedanken könntest", erwiderte Doflamingo mit ehrlich klingender Stimme. "Wegen mir musstest du früher mit der Arbeit Schluss machen", wandte Crocodile ein. Plötzlich überfielen ihn Gewissensbisse: Es war sehr egoistisch von ihm gewesen, seinen Verlobten zu drängen, auf der Arbeit alles stehen und liegen zu lassen und nach Hause zu fahren. "Das macht nichts", meinte Doflamingo und winkte ab. "Ich hatte heute sowieso keinen sonderlich produktiven Tag. Und außerdem bist du viel wichtiger. Geht es dir jetzt ein bisschen besser?" Crocodile nickte. "Allmählich finde ich wieder zu mir", sagte er. "Es ist nur... mir kommt alles so surreal vor: Siebzehn Jahre lang habe ich sie nicht mehr gesehen... und plötzlich steht sie vor mir an der Kasse im Supermarkt." "Bist du dir denn ganz sicher, dass sie es war?", hakte Doflamingo vorsichtig nach. "Dass du sie nicht bloß verwechselt hast?" "Ja, ganz sicher", antwortete Crocodile. "Es waren nicht nur die Donuts, die sie für meinen Vater gekauft hat. Sie hat dieselben Augen wie ich. Und ein auffälliges Muttermal auf der Wange. Ich bin mir absolut sicher, dass sie es war!" Erneut zog Doflamingo ihn in eine enge Umarmung. "Sie ist es sowieso nicht wert gewesen!", flüsterte er in einem energisch klingenden Tonfall. "Auf Menschen, die dich wegen deiner sexuellen Orienierung verstoßen, kannst du getrost verzichten! Versuch dieses Ereignis einfach zu vergessen. Und konzentriere dich stattdessen auf deine echte Familie: Mihawk, Hancock und mich. Wir sind diejenigen, die wirklich zählen. Und wir sind immer für dich da!" Crocodile nickte und krallte sich fest an seinen Partner. Seine Fingernägel gruben sich tief in Doflamingos Hüfte, doch dieser hütete sich, auch nur den geringsten Schmerzenslaut von sich zu geben. "Ich bin trotzdem völlig fertig", sagte Crocodile, nachdem er sich von seinem Verlobten wieder gelöst hatte. "Ich meine... sie hat mich nicht beleidigt oder beschimpft. Sie hat mich angeblickt als hätte sie mich noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen. Als hätte sie mich nicht geboren, mir das Laufen und Sprechen beigebracht... Anscheinend hat sie die achtzehn Jahre, die ich gemeinsam mit ihr in einem Haus gelebt habe, vollkommen aus ihrem Gedächtnis gestrichen." "Vielleicht ist es besser so", erwiderte Doflamingo mit eindringlicher und kaltherziger Stimme. "Wie gesagt, Crocodile: Sie ist es nicht wert. Ich kann verstehen, dass dich ihre Ignoranz schmerzt. Aber am Ende kommst du ohne sie besser zurecht. Menschen, die so furchtbar oberflächlich bist, kannst du nicht gebrauchen. Du solltest versuchen, es ihr gleich zu tun, und sie endlich komplett vergessen! Du kommst auch ohne sie gut aus. Weil dich Menschen unterstützt haben, denen du wirklich wichtig bist, ganz gleich ob du Männer oder Frauen magst." "Vermutlich hast du recht", sagte Crocodile mit leiser Stimme. Die Worte seines Verlobten trösteten ihn ein wenig. "Ich habe meine Geschwister, ich habe Daz und vor allen Dingen habe ich dich, Doffy. Auf euch kommt es an; nicht auf meine Eltern, die mich vor so langer Zeit verstoßen haben. Eigentlich kann es mir auch egal sein, ob meine Mutter sich an mich erinnert oder nicht. Ich werde mich sowieso nie wieder mit ihr versöhnen. Es ist längst zu spät." Doflamingo nickte eifrig. "Ganz genau!", sagte er. "Konzentriere dich auf die Dinge, die wichtig sind! Du solltest keine Gedanken an Menschen verschwenden, die es sowieso nicht wert sind!" Crocodile schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Als er sie wieder öffnete, fühlte er sich deutlich besser. "Danke", sagte er und griff nach der Hand seines Verlobten. "Wie gesagt", erwiderte Doflamingo und küsste ihn sanft auf die Stirn, "du musst dich nicht bedanken. Du bist mein zukünftiger Ehemann. Es ist doch wohl selbstverständlich, dass ich mich um dich kümmere, wenn es dir schlecht geht!" Er schwieg für einen kurzen Augenblick, ehe er hinzufügte: "Du solltest versuchen, auf andere Gedanken zu kommen. Warum schauen wir beide uns nicht einfach einen Film an und verdrücken dabei ein paar Cracker? Schließlich sollten wir es ausnutzen, dass wir beide so früh von der Arbeit wieder Zuhause sind." Doflamingo gluckste leise und Crocodile konnte gar nicht anders als dem Vorschlag seines Partners zuzustimmen. * Am folgenden Wochenende stiegen die Temperaturen auf beinahe 30 Grad Celsius und Doflamingo kam prompt auf die Idee, eine Grill- und Gartenparty zu schmeißen. Crocodile war von diesem Vorschlag zwar nicht sonderlich angetan, aber zwang sich um seines Verlobten willen dazu, gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Erst die Nachricht, dass sein Schuldenberg um weitere 120.000 Berry gestiegen war, und kurz darauf die Begegnung mit seiner Mutter waren beileibe nicht spurlos an ihm vorbei gegangen: Tagsüber verschanzte er sich in seinem Lesezimmer und nachts lag er oft stundenlang wach. Crocodile fühlte sich die meiste Zeit über niedergeschlagen und kraftlos. Weil er allerdings die Ansicht vertrat, dass sein Partner, der sich wirklich viel Mühe gab bei dem Versuch ihn zu trösten und aufzuheitern, ein bisschen Spaß verdient hatte, tat er so als würde er sich auf die bevorstehende Party freuen. Wie immer hatte Doflamingo eine Vielzahl von Gästen eingeladen. Es überraschte Crocodile jedoch, als er mitbekam, dass es sich nicht ausschließlich um die Freunde und Bekannten seines Verlobten handelte: Doflamingo hatte sich die Freiheit genommen, auch Daz, Mihawk, Shanks, Hancock und Luffy einzuladen. "Das wird ja eine wirklich riesige Party", sagte Crocodile; er bemühte sich darum enthusiastisch zu klingen, doch es gelang ihm nicht sonderlich gut. Sein Partner nickte. "Es kommen ungefähr achtzig Leute", erwiderte er mit fröhlicher Stimme. Sie beide standen im Garten und beaufsichtigten die Angestellten, die gerade damit beschäftigt waren, Sitzgelegenheiten aufzubauen. Doflamingo war ein zuvorkommender Hausherr: Natürlich mutete er seinen Gästen keine ungemütlichen Klappstühle zu; stattdessen ließ er Sessel und Bänke aus Korbgeflecht aufstellen und mit gemütlichen Kissen bestücken. Bei den Gartenmöbeln handelte es sich um Sonderanfertigungen, die ein namenhafter Designer ganz nach den Wünschen seines extravaganten Kunden gestaltet hatte, und sie waren teurer gewesen als der Wagen, den Mihawk fuhr. "Findest du eine lange Tafel oder kleine Tischgruppen besser?", fragte Doflamingo, während sie Hand in Hand durch den Garten spazierten. "Ähm, kleine Tischgruppen?"", erwiderte Crocodile (dem diese Entscheidung relativ gleichgültig war) in einem eher unbeholfen klingenden Tonfall. "Wirklich?" Doflamingo zog die Augenbrauen zusammen. "Ich habe die Befürchtung, dass jeder bei seinem Tisch bleiben wird und die Menschen nicht miteinander ins Gespräch kommen. Und mir ist es sehr wichtig, dass meine und deine Leute sich gut verstehen. Es ist heute ja das erste Mal, dass sie sich begegnen." "Darum musst du dir keine Sorgen machen", erwiderte Crocodile, obwohl er sich selbst nicht ganz sicher war. Bei dieser Gartenparty würden zwei Welten aufeinandertreffen. Seine Geschwister und Freunde waren den unermesslichen Luxus, der ihnen hier geboten wurde, überhaupt nicht gewohnt. Trotzdem bemühte er sich darum, positiv zu denken. Er wollte seinem Partner, der sich sehr auf den Abend zu freuen schien, nicht die Laune verderben. "Mihawk und Daz sind zwar eher zurückhaltende Menschen, aber eigentlich kommen sie mit fast jedem gut klar. Und Hancock, Luffy und Shanks sind ja sowieso sehr offen und kontaktfreudig. Ich bin mir sicher, dass sie gut zurecht kommen werden." "Hoffentlich", meinte Doflamingo mit zweifelnder Stimme. Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er plötzlich fragte: "Findest du, dass ich bei dieser Party zu dick auftrage?" Verwundert zog Crocodile eine Augenbraue hoch. "Wie kommst du denn darauf?", hakte er nach. "Normalerweise heißt es bei dir doch: Je pompöser, desto besser. Oder nicht?" "Schon", gab Doflamingo kleinlaut zu. "Mir sind meine Freunde sehr wichtig und ich bemühe mich immer darum, ein guter Gastgeber zu sein. Meinen Gästen soll es an nichts fehlen. Aber nun ja... ich bin schon zweimal auf Parties gewesen, die deine Geschwister gegeben haben. Und beide Male war es eine völlig andere Art von Feier als ich es gewohnt bin. Versteh mich bitte nicht falsch! Mihawks Geburtstagsparty und Hancocks Schwangerschaftsparty waren toll und ich hatte wirklich sehr viel Spaß, nur... du weißt schon... ich möchte vermeiden, dass die beiden sich von mir in den Schatten gestellt vorkommen. Erinnerst du dich noch daran, wie wir uns damals auf den Weg zu Mihawks Party gemacht haben? Ich wollte eigentlich mit meinem Aston Martin fahren, aber du warst ganz entsetzt und meintest, dieser Wagen würde viel zu aufschneiderisch wirken. Da ist mir wieder richtig bewusst geworden, wie viel reicher ich bin als du. Und dass ich oft (ohne es zu beabsichtigen) arrogant und eingebildet erscheine. Einfach weil für mich viele Dinge, die Andere als Luxus betrachten, eine absolute Selbstverständlichkeit sind. Dabei ist es mir gar nicht wichtig, wie viel Geld jemand besitzt! Und ich möchte auch nicht den Eindruck des eingebildeten und aufgeblasenen Multimillionärs erwecken." "Keine Panik", versuchte Crocodile seinen Partner zu besänftigen. "Meine Geschwister und Freunde kennen dich doch schon längst. Sie wissen, dass du kein herablassender Wichtigtuer bist." "Wissen sie denn überhaupt, dass ich reich bin?", hakte Doflamingo skeptisch nach. "Nicht, dass sie alle den Schock ihres Lebens bekommen, wenn sie heute Abend hier ankommen." "Klar wissen sie, dass du Millionär bist", erwiderte Crocodile. "Ich habe ihnen schon von dir erzählt, lange bevor du sie kennengelernt hast. Mach dir keinen Kopf, Doffy! Ich bin mir sicher, dass die Party ein Erfolg wird. Meine Freunde und Familie sind diesen exklusiven Lebensstandard zwar nicht gewohnt, aber dafür werden sie ihn heute Abend umso mehr genießen. Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen." "Das ist leichter gesagt als getan", meinte Doflamingo. Er wirkte noch immer ein wenig besorgt, doch lächelte inzwischen wieder. "Ich wünsche mir, dass all meine Gäste sich wohlfühlen und untereinander gut verstehen. Schließlich handelt es sich um ungefähr die gleiche Gruppe, die wir auch zu unserer Hochzeit einladen werden." Bei der Erwähnung ihrer bevorstehenden Hochzeit musste Crocodile unweigerlich schlucken. Seit er erfahren hatte, dass sein Autounfall ihn satte 120.000 Berry kosten würde, hatten sie beide nicht mehr über dieses Thema gesprochen. Insgeheim hatte Crocodile beinahe schon gehofft gehabt, Doflamingo würde sich mit dem Gedanken anfreunden, ihre Hochzeit zu verschieben. Immerhin wusste sein Partner doch Bescheid über die riesige Geldsumme, die er aufbringen musste. Wie sollte er in seiner momentanen finanziellen Situation auch noch eine Hochzeitsfeier bezahlen? "Kommen heute denn auch deine Verwandten?", fragte Crocodile seinen Verlobten. "Wir hatten ja ausgemacht, dass ich sie kennenlerne, bevor wir sie auch auf die Gästeliste setzen." Vielleicht, kam es Crocodile plötzlich in den Sinn, ging Doflamingo davon aus, dass es für ihn überhaupt kein Problem darstellte, mehr als 100.000 Berry zu bezahlen. Er hatte mit seinem Partner niemals im Detail über seine finanzielle Möglichkeiten gesprochen; auch nicht, ehe er seine Arbeitsstelle verloren hatte und in einem riesigen Schuldenberg versunken war. Womöglich glaubte Doflamingo, dass ihm mehr als genug Geld zur Verfügung stand, um sowohl die Rechnung über 120.000 Berry als auch die Kosten für ihre Hochzeitsfeier zu stemmen. Bei diesem furchtbaren Gedanken lief es Crocodile eiskalt den Rücken hinunter. Wie sollte er seinem schwer reichen Verlobten erklären, dass er definitiv nicht dazu in der Lage war, für beides aufzukommen? "Ich habe zwei meiner Cousinen und ihre Eltern eingeladen", meinte Doflamingo. "Ich dachte mir, dass es einfacher für dich ist, wenn du meine Familie nach und nach kennenlernst. Du sollst dir nicht vorkommen wie auf dem Präsentierteller." "Danke", erwiderte Crocodile und brachte ein schwaches Lächeln zustande. "Das ist sehr rücksichtsvoll von dir. Ich hoffe, dass deine Tante, dein Onkel und deine Cousinen mich mögen werden." "Darum mache ich mir überhaupt keine Sorgen", sagte Doflamingo und winkte breit grinsend ab. "Sie sind sehr nette Menschen. Und ich habe ihnen schon viel von dir erzählt. Sei einfach du selbst; dann kann nichts schiefgehen!" Ob er seinem Verlobten erzählen sollte, dass er aufgrund der neu hinzugekommenen Schulden nicht die Möglichkeit hatte, sich an den Kosten für ihre Hochzeit zu beteiligen? Würde Doflamingo Verständnis für ihn aufbringen? Crocodile senkte den Blick. Konnte ein so unfassbar reicher Mann wie sein Verlobter seine problematische Lage überhaupt nachvollziehen? Mit Sicherheit hatte Doflamingo in seinem ganzen Leben noch niemals vor dem Problem gestanden, sich irgendetwas nicht leisten zu können. Er war praktisch mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden. "Ist alles in Ordnung?", fragte Doflamingo plötzlich und zog die Augenbrauen zusammen. "Du erweckst nicht gerade einen sonderlich fröhlichen Eindruck. Ist dir nicht gut?" "Mit meinem Magen ist alles in Ordnung, falls du darauf anspielen willst", erwiderte Crocodile rasch und lächelte wacker. "Ich bin nur ein wenig nervös. Du weißt schon, wegen deiner Familie. Ich möchte auf jeden Fall einen guten Eindruck hinterlassen." "Wie gesagt", meinte sein Verlobter in einem sehr sanft und verständnisvoll klingenden Tonfall, "darum musst du dir keine Sorgen machen. Es gibt absolut keinen Grund, um aufgeregt zu sein: Meine Verwandten sind wirklich sehr, sehr freundlich. Und außerdem musst du dich ja nicht den ganzen Abend lang nur mit ihnen unterhalten. Es kommen ungefähr achtzig Gäste; du wirst also oft genug die Gelegenheit haben, um auch mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen." Crocodile nickte. Doch wenn er davon ausging, dass Doflamingo Verständnis für seine miserable finanzielle Situation aufbringen würde... wäre dann nicht alles umsonst gewesen? Die vielen Lügen, die er seinem Verlobten erzählt hatte. Die Farce, die er nun schon seit vier oder fünf Monaten aufrecht erhielt. All die Sorgen, die Quälerei, die harte Arbeit... Wenn er davon ausging, dass Doflamingo sich nicht von ihm abwenden würde... Wozu hatte er denn dann diese furchtbare Zeit durchgestanden? Ich hätte ihm sofort die Wahrheit erzählen sollen, dachte Crocodile und verzog den Mund, so als läge ein bitterer Geschmack auf seiner Zunge. Ich hätte ihm gleich am ersten Tag von meiner Kündigung und meinen Schulden erzählen sollen. Er wäre nicht wütend geworden. Er hätte sich nicht von mir getrennt. Er hätte mich unterstützt und versucht mir so gut wie möglich zu helfen. Diese Erkenntnis traf ihn hart. "Ich, ähm, ich werde mal nachfragen, ob man in der Küche das Grillfleisch schon vorbereitet hat", sagte Crocodile an seinen Verlobten gewandt. "Bereits in einer Stunde erwarten wir die ersten Gäste, nicht wahr?" Doflamingo nickte. "Gute Idee", meinte er, beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen kurzen, doch liebevollen Kuss auf die Lippen. "Dann sehe ich nach den Getränken. Ich habe mir gedacht, dass ich keine Theke aufbauen lassen, sondern die Leute von ein paar Kellnern bedient werden. Dann müssen sie nicht jedes Mal aufstehen, wenn sie ein Getränk bekommen wollen." "Du bist ein wirklich zuvorkommender Gastgeber", entgegnete Crocodile. "Wenn man bei dir zu Gast ist, fühlt man sich gleich wie prominenter Besuch." "Genau dieses Gefühl versuche ich ja auch zu vermitteln", meinte Doflamingo mit geschmeichelt klingender Stimme, ehe er sich auf den Weg machte, um mit seinen Angestellten über den Getränkeausschank zu sprechen. In der Küche waren Doflamingos Bediensteten bereits überaus fleißig gewesen. Das hochwertige Fleisch, das heute Abend auf dem Grill landen würde, war längst fertig vorbereitet worden. Dasselbe galt auch für die vielen anderen Gerichte und Lebensmittel, die gereicht werden sollten: Salat, Brot, Nudeln, Reis, Fisch, Gemüse, Pilze, Couscous, Dips und Saucen in endlosen Variationen. Wie üblich hätte das Aufgebot an Nahrungsmitteln ausgereicht, um mindestens die dreifache Anzahl der Gäste mehr als satt zu bekommen. Crocodile wurde ein wenig übel, als er daran zurückdachte, dass er als Student manchmal tagelang nichts außer Corneflakes oder Instant-Nudeln gegessen hatte, weil sein Geld für eine bessere Ernährung nicht ausgereicht hatte. Da in der Küche alles rund zu laufen schien, nutzte Crocodile die Zeit, um sich ein letztes Mal zurückzuziehen und seine Gedanken zu ordnen, ehe die Gartenparty losging. Er verschanzte sich in einem der zahlreichen Gästebäder der Villa und ließ sich in einer sehr kraftlos wirkenden Bewegung auf dem heruntergeklappten Toilettensitz nieder. Um ehrlich zu sein, war seine Laune absolut miserabel. Nicht bloß, weil er überhaupt keine Lust auf die bevorstehende Party hatte, sondern vor allem wegen Doflamingo. Es ärgerte Crocodile, dass dieser ihre Hochzeit nicht verschieben zu wollen schien. Schließlich hatte Doflamingo den Brief, der die Forderung von 120.000 Berry enthielt, selbst gelesen gehabt! Ging er tatsächlich davon aus, dass er einen Geldbetrag in dieser immensen Höhe einfach aus dem Ärmel schütteln konnte? Aber sein Verlobter müsste doch wissen, dass er lange nicht so reich war wie er! Immerhin waren sie beide schon seit etwa zehn Monaten ein Liebespaar. Doflamingo hatte doch mit eigenen Augen gesehen, unter welchen Umständen er gelebt hatte, ehe sie beide zusammengezogen waren: Er hatte in einer Mietwohnung gewohnt, keine Köche oder Putzkräfte eingestellt gehabt, nur ein einziges Fahrzeug besessen... Wie kam sein Partner dann nur auf den verrückten Gedanken, dass satte 120.000 Berry für ihn nichts weiter als Peanuts waren? Crocodile presste die Zähne fest aufeinander. Zum ersten Mal, seit ihm gekündigt worden war, spürte er, wie er nicht auf sich selbst, sondern auf Doflamingo wütend wurde. Offensichtlich hatte sein Verlobter sich überhaupt nicht die Mühe gemacht, sich in ihn hineinzuversetzen. Immerhin wusste Doflamingo doch darüber Bescheid, dass ihm sämtliche Kosten, die durch den Autounfall entstanden waren, in Rechnung gestellt wurden. Er wusste ganz genau, dass Crocodile 120.000 Berry zu zahlen hatte! Und er wusste auch, dass diese Summe für seinen Verlobten alles andere als eine Kleinigkeit darstelle! Und trotzdem sprach er noch immer davon, ihn so bald wie möglich zu heiraten! "Du bist so ein verdammter Egoist!", brüllte Crocodile zornig, erhob sich und schlug mit der rechten Faust gegen den Spiegel, der über dem Waschbecken hing. "Du mieses Arschloch! Du willst nur wieder deinen Willen durchsetzen! Dass ich kein Geld habe, ist dir vollkommen egal! Du gottverdammter Wichser!" Es dauerte nicht lange, bis Crocodile wieder zu sich gekommen war. Entsetzt ließ er seinen Blick zwischen den am Boden liegenden Spiegelscherben und seiner blutenden, schmerzenden Faust hin- und herwandern. Crocodile war sich dessen bewusst, dass er gelegentlich ein sehr temperamentvolles Verhalten an den Tag lag, doch in einem Wutanfall wahllos Gegenstände kurz und klein zu hauen, sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Normalerweise hatte er sich selbst recht gut unter Kontrolle. Wie sollte er Doflamingo diesen Schaden nur erklären? Dass er gestolpert und mit der Faust aus Versehen gegen den Spiegel gekommen war, würde ihm sein Verlobter mit Sicherheit nicht glauben. Sollte er also einfach das Badezimmer verlassen und darauf hoffen, dass niemand den zerbrochenen Spiegel auf ihn zurückführen würde? "Wani?" Sofort spürte Crocodile, wie sich die Haare in seinem Nacken und an seinen Unterarmen aufstellen. Oh nein, bitte nicht, dachte er verzweifelt und ließ seinen Blick unwirsch über den mit Spiegelscherben übersäten Boden schweifen. Was machte sein Partner denn hier? Hatte er nicht nach den Getränken sehen wollen? Crocodile hörte, wie jemand gegen die Tür klopfte. "Wani?", wiederholte Doflamingo in einem besorgt klingenden Tonfall. "Geht es dir gut? Ich habe eben ein lautes Scheppern gehört." "Ich bin okay", antwortete Crocodile, doch seine Stimme klang so halbherzig, dass sie nicht einmal ihn selbst überzeugen konnte. "Mach bitte die Türe auf", erwiderte aus diesem Grund sein Partner in einem gleichzeitig sanft und energisch klingenden Tonfall. Crocodile seufzte. Er war sich dessen bewusst, dass es aus dieser Situation kein Entkommen geben würde. Zu Doflamingos prägnantesten Eigenschaften gehörte definitiv seine unfassbare Sturheit. Er würde so lange vor der Badtüre stehen bleiben, bis sie sich öffnete. Ganz egal, wie lange dies auch dauern mochte. Also ergab Crocodile sich seinem Schicksal und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Seine Hand pochte unangenehm und blutete stark. Erst jetzt fiel ihm auf, dass eine kleine Spiegelscherbe in seinem Fleisch steckte. Doflamingo saugte scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als er das kleine Badezimmer betrat. "Was ist denn hier passiert?", fragte er mit schockiert klingender Stimme. "Ich hatte einen Wutanfall", gestand Crocodile und senkte den Blick. "Tut mir leid. Es... es hat mich einfach überkommen. Ich werde den Spiegel natürlich bezahlen." "Der verdammte Spiegel ist mir scheißegal!", erwiderte sein Verlobter energisch. "Ich... Crocodile... Oh Mann, ich... mir fehlen die Worte! Was ist denn der Grund für deinen Wutanfall gewesen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Um ehrlich zu sein, hatte er im Moment keine große Lust auf irgendwelche tiefschürfenden Gespräche. Doflamingo berührte ihn an den Schultern und blickte ihm tief in die Augen. Crocodile seufzte laut auf und biss sich auf die Unterlippe, bis sie zu schmerzen begann. "Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst", meinte Doflamingo. "Auch über unangenehme Dinge. Bitte sag mir die Wahrheit, Crocodile: Wieso bist du wütend? Und auf wen?" "Wir sollten ein anderes Mal darüber sprechen", erwiderte Crocodile und hoffte insgeheim, dass sie dieses Gespräch niemals nachholen würden. "Die Gäste kommen gleich. Es wäre sehr unhöflich, sie nicht zu begrüßen. Komm: Wir verbinden meine Hand und danach gehen wir wieder nach draußen in den Garten." Doch Doflamingo ließ ihn nicht los. "Wir reden jetzt darüber!", meinte er. "Die Gäste können warten!" Crocodile zögerte einen Moment, ehe er schließlich zugab: "Ich war wütend auf dich." "Auf mich?" Mit dieser Antwort schien sein Verlobter nicht gerechnet zu haben. "Aber wieso denn das? Was habe ich falsch gemacht?" "Das würdest du nicht verstehen", erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. "Können wir jetzt bitte meine Hand verbinden? Sie tut weh." Das war nicht gelogen: Je ruhiger er wurde, desto intensiver spürte Crocodile den Schmerz in seiner rechten Hand. Er hatte nicht gerade leicht zugeschlagen. Doflamingo öffnete die Schublade eines hohen, schmalen Schrankes, der links neben dem Waschbecken stand, und holte einen Verbandskasten hervor. Crocodile hielt seinem Partner den rechten Arm hin; da ihm die linke Hand fehlte, war er leider nicht dazu in der Lage, die Wunde selbst zu versorgen. Während Doflamingo mit einer Pinzette die kleinen Spiegelscherben aus seinem Handrücken entfernte und die Verletzung desinfizierte, sprach keiner von ihnen beiden ein Wort. Erst als er den Verband um seine Hand zu wickeln begann, meinte Doflamingo mit leiser Stimme: "Ich glaube nicht, dass es genäht werden muss." Crocodile nickte. Er hätte nicht gewusst, was er auf die Aussage seines Partners erwidern sollte. Mit jeder Sekunde, die verging, wurde die Luft dicker und ihr Schweigen unangenehmer. "Bist du jetzt wütend auf mich?", fragte Crocodile, als Doflamingo von seiner Hand abließ. Sein Partner schüttelte den Kopf. "Ich bin nicht wütend", sagte er. "Ich frage mich nur... nun ja... was ich falsch gemacht haben könnte. Und wieso du sagtest, ich würde den Grund nicht verstehen." Crocodile senkte den Blick. Als er die vielen Scherben registrierte, die auf dem Fußboden verstreut lagen, sagte er: "Ich war wütend, weil du von unserer Hochzeit gesprochen hast. Es klang nicht so als würdest du sie verschieben wollen." "Aber warum sollten wir unsere Hochzeit denn verschieben?", hakte Doflamingo nach und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Er klang nicht zornig oder beleidigt; er schien einfach bloß nicht zu verstehen, worauf sein Verlobter hinauswollte. "Ich meine, ich erinnere mich daran, wie du mit mir darüber gesprochen hattest, dass ich bei den Hochzeitsvorbereitungen hetze und dass wir uns ein bisschen mehr Zeit lassen sollen. Und ich habe mich auch wirklich darum bemüht, dich nicht unter Druck zu setzen. Mir ist ja auch nicht entgangen, wie aufgewühlt und niedergeschlagen du seit deinem Autounfalll bist. Aber das bedeutet doch nicht gleich, dass wir unsere Hochzeit um Monate oder Jahre verschieben müssen, oder nicht? Ich verstehe nicht, wo genau dein Problem liegt." "Mein Problem ist, dass ich keine Ahnung habe, wie ich die Kosten für unsere Hochzeit stemmen soll!" Plötzlich konnte Crocodile nicht mehr an sich halten. Doflamingos absolut dreiste Ignoranz fachte seinen Zorn neu an. All die Sorgen, die sich in ihm aufgestaut hatten, seit er von der Forderung seiner Versicherung erfahren hatte, brachen wie stürmische Wellen aus ihm hervor: "Wegen dem Autounfall, den ich verursacht habe, muss ich einhundertzwanzigtausend Berry bezahlen! Einhundertzwanzigtausend Berry! Wo soll ich denn nur so viel Geld hernehmen, verdammt nochmal?! Selbst wenn ich die nächsten drei Monate mein komplettes Gehalt aufwenden würde, könnte ich diesen Betrag nicht aufbringen! Wie soll ich dann zusätzlich auch noch unsere Hochzeit bezahlen? Verdammt, ich bin nicht so reich wie du, Doflamingo! So unfassbar viel Geld habe ich ganz einfach nicht!" Dieses Geständnis schien seinen Partner zu schockieren. Überrascht zog Doflamingo die Augenbrauen zusammen; mit recht unbeholfen und überfordert klingender Stimme meinte er: "Aber warum hast du denn nichts gesagt?" "Du hast die beiden Briefe doch selbst gelesen!", entgegnete Crocodile scharf. "Du weißt über die Forderung meiner Versicherung genau Bescheid!" "Schon", lenkte Doflamingo ein, "aber ich war mir nicht dessen bewusst, dass die Zahlung der einhundertzwanzigtausend Berry dir solch große Probleme bereitet. Ich bin davon ausgegangen, dass dein Gehalt ausreichen würde, um die Forderung zu begleichen, oder dass du vielleicht ein paar Rücklagen hättest." "Du überschätzt meine finanziellen Möglichkeiten", sagte Crocodile mit leiser Stimme. Er hätte es selbst niemals geglaubt, doch um ehrlich zu sein, tat es unfassbar gut diese Worte auszusprechen. Endlich konnte er seinem Verlobten klarmachen, dass dieser ein völlig falsches Bild von ihm hatte. "Ich bin kein Millionär so wie du! Wenn ich sechsstellige Geldbeträge einfach aus dem Hemdsärmel schütteln könnte, hätte ich mir längst selbst eine riesige Villa und ein Dutzend Luxuskarossen zugelegt! Mann, Doflamingo, ist dir denn nicht aufgefallen, wie verzweifelt ich in den letzten Wochen gewesen bin?!" "Natürlich ist mir das aufgefallen!", hielt Doflamingo dagegen. "Allerdings dachte ich mir, dass du immer noch unter Schock stündest wegen des Unfalls. Ich meine... ich habe die Fotos gesehen, die deine Versicherung gemacht hat. Die komplette rechte Seite deines Mercedes ist demoliert worden; du hättest genausogut auch tot sein können! Mir war überhaupt nicht klar, dass nicht der seelische, sondern der finanzielle Schaden dir zu schaffen macht!" "Jetzt kennst du jedenfalls den Stand der Dinge", seufzte Crocodile. "Es wird Monate dauern, bis ich die einhundertzwanzigtausend Berry zusammen habe. Und deshalb ist es mir in nächster Zeit auch nicht möglich, die Kosten für unsere Hochzeit zu stemmen. Ich befürchte, dass wir sie verschieben müssen. Eine andere Möglichkeit lässt meine finanzielle Situation einfach nicht zu." "Wir hätten früher über dieses Thema sprechen sollen", murrte Doflamingo und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar, "dann hätten wir beide uns den Ärger der letzten Wochen erspart. Wenn du nicht genug Geld hast, dann bezahle eben ich die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry. Und von mir aus kann ich auch die Kosten für unsere Hochzeit übernehmen. Für mich sind das doch sowieso nur Peanuts." "Nein!" Crocodile konnte kaum fassen, was sein Verlobter da von sich gab. "Nein, nein, nein! Auf gar keinen Fall! Ich möchte nicht, dass du mir so viel Geld leihst! Das kommt überhaupt nicht infrage! Ich will nicht mit hunderttausenden Berry bei dir in der Kreide stehen, Doflamingo!" "Ich kann mich nicht daran erinnern, erwähnt zu haben, dass du mir das Geld zurückzahlen sollst", erwiderte Doflamingo; und auch wenn dessen Blick wie üblich durch die getönten Gläser einer Sonnenbrille verdeckt wurden, war Crocodile sich sicher, dass sein Partner mit den Augen rollte. "Du schuldest mir überhaupt nichts, Baby. Ich begleiche die Forderung und damit hat sich das Problem erledigt. Ende aus, Mickey Maus!" Crocodile schüttelte hektisch den Kopf. "Nein, nein, nein", wiederholte er mit energischer Stimme. "Dieses Angebot kann ich nicht annehmen! Es handelt sich einfach um eine viel zu große Summe! Das geht nicht, Doflamingo!" "Es macht mir nichts aus", beteuerte sein Verlobter. "Für mich sind einhundertzwanzigtausend Berry eine Kleinigkeit! Mir würde das Geld nicht fehlen!" "Für mich sind einhundertzwanzigtausend Berry aber keine Kleinigkeit!", hielt Crocodile verzweifelt dagegen. "Überleg es dir." Doflamingo beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf den Mund. Seine Lippen waren warm und schmeckten süß. "Ich weiß, dass du es hasst eingeladen zu werden, aber ich bin mir sicher, dass du mein Angebot letztendlich annehmen wirst. Immerhin ergibt sich überhaupt kein Nachteil für dich. Aber jetzt sollten wir dieses Thema beenden. In ein paar Minuten kommen die ersten Gäste. Heute Abend genießt du die Party! Und morgen, wenn du genug Zeit hattest, um dich mit diesem Gedanken anzufreunden, sprechen wir beide noch einmal ganz in Ruhe über die Sache mit dem Geld. Einverstanden?" Crocodile war mit diesem Vorschlag überhaupt nicht einverstanden, doch er wusste, dass es nichts bringen würde, auf seinen störrischen Verlobten einzureden. Also nickte er ergeben. Als sie beide inbegriff waren, das Gästebadezimmer zu verlassen, fiel Crocodiles Blick erneut auf den zerschlagenen Spiegel und die Scherben, die den Fußboden übersäten. "Bitte erzähl keinem von meinem Wutanfall", bat er Doflamingo mit leiser Stimme. "Ich möchte nicht, dass Daz oder meine Geschwister sich Sorgen um mich machen. Vor allem auf Hancock sollten wir Rücksicht nehmen." Sein Partner nickte. "Ich schweige wie ein Grab", versprach er und küsste ihn erneut, ehe sie beide in den weitläufigen Garten der Villa zurückkehrten. Die Party wurde ein voller Erfolg. Crocodile stellte erleichtert fest, dass sich sowohl seine beiden Geschwister als auch Daz, Shanks und Luffy wohlzufühlen schienen, obgleich sie alle zu Beginn ein wenig eingeschüchtert wirkten angesichts der glitzernden Welt aus Reichtum und unermesslicher Dekadenz, in die sie hineingestoplert waren. Mihawk, der normalerweise alles Andere als schwer von Begriff war, reagierte ganz verwirrt, als ein Page ihn um seinen Autoschlüssel bat, damit er seinen Ford Mondeo in der weitläufigen Tiefgarage unterbringen konnte. „Als du sagtest, dass Doflamingo reich ist“, flüsterte Hancock ihm zur Begrüßung in einem ganz verdattert klingenden Tonfall ins Ohr, „da dachte ich an Villa mit Pool und Tennis-Feld, aber nicht an... an diesen Palast. Verdammt nochmal, Crocodile, wie reich ist dein Freund denn nur!?“ „Ziemlich reich“, gab Crocodile, dem die Verwunderung seiner Schwester beinahe schon unangenehm war, kleinlaut zurück. Gemeinsam mit Doflamingo führte er die neu angekommenen Gäste hinüber in den Garten, wo die Party stattfand. Ungefähr die Hälfte der eingeladenen Leute war bereits anwesend; dazu zählten auch Monet, Kuma und Law, die sogleich zu ihnen herüberkamen. Es überraschte Crocodile, wie freundschaftlich Kuma von seinem Bruder begrüßt wurde, bis ihm einfiel, dass die beiden sich ja bereits kannten. Shanks war der Erste, der sich von seiner anfänglichen Verunsicherung loslöste und dazu überging, den Luxus, der ihm geboten wurde, in vollen Zügen zu genießen: Er griff sich einen Drink vom Tablett eines vorbeilaufenden Kellners und ließ sich prompt auf ein Gespräch mit einer jungen und äußerst attraktiven Frau ein. Mihawk, Hancock, Luffy und Daz folgtem dem Beispiel ihres sehr offenherzigen Freundes und tauten nach und nach auf. Als Crocodile eine dreiviertel Stunde später nach ihnen sah, schienen sich alle prächtig zu amüsieren; sie lachten, tranken und unterhielten sich fröhlich mit den anderen Gästen der Party. Crocodile saß an einem Tisch gemeinsam mit Hancock, Monet, Law und Doflamingo. Er war der einzige aus der Gruppe, der keinen Teller gefüllt mit schmackhaften Leckereien vor sich stehen hatte, doch weil das Hauptaugenmerk momentan sowieso eher auf seiner Schwester als auf ihm lag, sprach ihn glücklicherweise niemand auf diesen Umstand an. Es war das erste Mal, dass Crocodile so etwas wie Erleichterung verspürte, weil Doflamingo sich voll und ganz auf Hancock anstatt auf ihn konzentrierte; er hatte keine Lust auf ein weiteres ernstes Gespräch über seine ungesundes Essverhalten. Dennoch konnte er nicht verhehlen, dass er wie immer ein klein wenig eifersüchtig wurde, als sein Verlobter sich mit seiner attraktiven Schwester unterhielt. „Hast du ein neues Ultraschall-Bild dabei?“, fragte Doflamingo und klang so begeistert, dass man meinen könnte, er spräche nicht von einem Stück Papier, auf dem nichts weiter als verschwommene Flecken zu sehen waren, sondern von einem berühmten Kunstwerk. Hancock nickte und griff nach ihrer Handtasche, um das Foto hervorzuholen. Obwohl sie den Schwangerschaftsbauch, der sich deutlich unter ihrem violetten Kleid abzeichnete, nicht verstecken konnte, sah sie wie immer wunderhübsch aus. Wenn Crocodile sich nicht irrte, dann waren die sowieso schon stattlichen Brüste seiner Schwester noch ein Stück größer geworden, wohingegen sie -abgesehen vom Bauch natürlich- an keiner anderen Stelle zugenommen zu haben schien. Es versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz, als bemerkte, mit welch begeisterter Miene Doflamingo das Ultraschall-Bild betrachtete. Unweigerlich wurde er daran zurückerinnert, dass auch sein Verlobter gerne eine Familie gründen würde. Crocodile presste die Lippen fest aufeinander, als er daran dachte, dass er Doflamingo diesen Wunsch niemals erfüllen könnte. Seine sowieso schon schlechte Laune erreichte einen Tiefpunkt, als Crocodile sich an diejenigen seiner Exfreunde zurückerinnerte, die ebenfalls bisexuell gewesen waren: Jeder einzelne von ihnen hatte ihn wegen seiner Schwester verlassen. „Warum lächelst du auf einmal?“ Crocodile schreckte auf und sah hinüber zu Law, der gleich neben ihm saß und von Doflamingo angesprochen worden war. „Ich lächle doch gar nicht“, gab Law zurück, doch selbst Crocodile, der bisher überhaupt nicht auf seinen Sitznachbarn geachtet hatte, fielen dessen kleine Grübchen auf. Dabei war Law (ähnlich wie Mihawk) eigentlich ein eher zurückhaltender Mensch, der nur sehr selten seine Gefühle äußerte. „Klar tust du das“, erwiderte sein Verlobter breit grinsend. „Du hast auf dein Handy geschaut und dann gelächelt!“ „Blödsinn!“, meinte Law, doch verstaute sein Handy sicherheitshalber in seiner Hosentasche, ehe Doflamingo auf die Idee kam, es vor lauter Neugier an sich zu reißen. „Jemand, der es schafft dich zum Lächeln zu bringen, muss etwas ganz Besonderes sein“, stichelte dieser fröhlich weiter. Law verschränkte die Arme, blies die Backen auf und wich Doflamingos Blick aus, ehe er nach einer Weile mit beinahe verschämt klingender Stimme zugab: „Ich habe tatsächlich jemanden kennengelernt.“ Dieses Geständnis schien Doflamingo den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sein Partner zog verwundert die Augenbrauen zusammen und stockte für einen Moment, ehe er mit verdattert klingender Stimme wiederholte: „Du hast jemanden kennengelernt?“ Law, auf dessen Wangen sich inzwischen zarte Schamesröte ausgebreitet hatte, nickte. „Warum ist das so schwer zu glauben?“, fragte er und klang ein wenig beleidigt. „Nun ja“, gab Doflamingo zurück, „du weißt schon: Meistens meidest du Orte, an denen man andere Menschen kennenlernt. Dich trifft man etwa genauso oft wie Croco in einem Nachtclub. Und vor allen Dingen in letzter Zeit hast du dich ja praktisch in Arbeit vergraben.“ „Er ist mein neuer Tätowierer“, erklärte Law. Er, dachte Crocodile verwundert, doch sprach den Gedanken nicht laut aus. Er hatte gar nicht gewusst, dass Law an Männern interessiert war. „Dein neuer Tätowierer?“ „Bist du schwerhörig?“, erwiderte Law, dem Doflamingos ständige Nachfragen allmählich auf die Nerven zu gehen schienen. „Ja, er ist mein neuer Tätowierer. Wir haben uns vor ein paar Wochen kennengelernt.“ „Aber warum hast du denn nichts davon erzählt?“, hakte sein Verlobter verwundert nach. Law wich dem Blick seines Gesprächpartners aus; offensichtlich war es ihm unangenehm, über seine Gefühle zu sprechen. „Es ist noch nichts Festes“, meinte er schließlich. „Hattet ihr schon ein Date?“ Nun schaltete sich auch Monet ein, die mindestens ebenso interessiert wie Doflamingo wirkte. Law schüttelte den Kopf. „Wir treffen uns morgen Abend“, gestand er und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, dunkles Haar. „Wie schön“, meinte Monet, die zu seiner Linken saß. „Und was macht ihr? Geht ihr essen? Oder vielleicht ins Kino?“ „Wir gehen zusammen auf den Jahrmarkt.“ „Aber du magst Jahrmärkte doch gar nicht!“, hielt Doflamingo dagegen und legte den Kopf schief. „Er hat es nun einmal vorgeschlagen“, gab Law schulterzuckend zurück. „Und ich wollte mich nicht blamieren, indem ich kleinlich erscheine.“ „Es freut mich, dass du endlich jemanden kennengelernt hast“, sagte Monet und lächelte freundlich. „In letzter Zeit bist du zu einem echten Eigenbrötler geworden. Eine Liebesbeziehung würde dir guttun.“ „Aber nur, wenn der Typ okay ist“, wandte Doflamingo mit untypisch ernster Stimme ein. „Fühl dich wegen uns nicht unter Druck gesetzt. Wenn er sich als echtes Arschloch herausstellen sollte, lässt du gefälligst die Finger von ihm!“ Crocodile konnte es Law nicht übel nehmen, als dieser mit den Augen rollte und seinem Verlobten einen leicht genervten Blick zuwarf. „Ich bin ein erwachsener Mann“, sagte er, „und kann gut auf mich selbst aufpassen.“ „Es spielt keine Rolle, wie alt man ist“, erwiderte Doflamingo. „In eine missbrauchende Beziehung kann jeder leicht hineingeraten. Pass einfach auf dich auf, okay?“ „Klar doch“, erwiderte Law und holte sein Handy wieder hervor, als es in seiner Hosentasche vibrierte. Jedem, der am Tisch saß, fiel auf, dass er sich sehr stark darum bemühte, absolut keine Miene zu verziehen, als er hastig die Nachricht las, die er soeben bekommen hatte. Der Abend schritt voran und Crocodile schien der einzige Mensch inmitten der mehr als achtzig Partygäste zu sein, der sich nicht amüsierte. Anstatt sich zu unterhalten und zu lachen, trank er still und einsam ein paar Gläser Wein und hing seinen Gedanken nach. Noch immer war er sich nicht sicher, was er von dem großzügigen Angebot seines Verlobten halten sollte. Er würde lügen, wenn er behauptete, dass es nicht verlockend klang: Die Forderung seiner Versicherung über 120.000 Berry würde sich dank Doflamingo einfach in Luft auflösen und ihn nicht länger belasten. Auf der anderen Seite war Crocodile eine sehr stolze Person. Ihm missfiel der Gedanke, Almosen anzunehmen. Und auch wenn sein Verlobter darauf bestand, dass er ihm die 120.000 Berry nicht zurückzuzahlen brauchte, würde das Geld doch immer zwischen ihnen stehen. Vor Crocodiles geistigem Auge tauchte ein wütender Doflamingo auf, der mit anklagender Stimme rief: „Ich will aber, dass du heute Abend mit in Shakky's Bar kommst! Du bist ein totaler Egoist! Ich habe dir einhundertzwanzigtausend Berry praktisch geschenkt, aber du tust nicht das Geringste für mich! Wenn du mir wirklich dankbar wärst, dann würdest du mitkommen!“ Und was würde (Gott behüte!) im Fall einer Trennung geschehen: Forderte Doflamingo das Geld zurück? Würde Crocodile es überhaupt behalten wollen? Er hatte schon die eine oder andere wirklich hässliche Trennung erlebt und kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass er in einem solchen Fall alles, was ihn an seinen Exfreund erinnerte, so schnell wie möglich loswerden wollen würde. Crocodile erinnerte sich noch lebhaft an Dutzende Fotos und Geschenke, die er in seiner grenzenlosen Wut verbrannt oder aus dem Fenster geschmissen hatte. Den teuren Ring, den Enel ihm zu seinem 28. Geburtstag geschenkt hatte, hatte er sogar die Toilette hinuntergespült. „Woran denkst du gerade?“ Es war die ruhige Stimme seines Bruders, die Crocodile aus seinen Gedanken riss. Er schreckte auf und kreuzte den Blick mit Mihawk. Im Gegensatz zu Hancock, welche die blauen Augen ihres Vaters geerbt hatte, teilten sie beide sich die Augenfarbe mit ihrer Mutter. Unweigerlich wurde Crocodile an seine Begegnung mit ihr zurückerinnert und seine sowieso schon schlechte Laune erreichte einen absoluten Tiefpunkt. „An nichts“, antwortete Crocodile, der nicht in der Stimmung war, um mit Mihawk über seine Probleme zu sprechen. Er mochte seinen Bruder sehr und wollte diesen nicht schockieren, indem er ihm von seinem Autounfall erzählte. Mihawk setzte sich auf den freien Stuhl neben ihn; Crocodile hatte sich den Tisch ausgesucht, der am weitesten weg vom lauten Partytrubel war. Hier waren sie beide ungestört. „Du weißt, dass ich es normalerweise vermeide, mich aufzudrängen“, sagte sein älterer Bruder, „aber ich spüre, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt. Du ziehst dich zurück, du hast noch überhaupt nichts gegessen und du trinkst ein Glas Wein nach dem anderen. Was ist los mit dir?“ „Mir sind die Sachen vom Grill zu fettig“, erwiderte Crocodile, „sie würden meinem Magen nicht sonderlich guttun.“ Um ehrlich zu sein, war ihm Mihawks Sorge unangenehm. Er hatte geglaubt, die Party würde seine Geschwister und Freunde gut genug von ihm ablenken, doch anscheinend hatte er sich in diesem Punkt geirrt. „Es gibt nicht nur Fleisch“, gab Mihawk zurück. „Du hättest auch von den gefühlt einhundert verschiedenen Beilagen, die Doflamingo aufgetischt hat, essen können. Rede dich bitte nicht raus, Crocodile. Erzähl mir stattdessen lieber, was los ist.“ Crocodile seufzte und senkte den Blick. Er zögerte einen Moment, ehe er sich dazu entschloss, seinem Bruder die Wahrheit zu erzählen. „In letzter Zeit ist so einiges schief gelaufen“, erklärte Crocodile und nahm einen großen Schluck Wein. „Ich habe das Gefühl, mein Leben ist eine einzige Abwärts-Spirale. Kaum habe ich das eine Problem gelöst, kommt das nächste neu hinzu. Ganz gleich, was ich auch tue: Es wird einfach immer schlimmer und ich kann nichts dagegen unternehmen.“ Besorgt zog Mihawk die Augenbrauen zusammen. „Wovon genau sprichst du?“, hakte er nach. „Ich habe bereits mehr als die Hälfte meiner Schulden bezahlt gehabt“, begann Crocodile mit bitterer Stimme. „Und durch meinen neuen Job bei Tom's Workers sollte es mir eigentlich gelingen, den Rest im Verlauf eines Jahres zu begleichen. Inzwischen bin ich allerdings wieder bei einer Summe von knapp dreihundertdreiundachtzigtausend Berry angekommen.“ „Aber wie ist das denn passiert?“, hakte Mihawk mit verwundert klingender Stimme nach. „Du bist doch immer sparsam gewesen!“ Crocodile schloss für einen Moment die Augen, ehe er sagte: „Ich habe einen Autounfall gehabt. Beim Linksabbiegen habe ich vergessen, vorher den Gegenverkehr durchzulassen. Ein anderer Wagen ist ungebremst in die rechte Seite meines Mercedes gedonnert. Es hat wohl ein Engel über mich gewacht, denn ich kann wirklich von Glück sprechen, dass ich mit meinem Leben und ohne schwere Verletzungen davongekommen bin. Meinen Mercedes hat es schlimmer getroffen: Die komplette rechte Seite ist demoliert, im Prinzip ist es ein Totalschaden. Die Kosten für den Sach- und Personenschaden belaufen sich auf insgesamt einhundertzwanzigtausend Berry.“ Crocodile konnte hören, wie sein Bruder scharf die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. „Aber du bist doch versichert!“, warf Mihawk ein. „Wieso kommt denn deine Versicherung nicht für den Schaden auf?“ „Ich hatte vorher ein paar Gläser Wein getrunken“, gestand er, „und zum Unfallzeitpunkt 0,3 Promille im Blut. Deswegen weigert sich die Versicherung zu zahlen und alle Kosten bleiben an mir hängen.“ „Ach du heilige Scheiße“, flüsterte Mihawk und warf ihm einen entsetzten Blick zu. Er stockte kurz, ehe er meinte: „Du hast von einem Personenschaden gesprochen. Die Insassen des anderen Wagens...?“ „Gebrochene Nase“, antwortete Crocodile und konnte sehen, wie sein Bruder erleichtert aufatmete. „Aber der Autounfall ist nicht das einzige, was mir zu schaffen macht“, fuhr er fort. „Was ist denn noch passiert?“, wollte sein Bruder wissen. „Ich bin unserer Mutter begegnet.“ „Was?!“ Mihawks Augen weiteten sich entsetzt. „Wann? Wo? Davon hat sie mir überhaupt nichts erzählt!“ „Das glaube ich dir auf's Wort“, meinte Crocodile und konnte sich ein bitteres Lächeln nicht verkneifen. „Sie hat mich nämlich gar nicht wiedererkannt.“ Dieses Geständnis schien Mihawk den Wind aus den Segeln zu nehmen. Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, seinen älteren Bruder jemals dermaßen fassungslos erlebt zu haben. Er brachte keinen einzigen Laut über die Lippen, starrte ihn bloß aus großen Augen heraus an. Es dauerte fast eine halbe Minute, bis er wieder zu sich fand. „Ich...“, sagte er, „ich... ich... verdammt Crocodile... es tut mir so leid! Ich... ich kann gar nicht in Worte fassen, wie unfassbar leid es mir tut...“ „Eigentlich sollte es mich nicht überraschen“, flüsterte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme schrecklich schmerzerfüllt klang. „Sie hat mich das letzte Mal vor siebzehn Jahren gesehen. Damals wurde mein Gesicht noch nicht von einer Narbe entstellt und damals hatte ich auch meine linke Hand noch nicht verloren. Sie hat mich angeschaut und konnte den Jungen, an den sie sich vielleicht noch erinnert, in mir nicht erkennen. Für sie war ich bloß irgendein Fremder.“ Crocodile stockte für einen Moment, ehe er hinzufügte: „Vielleicht verstehst du jetzt, wieso mir nicht nach Party zumute ist. Und wenn du mich entschuldigen würdest: Mein Glas Wein ist leer, ich hole mir ein neues.“ Mit diesen Worten erhob er sich und ließ seinen völlig fassungslos wirkenden Bruder zurück. Crocodile griff nach dem Scotch, der auf dem Tablett eines vorbeilaufenden Kellners stand, und trank das Glas in einem Zug leer. Es war Mitternacht, als Crocodile zu dem Schluss kam, dass er seine Pflicht erfüllt hatte und sich nun endlich ins Bett legen konnte. Doflamingo zuliebe hatte er so getan, als würde er sich amüsieren und darüber freuen, dessen zahlreiche Freunde wiederzusehen. Sogar die Bekanntmachung mit den Verwandten seines Verlobten hatte Crocodile ohne zu jammern durchgestanden. Doch inzwischen hatte er nicht mehr genug Kraft, um weiterhin gute Miene zu bösem Spiel zu machen, und aus diesem Grund wollte sich er sich zurückziehen. Er verabschiedete sich von den anderen Gästen der Party und wenn man ihn fragte, wieso er jetzt schon ins Bett gehen wollte, log er und sagte, er hätte furchtbare Magenschmerzen bekommen. Die einzigen Menschen, die er nicht auffinden konnte, waren sein Partner und dessen guter Freund Vergo. Als Crocodile die beiden auch nach zehn Minuten noch nicht gefunden hatte, gab er die Suche schließlich auf und bat seine Schwester darum, Doflamingo über sein Verschwinden zu informieren. Er wollte vermeiden, dass dieser sich Sorgen um ihn machte. Gerade betrat er die erste Stufe der Treppe, die hinauf in den ersten Stock führte, als er aus dem Gang nebenan ein paar Stimmen vernahm, die sich leise miteinander unterhielten. Crocodile zog verwundert die Augenbrauen zusammen, als er die Stimmen von Doflamingo und Vergo wiedererkannte. Für einen kurzen Moment zögerte er: Warum sprachen die beiden so weit abseits von der Party miteinander? Worum es wohl ging? Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Am Ende entschied er sich allerdings dazu, seinen Weg hinauf ins Schlafzimmer fortzusetzen. Vertrauliche Gespräche, die Doflamingo mit seinen Freunden führte, gingen ihn nichts an. Es wäre sehr unhöflich zu lauschen. Er setzte seinen linken Fuß gerade auf die zweite Treppenstufe, als er hörte, dass leise sein Name fiel. Crocodile zögerte. Wenn man über ihn sprach, sah die Sache gleich ganz anders aus, nicht wahr? Schließlich war es doch sein gutes Recht zu wissen, was Doflamingo und Vergo hinter seinem Rücken über ihn sagten. Ein paar Sekunden lang blieb Crocodile zweifelnd an Ort und Stelle stehen, ehe er schließlich doch auf leisen Sohlen zu dem Gang hinüberhuschte, in dem sich sein Verlobter und dessen Kumpel aufhielten. „... schließt sich ständig in sein Lesezimmer ein“, hörte er Doflamingo sagen. „Nur zum Essen und zum Schlafen verlässt er es, ansonsten bekomme ich ihn kaum noch zu Gesicht. Und wenn, dann spricht er wenig und ist ständig niedergeschlagen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal ganz fröhlich und ungezwungen mit ihm unterhalten habe. Und selbst nachts wird es nicht besser: Er liegt ständig wach. Und wenn er mal schläft, dann nur sehr schlecht. Er hat oft Alpträume.“ Seine Stimme klang teils besorgt, teils anklagend. Crocodile konnte Vergo leise seufzen hören. „Um ehrlich zu sein, kann ich deinem Verlobten dieses Verhalten kaum verübeln“, meinte er, „nicht nach dem, was du mir erzählt hast. Erst der Autounfall und kurz danach diese Sache mit seiner Mutter... Jeder wäre völlig fertig an seiner Stelle.“ „Weiß ich doch“, murmelte Doflamingo. „Ich mache ihm deswegen auch keinen Vorwurf. Was mich wirklich stört, ist, dass er sich einfach überhaupt nicht von mir helfen lassen will! Heute erst habe ich ihm angeboten, die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry für ihn zu bezahlen, aber er hat sich sofort dagegen gewehrt. Sagte, das wäre viel zu viel Geld. Für mich sind das aber doch nur Peanuts. Wenn es ihm dadurch besser geht, würde ich auf eine Millionen Berry für ihn ausgeben! Ich kann nicht nachvollziehen, wieso er meine Unterstützung nicht annehmen möchte. Ich bin doch schließlich sein zukünftiger Ehemann“ „Du musst versuchen ihn zu verstehen“, redete Vergo mit eindringlicher Stimme auf ihn ein. „Er ist nicht so reich wie du. Für ihn sind ein paar hunderttausend Berry unheimlich viel Geld. Stell dir nur einmal vor, jemand würde dir einhundertzwanzig Millionen Berry anbieten; du würdest dich auch nicht wohl dabei fühlen, eine solch riesige Summe anzunehmen. Er lebt in einer ganz anderen Welt als du, Doflamingo. Überleg doch nur, wie viel Geld du für deine unzähligen Exfreunde und -freundinnen ausgegeben hast. Doch am Ende hat es dir nichts gebracht. Crocodile hingegen ist nicht an deinem Geld interessiert, sondern an dir als Person. Er ist ehrlich und möchte dich nicht ausnehmen. Das ist unheimlich viel wert!“ Vergo hielt für einen Moment inne, ehe er hinzufügte: „Du könntest ja auch versuchen, ihm anders als nur auf finanzieller Ebene zu helfen. Du hast doch gesagt, dass sich seine psychischen Probleme seit dem Autounfall wieder verschlimmert haben. Wieso suchst du nicht gemeinsam mit Crocodile einen Psychiater auf? Vielleicht kann ihm ein Professioneller dabei helfen, seine Probleme zu lösen.“ „Diesen Vorschlag habe ich ihm schon vor ein paar Monaten gemacht“, gestand Doflamingo. „Du weißt schon, nachdem er seinen Nervenzusammenbruch hatte. Aber er hat ganz entsetzt reagiert. Wenn ich hartnäckig bleibe, könnte ich ihn vermutlich dazu überreden, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber solange er sich innerlich dagegen wehrt, wird auch der beste Psychater nichts ausrichten können.“ Crocodile biss sich auf die Unterlippe und zwang sich selbst dazu, keinen Laut von sich zu geben. Dass sein Verlobter von ihm sprach, als handelte es sich bei ihm um ein seelisches Wrack, das ohne Hilfe von außen nicht mehr zu reparieren war, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz. „Da hast du nicht Unrecht“, gab Vergo zu. „Es macht mich total fertig, dass ich nichts tun kann, um ihm zu helfen!“ Diese Worte schienen geradezu aus Doflamingo herauszubrechen; er erweckte einen völlig verzweifelten Eindruck. „Egal, was ich ihm anbiete, er schmettert jeden Vorschlag sofort ab. Crocodile möchte all seine Probleme unbedingt im Alleingang lösen und bemerkt dabei gar nicht, dass er sich selbst zerstört. Sein Stolz und seine Sturheit verbauen ihm alle Auswege. Ich bin mir sicher, dass unsere Beziehung viel besser laufen würde, wenn er über seinen Schatten springen könnte.“ „Du darfst nicht vergessen, dass jeder seine Fehler hat“, wandte Vergo ein. „Niemand ist perfekt. Weder Crocodile noch du selber. Ich bin mir sicher, dass er es zum Beispiel mit deinem ausgeprägtem Egozentrismus aus nicht immer einfach hat. Außerdem versucht er doch sich zu bessern, oder nicht? Immerhin hat er dich sofort angerufen und um Hilfe gebeten, als er seiner Mutter begegnet ist. Erinnerst du dich?“ „Natürlich erinnere ich mich“, meinte Doflamingo und klang gleich wieder ein bisschen fröhlicher. „Ich musste zwar das Geschäftsessen mit Hogback sausen lassen und habe dadurch Verluste in Höhe von einer halben Millionen Berry gemacht, aber das war es mir auf jeden Fall wert. Ich wünschte, es wäre immer so einfach: Wenn irgendetwas los ist, sagt er mir Bescheid und wir finden gemeinsam eine Lösung. Alles wäre viel einfacher, wenn wir so offen und ehrlich miteinander wären.“ Verluste in Höher von einer halben Millionen Berry, wiederholte Crocodile gedanklich und konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter da gerade von sich gegeben hatte. Ihm gegenüber hatte dieser doch behauptet, er hätte sowieso keinen sonderlich produktiven Tag gehabt! Sofort spürte Crocodile, wie ihn Gewissensbisse überkamen. Es war nicht seine Absicht gewesen, Doflamingo beim Aushandeln eines wichtigen Deals zu stören. „Ihr seid kaum seit einem Jahr zusammen“, sagte Vergo. „Vertrauen wächst mit der Zeit, Doflamingo. Steh ihm bei und unterstütze ihn, so gut du kannst. Mehr steht nicht in deiner Macht. Und irgendwann wird eure Beziehung so weit sein, dass ihr einander uneingeschränkt vertraut. Du bist wie immer zu voreilig.“ „Crocodile sagt auch immer, dass ich hetze“, meinte Doflamingo und gab ein Geräusch von sich, das wie eine Mischung aus Glucksen und Seufzen klang. „Vermutlich hast du Recht, Vergo. Ich sollte ihm mehr Zeit geben. Es ist nur... früher, wenn meine Freunde und Freundinnen Probleme hatten, dann hat mich das auch immer gestört. Aber auf eine ganz andere Art und Weise als bei Crocodile. Ich habe mich genervt gefühlt und hatte überhaupt keine Lust, mich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen. Meine Freunde und Freundinnen waren für mich nichts anderes als Spielzeuge; sie sollten mich unterhalten und mir Spaß machen. Und wenn sie schlecht drauf waren oder ein Problem hatten, dann bekam ich das Gefühl, dass mein Spielzeug kaputt gegangen sei. Und ich tauschte es einfach gegen ein Neues aus. Dabei hatte ich auch kein schlechtes Gewissen: Die Frauen und Männer waren ja alle doch bloß hinter meinem Geld her. Ich kaufte sie und wenn sie nicht mehr funktionierten, warf ich sie weg. Aber bei Crocodile ist es anders. Er ist nicht bloß irgendein Spielzeug, sondern mein Verlobter. Ich möchte, dass es ihm gut geht und er keine Sorgen hat. Ich wünsche mir, dass er glücklich ist. Und zwar nicht für mich, sondern für ihn. Ich liebe ihn. Er ist etwas ganz Besonderes.“ Crocodile spürte, dass seine Knie weich wurden, und presste sich die rechte Hand fest auf den Mund, um ja kein Geräusch von sich zu geben. „Es quält mich zu sehen, dass er unglücklich ist“, fuhr Doflamingo fort. „Es quält mich, dass er sich nicht von mir helfen lassen will. Und vor allem quält mich, dass er mir nicht die Wahrheit sagt! Ich spüre, dass da noch irgendetwas ist. Seine psychischen Probleme haben nicht erst begonnen, als er den Autounfall hatte. Den Nervenzusammenbruch zum Beispiel hatte er schon vorher. Sein größtes Problem kenne ich noch gar nicht, da bin ich mir absolut sicher.“ „Gib ihm Zeit“, wiederholte Vergo mit eindringlich klingender Stimme. „Wenn du sein Vertrauen nicht missbrauchst, wird er sich dir irgendwann öffnen.“ „Ich sehne diesen Tag herbei“, sagte Doflamingo. „Und gleichzeitig fürchte ich mich vor ihm. Was ist, wenn es sich um ein Problem handelt, das sich nicht durch Geld oder einen Psychiater lösen lässt?“ „Jetzt steigere dich da nicht hinein“, warnte Vergo seinen Verlobten. „Als wir über einen Ehevertrag sprachen“, fuhr Doflamingo nichtsdestotrotz fort, „da meinte er, ein Grund für eine Scheidung könnte sein, dass einer der beiden Ehepartner schwer krank wird. Und er hat in letzter Zeit ständig Probleme mit seinem Magen. Früher hatte er höchstens ein- oder zweimal im Monat Magenschmerzen. Inzwischen manchmal fast jeden zweiten Tag.“ „Worauf willst du hinaus?“, fragte Vergo mit zögerlicher Stimme. „Vielleicht ist Crocodile krank“, sagte Doflamingo und es klang, als würde ein bitterer Geschmack auf seiner Zunge liegen. „Es passt alles zusammen: Genau zu dem Zeitpunkt, an dem es ihm psychisch schlechter zu gehen begann, verstärkten sich auch die Probleme mit seinem Magen. Ich habe mit Law über dieses Thema gesprochen: Er hat gesagt, es gibt unzählige schlimme Erkrankungen, die mit dem Magen zu tun haben können. Infektionen, Geschwüre... man kann sogar Magenkrebs bekommen!“ „Jetzt mal doch nicht gleich den Teufel an die Wand!“, versuchte Vergo Doflamingo zu zügeln. „Du hast überhaupt keine Beweise für diese Theorie. Der Grund für Crocodiles Magenbeschwerden kann genausogut auch relativ harmlos sein. Hat er dir nicht sogar zu Beginn eurer Beziehung erzählt, dass er einen sehr empfindlichen Magen hat? Vielleicht schlägt ihm einfach der Stress auf den Magen und mehr ist da nicht. Du solltest dich nicht verrückt machen, Doflamingo.“ „Also gut“, gab sein Verlobter sich geschlagen. „Vielleicht hast du Recht und ich übertreibe ein wenig.“ „Ein wenig?“, wiederholte Vergo und seufzte leise. „Ich finde, wir sollten dieses Gespräch beenden, bevor deine Theorie noch groteskere Züge annimmt. Komm schon, lass uns zurück zur Party gehen. Du hast dir genug Sorgen gemacht; jetzt solltest du dich amüsieren. Vielleicht gelingt es dir ja sogar, Crocodile zu einem Tanz zu überreden.“ „Das glaube ich nicht“, gab Doflamingo zurück und kicherte leise. „Er leidet nämlich an der Ich-bin-überzeugt-davon-dass-ich-nicht-tanzen-kann-obwohl-das-gar-nicht-stimmt-Krankheit. Und das meine ich wirklich ernst! Aber gut, von mir aus, lass uns zurück nach draußen gehen. Meine Gäste werden sich bestimmt schon fragen, wohin ich verschwunden bin.“ Erst nachdem Doflamingo seinen letzten Satz beendet hatte, fiel Crocodile ein, dass er sich besser schleunigst vom Acker machen sollte. Immerhin wussten weder sein Partner noch Vergo, dass sie belauscht worden waren; und um ehrlich zu sein, legte Crocodiles es nicht darauf an, erwischt zu werden. Es gelang ihm gerade noch, sich hinter einer großen und exotischen Zierpflanze zu verstecken, ehe Doflamingo und Vergo den Korridor verließen und zur Partygesellschaft zurückkehrten. Die ganze Nacht lang ging Crocodile die Unterhaltung, die er mitgehört hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass er in letzter Zeit wenig lachte und sich sehr häufig zurückzog, doch dass sein Verlobter so stark unter diesem Verhalten litt, hatte er nicht geahnt. Crocodile seufzte leise und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser, das angenehm auf seine blasse Haut prasselte, konnte ihn nicht aufmuntern. Er fühlte sich furchtbar schlecht. Dass Doflamingo sich solch große Sorgen um ihn machte, war wirklich nicht seine Absicht gewesen. Crocodile bereute es, seinen empfindlichen Magen so oft als Rechtfertigung für seine schlechte Laune missbraucht zu haben. Es hatte ihn ehrlich schockiert, als sein Partner begonnen hatte von Magenkrebs zu sprechen. Sein schlechtes Gewissen verstärkte sich, als er daran dachte, dass er vor ein paar Minuten erst seine angeblichen Magenschmerzen erneut vorgeschoben hatte, um mit der Wahrheit nicht herausrücken zu müssen. Crocodile stellte das Wasser ab und trocknete seine Haut mit einem flauschigen, weißen Handtuch. Ihm war klar, dass er irgendetwas tun musste. So konnte es nicht weitergehen. Er durfte nicht zulassen, dass seine Probleme sich nun auch schon auf seine Liebesbeziehung auswirkten. Er, er allein, und nicht sein Partner hatte diese Last zu tragen. Crocodile wollte um jeden Preis verhindern, dass Doflamingo sich zu große Sorgen um ihn machte. Er hatte es nicht verdient, wegen ihm unglücklich zu sein. Sein Stolz und seine Sturheit verbauen ihm alle Auswege, hörte Crocodile Doflamingo schimpfen. Ich bin mir sicher, dass unsere Beziehung viel besser laufen würde, wenn er über seinen Schatten springen könnte. Crocodile seufzte und ging hinüber ins Schlafzimmer. Nackt kroch er unter die Bettdecke und zog anschließend seine Knie hoch bis zu seiner Brust. Ohne seinem Verlobten kam ihm das riesige Bett unwahrscheinlich einsam vor. Er war der Grenze zum Einschlafen nahe, als er beschloss, die 120.000 Berry, die Doflamingo ihm anbot, anzunehmen. Sein Partner hatte Recht: Er musste über seinen Schatten springen. Wenigstens ein einziges Mal. Für sie beide. Denn Crocodile wollte auf keinen Fall zulassen, dass seine Beziehung zu Doflamingo an seiner furchtbaren Dickköpfigkeit zugrunde ging. Ich werde ihm meine Entscheidung gleich morgen früh mitteilen, dachte Crocodile, ehe der Schlaf ihn einholte. Crocodile schreckte auf, als er spürte, dass sich jemand zu ihm ins Bett legte. Ein kurzer Blick auf den Radiowecker, der auf dem Nachttisch links von ihm stand, verriet ihm, dass es bereits vier Uhr dreißig morgens war. Anscheind war Doflamingos Gartenparty ein voller Erfolg gewesen. Sein Verlobter rückte nah an ihn heran und legte den Arm um seine Hüfte. Zu Beginn hatte es Crocodile genervt, dass Doflamingo sich im Schlaf ständig an ihn klammerte und somit jeder Bewegungsfreiheit beraubte, doch inzwischen hatte er sich an diesen Umstand gewöhnt. Um ehrlich zu sein, genoss er es sogar, wenn er beim Aufwachen das Gewicht und die Körperwärme seines Partners so nah bei sich spürte. „Doffy?“, flüsterte Crocodile und drehte sich auf die andere Seite, sodass er seinem Bettnachbarn ins Gesicht schauen konnte. „Sorry“, meinte Doflamingo und gähnte leise, „ich wollte dich nicht aufwecken.“ „Ist schon gut, ich habe sowieso nicht sonderlich fest geschlafen.“ Crocodile zögerte einen Augenblick lang, ehe er hinzufügte: „Können wir beide miteinander reden? Oder bist du zu betrunken?“ Angesichts dieser in Doflamingos Ohren womöglich unheilvoll klingenden Worte wurde dieser sofort aufmerksam. „Klar können wir reden“, sagte er und fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Die meisten meiner Cocktails waren alkoholfrei; mir geht es gut. Worüber möchtest du denn sprechen?“ „Über dein Angebot“, antwortete Crocodile und bemühte sich um eine feste Tonlage. „Ich habe den ganzen Abend lang darüber nachgedacht. Und ich bin schlussendlich auch zu einer Entscheidung gekommen.“ „Zu welcher Entscheidung?“ Doflamingo fixierte aufgeregt sein Gesicht und wie immer, wenn dieser seine Sonnenbrille nicht trug, überkam ihn das merkwürdige Gefühl, geröntgt zu werden. Die grünen Iriden seines Verlobten schienen so intensiv zu strahlen, dass Crocodile unweigerlich den Blick senkte, als er mit leiser Stimme sagte: „Ich werde das Geld annehmen.“ Für einen kurzen Moment war es totenstill im Schlafzimmer. Doflamingos Miene drückte Verwunderung gleichermaßen wie Entzückung aus. Als er schließlich wieder zu sich fand und laut „Das ist ja wundervoll!“, rief, klang seine Stimme ganz schrill in Crocodiles Ohren. „Ich bin absolut begeistert“, meinte sein Partner und drückte ihn so fest, dass seine Rippen zu schmerzen begannen. „Es freut mich, dass du dazu bereit bist, meine Hilfe anzunehmen! Ich verspreche dir, dass ich die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry noch heute bezahlen werde.“ Crocodile nickte. „Zuerst wollte ich dein Angebot gar nicht annehmen“, gestand er und wich dem Blick seines Verlobten aus, während er sprach. Doflamingos ungeheure Fröhlichkeit schüchterte ihn ein wenig ein. Er hatte noch niemals zuvor erlebt, dass jemand so begeistert reagierte angesichts eines Verlusts von 120.000 Berry. „Aber als mir klar geworden ist, wie stark meine finanziellen Sorgen unsere Beziehung belasten, habe ich mich selbst dazu gezwungen, meinen Stolz beiseite zu legen. Es wäre sehr dickköpfig, dein Angebot auszuschlagen. Für dich sind einhundertzwanzigtausend Berry schließlich bei weitem nicht so viel Geld wie für mich. Ich habe unsere Situation in meinen Gedanken einfach umgedreht: Wenn ich dir durch eine Zahlung von, was weiß ich, fünfhundert Berry aus einer Notlage heraus helfen könnte, dann würde es mich vermutlich auch ärgern, wenn du das Geld aus Stolz nicht annimmst. Es ist unsinnig, aus einem solchen Grund unsere Beziehung zu belasten. Weder dir noch mir würde es helfen, wenn ich das Geld ausschlage.“ Doflamingo nickte eifrig. „Es freut mich, dass du zur Vernunft gekommen bist“, erklärte er breit grinsend. „Endlich verstehst du meine Lage! Ich finde es wirklich toll, dass du mir zuliebe über deinen Schatten gesprungen bist.“ „Du bist mein zukünftiger Ehemann“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. „Du bist mehr wert als mein verdammter Stolz.“ Angesichts dieses Geständnisses verwandelte sich Doflamingos Grinsen in ein breites Lächeln und er küsste seinen Verlobten zärtlich auf den Mund. Crocodile schloss seine Augen und ließ sich auf den Kuss ein. Doflamingos Lippen fühlten sich warm und süß an. Einen Moment später spürte er, wie eine Hand seine Hüfte zu streicheln begann; just wurde Crocodile klar, dass er (im Gegensatz zu seinem Partner, der ein T-Shirt und eine scheußliche pinkfarbene Boxershorts trug) splitternackt war. Schamesröte breitete sich auf seinen Wangen aus, und ohne den Kuss zu unterbrechen, zog er die Bettdecke ein Stück nach oben, um seinen Schritt zu verbergen. „Was ist los?“, fragte Doflamingo, der die Bewegung aus dem Augenwinkel heraus mitbekommen zu haben schien. „Hast du keine Lust?“ „Ähm, doch, schon“, gestand Crocodile und senkte verlegen den Blick. „Aber ich dachte, du wärst müde.“ „Dafür bin ich nie zu müde“, grinste Doflamingo und bemühte sich nicht einmal darum, die eindeutige Lüsternheit, die seine strahlend grünen Augen ausdrückten, zu verbergen. Er schlüpfte mit seiner Hand unter die Bettdecke und tastete erneut nach der Hüfte seines Partners. Crocodile schloss seine Augen und schnurrte leise. Zwar hatte er es auf Sex eigentlich nicht angelegt gehabt, doch gegen ein wenig Zweisamkeit hatte er trotzdem nichts einzuwenden. Sein Körper reagierte unerwartet rasch auf die zärtlichen Berührungen seitens Doflamingo: Noch ehe dieser nach seinem Glied griff, hatte es sich bereits zu seiner vollen Größe aufgerichtet. Crocodile legte den Kopf in den Nacken und genoss es in vollen Zügen, als Doflamingo sein Glied zu pumpen begann. Sein Griff war fest und seine Bewegungen schnell. Wie eilig es sein Verlobter wirklich hatte, wurde Crocodile jedoch erst klar, als dieser schon nach kaum zwei Minuten in der obersten Schublade des Nachttisches nach Gleitcreme zu kramen begann. Als er die Tube gefunden hatte, ließ er den Penis seines Partners los und benetzte stattdessen seine Finger mit reichlich Gleitmittel. „Du hast es heute aber eilig“, meinte Crocodile mit verwunderter Stimme und fuhr sich schweratmend über den Mund. Doflamingo hielt für einen kurzen Moment inne. „Zu schnell?“, fragte er und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Crocodile schüttelte den Kopf. „Mir machte es nichts aus“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Ich wundere mich bloß ein bisschen. In den letzten Wochen sind wir den Sex ja meistens eher langsam angegangen.“ „Ich weiß“, meinte sein Verlobter und grinste breit. „Aber im Augenblick kann ich einfach nicht anders: Du ahnst gar nicht, wie sehr es mich freut, dass du mein Angebot angenommen hast! Eben war ich noch ganz müde, aber jetzt bin ich hellwach. Und ich schäume über vor Energie, die ich unbedingt loswerden muss!“ „Tu dir keinen Zwang an“, erwiderte Crocodile. Er gab es nur ungern zu, doch Doflamingos Entzückung rührte ihn unfassbar. Niemals im Leben hätte er damit gerechnet, dass sein Partner so begeistert reagieren würde, bloß weil er dessen Hilfe nicht ablehnte. Doflamingo war bei weitem nicht der oberflächliche Egoist, den viele in ihm sahen; manchmal war er auch absolut uneigennützig und freute sich darüber, wenn er den Menschen, die ihm am Herzen lagen, helfen konnte. Er ist ein wirklich toller Freund, schoss es Crocodile durch den Kopf. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, spürte er, wie ein glitschriger Finger gegen seinen Eingang drückte. Crocodile schreckte auf, fing sich jedoch gleich wieder, als Doflamingo ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen drückte. Die Zunge und der Zeigefinger seines Verlobten drangen gleichzeitig in ihn ein. Crocodile konnte nicht verhindern, dass er leise in den Kuss hineinstöhnte, was sein Gegenüber mit einem selbstzufriedenen Glucksen quittierte. Crocodile spürte, wie der Finger seines Partners sich in seinem Inneren bewegte. Es dauerte nicht lange, bis dieser einen zweiten und danach einen dritten hinzunahm. Obwohl Doflamingo es eilig hatte, nahm er sich ausreichend Zeit, um ihn zu dehnen und auf den Sex vorzubereiten. (Vermutlich wollte eine Wiederholung des blutigen Malheurs in Daz' Gästezimmer vermeiden.) Crocodile stöhnte, als sein Verlobter seine Finger in ihm drehte und spreizte. Gelegentlich streifte er mit einer Fingerspitze sogar seine Prostata, was ihm (zu Doflamingos Begeisterung) stets einen besonders lauten Stöhnlaut entlockte. „Du hörst dich so geil an“, hauchte sein Verlobter, während dieser mit der linken Hand sein Glied pumpte und mit der rechten seine Prostata massierte. „Ich kann es kaum erwarten, dich endlich zu ficken!“ „Warum tust du es nicht einfach“, gab Crocodile keck zurück, „anstatt bloß davon zu reden?“ Auf dieses dreiste Angebot reagierte sein Partner umgehend: Noch bevor Crocodile zu Ende gesprochen hatte, ließ Doflamingo von ihm ab und griff stattdessen erneut nach der Gleitcreme, um sein eigenes steinhartes Glied mit der durchsichtigen Flüssigkeit zu benetzen. Anschließend spreizte er mit der linken Hand die Beine seines Gegenübers, während er mit der rechten seinen Penis zu dessen Eingang führte. Crocodile blickte Doflamingo unverwandt in die Augen, als dieser langsam in ihn eindrang. Es überraschte ihn jedes Mal aufs Neue, über welch unfassbar dickes und großes Glied sein Verlobter verfügte. Da sein Eingang gut gedehnt und sehr glitschrig war, spürte Crocodile zwar keinen Schmerz, doch er hatte das Gefühl, restlos ausgefüllt zu werden. „Geht's?“, hörte er Doflamingo mit besorgt klingender Stimme fragen. Crocodile nickte. Er würde lügen, wenn er behauptete, dass er dieses Gefühl nicht liebte. Auch wenn Crocodile in der Öffentlichkeit häufig einen eher autoritären Eindruck erweckte, war er beim Sex sehr devot veranlagt: Er genoss es, dominiert zu werden. Als Doflamingo sich langsam in ihm zu bewegen begann, konnte er gar nicht anders, als den Kopf in den Nacken zu legen und laut aufzustöhnen. Sein Verlobter interpretierte diese Reaktion als Erlaubnis, die Geschwindigkeit seiner Stöße erhöhen zu dürfen. Für eine Weile war nichts Anderes zu hören als das laute Stöhnen zweier Stimmen und das klatschende Geräusch, das entstand, wenn Fleisch immer wieder aufeinanderstieß. Crocodile schwebte im siebten Himmel: Doflamingo drang mit seinem mächtigen Organ hart und schnell in ihn ein; bei fast jedem Stoß berührte er seine Prostata. Seine Haut schien zu brennen. Ihm war unfassbar warm und er bekam kaum Luft, doch beides fühlte sich unwahrscheinlich gut an. Erst als Doflamingo zusätzlich noch nach seinem vernachlässigten Glied griff und es im selben Ryhthmus zu pumpen begann, gab Crocodile zum ersten Mal wieder ein paar artikulierte Laute von sich. „Nicht“, keuchte er mit halbherziger Stimme, „das halte ich nicht aus...! Doffy...“ Anstatt seinem Wunsch zu folgen, stieß sein Verlobter nur umso fester in ihn und versiegelte ihre Lippen miteinander. Als Crocodile Doflamingos Zunge in seinem Mund spürte, hielt er es nicht länger aus: Der Orgasmus breitete sich in seinem Körper aus wie heiße Wellen. Er ergoss sich zwei- oder dreimal auf die Brust und den Bauch seines Partners. Kaum einen Augenblick später spürte er, wie Doflamingo warm in seinen Mund hineinstöhnte und anschließend selbst zum Höhepunkt kam. * Weil das Wetter heute sehr angenehm war und weil Crocodile seinem Verlobten gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte, ließ er sich von diesem am Nachmittag zu einem ausgedehnten Stadtbummel überreden. Crocodile hätte es nicht über's Herz gebracht, Doflamingo zu enttäuschen; nicht nach dem Gespräch, welches er bei der Grillparty vor ein paar Tagen belauscht hatte. Er schließt sich ständig in sein Lesezimmer ein, hörte er Doflamingo in seinen Gedanken mit vorwurfsvoller Stimme sagen. Nur zum Essen und zum Schlafen verlässt er es, ansonsten bekomme ich ihn kaum noch zu Gesicht. Und wenn, dann spricht er wenig und ist ständig niedergeschlagen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal ganz fröhlich und ungezwungen mit ihm unterhalten habe. Es tat Crocodile leid, dass sein Partner so sehr unter seiner Zurückgezogenheit und seiner schlechten Laune litt; mit dem gemeinsamen Stadtbummel wollte er Doflamingo beweisen, dass er sehr gerne Zeit mit ihm verbrachte und durchaus auch fröhlich sein konnte. „Dort drüben gibt es ein Cafe“, meinte Crocodile und deutete auf ein gemütliches Lokal, das sich in einer gepflasterten Seitenstraße befand. „Wollen wir einen Kaffee trinken und ein bisschen Pause machen?“ „Man merkt es immer wieder: Du hast wirklich keine Kondition, wenn es um Shopping geht“, erwiderte Doflamingo. Doch er grinste, während er sprach, und ergriff seine Hand, als sie sich auf den Weg hinüber zu dem kleinen Cafe machten. Crocodile hatte sich heute sehr viel Mühe gegeben, um seinen Verlobten zufriedenzustellen: Ohne zu jammern hatte er diesen in jedes Geschäft und jeden Laden begleitet. Zufrieden stellt er fest, dass sein Plan aufgegangen zu sein schien: Doflamingo war bester Laune. Doch Crocodile spürte auch, dass er allmählich sein Limit erreichte; und eine kleine Pause würde keinem von ihnen beiden schaden. Sie ließen sich an einem Tisch im Außenbereich des Cafes nieder; die Temperatur war sehr angenehm, auch wenn es inzwischen früher Abend geworden war. Als Crocodile einen kurzen Blick auf den Display seines Handys warf (seit er seine linke Hand verloren hatte, trug er keine Armbanduhren mehr), stellte er fest, dass es achtzehn Uhr zehn war. Sie waren seit mehr als zweieinhalb Stunden unterwegs. „Wir können gleich nach Hause fahren, wenn du so erschöpft bist“, warf Doflamingo ein; er hatte den Blick auf die Uhrzeit wohl mitbekommen Auch wenn Crocodile -um ehrlich zu sein- gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden gehabt hätte, schüttelte er den Kopf. „Es geht schon“, sagte er und griff nach der Getränkekarte. „Wir müssen uns noch nicht auf den Rückweg machen.“ „Sicher?“, hakte Doflamingo nach. Wie so häufig in letzter Zeit schwang Besorgnis in seiner Stimme mit. „Wenn du dich nicht wohlfühlst, ist das in Ordnung. Ich möchte nicht, dass du dich wegen mir zu irgendetwas zwingst.“ „Unsinn“, wandte Crocodile ein und ließ für einen Moment von der Karte ob, um seinen Verlobten ins Gesicht zu schauen. „Ich unternehme gerne etwas mit dir. Meine Füße brauchen bloß eine kleine Pause.“ „Okay“, erwiderte Doflamingo, der seinen Worten zum Glück Glauben zu schenken schien. Als die Kellnerin an ihren Tisch kam, bestellte sein Partner eine große Tasse Kaffee, ein Stück Schokoladen-Torte und eine Waffel mit Vanilleeis und heißen Kirschen; Crocodile nahm wie immer bloß ein Glas stilles Mineralwasser. „Hast du gar keinen Appetit?“, fragte sein Gegenüber ihn verwundert, als die junge Kellnerin wieder verschwunden war. „Immerhin habe ich dich gut zwei Stunden lang mit mir durch die Stadt gezerrt. Also, ich könnte ein Pferd verdrücken.“ „Doch, schon“, gab Crocodile zu, „aber hier gibt es bloß süße Sachen. Kuchen, Waffeln, Eis und so weiter.“ „Hast du keine Lust auf was Süßes?“, hakte Doflamingo nach. „Du bist so ein Trottel, Doffy“, erwiderte Crocodile und schüttelte leise lachend den Kopf. „Du hast schon wieder vergessen, dass mein Magen keine Süßigkeiten verträgt.“ „Verdammt, du hast Recht.“ Sein Verlobter biss sich selbst auf die Unterlippe und fuhr sich schuldbewusst mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Sorry. Ich vergesse es wirklich immer wieder; vermutlich weil ich es mir überhaupt nicht vorstellen kann, ein Leben ganz ohne Kuchen zu führen.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. Ähnliche Aussagen hörte er schon sein halbes Leben lang. „Man gewöhnt sich dran“, meinte er mit gelassener Stimme. Er war nicht neidisch auf seinen Partner, weil dieser Lebensmittel zu sich nehmen durfte, auf die er verzichten musste; er kannte es nicht anders und hatte sich längst schon an diesen Umstand gewöhnt. Doflamingo schob sich gerade ein Stück Waffel in den Mund, als er die Stirn in Falten legte und das Kin auf die Hand aufstützte. „Was hast du?“, fragte Crocodile nach. „Schmeckt dir die Waffel nicht?“ „Die Waffel ist gut“, erwiderte Doflamingo mit ehrlicher Stimme, nachdem er das Stück hinuntergeschluckt hatte. „Es ist etwas Anderes, worüber ich mir Gedanken mache.“ „Was meinst du?“, wollte Crocodile wissen und zog eine Augenbraue hoch. „Also, du darfst ja keinen Kuchen essen“, meinte sein Verlobter, „und deswegen frage ich mich, wie wir dieses Problem bei unserer Hochzeit lösen werden: Normalerweise gibt es ja eine Hochzeitstorte, die vom Paar angeschnitten wird.“ „Ähm“, sagte Crocodile relativ unbeholfen. Über dieses Thema hatte er sich noch nie zuvor Gedanken gemacht. „Nun ja, dann esse ich eben nicht von der Torte. Mir macht das nichts aus; ich bin es ja gewohnt.“ „Nein, nein“, gab Doflamingo zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „So geht das nicht! Man kann doch nicht seine eigene Hochzeit feiern und dann nicht von der Hochzeitstorte essen. So etwas bringt Unglück!“ „Unglück?“, wiederholte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass ein klein wenig Spott in seiner Stimme mitschwang. Er war alles andere als ein abergläubischer Mensch und hielt auch von alten Traditionen nicht sonderlich viel. Allerdings hatte er bereits feststellen müssen, dass sein Verlobter in einigen Dingen deutlich altmodischer war als er zuerst angenommen hatte. „Ja, Unglück!“, beteuerte Doflamingo und stopfte sich mit ernstem Gesichtsausdruck ein weiteres Stück Waffel in den Mund. „Es gibt eben bestimmte Hochzeitsbräuche, an die man sich halten muss. Diese Traditionen existieren bereits seit Jahrhunderten! Du weißt schon: Der Bräutigam darf die Braut vor der Trauung nicht sehen; wer den Brautstrauß fängt, der heiratet als nächstes; die Gäste werfen Reis, wenn das Paar aus der Kirche kommt...“ „Ich weiß ja nicht“, gab Crocodile zweifelnd zurück. In seinen Ohren klangen diese alten Bräuche nicht sonderlich verlockend. „Möchtest du denn wirklich eine traditionelle Hochzeit? Immerhin sind wir beide ja auch kein typisches Hochzeitspaar. Viele Bräuche und Traditionen werden sich doch gar nicht so leicht umsetzen lassen. Diese Sache mit dem Reis werfen zum Beispiel... Ich habe mal gehört, dass der Reis die Braut fruchtbar machen und ihr Kinder schenken soll. Bei zwei Männern allerdings verliert dieser Brauch völlig seinen Sinn. Dasgleiche gilt auch für den Brautstrauß oder, was weiß ich, dass die Schuhe der Braut in Münzen bezahlt werden müssen. In unserem Fall gibt es schließlich überhaupt keine Braut.“ „Naja, nicht so richtig“, lenkte Doflamingo ein. „Aber viele der Bräuche finde ich trotzdem schön! Und wir könnten ja einfach so tun als ob es bei uns eine Braut und einen Bräutigam gäbe. Zum Beispiel trägst du weiß und ich schwarz, außerdem...“ „Ich lasse mich nicht schon wieder auf diese Diskussion ein!“, unterbrach Crocodile seinen Verlobten, ehe dieser übermütig wurde. „Wir sind Männer und damit basta. Keiner von uns beiden ist die Braut. Und ganz abgesehen davon steht mir weiß überhaupt nicht.“ „So ganz richtig ist das aber nicht“, wandte Doflamingo grinsend ein. Er beugte sich ein Stück über den Tisch und flüsterte ihm zu: „Beim Sex bin immer ich oben.“ Auch wenn sein Partner so leise gesprochen hatte, dass niemand der anderen Gäste etwas mitbekommen haben konnte, spürte Crocodile sofort, wie sich Röte heiß und schnell auf seinen Wangen ausbreitete. „Donquixote Doflamingo!“, zischte er mit teils beschämter, teils verletzter Stimme. Worauf wollte sein Verlobter hinaus? Dass er kein echter Mann war, bloß weil er beim Sex den passiven Part bevorzugte? „So habe ich es nicht gemeint!“, lenkte Doflamingo rasch ein, als er bemerkte, dass sein Gegenüber sich angegriffen fühlte. „Es war bloß ein Scherz! Ich... sorry! Es tut mir leid. Ich habe es wirklich nicht so gemeint.“ Die ehrlich klingende Entschuldigung seines Verlobten besänftigte Crocodile ein wenig. Er senkte den Blick und erwiderte anschließend keck: „Und dass ich immer unten liege, ist wohl nicht bloß mein Verdienst. Du lässt mich ja nie nach oben!“ Doflamingo setzte zu einer Erwiderung an, verstummte allerdings, als die Kellnerin an ihren Tisch kam, um nachzufragen, ob alles zu ihrer Zufriedenheit wäre. „Ich hätte gern ein Glas Eistee“, meinte Crocodile und bemühte sich darum, so gelassen wie nur möglich zu klingen. „Um nochmal auf die Hochzeitsbräuche zurückzukommen“, meinte Doflamingo, als die Kellnerin wieder verschwunden war (vermutlich wollte er keinen Streit provozieren, dachte Crocodile sich). „Es ist ja auch möglich, einiges einfach ohne Geschlechtertrennung zu machen. Den Brautstrauß könnten wir zum Beispiel zusammen werfen. Und zum Altar können wir gemeinsam und Hand in Hand gehen. Wir passen die alten Bräuche und Traditionen einfach unserer Situation an. Was hältst du davon, Wani?“ „Das ist in Ordnung, denke ich“, gab Crocodile wahrheitsgemäß zurück. Mit diesem Kompromiss würde er sich anfreunden können. „Aber das Problem mit der Hochzeitstorte“, warf er ein, „haben wir damit immer noch nicht gelöst. So etwas Süßes kann ich einfach nicht essen. Wir müssten...“ Crocodile kam nicht dazu, seinen Satz zu Ende zu bringen. Das laute Kreischen einer Frau, die auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig an ihnen beiden vorbeilief, machte jede weitere Kommunikation unmöglich. Überrascht blickte Crocodile zu der vielleicht zwanzigjährigen Frau hinüber: Sie trug ein weißes, bauchfreies Top, hatte rosa gefärbtes Haar und ein goldenes Piercing in der rechten Wange. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und ihr Gesicht war knallrot angelaufen. Crocodile verstand überhaupt nicht, was los war. Die Frau war offensichtlich allein unterwegs; niemand hatte ihr irgendetwas getan. Hatte sie womöglich irgendeine Art von Anfall? Oder stand sie unter Drogeneinfluss? Sollte er einen Krankenwagen rufen? „Oh shit!“, hörte Crocodile seinen Partner leise flüstern. Irritiert blickte er zu Doflamingo hinüber, der einen alles andere als glücklichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. „Kennst du diese Frau?“, fragte er verwundert nach. Sein Verlobter nickte. „Ihr Name ist Jewelry Bonney“, erklärte er mit unheilschwangerer Stimme. „Sie ist meine Exfreundin.“ Bonney kam auf sie beide zugerannt; ihre Gesichtszüge waren vor Wut ganz verzerrt. „Du!“, brüllte sie mit lauter, zorniger Stimme. „Du! Du! Du, gottverdammtes Arschloch!“ Und ehe Crocodile irgendetwas dagegen unternehmen konnte, hatte Bonney längst mit ihrer rechten Hand ausgeholt und ihm ins Gesicht geschlagen. Auch wenn sie eine Frau war, besaß Bonney eine Menge Kraft. Seine Wange schmerzte fürchterlich und außerdem glaubte Crocodile, Blut in seiner Mundhöhle zu schmecken. „Bonney!“, konnte er seinen Verlobten entsetzt aufschreien hören. Doflamingo war sofort von seinem Stuhl aufgestanden und hatte nach den Armen der jungen Frau gegriffen, um diese von weiteren Schlägen abzuhalten. „Bonney, beruhige dich!“, befahl Doflamingo mit energisch klingender Stimme. „Bonney! Verdammt! Bonney!“ Die hysterische Exfreundin seines Partners wollte nicht auf dessen Worte hören. Mit aller Kraft versuchte sie sich aus Doflamingos festem Griff zu befreien; laut schreiend trat sie nach ihm und biss ihm einmal sogar in den Unterarm. Verunsichert strich Crocodile mit der rechten Hand über seine Wange. Es war weniger der Schmerz und eher der Schock, der ihn paralysiert hatte. Eben noch unterhielt er sich mit seinem Verlobten über ihre geplante Hochzeit, und einen Moment später tauchte diese Furie aus heiterem Himmel auf und schlug ihm ins Gesicht. Mit einer solchen Attacke hatte Crocodile beim besten Willen nicht rechnen können. Schließlich kannte er diese Jewelry Bonney ja nicht einmal. „Lass mich los!“, hörte er die junge Frau kreischen. „Doflamingo! Lass mich los! Ich kratze ihm die Augen aus! Lass mich los!“ Zum ersten Mal wurde Crocodile wirklich bewusst, wie kräftig sein Partner eigentlich war. Doflamingos muskulöser Körper war ein Produkt jahrelangen, regelmäßigen Trainings. Auch wenn es sich bei Bonney -wie Crocodile am eigenen Leib erfahren hatte- um eine sehr kräftige Frau handelte, gelang es ihm augenscheinlich ohne viel Mühe, sie in Zaum zu halten. Ganz gleich wie sehr sie sich auch anstrengte: Es blieb ihr unmöglich, sich aus Doflamingos schraubstockartigen Griff zu befreien. Inzwischen waren auch andere Leute auf die Situation aufmerksam geworden: Die Gäste, die an den umliegenden Tischen saßen, begannen hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln und mit den Fingern auf die Frau mit den rosa Haaren und dem rot angelaufenen Gesicht zu zeigen. Zwei männliche Kellner kamen aus dem Inneren des Cafes, um Doflamingo zu unterstützen. Im Gegensatz zu seinem Verlobten gelang es ihnen nur mit sehr viel Mühe, die immer noch völlig hysterische Bonney unter Kontrolle zu halten. Crocodile stand auf und spuckte ein wenig Blut aus. So ganz leuchtete ihm das Geschehene noch immer nicht ein. Wenn diese Bonney Doflamingos Exfreundin war, warum hatte sie dann nicht diesem ins Gesicht geschlagen? Schließlich kannte er selbst sie doch überhaupt gar nicht. Als Doflamingo sicher war, dass die beiden Kellner mit Bonney zurechtkamen (ein dritter Mitarbeiter telefonierte bereits mit der Polizei), kam er zu ihm hinüber. „Geht es dir gut?“, fragte er mit besorgt klingender Stimme und legte behutsam die Arme um seine Hüfte. Crocodile nickte; eigentlich mochte er es nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschten, doch er ließ die tröstende Berührung trotzdem zu. Er spürte, dass er noch immer ein klein wenig unter Schock stand. Es war ihm in seinem ganzen Leben noch nie zuvor passiert, dass eine wildfremde Person ohne jede Vorwarnung einfach auf ihn losging. „Sie hat ziemlich fest zugeschlagen“, sagte Doflamingo und warf einen genaueren Blick auf die Wange seines Partners. „Ich werde fragen, ob man im Cafe ein Kühlakku für dich hat. Wenn du Glück hast, wird die Schwellung nicht groß.“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Lass uns einfach gehen“, sagte er. „Ich glaube, jetzt möchte ich doch nach Hause.“ „Wir müssen warten, bis die Polizei da ist“, wendete Doflamingo ein. „Damit wir Anzeige erstatten können.“ „Ich möchte keine Anzeige erstatten“, erwiderte Crocodile. „Ich möchte bloß nach Hause. Alle Leute starren uns an.“ „Sollen sie doch starren!“, brummte sein Verlobter. „Wir können Bonney nicht davonkommen lassen, Crocodile! Sie darf dir nicht einfach ins Gesicht schlagen! So geht das nicht! Sie gehört dafür bestraft!“ „Es ist mir egal, ob sie bestraft wird oder nicht“, meinte Crocodile. Diese Meinung vertrat er tatsächlich. Die Schwellung an seiner Wange würde nicht zurückgehen, der Schmerz würde nicht nachlassen, bloß weil man Bonney zu zehn Sozialstunden oder zur Zahlung von 500 Berry veruteilen würde. Er wollte einfach bloß nach Hause fahren und versuchen, dieses merkwürdige Ereignis aus seinem Gedächtnis zu streichen. „Sobald wir mit der Polizei gesprochen haben, machen wir uns auf den Weg nach Hause“, sagte Doflamingo. Ein Kellner reichte ihm ein Kühlakku, das in ein sauberes Geschirrtuch gewickelt worden war, und er drückte es vorsichtig gegen die geschwollene Wange seines Verlobten. „Was ist denn überhaupt mit dieser Frau los?“, wollte Crocodile wissen und nahm Doflamingo das Kühlakku ab. (Dass er in aller Öffentlichkeit von seinem Partner so sehr betüttelt wurde, ging ihm dann doch ein Stück zu weit.) „Du hast gesagt, dass sie deine Exfreundin ist, nicht wahr?“ Doflamingo nickte und warf einen unwilligen Blick hinüber zu Bonney, die den beiden Kellnern, die sie festhielten, schwer zu schaffen machte. „Ich war sechs Wochen lang mit ihr zusammen“, erklärte er schließlich. „Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich um die längste Beziehung, die ich jemals geführt hatte.“ „Ich verstehe, dass sie wütend auf dich ist, weil eure Beziehung in die Brüche gegangen ist“, sagte Crocodile, „aber warum zur Hölle hat sie denn dann nicht dich, sondern mich geschlagen? Ich meine... Ich kenne sie doch gar nicht! Bis gerade eben wusste ich nicht einmal, dass sie existiert. Warum ist sie auf mich losgegangen?“ „Na, das ist doch ganz logisch“, antwortete Doflamingo. „Sie ist eifersüchtig, weil du mein neuer Partner bist.“ „Aber woher wusste sie das denn überhaupt?“, wendete Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen ein. „Dass ich schwul bin, sieht man mir doch wohl beim besten Willen nicht an! Ich hätte genausogut auch bloß ein Bekannter oder ein Geschäftspartner von dir sein können.“ Crocodile konnte Doflamingo laut seufzen hören. Es kam sehr selten vor, dass sein Verlobter seufzte, und es bedeutete niemals etwas Gutes. „Doflamingo“, hakte er mit eindringlicher Stimme nach, „woher kennt mich diese verrückte Frau?!“ Doflamingo zögerte für einen Moment. Erst nachdem er einen intensiven Blick auf die geschwollene Wange seines Partners geworfen hatte, antwortete er schließlich mit unwilliger Stimme: „Ich habe sie für dich verlassen.“ „Was?!“ Crocodile konnte kaum glauben, was Doflamingo ihm da sagte. Dass dieser seinetwegen mit seiner damaligen Freundin Schluss gemacht hatte, hatte er gar nicht gewusst. Darüber hatte sein Verlobter niemals ein Sterbenswörtchen verlauten lassen. „Ich habe sie sowieso nicht geliebt!“, warf Doflamingo hastig ein. „Ich dachte, dass ich es tun würde, aber ich habe mich geirrt. Am Ende war sie für mich bloß ein Zeitvertreib, so wie all die Anderen auch.“ „Du dachtest, dass du sie lieben würdest, aber du hast dich geirrt?“, wiederholte Crocodile mit ungläubiger Stimme. Er wusste nicht, was er von den Worten seines Partners halten sollte. Natürlich war ihm von Anfang an klar gewesen, dass (bevor sie beide sich kennengelernt hatten) Doflamingo seine Beziehungen nie sonderlich ernst genommen hatte, doch trotzdem schockierte ihn diese völlig skrupellos klingende Aussage. „Damals habe ich noch nicht gewusst, was Liebe ist“, versuchte Doflamingo sein Handeln zu erklären. „Wir hatten viel Spaß zusammen und guten Sex miteinander. Ich dachte, das würde reichen. Ich dachte, das wäre Liebe und mehr würde da einfach nicht kommen. Aber ich habe mich geirrt. Bei den Gefühlen, die ich für Bonney empfunden habe, hat es sich nicht um Liebe gehandelt. Was Liebe wirklich ist, habe ich erst herausgefunden, als ich dich das erste Mal gesehen habe, Crocodile! Während ich mich bei dem Geschäftsessen mit dir unterhalten habe, ist mir klar geworden, dass meine Gefühle für Bonney nicht echt gewesen sind. Ich kann kaum in Worte fassen, was ich bei unserem ersten Treffen gefühlt habe, Crocodile! Du warst so unfassbar schön... Alles an dir... Dein Gesicht, deine Haare, deine Augen... Ich weiß noch ganz genau, dass mir ein warmer Schauer über den Rücken lief, als ich dir das erste Mal in die Augen geschaut habe. Es war sofort um mich geschehen; ich war wie verzaubert. Bei all den anderen Männern und Frauen, mit denen ich zusammen gewesen bin, ging es mir nur darum, sie zu besitzen. Respekt hatte ich für sie nicht übrig. Du bist der Erste, der mir Ehrfurcht eingeflößt hat. Mir ist sofort klar gewesen, dass es mir niemals gelingen würde, dich zu besitzen. Das wollte ich auch überhaupt gar nicht. Ganz im Gegenteil: In mir kam sofort der Wunsch auf, mein Leben mit dir zu teilen. Da habe ich erkannt, dass ich nicht Bonney, sondern dich liebe. Und auch wenn du meine Bitte um ein Date nach dem Geschäftsessen abgewiesen hast, habe ich mich sofort von Bonney getrennt. Ich wusste, dass meine Beziehung zu ihr so oder so keine Zukunft haben würde; nicht, nachdem ich dich kennengelernt hatte.“ Crocodile ließ das Kühlakku sinken und seufzte leise auf. Auch wenn es sich nicht unbedingt um die feine englische Art handelte, konnte er das Verhalten seines Verlobten nachvollziehen. Er selbst hätte es vermutlich auch nicht über's Herz gebracht, seinem Partner etwas vorzugaukeln, wenn er sich längst in eine andere Person verliebt gehabt hätte. Außerdem hatte Doflamingo seine damalige Freundin ja nicht direkt für ihn verlassen; zwischen ihrem allerersten Treffen und ihrem ersten Date hatte immerhin mehr als ein Monat gelegen. „Trotzdem hättest du mir davon erzählen können!“, meinte Crocodile mit vorwurfsvoller Stimme. „Warum hätte ich das denn tun sollen?“, wendete sein Partner schulterzuckend ein. „Ich habe nicht damit gerechnet, Bonney jemals wiederzusehen. Wir haben sofort den Kontakt zueinander abgebrochen. Und außerdem ist es nicht sonderlich höflich, seinem Partner irgendwelche Geschichten über seine Exbeziehungen zu erzählen.“ „Und was ist mit Enel?“ Crocodile fand, dass Doflamingo sich selbst widersprach. „Du hast mich sogar dazu gedrängt, dir von ihm zu erzählen!“ „Das war doch eine völlig andere Situation“, meinte sein Verlobter und verschränkte die Arme vor der Brust. „Während euer Beziehung hat er dich misshandelt, bei eurer Trennung hat er dir den Arm gebrochen und vor kurzem erst hat er dich vergiftet! Es war absolut notwendig, darüber zu sprechen. Bei Bonney jedoch handelt es sich um einen ganz anderen Fall.“ „Nun ja“, erwiderte Crocodile und presste sich erneut das Kühlakku gegen die Wange. „Diese Bonney scheint mir aber auch ziemlich gewalttätig zu sein. Und verrückt obendrein.“ „Es tut mir leid, dass sie dich geschlagen hat“, meinte Doflamingo mit mitleidiger Stimme, als er einen erneuten Blick auf die geschwollene Wange seines Verlobten warf. „Aber genau aus diesem Grund gehört sie bestraft! Ich kann verstehen, dass sie wütend und verletzt ist, aber das gibt ihr noch lange kein Recht dazu, dir ins Gesicht zu schlagen.“ „Ist ja gut“, erwiderte er. „Ich warte mit dir auf die Polizei, damit wir Anzeige erstatten können. Aber danach möchte ich nach Hause fahren. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber die Lust auf Shopping ist mir wirklich vergangen!“ „Nach dem Gespräch mit der Polizei müssen wir noch einen kurzen Zwischenstopp beim Arzt einlegen“, wendete Doflamingo ein. „Wir müssen uns die Wunde in deinem Gesicht attestieren lassen, damit wir vor Gericht nicht ohne handfesten Beweis dastehen.“ Crocodile seufzte erneut laut auf, doch sparte sich eine Erwiderung. Er wusste genau, dass es ihm nicht gelingen würde, Doflamingo von seinem Vorhaben abzubringen. Manchmal konnte sein Verlobter ein echter Sturkopf sein. Trotzdem kam Crocodile nicht umhin sich zu fragen, ob dieser Vorfall den ganzen Aufwand wirklich wert war. Anstatt zuerst mit der Polizei und anschließend mit einem Arzt zu sprechen, würde er sich lieber sofort auf den Weg nach Hause machen und die Zeit nutzen, um ein wenig fernzusehen oder ein gutes Buch zu lesen. bye sb Kapitel 20: Kapitel 10 (zensiert) --------------------------------- Crocodile saß draußen auf dem Balkon seines Lesezimmers. Obwohl die Temperaturen angenehm waren und die Sonne schien, fühlte er sich schrecklich niedergeschlagen. Auf dem kleinen, runden Tischchen vor ihm lagen die beiden Briefe, die seine Versicherung ihm zugeschickt hatte. Er hatte sie inzwischen schon mindestens einhundertmal gelesen. Und noch immer musste er jedes Mal schlucken, sobald sein verzweifelter Blick auf die Summe fiel, die er zahlen sollte: 120.000 Berry. Wenn er sie mit den anderen Schulden, die ja sowieso noch ausstanden, addierte, kam er auf insgesamt 383.000 Berry. Der Autounfall, den er verursacht hatte, warf ihn also verdammt weit zurück. Dreihundertdreiundachtzigtausend Berry, dachte Crocodile und biss sich auf die Unterlippe. Natürlich war er kein naiver Idiot; er war nicht untätig geblieben: Crocodile hatte sich die Forderungen seiner Versicherung ganz genau angesehen. Er hatte unzählige Bücher gewälzt und sorgsam nachgeprüft, ob alles mit rechten Dingen zuging. Mühsam hatte er nach irgendeiner Art von Schlupfwinkel gesucht, nach einer undichten Stelle im Vertrag, doch am Ende musste er sich wohl oder übel eingestehen, dass er um die Zahlung der geforderten 120.000 Berry nicht herumkommen würde. Diese Erkenntnis traf ihn hart. Crocodile hatte eigentlich das Gefühl gehabt, dass es allmählich wieder bergauf ging: Er hatte eine neue Arbeitsstelle gefunden und mehr als die Hälfte seiner Schulden bereits getilgt. Doch anscheinend war ihm das Schicksal nicht wohlgesonnen: Für nur wenige Sekunden, in denen er unaufmerksam gewesen war, wurde er mit einer Zahlung von mehr als einhunderttausend Berry bestraft. Nicht zum ersten Mal in seinem Leben fragte Crocodile sich, womit er diesen furchtbaren Schicksalsschlag verdient hatte. Er war stets ein anständiger, fleißiger und pflichtbewusster Mensch gewesen. Er hatte noch niemals gestohlen, nicht einmal ein paar Steuern hinterzogen. Während andere junge Leute sich die Nächte in irgendwelchen zwielichtigen Discotheken um die Ohren schlugen, hatte er Zuhause über seinen Büchern gehockt und für die nächste Klausur gelernt. Und wozu: Nur um als Erwachsener in einem riesigen Berg von Schulden zu ertrinken. So hatte er sich seine Zukunft definitiv nicht vorgestellt. Je länger Crocodile darüber nachdachte, desto frustrierter wurde er: Mit gerade einmal achtzehn Jahren wurde er von seinen Eltern wegen seiner Homosexualität verstoßen. Als er Mitte zwanzig war, verlor er bei einem Motorradunfall seine rechte Hand. Fünf Jahre später schlitzte sein gewalttätiger Exfreund Enel ihm das Gesicht auf. Vor kurzem hatte er seine Arbeitsstelle bei der Bank verloren. Und nun vergrößerte sich sein sowieso schon riesiger Schuldenberg um weitere 120.000 Berry. Zynisch fragte Crocodile sich selbst, ob es denn eigentlich noch schlimmer kommen konnte. Erst als Doflamingo ihn am Abend zum Essen rief, zwang Crocodile sich dazu, sein Lesezimmer zu verlassen. Mehr denn je verschanzte er sich in dem Raum: Wenn er nachmittags von der Arbeit nach Hause kam, machte er sich sofort auf den Weg hierher. Im Extremfall kam Crocodile nur dann aus seiner Höhle, wenn es Abendessen gab oder es Zeit fürs Bett war. Doflamingo hieß es nicht gut, dass er sich zurückzog, doch respektierte zumindest für den Anfang dieses Verhalten. Crocodile war dankbar für den Freiraum, den sein Verlobter ihm gewährte, auch wenn er vermutete, dass dessen Rücksichtnahme nicht ewig währen würde. Doflamingo hasste es, wenn ihm keine hundertprozentige Aufmerksamkeit gezollt wurde. Früher oder später würde sein Geduldsfaden auf jeden Fall reißen. Crocodile hoffte bloß, dass dieser Tag heute noch nicht gekommen war. "Es gibt Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Fetakäse", verkündete sein Partner breit lächelnd, als Crocodile sich zu ihm an den Tisch setzte. "Dein Leibgericht!" "Hm-hm", machte Crocodile, der sich nicht in der Stimmung für Jubelausbrüche befand. Er stützte sein Kinn auf der rechten Hand ab und wartete ungeduldig darauf, dass das Essen serviert wurde. Am liebsten wollte er so schnell wie möglich zurück in sein Lesezimmer, um sich dort erneut seinem grenzenlosen Selbstmitleid hinzugeben. "Wie war die Arbeit heute?", fragte Doflamingo, der sich nichtsdestotrotz um eine freundliche Unterhaltung zu bemühen schien. "Gut", antwortete Crocodile, ohne den Blick mit dem seines Partners zu kreuzen. Es lief auf der Arbeit tatsächlich ganz gut (sein Chef Franky war regelrecht begeistert von ihm), doch auch diese Tatsache vermochte Crocodile nicht aufzuheitern. Bei Tom's Workers verdiente er im Monat durchschnittlich um die 30.000 Berry. Davon gingen etwa fünfundachtzig Prozent für die Tilgung seiner Altschulden ab. Ihm blieb also beileibe nicht genug übrig, um die neu hinzugekommenen 120.000 Berry zu bezahlen. "Das ist schön zu hören", meinte Doflamingo. "Ähm, sag mal, hast du Lust morgen Nachmittag deine Geschwister zu besuchen? Hancock hat mich angerufen und gefragt, ob wir beide nicht mal wieder vorbeikommen wollen. Sie ist jetzt im fünften Monat und hat inzwischen einen richtigen kleinen Babybauch bekommen." Um ehrlich zu sein, war Crocodile nicht sonderlich angetan von der Idee, Mihawk und Hancock zu besuchen. Seinen beiden Geschwistern würde sofort auffallen, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Aus Sorge würden sie ihn solange mit Fragen bombardieren, bis er schlussendlich nachgab und ihnen vom Autounfall berichtete. Dieses Szenario wollte Crocodile unbedingt vermeiden. (Er hatte zuvor sowohl Doflamingo als auch Daz darum gebeten, Mihawk und Hancock nichts zu erzählen.) "Ich weiß nicht", murmelte er darum. "Ich möchte nicht, dass die beiden vom Autounfall und meinen Schulden erfahren. Diesen Schock kann ich ihnen nicht zumuten; vor allem Hancock in ihrem momentanen Zustand nicht." "Wir müssen ihnen ja nichts davon erzählen, wenn du das nicht möchtest", wandte Doflamingo ein. "Von mir aus können wir auch einfach nur über harmlose Themen sprechen. Wie zum Beispiel über das Baby." "Sie werden sofort bemerken, dass es mir nicht gut geht", entgegnete Crocodile kopfschüttelnd. "Aber ich habe nichts dagegen, wenn du Mihawk und Hancock ohne mich besuchst. Du kannst ihnen ja einfach erzählen, ich hätte mir eine Erkältung eingefangen." "Dellinger, Bellamy, Circies und Diamante wollen am Wochenende etwa trinken", wagte sein Verlobter tapfer einen weiteren Versuch. "Hast du Lust mitzukommen? Das wird bestimmt ein lustiger Abend!" "Lieber nicht", gab Crocodile zurück und rollte mit den Augen. "Wollt ihr etwa wieder ins Skypia? Nein danke, ich möchte nicht noch einmal vergiftet werden und im Krankenhaus landen." "Quatsch", meinte Doflamingo mit eindringlicher Stimme. "Wir haben vor, in Shakky's Bar zu gehen. Das Skypia existiert sowieso nicht mehr." Die letzte Aussage erregte Crocodiles Aufmerksamkeit. "Das Skypia existiert nicht mehr?", wiederholte er und zog ungläubig eine Augenbraue hoch. "Wie kommt denn das? Ich dachte eigentlich, der Laden würde gut laufen!" "Oh, er lief gut", erwiderte Doflamingo gehässig. Er grinste breit und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Aber, nun ja, was soll ich sagen? Es ist nun einmal keine gute Idee, sich mit dem Freund eines reichen und einflussreichen Mannes anzulegen." "Was meinst du damit?", hakte Crocodile nach und beugte sich ein Stück weit über den Esstisch. Er fragte sich, was hinter den geheimnisvollen Andeutungen seines Verlobten stecken könnte. Hatte Doflamingo sich etwa mit Enel angelegt? "Nun rück schon raus mit der Sprache!", drängte Crocodile ungeduldig, als dieser noch immer schwieg. "Muss ich dir denn jedes Wort aus der Nase ziehen?" Doflamingo lachte leise, ehe er endlich meinte: "Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass ich schrecklich wütend auf diesen Hurensohn war. Nicht nur wegen der Vergiftung, sondern vor allem, weil er dich fünf Jahre lang misshandelt hat. Du bist ein wundervoller Mensch, Crocodile, und hast es wirklich nicht verdient, so respektlos behandelt zu werden! Also habe ich mir überlegt, wie ich mich an Enel rächen könnte..." "Aber wie?", fragte Crocodile irritiert nach. "Wie ist es dir gelungen, das Skypia zu schließen?" "Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir davon erzählen sollte", erwiderte Doflamingo, ohne dass das breite Grinsen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde von seinem Gesicht verschwand. "Du würdest mich für einen Kriminellen halten." Crocodile winkte ab und gab mit ernster Stimme zurück: "Mach dir darum keine Sorgen. Egal, was du getan haben solltest: Enel tut mir nicht leid. Er hat mich fünf Jahre lang jeden Tag gedemütigt und geschlagen. Bei unserer Trennung hat er mir den Arm gebrochen. Und als ich ihn vor kurzem wiedersah, hat er mich vergiftet. Er ist der Kriminelle, nicht du, Doffy! Ich bin mir sicher, er hat nichts Besseres verdient! Aber jetzt erzähl doch endlich mal, was überhaupt geschehen ist!" "Also gut", sagte Doflamingo. Plötzlich erweckte er einen sehr eifrigen Eindruck. "Ich wollte Enel, diesen Wichser, unbedingt bestrafen. Und ich wollte dafür sorgen, dass er aus dem Verkehr gezogen wird." "Aus dem Verkehr gezogen?", unterbrach Crocodile seinen Verlobten mit skeptischer Stimme. "Er ist nicht tot", warf Doflamingo rasch ein. "Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte nicht mit dem Gedanken gespielt ihn umzubringen, aber nein, er ist nicht tot. Ich habe mir etwas Anderes ausgedacht." Crocodile nickte. Die Tatsache, dass er die Worte seines Partners überinterpretiert hatte, erleichterte ihn ungemein. Er war sich dessen bewusst, dass diesem vermutlich genug Mittel und Wege zur Verfügung standen, um jemanden aus dem Verkehr zu ziehen. Beinahe jedes Problem ließ sich mit ausreichend Geld lösen; und Geld besaß Doflamingo mehr als genug. Es täte ihm nicht im Mindesten leid, wenn Enel tot wäre, doch Crocodile wünschte sich nicht, dass dabei Doflamingo seine Finger mit ihm Spiel hatte. "Für die Umsetzung meines Plans benötigte ich ein paar Leute, die Einbrüche verüben können, ohne äußerliche Spuren zu hinterlassen, und Drogen im Wert von mehreren zehntausend Berry. An beides kommt man relativ leicht, wenn man so reich ist wie ich." Doflamingo kicherte laut. "Ich engagierte zwei Einbrecher, die das Skypia über mehrere Wochen hinweg observierten. Sie stellten fest, dass montags kein einziger Mitarbeiter im Hause ist. Außerdem fanden sie heraus, dass das Skypia weitläufig unterkellert ist. Ich glaube, du ahnst schon, was geschehen ist: Meine Leute sind montags eingebrochen und haben die Drogen in den Kellerräumen deponiert. Natürlich haben sie dafür gesorgt, dass alles realistisch wirkt. Anschließend gaben sie über Umwege der Polizei einen Hinweis. Die stieß dann relativ schnell auf die Drogen und nahm den Besitzer des Skypia fest. Enel saß in der Falle: Allein die riesige Menge Drogen (sie hatten einen Wert von ungefähr fünfzigtausend Berry, glaube ich) in seinem Keller belastete ihn ungemein. Dazu kamen dann noch einige falsche Beweise, welche die von mir beauftragten Leute in Umlauf gebracht hatten, und ein paar bestochene Zeugen, die gegen ihn aussagten." "Was... was ist aus ihm geworden?", fragte Crocodile mit leiser Stimme. Er konnte nicht so recht fassen, was sein Verlobter ihm gerade erzählte. Erlaubte Doflamingo sich etwa einen geschmacklosen Scherz? Oder hatte er tatsächlich 50.000 Berry aufgewendet, nur um den Exfreund seines Verlobten in einen Hinterhalt zu locken? Crocodile wollte schlucken, doch er stellte fest, dass seine Kehle staubtrocken war. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo ein sehr egoistischer und rücksichtsloser Mensch sein konnte, doch mit einer solchen Tat hätte er niemals gerechnet gehabt. Crocodile war völlig geschockt. "Er wurde wegen Drogenbesitz und -handel zu elf Jahren Haft verurteilt", sagte sein Verlobter. Seine Stimme klang so gelassen, dass man genausogut auch glauben könnte, er würde über das Wetter sprechen. "Das Skypia hat seinen Besitzer verloren und durch den Drogenskandal natürlich auch einen starken Imageschaden erlitten. Es ist bereits seit einigen Wochen geschlossen." Doflamingo schwieg für einen Moment, ehe er hinzufügte: "Möchtest du nun also mit ins Shakky's Bar? Bellamy war schon einmal dort und meinte, dass der Laden wirklich gute Musik spielt." Crocodile brachte kein Wort heraus. Anstatt auf die Frage seines Partners zu antworten, starrte er diesen einfach bloß mit großen Augen an. Er wusste überhaupt nicht, wie er sich fühlen sollte: Angewidert, weil Doflamingo zu einer solchen Tat fähig war? Freudig und dankbar, weil Enel nach all den Jahren endlich seiner gerechten Strafe zugeführt wurde? Crocodile fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar und senkte den Blick. Er betrachtete die Spaghetti, die vor ihm auf den Teller lagen, als handelte es sich dabei um ein faszinierendes Kunstobjekt. "Du hast dir gesagt, Enel würde dir nicht leid tun", warf Doflamingo mit verunsicherter Stimme ein, als er bemerkte, dass Crocodile mit seiner Verfassung rang. "Dass er nichts Besseres verdient hat." Er hielt einen kurzen Moment inne, ehe er in einem gefestigter klingenden Tonfall hinzufügte: "Und er hat auch nichts Besseres verdient! Er hat dich über Jahre hinweg jeden Tag gequält. Er hat dir den Arm gebrochen, als du dich von ihm trennen wolltest! Und er hat dir ein Gift verabreicht, das dich tagelang außer Gefecht gesetzt hätte. Stell dir nur einmal vor, was geschehen wäre, wenn Daz dich nicht aufgegriffen hätte! Mir wird schlecht, wenn ich daran denke, was Enel womöglich mit dir angestellt hätte. Bestimmt war er auch derjenige, der dein Gesicht aufgeschlitzt hat, nicht wahr!? Es ist nur gerecht, dass er nun im Gefängnis ist und für seine Taten büßen muss! Hast du etwa wirklich Mitleid mit ihm, Wani? Es erstaunt mich wirklich, wie sanftmütig du bist." Die Nennung seines Kosenamens holte Crocodile in die Wirklichkeit zurück. Er zögerte für einen Augenblick, ehe er schließlich sagte: "Du hast recht, Doffy. Er hat nichts Besseres verdient. Ich habe auch kein Mitleid mit ihm ihm. Ich bin... ich bin nur geschockt. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Wie bist du denn überhaupt an Drogen im Wert von fünfzigtausend Berry gekommen? Dabei handelt es sich doch schließlich um eine riesige Menge Geld!" "Für mich nicht", gab Doflamingo schulterzuckend zurück. "Wenn man die Bezahlung der Einbrecher und der angeblichen Zeugen dazurechnet, kommt man übrigens auf insgesamt etwa einhunderttausend Berry." "Einhunderttausend Berry?", wiederholte Crocodile ungläubig. Doflamingo nickte. "Das sind für mich nur Peanuts", meinte er mit ruhiger Stimme. "Außerdem war es mir das auf jeden Fall wert. Enel musste einfach bestraft werden für die schlimmen Dinge, die er dir angetan hat. Stimmt es eigentlich wirklich, dass er dein Gesicht aufgeschlitzt hat? Du hast mir zwar erzählt, dass du deine Geschwister und die Anderen in dieser Hinsicht angelogen hast, aber die Wahrheit kenne ich trotzdem immer noch nicht." "Du liegst richtig mit deiner Vermutung", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu. Nun, da Doflamingo von selbst auf die richtige Lösung gekommen war, sah er keinen Sinn mehr darin, dessen Behauptung abzustreiten. "Ich war erst vor kurzem aus dem Krankenhaus entlassen worden", erklärte Crocodile. "Mein Arm war noch immer eingegipst und auch meine gebrochene Rippe war noch nicht gänzlich verheilt. Enel lauerte mir auf, als ich abends allein unterwegs war. Ich hatte keine Chance gegen ihn. Die Geschichte mit den Jugendlichen, die mich überfallen haben, habe ich mir bloß ausgedacht. Um glaubwürdiger zu erscheinen, habe ich anschließend meine Geldbörse und meinen Mantel in die nächste Mülltonne geworfen. Enel hat mich nicht bestohlen. Es ging ihm nicht um Geld, sondern um Rache für die Trennung. Er wollte mich entstellen, damit ich nie mehr einen neuen Partner finde." "Ich hätte nicht so geizig sein sollen", murmelte Doflamingo. "Warum habe ich nicht Drogen im Wert vonzweihundert- oder zweihundertfünfzigtausend Berry im Skypia verstecken lassen? Bei einer solchen Menge hätte man ihn bestimmt zu zwanzig Jahren Haft verurteilt!" Zum ersten Mal seit Wochen konnte Crocodile ein Lachen nicht unterdrücken. "Es ist schon gut, Doffy", sagte er und war selbst überrascht, weil seine Stimme deutlich sanfter klang als beabsichtigt. "Enels Plan ist sowieso nicht aufgegangen", gab Doflamingo keck zurück. Er grinste breit. "Du hast nicht nur einen neuen Partner gefunden, sondern gleich den besten, den es überhaupt gibt!" "Wie kann man bloß so furchtbar eingebildet sein?", gab Crocodile zurück. Er rollte mit den Augen, auch wenn er der Aussage seines Verlobten insgeheim natürlich zustimmte. * Es war dreizehn Uhr fünfzehn, als Crocodile sein Büro verließ, um Pause zu machen. Die Arbeit war anstrengend, doch er kam gut voran. Die große Elektronikmesse Tom's Workers würde in zwei Wochen stattfinden und bis auf ein paar Kleinigkeiten hatte er bereits alles geregelt. Und gestern erst war Franky persönlich vorbeigekommen, um ihn für seinen Fleiß und seine gute Arbeit zu loben. Außerdem hatte er wieder stark angedeutet, dass er ihn gerne dauerhaft mit ins Boot holen wollte. Es waren Situationen wie diese, die Crocodile Hoffnung gaben. Wenn er tatsächlich als Manager für Tom's Workers fest angestellt wurde, gelang es ihm früher oder später, all seine Schulden zu tilgen. Auch die 120.000 Berry, die kürzlich neu dazugekommen waren. "Hey, Crocodile", grüßte ihn Kiwi, als sie beide sich im Gang begegneten. Sie trug einen dicken Stapel Ordner unter ihren Arm geklemmt und wirkte ein wenig gehetzt. Trotzdem nahm sie sich die Zeit für einen kleinen Plausch: "Wie läuft es bei dir?" "Gut", entgegnete Crocodile und bemühte sich darum, einen freundlichen Eindruck zu erwecken. "Heute komme ich mit der Arbeit wirklich schnell voran. Ähm, ich wollte mir ein bisschen die Beine vertreten und dann einen Abstecher in den Supermarkt machen. Soll ich dir irgendetwas mitbringen?" "Oh, danke, aber ich brauche nichts", antwortete Kiwi lächelnd. Nur wenige hundert Meter die Straße hinunter befand sich ein kleiner Supermarkt, den die Mitarbeiter von Tom's Workers in der Mittagspause hin und wieder aufsuchten. Crocodile besorgte sich dort häufig ein paar Flaschen stilles Mineralwasser. Um produktiv arbeiten zu können, musste er täglich mindestens zwei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Wenn sein Körper dehydriert war, bekam Crocodile nämlich schnell Kopfschmerzen und konnte sich dann überhaupt nicht mehr konzentrieren. "Okay", meinte er. "Wir sehen uns sicher heute Abend im Meeting. Bis nachher!" "Bis nachher", erwiderte Kiwi und huschte hinüber zu den Aufzügen. Im Supermarkt war nicht allzu viel los. Crocodile schnappte sich eine große Flasche stilles Mineralwasser und machte sich gleich danach auf den Weg zur Kasse. Früher war ein Besuch im Supermarkt bei ihm häufig darauf hinausgelaufen, dass er deutlich mehr einkaufte als ursprünglich beabsichtigt. Da ihm genug Geld zur Verfügung stand, hatte er nicht darüber nachdenken müssen, wie viel seine Einkäufe kosteten. Selbst wenn sein Bargeld knapp wurde, hatte er noch immer mehrere Kreditkarten in der Tasche gehabt. Inzwischen hatte sich seine Lebenssituation jedoch um einhundertachtzig Grad gewendet: Crocodile zwang sich selbst dazu, wirklich nur das Allernötigste zu kaufen. Nicht einmal eine Packung Kaugummis oder seine Lieblingscracker gönnte er sich. Jeder Berry, den er sparte, half ihm bei der Tilgung seiner Schulden. Da Crocodile ein sehr disziplinierter Mensch war, gelang es ihm meistens auch ganz gut, sich an seinen Vorsatz zu halten. Vor ihm an der Kasse stand eine ältere Dame mit langem, leicht ergrautem Haar. Sie legte eine Packung Karamellbonbons und ein paar Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung auf das Band. Ohne dass Crocodile sich dagegen wehren konnte, wurde er sofort an seinen Vater erinnert: Vor seinem geistigen Auge tauchte das Bild eines dunkelhaarigen Mannes auf, der in einem gemütlichen Fernsehsessel saß und Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung verputzte, während er sich einen Spielfilm ansah. Seitdem er vor rund siebzehn Jahren wegen seiner Homosexualität von ihnen verstoßen worden war, hatte Crocodile seine Eltern nicht mehr wiedergesehen. Zumeist vermied er es, an sie zu denken. Die Erinnerung erfüllte ihn mit Schmerz und (auch wenn er es niemals zugeben würde) Sehnsucht. Doch manchmal konnte Crocodile einfach nicht anders. Wenn er Gegenstände sah oder Situationen erlebte, die ihn an frühere Zeiten erinnerten, dann musste er unweigerlich an seine Eltern zurückdenken: An seinen Vater, der sich jeden Abend einen Spielfilm im Fernsehen anschaute und dabei ein ganzes Dutzend Donuts mit Kirschcremefüllung verputzen konnte. Wie er ihm das Fahrradfahren beibrachte oder in einer Menschenmenge auf seine Schultern hob. An seine Mutter, die ihm mittags bei den Hausaufgaben half und abends eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas. Um ehrlich zu sein, wusste Crocodile nicht mehr ganz genau, wie das Gesicht seiner Mutter aussah. Er erinnerte sich an einzelne Details (ihre bernsteinfarbenen Augen, das auffällige Muttermal an ihrer rechten Wange, die Form ihrer Lippen), doch diese wollten sich nicht zu einem Gesamtbild zusammenfügen lassen. Wer könnte es ihm verübeln? Seitdem er seine Mutter zum letzten Mal gesehen hatte, waren nahezu zwanzig Jahre vergangen. Es schockierte Crocodile ein klein wenig, als er darüber nachdachte, dass sie inzwischen einundsechzig Jahre alt sein musste. Die ältere Dame, dir vor ihm an der Kasse stand, griff in ihre Handtasche und holte ein Portemonnaie hervor. Als Crocodile in ihr Gesicht blickte, fühlte er sich, als hätte ihm jemand mit voller Wucht in den Bauch getreten. Alle Luft wich auch seinen Lungen, in seinem Magen bildete sich ein schmerzhafter Knoten und sein Rachen war mit einem Mal so trocken, dass er laut zu husten begann. Seine Mutter sah zu ihm hinüber, während sie dem Kassierer einen Zwanzig-Berry-Schein reichte. Und erst als ihre Blicke sich kreuzten, wurde Crocodile klar, dass sie ihn nicht wiedererkannte. Er stand hinter ihr an der Kasse, sie war kaum eine Armlänge von ihm entfernt, und doch sah sie ihn an als wäre er nicht ihr eigener Sohn, sondern bloß irgendein völlig Fremder. Völlig entsetzt beobachtete Crocodile, wie seine Mutter die Schokoladendonuts und die Karamellbonbons in ihre Handtasche packte, dem Kassierer einen schönen Tag wünschte und anschließend den Ausgang ansteuerte. Ihre Bewegungen waren nicht hektisch oder ungelenk. Sie zeigte nicht das Verhalten einer Person, die gerade jemandem begegnet war, den sie nicht leiden konnte. Sie benahm sich vollkommen normal. Sie war sich überhaupt nicht dessen bewusst, dass sie eben zum ersten Mal seit siebzehn Jahren ihrem zweitältesten Sohn begegnet war. "Das macht zwei Berry." Erst die Stimme des Verkäufers holte Crocodile in die Wirklichkeit zurück. Hastig kramte er seine Geldbörse hervor, reichte dem Kassierer die gewünschten zwei Berry, schnappte sich seine Wasserflasche und verließ geradezu fluchtartig den kleinen Supermarkt. Auch als er nach draußen in die Sonne trat und zweimal tief ein- uns ausatmete, konnte er noch immer nicht fassen, was er gerade eben erlebt hatte. Wenn Crocodile ehrlich war, dann hatte er sich schon hunderte Male ausgemalt, wie seine Eltern reagieren würden, falls er sie jemals wiedersah. Hin und wieder hatte Hoffnung in seinem Herzen zu keinem begonnen und er hatte geglaubt, sie würden bereuen, wie sie sich bei seinem Outing verhalten hatten. Dass sie sich bei ihm entschuldigten und ihn in ihre Arme schlossen. Da Crocodile allerdings kein naiver Idiot war, hatte er sie sich meistens natürlich mit wütenden und angewiderten Gesichtern vorgestellt. Er war davon ausgegangen, dass sie ihn beschimpfen und bespucken würden. Vielleicht sogar den Tag seiner Geburt verfluchen würden. Doch dass seine eigene Mutter ihm in die Augen sah und ihn nicht wiedererkannte... Crocodile wollte schlucken, doch der schmerzhafte Kloß in seinem Hals hinderte ihn daran. Als er spürte, dass seine Augen schwer wurden, bedeckte er sie mit seiner rechten Hand. Hatte seine Mutter ihn tatsächlich vollkommen aus ihrem Gedächtnis gelöscht? Mit zittriger Hand griff Crocodile in seine Hosentasche, holte sein Handy hervor und drückte auf die Kurzwahlnummer 5. Während er darauf wartete, dass sein Verlobter am anderen Ende der Leitung abnahm, versuchte er sich ein wenig zu beruhigen und seine Gedanken zu ordnen. Es gelang ihm nicht sonderlich gut. "Hey, Wani", begrüßte ihn Doflamingo mit fröhlicher Stimme. "Was gibt's?" "Ich..." Crocodile wollte erklären, wieso er anrief. Er wollte von der Begegnung mit seiner Mutter erzählen. Doch als er es versuchte, versagte ihm die Stimme. "Ich... ich...", stammelte er und schaffte es einfach nicht, einen vollständigen Satz über die Lippen zu bringen. "Ganz ruhig", sagte Doflamingo mit sanfter Stimme. Glücklicherweise schien er sofort den Ernst der Lage zu begreifen. "Beruhige dich, Crocodile. Atme tief ein uns aus." Crocodile befolgte die Anweisung seines Partners: Er zwang sich selbst dazu, mehre tiefe Atemzüge zu nehmen. Und tatsächlich spürte er, wie sich allmählich seine Zunge löste. "Kannst du... kannst du heute früher mit der Arbeit Schluss machen? U-und nach Hause kommen? Ich... ich brauche dich jetzt unbedingt in meiner Nähe! Es ist... ist etwas passiert. Ich... ich.... i-ich kann es dir nicht am Telefon erklären. Wir sprechen darüber, wenn wir Z-zuhause sind, ja?" "Klar", sagte Doflamingo mit ernster Stimme. Anscheinend hatte er verstanden, dass irgendetwas wirklich Schlimmes vorgefallen war. Es kam nur sehr selten vor, dass Crocodile ihn bei der Arbeit anrief. Und so aufgelöst wie er jetzt gerade war, hatte sein Verlobter ihn zuletzt erlebt, als die Sache mit dem Autounfall geschehen war. "Wo bist du momentan?", fragte Doflamingo ihn. "In der Bank? Ich schicke meinen Fahrer zu dir, damit er dich abholt." "Nein, ich..." Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Doflamingo wusste immer noch nicht, dass er eine neue Arbeitsstelle gefunden hatte und nun schon seit einigen Wochen nicht mehr bei der Bank arbeitete. Unglücklicherweise lag das Bürogebäude, in dem Tom's Workers untergebracht war, in einem komplett anderen Stadtteil. "Ich kann selber fahren." Weil sein Mercedes C 216 durch den Autounfall, den er verursacht hatte, praktisch einen Totalschaden erlitten hatte und nicht mehr fahrtauglich war, fuhr Crocodile inzwischen mit einem der zahlreichen Wagen seines Verlobten zur Arbeit und wieder zurück. "Bist du dir sicher?", hakte Doflamingo zweifelnd nach. "Du erweckst einen ziemlich aufgewühlten Eindruck. Ich denke, dass es besser wäre, wenn dich mein Fahrer abholt. Bitte leg deinen verdammten Stolz zur Seite, nur dieses eine Mal, ja? Ich würde mir wirklich große Sorgen um dich machen, wenn du dich in diesem Zustand hinters Steuer setzt." "I-ich werde mir ein Taxi nehmen", versprach Crocodile. Und um nicht allzu verdächtig zu wirken, fügte er hinzu: "Ich schaffe es nicht, genug Geduld aufzubringen, um auf deinen Fahrer zu warten. Ich... ich muss weg von hier. Sofort. Wann bist du Zuhause?" "So schnell wie möglich", antwortete Doflamingo. "Ich mache mich sofort auf dem Weg. Rufst du mich gleich noch einmal an, wenn du im Taxi sitzt? Oder schickst mir wenigstens eine Nachricht? Damit ich weiß, dass du okay bist?" Crocodile nickte. Als ihm einfiel, dass sein Partner diese Geste nicht sehen konnte, meinte er schnell: "Ja, okay, mache ich. Bis gleich, Doffy!" "Bis gleich, Crocodile." Crocodile legte auf und zählte im Kopf langsam bis zwanzig, ehe er die Telefonnummer von Kiwi wählte. Sie nahm nach dem fünften oder sechsten Mal Klingeln endlich ab. "Kiwi", sagte Crcodile und war selbst überrascht angesichts der Tatsache, wie schwach seine Stimme klang. "Kannst du Franky bitte mitteilen, dass ich nach Hause fahre? Ich habe mich eben auf dem Weg zum Supermarkt erbrochen und fühle mich furchtbar schlecht." "Natürlich", meinte Kiwi sofort. Sie klang sehr besorgt. "Du Armer, eben ging es dir doch noch gut!" "Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist", erwiderte Crocodile. "Es hat mich einfach von einer Sekunde auf die nächste überkommen! Ich denke, dass ich auch morgen nicht zur Arbeit kommen werde. Aber bis Montag bin ich bestimmt wieder fit!" "Nimm dir ruhig so viel Zeit wie du brauchts, um dich auszukurieren", meinte Kiwi. "Seine Gesundheit sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen! Außerdem sind ja sowieso bereits so gut wie alle Vorbereitungen für die Messe in zwei Wochen getroffen worden. Du hast in letzter Zeit wirklich gute Arbeit geleistet; ich will mir gar nicht vorstellen, wie weit wir im Ruckstand lägen, wenn du nicht eingesprungen wärst. Du hast es wirklich nicht verdient, dich zur Arbeit zu schleppen, wenn du krank bist!" "Ich werde mich morgen noch einmal melden und wegen Montag Bescheid geben." "Gut, mach das", sagte Kiwi. "Gute Besserung!" "Danke", gab Crocodile zurück. "Bis morgen!" "Bis morgen!" Auch wenn Crocodile schrecklich aufgewühlt war, brachte er es nicht über sich, mehr Geld als unbedingt notwendig auszugeben. Er wusste, dass es ganz in der Nähe eine U-Bahnstation gab und machte sich rasch auf den Weg dorthin. Er löste ein Ticket, das vier Berry kostete, und fuhr mit der Bahn in das Stadtgebiet, in dem Doflamingo und er wohnten. Um den Schein zu wahren, nahm er sich dort dann ein Taxi. Für die kurze Fahrt bis zur Villa bezahlte er knapp zehn Berry. Sein Verlobter wartete bereits vor der Eingangstüre. Als er das Taxi in der Auffahrt stehen sah, kam er zu ihm hinübergeeilt. Damit Doflamingo nicht sah, wie günstig die Fahrt gewesen war und Verdacht zu schöpfen begann, schickte er das Taxi rasch wieder fort. "Crocodile", begrüßte ihn sein besorgt wirkender Partner. Er gab ihm einen liebevollen Kuss auf den Mund. "Was ist denn passiert? Du klangst am Telefon ganz aufgelöst." Crocodile nickte. "Können wir uns hinsetzen?", bat er. Noch immer klang seine Stimme untypisch schwach und erschüttert. "Klar", erwiderte Doflamingo, nahm ihm die mitgebrachte Wasserflasche ab, fasste ihn bei der Hand und führte ihn zügig hinüber ins Wohnzimmer. Ohne einander loszulassen, ließen sie sich auf der teuren Couch nieder. Crocodile schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich einigermaßen zu sammeln. Der erste Schock war zwar überwunden, doch er fühlte sich noch immer absolut verzweifelt. Jedes Mal, wenn ihm der Blick seiner Mutter in den Sinn kam, musste er schwer schlucken. Sie hatte einfach durch ihn hindurch gesehen. "Ganz ruhig", sagte Doflamingo und strich sanft eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. "Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst. Und wenn du so weit bist, erzählst du mir der Reihe nach, was passiert ist." Crocodile fixierte die Spitzen seiner schwarzen Lederschuhe, als er mit zittriger Stimme zu sprechen begann: "Ich... ich... ich, ähm, ich... ich habe Mittagspause gemacht und bin in einen naheliegenden Supermarkt gegangen, um mir eine Flasche stilles Mineralwasser zu holen. Vor mir an der Kasse stand eine... eine Frau. Sie hat Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung gekauft. Genau dieselben, die mein Vater immer gegessen hat. Ich musste sofort an meine Eltern denken. Ich erinnere mich noch genau daran, wie Mihawk und Hancock sich jedes Mal freuten, wenn meine Mutter die Schokoladendonuts vom Einkaufen mitbrachte. Jedenfalls... also... a-also..." Seine Stimme überschlug sich. "Ruhig", sagte Doflamingo neben ihm und drückte seine Hand. "Du warst im Supermarkt und wurdest an deine Eltern zurückerinnert. Was ist dann passiert, Crocodile?" "Die Frau, die vor mir an der Kasse stand, hat zu mir hinübergesehen", erzählte er. "Ich musste husten und deswegen hat sie mich angeschaut." Crocodile hielt für einen Moment inne, ehe er meinte: "Sie ist meine Mutter gewesen." Er konnte hören, dass Doflamingo scharf die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. "Deine Mutter?", wiederholte er mit regelrecht schockiert klingender Stimme. "Du hast deine Mutter wiedergesehen?! Was ist passiert? Wie hat sie auf dich reagiert? Habt ihr euch unterhalten?" Crocodile schüttelte den Kopf. Der Kloß in seinem Hals begann schrecklich zu schmerzen, als er sagte: "Sie hat mich nicht erkannt." "Was?" Doflamingo wirkte ganz verdutzt. "Ich stand genau hinter ihr", flüsterte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass der Schmerz, den er fühlte, ganz deutlich herauszuhören war. "Wir waren kaum einen Meter voneinander entfernt. Sie hat mir direkt ins Gesicht gesehen. Aber sie hat mich nicht wiedererkannt. Sie hat mich angeblickt als wäre ich ein völlig Fremder. In ihren Augen war ich bloß irgendein Fremder." "Ich... Crocodile... ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll.... es tut mir so leid!" Es kam nicht oft vor, dass Doflamingo die Worte fehlten. In diesem Moment allerdings wirkte er genauso fassungslos wie sein Partner sich fühlte. Weil er spürte, dass sie erneut heiß und schwer zu werden begannen, bedeckte Crocodile seine Augen mit der rechten Hand. Doflamingo legte beide Arme um seinen Körper und zog ihn nah zu sich heran. Als Crocodile seinen Kopf in die Halsbeuge seines Verlobten bettete, konnte er die Tränen nicht länger zurückhalten: Heiß und schwer rollten sie über seine Wangen. Crocodile schämte sich und kam sich selbst furchtbar jämmerlich vor, doch es gelang ihm einfach nicht, seinen Gefühlen Einhalt zu gebieten. Doflamingo nahm es ihm nicht übel. Er hielt ihn fest, strich ihm zärtlich über den Rücken und flüsterte ihm ein paar tröstende Worte ins Ohr. Es dauerte ein paar Minuten, bis Crocodile sich einigermaßen wieder gefasst hatte. "Danke", sagte er mit belegter Stimme und rieb sich über die Augen, als er sich von seinem Partner löste. "Es gibt nichts, wofür du dich bedanken könntest", erwiderte Doflamingo mit ehrlich klingender Stimme. "Wegen mir musstest du früher mit der Arbeit Schluss machen", wandte Crocodile ein. Plötzlich überfielen ihn Gewissensbisse: Es war sehr egoistisch von ihm gewesen, seinen Verlobten zu drängen, auf der Arbeit alles stehen und liegen zu lassen und nach Hause zu fahren. "Das macht nichts", meinte Doflamingo und winkte ab. "Ich hatte heute sowieso keinen sonderlich produktiven Tag. Und außerdem bist du viel wichtiger. Geht es dir jetzt ein bisschen besser?" Crocodile nickte. "Allmählich finde ich wieder zu mir", sagte er. "Es ist nur... mir kommt alles so surreal vor: Siebzehn Jahre lang habe ich sie nicht mehr gesehen... und plötzlich steht sie vor mir an der Kasse im Supermarkt." "Bist du dir denn ganz sicher, dass sie es war?", hakte Doflamingo vorsichtig nach. "Dass du sie nicht bloß verwechselt hast?" "Ja, ganz sicher", antwortete Crocodile. "Es waren nicht nur die Donuts, die sie für meinen Vater gekauft hat. Sie hat dieselben Augen wie ich. Und ein auffälliges Muttermal auf der Wange. Ich bin mir absolut sicher, dass sie es war!" Erneut zog Doflamingo ihn in eine enge Umarmung. "Sie ist es sowieso nicht wert gewesen!", flüsterte er in einem energisch klingenden Tonfall. "Auf Menschen, die dich wegen deiner sexuellen Orienierung verstoßen, kannst du getrost verzichten! Versuch dieses Ereignis einfach zu vergessen. Und konzentriere dich stattdessen auf deine echte Familie: Mihawk, Hancock und mich. Wir sind diejenigen, die wirklich zählen. Und wir sind immer für dich da!" Crocodile nickte und krallte sich fest an seinen Partner. Seine Fingernägel gruben sich tief in Doflamingos Hüfte, doch dieser hütete sich, auch nur den geringsten Schmerzenslaut von sich zu geben. "Ich bin trotzdem völlig fertig", sagte Crocodile, nachdem er sich von seinem Verlobten wieder gelöst hatte. "Ich meine... sie hat mich nicht beleidigt oder beschimpft. Sie hat mich angeblickt als hätte sie mich noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen. Als hätte sie mich nicht geboren, mir das Laufen und Sprechen beigebracht... Anscheinend hat sie die achtzehn Jahre, die ich gemeinsam mit ihr in einem Haus gelebt habe, vollkommen aus ihrem Gedächtnis gestrichen." "Vielleicht ist es besser so", erwiderte Doflamingo mit eindringlicher und kaltherziger Stimme. "Wie gesagt, Crocodile: Sie ist es nicht wert. Ich kann verstehen, dass dich ihre Ignoranz schmerzt. Aber am Ende kommst du ohne sie besser zurecht. Menschen, die so furchtbar oberflächlich bist, kannst du nicht gebrauchen. Du solltest versuchen, es ihr gleich zu tun, und sie endlich komplett vergessen! Du kommst auch ohne sie gut aus. Weil dich Menschen unterstützt haben, denen du wirklich wichtig bist, ganz gleich ob du Männer oder Frauen magst." "Vermutlich hast du recht", sagte Crocodile mit leiser Stimme. Die Worte seines Verlobten trösteten ihn ein wenig. "Ich habe meine Geschwister, ich habe Daz und vor allen Dingen habe ich dich, Doffy. Auf euch kommt es an; nicht auf meine Eltern, die mich vor so langer Zeit verstoßen haben. Eigentlich kann es mir auch egal sein, ob meine Mutter sich an mich erinnert oder nicht. Ich werde mich sowieso nie wieder mit ihr versöhnen. Es ist längst zu spät." Doflamingo nickte eifrig. "Ganz genau!", sagte er. "Konzentriere dich auf die Dinge, die wichtig sind! Du solltest keine Gedanken an Menschen verschwenden, die es sowieso nicht wert sind!" Crocodile schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Als er sie wieder öffnete, fühlte er sich deutlich besser. "Danke", sagte er und griff nach der Hand seines Verlobten. "Wie gesagt", erwiderte Doflamingo und küsste ihn sanft auf die Stirn, "du musst dich nicht bedanken. Du bist mein zukünftiger Ehemann. Es ist doch wohl selbstverständlich, dass ich mich um dich kümmere, wenn es dir schlecht geht!" Er schwieg für einen kurzen Augenblick, ehe er hinzufügte: "Du solltest versuchen, auf andere Gedanken zu kommen. Warum schauen wir beide uns nicht einfach einen Film an und verdrücken dabei ein paar Cracker? Schließlich sollten wir es ausnutzen, dass wir beide so früh von der Arbeit wieder Zuhause sind." Doflamingo gluckste leise und Crocodile konnte gar nicht anders als dem Vorschlag seines Partners zuzustimmen. * Am folgenden Wochenende stiegen die Temperaturen auf beinahe 30 Grad Celsius und Doflamingo kam prompt auf die Idee, eine Grill- und Gartenparty zu schmeißen. Crocodile war von diesem Vorschlag zwar nicht sonderlich angetan, aber zwang sich um seines Verlobten willen dazu, gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Erst die Nachricht, dass sein Schuldenberg um weitere 120.000 Berry gestiegen war, und kurz darauf die Begegnung mit seiner Mutter waren beileibe nicht spurlos an ihm vorbei gegangen: Tagsüber verschanzte er sich in seinem Lesezimmer und nachts lag er oft stundenlang wach. Crocodile fühlte sich die meiste Zeit über niedergeschlagen und kraftlos. Weil er allerdings die Ansicht vertrat, dass sein Partner, der sich wirklich viel Mühe gab bei dem Versuch ihn zu trösten und aufzuheitern, ein bisschen Spaß verdient hatte, tat er so als würde er sich auf die bevorstehende Party freuen. Wie immer hatte Doflamingo eine Vielzahl von Gästen eingeladen. Es überraschte Crocodile jedoch, als er mitbekam, dass es sich nicht ausschließlich um die Freunde und Bekannten seines Verlobten handelte: Doflamingo hatte sich die Freiheit genommen, auch Daz, Mihawk, Shanks, Hancock und Luffy einzuladen. "Das wird ja eine wirklich riesige Party", sagte Crocodile; er bemühte sich darum enthusiastisch zu klingen, doch es gelang ihm nicht sonderlich gut. Sein Partner nickte. "Es kommen ungefähr achtzig Leute", erwiderte er mit fröhlicher Stimme. Sie beide standen im Garten und beaufsichtigten die Angestellten, die gerade damit beschäftigt waren, Sitzgelegenheiten aufzubauen. Doflamingo war ein zuvorkommender Hausherr: Natürlich mutete er seinen Gästen keine ungemütlichen Klappstühle zu; stattdessen ließ er Sessel und Bänke aus Korbgeflecht aufstellen und mit gemütlichen Kissen bestücken. Bei den Gartenmöbeln handelte es sich um Sonderanfertigungen, die ein namenhafter Designer ganz nach den Wünschen seines extravaganten Kunden gestaltet hatte, und sie waren teurer gewesen als der Wagen, den Mihawk fuhr. "Findest du eine lange Tafel oder kleine Tischgruppen besser?", fragte Doflamingo, während sie Hand in Hand durch den Garten spazierten. "Ähm, kleine Tischgruppen?"", erwiderte Crocodile (dem diese Entscheidung relativ gleichgültig war) in einem eher unbeholfen klingenden Tonfall. "Wirklich?" Doflamingo zog die Augenbrauen zusammen. "Ich habe die Befürchtung, dass jeder bei seinem Tisch bleiben wird und die Menschen nicht miteinander ins Gespräch kommen. Und mir ist es sehr wichtig, dass meine und deine Leute sich gut verstehen. Es ist heute ja das erste Mal, dass sie sich begegnen." "Darum musst du dir keine Sorgen machen", erwiderte Crocodile, obwohl er sich selbst nicht ganz sicher war. Bei dieser Gartenparty würden zwei Welten aufeinandertreffen. Seine Geschwister und Freunde waren den unermesslichen Luxus, der ihnen hier geboten wurde, überhaupt nicht gewohnt. Trotzdem bemühte er sich darum, positiv zu denken. Er wollte seinem Partner, der sich sehr auf den Abend zu freuen schien, nicht die Laune verderben. "Mihawk und Daz sind zwar eher zurückhaltende Menschen, aber eigentlich kommen sie mit fast jedem gut klar. Und Hancock, Luffy und Shanks sind ja sowieso sehr offen und kontaktfreudig. Ich bin mir sicher, dass sie gut zurecht kommen werden." "Hoffentlich", meinte Doflamingo mit zweifelnder Stimme. Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er plötzlich fragte: "Findest du, dass ich bei dieser Party zu dick auftrage?" Verwundert zog Crocodile eine Augenbraue hoch. "Wie kommst du denn darauf?", hakte er nach. "Normalerweise heißt es bei dir doch: Je pompöser, desto besser. Oder nicht?" "Schon", gab Doflamingo kleinlaut zu. "Mir sind meine Freunde sehr wichtig und ich bemühe mich immer darum, ein guter Gastgeber zu sein. Meinen Gästen soll es an nichts fehlen. Aber nun ja... ich bin schon zweimal auf Parties gewesen, die deine Geschwister gegeben haben. Und beide Male war es eine völlig andere Art von Feier als ich es gewohnt bin. Versteh mich bitte nicht falsch! Mihawks Geburtstagsparty und Hancocks Schwangerschaftsparty waren toll und ich hatte wirklich sehr viel Spaß, nur... du weißt schon... ich möchte vermeiden, dass die beiden sich von mir in den Schatten gestellt vorkommen. Erinnerst du dich noch daran, wie wir uns damals auf den Weg zu Mihawks Party gemacht haben? Ich wollte eigentlich mit meinem Aston Martin fahren, aber du warst ganz entsetzt und meintest, dieser Wagen würde viel zu aufschneiderisch wirken. Da ist mir wieder richtig bewusst geworden, wie viel reicher ich bin als du. Und dass ich oft (ohne es zu beabsichtigen) arrogant und eingebildet erscheine. Einfach weil für mich viele Dinge, die Andere als Luxus betrachten, eine absolute Selbstverständlichkeit sind. Dabei ist es mir gar nicht wichtig, wie viel Geld jemand besitzt! Und ich möchte auch nicht den Eindruck des eingebildeten und aufgeblasenen Multimillionärs erwecken." "Keine Panik", versuchte Crocodile seinen Partner zu besänftigen. "Meine Geschwister und Freunde kennen dich doch schon längst. Sie wissen, dass du kein herablassender Wichtigtuer bist." "Wissen sie denn überhaupt, dass ich reich bin?", hakte Doflamingo skeptisch nach. "Nicht, dass sie alle den Schock ihres Lebens bekommen, wenn sie heute Abend hier ankommen." "Klar wissen sie, dass du Millionär bist", erwiderte Crocodile. "Ich habe ihnen schon von dir erzählt, lange bevor du sie kennengelernt hast. Mach dir keinen Kopf, Doffy! Ich bin mir sicher, dass die Party ein Erfolg wird. Meine Freunde und Familie sind diesen exklusiven Lebensstandard zwar nicht gewohnt, aber dafür werden sie ihn heute Abend umso mehr genießen. Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen." "Das ist leichter gesagt als getan", meinte Doflamingo. Er wirkte noch immer ein wenig besorgt, doch lächelte inzwischen wieder. "Ich wünsche mir, dass all meine Gäste sich wohlfühlen und untereinander gut verstehen. Schließlich handelt es sich um ungefähr die gleiche Gruppe, die wir auch zu unserer Hochzeit einladen werden." Bei der Erwähnung ihrer bevorstehenden Hochzeit musste Crocodile unweigerlich schlucken. Seit er erfahren hatte, dass sein Autounfall ihn satte 120.000 Berry kosten würde, hatten sie beide nicht mehr über dieses Thema gesprochen. Insgeheim hatte Crocodile beinahe schon gehofft gehabt, Doflamingo würde sich mit dem Gedanken anfreunden, ihre Hochzeit zu verschieben. Immerhin wusste sein Partner doch Bescheid über die riesige Geldsumme, die er aufbringen musste. Wie sollte er in seiner momentanen finanziellen Situation auch noch eine Hochzeitsfeier bezahlen? "Kommen heute denn auch deine Verwandten?", fragte Crocodile seinen Verlobten. "Wir hatten ja ausgemacht, dass ich sie kennenlerne, bevor wir sie auch auf die Gästeliste setzen." Vielleicht, kam es Crocodile plötzlich in den Sinn, ging Doflamingo davon aus, dass es für ihn überhaupt kein Problem darstellte, mehr als 100.000 Berry zu bezahlen. Er hatte mit seinem Partner niemals im Detail über seine finanzielle Möglichkeiten gesprochen; auch nicht, ehe er seine Arbeitsstelle verloren hatte und in einem riesigen Schuldenberg versunken war. Womöglich glaubte Doflamingo, dass ihm mehr als genug Geld zur Verfügung stand, um sowohl die Rechnung über 120.000 Berry als auch die Kosten für ihre Hochzeitsfeier zu stemmen. Bei diesem furchtbaren Gedanken lief es Crocodile eiskalt den Rücken hinunter. Wie sollte er seinem schwer reichen Verlobten erklären, dass er definitiv nicht dazu in der Lage war, für beides aufzukommen? "Ich habe zwei meiner Cousinen und ihre Eltern eingeladen", meinte Doflamingo. "Ich dachte mir, dass es einfacher für dich ist, wenn du meine Familie nach und nach kennenlernst. Du sollst dir nicht vorkommen wie auf dem Präsentierteller." "Danke", erwiderte Crocodile und brachte ein schwaches Lächeln zustande. "Das ist sehr rücksichtsvoll von dir. Ich hoffe, dass deine Tante, dein Onkel und deine Cousinen mich mögen werden." "Darum mache ich mir überhaupt keine Sorgen", sagte Doflamingo und winkte breit grinsend ab. "Sie sind sehr nette Menschen. Und ich habe ihnen schon viel von dir erzählt. Sei einfach du selbst; dann kann nichts schiefgehen!" Ob er seinem Verlobten erzählen sollte, dass er aufgrund der neu hinzugekommenen Schulden nicht die Möglichkeit hatte, sich an den Kosten für ihre Hochzeit zu beteiligen? Würde Doflamingo Verständnis für ihn aufbringen? Crocodile senkte den Blick. Konnte ein so unfassbar reicher Mann wie sein Verlobter seine problematische Lage überhaupt nachvollziehen? Mit Sicherheit hatte Doflamingo in seinem ganzen Leben noch niemals vor dem Problem gestanden, sich irgendetwas nicht leisten zu können. Er war praktisch mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden. "Ist alles in Ordnung?", fragte Doflamingo plötzlich und zog die Augenbrauen zusammen. "Du erweckst nicht gerade einen sonderlich fröhlichen Eindruck. Ist dir nicht gut?" "Mit meinem Magen ist alles in Ordnung, falls du darauf anspielen willst", erwiderte Crocodile rasch und lächelte wacker. "Ich bin nur ein wenig nervös. Du weißt schon, wegen deiner Familie. Ich möchte auf jeden Fall einen guten Eindruck hinterlassen." "Wie gesagt", meinte sein Verlobter in einem sehr sanft und verständnisvoll klingenden Tonfall, "darum musst du dir keine Sorgen machen. Es gibt absolut keinen Grund, um aufgeregt zu sein: Meine Verwandten sind wirklich sehr, sehr freundlich. Und außerdem musst du dich ja nicht den ganzen Abend lang nur mit ihnen unterhalten. Es kommen ungefähr achtzig Gäste; du wirst also oft genug die Gelegenheit haben, um auch mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen." Crocodile nickte. Doch wenn er davon ausging, dass Doflamingo Verständnis für seine miserable finanzielle Situation aufbringen würde... wäre dann nicht alles umsonst gewesen? Die vielen Lügen, die er seinem Verlobten erzählt hatte. Die Farce, die er nun schon seit vier oder fünf Monaten aufrecht erhielt. All die Sorgen, die Quälerei, die harte Arbeit... Wenn er davon ausging, dass Doflamingo sich nicht von ihm abwenden würde... Wozu hatte er denn dann diese furchtbare Zeit durchgestanden? Ich hätte ihm sofort die Wahrheit erzählen sollen, dachte Crocodile und verzog den Mund, so als läge ein bitterer Geschmack auf seiner Zunge. Ich hätte ihm gleich am ersten Tag von meiner Kündigung und meinen Schulden erzählen sollen. Er wäre nicht wütend geworden. Er hätte sich nicht von mir getrennt. Er hätte mich unterstützt und versucht mir so gut wie möglich zu helfen. Diese Erkenntnis traf ihn hart. "Ich, ähm, ich werde mal nachfragen, ob man in der Küche das Grillfleisch schon vorbereitet hat", sagte Crocodile an seinen Verlobten gewandt. "Bereits in einer Stunde erwarten wir die ersten Gäste, nicht wahr?" Doflamingo nickte. "Gute Idee", meinte er, beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen kurzen, doch liebevollen Kuss auf die Lippen. "Dann sehe ich nach den Getränken. Ich habe mir gedacht, dass ich keine Theke aufbauen lassen, sondern die Leute von ein paar Kellnern bedient werden. Dann müssen sie nicht jedes Mal aufstehen, wenn sie ein Getränk bekommen wollen." "Du bist ein wirklich zuvorkommender Gastgeber", entgegnete Crocodile. "Wenn man bei dir zu Gast ist, fühlt man sich gleich wie prominenter Besuch." "Genau dieses Gefühl versuche ich ja auch zu vermitteln", meinte Doflamingo mit geschmeichelt klingender Stimme, ehe er sich auf den Weg machte, um mit seinen Angestellten über den Getränkeausschank zu sprechen. In der Küche waren Doflamingos Bediensteten bereits überaus fleißig gewesen. Das hochwertige Fleisch, das heute Abend auf dem Grill landen würde, war längst fertig vorbereitet worden. Dasselbe galt auch für die vielen anderen Gerichte und Lebensmittel, die gereicht werden sollten: Salat, Brot, Nudeln, Reis, Fisch, Gemüse, Pilze, Couscous, Dips und Saucen in endlosen Variationen. Wie üblich hätte das Aufgebot an Nahrungsmitteln ausgereicht, um mindestens die dreifache Anzahl der Gäste mehr als satt zu bekommen. Crocodile wurde ein wenig übel, als er daran zurückdachte, dass er als Student manchmal tagelang nichts außer Corneflakes oder Instant-Nudeln gegessen hatte, weil sein Geld für eine bessere Ernährung nicht ausgereicht hatte. Da in der Küche alles rund zu laufen schien, nutzte Crocodile die Zeit, um sich ein letztes Mal zurückzuziehen und seine Gedanken zu ordnen, ehe die Gartenparty losging. Er verschanzte sich in einem der zahlreichen Gästebäder der Villa und ließ sich in einer sehr kraftlos wirkenden Bewegung auf dem heruntergeklappten Toilettensitz nieder. Um ehrlich zu sein, war seine Laune absolut miserabel. Nicht bloß, weil er überhaupt keine Lust auf die bevorstehende Party hatte, sondern vor allem wegen Doflamingo. Es ärgerte Crocodile, dass dieser ihre Hochzeit nicht verschieben zu wollen schien. Schließlich hatte Doflamingo den Brief, der die Forderung von 120.000 Berry enthielt, selbst gelesen gehabt! Ging er tatsächlich davon aus, dass er einen Geldbetrag in dieser immensen Höhe einfach aus dem Ärmel schütteln konnte? Aber sein Verlobter müsste doch wissen, dass er lange nicht so reich war wie er! Immerhin waren sie beide schon seit etwa zehn Monaten ein Liebespaar. Doflamingo hatte doch mit eigenen Augen gesehen, unter welchen Umständen er gelebt hatte, ehe sie beide zusammengezogen waren: Er hatte in einer Mietwohnung gewohnt, keine Köche oder Putzkräfte eingestellt gehabt, nur ein einziges Fahrzeug besessen... Wie kam sein Partner dann nur auf den verrückten Gedanken, dass satte 120.000 Berry für ihn nichts weiter als Peanuts waren? Crocodile presste die Zähne fest aufeinander. Zum ersten Mal, seit ihm gekündigt worden war, spürte er, wie er nicht auf sich selbst, sondern auf Doflamingo wütend wurde. Offensichtlich hatte sein Verlobter sich überhaupt nicht die Mühe gemacht, sich in ihn hineinzuversetzen. Immerhin wusste Doflamingo doch darüber Bescheid, dass ihm sämtliche Kosten, die durch den Autounfall entstanden waren, in Rechnung gestellt wurden. Er wusste ganz genau, dass Crocodile 120.000 Berry zu zahlen hatte! Und er wusste auch, dass diese Summe für seinen Verlobten alles andere als eine Kleinigkeit darstelle! Und trotzdem sprach er noch immer davon, ihn so bald wie möglich zu heiraten! "Du bist so ein verdammter Egoist!", brüllte Crocodile zornig, erhob sich und schlug mit der rechten Faust gegen den Spiegel, der über dem Waschbecken hing. "Du mieses Arschloch! Du willst nur wieder deinen Willen durchsetzen! Dass ich kein Geld habe, ist dir vollkommen egal! Du gottverdammter Wichser!" Es dauerte nicht lange, bis Crocodile wieder zu sich gekommen war. Entsetzt ließ er seinen Blick zwischen den am Boden liegenden Spiegelscherben und seiner blutenden, schmerzenden Faust hin- und herwandern. Crocodile war sich dessen bewusst, dass er gelegentlich ein sehr temperamentvolles Verhalten an den Tag lag, doch in einem Wutanfall wahllos Gegenstände kurz und klein zu hauen, sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Normalerweise hatte er sich selbst recht gut unter Kontrolle. Wie sollte er Doflamingo diesen Schaden nur erklären? Dass er gestolpert und mit der Faust aus Versehen gegen den Spiegel gekommen war, würde ihm sein Verlobter mit Sicherheit nicht glauben. Sollte er also einfach das Badezimmer verlassen und darauf hoffen, dass niemand den zerbrochenen Spiegel auf ihn zurückführen würde? "Wani?" Sofort spürte Crocodile, wie sich die Haare in seinem Nacken und an seinen Unterarmen aufstellen. Oh nein, bitte nicht, dachte er verzweifelt und ließ seinen Blick unwirsch über den mit Spiegelscherben übersäten Boden schweifen. Was machte sein Partner denn hier? Hatte er nicht nach den Getränken sehen wollen? Crocodile hörte, wie jemand gegen die Tür klopfte. "Wani?", wiederholte Doflamingo in einem besorgt klingenden Tonfall. "Geht es dir gut? Ich habe eben ein lautes Scheppern gehört." "Ich bin okay", antwortete Crocodile, doch seine Stimme klang so halbherzig, dass sie nicht einmal ihn selbst überzeugen konnte. "Mach bitte die Türe auf", erwiderte aus diesem Grund sein Partner in einem gleichzeitig sanft und energisch klingenden Tonfall. Crocodile seufzte. Er war sich dessen bewusst, dass es aus dieser Situation kein Entkommen geben würde. Zu Doflamingos prägnantesten Eigenschaften gehörte definitiv seine unfassbare Sturheit. Er würde so lange vor der Badtüre stehen bleiben, bis sie sich öffnete. Ganz egal, wie lange dies auch dauern mochte. Also ergab Crocodile sich seinem Schicksal und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Seine Hand pochte unangenehm und blutete stark. Erst jetzt fiel ihm auf, dass eine kleine Spiegelscherbe in seinem Fleisch steckte. Doflamingo saugte scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als er das kleine Badezimmer betrat. "Was ist denn hier passiert?", fragte er mit schockiert klingender Stimme. "Ich hatte einen Wutanfall", gestand Crocodile und senkte den Blick. "Tut mir leid. Es... es hat mich einfach überkommen. Ich werde den Spiegel natürlich bezahlen." "Der verdammte Spiegel ist mir scheißegal!", erwiderte sein Verlobter energisch. "Ich... Crocodile... Oh Mann, ich... mir fehlen die Worte! Was ist denn der Grund für deinen Wutanfall gewesen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Um ehrlich zu sein, hatte er im Moment keine große Lust auf irgendwelche tiefschürfenden Gespräche. Doflamingo berührte ihn an den Schultern und blickte ihm tief in die Augen. Crocodile seufzte laut auf und biss sich auf die Unterlippe, bis sie zu schmerzen begann. "Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst", meinte Doflamingo. "Auch über unangenehme Dinge. Bitte sag mir die Wahrheit, Crocodile: Wieso bist du wütend? Und auf wen?" "Wir sollten ein anderes Mal darüber sprechen", erwiderte Crocodile und hoffte insgeheim, dass sie dieses Gespräch niemals nachholen würden. "Die Gäste kommen gleich. Es wäre sehr unhöflich, sie nicht zu begrüßen. Komm: Wir verbinden meine Hand und danach gehen wir wieder nach draußen in den Garten." Doch Doflamingo ließ ihn nicht los. "Wir reden jetzt darüber!", meinte er. "Die Gäste können warten!" Crocodile zögerte einen Moment, ehe er schließlich zugab: "Ich war wütend auf dich." "Auf mich?" Mit dieser Antwort schien sein Verlobter nicht gerechnet zu haben. "Aber wieso denn das? Was habe ich falsch gemacht?" "Das würdest du nicht verstehen", erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. "Können wir jetzt bitte meine Hand verbinden? Sie tut weh." Das war nicht gelogen: Je ruhiger er wurde, desto intensiver spürte Crocodile den Schmerz in seiner rechten Hand. Er hatte nicht gerade leicht zugeschlagen. Doflamingo öffnete die Schublade eines hohen, schmalen Schrankes, der links neben dem Waschbecken stand, und holte einen Verbandskasten hervor. Crocodile hielt seinem Partner den rechten Arm hin; da ihm die linke Hand fehlte, war er leider nicht dazu in der Lage, die Wunde selbst zu versorgen. Während Doflamingo mit einer Pinzette die kleinen Spiegelscherben aus seinem Handrücken entfernte und die Verletzung desinfizierte, sprach keiner von ihnen beiden ein Wort. Erst als er den Verband um seine Hand zu wickeln begann, meinte Doflamingo mit leiser Stimme: "Ich glaube nicht, dass es genäht werden muss." Crocodile nickte. Er hätte nicht gewusst, was er auf die Aussage seines Partners erwidern sollte. Mit jeder Sekunde, die verging, wurde die Luft dicker und ihr Schweigen unangenehmer. "Bist du jetzt wütend auf mich?", fragte Crocodile, als Doflamingo von seiner Hand abließ. Sein Partner schüttelte den Kopf. "Ich bin nicht wütend", sagte er. "Ich frage mich nur... nun ja... was ich falsch gemacht haben könnte. Und wieso du sagtest, ich würde den Grund nicht verstehen." Crocodile senkte den Blick. Als er die vielen Scherben registrierte, die auf dem Fußboden verstreut lagen, sagte er: "Ich war wütend, weil du von unserer Hochzeit gesprochen hast. Es klang nicht so als würdest du sie verschieben wollen." "Aber warum sollten wir unsere Hochzeit denn verschieben?", hakte Doflamingo nach und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Er klang nicht zornig oder beleidigt; er schien einfach bloß nicht zu verstehen, worauf sein Verlobter hinauswollte. "Ich meine, ich erinnere mich daran, wie du mit mir darüber gesprochen hattest, dass ich bei den Hochzeitsvorbereitungen hetze und dass wir uns ein bisschen mehr Zeit lassen sollen. Und ich habe mich auch wirklich darum bemüht, dich nicht unter Druck zu setzen. Mir ist ja auch nicht entgangen, wie aufgewühlt und niedergeschlagen du seit deinem Autounfalll bist. Aber das bedeutet doch nicht gleich, dass wir unsere Hochzeit um Monate oder Jahre verschieben müssen, oder nicht? Ich verstehe nicht, wo genau dein Problem liegt." "Mein Problem ist, dass ich keine Ahnung habe, wie ich die Kosten für unsere Hochzeit stemmen soll!" Plötzlich konnte Crocodile nicht mehr an sich halten. Doflamingos absolut dreiste Ignoranz fachte seinen Zorn neu an. All die Sorgen, die sich in ihm aufgestaut hatten, seit er von der Forderung seiner Versicherung erfahren hatte, brachen wie stürmische Wellen aus ihm hervor: "Wegen dem Autounfall, den ich verursacht habe, muss ich einhundertzwanzigtausend Berry bezahlen! Einhundertzwanzigtausend Berry! Wo soll ich denn nur so viel Geld hernehmen, verdammt nochmal?! Selbst wenn ich die nächsten drei Monate mein komplettes Gehalt aufwenden würde, könnte ich diesen Betrag nicht aufbringen! Wie soll ich dann zusätzlich auch noch unsere Hochzeit bezahlen? Verdammt, ich bin nicht so reich wie du, Doflamingo! So unfassbar viel Geld habe ich ganz einfach nicht!" Dieses Geständnis schien seinen Partner zu schockieren. Überrascht zog Doflamingo die Augenbrauen zusammen; mit recht unbeholfen und überfordert klingender Stimme meinte er: "Aber warum hast du denn nichts gesagt?" "Du hast die beiden Briefe doch selbst gelesen!", entgegnete Crocodile scharf. "Du weißt über die Forderung meiner Versicherung genau Bescheid!" "Schon", lenkte Doflamingo ein, "aber ich war mir nicht dessen bewusst, dass die Zahlung der einhundertzwanzigtausend Berry dir solch große Probleme bereitet. Ich bin davon ausgegangen, dass dein Gehalt ausreichen würde, um die Forderung zu begleichen, oder dass du vielleicht ein paar Rücklagen hättest." "Du überschätzt meine finanziellen Möglichkeiten", sagte Crocodile mit leiser Stimme. Er hätte es selbst niemals geglaubt, doch um ehrlich zu sein, tat es unfassbar gut diese Worte auszusprechen. Endlich konnte er seinem Verlobten klarmachen, dass dieser ein völlig falsches Bild von ihm hatte. "Ich bin kein Millionär so wie du! Wenn ich sechsstellige Geldbeträge einfach aus dem Hemdsärmel schütteln könnte, hätte ich mir längst selbst eine riesige Villa und ein Dutzend Luxuskarossen zugelegt! Mann, Doflamingo, ist dir denn nicht aufgefallen, wie verzweifelt ich in den letzten Wochen gewesen bin?!" "Natürlich ist mir das aufgefallen!", hielt Doflamingo dagegen. "Allerdings dachte ich mir, dass du immer noch unter Schock stündest wegen des Unfalls. Ich meine... ich habe die Fotos gesehen, die deine Versicherung gemacht hat. Die komplette rechte Seite deines Mercedes ist demoliert worden; du hättest genausogut auch tot sein können! Mir war überhaupt nicht klar, dass nicht der seelische, sondern der finanzielle Schaden dir zu schaffen macht!" "Jetzt kennst du jedenfalls den Stand der Dinge", seufzte Crocodile. "Es wird Monate dauern, bis ich die einhundertzwanzigtausend Berry zusammen habe. Und deshalb ist es mir in nächster Zeit auch nicht möglich, die Kosten für unsere Hochzeit zu stemmen. Ich befürchte, dass wir sie verschieben müssen. Eine andere Möglichkeit lässt meine finanzielle Situation einfach nicht zu." "Wir hätten früher über dieses Thema sprechen sollen", murrte Doflamingo und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar, "dann hätten wir beide uns den Ärger der letzten Wochen erspart. Wenn du nicht genug Geld hast, dann bezahle eben ich die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry. Und von mir aus kann ich auch die Kosten für unsere Hochzeit übernehmen. Für mich sind das doch sowieso nur Peanuts." "Nein!" Crocodile konnte kaum fassen, was sein Verlobter da von sich gab. "Nein, nein, nein! Auf gar keinen Fall! Ich möchte nicht, dass du mir so viel Geld leihst! Das kommt überhaupt nicht infrage! Ich will nicht mit hunderttausenden Berry bei dir in der Kreide stehen, Doflamingo!" "Ich kann mich nicht daran erinnern, erwähnt zu haben, dass du mir das Geld zurückzahlen sollst", erwiderte Doflamingo; und auch wenn dessen Blick wie üblich durch die getönten Gläser einer Sonnenbrille verdeckt wurden, war Crocodile sich sicher, dass sein Partner mit den Augen rollte. "Du schuldest mir überhaupt nichts, Baby. Ich begleiche die Forderung und damit hat sich das Problem erledigt. Ende aus, Mickey Maus!" Crocodile schüttelte hektisch den Kopf. "Nein, nein, nein", wiederholte er mit energischer Stimme. "Dieses Angebot kann ich nicht annehmen! Es handelt sich einfach um eine viel zu große Summe! Das geht nicht, Doflamingo!" "Es macht mir nichts aus", beteuerte sein Verlobter. "Für mich sind einhundertzwanzigtausend Berry eine Kleinigkeit! Mir würde das Geld nicht fehlen!" "Für mich sind einhundertzwanzigtausend Berry aber keine Kleinigkeit!", hielt Crocodile verzweifelt dagegen. "Überleg es dir." Doflamingo beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf den Mund. Seine Lippen waren warm und schmeckten süß. "Ich weiß, dass du es hasst eingeladen zu werden, aber ich bin mir sicher, dass du mein Angebot letztendlich annehmen wirst. Immerhin ergibt sich überhaupt kein Nachteil für dich. Aber jetzt sollten wir dieses Thema beenden. In ein paar Minuten kommen die ersten Gäste. Heute Abend genießt du die Party! Und morgen, wenn du genug Zeit hattest, um dich mit diesem Gedanken anzufreunden, sprechen wir beide noch einmal ganz in Ruhe über die Sache mit dem Geld. Einverstanden?" Crocodile war mit diesem Vorschlag überhaupt nicht einverstanden, doch er wusste, dass es nichts bringen würde, auf seinen störrischen Verlobten einzureden. Also nickte er ergeben. Als sie beide inbegriff waren, das Gästebadezimmer zu verlassen, fiel Crocodiles Blick erneut auf den zerschlagenen Spiegel und die Scherben, die den Fußboden übersäten. "Bitte erzähl keinem von meinem Wutanfall", bat er Doflamingo mit leiser Stimme. "Ich möchte nicht, dass Daz oder meine Geschwister sich Sorgen um mich machen. Vor allem auf Hancock sollten wir Rücksicht nehmen." Sein Partner nickte. "Ich schweige wie ein Grab", versprach er und küsste ihn erneut, ehe sie beide in den weitläufigen Garten der Villa zurückkehrten. Die Party wurde ein voller Erfolg. Crocodile stellte erleichtert fest, dass sich sowohl seine beiden Geschwister als auch Daz, Shanks und Luffy wohlzufühlen schienen, obgleich sie alle zu Beginn ein wenig eingeschüchtert wirkten angesichts der glitzernden Welt aus Reichtum und unemesslicher Dekadenz, in die sie hineingestoplert waren. Mihawk, der normalerweise alles Andere als schwer von Begriff war, reagierte ganz verwirrt, als ein Page ihn um seinen Autoschlüssel bat, damit er seinen Ford Mondeo in der weitläufigen Tiefgarage unterbringen konnte. „Als du sagtest, dass Doflamingo reich ist“, flüsterte Hancock ihm zur Begrüßung in einem ganz verdattert klingenden Tonfall ins Ohr, „da dachte ich an Villa mit Pool und Tennis-Feld, aber nicht an... an diesen Palast. Verdammt nochmal, Crocodile, wie reich ist dein Freund denn nur!?“ „Ziemlich reich“, gab Crocodile, dem die Verwunderung seiner Schwester beinahe schon unangenehm war, kleinlaut zurück. Gemeinsam mit Doflamingo führte er die neu angekommenen Gäste hinüber in den Garten, wo die Party stattfand. Ungefähr die Hälfte der eingeladenen Leute war bereits anwesend; dazu zählten auch Monet, Kuma und Law, die sogleich zu ihnen herüberkamen. Es überraschte Crocodile, wie freundschaftlich Kuma von seinem Bruder begrüßt wurde, bis ihm einfiel, dass die beiden sich ja bereits kannten. Shanks war der Erste, der sich von seiner anfänglichen Verunsicherung loslöste und dazu überging, den Luxus, der ihm geboten wurde, in vollen Zügen zu genießen: Er griff sich einen Drink vom Tablett eines vorbeilaufenden Kellners und ließ sich prompt auf ein Gespräch mit einer jungen und äußerst attraktiven Frau ein. Mihawk, Hancock, Luffy und Daz folgtem dem Beispiel ihres sehr offenherzigen Freundes und tauten nach und nach auf. Als Crocodile eine dreiviertel Stunde später nach ihnen sah, schienen sich alle prächtig zu amüsieren; sie lachten, tranken und unterhielten sich fröhlich mit den anderen Gästen der Party. Crocodile saß an einem Tisch gemeinsam mit Hancock, Monet, Law und Doflamingo. Er war der einzige aus der Gruppe, der keinen Teller gefüllt mit schmackhaften Leckereien vor sich stehen hatte, doch weil das Hauptaugenmerk momentan sowieso eher auf seiner Schwester als auf ihm lag, sprach ihn glücklicherweise niemand auf diesen Umstand an. Es war das erste Mal, dass Crocodile so etwas wie Erleichterung verspürte, weil Doflamingo sich voll und ganz auf Hancock anstatt auf ihn konzentrierte; er hatte keine Lust auf ein weiteres ernstes Gespräch über seine ungesundes Essverhalten. Dennoch konnte er nicht verhehlen, dass er wie immer ein klein wenig eifersüchtig wurde, als sein Verlobter sich mit seiner attraktiven Schwester unterhielt. „Hast du ein neues Ultraschall-Bild dabei?“, fragte Doflamingo und klang so begeistert, dass man meinen könnte, er spräche nicht von einem Stück Papier, auf dem nichts weiter als verschwommene Flecken zu sehen waren, sondern von einem berühmten Kunstwerk. Hancock nickte und griff nach ihrer Handtasche, um das Foto hervorzuholen. Obwohl sie den Schwangerschaftsbauch, der sich deutlich unter ihrem violetten Kleid abzeichnete, nicht verstecken konnte, sah sie wie immer wunderhübsch aus. Wenn Crocodile sich nicht irrte, dann waren die sowieso schon stattlichen Brüste seiner Schwester noch ein Stück größer geworden, wohingegen sie -abgesehen vom Bauch natürlich- an keiner anderen Stelle zugenommen zu haben schien. Es versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz, als bemerkte, mit welch begeisterter Miene Doflamingo das Ultraschall-Bild betrachtete. Unweigerlich wurde er daran zurückerinnert, dass auch sein Verlobter gerne eine Familie gründen würde. Crocodile presste die Lippen fest aufeinander, als er daran dachte, dass er Doflamingo diesen Wunsch niemals erfüllen könnte. Seine sowieso schon schlechte Laune erreichte einen Tiefpunkt, als Crocodile sich an diejenigen seiner Exfreunde zurückerinnerte, die ebenfalls bisexuell gewesen waren: Jeder einzelne von ihnen hatte ihn wegen seiner Schwester verlassen. „Warum lächelst du auf einmal?“ Crocodile schreckte auf und sah hinüber zu Law, der gleich neben ihm saß und von Doflamingo angesprochen worden war. „Ich lächle doch gar nicht“, gab Law zurück, doch selbst Crocodile, der bisher überhaupt nicht auf seinen Sitznachbarn geachtet hatte, fielen dessen kleine Grübchen auf. Dabei war Law (ähnlich wie Mihawk) eigentlich ein eher zurückhaltender Mensch, der nur sehr selten seine Gefühle äußerte. „Klar tust du das“, erwiderte sein Verlobter breit grinsend. „Du hast auf dein Handy geschaut und dann gelächelt!“ „Blödsinn!“, meinte Law, doch verstaute sein Handy sicherheitshalber in seiner Hosentasche, ehe Doflamingo auf die Idee kam, es vor lauter Neugier an sich zu reißen. „Jemand, der es schafft dich zum Lächeln zu bringen, muss etwas ganz Besonderes sein“, stichelte dieser fröhlich weiter. Law verschränkte die Arme, blies die Backen auf und wich Doflamingos Blick aus, ehe er nach einer Weile mit beinahe verschämt klingender Stimme zugab: „Ich habe tatsächlich jemanden kennengelernt.“ Dieses Geständnis schien Doflamingo den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sein Partner zog verwundert die Augenbrauen zusammen und stockte für einen Moment, ehe er mit verdattert klingender Stimme wiederholte: „Du hast jemanden kennengelernt?“ Law, auf dessen Wangen sich inzwischen zarte Schamesröte ausgebreitet hatte, nickte. „Warum ist das so schwer zu glauben?“, fragte er und klang ein wenig beleidigt. „Nun ja“, gab Doflamingo zurück, „du weißt schon: Meistens meidest du Orte, an denen man andere Menschen kennenlernt. Dich trifft man etwa genauso oft wie Croco in einem Nachtclub. Und vor allen Dingen in letzter Zeit hast du dich ja praktisch in Arbeit vergraben.“ „Er ist mein neuer Tätowierer“, erklärte Law. Er, dachte Crocodile verwundert, doch sprach den Gedanken nicht laut aus. Er hatte gar nicht gewusst, dass Law an Männern interessiert war. „Dein neuer Tätowierer?“ „Bist du schwerhörig?“, erwiderte Law, dem Doflamingos ständige Nachfragen allmählich auf die Nerven zu gehen schienen. „Ja, er ist mein neuer Tätowierer. Wir haben uns vor ein paar Wochen kennengelernt.“ „Aber warum hast du denn nichts davon erzählt?“, hakte sein Verlobter verwundert nach. Law wich dem Blick seines Gesprächspartners aus; offensichtlich war es ihm unangenehm, über seine Gefühle zu sprechen. „Es ist noch nichts Festes“, meinte er schließlich. „Hattet ihr schon ein Date?“ Nun schaltete sich auch Monet ein, die mindestens ebenso interessiert wie Doflamingo wirkte. Law schüttelte den Kopf. „Wir treffen uns morgen Abend“, gestand er und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, dunkles Haar. „Wie schön“, meinte Monet, die zu seiner Linken saß. „Und was macht ihr? Geht ihr essen? Oder vielleicht ins Kino?“ „Wir gehen zusammen auf den Jahrmarkt.“ „Aber du magst Jahrmärkte doch gar nicht!“, hielt Doflamingo dagegen und legte den Kopf schief. „Er hat es nun einmal vorgeschlagen“, gab Law schulterzuckend zurück. „Und ich wollte mich nicht blamieren, indem ich kleinlich erscheine.“ „Es freut mich, dass du endlich jemanden kennengelernt hast“, sagte Monet und lächelte freundlich. „In letzter Zeit bist du zu einem echten Eigenbrötler geworden. Eine Liebesbeziehung würde dir guttun.“ „Aber nur, wenn der Typ okay ist“, wandte Doflamingo mit untypisch ernster Stimme ein. „Fühl dich wegen uns nicht unter Druck gesetzt. Wenn er sich als echtes Arschloch herausstellen sollte, lässt du gefälligst die Finger von ihm!“ Crocodile konnte es Law nicht übel nehmen, als dieser mit den Augen rollte und seinem Verlobten einen leicht genervten Blick zuwarf. „Ich bin ein erwachsener Mann“, sagte er, „und kann gut auf mich selbst aufpassen.“ „Es spielt keine Rolle, wie alt man ist“, erwiderte Doflamingo. „In eine missbrauchende Beziehung kann jeder leicht hineingeraten. Pass einfach auf dich auf, okay?“ „Klar doch“, erwiderte Law und holte sein Handy wieder hervor, als es in seiner Hosentasche vibrierte. Jedem, der am Tisch saß, fiel auf, dass er sich sehr stark darum bemühte, absolut keine Miene zu verziehen, als er hastig die Nachricht las, die er soeben bekommen hatte. Der Abend schritt voran und Crocodile schien der einzige Mensch inmitten der mehr als achtzig Partygäste zu sein, der sich nicht amüsierte. Anstatt sich zu unterhalten und zu lachen, trank er still und einsam ein paar Gläser Wein und hing seinen Gedanken nach. Noch immer war er sich nicht sicher, was er von dem großzügigen Angebot seines Verlobten halten sollte. Er würde lügen, wenn er behauptete, dass es nicht verlockend klang: Die Forderung seiner Versicherung über 120.000 Berry würde sich dank Doflamingo einfach in Luft auflösen und ihn nicht länger belasten. Auf der anderen Seite war Crocodile eine sehr stolze Person. Ihm missfiel der Gedanke, Almosen anzunehmen. Und auch wenn sein Verlobter darauf bestand, dass er ihm die 120.000 Berry nicht zurückzuzahlen brauchte, würde das Geld doch immer zwischen ihnen stehen. Vor Crocodiles geistigem Auge tauchte ein wütender Doflamingo auf, der mit anklagender Stimme rief: „Ich will aber, dass du heute Abend mit in Shakky's Bar kommst! Du bist ein totaler Egoist! Ich habe dir einhundertzwanzigtausend Berry praktisch geschenkt, aber du tust nicht das Geringste für mich! Wenn du mir wirklich dankbar wärst, dann würdest du mitkommen!“ Und was würde (Gott behüte!) im Fall einer Trennung geschehen: Forderte Doflamingo das Geld zurück? Würde Crocodile es überhaupt behalten wollen? Er hatte schon die eine oder andere wirklich hässliche Trennung erlebt und kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass er in einem solchen Fall alles, was ihn an seinen Exfreund erinnerte, so schnell wie möglich loswerden wollen würde. Crocodile erinnerte sich noch lebhaft an Dutzende Fotos und Geschenke, die er in seiner grenzenlosen Wut verbrannt oder aus dem Fenster geschmissen hatte. Den teuren Ring, den Enel ihm zu seinem 28. Geburtstag geschenkt hatte, hatte er sogar die Toilette hinuntergespült. „Woran denkst du gerade?“ Es war die ruhige Stimme seines Bruders, die Crocodile aus seinen Gedanken riss. Er schreckte auf und kreuzte den Blick mit Mihawk. Im Gegensatz zu Hancock, welche die blauen Augen ihres Vaters geerbt hatte, teilten sie beide sich die Augenfarbe mit ihrer Mutter. Unweigerlich wurde Crocodile an seine Begegnung mit ihr zurückerinnert und seine sowieso schon schlechte Laune erreichte einen absoluten Tiefpunkt. „An nichts“, antwortete Crocodile, der nicht in der Stimmung war, um mit Mihawk über seine Probleme zu sprechen. Er mochte seinen Bruder sehr und wollte diesen nicht schockieren, indem er ihm von seinem Autounfall erzählte. Mihawk setzte sich auf den freien Stuhl neben ihn; Crocodile hatte sich den Tisch ausgesucht, der am weitesten weg vom lauten Partytrubel war. Hier waren sie beide ungestört. „Du weißt, dass ich es normalerweise vermeide, mich aufzudrängen“, sagte sein älterer Bruder, „aber ich spüre, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt. Du ziehst dich zurück, du hast noch überhaupt nichts gegessen und du trinkst ein Glas Wein nach dem anderen. Was ist los mit dir?“ „Mir sind die Sachen vom Grill zu fettig“, erwiderte Crocodile, „sie würden meinem Magen nicht sonderlich guttun.“ Um ehrlich zu sein, war ihm Mihawks Sorge unangenehm. Er hatte geglaubt, die Party würde seine Geschwister und Freunde gut genug von ihm ablenken, doch anscheinend hatte er sich in diesem Punkt geirrt. „Es gibt nicht nur Fleisch“, gab Mihawk zurück. „Du hättest auch von den gefühlt einhundert verschiedenen Beilagen, die Doflamingo aufgetischt hat, essen können. Rede dich bitte nicht raus, Crocodile. Erzähl mir stattdessen lieber, was los ist.“ Crocodile seufzte und senkte den Blick. Er zögerte einen Moment, ehe er sich dazu entschloss, seinem Bruder die Wahrheit zu erzählen. „In letzter Zeit ist so einiges schief gelaufen“, erklärte Crocodile und nahm einen großen Schluck Wein. „Ich habe das Gefühl, mein Leben ist eine einzige Abwärts-Spirale. Kaum habe ich das eine Problem gelöst, kommt das nächste neu hinzu. Ganz gleich, was ich auch tue: Es wird einfach immer schlimmer und ich kann nichts dagegen unternehmen.“ Besorgt zog Mihawk die Augenbrauen zusammen. „Wovon genau sprichst du?“, hakte er nach. „Ich habe bereits mehr als die Hälfte meiner Schulden bezahlt gehabt“, begann Crocodile mit bitterer Stimme. „Und durch meinen neuen Job bei Tom's Workers sollte es mir eigentlich gelingen, den Rest im Verlauf eines Jahres zu begleichen. Inzwischen bin ich allerdings wieder bei einer Summe von knapp dreihundertdreiundachtzigtausend Berry angekommen.“ „Aber wie ist das denn passiert?“, hakte Mihawk mit verwundert klingender Stimme nach. „Du bist doch immer sparsam gewesen!“ Crocodile schloss für einen Moment die Augen, ehe er sagte: „Ich habe einen Autounfall gehabt. Beim Linksabbiegen habe ich vergessen, vorher den Gegenverkehr durchzulassen. Ein anderer Wagen ist ungebremst in die rechte Seite meines Mercedes gedonnert. Es hat wohl ein Engel über mich gewacht, denn ich kann wirklich von Glück sprechen, dass ich mit meinem Leben und ohne schwere Verletzungen davongekommen bin. Meinen Mercedes hat es schlimmer getroffen: Die komplette rechte Seite ist demoliert, im Prinzip ist es ein Totalschaden. Die Kosten für den Sach- und Personenschaden belaufen sich auf insgesamt einhundertzwanzigtausend Berry.“ Crocodile konnte hören, wie sein Bruder scharf die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. „Aber du bist doch versichert!“, warf Mihawk ein. „Wieso kommt denn deine Versicherung nicht für den Schaden auf?“ „Ich hatte vorher ein paar Gläser Wein getrunken“, gestand er, „und zum Unfallzeitpunkt 0,3 Promille im Blut. Deswegen weigert sich die Versicherung zu zahlen und alle Kosten bleiben an mir hängen.“ „Ach du heilige Scheiße“, flüsterte Mihawk und warf ihm einen entsetzten Blick zu. Er stockte kurz, ehe er meinte: „Du hast von einem Personenschaden gesprochen. Die Insassen des anderen Wagens...?“ „Gebrochene Nase“, antwortete Crocodile und konnte sehen, wie sein Bruder erleichtert aufatmete. „Aber der Autounfall ist nicht das einzige, was mir zu schaffen macht“, fuhr er fort. „Was ist denn noch passiert?“, wollte sein Bruder wissen. „Ich bin unserer Mutter begegnet.“ „Was?!“ Mihawks Augen weiteten sich entsetzt. „Wann? Wo? Davon hat sie mir überhaupt nichts erzählt!“ „Das glaube ich dir auf's Wort“, meinte Crocodile und konnte sich ein bitteres Lächeln nicht verkneifen. „Sie hat mich nämlich gar nicht wiedererkannt.“ Dieses Geständnis schien Mihawk den Wind aus den Segeln zu nehmen. Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, seinen älteren Bruder jemals dermaßen fassungslos erlebt zu haben. Er brachte keinen einzigen Laut über die Lippen, starrte ihn bloß aus großen Augen heraus an. Es dauerte fast eine halbe Minute, bis er wieder zu sich fand. „Ich...“, sagte er, „ich... ich... verdammt Crocodile... es tut mir so leid! Ich... ich kann gar nicht in Worte fassen, wie unfassbar leid es mir tut...“ „Eigentlich sollte es mich nicht überraschen“, flüsterte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme schrecklich schmerzerfüllt klang. „Sie hat mich das letzte Mal vor siebzehn Jahren gesehen. Damals wurde mein Gesicht noch nicht von einer Narbe entstellt und damals hatte ich auch meine linke Hand noch nicht verloren. Sie hat mich angeschaut und konnte den Jungen, an den sie sich vielleicht noch erinnert, in mir nicht erkennen. Für sie war ich bloß irgendein Fremder.“ Crocodile stockte für einen Moment, ehe er hinzufügte: „Vielleicht verstehst du jetzt, wieso mir nicht nach Party zumute ist. Und wenn du mich entschuldigen würdest: Mein Glas Wein ist leer, ich hole mir ein neues.“ Mit diesen Worten erhob er sich und ließ seinen völlig fassungslos wirkenden Bruder zurück. Crocodile griff nach dem Scotch, der auf dem Tablett eines vorbeilaufenden Kellners stand, und trank das Glas in einem Zug leer. Es war Mitternacht, als Crocodile zu dem Schluss kam, dass er seine Pflicht erfüllt hatte und sich nun endlich ins Bett legen konnte. Doflamingo zuliebe hatte er so getan, als würde er sich amüsieren und darüber freuen, dessen zahlreiche Freunde wiederzusehen. Sogar die Bekanntmachung mit den Verwandten seines Verlobten hatte Crocodile ohne zu jammern durchgestanden. Doch inzwischen hatte er nicht mehr genug Kraft, um weiterhin gute Miene zu bösem Spiel zu machen, und aus diesem Grund wollte sich er sich zurückziehen. Er verabschiedete sich von den anderen Gästen der Party und wenn man ihn fragte, wieso er jetzt schon ins Bett gehen wollte, log er und sagte, er hätte furchtbare Magenschmerzen bekommen. Die einzigen Menschen, die er nicht auffinden konnte, waren sein Partner und dessen guter Freund Vergo. Als Crocodile die beiden auch nach zehn Minuten noch nicht gefunden hatte, gab er die Suche schließlich auf und bat seine Schwester darum, Doflamingo über sein Verschwinden zu informieren. Er wollte vermeiden, dass dieser sich Sorgen um ihn machte. Gerade betrat er die erste Stufe der Treppe, die hinauf in den ersten Stock führte, als er aus dem Gang nebenan ein paar Stimmen vernahm, die sich leise miteinander unterhielten. Crocodile zog verwundert die Augenbrauen zusammen, als er die Stimmen von Doflamingo und Vergo wiedererkannte. Für einen kurzen Moment zögerte er: Warum sprachen die beiden so weit abseits von der Party miteinander? Worum es wohl ging? Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Am Ende entschied er sich allerdings dazu, seinen Weg hinauf ins Schlafzimmer fortzusetzen. Vertrauliche Gespräche, die Doflamingo mit seinen Freunden führte, gingen ihn nichts an. Es wäre sehr unhöflich zu lauschen. Er setzte seinen linken Fuß gerade auf die zweite Treppenstufe, als er hörte, dass leise sein Name fiel. Crocodile zögerte. Wenn man über ihn sprach, sah die Sache gleich ganz anders aus, nicht wahr? Schließlich war es doch sein gutes Recht zu wissen, was Doflamingo und Vergo hinter seinem Rücken über ihn sagten. Ein paar Sekunden lang blieb Crocodile zweifelnd an Ort und Stelle stehen, ehe er schließlich doch auf leisen Sohlen zu dem Gang hinüberhuschte, in dem sich sein Verlobter und dessen Kumpel aufhielten. „... schließt sich ständig in sein Lesezimmer ein“, hörte er Doflamingo sagen. „Nur zum Essen und zum Schlafen verlässt er es, ansonsten bekomme ich ihn kaum noch zu Gesicht. Und wenn, dann spricht er wenig und ist ständig niedergeschlagen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal ganz fröhlich und ungezwungen mit ihm unterhalten habe. Und selbst nachts wird es nicht besser: Er liegt ständig wach. Und wenn er mal schläft, dann nur sehr schlecht. Er hat oft Alpträume.“ Seine Stimme klang teils besorgt, teils anklagend. Crocodile konnte Vergo leise seufzen hören. „Um ehrlich zu sein, kann ich deinem Verlobten dieses Verhalten kaum verübeln“, meinte er, „nicht nach dem, was du mir erzählt hast. Erst der Autounfall und kurz danach diese Sache mit seiner Mutter... Jeder wäre völlig fertig an seiner Stelle.“ „Weiß ich doch“, murmelte Doflamingo. „Ich mache ihm deswegen auch keinen Vorwurf. Was mich wirklich stört, ist, dass er sich einfach überhaupt nicht von mir helfen lassen will! Heute erst habe ich ihm angeboten, die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry für ihn zu bezahlen, aber er hat sich sofort dagegen gewehrt. Sagte, das wäre viel zu viel Geld. Für mich sind das aber doch nur Peanuts. Wenn es ihm dadurch besser geht, würde ich auf eine Millionen Berry für ihn ausgeben! Ich kann nicht nachvollziehen, wieso er meine Unterstützung nicht annehmen möchte. Ich bin doch schließlich sein zukünftiger Ehemann“ „Du musst versuchen ihn zu verstehen“, redete Vergo mit eindringlicher Stimme auf ihn ein. „Er ist nicht so reich wie du. Für ihn sind ein paar hunderttausend Berry unheimlich viel Geld. Stell dir nur einmal vor, jemand würde dir einhundertzwanzig Millionen Berry anbieten; du würdest dich auch nicht wohl dabei fühlen, eine solch riesige Summe anzunehmen. Er lebt in einer ganz anderen Welt als du, Doflamingo. Überleg doch nur, wie viel Geld du für deine unzähligen Exfreunde und -freundinnen ausgegeben hast. Doch am Ende hat es dir nichts gebracht. Crocodile hingegen ist nicht an deinem Geld interessiert, sondern an dir als Person. Er ist ehrlich und möchte dich nicht ausnehmen. Das ist unheimlich viel wert!“ Vergo hielt für einen Moment inne, ehe er hinzufügte: „Du könntest ja auch versuchen, ihm anders als nur auf finanzieller Ebene zu helfen. Du hast doch gesagt, dass sich seine psychischen Probleme seit dem Autounfall wieder verschlimmert haben. Wieso suchst du nicht gemeinsam mit Crocodile einen Psychiater auf? Vielleicht kann ihm ein Professioneller dabei helfen, seine Probleme zu lösen.“ „Diesen Vorschlag habe ich ihm schon vor ein paar Monaten gemacht“, gestand Doflamingo. „Du weißt schon, nachdem er seinen Nervenzusammenbruch hatte. Aber er hat ganz entsetzt reagiert. Wenn ich hartnäckig bleibe, könnte ich ihn vermutlich dazu überreden, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber solange er sich innerlich dagegen wehrt, wird auch der beste Psychater nichts ausrichten können.“ Crocodile biss sich auf die Unterlippe und zwang sich selbst dazu, keinen Laut von sich zu geben. Dass sein Verlobter von ihm sprach, als handelte es sich bei ihm um ein seelisches Wrack, das ohne Hilfe von außen nicht mehr zu reparieren war, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz. „Da hast du nicht Unrecht“, gab Vergo zu. „Es macht mich total fertig, dass ich nichts tun kann, um ihm zu helfen!“ Diese Worte schienen geradezu aus Doflamingo herauszubrechen; er erweckte einen völlig verzweifelten Eindruck. „Egal, was ich ihm anbiete, er schmettert jeden Vorschlag sofort ab. Crocodile möchte all seine Probleme unbedingt im Alleingang lösen und bemerkt dabei gar nicht, dass er sich selbst zerstört. Sein Stolz und seine Sturheit verbauen ihm alle Auswege. Ich bin mir sicher, dass unsere Beziehung viel besser laufen würde, wenn er über seinen Schatten springen könnte.“ „Du darfst nicht vergessen, dass jeder seine Fehler hat“, wandte Vergo ein. „Niemand ist perfekt. Weder Crocodile noch du selber. Ich bin mir sicher, dass er es zum Beispiel mit deinem ausgeprägtem Egozentrismus aus nicht immer einfach hat. Außerdem versucht er doch sich zu bessern, oder nicht? Immerhin hat er dich sofort angerufen und um Hilfe gebeten, als er seiner Mutter begegnet ist. Erinnerst du dich?“ „Natürlich erinnere ich mich“, meinte Doflamingo und klang gleich wieder ein bisschen fröhlicher. „Ich musste zwar das Geschäftsessen mit Hogback sausen lassen und habe dadurch Verluste in Höhe von einer halben Millionen Berry gemacht, aber das war es mir auf jeden Fall wert. Ich wünschte, es wäre immer so einfach: Wenn irgendetwas los ist, sagt er mir Bescheid und wir finden gemeinsam eine Lösung. Alles wäre viel einfacher, wenn wir so offen und ehrlich miteinander wären.“ Verluste in Höher von einer halben Millionen Berry, wiederholte Crocodile gedanklich und konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter da gerade von sich gegeben hatte. Ihm gegenüber hatte dieser doch behauptet, er hätte sowieso keinen sonderlich produktiven Tag gehabt! Sofort spürte Crocodile, wie ihn Gewissensbisse überkamen. Es war nicht seine Absicht gewesen, Doflamingo beim Aushandeln eines wichtigen Deals zu stören. „Ihr seid kaum seit einem Jahr zusammen“, sagte Vergo. „Vertrauen wächst mit der Zeit, Doflamingo. Steh ihm bei und unterstütze ihn, so gut du kannst. Mehr steht nicht in deiner Macht. Und irgendwann wird eure Beziehung so weit sein, dass ihr einander uneingeschränkt vertraut. Du bist wie immer zu voreilig.“ „Crocodile sagt auch immer, dass ich hetze“, meinte Doflamingo und gab ein Geräusch von sich, das wie eine Mischung aus Glucksen und Seufzen klang. „Vermutlich hast du Recht, Vergo. Ich sollte ihm mehr Zeit geben. Es ist nur... früher, wenn meine Freunde und Freundinnen Probleme hatten, dann hat mich das auch immer gestört. Aber auf eine ganz andere Art und Weise als bei Crocodile. Ich habe mich genervt gefühlt und hatte überhaupt keine Lust, mich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen. Meine Freunde und Freundinnen waren für mich nichts anderes als Spielzeuge; sie sollten mich unterhalten und mir Spaß machen. Und wenn sie schlecht drauf waren oder ein Problem hatten, dann bekam ich das Gefühl, dass mein Spielzeug kaputt gegangen sei. Und ich tauschte es einfach gegen ein Neues aus. Dabei hatte ich auch kein schlechtes Gewissen: Die Frauen und Männer waren ja alle doch bloß hinter meinem Geld her. Ich kaufte sie und wenn sie nicht mehr funktionierten, warf ich sie weg. Aber bei Crocodile ist es anders. Er ist nicht bloß irgendein Spielzeug, sondern mein Verlobter. Ich möchte, dass es ihm gut geht und er keine Sorgen hat. Ich wünsche mir, dass er glücklich ist. Und zwar nicht für mich, sondern für ihn. Ich liebe ihn. Er ist etwas ganz Besonderes.“ Crocodile spürte, dass seine Knie weich wurden, und presste sich die rechte Hand fest auf den Mund, um ja kein Geräusch von sich zu geben. „Es quält mich zu sehen, dass er unglücklich ist“, fuhr Doflamingo fort. „Es quält mich, dass er sich nicht von mir helfen lassen will. Und vor allem quält mich, dass er mir nicht die Wahrheit sagt! Ich spüre, dass da noch irgendetwas ist. Seine psychischen Probleme haben nicht erst begonnen, als er den Autounfall hatte. Den Nervenzusammenbruch zum Beispiel hatte er schon vorher. Sein größtes Problem kenne ich noch gar nicht, da bin ich mir absolut sicher.“ „Gib ihm Zeit“, wiederholte Vergo mit eindringlich klingender Stimme. „Wenn du sein Vertrauen nicht missbrauchst, wird er sich dir irgendwann öffnen.“ „Ich sehne diesen Tag herbei“, sagte Doflamingo. „Und gleichzeitig fürchte ich mich vor ihm. Was ist, wenn es sich um ein Problem handelt, das sich nicht durch Geld oder einen Psychiater lösen lässt?“ „Jetzt steigere dich da nicht hinein“, warnte Vergo seinen Verlobten. „Als wir über einen Ehevertrag sprachen“, fuhr Doflamingo nichtsdestotrotz fort, „da meinte er, ein Grund für eine Scheidung könnte sein, dass einer der beiden Ehepartner schwer krank wird. Und er hat in letzter Zeit ständig Probleme mit seinem Magen. Früher hatte er höchstens ein- oder zweimal im Monat Magenschmerzen. Inzwischen manchmal fast jeden zweiten Tag.“ „Worauf willst du hinaus?“, fragte Vergo mit zögerlicher Stimme. „Vielleicht ist Crocodile krank“, sagte Doflamingo und es klang, als würde ein bitterer Geschmack auf seiner Zunge liegen. „Es passt alles zusammen: Genau zu dem Zeitpunkt, an dem es ihm psychisch schlechter zu gehen begann, verstärkten sich auch die Probleme mit seinem Magen. Ich habe mit Law über dieses Thema gesprochen: Er hat gesagt, es gibt unzählige schlimme Erkrankungen, die mit dem Magen zu tun haben können. Infektionen, Geschwüre... man kann sogar Magenkrebs bekommen!“ „Jetzt mal doch nicht gleich den Teufel an die Wand!“, versuchte Vergo Doflamingo zu zügeln. „Du hast überhaupt keine Beweise für diese Theorie. Der Grund für Crocodiles Magenbeschwerden kann genausogut auch relativ harmlos sein. Hat er dir nicht sogar zu Beginn eurer Beziehung erzählt, dass er einen sehr empfindlichen Magen hat? Vielleicht schlägt ihm einfach der Stress auf den Magen und mehr ist da nicht. Du solltest dich nicht verrückt machen, Doflamingo.“ „Also gut“, gab sein Verlobter sich geschlagen. „Vielleicht hast du Recht und ich übertreibe ein wenig.“ „Ein wenig?“, wiederholte Vergo und seufzte leise. „Ich finde, wir sollten dieses Gespräch beenden, bevor deine Theorie noch groteskere Züge annimmt. Komm schon, lass uns zurück zur Party gehen. Du hast dir genug Sorgen gemacht; jetzt solltest du dich amüsieren. Vielleicht gelingt es dir ja sogar, Crocodile zu einem Tanz zu überreden.“ „Das glaube ich nicht“, gab Doflamingo zurück und kicherte leise. „Er leidet nämlich an der Ich-bin-überzeugt-davon-dass-ich-nicht-tanzen-kann-obwohl-das-gar-nicht-stimmt-Krankheit. Und das meine ich wirklich ernst! Aber gut, von mir aus, lass uns zurück nach draußen gehen. Meine Gäste werden sich bestimmt schon fragen, wohin ich verschwunden bin.“ Erst nachdem Doflamingo seinen letzten Satz beendet hatte, fiel Crocodile ein, dass er sich besser schleunigst vom Acker machen sollte. Immerhin wussten weder sein Partner noch Vergo, dass sie belauscht worden waren; und um ehrlich zu sein, legte Crocodiles es nicht darauf an, erwischt zu werden. Es gelang ihm gerade noch, sich hinter einer großen und exotischen Zierpflanze zu verstecken, ehe Doflamingo und Vergo den Korridor verließen und zur Partygesellschaft zurückkehrten. Die ganze Nacht lang ging Crocodile die Unterhaltung, die er mitgehört hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass er in letzter Zeit wenig lachte und sich sehr häufig zurückzog, doch dass sein Verlobter so stark unter diesem Verhalten litt, hatte er nicht geahnt. Crocodile seufzte leise und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser, das angenehm auf seine blasse Haut prasselte, konnte ihn nicht aufmuntern. Er fühlte sich furchtbar schlecht. Dass Doflamingo sich solch große Sorgen um ihn machte, war wirklich nicht seine Absicht gewesen. Crocodile bereute es, seinen empfindlichen Magen so oft als Rechtfertigung für seine schlechte Laune missbraucht zu haben. Es hatte ihn ehrlich schockiert, als sein Partner begonnen hatte von Magenkrebs zu sprechen. Sein schlechtes Gewissen verstärkte sich, als er daran dachte, dass er vor ein paar Minuten erst seine angeblichen Magenschmerzen erneut vorgeschoben hatte, um mit der Wahrheit nicht herausrücken zu müssen. Crocodile stellte das Wasser ab und trocknete seine Haut mit einem flauschigen, weißen Handtuch. Ihm war klar, dass er irgendetwas tun musste. So konnte es nicht weitergehen. Er durfte nicht zulassen, dass seine Probleme sich nun auch schon auf seine Liebesbeziehung auswirkten. Er, er allein, und nicht sein Partner hatte diese Last zu tragen. Crocodile wollte um jeden Preis verhindern, dass Doflamingo sich zu große Sorgen um ihn machte. Er hatte es nicht verdient, wegen ihm unglücklich zu sein. Sein Stolz und seine Sturheit verbauen ihm alle Auswege, hörte Crocodile Doflamingo schimpfen. Ich bin mir sicher, dass unsere Beziehung viel besser laufen würde, wenn er über seinen Schatten springen könnte. Crocodile seufzte und ging hinüber ins Schlafzimmer. Nackt kroch er unter die Bettdecke und zog anschließend seine Knie hoch bis zu seiner Brust. Ohne seinem Verlobten kam ihm das riesige Bett unwahrscheinlich einsam vor. Er war der Grenze zum Einschlafen nahe, als er beschloss, die 120.000 Berry, die Doflamingo ihm anbot, anzunehmen. Sein Partner hatte Recht: Er musste über seinen Schatten springen. Wenigstens ein einziges Mal. Für sie beide. Denn Crocodile wollte auf keinen Fall zulassen, dass seine Beziehung zu Doflamingo an seiner furchtbaren Dickköpfigkeit zugrunde ging. Ich werde ihm meine Entscheidung gleich morgen früh mitteilen, dachte Crocodile, ehe der Schlaf ihn einholte. Crocodile schreckte auf, als er spürte, dass sich jemand zu ihm ins Bett legte. Ein kurzer Blick auf den Radiowecker, der auf dem Nachttisch links von ihm stand, verriet ihm, dass es bereits vier Uhr dreißig morgens war. Anscheind war Doflamingos Gartenparty ein voller Erfolg gewesen. Sein Verlobter rückte nah an ihn heran und legte den Arm um seine Hüfte. Zu Beginn hatte es Crocodile genervt, dass Doflamingo sich im Schlaf ständig an ihn klammerte und somit jeder Bewegungsfreiheit beraubte, doch inzwischen hatte er sich an diesen Umstand gewöhnt. Um ehrlich zu sein, genoss er es sogar, wenn er beim Aufwachen das Gewicht und die Körperwärme seines Partners so nah bei sich spürte. „Doffy?“, flüsterte Crocodile und drehte sich auf die andere Seite, sodass er seinem Bettnachbarn ins Gesicht schauen konnte. „Sorry“, meinte Doflamingo und gähnte leise, „ich wollte dich nicht aufwecken.“ „Ist schon gut, ich habe sowieso nicht sonderlich fest geschlafen.“ Crocodile zögerte einen Augenblick lang, ehe er hinzufügte: „Können wir beide miteinander reden? Oder bist du zu betrunken?“ Angesichts dieser in Doflamingos Ohren womöglich unheilvoll klingenden Worte wurde dieser sofort aufmerksam. „Klar können wir reden“, sagte er und fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Die meisten meiner Cocktails waren alkoholfrei; mir geht es gut. Worüber möchtest du denn sprechen?“ „Über dein Angebot“, antwortete Crocodile und bemühte sich um eine feste Tonlage. „Ich habe den ganzen Abend lang darüber nachgedacht. Und ich bin schlussendlich auch zu einer Entscheidung gekommen.“ „Zu welcher Entscheidung?“ Doflamingo fixierte aufgeregt sein Gesicht und wie immer, wenn dieser seine Sonnenbrille nicht trug, überkam ihn das merkwürdige Gefühl, geröntgt zu werden. Die grünen Iriden seines Verlobten schienen so intensiv zu strahlen, dass Crocodile unweigerlich den Blick senkte, als er mit leiser Stimme sagte: „Ich werde das Geld annehmen.“ Für einen kurzen Moment war es totenstill im Schlafzimmer. Doflamingos Miene drückte Verwunderung gleichermaßen wie Entzückung aus. Als er schließlich wieder zu sich fand und laut „Das ist ja wundervoll!“, rief, klang seine Stimme ganz schrill in Crocodiles Ohren. „Ich bin absolut begeistert“, meinte sein Partner und drückte ihn so fest, dass seine Rippen zu schmerzen begannen. „Es freut mich, dass du dazu bereit bist, meine Hilfe anzunehmen! Ich verspreche dir, dass ich die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry noch heute bezahlen werde.“ Crocodile nickte. „Zuerst wollte ich dein Angebot gar nicht annehmen“, gestand er und wich dem Blick seines Verlobten aus, während er sprach. Doflamingos ungeheure Fröhlichkeit schüchterte ihn ein wenig ein. Er hatte noch niemals zuvor erlebt, dass jemand so begeistert reagierte angesichts eines Verlusts von 120.000 Berry. „Aber als mir klar geworden ist, wie stark meine finanziellen Sorgen unsere Beziehung belasten, habe ich mich selbst dazu gezwungen, meinen Stolz beiseite zu legen. Es wäre sehr dickköpfig, dein Angebot auszuschlagen. Für dich sind einhundertzwanzigtausend Berry schließlich bei weitem nicht so viel Geld wie für mich. Ich habe unsere Situation in meinen Gedanken einfach umgedreht: Wenn ich dir durch eine Zahlung von, was weiß ich, fünfhundert Berry aus einer Notlage heraus helfen könnte, dann würde es mich vermutlich auch ärgern, wenn du das Geld aus Stolz nicht annimmst. Es ist unsinnig, aus einem solchen Grund unsere Beziehung zu belasten. Weder dir noch mir würde es helfen, wenn ich das Geld ausschlage.“ Doflamingo nickte eifrig. „Es freut mich, dass du zur Vernunft gekommen bist“, erklärte er breit grinsend. „Endlich verstehst du meine Lage! Ich finde es wirklich toll, dass du mir zuliebe über deinen Schatten gesprungen bist.“ „Du bist mein zukünftiger Ehemann“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. „Du bist mehr wert als mein verdammter Stolz.“ Angesichts dieses Geständnisses verwandelte sich Doflamingos Grinsen in ein breites Lächeln und er küsste seinen Verlobten zärtlich auf den Mund. Crocodile schloss seine Augen und ließ sich auf den Kuss ein. Doflamingos Lippen fühlten sich warm und süß an. [zensiert] * Weil das Wetter heute sehr angenehm war und weil Crocodile seinem Verlobten gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte, ließ er sich von diesem am Nachmittag zu einem ausgedehnten Stadtbummel überreden. Crocodile hätte es nicht über's Herz gebracht, Doflamingo zu enttäuschen; nicht nach dem Gespräch, welches er bei der Grillparty vor ein paar Tagen belauscht hatte. Er schließt sich ständig in sein Lesezimmer ein, hörte er Doflamingo in seinen Gedanken mit vorwurfsvoller Stimme sagen. Nur zum Essen und zum Schlafen verlässt er es, ansonsten bekomme ich ihn kaum noch zu Gesicht. Und wenn, dann spricht er wenig und ist ständig niedergeschlagen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal ganz fröhlich und ungezwungen mit ihm unterhalten habe. Es tat Crocodile leid, dass sein Partner so sehr unter seiner Zurückgezogenheit und seiner schlechten Laune litt; mit dem gemeinsamen Stadtbummel wollte er Doflamingo beweisen, dass er sehr gerne Zeit mit ihm verbrachte und durchaus auch fröhlich sein konnte. „Dort drüben gibt es ein Cafe“, meinte Crocodile und deutete auf ein gemütliches Lokal, das sich in einer gepflasterten Seitenstraße befand. „Wollen wir einen Kaffee trinken und ein bisschen Pause machen?“ „Man merkt es immer wieder: Du hast wirklich keine Kondition, wenn es um Shopping geht“, erwiderte Doflamingo. Doch er grinste, während er sprach, und ergriff seine Hand, als sie sich auf den Weg hinüber zu dem kleinen Cafe machten. Crocodile hatte sich heute sehr viel Mühe gegeben, um seinen Verlobten zufriedenzustellen: Ohne zu jammern hatte er diesen in jedes Geschäft und jeden Laden begleitet. Zufrieden stellt er fest, dass sein Plan aufgegangen zu sein schien: Doflamingo war bester Laune. Doch Crocodile spürte auch, dass er allmählich sein Limit erreichte; und eine kleine Pause würde keinem von ihnen beiden schaden. Sie ließen sich an einem Tisch im Außenbereich des Cafes nieder; die Temperatur war sehr angenehm, auch wenn es inzwischen früher Abend geworden war. Als Crocodile einen kurzen Blick auf den Display seines Handys warf (seit er seine linke Hand verloren hatte, trug er keine Armbanduhren mehr), stellte er fest, dass es achtzehn Uhr zehn war. Sie waren seit mehr als zweieinhalb Stunden unterwegs. „Wir können gleich nach Hause fahren, wenn du so erschöpft bist“, warf Doflamingo ein; er hatte den Blick auf die Uhrzeit wohl mitbekommen Auch wenn Crocodile -um ehrlich zu sein- gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden gehabt hätte, schüttelte er den Kopf. „Es geht schon“, sagte er und griff nach der Getränkekarte. „Wir müssen uns noch nicht auf den Rückweg machen.“ „Sicher?“, hakte Doflamingo nach. Wie so häufig in letzter Zeit schwang Besorgnis in seiner Stimme mit. „Wenn du dich nicht wohlfühlst, ist das in Ordnung. Ich möchte nicht, dass du dich wegen mir zu irgendetwas zwingst.“ „Unsinn“, wandte Crocodile ein und ließ für einen Moment von der Karte ob, um seinen Verlobten ins Gesicht zu schauen. „Ich unternehme gerne etwas mit dir. Meine Füße brauchen bloß eine kleine Pause.“ „Okay“, erwiderte Doflamingo, der seinen Worten zum Glück Glauben zu schenken schien. Als die Kellnerin an ihren Tisch kam, bestellte sein Partner eine große Tasse Kaffee, ein Stück Schokoladen-Torte und eine Waffel mit Vanilleeis und heißen Kirschen; Crocodile nahm wie immer bloß ein Glas stilles Mineralwasser. „Hast du gar keinen Appetit?“, fragte sein Gegenüber ihn verwundert, als die junge Kellnerin wieder verschwunden war. „Immerhin habe ich dich gut zwei Stunden lang mit mir durch die Stadt gezerrt. Also, ich könnte ein Pferd verdrücken.“ „Doch, schon“, gab Crocodile zu, „aber hier gibt es bloß süße Sachen. Kuchen, Waffeln, Eis und so weiter.“ „Hast du keine Lust auf was Süßes?“, hakte Doflamingo nach. „Du bist so ein Trottel, Doffy“, erwiderte Crocodile und schüttelte leise lachend den Kopf. „Du hast schon wieder vergessen, dass mein Magen keine Süßigkeiten verträgt.“ „Verdammt, du hast Recht.“ Sein Verlobter biss sich selbst auf die Unterlippe und fuhr sich schuldbewusst mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Sorry. Ich vergesse es wirklich immer wieder; vermutlich weil ich es mir überhaupt nicht vorstellen kann, ein Leben ganz ohne Kuchen zu führen.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. Ähnliche Aussagen hörte er schon sein halbes Leben lang. „Man gewöhnt sich dran“, meinte er mit gelassener Stimme. Er war nicht neidisch auf seinen Partner, weil dieser Lebensmittel zu sich nehmen durfte, auf die er verzichten musste; er kannte es nicht anders und hatte sich längst schon an diesen Umstand gewöhnt. Doflamingo schob sich gerade ein Stück Waffel in den Mund, als er die Stirn in Falten legte und das Kin auf die Hand aufstützte. „Was hast du?“, fragte Crocodile nach. „Schmeckt dir die Waffel nicht?“ „Die Waffel ist gut“, erwiderte Doflamingo mit ehrlicher Stimme, nachdem er das Stück hinuntergeschluckt hatte. „Es ist etwas Anderes, worüber ich mir Gedanken mache.“ „Was meinst du?“, wollte Crocodile wissen und zog eine Augenbraue hoch. „Also, du darfst ja keinen Kuchen essen“, meinte sein Verlobter, „und deswegen frage ich mich, wie wir dieses Problem bei unserer Hochzeit lösen werden: Normalerweise gibt es ja eine Hochzeitstorte, die vom Paar angeschnitten wird.“ „Ähm“, sagte Crocodile relativ unbeholfen. Über dieses Thema hatte er sich noch nie zuvor Gedanken gemacht. „Nun ja, dann esse ich eben nicht von der Torte. Mir macht das nichts aus; ich bin es ja gewohnt.“ „Nein, nein“, gab Doflamingo zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „So geht das nicht! Man kann doch nicht seine eigene Hochzeit feiern und dann nicht von der Hochzeitstorte essen. So etwas bringt Unglück!“ „Unglück?“, wiederholte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass ein klein wenig Spott in seiner Stimme mitschwang. Er war alles andere als ein abergläubischer Mensch und hielt auch von alten Traditionen nicht sonderlich viel. Allerdings hatte er bereits feststellen müssen, dass sein Verlobter in einigen Dingen deutlich altmodischer war als er zuerst angenommen hatte. „Ja, Unglück!“, beteuerte Doflamingo und stopfte sich mit ernstem Gesichtsausdruck ein weiteres Stück Waffel in den Mund. „Es gibt eben bestimmte Hochzeitsbräuche, an die man sich halten muss. Diese Traditionen existieren bereits seit Jahrhunderten! Du weißt schon: Der Bräutigam darf die Braut vor der Trauung nicht sehen; wer den Brautstrauß fängt, der heiratet als nächstes; die Gäste werfen Reis, wenn das Paar aus der Kirche kommt...“ „Ich weiß ja nicht“, gab Crocodile zweifelnd zurück. In seinen Ohren klangen diese alten Bräuche nicht sonderlich verlockend. „Möchtest du denn wirklich eine traditionelle Hochzeit? Immerhin sind wir beide ja auch kein typisches Hochzeitspaar. Viele Bräuche und Traditionen werden sich doch gar nicht so leicht umsetzen lassen. Diese Sache mit dem Reis werfen zum Beispiel... Ich habe mal gehört, dass der Reis die Braut fruchtbar machen und ihr Kinder schenken soll. Bei zwei Männern allerdings verliert dieser Brauch völlig seinen Sinn. Dasgleiche gilt auch für den Brautstrauß oder, was weiß ich, dass die Schuhe der Braut in Münzen bezahlt werden müssen. In unserem Fall gibt es schließlich überhaupt keine Braut.“ „Naja, nicht so richtig“, lenkte Doflamingo ein. „Aber viele der Bräuche finde ich trotzdem schön! Und wir könnten ja einfach so tun als ob es bei uns eine Braut und einen Bräutigam gäbe. Zum Beispiel trägst du weiß und ich schwarz, außerdem...“ „Ich lasse mich nicht schon wieder auf diese Diskussion ein!“, unterbrach Crocodile seinen Verlobten, ehe dieser übermütig wurde. „Wir sind Männer und damit basta. Keiner von uns beiden ist die Braut. Und ganz abgesehen davon steht mir weiß überhaupt nicht.“ „So ganz richtig ist das aber nicht“, wandte Doflamingo grinsend ein. Er beugte sich ein Stück über den Tisch und flüsterte ihm zu: „Beim Sex bin immer ich oben.“ Auch wenn sein Partner so leise gesprochen hatte, dass niemand der anderen Gäste etwas mitbekommen haben konnte, spürte Crocodile sofort, wie sich Röte heiß und schnell auf seinen Wangen ausbreitete. „Donquixote Doflamingo!“, zischte er mit teils beschämter, teils verletzter Stimme. Worauf wollte sein Verlobter hinaus? Dass er kein echter Mann war, bloß weil er beim Sex den passiven Part bevorzugte? „So habe ich es nicht gemeint!“, lenkte Doflamingo rasch ein, als er bemerkte, dass sein Gegenüber sich angegriffen fühlte. „Es war bloß ein Scherz! Ich... sorry! Es tut mir leid. Ich habe es wirklich nicht so gemeint.“ Die ehrlich klingende Entschuldigung seines Verlobten besänftigte Crocodile ein wenig. Er senkte den Blick und erwiderte anschließend keck: „Und dass ich immer unten liege, ist wohl nicht bloß mein Verdienst. Du lässt mich ja nie nach oben!“ Doflamingo setzte zu einer Erwiderung an, verstummte allerdings, als die Kellnerin an ihren Tisch kam, um nachzufragen, ob alles zu ihrer Zufriedenheit wäre. „Ich hätte gern ein Glas Eistee“, meinte Crocodile und bemühte sich darum, so gelassen wie nur möglich zu klingen. „Um nochmal auf die Hochzeitsbräuche zurückzukommen“, meinte Doflamingo, als die Kellnerin wieder verschwunden war (vermutlich wollte er keinen Streit provozieren, dachte Crocodile sich). „Es ist ja auch möglich, einiges einfach ohne Geschlechtertrennung zu machen. Den Brautstrauß könnten wir zum Beispiel zusammen werfen. Und zum Altar können wir gemeinsam und Hand in Hand gehen. Wir passen die alten Bräuche und Traditionen einfach unserer Situation an. Was hältst du davon, Wani?“ „Das ist in Ordnung, denke ich“, gab Crocodile wahrheitsgemäß zurück. Mit diesem Kompromiss würde er sich anfreunden können. „Aber das Problem mit der Hochzeitstorte“, warf er ein, „haben wir damit immer noch nicht gelöst. So etwas Süßes kann ich einfach nicht essen. Wir müssten...“ Crocodile kam nicht dazu, seinen Satz zu Ende zu bringen. Das laute Kreischen einer Frau, die auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig an ihnen beiden vorbeilief, machte jede weitere Kommunikation unmöglich. Überrascht blickte Crocodile zu der vielleicht zwanzigjährigen Frau hinüber: Sie trug ein weißes, bauchfreies Top, hatte rosa gefärbtes Haar und ein goldenes Piercing in der rechten Wange. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und ihr Gesicht war knallrot angelaufen. Crocodile verstand überhaupt nicht, was los war. Die Frau war offensichtlich allein unterwegs; niemand hatte ihr irgendetwas getan. Hatte sie womöglich irgendeine Art von Anfall? Oder stand sie unter Drogeneinfluss? Sollte er einen Krankenwagen rufen? „Oh shit!“, hörte Crocodile seinen Partner leise flüstern. Irritiert blickte er zu Doflamingo hinüber, der einen alles andere als glücklichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. „Kennst du diese Frau?“, fragte er verwundert nach. Sein Verlobter nickte. „Ihr Name ist Jewelry Bonney“, erklärte er mit unheilschwangerer Stimme. „Sie ist meine Exfreundin.“ Bonney kam auf sie beide zugerannt; ihre Gesichtszüge waren vor Wut ganz verzerrt. „Du!“, brüllte sie mit lauter, zorniger Stimme. „Du! Du! Du, gottverdammtes Arschloch!“ Und ehe Crocodile irgendetwas dagegen unternehmen konnte, hatte Bonney längst mit ihrer rechten Hand ausgeholt und ihm ins Gesicht geschlagen. Auch wenn sie eine Frau war, besaß Bonney eine Menge Kraft. Seine Wange schmerzte fürchterlich und außerdem glaubte Crocodile, Blut in seiner Mundhöhle zu schmecken. „Bonney!“, konnte er seinen Verlobten entsetzt aufschreien hören. Doflamingo war sofort von seinem Stuhl aufgestanden und hatte nach den Armen der jungen Frau gegriffen, um diese von weiteren Schlägen abzuhalten. „Bonney, beruhige dich!“, befahl Doflamingo mit energisch klingender Stimme. „Bonney! Verdammt! Bonney!“ Die hysterische Exfreundin seines Partners wollte nicht auf dessen Worte hören. Mit aller Kraft versuchte sie sich aus Doflamingos festem Griff zu befreien; laut schreiend trat sie nach ihm und biss ihm einmal sogar in den Unterarm. Verunsichert strich Crocodile mit der rechten Hand über seine Wange. Es war weniger der Schmerz und eher der Schock, der ihn paralysiert hatte. Eben noch unterhielt er sich mit seinem Verlobten über ihre geplante Hochzeit, und einen Moment später tauchte diese Furie aus heiterem Himmel auf und schlug ihm ins Gesicht. Mit einer solchen Attacke hatte Crocodile beim besten Willen nicht rechnen können. Schließlich kannte er diese Jewelry Bonney ja nicht einmal. „Lass mich los!“, hörte er die junge Frau kreischen. „Doflamingo! Lass mich los! Ich kratze ihm die Augen aus! Lass mich los!“ Zum ersten Mal wurde Crocodile wirklich bewusst, wie kräftig sein Partner eigentlich war. Doflamingos muskulöser Körper war ein Produkt jahrelangen, regelmäßigen Trainings. Auch wenn es sich bei Bonney -wie Crocodile am eigenen Leib erfahren hatte- um eine sehr kräftige Frau handelte, gelang es ihm augenscheinlich ohne viel Mühe, sie in Zaum zu halten. Ganz gleich wie sehr sie sich auch anstrengte: Es blieb ihr unmöglich, sich aus Doflamingos schraubstockartigen Griff zu befreien. Inzwischen waren auch andere Leute auf die Situation aufmerksam geworden: Die Gäste, die an den umliegenden Tischen saßen, begannen hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln und mit den Fingern auf die Frau mit den rosa Haaren und dem rot angelaufenen Gesicht zu zeigen. Zwei männliche Kellner kamen aus dem Inneren des Cafes, um Doflamingo zu unterstützen. Im Gegensatz zu seinem Verlobten gelang es ihnen nur mit sehr viel Mühe, die immer noch völlig hysterische Bonney unter Kontrolle zu halten. Crocodile stand auf und spuckte ein wenig Blut aus. So ganz leuchtete ihm das Geschehene noch immer nicht ein. Wenn diese Bonney Doflamingos Exfreundin war, warum hatte sie dann nicht diesem ins Gesicht geschlagen? Schließlich kannte er selbst sie doch überhaupt gar nicht. Als Doflamingo sicher war, dass die beiden Kellner mit Bonney zurechtkamen (ein dritter Mitarbeiter telefonierte bereits mit der Polizei), kam er zu ihm hinüber. „Geht es dir gut?“, fragte er mit besorgt klingender Stimme und legte behutsam die Arme um seine Hüfte. Crocodile nickte; eigentlich mochte er es nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschten, doch er ließ die tröstende Berührung trotzdem zu. Er spürte, dass er noch immer ein klein wenig unter Schock stand. Es war ihm in seinem ganzen Leben noch nie zuvor passiert, dass eine wildfremde Person ohne jede Vorwarnung einfach auf ihn losging. „Sie hat ziemlich fest zugeschlagen“, sagte Doflamingo und warf einen genaueren Blick auf die Wange seines Partners. „Ich werde fragen, ob man im Cafe ein Kühlakku für dich hat. Wenn du Glück hast, wird die Schwellung nicht groß.“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Lass uns einfach gehen“, sagte er. „Ich glaube, jetzt möchte ich doch nach Hause.“ „Wir müssen warten, bis die Polizei da ist“, wendete Doflamingo ein. „Damit wir Anzeige erstatten können.“ „Ich möchte keine Anzeige erstatten“, erwiderte Crocodile. „Ich möchte bloß nach Hause. Alle Leute starren uns an.“ „Sollen sie doch starren!“, brummte sein Verlobter. „Wir können Bonney nicht davonkommen lassen, Crocodile! Sie darf dir nicht einfach ins Gesicht schlagen! So geht das nicht! Sie gehört dafür bestraft!“ „Es ist mir egal, ob sie bestraft wird oder nicht“, meinte Crocodile. Diese Meinung vertrat er tatsächlich. Die Schwellung an seiner Wange würde nicht zurückgehen, der Schmerz würde nicht nachlassen, bloß weil man Bonney zu zehn Sozialstunden oder zur Zahlung von 500 Berry veruteilen würde. Er wollte einfach bloß nach Hause fahren und versuchen, dieses merkwürdige Ereignis aus seinem Gedächtnis zu streichen. „Sobald wir mit der Polizei gesprochen haben, machen wir uns auf den Weg nach Hause“, sagte Doflamingo. Ein Kellner reichte ihm ein Kühlakku, das in ein sauberes Geschirrtuch gewickelt worden war, und er drückte es vorsichtig gegen die geschwollene Wange seines Verlobten. „Was ist denn überhaupt mit dieser Frau los?“, wollte Crocodile wissen und nahm Doflamingo das Kühlakku ab. (Dass er in aller Öffentlichkeit von seinem Partner so sehr betüttelt wurde, ging ihm dann doch ein Stück zu weit.) „Du hast gesagt, dass sie deine Exfreundin ist, nicht wahr?“ Doflamingo nickte und warf einen unwilligen Blick hinüber zu Bonney, die den beiden Kellnern, die sie festhielten, schwer zu schaffen machte. „Ich war sechs Wochen lang mit ihr zusammen“, erklärte er schließlich. „Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich um die längste Beziehung, die ich jemals geführt hatte.“ „Ich verstehe, dass sie wütend auf dich ist, weil eure Beziehung in die Brüche gegangen ist“, sagte Crocodile, „aber warum zur Hölle hat sie denn dann nicht dich, sondern mich geschlagen? Ich meine... Ich kenne sie doch gar nicht! Bis gerade eben wusste ich nicht einmal, dass sie existiert. Warum ist sie auf mich losgegangen?“ „Na, das ist doch ganz logisch“, antwortete Doflamingo. „Sie ist eifersüchtig, weil du mein neuer Partner bist.“ „Aber woher wusste sie das denn überhaupt?“, wendete Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen ein. „Dass ich schwul bin, sieht man mir doch wohl beim besten Willen nicht an! Ich hätte genausogut auch bloß ein Bekannter oder ein Geschäftspartner von dir sein können.“ Crocodile konnte Doflamingo laut seufzen hören. Es kam sehr selten vor, dass sein Verlobter seufzte, und es bedeutete niemals etwas Gutes. „Doflamingo“, hakte er mit eindringlicher Stimme nach, „woher kennt mich diese verrückte Frau?!“ Doflamingo zögerte für einen Moment. Erst nachdem er einen intensiven Blick auf die geschwollene Wange seines Partners geworfen hatte, antwortete er schließlich mit unwilliger Stimme: „Ich habe sie für dich verlassen.“ „Was?!“ Crocodile konnte kaum glauben, was Doflamingo ihm da sagte. Dass dieser seinetwegen mit seiner damaligen Freundin Schluss gemacht hatte, hatte er gar nicht gewusst. Darüber hatte sein Verlobter niemals ein Sterbenswörtchen verlauten lassen. „Ich habe sie sowieso nicht geliebt!“, warf Doflamingo hastig ein. „Ich dachte, dass ich es tun würde, aber ich habe mich geirrt. Am Ende war sie für mich bloß ein Zeitvertreib, so wie all die Anderen auch.“ „Du dachtest, dass du sie lieben würdest, aber du hast dich geirrt?“, wiederholte Crocodile mit ungläubiger Stimme. Er wusste nicht, was er von den Worten seines Partners halten sollte. Natürlich war ihm von Anfang an klar gewesen, dass (bevor sie beide sich kennengelernt hatten) Doflamingo seine Beziehungen nie sonderlich ernst genommen hatte, doch trotzdem schockierte ihn diese völlig skrupellos klingende Aussage. „Damals habe ich noch nicht gewusst, was Liebe ist“, versuchte Doflamingo sein Handeln zu erklären. „Wir hatten viel Spaß zusammen und guten Sex miteinander. Ich dachte, das würde reichen. Ich dachte, das wäre Liebe und mehr würde da einfach nicht kommen. Aber ich habe mich geirrt. Bei den Gefühlen, die ich für Bonney empfunden habe, hat es sich nicht um Liebe gehandelt. Was Liebe wirklich ist, habe ich erst herausgefunden, als ich dich das erste Mal gesehen habe, Crocodile! Während ich mich bei dem Geschäftsessen mit dir unterhalten habe, ist mir klar geworden, dass meine Gefühle für Bonney nicht echt gewesen sind. Ich kann kaum in Worte fassen, was ich bei unserem ersten Treffen gefühlt habe, Crocodile! Du warst so unfassbar schön... Alles an dir... Dein Gesicht, deine Haare, deine Augen... Ich weiß noch ganz genau, dass mir ein warmer Schauer über den Rücken lief, als ich dir das erste Mal in die Augen geschaut habe. Es war sofort um mich geschehen; ich war wie verzaubert. Bei all den anderen Männern und Frauen, mit denen ich zusammen gewesen bin, ging es mir nur darum, sie zu besitzen. Respekt hatte ich für sie nicht übrig. Du bist der Erste, der mir Ehrfurcht eingeflößt hat. Mir ist sofort klar gewesen, dass es mir niemals gelingen würde, dich zu besitzen. Das wollte ich auch überhaupt gar nicht. Ganz im Gegenteil: In mir kam sofort der Wunsch auf, mein Leben mit dir zu teilen. Da habe ich erkannt, dass ich nicht Bonney, sondern dich liebe. Und auch wenn du meine Bitte um ein Date nach dem Geschäftsessen abgewiesen hast, habe ich mich sofort von Bonney getrennt. Ich wusste, dass meine Beziehung zu ihr so oder so keine Zukunft haben würde; nicht, nachdem ich dich kennengelernt hatte.“ Crocodile ließ das Kühlakku sinken und seufzte leise auf. Auch wenn es sich nicht unbedingt um die feine englische Art handelte, konnte er das Verhalten seines Verlobten nachvollziehen. Er selbst hätte es vermutlich auch nicht über's Herz gebracht, seinem Partner etwas vorzugaukeln, wenn er sich längst in eine andere Person verliebt gehabt hätte. Außerdem hatte Doflamingo seine damalige Freundin ja nicht direkt für ihn verlassen; zwischen ihrem allerersten Treffen und ihrem ersten Date hatte immerhin mehr als ein Monat gelegen. „Trotzdem hättest du mir davon erzählen können!“, meinte Crocodile mit vorwurfsvoller Stimme. „Warum hätte ich das denn tun sollen?“, wendete sein Partner schulterzuckend ein. „Ich habe nicht damit gerechnet, Bonney jemals wiederzusehen. Wir haben sofort den Kontakt zueinander abgebrochen. Und außerdem ist es nicht sonderlich höflich, seinem Partner irgendwelche Geschichten über seine Exbeziehungen zu erzählen.“ „Und was ist mit Enel?“ Crocodile fand, dass Doflamingo sich selbst widersprach. „Du hast mich sogar dazu gedrängt, dir von ihm zu erzählen!“ „Das war doch eine völlig andere Situation“, meinte sein Verlobter und verschränkte die Arme vor der Brust. „Während euer Beziehung hat er dich misshandelt, bei eurer Trennung hat er dir den Arm gebrochen und vor kurzem erst hat er dich vergiftet! Es war absolut notwendig, darüber zu sprechen. Bei Bonney jedoch handelt es sich um einen ganz anderen Fall.“ „Nun ja“, erwiderte Crocodile und presste sich erneut das Kühlakku gegen die Wange. „Diese Bonney scheint mir aber auch ziemlich gewalttätig zu sein. Und verrückt obendrein.“ „Es tut mir leid, dass sie dich geschlagen hat“, meinte Doflamingo mit mitleidiger Stimme, als er einen erneuten Blick auf die geschwollene Wange seines Verlobten warf. „Aber genau aus diesem Grund gehört sie bestraft! Ich kann verstehen, dass sie wütend und verletzt ist, aber das gibt ihr noch lange kein Recht dazu, dir ins Gesicht zu schlagen.“ „Ist ja gut“, erwiderte er. „Ich warte mit dir auf die Polizei, damit wir Anzeige erstatten können. Aber danach möchte ich nach Hause fahren. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber die Lust auf Shopping ist mir wirklich vergangen!“ „Nach dem Gespräch mit der Polizei müssen wir noch einen kurzen Zwischenstopp beim Arzt einlegen“, wendete Doflamingo ein. „Wir müssen uns die Wunde in deinem Gesicht attestieren lassen, damit wir vor Gericht nicht ohne handfesten Beweis dastehen.“ Crocodile seufzte erneut laut auf, doch sparte sich eine Erwiderung. Er wusste genau, dass es ihm nicht gelingen würde, Doflamingo von seinem Vorhaben abzubringen. Manchmal konnte sein Verlobter ein echter Sturkopf sein. Trotzdem kam Crocodile nicht umhin sich zu fragen, ob dieser Vorfall den ganzen Aufwand wirklich wert war. Anstatt zuerst mit der Polizei und anschließend mit einem Arzt zu sprechen, würde er sich lieber sofort auf den Weg nach Hause machen und die Zeit nutzen, um ein wenig fernzusehen oder ein gutes Buch zu lesen. Kapitel 21: Kapitel 11 ---------------------- Crocodile gab es nur ungern zu, doch es erleichterte ihn ungemein, dass dank seines Verlobten sein Schuldenberg um gut ein Drittel geschrumpft war. Inzwischen lag er alles in allem nur noch bei ungefähr einer viertel Millionen Berry; das war nicht einmal die Hälfte der Summe, mit der er vor etwa sechs Monaten, als er von seiner Kündigung erfahren hatte, gestartet war. Und sollte Franky seinen momentan noch befristeten Arbeitsvertrag verlängern (wonach es durchaus aussah), dann würde es Crocodile gelingen, die restlichen Schulden im Verlauf der nächsten acht oder neun Monate komplett zu tilgen. Dass seine Laune sich erheblich besserte, konnte man an vielen Dingen festmachen: Inzwischen aß er wieder mit deutlich mehr Genuss, er lächelte öfter und verbrachte auch wieder mehr Zeit mit Doflamingo. Sein Lesezimmer suchte Crocodile inzwischen nur noch auf, wenn er irgendetwas für seine Arbeit erledigen musste, wovon sein Partner natürlich nichts mitbekommen durfte. Wenn er ein Buch lesen wollte, tat er dies zumeist im Wohnzimmer oder (weil das Wetter in letzter Zeit sehr angenehm war) draußen im Garten. Doflamingo entging es natürlich nicht, dass sein Verlobter wieder ein wenig lebensfroher wurde, und nutzte diesen Umstand prompt in mehrfacher Hinsicht für sich aus: Zum Einen initiierte er öfter Sex. Während es sich bei ihnen in den letzten Monaten eingebürgert hatte, dass sie alle zwei bis drei Tage miteinander schliefen, hatten sie nun wieder täglich (manchmal sogar mehrmals täglich) Sex. Crocodile machte es nichts aus. Ganz im Gegenteil: Er spürte, dass nicht bloß Doflamingos Libido stärker wurde; nun, da sich seine neueste Sorge praktisch in Luft aufgelöst hatte, war auch seine eigene Lust auf Sex erheblich angestiegen. Immer häufiger war es nicht Doflamingo, sondern er selbst, der die Initiative ergriff. (Der einzige Nachteil bestand darin, dass Crocodile nun auch wieder öfter mit zum Teil heftigen Unterleibsschmerzen zu kämpfen hatte, da Doflamingo über ein wirklich außerordentlich mächtiges Organ verfügte. Aus diesem Grund gewöhnte er es sich an, immer eine Packung Schmerztabletten und eine Tube Wundsalbe in der Tasche zu haben.) Zum Anderen schlug Doflamingo ständig irgendwelche Unternehmungen vor. Mit ihrem gemeinsamen Stadtbummel am vorherigen Mittwochnachmittag schien Crocodile die Büchse der Pandora geöffnet zu haben: Ob ins Kino, ins Restaurant, in die Bar... Seinem Verlobten fielen immer wieder neue Ausflugsziele ein. Und auch in dieser Hinsicht spürte Crocodile sehr deutlich, dass sein Widerwille zunehmend schwächer wurde. Solange er für die Unternehmungen nicht allzu tief in die Tasche greifen musste, machten sie ihm nichts aus. Auch für den heutigen Abend hatte Doflamingo einen gemeinsamen Ausflug geplant. „Warum gehen wir beide nicht auf den Jahrmarkt?“, fragte er mit fröhlicher Stimme, als sie gemeinsam zu Mittag aßen. „Heute ist der letzte Tag. Das bedeutete, dass wir in diesem Jahr keine weitere Gelegenheit dazu bekommen werden. Und außerdem findet das große Abschlussfeuerwerk statt!“ „Jahrmarkt?“, wiederholte Crocodile und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen, während er ein Stück Fleisch kaute. Um ehrlich zu sein, war er kein sonderlich großer Fan von Jahrmärkten. Das letzte Mal hatte er ein solches Fest vor vielen Jahren mit seinem Exfreund Marco besucht. „Das wird sicher schön!“, versuchte sein Verlobter ihn zu überzeugen und nickte begeistert. „Ich weiß ja nicht“, erwiderte Crocodile ausweichend. „Ich kann mit Jahrmärkten nicht sonderlich viel anfangen. Überall wird fettiges Essen verkauft, das ich nicht essen kann, und beim Achterbahnfahren wird mir immer schlecht. Wollen wir nicht lieber etwas Anderes machen? Wie wäre es mit Kino?“ „Ach, komm schon!“, bettelte Doflamingo und schob wie ein kleines Kind die Unterlippe nach vorne. „Bitte Wani! Es ist doch nur der eine Abend!“ „Ist ja gut“, gab sich Crocodile, der unweigerlich lachen musste, schließlich geschlagen. „Von mir aus. Aber ich sage dir jetzt schon, dass du es nicht schaffen wirst, mich zum Achterbahnfahren zu überreden.“ „Das werden wir noch sehen“, gab sein Verlobter keck zurück und streckte ihm grinsend die Zunge heraus, ehe er sich eine Portion gestampfte Kartoffeln in den Mund schob. Gegen zwanzig Uhr machten sie sich auf den Weg. Wie Crocodile von Doflamingo erfahren hatte, sollte das Feuerwerk, das etwa eine halbe Stunde lang andauern würde, um zweiundzwanzig Uhr starten. Er war der Ansicht, dass insgesamt zweieinhalb Stunden mehr als genug Zeit für diesen Ausflug darstellten. (Wie gesagt, Crocodile war kein allzu großer Fan - weder von Jahrmärkten noch von Feuerwerken.) Bevor sie sich auf den Weg hinunter zur Tiefgarage machten, meinte Doflamingo zu ihm: „Du solltest lieber eine leichtere Jacke mitnehmen, Baby. Es ist ziemlich warm draußen.“ „Immer noch?“, wendete Crocodile ein. „Inzwischen ist es doch schon Abend. Und ich möchte nicht frieren.“ Er war ein Mensch, der sehr leicht fror; und die Aussicht, zitternd und bibbernd über den Jahrmarkt zu laufen, erschien ihm nicht sonderlich verlockend. Doch Doflamingo nickte energisch. „Eine leichte Überjacke reicht völlig aus“, sagte er. „Ansonsten wirst du den ganzen Abend lang schwitzen. Ich gehe auch bloß in T-Shirt.“ „Du bist ja auch verrückt“, entgegnete Crocodile und konnte sich ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen, „und trägst so gut wie nie eine Jacke. Erinnerst du dich noch an meinen Geburtstag? Es waren weit unter zwanzig Grad und du hattest trotzdem bloß ein T-Shirt und eine Capri-Hose ein. Es wundert mich immer noch, dass du dir damals nicht den Tod geholt hast.“ Crocodile konnte sich noch sehr gut an jenen Tag im September zurückerinnern: Sie beide mussten ziemlich komisch ausgesehen haben. Während Doflamingo bloß in leichter Sommerkleidung unterwegs gewesen war, hatte er selbst einen dicken Mantel getragen. Ironischerweise schien sein Partner dennoch weniger gefroren zu haben als er. „Ich bin im Gegensatz zu dir eben sehr robust“, meinte Doflamingo. „So schnell erkälte ich mich nicht. Aber heute ist es wirklich sehr warm, versprochen.“ „Also gut“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen. Doflamingo winkte ein Dienstmädchen herbei; er übergab ihm die dicke Jacke, aus der sein Verlobter gerade herausgeschlüpft war, und wies es an, stattdessen eine leichtere Überjacke zu holen. Es waren Momente wie diese, in denen Crocodile sich ernsthaft zusammenreißen musste, um nicht den Kopf zu schütteln angesichts der unfassbaren Dekadenz seines Partners. Er selbst wäre niemals auf den Gedanken gekommen, ein Dienstmädchen zu schicken, um die Jacke zu holen. Er hätte es ganz einfach selbst getan. „Jetzt sollten wir uns aber endlich auf den Weg machen“, meinte Doflamingo gut gelaunt und lotste ihn hinüber zum Aufzug, um nach unten in die Tiefgarage zu fahren. „Der Jahrmarkt ist ziemlich groß und es ist schon spät.“ Crocodile unterdrückte ein Seufzen und folgte seinem Verlobten. Unten wartete bereits der Chauffeur auf sie. Er stand neben dem dunkelblau lackierten Aston Martin DBS V12, mit dem sie heute fahren würden. Der Wagen hatte etwa eine viertel Millionen Berry gekostet und gehörte zu Doflamingos Lieblingen. „Ich dachte mir, dass es praktischer ist, wenn wir uns fahren lassen“, erklärte sein Partner, während sie es sich auf der Rückbank, die mit teurem Leder überzogen war, bequem machten. „Wir können also beide Alkohol trinken, falls wir Lust dazu haben sollten. Letztes Jahr, als ich mit Bellamy und Dellinger dort war, gab es einen Cocktail-Stand, der einen richtig leckeren Sex On The Beach verkauft hat. Hoffentlich ist er dieses Jahr wieder da.“ Der Jahrmarkt konnte Crocodile nicht begeistern: In der Luft hing der Geruch nach fettigem Essen, von überall her war viel zu laute Party-Musik zu hören und außerdem quoll der Platz über vor Menschen. Crocodile griff prompt nach der Hand seines Verlobten, um diesen in der Menge nicht zu verlieren. (Die Geste zauberte Doflamingo ein glückliches Lächeln auf die Lippen. Vermutlich interpretiere er das Händchenhalten als Austausch von Zärtlichkeiten. Crocodile kümmerte es,um ehrlich zu sein, nicht sonderlich.) Gemeinsam liefen sie über den Platz und schauten sich die unterschiedlichen Fahrgeschäfte und Spielstände an. Doflamingo hatte nicht übertrieben: Der Jahrmarkt war wirklich riesig. Es gab Achterbahnen, Riesenräder, Geisterhäuser, Schiffschaukeln und vieles mehr... Als zu seiner Rechten ein Flying Coaster einen wilden Looping schlug, spürte Crocodile, wie ihm unweigerlich selbst ein klein wenig übel wurde. Es war Jahre her, seitdem er sich das letzte Mal auf ein solches Fahrgeschäft getraut hatte. „Wie wäre es hiermit?“, fragte Doflamingo, der zu spüren schien, dass sein Partner von der Achterbahn nicht allzu angetan war, und deutete stattdessen nach links auf eine der zahlreichen Spielbuden. Man musste mit kleinen Dartpfeilen Luftballons zerschießen. Je nach Anzahl und Farbe der getroffenen Luftballons durfte man sich einen Gewinn aussuchen. Eine Runde mit zehn Pfeilen kostete vier Berry. „Von mir aus“, erwiderte Crocodile schulterzuckend und ließ sich von seinem Verlobten hinüber zu dem Stand führen. Ihm war bewusst, dass (wenn er auf diesen nicht verdächtig wirken wollte) er nicht darum herum kommen würde, ein klein wenig Geld ausgeben. Und mit vier Berry konnte er ganz gut leben. „Sieh dir mal dieses niedliche Ding an!“, meinte Doflamingo mit begeisterter Stimme und deutete auf ein großes, rosafarbenes Plüschherz. „Das muss ich unbedingt bekommen!“ „Dann versuch doch dein Glück“, gab Crocodile zurück und bemühte sich darum, nicht die Augen zu verdrehen. Er selbst würde dieses grässliche Herz nicht einmal geschenkt haben wollen, aber weil er wusste, dass sein Verlobter auf solch kitschigen Blödsinn stand, hielt er sich mit gehässigen Kommentaren zurück. Doflamingo reichte dem Standbesitzer einen Zehn-Berry-Schein, erhielt im Gegenzug zwanzig Pfeile und gab die übrigen zwei Berry als Trinkgeld. Mit ungläubiger Miene beobachtete Crocodile, wie sein Partner drei von potenziellen zwanzig Luftballons traf. Am Ende erhielt er bloß ein kleines Kinderspielzeug als Trostpreis. Angesichts dieser peinlichen Flaute brachte Crocodile es einfach nicht über sich, still zu bleiben. „Das war wohl nichts“, meinte er und grinste schelmisch. „Das Plüschherz möchte wohl nicht mit dir nach Hause gehen.“ „Mach du es doch besser“, erwiderte Doflamingo, dessen Ego ein wenig angekratzt zu sein schien, und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du weißt doch gar nicht, wie schwer das ist! Man muss sechs Ballons treffen, um das Herz zu gewinnen. Drei davon müssen blau sein; und von den blauen Ballons gibt es sowieso nur ganz wenige.“ „Also gut“, sagte Crocodile, „ich nehme die Wette an.“ Als Student hatte er an den Wochenende manchmal in einer Kneipe, die regelmäßig Dartturniere ausrichtete, ausgeholfen. Sein Chef war sehr nett gewesen und hatte ihm erlaubt, ab und an auch mal eine Runde mitzuspielen. Crocodile hoffte, dass von dem Talent, welches er damals an den Tag gelegt hatte, immer noch etwas übrig geblieben war. Zu gerne würde er seinem großmäuligem Verlobten eins auswischen! Leider machte ihm das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. „Oh Mist!“, meinte er verärgert, als er in die Innentasche seiner Jacke griff - und sie leer vorfand. „Ich habe mein Portemone in meiner anderen Jacke vergessen.“ „Macht nichts“, erwiderte Doflamingo und kramte seinen eigenen Geldbeutel hervor. „Ich habe genug Geld dabei.“ Hastig schüttelte Crocodile den Kopf. „Nein“, sagte er und bedeutete seinem Partner die Geldscheine, welche dieser hervorgeholt hatte, rasch wieder einzustecken. „Ich möchte nicht eingeladen werden!“ „Stell dich nicht so an“, gab Doflamingo unbekümmert zurück. „Es sind doch bloß ein paar Berry.“ „Du hast in letzter Zeit sowieso schon viel zu viel Geld für mich ausgegeben“, wendete Crocodile ein. Ihm gefiel der Gedanke, dass sein Partner für ihn bezahlte, ganz und gar nicht. Er war ein Mensch, der es grundsätzlich nicht ausstehen konnte, eingeladen zu werden. Und außerdem hatte Doflamingo letzte Woche erst seinetwegen 120.000 Berry minus gemacht. Er wollte nicht, dass dieser noch mehr Geld für ihn ausgab. „Die paar Berry machen nun wirklich keinen Unterschied“, meinte sein Verlobter. Ohne Crocodiles Einwilligung reichte er dem Budenbesitzer erneut einen Zehn-Berry-Schein herüber. „Weil ich zwanzig Pfeile hatte, ist es nur gerecht, wenn du es mit der gleichen Anzahl versuchen darfst“, sagte er. „Doflamingo“, zischte Crocodile, den das Verhalten seines Partners wütend machte. „Ich habe gesagt, dass ich nicht eingeladen werden möchte!“ „Aber du hast die Wette angenommen“, hielt dieser grinsend dagegen. „Du kannst nicht zuerst eine Wette annehmen und dann doch nicht antreten. So etwas ist feige, Wani.“ „Also gut“, gab Crocodile sich schließlich zähneknirschend geschlagen und schnappte Doflamingo die Pfeile aus der Hand. „Aber Zuhause gebe ich dir das Geld wieder!“ Crocodile atmete tief durch und brachte sich anschließend in Position. An der Rückwand der Bude waren insgesamt bloß sechs blaue Ballons befestigt - mindestens drei davon musste er treffen, um für Doflamingo das rosafarbene Plüschherz zu gewinnen. Und dazu dann noch drei weitere Ballons. Sein erster Pfeil brachte einen blauen Ballon zum platzen. Sein zweiter ebenfalls. Genauso wie der dritte. Crocodile konnte ein triumphierendes Grinsen nicht unterdrücken, als er hörte wie Doflamingo, der neben ihm stand, erstaunt die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. Sein vierter Pfeil zerstach einen roten Ballon. Der fünfte Pfeil ging daneben. Der sechste Pfeil traf einen gelben Ballon, der siebte einen orangefarbenen. „Hier“, meinte Crocodile und sprach absichtlich in einem möglichst gelassen klingenden Tonfall, als er seinem Verlobten den Gewinn überreichte. „Dein Plüschherz, Doflamingo.“ Crocodile musste sich eingestehen, dass der Besuch des Jahrmarkts am Ende beileibe nicht so schlimm war, wie er ihn sich ausgemalt hatte. Zwischendurch hatte er sogar wirklich Spaß: Nicht nur beim Luftballon-Zerschießen, sondern auch beim Ringewerfen schlug er seinen Verlobten um Längen. Und als er für zwei Berry ein paar Lose kaufte, gewann er eine große Tüte Popcorn, die er Doflamingo schenkte. Allein bei Hau-den-Lukas hatte dieser die Nase vorn: Augenscheinlich ohne viel Mühe gelangte Doflamingo schon beim ersten Schlag bis zur allerhöchsten Marke. Crocodile wiederum machte sich gar nicht erst die Mühe, sich mit seinem Partner zu messen. Er wusste, dass er in dieser Hinsicht nicht gegen Doflamingo ankommen konnte; immerhin war er deutlich weniger kräftig als jener und besaß auch nur eine Hand, was sich bei diesem Spiel als echter Nachteil erwies. „Wonach suchst du?“, fragte Crocodile seinen Verlobten. Doflamingo ließ immer wieder seinen Blick über die Menschenmassen schweifen und reckte gelegentlich den Kopf in irgendeine Richtung. Als Crocodile ihn auf dieses Verhalten ansprach, schien er sich ertappt zu fühlen und stritt hastig alles ab: „Nichts. Ich habe mich nur umgeschaut.“ „Lüg mich nicht an“, erwiderte Crocodile und kniff seinem Partner in die Seite. „Du hältst doch nach irgendetwas oder irgendjemanden Ausschau!“ „Nein, wirklich nicht“, beteuerte Doflamingo. Und um das Thema zu wechseln, meinte er: „Schau mal, da vorne gibt es eine Foto-Kabine. Lass uns eines machen, ja? Solche nostalgischen Jahrmarkt-Fotos sind total schön!“ „Okay“, meinte Crocodile schulterzuckend und wurde von seinem Verlobten prompt in die nahegelegene Foto-Kabine geschleift. Sie war furchtbar eng, vor allem für zwei Menschen ihrer Größe. Auf der Rückseite war als Hintergrund die schwarz-weiße Fotokopie eines Riesenrades abgebildet. „Hast du überhaupt Kleingeld dabei?“, fragte Crocodile, als er bemerkte, dass man den Automaten nur per Münzeinwurf starten konnte. Wenn er sich richtig erinnerte, dann hatte sein Partner immer bloß in Scheinen bezahlt und die Differenz zum Preis als Trinkgeld dazu gegeben. Und er selbst hatte ja leider sein Portemone Zuhause vergessen. „Doflamingo?“ Doch sein Verlobter beachtete ihn gar nicht. Stattdessen lugte er vorsichtig durch den Vorhang nach draußen. „Doflamingo!“ Crocodile legte die Stirn in Falten und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast also doch jemanden gesucht!“ „Du hast ja Recht“, gestand dieser im Flüsterton und bedeutete ihm mittels einer Geste, ebenfalls leise zu sprechen. „Ich habe nach Law Ausschau gehalten. Bei der Grillparty letztes Wochenende hat er gesagt, dass er auch auf den Jahrmarkt geht. Erinnerst du dich noch?“ „Ich erinnere mich“, erwiderte Crocodile. „Aber wieso zur Hölle veranstaltest du denn bloß solch ein Theater? Warum gehen wir nicht einfach zu ihm hinüber und begrüßen ihn?“ „Er ist doch mit seinem Date hier“, antwortete Doflamingo, der noch immer interessiert nach draußen sah. „Du weißt schon, dieser Tätowierer.“ „Na und?“ Crocodile verstand wirklich nicht, wo das Problem lag. „Wir können doch trotzdem Hallo sagen! Und danach gehen wir wieder getrennte Wege. Warum nur versteckst du dich stattdessen in einer Foto-Kabine?“ „Er darf mich nicht sehen“, erwiderte Doflamingo. „Er wird denken, dass ich ihm hinterher spioniere.“ „Nun ja“, wendete Crocodile ein. Auf ihn wirkte die Situation sehr eindeutig. „Das tust du doch auch, oder nicht?“ „Nicht so richtig“, meinte sein Verlobter. „Ich bin immerhin nicht nur wegen ihm hier. Eigentlich geht es mir ja darum, mit dir einen schönen Abend auf dem Jahrmarkt zu verbringen.“ Für Crocodile ergaben Doflamingos Worte keinen Sinn. „Und wieso sollte er dann auf den Gedanken kommen, dass du ihm nachstellst?“, fragte er. Erst der schuldige Gesichtsausdruck, den sein Partner angesichts dieser Frage aufsetzte, verschaffte ihm Klarheit. „Du hast ihm schon mal hinterher spioniert?“, fragte Crocodile mit entsetzter Stimme. „Herrgott noch mal, Doflamingo! Warum tust du denn so etwas?“ „Du verstehst das nicht“, meinte er, ohne ihn anzusehen. „Dann erklär es mir!“, entgegnete Crocodile mit energischer Stimme und griff nach dem Unterarm seines Verlobten. „Verdammt! Doflamingo! Das ist doch nicht normal!“ „Nicht so laut!“, zischte ebenjener. „Erklär mir einfach, was los ist!“ Crocodiles Stimme klang unerbittlich, doch er bemühte sich trotzdem darum, leise zu sprechen. Doflamingo schwieg für einen Moment. Er senkte den Blick und fuhr sich ungelenk mit der Hand durch sein blondes Haar, ehe er schließlich sagte: „Es ist wegen Cora.“ „Cora?“, wiederholte Crocodile irritiert. „Corazon?“ Was hatte denn bloß Doflamingos verstorbener Bruder mit dieser Angelegenheit zu tun? Sein Verlobter nickte. „Er und Law waren ein Paar. Sie haben schon angefangen sich zu verabreden, als sie gerade einmal so achtzehn, neunzehn Jahre alt waren. Corazons plötzlicher Tod hat Law genauso schwer getroffen wie mich. Es hat mehr als ein Jahr lang gedauert, bis er sich getraut hat, sich nach einem neuen Partner umzuschauen. Und, naja, ich habe mir sehr große Sorgen um ihn gemacht und versucht herauszufinden, mit wem er sich trifft. Er war zu diesem Zeitpunkt immer noch sehr verletzlich und ich wollte vermeiden, dass er dem Falschen in die Hände gerät und ausgenutzt wird.“ „Und was ist dann passiert?“, hakte Crocodile nach. „Habt ihr euch verkracht, weil er herausgefunden hat, dass du ihm hinterher spioniert hast?“ „So in etwa“, gestand Doflamingo leise seufzend. „Erinnerst du dich noch an Mihawks Geburtstagsparty? Als du nach Hancocks neuem Freund Ausschau gehalten hast?“ Crocodile nickte. „Du hast mir davon abgeraten“, sagte er. „Meintest, es gäbe bloß Ärger, wenn man sich in fremde Beziehungen einmischt.“ „Genau das ist nämlich auch die Erfahrung, die ich gemacht habe“, erklärte ihm sein Verlobter. „Laws Date -so ein komischer Typ namens Sachi- hat mich zuerst bemerkt. Dachte wohl, ich wäre Laws eifersüchtiger Exfreund oder so etwas. Es gab fürchterlichen Ärger; wir haben uns, nun ja, geprügelt sozusagen. Irgendwann ist es Law gelungen, seinem Date klarzumachen, dass es sich bloß um ein Missverständnis handelt. Trotzdem ist aus den beiden nichts geworden. Law hat mir die Schuld an der Misere gegeben und wochenlang nicht mit mir gesprochen. Wir haben uns erst wieder vertragen, als ich ihm versprochen habe, dass ich ihm bei seinen Verabredungen nicht mehr nachstellen werde.“ „Deine Versprechen scheinen dir ja wirklich heilig zu sein“, murmelte Crocodile und zog eine Augenbraue hoch. „Es ist meine Pflicht auf ihn aufzupassen!“, verteidigte Doflamingo sein Verhalten. „Und sein letztes Date ist schon lange her. Nach der Sache mit Sachi hat Law sich noch vereinzelt mit ein paar anderen Männern getroffen, aber danach ist er zu einem echten Eigenbrötler geworden. Corazon hätte gewollt, dass ich mich um ihn kümmere und dafür sorge, dass er nicht an den Falschen gerät.“ „Law scheint mir ein sehr vernünftiger Mensch zu sein“, wendetete Crocodile ein. Er konnte die Sorge seines Verlobten nachvollziehen, doch er fand auch, dass er diesem trotzdem klarmachen musste, dass es sich bei Law nicht um naives Teenager-Mädchen handelte. „Ich glaube, er kann ganz gut einschätzen, welche Art von Interesse jemand an ihm hat. Er wird sicher nicht auf irgendeine Masche oder...“ Crocodile kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. „Sie küssen sich!“, wurde er hektisch von Doflamingo, der immer noch vorsichtig nach draußen linste, unterbrochen. „Bis gerade eben haben sie nur geredet, aber jetzt küssen sie sich!“ Crocodile seufzte leise, während er den Vorhang der Foto-Kabine um einen Zentimeter verschob, damit er ebenfalls hinausschauen konnte. Der Anblick, der sich ihm bot, verschlug ihm den Atem: Vor einer Bude, die Lebkuchenherzen und Schokofrüchte verkaufte, standen eng umschlungen Law und ein Mann mit roten, wild in alle Richtungen abstehenden Haaren. Crocodile erkannte ihn sofort wieder. „Eustass Kid“, flüsterte er mit schwacher Stimme und spürte, wie seine Knie weich wurden. „Hm?“ Verwundert blickte Doflamingo zu ihm hinüber. „Eustass Kid“, wiederholte er und wischte sich mit der Hand über den Mund. Inzwischen klang seine Stimme wieder ein klein wenig gefasster. „Das ist Eustass Kid.“ „Der Mann, der nach deinem Motorradunfall die Ambulanz für dich gerufen hat?“ fragte Doflamingo überrascht nach. Crocodile nickte. „Ich verdanke ihm mein Leben“, sagte er. „Hätte er sich damals nicht um mich gekümmert, wäre ich mit Sicherheit gestorben.“ Er ließ den Vorhang wieder los und Doflamingo tat es ihm gleich. „Dann muss ich mir keine Sorgen machen“, sagte sein Verlobter. „Dass er dein Leben gerettet hat, bedeutet, dass er ein guter Mensch ist. Er wird Law mit Sicherheit nicht schlecht behandeln.“ Crocodile nickte. Als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte, fragte er: „Hast du nun Kleingeld dabei oder nicht? Der Foto-Automat nimmt nämlich nur Münzen an.“ „In etwa zwanzig Minuten beginnt das Feuerwerk“, sagte Doflamingo, als er einen Blick auf seine Armbanduhr warf, während er gleichzeitig in seine Schokoladen-Banane am Spieß biss. „Die meisten Leute werden sich bereits einen guten Platz suchen. Wir sollten die Gelegenheit nutzen und wenigstens einmal mit der Achterbahn fahren, jetzt, wo die Warteschlange relativ kurz ist.“ „Erstens soll man mit vollem Mund nicht sprechen“, erwiderte Crocodile mit unwilliger Stimme, „und zweitens habe ich dir heute Mittag schon gesagt, dass ich nicht Achterbahn fahren möchte!“ „Ach, jetzt sei doch nicht so“, versuchte sein Verlobter ihn zu überreden und lotste ihn prompt hinüber zu der größten Achterbahn des ganzen Jahrmarkts. Crocodile zählte insgesamt drei Loopings und musste zu seinem Unmut feststellen, dass momentan tatsächlich nur sehr wenige Leute anstanden. „Heute ist der letzte Tag. Das bedeutet, es ist unsere letzte Chance!“ „Ist mir egal“, entgegnete Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb so viele Menschen das Achterbahnfahren toll fanden: Man wurde einfach bloß für ein paar Minuten mit hoher Geschwindigkeit durch die Gegend gewirbelt - und das auch noch zu einem absolut unverschämten Preis! Crocodile sah nicht ein, wieso er für eine solche Horror-Fahrt auch noch Geld ausgeben sollte. „Jetzt sei kein Spielverderber!“, bettelte Doflamingo. „Du bist viel zu streng mit dir selbst, Wani. Du solltest es dir ab und an mal erlauben, wieder ein Kind zu sein. Es macht wirklich Spaß, Achterbahn zu fahren!“ „Wir hatten heute schon genug Spaß“, hielt Crocodile dagegen. Ihm ging die Sturheit seines Verlobten allmählich auf die Nerven. Warum nur musste dieser immer seinen Willen durchsetzen? „Ich bin sogar mit dir auf dem Riesenrad gewesen. Reicht das nicht?“ „Bitte! Bitte, Croco, bitte!“ Doflamingo ließ einfach nicht locker. „Du hast gerade erst etwas gegessen“, versuchte Crocodile seinem Partner mit vernünftigen Argumenten beizukommen. „Du wirst dich nach der Fahrt mit Sicherheit übergeben!“ „Mir wird so leicht nicht übel“, erwiderte Doflamingo. „Komm schon! Bitte! Nur eine Fahrt! Bitte, Wani!“ Crocodile seufzte leise und massierte sich mit zwei Fingern die rechte Schläfe. Im Augenblick kam es ihm so vor, als wäre er nicht mit einem erwachsenen Mann, sondern einem quengelnden Kind unterwegs. Noch weniger denn je konnte Crocodile nachvollziehen, wieso Doflamingo unbedingt selber Kinder haben wollte. Man musste doch vollkommen verrückt sein, um sich freiwillig tagtäglich mit Diskussionen dieser Art rumzuschlagen! Am Ende gab er trotzdem klein bei. „Also gut, aber nur eine einzige Fahrt!“ Crocodile wusste, dass es keinen Sinn machte, sich Doflamingos Willen zu widersetzen Sein Verlobter konnte manchmal wirklich unfassbar stur sein. Als Kind war dieser eindeutig viel zu sehr verzogen worden. Doflamingo machte sich sogleich daran, Fahrkarten für sie beide zu kaufen. Crocodile vermutete, dass er den Ticketverkäufer mit ein paar zusätzlichen Geldscheinen bestach, denn sie durften sofort bei der nächsten Runde einsteigen und sogar ganz vorne sitzen. Um ehrlich zu sein, fühlte Crocodile sich sehr unwohl. Ohne es selbst zu bemerken, verzog er den Mund und klammerte sich mit der rechten Hand so fest wir nur möglich an die Haltestange. Seine letzte Achterbahnfahrt war bereits mehrere Jahre her. Doflamingo wiederum, der neben ihm saß, schien von der Furcht seines Partners überhaupt nichts mitzubekommen. Er grinste fröhlich und schien sich wie verrückt auf die bevorstehende Fahrt zu freuen. Dann ging es los. Crocodile presste die Zähne fest aufeinander und spürte, wie sein gesamter Körper ganz starr wurde, während Doflamingo vor Begeisterung laut jauchzte. In einer atemberaubenden Geschwindigkeit donnerte der Zug die Schienen entlang und verminderte seine Geschwindigkeit auch dann nicht, als er die drei Loopings schlug. Und obwohl Crocodile wusste, dass die Fahrt höchstens eine oder zwei Minuten lang andauerte, kam sie ihm vor wie Stunden. Er war unsagbar froh, als die Achterbahn endlich wieder zum Stehen kam. Seine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding, als er aus dem Zug ausstieg; außerdem war ihm furchtbar übel. „Mann, das war richtig geil!“, jubelte Doflamingo breit grinsend. „Bist du dir wirklich sicher, dass du nicht noch eine Runde fahren möchtest, Croco? Crocodile?!“ Crocodile kam nicht dazu, die Frage seines Verlobten vehement zu verneinen; als er seinen Mund öffnete, war nämlich das einzige, was hervorkam, ein Schwall Erbrochenes. Weil er am ganzen Leib zitterte, stützte Crocodile sich mit seiner Hand an einem Zaun zu seiner Rechten ab, während er sich in mehreren Schüben übergab. „Ich nehme mal an, das bedeutet nein“, stichelte Doflamingo grinsend, während er ihm seine Haare aus dem Gesicht hielt. Die einzige Erwiderung, die er seitens Crocodile erhielt, war ein ausgestreckter Mittelfinger. * Crocodile klappte seinen Laptop zu und erhob sich von seinem gemütlichen Sessel. Bis gerade eben noch hatte er einige wichtige Dinge für die Arbeit erledigt, doch nun war er fertig für heute. Die große Elektronik-Messe Tom's Workers stand kurz bevor und alle Mitarbeiter kümmerten sich noch hektisch um die allerletzten Vorbereitungen. Crocodile konnte es nicht vermeiden, die eine oder andere Überstunde zu machen oder ein wenig Arbeit mit nach Hause zu nehmen. In einem solchen Fall zog er sich (so wie heute) für eine Weile in sein Lesezimmer zurück und verschickte im Minutentakt wichtige Emails, verfasste Arbeitsanweisungen oder tat, was auch immer gerade erledigt werden musste. Solche Tage kamen in letzter Zeit wieder häufiger vor, doch weder Crocodile noch Doflamingo machte dieser Umstand sonderlich viel aus. Tatsächlich brachte dieser überraschend viel Verständnis für die momentane Lage seines Partners auf. Vermutlich, weil er sich manchmal in derselben Situation befand: Doflamingo hatte ebenfalls eine sehr hohe berufliche Stellung inne und war sich dessen bewusst, dass es manchmal eben unumgänglich war, ein wenig Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Wenn man solch große Verantwortung wie sie beide trug, dann gab es gelegentlich einfach Dinge, die nicht bis zum nächsten Tag warten konnte. Doflamingo selbst stellte da auch keine Ausnahme dar: Es kam nicht selten vor, dass sie sich gemeinsam im Wohnzimmer aufhielten, und Crocodile ein Buch las, während sein Verlobter irgendwelche Dokumente für die Arbeit durchsah. Solange diese Fälle nicht Überhand nahmen, bemühten sie sich beide sehr stark darum, Verständnis für die Situation des jeweils Anderen aufzubringen. Dieses gegenseitige Verständnis hielt Crocodile für eine der größten Stärken in ihrer Beziehung. Er hatte auch schon den einen oder anderen Freund gehabt, der einfach nicht nachvollziehen konnte, welchen hohen Stellenwert Arbeit in seinem Leben einnahm und warum. Häufig hatte es sich um Männer gehandelt, die es selbst beruflich nicht sonderlich weit geschafft hatten. Sie waren in dieser Hinsicht absolut unmotiviert und verstanden nicht, aus welchem Grund man sich bei der Arbeit anstrengen sollte. Diese Beziehungen hatten nie sonderlich lange gehalten. Crocodile war ein Workaholic - und er brauchte jemanden, der diese Einstellung verstand und akzeptierte. Nun allerdings hatte Crocodile sein heutiges Arbeitspensum erledigt. Er legte seinen Laptop zur Seite und machte sich auf die Suche nach seinem Verlobten, den er im Wohnzimmer vermutete. Kaum hatte Crocodile die Türe geöffnet, spürte er, wie sich dunkle Röte in seinem Gesicht ausbreitete. Doflamingo hielt sich tatsächlich im Wohnzimmer auf; doch er las kein Buch und schaute sich auch keinen Film an - stattdessen lag er mit gespreizten Beinen auf der Couch und befriedigte sich selbst. Obwohl sie beide nun schon fast ein Jahr lang zusammen waren, hatte Crocodile seinen Partner noch nie zuvor bei der Masturbation erwischt. Der Gedanke, dass Doflamingo so etwas tat, überraschte ihn eigentlich nicht: Bis vor einigen Monaten hatten sie beide schließlich noch getrennt gewohnt und konnten sich nicht so oft treffen, wie sie es gerne getan hätte. Und da sein Verlobter über ein sehr starkes Libido verfügte, war Crocodile bereits auf den Gedanken gekommen, dass Doflamingo sich des Öfteren selbst befriedigte. Auch wenn er selber nur sehr selten masturbierte, fühlte Crocodile sich durch das Verhalten seines Partners nicht gestört: Lieber sollte Doflamingo auf diese Weise seine überschüssige Energie loswerden, dachte er sich, als dass er ihn mit einem anderen Mann (oder einer Frau) betrog. Doch auch wenn Crocodile bezüglich Masturbation in einer Beziehung grundsätzlich sehr liberal eingestellt war, konnte er nicht verhehlen, dass ihm diese Situation trotzdem schrecklich unangenehm war. Er fühlte sich vollkommen überfordert und wusste nicht, wie er reagieren sollte. Anstatt irgendetwas zu sagen oder zu tun, blieb er einfach bloß mit einem verdatterten Gesichtsausdruck im Türrahmen stehen. Die Röte auf seinen Wangen intensivierte sich, als er feststellte, dass es ihm nicht gelingen wollte seinen Blick abzuwenden. Wie gebannt beobachtete er Doflamingo bei der Selbstbefriedigung: Er wirkte absolut entspannt; seine Augen waren geschlossen und seine Brust hob und senkte sich in einem gleichmäßigen Rhythmus. Die orangefarbene Capri-Hose, die er trug, hing lose um seinen linken Knöchel. Mit der einen Hand hatte er sein erigiertes Glied umfasst; seinen Daumen ließ er in kreisenden Bewegungen langsam über die Eichel gleiten. Mit der anderen Hand hielt er einen relativ schmalen, schwarzen Vibrator fest, den er in einer ruhigen Bewegung immer wieder in seinen Eingang stieß. Pikiert stellte Crocodile fest, dass es sich um denselben Vibrator handelte, den Doflamingo einst bei ihm selbst verwendet hatte. Um ehrlich zu sein, verwunderte ihn der Vibrator: Bisher hatte er eigentlich nicht den Eindruck gehabt, dass sein Verlobter sonderlich gerne passiven Analverkehr praktizierte. Doflamingo fühlte sich in der aktiven Rolle wohler - oder zumindest hatte Crocodile dies immer geglaubt. Doch wer könnte ihm diesen Irrtum verübeln: Zu Beginn ihrer Beziehung hatte er das eine oder andere Mal angeboten die Positionen zu tauschen, doch Doflamingo hatte sich nicht so wirklich darauf eingelassen. Gelegentlich fingerte Crocodile seinen Partner, doch darüber hinaus waren sie noch nie gekommen. Im Endeffekt machte es ihm nicht viel aus: Crocodile bevorzugte sowieso die passive Rolle. Er liebte das Gefühl, ausgefüllt zu werden. „Wie lange möchtest du noch zwischen Tür und Angel stehen bleiben?“ Crocodile schreckte auf, als er die gelassen klingende Stimme seines Verlobten vernahm. Als er diesem ins Gesicht schaute, stellte er fest, dass seine Augen noch immer geschlossen waren. Ein Schauer lief Crocodile über den Rücken, als ihm klar wurde, dass Doflamingo sich seiner Anwesenheit von Anfang an bewusst gewesen war - und sich offensichtlich nicht im Mindesten daran störte. Crocodile senkte beschämt den Blick, als er feststellen musste, dass ihn dieser Vorstellung eher erregte als abschreckte. Stille legte sich über den Raum. Es dauerte einen Moment, bis Crocodile registrierte, dass sein Partner den Vibrator abgestellt hatte. Doflamingo richtete sich auf, stieß die um seinen Fußknöchel hängende Capri-Hose fort und kam auf ihn zu. „Du... du.... du musst nicht wegen mir aufhören“, stotterte Crocodile verunsichert und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Noch immer wagte er es nicht, den Blick mit seinem Verlobten zu kreuzen. „Das hatte ich auch gar nicht vor“, erwiderte Doflamingo keck, als er vor ihm stehen blieb. Er legte einen Arm um seine Hüfte, zog ihn zu sich heran und küsste ihn zärtlich auf den Mund. Ohne dass er irgendeinen Einfluss darauf gehabt hätte, spürte Crocodile, wie er den Kuss erwiderte. Doflamingos Lippen waren warm und schmeckten unwahrscheinlich verheißungsvoll. Als sein Verlobter sein Hemd hochschob und seine Taille zu streicheln begann, richtete sich Crocodiles bisher nur halb-steifes Glied zu seiner vollen Größe auf. Doflamingo grinste in ihren Kuss hinein. „Es tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe“, flüsterte er und Crocodile war sofort klar, dass sein Partner seine Worte überhaupt nicht ernst meinte. „Das war nicht meine Absicht. Soll ich es wiedergutmachen?“ Crocodile nickte. Seine Wangen waren noch immer knallrot und er schaffte es nicht, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Doflamingo griff nach der Türklinke hinter ihm und schloss die Wohnzimmertüre. Anschließend nahm er ihn bei der Hand und führte ihn zu der großen und gemütlichen Couch hinüber. Es war nicht das erste Mal, dass sie Sex auf der Wohnzimmercouch hatten. Herrgott, es war nicht einmal das erste Mal, dass sie Sex auf der Wohnzimmercouch hatten und dabei einen Vibrator benutzten. Doch trotzdem war Crocodile unfassbar nervös. Er fühlte sich nicht unwohl, aber verunsichert. Dieses Mal war der Vibrator nicht für ihn, sondern für seinen Partner gedacht. „Wie du sicher bereits festgestellt hast, habe ich heute besonders gute Laune“, sagte Doflamingo mit verführerisch klingender Stimme, während er das Hemd seines Verlobten aufknöpfte. „Hast du heute Lust der Aktive zu sein, Baby? Ich weiß, eigentlich ist es andersherum bei uns, aber im Augenblick kann ich mir einfach nichts Schöneres vorstellen als deinen harten Schwanz in mir zu spüren.“ Die Erwiderung, die Crocodile auf der Zunge lag, verwandelte sich unwillkürlich in einen lauten Stöhnlaut, als sein Verlobter seine beiden Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und sie zu reiben begann. „Das nehme ich mal als ein ja“, meinte Doflamingo grinsend. Er fuhr mit der nassen Zunge über seinen blassen Hals, während er ihn gleichzeitig in eine liegende Position drückte. Crocodile, der sich noch immer recht überfordert fühlte, ließ es geschehen. Es störte ihn nicht, dass sein Verlobter das Zepter in der Hand behielt, auch wenn dieser hinterher doch die passive Rolle einnehmen wollte. Um ehrlich zu sein, beruhigte ihn dieses altbekannte Verhaltensmuster sogar ein wenig. Doflamingo knöpfte seine Hose auf und zog sie mitsamt Unterwäsche über seine Oberschenkel. Ohne auch nur einen Augenblick zu viel verstreichen zu lassen, griff er nach seinem Glied und begann es in einem gleichmäßigen, langsamen Rhythmus zu pumpen. Allmählich verflog Crocodiles Verunsicherung. Der Anblick seines Verlobten, der zwischen seinen gespreizten Beinen saß und sein Glied verwöhnte, wirkte angenehm normal (beinahe schon alltäglich) auf ihn und nahm ihm die Nervosität. Irgendwann griff Doflamingo nach der Tube Gleitgel, die auf dem Couchtisch stand. Er gab eine großzügige Menge der durchsichtigten Flüssigkeit auf seine Handinnenfläche und verteilte sie anschließend auf dem Glied seines Partners. Sein Eingang war anscheinend feucht und geweitet genug, denn für sich selber behielt er nichts übrig. Crocodile hielt die Luft an, während er Doflamingo beobachtete, der sich über ihm positionierte. Einen Moment später spürte er, wie dieser nach seinem Glied griff. Er hielt es fest und ließ sich langsam darauf nieder. Crocodile schloss seine Augen und legte den Kopf in den Nacken. Ausgehend von seinem Penis breitete sich ein warmes, kribbelndes Gefühl in seinem gesamten Körper an. Je tiefer er in das Innere seines Verlobten eindrang, desto intensiver konnte er das angenehme Brennen in seinem Unterleib wahrnehmen. Zentimeter für Zentimeter senkte Doflamingo sich ab, bis er schließlich auf seiner Hüfte saß. Crocodiles Glied war vollständig in ihm verschwunden. „Verdammt“, hörte er seinen Partner flüstern. „Ich glaube, ich habe unterschätzt, wie groß dein Schwanz in Wirklichkeit ist.“ „Möchtest du... möchtest du runter?“, fragte Crocodile. Er brach diese Sache nur äußerst ungern ab, doch sollte Doflamingo sich unwohl fühlen, blieb ihm natürlich nichts Anderes übrig. Wenn er die passive Rolle einnahm, wünschte er sich schließlich ebenfalls, dass sein Verlobter Rücksicht auf ihn nahm. „Auf keinen Fall“, erwiderte Doflamingo glücklicherweise. „Ich hatte zwar lange keinen Schwanz mehr in mir, aber... Verdammt nochmal, das fühlt sich wirklich gut an! Ich brauche nur einen kurzen Moment, um mich wieder an dieses Gefühl zu gewöhnen.“ „Lass dir so viel Zeit wie du brauchst“, sagte Crocodile sofort. Und um seinen Partner ein wenig zu helfen, fügte er hinzu: „Atme tief ein und aus. Halte den Rücken gerade. Und versuch die Muskeln in deinem Unterbauch und deinen Oberschenkeln zu entspannen.“ „Ah, Tipps vom Experten“, gab Doflamingo keck grinsend zurück, doch Crocodile spürte wenig später, dass seine Atmung tatsächlich ruhiger wurde und seine steife Körperhaltung sich allmählich auflockerte. Doflamingo startete mit sehr langsamen Bewegungen; immer wieder hob er seinen Unterleib an und ließ ihn anschließend wieder auf das Glied seines Partners hinabgleiten. Gleichzeitig pumpte er seine eigene Männlichkeit im selben Rhythmus. Crocodile genoss sowohl die überaus erotische Aussicht, die sich ihm bot, als auch die Stimulation seines Gliedes. Um ehrlich zu sein, konnte er gar nicht so richtig fassen, was gerade geschah: Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass Doflamingo ihn reiten würde. Doch so erregend diese Situation auch sein mochte: Crocodile wurde schmerzlich bewusst, wie stark er es gewohnt war die passive Rolle einzunehmen. Er konnte diese Empfindung nur schwer in Worte fassen... Auf irgendeine Art und Weise fühlte er sich... leer. Es kam ihm seltsam vor, Sex zu haben ohne selbst ausgefüllt zu werden. „Was ist?“, fragte Doflamingo, der zu bemerken schien, dass mit seinem Partner etwas nicht in Ordnung war. „Nichts“, erwiderte Crocodile rasch und bemühte sich darum einen möglichst unbefangenen Eindruck zu erwecken. Doflamingo gab sich sehr viel Mühe mit ihm und er wollte nicht undankbar erscheinen. Außerdem machte der Sex ihm ja auch Spaß; es war nicht so, als würde er die warme und samtige Enge seines Partners nicht genießen. „Ich spüre, dass irgendetwas los ist“, hakte Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen nach. „Gefällt es dir nicht?“ „Doch, doch!“, warf Crocodile ein. „Wie du mich reitest fühlt sich fantastisch an!“ „Was ist dann das Problem?“ „Ich... nun ja... ich...“ Wieder einmal überkam ihn das unangenehme Gefühl, geröntgt zu werden. Doflamingos Blick schien ihn zu durchbohren; die stechend grünen Augen fixierten ihn unerbittlich. „Um ehrlich zu sein... mein Schwanz fühlt sich unfassbar geil an... nur... irgendwie fühle ich mich gleichzeitig auch leer. Als würde etwas fehlen.“ Diese Beschreibung zauberte seinem Verlobten ein breites Grinsen auf die Lippen. „Ich glaube, ich weiß, was los ist“, meinte er und erhob sich. Crocodile gab einen unwilligen Brummlaut von sich, als Doflamingo von seiner Hüfte stieg. „Ich möchte nicht, dass du aufhörst“, erklärte er mit energischer Stimme. „Das werde ich auch nicht“, erwiderte sein Partner, während er die unterste Schublade des Couchtisches öffnete. (Ihr Wohnzimmertisch verfügte über drei große Schubladen, die absolut lautlos auf- und wieder zuglitten.) Doflamingo holte einen kleinen, schwarzen Buttplug hervor, den er sehr großzügig mit Gleitgel einrieb. Sofort wurde Crocodile klar, worauf sein Verlobter hinauswollte. Allerdings wusste er nicht so recht, was er von dessen ungewöhnlicher Idee halten sollte: Auf der einen Seite schüchterte ihn der Anblick des Buttplugs ein wenig ein (Plugs waren ihm nicht völlig fremd, doch er verwendete sie im Liebesspiel relativ selten), auf der anderen Seite jedoch empfand er die Vorstellung, ausgefüllt zu sein und gleichzeitig von seinem Partner geritten zu werden, als absolut erregend. Am Ende spreizte Crocodile bereitwillig seine Beine, als Doflamingo sich ihm mit dem schwarzen Sextoy in der Hand näherte. Er stöhnte leise, als der Plug langsam in ihn eindrang. „Wie fühlt es sich an?“, fragte Doflamingo, nachdem der Plug vollständig in seinem Inneren verschwunden war. „Wundervoll“, hauchte Crocodile. Seine Worte waren nicht gelogen: Er liebte es, ausgefüllt zu sein. Sofort fühlte er sich viel wohler. „Da wir dieses Problem nun gelöst haben“, meinte Doflamingo, „würde ich mich jetzt gerne wieder deinem Schwanz zuwenden, Wani.“ Seine Stimme klang sehr ungeduldig und kaum hatte er zu Ende gesprochen, hatte er sich bereits wieder auf das Glied seines Verlobten gesetzt. Die folgenden zehn Minuten behielt Crocodile in unfassbar schöner Erinnerung: Indem Doflamingo sich immer schneller und mit einer beneidenswerten Ausdauer auf ihm bewegte, brachte er ihn beinahe um den Verstand. Das Innere seines Verlobten war unbeschreiblich eng und sehr warm. Kaum ritt Doflamingo ihn weiter, nachdem er ihm den Buttplug eingeführt hatte, musste Crocodile sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht sofort zum Orgasmus zu kommen. Hitze breitete sich ausgehend von sowohl seinem Glied als auch seinem Eingang wellenförmig in seinem ganzen Körper aus. Er bemühte sich darum, dieses atemberaubende Gefühl so lange wie möglich festzuhalten. Eigentlich hatte Crocodile sich vorgenommen, erst dann zum Höhepunkt zu kommen, wenn auch Doflamingo so weit war, doch leider hielt er der Hitze in seinem Unterleib nicht länger stand. Erschöpft keuchend ergoss er sich in mehreren Stößen in seinen Partner, der in seiner Bewegung nicht inne hielt, sondern ihn durch seinen Orgasmus hindurch weiterritt. Es war ein absolut atemberaubendes Gefühl. Erst als Crocodile fertig war, löste Doflamingo sich von ihm. „Sorry“, sagte er schweratmend und warf seinem blonden Verlobten einen entschuldigenden Blick zu. „Aber ich habe es einfach nicht länger ausgehalten.“ „Du musst dich nicht entschuldigen“, erwiderte Doflamingo stolz grinsend und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Es freut mich, dass es dir gefallen hat. Und außerdem weiß ich selbst ja zu gut, wie schwierig es in einer solchen Situation ist, sich zurückzuhalten.“ „Du bist noch nicht gekommen“, warf Crocodile schuldbewusst ein. „Das lässt sich sehr leicht ändern“, meinte sein Partner mit kecker Stimme. „Darf ich?“ Es war eine rhetorische Frage, denn nur den Bruchteil einer Sekunde später spürte Crocodile, wie sein Buttplug herausgezogen wurde. Doflamingo legte ihn auf den Couchtisch und griff stattdessen nach dem Gleitgel, um seinen eigenen Penis damit zu benetzen. „Es macht Spaß, ab und zu die Rollen zu tauschen“, meinte er grinsend, während er sich über ihm positionierte, „aber auch das Altbewährte sollte man in allen Ehren behalten. Findest du nicht?“ Crocodile begriff, dass Doflamingo um Erlaubnis fragte. Er nickte schwach und spürte anschließend, wie das mächtige Organ seines Partners in ihn eindrang. Und obwohl Crocodile viel zu erschöpft war, um noch einmal zum Orgasmus zu kommen, fühlte sich die Penetration unglaublich gut an. Es handelte sich sozusagen um den krönenden Abschluss. Anscheinend war Doflamingo nicht weit von seiner Grenze entfernt gewesen: Es dauerte bloß acht oder neun Stöße, ehe schließlich auch er zum Höhepunkt kam. Als er fertig war, rollte er sich von ihm herunter und blieb mit geschlossenen Augen neben ihm liegen. Für eine Weile sagte niemand von ihnen ein Wort, lediglich ihr schwerer Atem durchbrach die Stille. „Was hältst du davon, wenn wir zusammen duschen gehen“, meinte irgendwann Doflamingo, „und uns dann ins Bett legen?“ „Gute Idee“, stimmte Crocodile seinem Verlobten zu und erhob sich. Er war (auf eine angenehme Art und Weise) vollkommen ausgelaugt und sehr müde. Sich gemeinsam schlafen zu legen, hielt er für einen außerordentlich guten Vorschlag. Bevor sie sich auf den Weg hinüber ins Badezimmer machten, griff Doflamingo nach ein paar Taschentüchern und wischte das Sperma weg, das aus seinem Eingang heraus und über seine Oberschenkel lief. „Ich habe nie verstanden, warum du dich nach dem Sex immer unbedingt waschen möchtest, anstatt einfach einzuschlafen“, sagte er, während er die weiße Flüssigkeit wegwischte. „Jetzt verstehe ich's.“ „War es etwa dein erstes Mal als passiver Part?“, hakte Crocodile verwundert nach und fing das Paket Taschentücher auf, das sein Verlobter ihm zuwarf. Auch auf den Innenseiten seiner eigenen Oberschenkel befand sich ein beträchtliche Menge an Sperma. Doflamingo schüttelte den Kopf. „Nicht das erste Mal“, meinte er. „Aber ich hatte schon sehr lange keinen passiven Analverkehr mehr. Auch schon bevor ich dich kennengelernt habe. Eigentlich fühle ich mich in der aktiven Rolle wohler.“ „Was hat dich dazu bewegt, es noch einmal auszuprobieren?“, fragte Crocodile interessiert nach. Sein Partner zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung“, sagte er. „Es hat mich heute irgendwie überkommen. Ich... naja, ich wollte es einfach mit dir machen. Ich wollte dich in mir spüren. Du bist eine besondere Person für mich, Crocodile.“ „Das freut mich zu hören“, erwiderte er. Er zögerte einen Augenblick, ehe er hinzufügte: „Also hast du es darauf angelegt? Dass ich dich erwische, meine ich?“ „Eigentlich nicht“, antwortete Doflamingo und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Ich wollte es zuerst einmal ganz in Ruhe mit dem Vibrator versuchen. Um mich wieder an das Gefühl zu gewöhnen, verstehst du? Aber es hat mich überhaupt gar nicht gestört, als du dazu gekommen bist. Vielleicht... gut, vielleicht habe ich es wirklich ein wenig darauf angelegt, dass du mich findest. Immerhin hätte ich mich auch in einen abgeschiedeneren Raum als das Wohnzimmer zurückziehen können.“ „Aber es hat dir gefallen, oder nicht? So insgesamt?“ „Der Sex heute war einfach nur phänomenal!“, erwiderte sein Verlobter. „Es hat sich wirklich schön angefühlt, dich in mir zu spüren. Aber ich bevorzuge trotzdem die aktive Rolle. Die passive Rolle werde ich mir eher für besondere Anlässe aufheben, denke ich.“ „Besondere Anlässe?“, wiederholte Crocodile und lachte leise. „Meinen Geburtstag? Weihnachten? Oder unsere Hochzeitsnacht? Meinst du solche besonderen Anlässe?“ „Warum nicht?“, meinte Doflamingo lächelnd und zuckte mit den Schultern. Er zögerte für einen Moment, ehe er mit ernster Stimme hinzufügte: „Ich finde es wirklich toll, dass es so gut zwischen uns beiden läuft, was den Sex angeht. Um ehrlich zu sein, habe ich mir zu Beginn unserer Beziehung ein wenig Sorgen gemacht. Die meisten Männer, mit denen ich zusammen war, wollten Fifty-Fifty machen, wenn es um die Verteilung der Rollen ging. Aber eine solche Quote könnte ich niemals einhalten. Ich bin eher für den aktiven als für den passiven Sex geschaffen. Deshalb habe ich das Gefühl, in dir den perfekten Partner gefunden zu haben, Crocodile. Wir beide ergänzen uns wirklich super gut. Manchmal denke ich, dass wir beide wirklich füreinander geschaffen wurden.“ * Crocodile biss sich auf die Unterlippe, während er mit einem unwilligen Gesichtsausdruck seinen Terminkalender durchging. Die große Elektronik-Messe Tom's Workers fand übernächstes Wochenende statt. Und als Manager war es natürlich seine Pflicht, vom ersten bis zum letzten Moment dabei zu sein. De facto wäre er von Freitagmorgen bis Sonntagabend rund um die Uhr eingespannt. Eigentlich hatte Crocodile überhaupt kein Problem damit, am Wochenende zu arbeiten. Als er noch studierte, hatte er oft Jobs gehabt, die außerhalb des zeitlich üblichen Rahmens (montags bis freitags, neun bis siebzehn Uhr) stattfanden; in Kneipen und Casinos spielte sich das Hauptgeschehen nun eben einmal nicht wochentags ab. Ihm hatte es nie viel ausgemacht. Crocodile seufzte leise und warf einen verzweifelten Blick auf den rot markierten Termin in seinem Kalender. Doflamingo hatte noch immer überhaupt keine Ahnung davon, dass er längst nicht mehr bei der Bank, sondern bei Tom's Workers arbeitete. Wie sollte er seinem Verlobten bloß klarmachen, dass er ein ganzes Wochenende lang fort sein würde, ohne dass dieser Verdacht schöpfte? Immerhin war Doflamingo ein äußerst eifersüchtiger Mensch. Crocodile würde sich auf jeden Fall eine gute Ausrede einfallen lassen müssen; er brauchte ein wasserdichtes Alibi, damit sein Partner auf keinen Fall sein großes Geheimnis lüftete. Doch welche Lüge sollte er Doflamingo bloß auftischen? Bereits seit mehreren Stunden zermarterte Crocodile sich das Gehirn, doch bisher war ihm noch keine glaubwürdige Geschichte eingefallen. Zuerst hatte er daran gedacht, Doflamingo zu erzählen, dass beispielsweise sein Bruder krank geworden wäre und jemanden bräuchte, der sich um ihn kümmerte; doch diese Idee hatte er genauso rasch wieder verworfen, wie sie ihm eingefallen war. Sein Verlobter würde mit Sicherheit darauf bestehen, ihn zu begleiten, um ihn bei der Pflege zu unterstützen. Immerhin war Doflamingo ein außerordentlich fürsorglicher Mensch, wenn es um Personen ging, die er mochte und die ihm wichtig waren. Später war ihm der Gedanke gekommen, die Schwangerschaft seiner Schwester als Vorwand zu nehmen. Er könnte Doflamingo auftischen, dass Hancock ihn um Hilfe bei der Einrichtung des Babyzimmers gebeten hätte. Doch auch diesen Einfall verwarf Crocodile schnell wieder. Doflamingo interessierte sich sehr stark für alles, was mit der Schwangerschaft seiner zukünftigen Schwägerin zu tun hätte. Bestimmt würde er auch in diesem Fall unbedingt mitkommen wollen. Crocodile fiel es nicht schwer sich den strahlenden Gesichtsausdruck seines Verlobten vorzustellen, während er das Babybett aufbaute oder die Wände mädchenrosa strich. Die perfekte Übung für später, hörte er Doflamingo mit fröhlicher Stimme sagen. Immerhin wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis auch Wani und ich endlich ein Baby haben. Angesichts dieser Vorstellung schüttelte Crocodile sich. Alle Ausreden, die irgendetwas mit seinen Geschwistern zu tun hatten, waren schlecht, fand er. Auch wenn es ihm gelingen würde, Doflamingo zum Bleiben zu überreden, war die Gefahr aufzufliegen viel zu groß. Schließlich telefonierte Doflamingo inzwischen beinahe täglich mit Hancock und auch gelegentlich mit Mihawk. (Nicht, dass er sich schlechter mit Mihawk als mit Hancock verstand, doch bei Crocodiles Bruder handelte es sich einfach nicht um einen sonderlich kommunikativen Menschen.) Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis Doflamingo erfuhr, dass Mihawk nie krank gewesen war oder dass Hancock bei der Einrichtung des Babyzimmers überhaupt nicht um Unterstützung gebeten hatte. Welche Lüge sollte er seinem Verlobten bloß erzählen? Vielleicht könnte er das Wiedersehen mit einem alten Freund aus dem Studium vorschieben, dachte Crocodile sich. Im Kopf legte er sich bereits die richtigen Worte zurecht: Wir beide haben uns ewig nicht mehr gesehen, Doffy. Er hat zwei Jahre lang in Thailand gelebt. Und, nun ja, gestern rief er an und fragte mich, ob ich nicht mal ein Wochenende bei ihm verbringen möchte. Um zu reden uns mir seine Fotos aus Thailand anzusehen. Früher waren wir wirklich gut befreundet und... Crocodile rollte genervt mit den Augen und seufzte leise auf. Nie im Leben würde Doflamingo zulassen, dass sein Verlobter bei einem ihm völlig fremden Mann übernachtete. Dafür war er viel zu eifersüchtig. Und selbst wenn es Crocodile gelänge sich durchzusetzen, war er sich sicher, dass Doflamingo ihn alle paar Minuten mit Kontrollanrufen nerven würde. Und ständige Unterbrechungen bei der Arbeit durch seinen paranoiden Partner würde er nun wirklich nicht gebrauchen können. Doch so sehr Crocodile sich auch anstrengte: Ihm fiel einfach keine vernünftige Ausrede ein. Dabei fand die Messe doch schon übernächstes Wochenende statt! Die Zeit glitt ihm wie feiner Sand durch die Finger... Mit zur sorgenvollen Miene verzogenem Gesicht verließ Crocodile sein Lesezimmer und machte sich auf den Weg hinunter ins Erdgeschoss. Er vermutete, dass Doflamingo sich im Wohnzimmer aufhielt. Crocodile sollte recht behalten: Als er die Türe aufschob, konnte er sehen wie sein Verlobter mit seinem Handy am Ohr unruhig durch den Raum tigerte. Ausnahmsweise erweckte er keinen sonderlich fröhlichen Eindruck. „Schlechte Nachrichten?“, fragte Crocodile mit vorsichtiger Stimme, nachdem Doflamingo das Telefonat beendet hatte. „Ja und nein“, antwortete Doflamingo. Er ließ sich auf der Couch nieder und legte sein Handy auf dem Wohnzimmertisch ab. Crocodile setzte sich neben ihn. „Ich werde mich im Verlauf der übernächsten Woche mit Hogback treffen müssen. Ich weiß nicht, ob ich dir schon mal von ihm erzählt habe: Er vertritt die Pharmagesellschaft Thriller Bark. Ich hoffe, dass es mir gelingen wird ein paar gute Verträge für einige neu erschienene Medikamente abzuschließen.“ „Aber das klingt doch gut“, warf Crocodile ein, der nicht so recht verstand, wo nun das Problem lag. „Es handelt sich um eine große Chance“, gab Doflamingo zurück, „aber Hogback ist momentan nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen. Vor ein paar Wochen hatten wir bereits ein Treffen vereinbart, das ich allerdings kurzfristig habe platzen lassen.“ „Oh“, machte Crocodile und senkte den Blick. Unweigerlich überkamen ihn schlimme Gewissensbisse: Dass sein Verlobter den Termin mit Hogback nicht hatte wahrnehmen können, war seine Schuld gewesen. Nachdem Crocodile unerwarteterweise seiner Mutter begegnet war, hatte er sofort Doflamingo angerufen und diesen dazu gedrängt, nach Hause zu kommen. Dass Doflamingo ein wichtiges Geschäftsessen plante, hatte er zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht gewusst gehabt. „Trotzdem solltest du dir keine Sorgen machen“, versuchte er Doflamingo ein wenig aufzumuntern. „Immerhin würde bei diesem Deal auch Vorteile für Thriller Bark rausspringen, nicht wahr? Die Miracle-Sakura-Klinik gehört zu den renommiertesten Krankenhäusern des ganzen Landes. Ein Vertrag für neue Medikamente käme beiden Seiten zugute.“ „Hoffentlich denkt Hogback genauso“, murmelte Doflamingo. „Er möchte mit mir über ein Krebs-Medikament sprechen, das Thriller Bark neu auf den Markt gebracht hat. Wenn das Medikament hält, was es verspricht, könnte die Miracle-Sakura-Klinik damit eine Menge Geld verdienen. Wir wären das allererste Krankenhaus, das eine Behandlung mit diesem neuen Mittel anbietet. Weil es sich um eine solch wichtige Angelegenheit handelt, muss ich auch unbedingt persönlich mit Hogback sprechen und kann keinen Vertreter oder Assistenten zu diesem Treffen schicken.“ „Verständlich“, meinte Crocodile kopfnickend. Er zögerte für einen kurzen Augenblick, ehe er hinzufügte: „Ich habe im Moment dasselbe Problem. Übernächstes Wochenende findet die Elektronik-Messe Tom's Workers statt. Die Bank hat Interesse an einigen Geräten, die dort angeboten werden. Weil es um Hardware in Höhe von fast zwei Millionen Berry geht, will man für die Abwicklung der Geschäfte unbedingt eine hochrangige Person einsetzen. Und so wie es aussieht, werde wohl ich derjenige sein, der sein Wochenende auf dieser blöden Messe verbringen darf.“ „Du Armer“, sagte Doflamingo in einem mitleidig klingenden Tonfall.. „Gibt es denn keinen Anderen, der diesen Job übernehmen kann?“ „Eigentlich war Kizaru vorgesehen gewesen“, log Crocodile, „aber weil er seit einigen Wochen krank ist, muss ich einspringen. Die Bank setzt mich ziemlich oft als Ersatzmann ein. Ich weiß gar nicht, ob ich dir das schon einmal erzählt habe, aber für das Geschäftsessen, bei dem wir beide uns kennengelernt haben, war ich eigentlich auch gar nicht vorgesehen gewesen.“ „Wirklich nicht?“, hakte Doflamingo nach. „Ursprünglich sollte Aokiji Sengoku begleiten“, erklärte Crocodile seinem Verlobten. „Aber weil er sich am Tag zuvor das Bein gebrochen hatte, bin ich kurzfristig eingesprungen.“ „Es scheint Schicksal gewesen zu sein, dass wir beide uns getroffen haben“, gluckste Doflamingo. „Ich bin jedenfalls sehr froh, dass du damals mit dabei gewesen bist. Wer weiß, ob ich dich ansonsten jemals kennengelernt hätte.“ „Sengoku war nicht sonderlich glücklich über mich als Ersatz“, meinte Crocodile und konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. „Es hat ihn furchtbar genervt, dass du dich während des gesamten Gesprächs ausschließlich auf mich konzentriert hast und ihr gar nicht dazu gekommen seid, über den eigentlichen Grund für euer Treffen zu reden.“ „Wirklich?“, hakte Doflamingo nach und kicherte unverhohlen. „Ich habe Sengoku nie für einen eifersüchtigen Typen gehandelt.“ „Er hat sogar angefangen mir unter dem Tisch gegen das Schienbein zu treten“, verriet Crocodile seinem amüsiert wirkenden Verlobten. „Ich hatte zwei Wochen lang einen blauen Fleck. Und nach dem Abschluss des Gesprächs hat er mir vorgeworfen, dass ich dich die ganze Zeit über abgelenkt hätte. Er hat schrecklich wütend gewirkt.“ „Tut mir leid“, sagte Doflamingo und lehnte sich zu ihm hinüber, um ihn zu küssen. „Es ist nicht meine Absicht gewesen, dich in Schwierigkeiten zu bringen. Hätte ich gewusst, dass du hinterher Ärger bekommst, hätte ich versucht mich ein wenig zurückzuhalten.“ „Ach, das ist nun schon so lange her...“, meinte Crocodile und machte eine wegwerfende Handbwegung. „Wie auch immer... jedenfalls werde ich übernächstes Wochenende nicht darum herumkommen, meine Zeit auf der Tom's Workers-Messe zu verbringen. Ich hoffe, das macht dir nicht allzu viel aus, Doffy.“ „Natürlich fände ich es besser, wenn wir das Wochenende gemeinsam verbringen könnten“, erwiderte Doflamingo schulterzuckend, „aber anscheinend lässt sich diese Situation ja nicht ändern. Wir sollten versuchen das Beste daraus zu machen. Ich werde Hogback als Terminvorschlag übernächsten Freitag- oder Samstagabend nennen, damit sich das Geschäftsessen mit deiner Abwesenheit überschneidet. So verlieren wir wenigsten nicht noch einen weiteren gemeinsamen Abend.“ „Das ist eine gute Idee“, pflichtete Crocodile seinem Verlobten bei. Plötzlich fühlte er sich unwahrscheinlich erleichtert: Doflamingo schenkte seiner spontanen Ausrede offenbar Glauben. Besser könnte es kaum laufen, fand Crocodile. * Crocodile befand sich gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als er einen Anruf bekam. Er verstaute sein Handy immer in seiner rechten, vorderen Hosentasche und spürte die Vibration überdeutlich durch den Stoff hindurch. Vermutlich Doflamingo, dachte er sich, als er gerade in eine kleine Nebenstraße einbog, um einer Baustelle auszuweichen. Crocodile war spät dran; sein Feierabend hatte sich ein wenig nach hinten verschoben, weil Franky mit ihm noch einmal ganz ausführlich über die am Wochenende bevorstehende Messe gesprochen hatte. Heute war Montag. Alle Mitarbeiter standen in den Startlöchern und sein Chef wollte sichergehen, dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst war. Die große Elektronik-Messe Tom's Workers sollte absolut reibungslos verlaufen. Sein Handy hörte einfach nicht auf zu vibrieren. Inzwischen müsste sein Display vier oder fünf verpasste Anrufe anzeigen. Crocodile zog genervt die Augenbrauen zusammen und suchte nach einer freien Parklücke am Straßenrand. In letzter Zeit war Doflamingo ständig überbesorgt: Er rief jedes Mal sofort an, wenn sein Partner sich auch nur um wenige Minuten verspätete. Seit zwei oder drei Wochen hatte er es sich sogar angewöhnt ihn gegen vierzehn Uhr nachmittags (seine übliche Pausenzeit) anzurufen, um ein wenig mit ihm zu quatschen und sicherzugehen, dass alles in Ordnung war. (Zum Glück stand Crocodile ein eigenes Büro ganz für sich allein zur Verfügung, sodass nicht die Gefahr bestand, dass Doflamingo durch irgendwelche Gespräche im Hintergrund von seinem neuen Arbeitsplatz erfuhr.) Leise seufzend stellte Crocodile den Motor ab und griff nach seinem Handy. Der Display zeigte sieben verpasste Anrufe und drei Textnachrichten an - allesamt von seinem Verlobten. Mit einem unguten Gefühl im Magen öffnete Crocodile die Nachrichten. Geh an dein handy! Sofort!!!, hieß es in der ersten Nachricht. Die beiden folgenden wirkten nicht weniger ungeduldig und unfreundlich: Wo bist du? Komm sofort nach hause!! und Wir müssen reden!!!!!. Crocodile schluckte. Was war denn bloß passiert? Mit unruhigen Fingern rief er die Zahlentastatur auf und drückte die Nummer 5 - die Kurzwahl, unter der Doflamingo gespeichert war. Sein Partner ging sofort ran. „Wo bist du, verdammt noch mal!?“, brüllte er ihm wütend entgegen. Seine Stimme klang so scharf wie ein frisch gewetztes Messer; von Freundlichkeit oder Liebe keine Spur. Nicht einmal begrüßt hatte er ihn. „Auf dem Nachhauseweg“, antwortete Crocodile und bemühte sich darum, Ruhe zu bewahren. Er verstand überhaupt gar nicht, wo das Problem lag. „Was ist denn los? Warum bist du so aufgewühlt?“ „Was los ist?“, wiederholte Doflamingo. „Wieso ich so aufgewühlt bin?“ Er sprach leise, doch schien sich kein Stück beruhigt zu haben. Ganz im Gegenteil: Nur selten hatte Crocodile seinen Partner dermaßen wütend und feindselig erlebt. Das letzte Mal hatte dieser ein solches Verhalten an den Tag gelegt, als er damals ohne anzuklopfen sein Büro betreten hatte und auf die halbnackte Tashigi gestoßen war. Obwohl dieses Geschehnis nun schon einige Monate zurücklag und sich am Ende alles als großes Missverständnis herausgestellt hatte, erinnerte Crocodile sich an die zornige Stimme seines Partners zurück als wäre es erst gestern gewesen. „Beautiful-relationships.com“, spie Doflamingo ihm entgegen. „Sagt dir diese Website irgendetwas, Crocodile?!“ „Beautiful... was? Wovon redest du bitteschön?“, gab Crocodile irritiert zurück. Noch immer begriff er nicht, was überhaupt los war. Jedenfalls konnte er sich nicht daran erinnern, irgendetwas getan zu haben, was einen Wutanfall seitens Doflamingo rechtfertigen könnte. „Beautiful-relationships.com“, wiederholte sein Verlobter. „Das ist eine Online-Single-Börse!“ „Ja und?“ Crocodile zuckte die Schultern, ohne sich bewusst zu sein, dass Doflamingo die Geste überhaupt nicht sehen konnte. „Was habe ich damit zu tun?“ „Du bist dort angemeldet! Wieso zur Hölle bist du bei einer verdammten Single-Börse angemeldet?! Willst du mich betrügen? Oder hast du mich vielleicht schon betrogen? Sag mir die Wahrheit!“ „Was?“, fragte Crocodile verdutzt nach. „Du erzählst totalen Blödsinn, Doflamingo! Ich bin bei überhaupt keiner Online-Single-Börse angemeldet! Weder bei Beautiful-was-weiß-ich-nicht-was noch bei sonst irgendeiner Website!“ „Du lügst.“ Die Stimme seines Verlobten war kaum mehr als ein zorniges Hauchen und trotzdem jagte sie Crocodile einen eiskalten Schauer über den Rücken. „Du hast ein Profil bei Beautiful-relationships.com! Pica hat sich dort angemeldet und ist darauf gestoßen! Er hat mir das Profil gezeigt!“ „Das muss ein Missverständnis sein.“ Crocodile bemühte sich darum, Ruhe zu bewahren. Er war sich keiner Schuld bewusst und bemühte sich darum selbstsicher und gelassen zu klingen. „Bist du dir sicher, dass ihr mich nicht einfach nur verwechselt habt?“ „Du bist auf dem Profilfoto zu sehen“, erwiderte sein Verlobter. „Es ist dasselbe Bild, das auch bei Hancock auf dem Regal im Wohnzimmer steht. Dein Geburtsdatum, dein Beruf, dein Leibgericht... Alle Daten stimmen!“ „Ich bin gleich Zuhause“, sagte Crocodile. „Lass uns das klären, wenn ich da bin, ja? Ich verspreche dir, es handelt sich bloß um ein Missverständnis. Das muss ein Fake-Account oder so etwas in der Art sein. Gib mir zehn Minuten, dann bin ich Zuhause.“ „Beeil dich!“, zischte Doflamingo ins Telefon und legte auf, ohne eine Verabschiedung hinzuzufügen. Crocodiles Hand zitterte, als er den Schlüssel umdrehte und den Motor startete. Er konnte sich Picas Fund überhaupt nicht erklären. Was hatte sein Foto in irgendeine Single-Börse im Internet verloren? Ganz abgesehen davon, dass er seinen Partner niemals betrügen würde: Crocodile hatte nie sonderlich viel Interesse an Online-Dating gezeigt. All seine früheren Bekanntschaft hatte er auf traditionelle Weise kennengelernt. Vielleicht will mir irgendjemand schaden, schoss es ihm durch den Kopf, als er in die Auffahrt der Villa einbog. Vielleicht hatte irgendjemand dieses Profil angelegt, um ihn und Doflamingo auseinanderzubringen? Doch wer würde so etwas tun? Und warum? Doflamingo wartete bereits auf ihn. Er erweckte alles andere als einen gelassenen Eindruck: Seine Arme hielt er vor dem Oberkörper verschränkt und seine Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst. So hatte Crocodile seinen Verlobten noch nie erlebt. Kaum war er aus dem Wagen ausgestiegen, packte ihn dieser unsanft am Arm und lotste ihn hinüber ins Wohnzimmer. Crocodile ließ sich diese unfreundliche Behandlung fürs Erste gefallen. Auf dem Couchtisch stand Doflamingos Laptop (oder eher: einer der vielen hochwertigen Laptops, die Doflaming besaß). Mit zusammengezogenen Augenbrauen näherte Crocodile sich dem Gerät und überflog die angezeigte Internetseite. Sein Partner hatte recht. Crocodile konnte es selbst kaum fassen, doch tatsächlich gab es bei der Online-Single-Börse Beautiful-relationships.com ein Profil von ihm. Das Foto stammte von Hancocks vorletzter Geburtstagsparty. Es zeigte ihn fröhlich lächelnd; er trug ein dunkelgrünes Hemd und hielt eine Weinglas in der Hand. „Wie gesagt“, zischte Doflamingo, „alle Angaben stimmen. Sogar Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Schafskäse sind als dein Leibgericht angegeben! Und deine Schuhgröße ist auch richtig! Jedes noch so kleine Detail passt perfekt! Wie kannst du mir das erklären, Crocodile?!“ „Gar nicht“, gab Crocodile zu. Er konnte seinen Blick nicht von der Internetseite abwenden. „Ich verstehe das nicht. Ich habe mich bei dieser Single-Börse nicht angemeldet. Ich habe mich überhaupt noch nie für Online-Dating oder so etwas interessiert!“ „Und wieso gibt es dann ein Profil von dir bei Beautiful-relationships.com?! Willst du mich eigentlich verarschen?!“ „Nein, das will ich nicht!“ Allmählich spürte Crocodile, dass auch in ihm Wut zu kochen begann. „Ich habe damit nichts zu tun, Doflamingo! Das verspreche ich dir!“ „Gib das Passwort ein.“ Plötzlich war die Stimme seines Partners wieder leiser geworden. Nicht ruhiger, bloß leiser. „Was?“ Crocodile wandte sich endlich vom Bildschirm ab und blickte stattdessen zu Doflamingo hinüber. „Das Passwort“, meinte dieser und deutete mit dem Zeigefinger auf die Tastatur des Laptops. „Gib das Passwort ein! Ich will sehen, mit wem du geschrieben hast! Ich will alle Nachrichten lesen!“ „Ich kenne das Passwort nicht!“, gab Crocodile zurück. Es ärgerte ihn, wie verzweifelt seine Stimme klang. Es war unfair, dass sein Verlobter wütend auf ihn war und ihn in die Enge trieb. Er hatte mit dieser Website überhaupt nichts zu tun! Was hier gerade passierte, war nicht seine Schuld! „Das muss ein Fake-Account sein“, beteuerte er und bemühte sich um einen ruhigen Tonfall. „Dieses Profil hat irgendjemand anders angelegt. Vielleicht jemand, der genau diese Situation provozieren wollte. Vielleicht versucht jemand uns auseinanderzubringen. Ich habe nichts damit zu tun, Doffy, das schwöre ich dir!“ „Daran habe ich auch schon gedacht“, gab sein Verlobter zu und biss sich auf die Unterlippe. „Gerade nach dieser Sache, die letztens mit Bonney gewesen ist... Aber die Angaben sind einfach viel zu genau, Crocodile! Woher sollte irgendeine Exfreundin oder ein Exfreund von mir wissen, was dein Lieblingsfilm ist? Was du am liebsten isst oder welche Musik du magst?“ „Ich weiß es nicht.“ Crocodile fuhr sich mit der Hand durchs Haar und legte die Stirn in Falten. „Ich weiß es wirklich nicht. Das einzige, was ich weiß, ist, dass ich damit nichts zu tun habe.“ Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er zaghaft fragte: „Gibt es irgendjemanden aus deinem Freundeskreis, der mich nicht mag?“ Doflamingo schüttelte den Kopf. „Sie mögen dich alle sehr gerne“, erklärte er. „Und selbst wenn sie es nicht täten - keiner von ihnen würde so eine Aktion starten. Von meinen Freunden ist das sicher niemand gewesen.“ „Es war auf jeden Fall jemand, der mich gut kennt...“ Crocodile war sich nicht sicher, ob er die Worte zu seinem Partner oder zu sich selbst sagte. „Aber wer würde so etwas tun?“ Doflamingo wirkte nicht sonderlich überzeugt. Und noch immer hatte er sich nicht beruhigt. „Hast du (abgesehen von Enel) noch weitere verrückte Exfreunde?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Bevor ich dich kennengelernt habe, bin ich drei Jahre lang single gewesen“, erklärte er. „Ich habe zu keinem meiner Exfreunde mehr Kontakt. Und soweit ich weiß sind sie auch alle längst über mich hinweg. Ich...“ Und plötzlich fiel es Crocodile wie Schuppen von den Augen. Sein Herz setzte für einen kurzen Moment aus und sein Atem blieb stehen. „Ich weiß es!“, rief er laut, als er wieder zu sich gefunden hatte. „Doflamingo, ich weiß, wer dahinter steckt!“ „Was? Wer?“ „Meine Schwester“, erklärte Crocodile. „Hancock hat dieses Profil für mich angelegt!“ „Hancock?“, hakte Doflamingo mit skeptischer Stimme nach. „Wieso sollte sie so etwas tun? Wir beide verstehen uns sehr gut. Sie hat überhaupt keinen Grund, um uns auseinanderbringen zu wollen!“ „Das hat sie auch gar nicht vorgehabt“, erwiderte Crocodile. Mit dem Zeigefinger deutete er auf die Adresse, die man bei Beautiful-relationships.com für ihn angegeben hatte. „Schau mal, das ist die Adresse meiner alten Wohnung. Und das Foto stammt von Hancocks vorletzten Geburtstag. Sie muss mich bei dieser Single-Börse angemeldet haben in der Hoffnung, dass ich endlich einen neuen Freund finde. Dieses Profil ist vor mindestens einem Jahr erstellt worden, vielleicht sogar vor eineinhalb Jahren.“ „Wenn du dir so sicher bist, dann ruf Hancock an!“, verlangte Doflamingo. „Ich möchte von ihr hören, dass sie für dieses Profil verantwortlich ist!“ „Ernsthaft?“ Diese Forderung verletzte Crocodile und er warf seinem Verlobten einen ungläubigen Blick zu. „Du glaubst mir nicht?“ „Ich möchte dir gerne glauben“, gab Doflamingo mit bitterer Stimme zurück. „Aber für mich wirft dieses Dating-Profil definitiv zu viele Fragen auf. Ich will endlich Gewissheit haben!“ „Na gut, von mir aus“ Obwohl Crocodile sich für unschuldig hielt, griff er nach seinem Handy. Er wollte diese Geschichte endlich aus der Welt schaffen - und um ehrlich zu sein, freute er sich jetzt schon auf die Entschuldigung, die sein Partner ihm schuldete, wenn dieser gezwungen war einzusehen, dass tatsächlich Hancock hinter dem Profil steckte. Seine Hand zitterte, als er seine Schwester über die Kurzwahltaste Nummer 2 anrief. Ungeduldig wartete er darauf, dass Hancock abnehmen würde. Leider tat sie ihm diesen Gefallen nicht. „Das kann doch nicht wahr sein!“, murmelte Crocodile wütend und startete einen zweiten Versuch. Auch wenn er sich keiner Schuld bewusst war, spürte Crocodile, dass ihm die momentane Situation ganz furchtbar an die Nieren ging. Es gefiel ihm nicht, dass sein Verlobter ihm Vorwürfe machte und ihn unfreundlich, ja praktisch schon feindselig behandelte. Wieso bloß konnte seine Schwester sich nicht einfach aus seinem Liebesleben heraushalten? Er hätte einen schönen und entspannten Abend mit Doflamingo verbringen können, wenn Hancock es geschafft hätte, auch nur ein Mindestmaß an Zurückhaltung zu beweisen. Endlich wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen. „Hancock!“, blaffte Crocodile seine Schwester an und unternahm nicht einmal den Versuch den Zorn in seiner Stimme zu verbergen. „Crocodile?“, gab Hancock verwundert zurück. „Was ist los? Warum klingst du so gereizt?“ „Du hast mich heute in eine verdammt missliche Lage gebracht“, warf er ihr vor. Er sah nicht ein, wieso er um den heißen Brei herumreden sollte. Hancock hatte ihm diese Suppe eingebrockt, also sollte sie sie gefälligst auch wieder auslöffeln - und zwar am besten so schnell wie möglich! „Was?“ Hancock schien nicht zu begreifen, was los war. „Beautiful-relationships.com“, half Crocodile seiner Schwester auf die Sprünge. „Sagt dir diese Online-Single-Börse irgendetwas?“ Nun schien auch bei Hancock der Groschen gefallen zu sein. „Oh nein!“, meinte sie mit entsetzt klingender Stimme. Man konnte hören, wie sie die Hand vor den Mund schlug. „Oh ja!“, gab Crocodile gereizt zurück. „Ein Freund von Doflamingo ist heute auf das Profil gestoßen, das du für mich angelegt hast. Kannst du dir eigentlich vorstellen, was ich mir von ihm anhören musste, als ich heute von der Arbeit nach Hause gekommen bin?! Deinetwegen ist er total ausgerastet!“ „Es tut mir leid“, sagte Hancock sofort. „Verdammt, es tut mir wirklich, wirklich leid, Crocodile. Das wollte ich nie! Ich hoffe, dass ihr beide euch nicht wegen mir gestritten habt.“ „Gestritten ist ein schönes Wort für das Gespräch, das ich heute mit meinem Verlobten geführt habe!“, erwiderte Crocodile. „So wütend habe ich ihn selten erlebt! Wegen dir dachte er, dass ich ihn betrügen würde!“ „Es tut mir wirklich unendlich leid!“, beteuerte seine Schwester erneut. „Kann ich irgendetwas tun, um das in Ordnung zu bringen? Ist Doflamingo da? Kann ich mit ihm sprechen? Bestimmt beruhigt er sich wieder, wenn ich ihm die Situation erkläre.“ „Er hört mit“, antwortete Crocodile und seufte leise. Zum Glück hatte sich das Rätsel endlich aufgelöst. „Hast du das Passwort für die Website noch? Dann lösche ich dieses verdammte Profil sofort!“ „Einen Moment bitte.“ Hancock schien in irgendeiner Schublade herumzukramen, ehe sie verkündete: „Der Nutzername ist Sir Crocodile minus zweitausenddreizehn. Das Passwort ist Sweet Lemonade. Auseinander geschrieben. Beide Wörter mit großem Anfangsbuchstaben. Und bitte... du musst mir glauben: Es tut mir total leid, Crocodile! Ich wollte nie, dass du dich meinetwegen mit Doflamingo streitest. Ich hoffe, du bist nicht mehr sauer auf mich.“ „Wenigstens hat sich die Situation nun geklärt“, gab Crocodile reserviert zurück. Er war noch immer wütend, doch weil er spürte, dass seine Schwester ihre Entschuldigung ernst meinte, fügte er noch hinzu: „Ich rufe dich heute Abend noch mal an, ja?“ „Ja, in Ordnung. Hoffentlich verträgst du dich wieder mit Doflamingo. Es tut mir ehrlich leid.“ Unwirsch tippte Crocodile den Nutzernamen und das Passwort ein, welche er von Hancock erfahren hatte. Während er auf der Website nach einer Möglichkeit suchte, um das Profil zu löschen, meinte Doflamingo: „Klick mal auf deinen Posteingang.“ Crocodile glaubte sich verhört zu haben. Entsetzt blickte er zu seinem Partner hinüber. „Glaubst du mir etwa immer noch nicht?! Du hast Hancock doch selbst gehört! Sie war diejenige, die mich hier angemeldet hat! Ich habe damit nichts zu tun! Schau mal, hier oben rechts hast du sogar den endgültigen Beweis: Letzter Login: 9. Oktober 2013. Das ist fast zwei Jahre her!“ „Ich glaube dir“, sagte Doflamingo in einem versöhnlich klingenden Tonfall. Als Beweis, dass er seine Worte ernst meinte, streichelte er ihm sogar zärtlich über den Rücken. „Ich will bloß wissen, wie viele Leute dich angeschrieben haben.“ „Und warum?“, fragte Crocodile nach. Er interessierte sich kein Stück für die Nachrichten, die sich in seinem Posteingang befanden. Immerhin waren diese vermutlich größtenteils mehrere Jahre alt. Und außerdem hatte er nun ja auch einen festen Partner gefunden. „Ich bin nur neugierig“, gestand Doflamingo. „Ich frage mich, was für Nachrichten du bekommen hast.“ „Wenn es dich glücklich macht...“ Leise seufzend klickte Crocodile auf den Posteingang. Zugegeben: Mit sage und schreibe 224 eingegangene Nachrichten hätte er nun wirklich nicht gerechnet. „Das sind ja nicht mal alles Männer“, stellte Crocodile irritiert fest, als er sich die Absender genauer ansah. „Aber Hancock hat doch sicher in mein Profil geschrieben, dass ich homosexuell bin. Total seltsam...“ „Klick mal auf ein paar der Nachrichten“, bat Doflamingo. Crocodile wusste selbst nicht genau wieso, doch er tat seinem Verlobten diesen Gefallen. „Hey Babe, du hast ein süßes Lächeln“, las dieser laut vor. „Lust dich zu treffen?“ Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, brach Doflamingo sofort in lautes Gelächter aus. „Was für ein Idiot“, meinte er grinsend und betrachtete das Profilbild genauer. Es zeigte einen dunkelhaarigen Mann Ende dreißig; sein Haar lichtete sich bereits. „Als hätte so ein Wicht je eine Chance bei dir!“ „Wieso ist er ein Wicht?“, hakte Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen nach. Das sich lichtende Haar traf definitiv nicht seinen Geschmack, doch ansonsten erweckte der Mann einen recht sympathischen Eindruck. „Sieh ihn dir doch an!“, gab Doflamingo energisch zurück. „Der Typ hat kaum noch Haare! Und total schlechte Zähne! Außerdem ist er viel, viel zu alt für dich!“ „Er ist gar nicht so viel älter als ich“, warf Crocodile ein. „Du vergisst immer, dass wir beide fünf Jahre auseinander sind.“ „Du siehst aber auch nicht aus wie Mitte dreißig“, erwiderte Doflamingo. „Als ich dich das erste Mal gesehen habe, habe ich dich auf mein Alter geschätzt. Allerhöchstens vielleicht ein Jahr älter, aber auf keinen Fall mehr. Ich bin total überrascht gewesen, als ich herausgefunden habe, dass du mir schon fünf Jahre voraus bist.“ „Du versuchst jetzt bloß Komplimente zu verstreuen, um deinen Wutanfall wiedergutzumachen, du Charmeur!“, warf Crocodile seinem Partner vor. Er war sich durchaus dessen bewusst, dass er nicht aussah wie Anfang dreißig. (Das machte ihm allerdings auch nicht viel aus. In seiner Branche wurde Leuten, die jung aussahen und noch ganz grün hinter den Ohren waren, nur wenig zugetraut.) „Klick mal auf die Nachricht einer Frau“, wechselte Doflamingo rasch das Thema. „Ich verstehe immer noch nicht, wieso Frauen einem Homosexuellen auf einer Dating-Plattform schreiben“, meinte Crocodile schulterzuckend, doch tat erneut wie ihm geheißen. „Simple Antwort: Dreier“, gab sein Verlobter gelassen zurück. „Und.... ich hatte recht!“ Er beugte sich ein Stückchen nach vorne, um den Text besser erkennen zu können, und las dann vor: „Hey Süßer, Bock auf einen Dreier? Mein Freund (achtundzwanzig/einsachtzig/zweiundneunzig) möchte gerne mal ausprobieren, wie es mit einem anderen Mann ist. Bedingung ist, dass er oben sein darf. Dafür darfst du mich danach ficken, wenn du willst. Treffen bei dir oder bei uns in der Wohnung. Fotos von uns folgen. Los, scroll mal nach unten, Croco! Die haben wirklich Fotos von sich geschickt!“ „Ich glaube nicht, dass ich diese Fotos sehen will“, gab Crocodile trocken zurück. „Außerdem scheint dieses Paar einen IQ von ungefähr dreißig zu haben - zusammengerechnet! Dafür darfst du mich danach ficken, wenn du willst. Welchen Teil von homosexuell haben diese beiden Idioten denn nicht verstanden?“ „Wahrscheinlich sind sie bisexuell und es fällt ihnen schwer nachzuvollziehen, dass sich jemand nur für ein Geschlecht interessieren kann“, meinte Doflamingo schulterzuckend. „Mir geht es da nicht anders, um ehrlich zu sein. Der Gedanke, ein Geschlecht für immer auszuklammern, ist ziemlich befremdlich.“ „Gewöhn dich schon mal dran“, erklärte Crocodile und warf seinem Verlobten einen bösen Blick zu. Er hatte nun endgültig genug und verließ den Posteingang, um sich stattdessen um die Löschung des Profils zu kümmern. „So war das nicht gemeint!“, warf Doflamingo rasch ein. „Ich hätte dir keinen Heiratsantrag gemacht, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass du -und zwar nur du allein- der Richtige für mich bist. Aber im Gegensatz zu dir bin ich nun einmal bisexuell. Das lässt sich nicht ändern. Frauen verwandeln sich nicht plötzlich in neutrale Wesen, bloß weil ich verlobt bin. Und, nun ja, es ist eben ein komischer Gedanke, dass Frauen für dich immer neutrale Wesen sind. Ich denke, man kann eine andere Sexualität immer bloß nachvollziehen, aber niemals verstehen. Denn wenn man sie wirklich verstünde, dann würde man ihr selbst angehören. “ „Für mich sind Frauen nicht neutral!“, erwiderte Crocodile. „Ich, ähm, ich kann zum Beispiel einschätzen, ob eine Frau attraktiv ist oder nicht. Aber das bedeutet für mich einfach nichts. Frauen sind in meinen Augen nicht neutral, sondern bloß, nun ja, uninteressant. So wie es beispielsweise Kinder für dich sind: Du kannst einschätzen, ob ein Kind hübsch ist oder nicht, doch im Endeffekt spielt es überhaupt keine Rolle. Aber du hast recht: Es ist schwierig zu verstehen, wenn man nicht dieselbe Sexualität hat. Und auch schwierig zu erklären.“ „Hast du jemals eine Frau geküsst?“, wollte Doflamingo mit neugierig klingender Stimme wissen. Crocodile schüttelte den Kopf. Er hatte endlich den richtigen Button gefunden, um sein Profil auf Beautiful-relationships.com zu löschen, und klickte ihn rasch an. Erleichterung überkam ihn, als eine Meldung erschien, die besagte, dass sein Nutzerprofil nicht länger existierte. „Nie?“, hakte Doflamingo verwundert nach. „Auch nicht im Teenageralter?“ „Einmal, als ich fünfzehn war“, gestand Crocodile, während er den Laptop zuklappte. „Beim Flaschendrehen musste ich eine Klassenkameradin küssen. Aber danach nie wieder. Frauen reizen mich einfach nicht. Ich fühle mich nicht zu ihnen hingezogen." „Wie hat es sich angefühlt?“, hakte Doflamingo nach. „Als würde ich einen Fisch küssen“, gab Crocodile zu. Es überraschte ihn nicht, als sein Verlobter angesichts dieser Beschreibung in schallendes Gelächter ausbrach. * Crocodile fühlte sich wohl. Er hatte gerade eben ein langes Bad genommen und stand nun vor dem Spiegel, um sich seine Haare zu kämmen. Es überraschte ihn, wie lang sie geworden waren. Schon als Kind hatte er sein Haar nie kurz getragen, doch inzwischen reichte es ihm bis fast zu den Schultern. Unwirsch versuchte Crocodile sich an seinen letzten Friseurbesuch zu erinnern: Er musste mindestens schon ein halbes Jahr zurückliegen. Crocodile legte die Bürste zur Seite und fuhr sich stattdessen mit den Fingern durch die nassen Haarsträhnen. Der Friseur, den er nun schon seit etwa vier Jahren regelmäßig besuchte, nahm 120 Berry pro Herrenhaarschnitt. Angesichts seiner momentanen finanziellen Lage sollte er sich allerdings lieber nach einem ein wenig preisgünstigeren Friseur umschauen. Heute war Mittwoch. Am besten ließ er sich morgen nach der Arbeit die Haare schneiden. Crocodile legte großen Wert darauf, bei der am Wochenende stattfindenden Messe einen guten Eindruck zu hinterlassen. Es handelte sich um seine große Bewährungsprobe - nur wenn alles glatt lief, hatte er die Chance auf eine Festanstellung bei Tom's Workers. Vollständig angekleidet, doch noch immer mit leicht feuchtem Haar durchstreifte Crocodile die Villa. Er suchte seinen Partner; normalerweise hielt dieser sich entweder im Wohnzimmer oder draußen auf der Terrasse auf, doch im Augenblick war er einfach nicht zu finden. Nach fünf Minuten gab Crocodile die Suche auf und fragte ein Mädchen, das gerade im Foyer die Gemälde abstaubte, ob es seinen Verlobten gesehen hätte. Es erklärte ihm freundlich, dass dieser sich im Bastelzimmer befand. Es dauerte einige Sekunden, bis Crocodile begriff, dass es sich um den Raum handelte, in dem Doflamingo und er damals die Fotoalben erstellt hatten. (Nun endlich wusste er auch, wie das kleine, helle Zimmer hieß und welchem Zweck es diente.) Doflamingo saß im Schneidersitz auf einem der gepolsterten Stühle und blätterte gedankenverloren durch ein dickes Fotoalbum, das in seinem Schoß lag. Er schreckte auf, als sein Partner das Zimmer betrat. „Entschuldigung“, sagte Crocodile sofort. Ihn überkam das unangenehme Gefühl, Doflamingo bei irgendetwas gestört zu haben. „Möchtest du lieber allein sein?“ „Nein...“ Doflamingo fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Nein, ist schon gut.“ „Ist alles in Ordnung?“, hakte Crocodile nach. Es war seltsam, seinen Verlobten so ruhig und ernst zu erleben. Normalerweise zierte immer ein freches Grinsen dessen Lippen. „Mir geht's gut“, antwortete Doflamingo. „Ich habe mir nur ein paar alte Fotos angeschaut.“ „Was denn für Fotos, wenn ich fragen darf?“, meinte Crocodile. Er kam näher, doch verzichtete bewusst darauf, sich hinzusetzen. Crocodile war kein Idiot: Er spürte überdeutlich, dass irgendetwas nicht stimmte und wollte Doflamingo nicht bedrängen. Zu seiner Überraschung jedoch griff dieser nach seinem Unterarm (der Griff war nicht schmerzhaft, aber ungewohnt fest) und bedeutete ihm, sich auf den freien Stuhl neben ihn niederzulassen. Crocodile tat wie ihm geheißen und linste so unauffällig wie möglich in das Album hinein, das noch immer in Doflamingos Schoß lag. Sein Blick fiel auf ein Hochzeitsfoto: Ein großer Mann mit Schnurrbart und eine hübsche, dunkelblonde Frau standen vor der pompösen Flügeltüre eines alten Schlosses. Beide lächelten und wirkten sehr verliebt. Die Braut trug ein weißes Kleid, das vor allem durch seine schlichte Eleganz auffiel, und hielt einen aus rosafarbenen Rosen bestehenden Brautstrauß in den Händen. „Das sind meine Eltern“, erklärte Doflamingo ihm. Die Stimme seines Verlobten klang so bitter, dass sich unweigerlich ein unangenehmes Gefühl in Crocodiles Magengegend ausbreitete. Er wusste nicht, was er auf Doflamingos Worte erwidern sollte. Was sagte man, wenn man ein Foto von Menschen sah, die bereits seit vielen Jahren tot waren? „Ich hätte sie gerne kennengelernt“, meinte Crocodile schließlich und bemühte sich um einen gefasst klingenden Tonfall. „Sie sehen sehr freundlich aus.“ „Meine Mutter war ein unglaublich lieber Mensch“, erwiderte Doflamingo mit schwacher Stimme. Noch immer hielt er den Unterarm seines Partners fest. Allmählich begann der Griff zu schmerzen, doch Crocodile zwang sich dazu, sich diesen Umstand nicht anmerken zu lassen. „Jeden Abend hat sie Corazon und mir eine Geschichte erzählt oder ein Lied vorgesungen. Mein Vater hat sich immer darum bemüht, mich zu einem anständigen Menschen zu erziehen. Er wollte nicht, dass ich arrogant und oberflächlich werde. Er hat mir vermittelt, dass nicht das Geld, sondern die Menschen, die man liebt, am allerwichtigsten sind.“ „Sie haben einen wundervollen Menschen aus dir gemacht“, erwiderte Crocodile und blickte erneut hinab auf das Fotoalbum. Er nahm sich die Freiheit umzublättern. Auf den nächsten Seiten befanden sich weitere Hochzeitsfotos: Es gab Bilder von der Torte (sie sah so traumhaft aus, dass Crocodile sich nicht sicher war, ob selbst seine talentierte Schwester Hancock ein solches Meisterwerk zustande bringen könnte), vom Paar beim Hochzeitstanz und von der fröhlichen Hochzeitsfeier. Doflamingos Eltern erweckten einen unwahrscheinlich glücklichen Eindruck. Auf nahezu jedem Foto waren beide lächelnd abgebildet. Vor allen Dingen ein ganz bestimmtes Bild blieb Crocodile im Gedächtnis: Das Brautpaar hatte sich für einen Moment in den hübschen Schlossgarten zurückgezogen. Die beiden hielten sich an den Händen; der Bräutigam flüsterte der Braut ein paar Worte ins Ohr, woraufhin diese glückselig lächelte, aber auch ein klein wenig errötete. Das Foto wirkte nicht gestellt, sondern schien einen ganz privaten Moment zwischen Doflamingos Vater und Mutter festzuhalten. „Hast du deinen Vater jemals gefragt, was er damals zu ihr gesagt hat?“, wollte Crocodile wissen. Er war nicht gerade ein romantisch veranlagter Mensch, doch er musste zugeben, dass ihm das Bild wirklich außerordentlich gut gefiel. Es drückte eine Leichtigkeit aus, die ihm in seinem Leben momentan fehlte und nach der er sich sehr stark sehnte. „Er hat ihr gesagt, dass sie die wunderschönste Frau ist, die er jemals gesehen hat“, antwortete Doflamingo. Seine Stimme klang nun wieder ein bisschen gefasster und sogar ein leichtes Grinsen war auf seine Lippen zurückgekehrt. Es erleichterte Crocodile, dass es seinem Verlobten allmählich wieder besser zu gehen schien. „Wie kitschig“, meinte Crocodile schmunzelnd. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Meine kitschige Ader habe ich definitiv von ihm“, erwiderte er gelassen. „Aber ich kann es meinem Vater nicht verübeln: Meine Mutter sieht so unfassbar glücklich und fröhlich aus auf diesen Fotos. Er hat ihr Hochzeitskleid zum ersten Mal bei der Trauung gesehen, musst du wissen. Später hat er oft zu mir gesagt, dass es der schönste Moment seines Lebens war: Wie meine Mutter in ihrem weißen Kleid durch den Saal auf ihn zukam.“ „Das kann ich mir gut vorstellen“, warf Crocodile ein. „Sag mal, Doffy, weißt du eigentlich, wo das Schloss liegt, in dem deine Eltern geheiratet haben?“ Sein Verlobter nickte. „In Küstennähe. Von unserem Strandhaus aus fährt man mit dem Auto etwa zwei Stunden dorthin“, erklärte er. „Es handelt sich um ein sehr kleines Schloss. Fast schon ein Schlösschen, könnte man sagen. Genauso wie wir beide, Crocodile, haben meine Eltern sich eine kleine, private Feier gewünscht. Sie haben sich unterschiedliche Locations angeschaut und sich sofort in diesen Ort verliebt, haben sie mir später mal erzählt. Das Schloss ist sehr alt und liegt ziemlich abgelegen. Die nächste Ortschaft ist ein kleines Dorf am Meer.“ „Ich finde das Schloss auch sehr schön“, gestand Crocodile. Relativ gedankenverloren blätterte er weiter durch das dicke Album. Inzwischen war er bei einer Reihe von Fotos angelangt, die Doflamingos Eltern im Urlaub zeigten. „Vielleicht könnten auch wir beide dort unsere Hochzeit feiern.“ Kaum hatte Crocodile zu Ende gesprochen, schlug die Stimmung plötzlich um. Seine Worte schienen Doflamingo die Sprache verschlagen zu haben: Mit geöffnetem Mund, doch ohne irgendeinen Laut von sich zu geben, sowie mit weit nach oben gezogenen Augenbrauen blickte sein Verlobter ihn an. Man hätte eine Stecknadel auf den Boden fallen hören können. Crocodile schluckte unangenehm berührt und wandte seinen Blick wieder dem Fotoalbum zu. Er hatte nicht beabsichtigt, eine solch entsetzte Reaktion zu provozieren. Um ehrlich zu sein, hatte er über seine Worte eigentlich überhaupt gar nicht nachgedacht. Sie waren einfach bloß so dahingesagt gewesen. Was sollte er nun tun? Sich bei Doflamingo entschuldigen? Sein Verlobter nahm ihm die Entscheidung ab. „Oh, Crocodile“, hauchte er mit schwacher Stimme und wischte sich mit den Handrücken über den Mund, „das wäre wundervoll!“ Und ehe Crocodile sich versah, hatte Doflamingo ihn in die Arme geschlossen und schnürte ihm die Sauerstoffzufuhr ab. Als er sich wieder von ihm gelöst hatte, fragte er in einem beinahe schon besorgt klingenden Tonfall: „Aber diesen Vorschlag hast du nicht bloß wegen mir gemacht, oder? Gefällt dir das Schloss wirklich so gut? Mir ist es wichtig, dass wir beide mit der Location für unsere Hochzeit einverstanden sind!“ „Mach dir darum keine Sorgen“, erwiderte Crocodile und widerstand der Versuchung, über seinen schmerzenden Brustkorb zu streichen. „Ich finde das Schloss wunderschön. Außerdem scheint es sich um einen perfekten Ort zu handeln für die Art von Hochzeit, die wir feiern wollen: klein, privat, einfach so weit weg von der Öffentlichkeit wie möglich.“ Doflamingo nickte eifrig. „Es würde wirklich sehr gut zu uns passen“, meinte er. „Wenn du möchtest, können wir gleich übernächstes Wochenende dort vorbeischauen. Dann kannst du dir das Schloss ganz in Ruhe ansehen und entscheiden, ob es dir wirklich zusagt oder nicht.“ Er hielt für einen Moment inne, ehe er mit leiser Stimme und gesenktem Blick hinzufügte: „In dem Schloss zu heiraten, in dem auch meine Eltern den Bund der Ehe geschlossen haben... Das wäre wirklich unfassbar schön...“ „Ich bin mir sicher, dass es mir gefallen wird“, versicherte Crocodile seinem Partner. Und in Gedanken fügte er noch hinzu: Vor allen Dingen, weil dieses kleine, abgelegene Schlösschen mit Sicherheit die günstigste Lösung ist. Noch gut erinnerte Crocodile sich daran, wie Monet vorgeschlagen hatte, dass sie beide doch in Paris heiraten könnten. Oder auf einer Yacht. Nein, da handelte es sich bei dieser Location definitiv um eine deutlich preisgünstigere Alternative. Crocodile sah in diesem kleinen Schloss eine Art Win-Win-Situation: Er konnte die Kosten für ihre Hochzeitsfeier ein wenig nach unten drücken und Doflamingo war glücklich, weil er emotional sehr viel mit diesem Ort verband. Dadurch, dass die Wahl auf ausgerechnet diese Location gefallen war, trug niemand einen Schaden davon oder war im Nachteil. Und außerdem, dachte Crocodile, als er ein Foto betrachtete, auf dem Doflamingos Mutter mit einem runden Babybauch zu sehen war, scheint es sich wirklich um ein sehr hübsches Schloss zu handeln. Gemeinsam blätterten sie noch eine ganze Weile durch das alte Fotoalbum. Auf einer Seite weiter hinten im Buch war ein kleines, blondes Bündel zu sehen; dem zerknitterten Gesicht nach zu urteilen war das Baby zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht lange auf der Welt. „Bist du das?“, fragte Crocodile erstaunt nach. Es war das erste Mal, dass er ein Kinderfoto von Doflamingo sah. Sein Verlobter nickte. „Das bin ich“, bestätigte er. Mit flinken Fingern blätterte er um und deutete auf eines der Fotos, das sich auf der nächsten Seite befand: „Und das ist Corazon.“ Baby Corazon unterschied sich augenscheinlich nicht sonderlich stark von seinem Bruder. Um ehrlich zu sein, war der einzige Unterschied, der Crocodile auffiel, die Augenfarbe: Corazon war mit blauen Augen auf die Welt gekommen, wohingegen Doflamingo grüne Augen hatte. Ansonsten schienen ihm die beiden Neugeborenen, die auf den Aufnahmen zu sehen waren, so gut wie identisch zu sein. „Du warst sehr süß“, log er, als Doflamingo ihm weitere Babyfotos von sich und seinem Bruder zeigte. (Auch wenn Crocodile sich zugegebenermaßen nicht sonderlich gut mit kleinen Kindern auskannte, hielt er es doch für klüger, für sich zu behalten, dass die beiden Säuglinge auf den meisten Bildern wie verschrumpelte Kartoffeln mit einem dünnen Pflaum Haar aussahen. Er hatte nie so wirklich nachvollziehen können, warum die meisten Menschen Babies für niedlich hielten.) „Warst?“, wiederholte Doflamingo gespielt beleidigt und schob seine Unterlippe nach vorne. „Findest du mich jetzt etwa nicht mehr süß?“ „Doch, natürlich, du Riesenbaby“, erwiderte Crocodile und konnte ein amüsiertes Grinsen nicht unterdrücken. Er beugte sich zu seinem Partner hinüber und küsste diesen zärtlich auf die Lippen, während Doflamingo seine beiden Arme um ihn legte. * Seinen neuen Friseur suchte sich Crocodile mit Bedacht aus. Er legte großen Wert darauf, dass der Salon weder in der Nähe seines Zuhauses noch seines Arbeitsplatzes lag, denn er wollte vermeiden, von Bekannten dort gesehen zu werden und sich auf diese Weise zu blamieren. Sir Crocodile, neureicher Bankmanager, Verlobter des Millionärs Donquixote Doflamingo hatte einen Ruf zu verlieren, wenn irgendjemand herausfand, dass er einen preisgünstigen Friseursalon aufsuchte anstelle eines Luxus-Hairstylisten, der selbst fürs Spitzenschneiden einen dreistelligen Geldbetrag forderte. Doch trotz seines kleinen Budgets war Crocodile ein recht eitler Mensch: Natürlich legte er es nicht darauf an, sich sein Haar von einem billigen Friseur verhunzen lassen, der nichts von seinem Handwerk verstand. (Vor allen Dingen angesichts der Tatsache, dass morgen endlich die große Elektronikmesse Tom's Workers stattfinden würde, war es von äußerster Wichtigkeit, dass er einen gepflegten Eindruck erweckte.) Es kam darauf an, ein gutes Mittelmaß zu finden. Während seiner Mittagspause suchte Crocodile im Internet nach einem passenden Friseursalon. Auf Anhieb gefiel ihm Inazuma's Haarpalast; von seiner Arbeit aus war der Salon mit dem Auto in etwa zwanzig Minuten zu erreichen. Für die Leistung, die er sich wünschte (ein Stück kürzer schneiden und Spliss verschwinden lassen), wurden 30 Berry fällig. Diesen Preis fand Crocodile fair. Er rief im Friseursalon an und vereinbarte einen Termin für den Nachmittag. Obwohl Inazumas Haarpalast über einen kleinen Kundenparkplatz verfügte, stellte Crocodile sein Auto zwei Straßen weiter ab. Sein Mercedes C 216 Coupe kostete neu ungefähr 100.000 Berry und passte daher nicht so recht zu den familienfreundlichen Mittelklasse-Wagen, deren Besitzer sich im Moment die Haare schneiden ließen. Und Aufmerksamkeit zu erregen, war das Letzte, was Crocodile wollte. Seit seinem Autounfall waren ungefähr sechs Wochen vergangen. Vor drei Tagen war Crocodiles heiß geliebter Mercedes aus der Werkstatt zurückgekehrt. Die rechte Wagentüre war komplett ausgetauscht und alle Beulen und Kratzer fachmännisch entfernt worden, sodass er inzwischen wieder aussah wie neu. Crocodile freute sich sehr darüber, endlich wieder über einen eigenes Auto zu verfügen, auch wenn er seinem Verlobten natürlich dankbar dafür war, dass er in der Zwischenzeit dessen zahlreiche Luxuskarossen hatte mitbenutzen dürfen (meistens war er einen dunkelgrünen Porsche 911 GT3 gefahren). Crocodile schickte eine kurze Nachricht (komme ca 1 h später nach hause, bin beim friseur) an Doflamingo, verstaute sein Handy im Handschuhfach und machte sich anschließend auf den Weg zu Inazumas Haarpalast. Eine dreiviertel Stunde später und um 35 Berry leichter (fünf Berry hatte er Trinkgeld gegeben) verließ Crocodile den Friseursalon wieder. Ihm gefiel das Ergebnis unwahrscheinlich gut: Sein Haar war nun etwa fünf Zentimeter kürzer und frei von Spliss. Auch der zur Seite geschobene Pony, den Inazuma ihm empfohlen hatte, stand ihm wirklich gut. Um ehrlich zu sein, war Crocodile nicht davon ausgegangen, dass ein einziger Friseurbesuch eine solch große Wirkung auf sein Wohlbefinden haben könnte, doch er fühlte sich tatsächlich deutlich besser als vorher. Viel jünger und energiegeladener. Seine gute Laune hielt nicht lange an. Kaum hatte Crocodile sein Handy aus dem Handschuhfach hervorgeholt, rutschte ihm das Herz in die Hose: Der Display zeigte ihm drei verpasste Anrufe und zwei Textnachrichten von Doflamingo an. Crocodile kam es vor wie ein Deja-vu. Hatte Hancock ihn etwa bei noch weiteren Online-Single-Börsen angemeldet? Die Nachrichten lauteten wo bleibst du? Du hast schon seit 1 h feierabend. Das essen wird kalt! und bitte melde dich! Ich mache mir sorgen!. Erleichtert atmete Crocodile auf. Zum Glück schien sein Partner nicht wütend oder aufgebraucht, sondern nur besorgt zu sein. Einen Augenblick später wurde ihm auch klar, wieso: Seine eigene Textnachricht war nicht zugestellt worden. Doflamingo wusste also nicht, wieso er sich verspätete, und machte sich daher Sorgen um ihn. Crocodile rief seinen Verlobten über die Kurzwahltaste Nummer 5 an. Er ging gleich nach dem zweiten Klingeln ran. „Crocodile“, begrüßte er ihn mit teils besorgt, teils verärgert klingender Stimme, „wo bleibst du? Ich versuche schon seit einer halben Stunde zu erreichen! Warum gehst du nicht an dein Handy?“ „Tut mir leid“, erwiderte Crocodile, „ich war nach der Arbeit noch beim Friseur. Ich habe dir auch eine Nachricht geschrieben, aber irgendwie ist die wohl nicht zugestellt worden. Ich bin in einer halben Stunde Zuhause, in Ordnung?“ „In Ordnung“, meinte Doflamingo und Crocodile sah vor seinem geistigen Auge, wie sein Verlobter sich mit der Hand genervt durch sein kurzes, blondes Haar fuhr. „Dann bis gleich. Und fahr vorsichtig!“ „Bis gleich“, gab Crocodile zurück und legte auf. Das schlechte Gewissen lag ihm im Nacken, während er ausparkte und sich auf den Heimweg machte. Ich hätte sichergehen sollen, dass die Nachricht auch wirklich versendet worden ist, dachte Crocodile schuldbewusst. Ehrlich gesagt konnte er Doflamingo seine Sorge nicht verübeln: Er selbst würde vermutlich nicht anders reagieren, wenn sein Partner nicht nach Hause kam und auch übers Handy nicht zu erreichen war. Zwar war es bei keinem von ihnen unüblich, die eine oder andere Überstunde zu machen, doch sie hatten es sich angewöhnt, in diesem Fall dem jeweils Anderen Bescheid zu geben. Um Doflamingo eine Freude zu machen, hielt Crocodile unterwegs bei einem kleinen Blumenladen an und besorgte für seinen Verlobten einen Strauß Rosen, für den er knapp fünfzehn Berry bezahlte. Der Blumenstrauß auf dem Beifahrersitz beruhigte Crocodiles Gewissen ein klein wenig. Doflamingo erwartete ihn im Foyer. „Da bist du ja endlich!“, rief er halb erleichtert, halb vorwurfsvoll und kam auf Crocodile zugelaufen. Er umarmte ihn - und ließ nur den Bruchteil einer Sekunde später überrascht und vor Schmerz aufschreiend wieder von ihm ab. „Vorsicht!“, meinte Crocodile und holte den Strauß Rosen hervor, den er hinter seinem Rücken versteckt hatte. „Tut mir leid. Hast du dir sehr wehgetan?“ „Es geht schon“, erwiderte sein Verlobter und schüttelte den Kopf. Er entfernte zwei Dornen aus seinem Unterarm und nahm anschließend den Blumenstrauß entgegen. Trotz des kleinen Unfalls von eben schien Doflamingo sich über die Geste zu freuen. „Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst“, sagte Crocodile mit schuldbewusster Miene. „Ich habe mein Handy im Auto gelassen, während ich beim Friseur war, und habe deine Anrufe gar nicht mitbekommen. Und dass meine Nachricht nicht zugestellt worden ist, habe ich auch nicht rechtzeitig gesehen.“ Es schien Doflamingo zu besänftigen, als er ihm auf seinem Handy die Textnachricht zeigte, die mit dem Zusatz nicht gesendet versehen war. „Ist schon gut“, meinte er in einem freundlich klingenden Tonfall und machte eine wegwerfende Handbewegung. „War ja offensichtlich bloß ein blödes Missverständnis.“ Crocodile nickte. „Hast du schon ohne mich gegessen?“, fragte er. (Inzwischen legte er wieder ein relativ normales Essverhalten an den Tag und aß üblicherweise gemeinsam mit Doflamingo zu Abend, wenn er von der Arbeit nach Hause kam.) „Natürlich nicht“, antwortete Doflamingo. Ein verschmitztes Grinsen stahl sich auf seine Lippen. „Da heute unser letzter gemeinsamer Abend ist, habe ich nämlich eine kleine Überraschung für dich vorbereitet!“ „Letzter gemeinsamer Abend?“, wiederholte Crocodile mit verdatterter Stimme, ehe ihm einfiel, dass er sich morgen früh auf den Weg zur großen Messe machen musste. „Wir sind nur für ein einziges Wochenende getrennt, Doflamingo! Früher haben wir uns doch auch nicht jeden Tag gesehen!“ „Ich weiß“, erwiderte sein Verlobter und nahm ihn bei der Hand. „Und das hat mich damals schon sehr gestört. Ich finde es toll, dass wir beide uns inzwischen täglich sehen können und bereue unseren Zusammenzug kein Stück!“ „Ich auch nicht“, gab Crocodile zu. „Aber trotzdem wäre eine Überraschung nicht nötig gewesen! Immerhin habe ich doch gar nichts im Gegenzug für dich besorgt!“ „Du hast mir den Blumenstrauß mitgebracht“, berichtigte Doflamingo ihn, während dieser ihn hinüber zur Terrasse lotste. (An warmen Tagen aßen sie gelegentlich im Freien zu Abend.) „Außerdem handelt es sich wirklich nur um eine Kleinigkeit, versprochen!“ Nichtsdestotrotz stockte Crocodile der Atem, als er nach draußen auf die Terrasse trat: Im fahlen Licht der Abenddämmerung glitzerte der Feuerschein von Dutzenden weißen Kerzen und auf dem Tischtuch waren rosafarbene Rosenblätter verstreut worden. In der Mitte des Esstisches stand eine gläserne Vase, die eine einzelne Rose beinhaltete. Ohne zu zögern schnappte sich Doflamingo sie, warf sie über den Geländer und platzierte dort stattdessen den Blumenstrauß, den sein Verlobter ihm mitgebracht hatte. Doflamingo war Gentlemen genug, um Crocodile den Stuhl zurechtzurücken. Mit einem flauen Gefühl im Magen ließ er sich nieder. Er wusste nicht so recht, was er von der Überraschung seines Partners halten sollte. Auf der einen Seite freute er sich natürlich über die Mühe, welcher dieser sich gab, doch er musste auch einräumen, dass ihm alles ein wenig übertrieben vorkam. Schließlich brach er morgen nicht zu einer mehrwöchigen Geschäftsreise auf, sondern war bloß für ein einziges Wochenende weg. Sonntagabend sahen sie beide sich bereits wieder. Als Vorspeise gab es Piquillo-Paprika mit Sardinencreme. Dazu tranken sie Champagner. (Wie üblich wurden sie von Doflamingos Personal bedient.) „Mir gefällt deine neue Frisur“, merkte Doflamingo freundlich an und steckte sich eine Paprika in den Mund. „Danke“, gab Crocodile zurück, obwohl er beinahe schon wieder vergessen hatte, dass er überhaupt beim Friseur gewesen war. Noch immer konnte er die momentane Situation nicht so recht fassen; ein romantisches Dinner im Kerzenschein hatte er nun wirklich nicht erwartet gehabt. Doch natürlich wäre er kein (mehr oder weniger) erfolgreicher Manager geworden, wenn es ihm nicht gelingen würde, über seine Verwunderung hinwegzutäuschen. „Der Friseurbesuch ist wirklich überfällig gewesen. Mir ist überhaupt nicht aufgefallen, wie lang meine Haare geworden sind.“ Doflamingo lachte unbeschwert. „Sie sind wirklich lang geworden“, stimmte er ihm zu. „Aber das hat mich nicht gestört. Ganz im Gegenteil: Ich mag es, wenn Männer kein raspelkurzes Haar haben.“ Er hielt für einen Moment inne, ehe er verschmitzt grinsend hinzufügte: „Dann hat man beim Sex etwas, woran man sich festhalten kann.“ „Doflamingo!“, wies Crocodile seinen Verlobten zurecht und spürte, wie er klein wenig errötete. Seine Liebesbeziehung mit diesem Perversling hatte nichts an der Tatsache ändern können, dass es sich bei ihm selbst um einen recht prüden Menschen handelte. „Ich mache nur Spaß“, lenkte Doflamingo noch immer breit grinsend ein. „Ich weiß doch, dass du es nicht sonderlich magst, wenn man dir beim Sex an den Haaren zieht.“ Crocodile (dessen Wangen noch immer gerötet waren) schmunzelte und versetzte seinem Partner unter den Tisch einen leichten Tritt gegen das Schienbein. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Allmählich ging Doflamingos Unbeschwertheit auch auf ihn über. Er spürte, dass er lockerer wurde und es ihm gelang die schmutzigen Witze seines Verlobten auf die leichte Schulter zu nehmen. Wahrscheinlich war auch der Champagner da nicht ganz unschuldig. „Das liegt daran, dass du viel zu fest ziehst“, gab er keck zurück. „Ich habe immer das Gefühl, du willst mir die Kopfhaut abreißen! Aber was soll's, jetzt habe ich ja sowieso kurze Haare.“ „Deine Haare sind nicht kurz“, widersprach ihm Doflamingo, der sich mit seiner langen Zunge über die Lippen leckte. „Nun gut, vielleicht für deine Verhältnisse, aber sie sind immer noch viel länger als die Haare der allermeisten Männer. Heute Abend sollte ich trotzdem mal austesten, ob man gut an ihnen ziehen kann. Ich werde auch ganz sanft sein, versprochen.“ Crocodile verstand die Andeutung durchaus. Um Doflamingo zu zeigen, dass er gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden hatte, lächelte er kokett. Anschließend nahm er einen großen Schluck Champagner. Die erotische Spannung, die in der Luft lag, wurde kurz unterbrochen, als der Hauptgang serviert wurde. Es gab Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Schafskäse - Crocodiles absolute Leibspeise. „Du weißt wirklich, welche Knöpfe du bei mir drücken musst“, meinte er lächelnd, während man ihm Champagner nachschenkte. „Warum glaubst du immer, dass ich unlautere Absichten verfolge?“, gab Doflamingo gespielt beleidigt zurück. „Alles, was ich möchte, ist meinen lieben Verlobten mit einem schönen Abend zu verwöhnen. Da gehört das Leibgericht doch wohl mit dazu, oder?“ „Nicht nur das Leibgericht“, gab Crocodile in einem Anflug von Kühnheit zurück. Doflamingo grinste. „Stimmt“, gab er ihm kopfnickend recht. „Aber diesen Teil sparen wir beide uns lieber für das Schlafzimmer auf.... oder möchtest du, dass ich dich hier und jetzt auf dem Tisch nehme?“ „Doflamingo!“, zischte Crocodile mit puderroten Gesicht. Er musste zugeben, dass Doflamingo mit diesem Spruch ein Stück über die Zielgerade hinausgeschossen war. Doch sein Verlobter wäre nicht sein Verlobter gewesen, wenn er das Spiel nicht noch weiter treiben würde - allein zu dem Zweck, um Crocodile zu ärgern, natürlich! „Ich hätte jedenfalls nichts dagegen....“, säuselte Doflamingo und strich mit der Hand provokativ über das weiße, mit Rosenblättern bedeckte Tischtuch. „Bestimmt würde es dir auch gefallen. Du könntest dich auf den Rücken legen, während ich stehen bleibe... Deine Beine über meine Schultern... Es wäre beim Eindringen ein völlig anderer Winkel als sonst... Kommt dir das nicht auch verlockend vor, Baby?“ Crocodile hasste sich selbst dafür, doch er konnte nicht verhindern, dass sein Glied steif wurde. Seinem Verlobten an einem romantisch gedeckten Tisch gegenüber zu sitzen und diesen halb scherzend, halb ernst über Sex sprechen zu hören, war einfach zu viel für ihn. Trotzdem ärgerte es Crocodile ein klein wenig: Er hatte seine Teenagerzeit längst schon hinter sich gelassen und eigentlich sollte mehr nötig sein als die bloße Anwesenheit und die verfürherische Stimme seines Partners, um ihn hart werden zu lassen. So unauffällig wie möglich verdeckte Crocodile seinen Schritt mit der rechten Hand, als ein Bediensteter sich näherte und ihm erneut Champagner nachschenkte. Doflamingo, dem dieser Anblick nicht entging, amüsierte sich köstlich. Nichtsdestotrotz wendete er sich an den Bediensteten und meinte: „Mein Verlobter und ich möchten im weiteren Verlauf des Abends nicht gestört werden. Sorgt dafür, dass niemand in die Nähe der Terrasse kommt!“ Nachdem dieser verschwunden war, fügte Doflamingo in einem recht versöhnlich klingenden Tonfall, doch noch immer mit einem breiten Grinsen auf den Lippen hinzu: „Wir wollen es schließlich nicht zu weit treiben, hm?“ Keiner von ihnen interessierte sich noch für die Spaghetti. Doflamingo erhob sich von seinem Stuhl, sodass die Beule, die sich auch unter dem Stoff seiner Hose abzeichnete, überdeutlich zu erkennen war. Es erleichterte Crocodile ein wenig, dass er nicht der einzige mit einer Erektion war, und stand ebenfalls auf. Zeitgleich umrundeten sie den Esstisch und verfingen einander in einen feuchten, leidenschaftlichen Kuss. Ohne sich von seinem Partner zu lösen, streckte Doflamingo seinen rechten Arm aus und wischte in einer hektischen Bewegungen sämtliches Geschirr und Besteck von der Tischplatte. Die Teller und Gläser sowie die gläserne Blumenvase landeten auf dem Fußboden und zerbrachen sofort; die Gabeln und Löffel schlugen mit einem klirrenden Geräusch auf, das Gänsehaut auf Crocodiles Unterarmen verursachte. Nur das weiße, mit Rosenblättern bestreute Tischtuch blieb zurück. Doflamingos Lippen wanderten zu seinem Hals hinab, während dessen geschickten Finger das Hemd aus seiner Hose zupften und anschließend über seinen Bauch und seine Brust glitten. Crocodile stöhnte sachte, als sie seine empfindlichen Brustwarzen streiften. Weil er selber nicht untätig bleiben wollte, machte Crocodile sich am Gürtel seines Verlobten zu schaffen. Er öffnete die Gürtelschnalle und den Hosenknopf (obwohl er nur eine Hand besaß, gelang ihm dies problemlos) und tastete über den rosafarbenen Stoff der Boxershorts gierig nach Doflamingos Glied. Es war bereits komplett steif; Crocodile machte sich einen Spaß daraus, es zu reiben, um seinen Verlobten auf dieser Weise einen sehnsüchtigen Stöhnlaut zu entlocken. Er ging in die Knie und nahm Doflamingos Hose und Unterwäsche gleich mit. Anschließend legte er seine Hand um den Penisschafft und begann in einem sehr langsamen, gleichmäßigen Rhythmus zu pumpen. Crocodile hatte vor, seinen Partner ein wenig zu quälen. Fast zwei Minuten vergingen, ehe er endlich seine Lippen um die purpurfarbene, mit Lusttropfen verschmierte Eichel legte. Doflamingo gab einen spitzen Stöhnlaut von sich, als sein Verlobter zu saugen begann. Wieder nahm Crocodile sich sehr viel Zeit. Ihm gefiel das Gefühl, seinen Gegenüber komplett in der Hand zu haben, und nutzte seine Position vollkommen unverschämt aus: Mit seiner Zungenspitze fuhr er über den Schlitz und über das Vorhautbändchen, ehe es weiter nach unten ging und er Doflamingos Hoden zu liebkosen begann. Irgendwann verlor sein Partner die Geduld: „Baby“, hauchte Doflamingo mit vor Lust bebender Stimme, „mehr! Ich... ich brauche mehr!“ Crocodile konnte sich ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen. Er ließ von der Eichel seines Partners ab, die er bis eben noch in einem agonisch langsamen Tempo gesaugt hatte, blickte stattdessen diesem ins Gesicht und fragte mit absolut unschuldiger Stimme: „Wie heißt das Zauberwort?“ Man konnte ganz genau erkennen, wie Doflamingo mit sich rang. Unwillig biss er sich auf die Unterlippe und fixierte Crocodiles Gesicht durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch. Er war es nicht gewohnt, Fragen dieser Art zu beantworten - normalerweise stellte er sie. Doch als sein Verlobter sich auch nach einer halben Minute des Schweigens nicht erweichen ließ, gab Doflamingo schließlich äußerst widerwillig nach: „Also gut! Bitte! Bitte, Wani, mehr!“ „Na also“, meinte Crocodile lächelnd, „war das nun so schwer?“ Aber um es sich nicht mit seinem ungeduldigen Geliebten zu verscherzen, umschloss er dessen Glied mit seinem Mund, legte die Zunge flach an die Unterseite und setzte seine Arbeit mit deutlich gesteigerter Geschwindigkeit fort. Doch natürlich ließ Doflamingo diese Schmach trotzdem nicht auf sich sitzen: Es dauerte nicht lange, ehe er mit beiden Händen in Crocodiles Haar griff und diesen zu noch schnelleren Kopfbewegungen animierte. Eigentlich konnte er es überhaupt nicht ausstehen, wenn man ihm beim Blasen an den Haaren zog, doch heute ließ Crocodile diese Behandlung ausnahmsweise widerstandslos über sich ergehen. Anstatt sich wütend loszureißen, versuchte er den festen Griff zu genießen und das lange und dicke Organ seines Partners so tief wie möglich in sich aufzunehmen. Mit beiden Armen klammerte er sich an Doflamingos Hüfte, während dieser sein Glied immer wieder mit voller Wucht in den Mund seines Verlobten rammte. Als er schließlich laut stöhnend, beinahe schon schreiend zum Höhepunkt kam, krallte er sich mit seinen Fingern so fest in Crocodiles dunkles Haar, das seine Kopfhaut schrecklich zu schmerzen begann. Er presste seine Augenlider aufeinander und bemühte sich darum die Qual so gut wie möglich zu ertragen, während Doflamingo in seinen Mund ejakulierte. Als sein Partner endlich von ihm abgelassen hatte, erhob Crocodile sich und spuckte sofort angewidert das Sperma aus. Vorsichtig fuhr er mit den Fingern durch seine völlig zerzauste Frisur und versuchte sie ein wenig zu richten. Seine Kopfhaut brannte höllisch. „Ist alles okay bei dir?“, fragte Doflamingo, als er den Gesichtsausdruck seines Verlobten bemerkte. Crocodile gab einen undefinierbaren Brummlaut von sich und senkte den Blick. „Was hast du?“, fuhr Doflamingo fort und zog die Augenbrauen zusammen. „Crocodile? Ich... Hab ich dir wehgetan?“ „Sagen wir es mal so“, erwiderte Crocodile, der sich allmählich wieder sammelte. „Von deinem Versprechen, sanft zu sein, habe ich nicht viel gemerkt.“ „Sorry“, meinte Doflamingo, ohne dass Crocodile erkennen konnte, ob sein Verlobter es ernst meinte oder nicht. „Ich habe wohl ein bisschen die Beherrschung verloren, als ich deinen Mund gefickt habe...“ „So kann man es wohl ausdrücken“, seufzte Crocodile und warf seinem Gegenüber einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ich mache es wieder gut“, bot Doflamingo ihm an. Seine Lippen zierte ein Lächeln, welches paradoxerweise irgendwo zwischen Selbstsicherheit und Nervosität lag. Er rückte nah an ihn heran und küsste ihn auf den Mund, während er gleichzeitig die Arme um seinen Oberkörper legte. „Versprochen.“ „Also gut“, erwiderte Crocodile, der sich dazu entschied, seinem Partner eine Chance zu geben. Doflamingo versiegelte ihre Lippen miteinander, während er gleichzeitig mit beiden Hände gierig den Hintern seines Verlobten zu kneten begann. Crocodile schnurrte leise in ihren Kuss hinein und ahnte, dass Doflamingo sich dieses Mal endlich an sein Versprechen halten würde. * Es war Freitagmorgen. Crocodiles Koffer war gepackt und das letzte gemeinsame Frühstück mit seinem Verlobten stand an. Er bemühte sich darum so ruhig und gelassen wie möglich zu wirken, doch in seiner Brust spürte er eine Art nervöses Kitzeln. Bei der Elektronik-Messe, zu der er sich in wenigen Minuten auf den Weg machen würde, handelte es sich um seine große Bewährungsprobe. Wenn alles glatt lief, stand einer dauerhaften Einstellung bei Tom's Workers nichts im Wege; sollte es jedoch Probleme geben, dann würde -dessen war Crocodile sich sicher- sein befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert werden. Doflamingo schien zu bemerken, dass irgendetwas nicht stimmte. Er richtete seinen Blick auf die Gabel, mit der Crocodile lustlos in seinem Rührei herumstocherte, und fragte: „Ist alles in Ordnung?“ „Klar“, hörte Crocodile sich selbst hastig antworten, doch seine Stimme hörte sich an wie die eines Fremden. Auch Doflamingo entging dieser Umstand nicht. „Du musst dich nicht verstellen“, sagte sein Verlobter und griff über den Tisch hinweg nach seiner Hand. „Ich spüre überdeutlich, dass du nervös bist. Ist es wegen der Messe?“ „Nun ja...“, begann Crocodile. Er schloss für einen Moment seine Augen und genoss das Gefühl von Doflamingos Hand, die warm und schwer auf seiner lag. „Ich bin... also, um ehrlich zu sein, bin ich schon ein klein wenig nervös. Immerhin bin ich bloß ein Ersatz. Ich kenne mich nicht so gut aus wie Kizaru und habe Angst, etwas falsch zu machen. Hoffentlich blamiere ich mich nicht.“ „Mach dir keine Sorgen“, versuchte Doflamingo ihn aufzuheitern und schenkte ihm ein breites Lächeln. „Ich bin mir sicher, dass alles gut laufen wird. Du bist kein blöder Praktikant, sondern ein erfahrener und kompetenter Manager. Du hast schon viel schwierigere Aufgaben bewältigt. Glaub mir: Hinterher wirst du dich fragen, warum du dir überhaupt Sorgen gemacht hast.“ „Danke“, sagte Crocodile und brachte sogar ebenfalls ein zaghaftes Lächeln zustande. Tatsächlich stellte er fest, dass die Worte seines Verlobten ihn ein wenig beruhigten. Doflamingo hatte Recht: Er war ein toller Manager und sollte mehr Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten legen! Sein Hotelzimmer war groß und überaus luxuriös, doch daraus machte Crocodile sich nicht viel. Mit geschlossenen Augen saß er auf der teuren Couchgarnitur und bemühte sich darum, möglichst gleichmäßig ein- und auszuatmen. Es war acht Uhr morgens. In einer Viertelstunde würde er sich im Restaurant des Hotels mit seinem Chef Franky treffen und ein allerletztes Briefing erhalten. Crocodile erhob sich. Er warf einen letzten Blick in den Spiegel und richtete seine Krawatte (sie war ein teures Geschenk seines Verlobten gewesen), ehe er sein Hotelzimmer verließ und sich auf den Weg hinunter zum Restaurant machte. Um punkt neun Uhr wurde die große Elektronik-Messe Tom's Workers eröffnet. Monatelang hatten Crocodile und sein Team auf genau diesen Augenblick hingearbeitet. Es durfte einfach nichts schief gehen! „Hallo, Crocodile“, begrüßte ihn Franky, erhob sich von seinem Stuhl und schüttelte ihm die Hand. „Hallo, Franky“, erwiderte Crocodile und freute sich darüber, dass seine Stimme selbstsicher und zuversichtlich klang. Er setzte sich zu seinem Chef an den Tisch. Franky hatte bereits zwei große Tassen Kaffee für sie beide bestellt. „Da wir nicht mehr viel Zeit haben, bevor es losgeht, werde ich mich so kurz wie möglich fassen“, erklärte Franky und nahm einen großen Schluck Kaffee. „Du hast die Verantwortung dafür, dass heute, morgen und übermorgen alles wie geplant gelingt, Crocodile. Deine Pflicht besteht darin, dafür zu sorgen, dass alle Abläufe absolut reibungslos stattfinden. Ich erwarte, dass du für jedes Problem, das gegebenenfalls auftreten sollte, unverzüglich eine Lösung findest.“ Crocodile nickte. „Natürlich“, sagte er, ohne dem ernsten Blick seines Chefs auszuweichen. Das war nichts Neues für ihn. „Damit du jederzeit mit mir und den Anderen kommunizieren kannst, steht dir ein Walkie-Talkie zur Verfügung.“ Franky holte ein entsprechendes Gerät aus seiner Tasche hervor und reichte es Crocodile. „Ich möchte regelmäßig von dir hören. Mindestens einmal pro Stunde solltest du mir ein Update über die momentane Lage geben. Kiwi, Mozz und den Anderen werde ich auch Walkie-Talkies zukommen lassen, sodass wir jederzeit miteinander kommunizieren können.“ Crocodile tat so, als würde er an seinem Kaffee nippen. „Heute Abend um neun Uhr, also eine Stunde nach Schluss, werden wir uns alle hier im Restaurant treffen, um den ersten Messetag zu evaluieren.“ „In Ordnung“, sagte Crocodile und steckte das Walkie-Talkie ein. Allmählich spürte er, wie Ruhe in ihn einkehrte. Er war ein Mensch, der gerne Verantwortung trug. Und er war sich sicher, dass der heutige Tag ein großer Erfolg werden würde - für ihn, für Franky, für Tom's Workers. Crocodile hatte viel Herzblut in die Organisation dieser Elektronik-Messe gesteckt. Monatelang hatte er geplant, getüftelt und arrangiert. Heute war der Tag gekommen, an dem sich seine harte Arbeit endlich bezahlt machen würde. Das nervöse Kitzeln war vollständig aus seiner Brust verschwunden. Stattdessen war es durch ein warmes, erwartungsfreudiges Gefühl ersetzt worden. Crocodile war voll in seinem Element. Seine sorgfältige Planung zahlte sich aus: Der erste Messetag verlief ohne jede Komplikation. Crocodile verbrachte den Großteil seiner Zeit damit, über das weitläufige Gelände zu schlendern und per Walkie-Talkie seinen Arbeitskollegen und seinem Chef mitzuteilen, dass alles nach Plan lief und es keine Schwierigkeiten gab. Tom's Workers war gut besucht. Als Crocodile am Nachmittag nach den genauen Zahlen fragte (jeder Besucher wurde beim Betreten des Messegeländes registriert), erfuhr er, dass sie einen Besucheranstieg von sagenhaften 21% im Gegensatz zum Eröffnungstag des Vorjahres zu verbuchen hatten. Crocodile konnte seine Freude kaum verbergen: Ein breites Grinsen schlich sich auf seine Lippen und er nahm sich vor, bei der Besprechung heute Abend im Restaurant unbedingt Franky von dieser guten Nachricht in Kenntnis zu setzen. Crocodiles gute Laune erreichte einen Höhepunkt, als sich gegen achtzehn Uhr Kiwi per Walkie-Talkie bei ihm meldete. „Franky ist absolut begeistert!“, teilte ihm die Sekretärin seines Chefs mit verzückter Stimme mit. „Ehrlich gesagt, war er zu Beginn ein wenig skeptisch, weil du ja so extrem kurzfristig als Manager mit ins Boot geholt wurdest, aber alles läuft absolut perfekt! Man merkt wirklich deutlich, wie viel Mühe du dir bei der Planung gegeben hast, Crocodile!“ „Danke“, erwiderte Crocodile, der sein Glück kaum fassen konnte. „Es freut mich wirklich sehr, dass die Messe so gut gestartet ist. Hoffen wir, dass es morgen und übermorgen mindestens genauso gut laufen wird!“ „Ach, da habe ich überhaupt keine Zweifel!“, versicherte ihm Kiwi, ehe sie sich verabschieden musste, weil Mozz ihr irgendetwas mitteilen wollte. Um kurz nach acht Uhr rief Crocodile Doflamingo an. Freudestrahlend teilte er seinem Verlobten mit, dass bisher alles sehr gut lief. „Wie es aussieht, werde ich für die Bank sogar besonders günstige Konditionen aushandeln können“, log er, während er sich zu Fuß auf den Weg zu seinem Hotel machte, das sich auf dem Messegelände befand. „Das klingt wirklich wundervoll“, meinte Doflamingo. „Siehst du: Ich hatte dir doch gesagt, dass du dich hinterher fragen wirst, warum du dir überhaupt so viele Sorgen gemacht hast!“ „Wie sieht es bei dir und Hogback aus?“, fragte Crocodile, während er das Foyer des Hotels durchquerte. „Unser gemeinsames Abendessen findet erst in einer Stunde statt“, erklärte ihm sein Partner. „Aber ich hoffe, dass ich heute genauso großen Erfolg haben werde wie du, Wani.“ „Bestimmt“, meinte Crocodile, während er auf den Aufzug wartete. „Du bist ein erfahrener Geschäftsmann. Ich bin mir sicher, dass du diesen Deal schnell unter Dach und Fach kriegen wirst! Außerdem wäre Hogback ein echter Idiot, wenn er sich die Chance entgehen lassen würde, als allererstes dieses neue Krebsmedikament auf den Markt zu bringen!“ „Hoffentlich behältst du Recht“, meinte Doflamingo mit ungewohnt sorgenvoller Stimme. Anscheinend handelte es sich bei diesem Geschäft um eine wirklich große Sache. Unweigerlich überkamen Crocodile furchtbare Gewissensbisse, weil sein Verlobter sein erstes Treffen mit Hogback wegen ihm hatte sausen lassen. „Warum rufst du mich heute Nacht nicht an und erzählst mir, wie das Abendessen gelaufen ist?“, bot Crocodile an. Er klemmte das Handy zwischen seinem Ohr und seiner Schulter ein, damit er die Hand frei hatte, um in seiner Hosentasche nach der Schlüsselkarte für sein Hotelzimmer zu suchen. „Du musst wegen mir nicht so lange wach bleiben“, erwiderte Doflamingo sofort. „Es kann sein, dass ich erst gegen zwei oder drei Uhr nachts die Möglichkeit haben werde, dich anzurufen.“ „Das macht mir nichts aus“, meinte Crocodile. Er hatte endlich die Karte gefunden, schloss die Zimmertüre auf und ließ sich auf der Ledercouch nieder. „Bist du dir da ganz sicher?“, hakte Doflamingo nach. „Klar“, bekräftigte Crocodile. Er ging ohnehin davon aus, dass Franky und die Anderen nach der Besprechung den erfolgreichen ersten Tag in der Hotelbar feiern wollte; daher würde er wahrscheinlich sowieso nicht vor Mitternacht ins Bett kommen. „Okay“, ließ Doflamingo sich schlussendlich breitschlagen. „Dann bis heute Abend, Croco. Ich liebe dich.“ Er machte ein schnalziges Kussgeräusch in den Hörer. „Ich liebe dich auch“, erwiderte Crocodile. „Bis heute Abend!“ Crocodile schmiss das Handy aufs Bett und lockerte seine Krawatte. Er fühlte sich auf eine positive Art und Weise ausgelaugt. Der Tag war anstrengend, doch auch sehr produktiv gewesen. Alles hatte genau so geklappt wie Crocodile es sich vorgestellt hatte. Er warf einen Blick auf die teure Uhr, die über dem Türrahmen hing, und entschied, dass noch genug Zeit für eine kurze Dusche war, ehe er sich auf den Weg hinunter ins Restaurant machen musste. Crocodile konnte es kaum erwarten, Franky von der hohen Besucherzahl zu berichten. Es war beinahe neun Uhr, als Crocodile sein Handy vom Bett wieder auflas. Der Display zeigte ihm fünf entgangene Anrufe von seiner Schwester Hancock an. Crocodiles Daumen schwebte bereits über der grünen Hörertaste, als er sich in letzter Sekunde dazu entschied, doch nicht zurückzurufen. In drei Minuten begann die Besprechung mit seinem Chef und all den anderen wichtigen Teammitgliedern. Er hatte im Augenblick keine Zeit für ein Telefonat mit seiner Schwester. Und gerade am heutigen Tag konnte er es sich wirklich nicht leisten durch Unpünktlichkeit aufzufallen! Trotzdem kam Crocodile nicht umhin, sich Sorgen zu machen. Es war nicht typisch für Hancock, ihn mit Anrufen zu terrorisieren... Womöglich war irgendetwas Schlimmes passiert?! Ganz ruhig, redete Crocodile sich gut zu. Er legte das Handy zurück auf sein Bett und verließ das Hotelzimmer. Nicht überreagieren. Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass es sich um einen Notfall handelt. Vielleicht hat sich einfach bloß herausgestellt, dass sie statt eines Mädchens doch einen Jungen bekommt oder so etwas in der Art. Crocodile schnaubte leise und verließ den Aufzug, der unten im Erdgeschoss angekommen war. Es würde Hancock ähnlich sehen, wegen solch einer Kleinigkeit sofort ihre Brüder erreichen zu wollen. Seit sie schwanger war, fand Crocodile, neigte sie dazu ständig überzureagieren. Vorgestern erst hatte seine Schwester ihn und Doflamingo angerufen, nur um ihnen beiden mitzuteilen, wann der errechnete Geburtstermin war. (Sein Verlobter hatte sich sehr dafür interessiert und fast eine Stunde lang mit ihr telefoniert, doch Crocodile konnte sich nicht einmal mehr genau an das genannte Datum erinnern. Er wusste bloß, dass es in ungefähr zwei Monaten soweit sein würde.) Zur Sicherheit werde ich sie anrufen, wenn ich das Meeting hinter mir habe, dachte Crocodile. Bestimmt ist nichts weiter passiert, aber ich werde sie trotzdem anrufen. Franky erwartete ihn bereits am Tisch. Das Gesicht seines Chefs zierte ein breites Lächeln, welches Crocodile unweigerlich mit Stolz erfüllte. Offenbar hatte Kiwi nicht übertrieben: Franky erweckte tatsächlich einen unfassbar begeisterten Eindruck. „Crocodile!“, rief er, kaum dass dieser das Lokal betreten hatte, und deutete auf den freien Sitzplan neben sich. Ich habe es geschafft, dachte Crocodile und ließ sich nieder. Ich habe es wirklich geschafft Es war als hätte man ihm eine schwere Last von den Schultern genommen. Plötzlich kamen ihm seine Schulden sehr weit weg vor und auch die bevorstehende Hochzeit mit Doflamingo sah Crocodile nun in einem ganz anderen Licht. Sein Chef schien mit der Arbeit, die er geleistet hatte, überaus zufrieden zu sein; was bedeutete, dass Tom's Workers ihn mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch mit der Koordination der nächstjährigen Messe beauftragen würde. Innerhalb kürzester Zeit könnte Crrocodile endlich seine Schulden tilgen - und zwar absolut restlos, bis auf den allerletzten Berry! Um ehrlich zu sein, konnte er sein Glück kaum fassen. Obwohl er keinen einzigen Schluck Alkohol getrunken hatte, fühlte Crocodile sich betrunken. Ein warmes Gefühl breitete sich in seinem Brustkorb aus. Endlich hatte die lange Zeit des Leidens und Lügens ein Ende gefunden. Endlich würde alles wieder so wie früher werden. „Liebe Kollegen und Kolleginnen“, sagte Franky und nahm einen großen Schluck Whiskey. „Ich muss zugeben, dass ich schwarz gesehen habe, nachdem Herr Iceburg, der unsere Messe viele Jahre lang sehr erfolgreich organisiert hat, so plötzlich von uns gegangen ist. Wo sollte ich bloß kurzfristig einen Ersatz hernehmen? Gab es überhaupt jemanden, der genug Erfahrungen und Kompetenzen mitbringt, um ein Event in dieser Größenordnung angemessen zu betreuen? Wenn ich ganz ehrlich bin, ging ich fest davon aus, dass die diesjährige Messe ein absolutes Desaster werden würde.“ Crocodile schaute unauffällig in ihre Runde und erblickte viele ernste Gesichter. Mozz nippte an ihrem Cocktail und Spandam, der für die Finanzen zuständig war, hatte den Blick gesenkt. „Dieser Fall ist zum Glück nicht eingetreten“, fuhr Franky fort und nun legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Eher handelt es sich um das Gegenteil: Ich darf euch, liebe Kollegen und Kolleginnen, mitteilen, dass wir im Vergleich zum Eröffnungstag des Vorjahres einen Besucheranstieg von sage und schreibe 28 Prozent für uns verbuchen konnten!“ Diese Verkündung hatte einen lauten und fröhlichen Jubel zur Folge. Crocodile, der im Augenblick einfach bloß unfassbar glücklich war, erhob er gemeinsam mit den Anderen sein Glas und stieß auf ihren Erfolg an. Als wieder Ruhe eingekehrt war, richtete Franky das Wort direkt an ihn: „Crocodile“, sagte er. „Ohne dich wäre dieses fantastische Ergebnis niemals möglich gewesen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass du uns gerettet hast. Und ich bin unendlich froh darüber, dass Robin uns beide miteinander bekannt gemacht hat. Du bist ein riesengroßer Gewinn für unsere Firma!“ Er klatschte in die Hände, und alle Kollegen und Kolleginnen, die mit am Tisch saßen, stimmten fröhlich in den Applaus mit ein. Und obwohl es sich bei Crocodile um einen sehr gefassten und professionellen Menschen handelte, spürte er wie sein Gesicht sich rot zu färben begann angesichts des lauten Beifalls seiner Arbeitskollegen und -kolleginnen. Damit hatte er nicht gerechnet gehabt. „Du übertreibst, Franky“, warf er rasch ein, weil ihm die Lobpreisungen allmählich unangenehm wurden. Natürlich freute Crocodile sich über positives Feedback, doch er hielt es für überzogen, dass man ihn behandelte wie einen Helden. Immerhin war er kein Feuerwehrmann, der ein Kind aus einem brennenden Haus gerettet hatte. Er hatte nur seinen Job erledigt; nicht mehr und nicht weniger. „Ich bin bloß Teil eines großen Teams. Wir haben diese Herausforderung gemeinsam gemeistert. Die Ehre gebührt nicht mir allein.“ „Du bist der Kopf unseres Teams“, widersprach Franky. „Ohne deinen Anteil an diesem Projekt hätten wir niemals einen solch sagenhaften Erfolg erzielt. Wir alle hier sind wirklich unfassbar stolz auf dich, Crocodile. Und wir sind sehr glücklich, dass du ein Teil von Tom's Workers bist.“ Das Rot auf seinen Wangen verfärbte sich dunkler. Weil Crocodile nicht so recht wusste, wie er reagieren sollte, nahm er einen großen Schluck Wein. Um ehrlich zu sein, konnte er gar nicht fassen, was gerade passierte. Er wusste bloß, dass er unglaublich glücklich war. Und stolz. Franky war noch nicht fertig. „Ich finde, dass du für deine Arbeit eine besondere Belohnung verdient hast“, sagte er. „Los, schließ deine Augen, Crocodile!“ „Was?“ Befangen ließ Crocodile seinen Blick durch die Runde schweifen. „Ernsthaft?“ „Klar!“, meinte Franky. Das breiteste Grinsen, das Crocodile je gesehen hatte, zierte sein Gesicht. „Los schon! Augen zu! Das ist eine Arbeitsanweisung!“ Verunsichert tat Crocodile wie ihm geheißen. Ein nervöses Kribbeln breitete sich ausgehend von seinem Bauch in seinem gesamten Körper aus. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, welche Art von Belohnung sein Chef sich für ihn ausgedacht hatte. Vielleicht einen teuren Wein, schoss es Crocodile durch den Kopf, oder sogar eine Urlaubsreise in die Karibik. „Augen aufmachen!“, hörte Crocodile das komplette Team brüllen. Das ist ein Traum! Crocodile riss die Augen weit auf und bedeckte den Mund mit seiner Hand. Das kann einfach nicht wahr sein. Das ist unmöglich! Vor ihm standen seine Arbeitskollegen und -kolleginnen, die ihren Chef Franky umringten. Gemeinsam hielten sie einen riesigen Check hoch. Weil die Sicht vor seinen Augen verschwamm, brauchte Crocodile drei Anläufe, um die Zahl auf dem Schriftstück zu erkennen. 50.000 Berry, las er. Doch obwohl er die Ziffern schwarz auf weiß vor sich sehen konnte, eine Fünf und vier Nullen genau nachzählen konnte, war er nicht dazu in der Lage zu begreifen, was gerade eben geschehen war. Es dauerte einige Minuten, bis die Realität zu Crocodile durchdrang. 50.000 Berry, dachte er und sein Brustkorb fühlte sich an als würde er jeden Augenblick vor Hitze und Glück explodieren. Ich habe einen Bonus in Höhe von 50.000 Berry bekommen! Sie hatten noch bis tief in die Nacht gefeiert. Es war halb vier Uhr morgens und Crocodile war sehr stark angetrunken, als er sich endlich auf den Weg zurück in sein Hotelzimmer machte. Noch immer konnte er sein Glück kaum fassen. Er fühlte sich so selig wie schon seit Monaten nicht mehr. Seine gute Laune wurde ein wenig getrübt, als er sein Handy erblickte, dass er auf dem Bett hatte liegen lassen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen löste Crocodile die Tastensperre. Der Display zeigte ihm elf entgangene Anrufe von seiner Schwester Hancock und fünf entgangene Anrufe von Doflamingo an. Nach kurzem Zögern entschied Crocodile sich dazu, zuerst seinen Verlobten zurückzurufen. Ihn plagten Gewissensbisse, weil er Doflamingo doch versprochen hatte, dass dieser sich bei ihm melden dürfte, um von seinem Geschäftsessen mit Hogback zu berichten. Sein Partner ging nach dem zweiten Klingeln ran. „Hey, Doffy, tut mir leid“, begann Crocodile. „Ich bin leider eingeschlafen und...“ Doch sein Verlobter würgte ihn unwirsch ab. „Das ist jetzt nicht wichtig“, meinte er rasch. „Hast du schon von Hancock gehört?“ „Hancock?“ Crocodile konnte nicht verhindern, dass er sich automatisch Sorgen zu machen begann. „Nein, wie gesagt, ich habe ja bis gerade eben noch geschlafen. Was ist denn passiert? Ist sie verletzt? Oder... oder ist irgendetwas mit dem Baby nicht in Ordnung?“ „Dem Baby geht es gut“, versicherte Doflamingo ihm sofort. „Es geht um Luffy.“ „Luffy?“ Crocodile zog irritiert die Augenbrauen zusammen. „Hancocks Freund? Was ist mit ihm?“ „Er hat sie verlassen“, antwortete Doflamingo mit bedrückter Stimme. „Er lässt sie und ihr Baby einfach im Stich. Anscheinend hast du am Ende wohl Recht behalten, Crocodile: Es war keine gute Entscheidung von Hancock, sich auf einen Jungen einzulassen. Offenbar wird ihre Tochter ohne Vater aufwachsen müssen.“ bye sb Kapitel 22: Kapitel 11 (zensiert) --------------------------------- Crocodile gab es nur ungern zu, doch es erleichterte ihn ungemein, dass dank seines Verlobten sein Schuldenberg um gut ein Drittel geschrumpft war. Inzwischen lag er alles in allem nur noch bei ungefähr einer viertel Millionen Berry; das war nicht einmal die Hälfte der Summe, mit der er vor etwa sechs Monaten, als er von seiner Kündigung erfahren hatte, gestartet war. Und sollte Franky seinen momentan noch befristeten Arbeitsvertrag verlängern (wonach es durchaus aussah), dann würde es Crocodile gelingen, die restlichen Schulden im Verlauf der nächsten acht oder neun Monate komplett zu tilgen. Dass seine Laune sich erheblich besserte, konnte man an vielen Dingen festmachen: Inzwischen aß er wieder mit deutlich mehr Genuss, er lächelte öfter und verbrachte auch wieder mehr Zeit mit Doflamingo. Sein Lesezimmer suchte Crocodile inzwischen nur noch auf, wenn er irgendetwas für seine Arbeit erledigen musste, wovon sein Partner natürlich nichts mitbekommen durfte. Wenn er ein Buch lesen wollte, tat er dies zumeist im Wohnzimmer oder (weil das Wetter in letzter Zeit sehr angenehm war) draußen im Garten. Doflamingo entging es natürlich nicht, dass sein Verlobter wieder ein wenig lebensfroher wurde, und nutzte diesen Umstand prompt in mehrfacher Hinsicht für sich aus: Zum Einen initiierte er öfter Sex. Während es sich bei ihnen in den letzten Monaten eingebürgert hatte, dass sie alle zwei bis drei Tage miteinander schliefen, hatten sie nun wieder täglich (manchmal sogar mehrmals täglich) Sex. Crocodile machte es nichts aus. Ganz im Gegenteil: Er spürte, dass nicht bloß Doflamingos Libido stärker wurde; nun, da sich seine neueste Sorge praktisch in Luft aufgelöst hatte, war auch seine eigene Lust auf Sex erheblich angestiegen. Immer häufiger war es nicht Doflamingo, sondern er selbst, der die Initiative ergriff. (Der einzige Nachteil bestand darin, dass Crocodile nun auch wieder öfter mit zum Teil heftigen Unterleibsschmerzen zu kämpfen hatte, da Doflamingo über ein wirklich außerordentlich mächtiges Organ verfügte. Aus diesem Grund gewöhnte er es sich an, immer eine Packung Schmerztabletten und eine Tube Wundsalbe in der Tasche zu haben.) Zum Anderen schlug Doflamingo ständig irgendwelche Unternehmungen vor. Mit ihrem gemeinsamen Stadtbummel am vorherigen Mittwochnachmittag schien Crocodile die Büchse der Pandora geöffnet zu haben: Ob ins Kino, ins Restaurant, in die Bar... Seinem Verlobten fielen immer wieder neue Ausflugsziele ein. Und auch in dieser Hinsicht spürte Crocodile sehr deutlich, dass sein Widerwille zunehmend schwächer wurde. Solange er für die Unternehmungen nicht allzu tief in die Tasche greifen musste, machten sie ihm nichts aus. Auch für den heutigen Abend hatte Doflamingo einen gemeinsamen Ausflug geplant. „Warum gehen wir beide nicht auf den Jahrmarkt?“, fragte er mit fröhlicher Stimme, als sie gemeinsam zu Mittag aßen. „Heute ist der letzte Tag. Das bedeutete, dass wir in diesem Jahr keine weitere Gelegenheit dazu bekommen werden. Und außerdem findet das große Abschlussfeuerwerk statt!“ „Jahrmarkt?“, wiederholte Crocodile und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen, während er ein Stück Fleisch kaute. Um ehrlich zu sein, war er kein sonderlich großer Fan von Jahrmärkten. Das letzte Mal hatte er ein solches Fest vor vielen Jahren mit seinem Exfreund Marco besucht. „Das wird sicher schön!“, versuchte sein Verlobter ihn zu überzeugen und nickte begeistert. „Ich weiß ja nicht“, erwiderte Crocodile ausweichend. „Ich kann mit Jahrmärkten nicht sonderlich viel anfangen. Überall wird fettiges Essen verkauft, das ich nicht essen kann, und beim Achterbahnfahren wird mir immer schlecht. Wollen wir nicht lieber etwas Anderes machen? Wie wäre es mit Kino?“ „Ach, komm schon!“, bettelte Doflamingo und schob wie ein kleines Kind die Unterlippe nach vorne. „Bitte Wani! Es ist doch nur der eine Abend!“ „Ist ja gut“, gab sich Crocodile, der unweigerlich lachen musste, schließlich geschlagen. „Von mir aus. Aber ich sage dir jetzt schon, dass du es nicht schaffen wirst, mich zum Achterbahnfahren zu überreden.“ „Das werden wir noch sehen“, gab sein Verlobter keck zurück und streckte ihm grinsend die Zunge heraus, ehe er sich eine Portion gestampfte Kartoffeln in den Mund schob. Gegen zwanzig Uhr machten sie sich auf den Weg. Wie Crocodile von Doflamingo erfahren hatte, sollte das Feuerwerk, das etwa eine halbe Stunde lang andauern würde, um zweiundzwanzig Uhr starten. Er war der Ansicht, dass insgesamt zweieinhalb Stunden mehr als genug Zeit für diesen Ausflug darstellten. (Wie gesagt, Crocodile war kein allzu großer Fan - weder von Jahrmärkten noch von Feuerwerken.) Bevor sie sich auf den Weg hinunter zur Tiefgarage machten, meinte Doflamingo zu ihm: „Du solltest lieber eine leichtere Jacke mitnehmen, Baby. Es ist ziemlich warm draußen.“ „Immer noch?“, wendete Crocodile ein. „Inzwischen ist es doch schon Abend. Und ich möchte nicht frieren.“ Er war ein Mensch, der sehr leicht fror; und die Aussicht, zitternd und bibbernd über den Jahrmarkt zu laufen, erschien ihm nicht sonderlich verlockend. Doch Doflamingo nickte energisch. „Eine leichte Überjacke reicht völlig aus“, sagte er. „Ansonsten wirst du den ganzen Abend lang schwitzen. Ich gehe auch bloß in T-Shirt.“ „Du bist ja auch verrückt“, entgegnete Crocodile und konnte sich ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen, „und trägst so gut wie nie eine Jacke. Erinnerst du dich noch an meinen Geburtstag? Es waren weit unter zwanzig Grad und du hattest trotzdem bloß ein T-Shirt und eine Capri-Hose ein. Es wundert mich immer noch, dass du dir damals nicht den Tod geholt hast.“ Crocodile konnte sich noch sehr gut an jenen Tag im September zurückerinnern: Sie beide mussten ziemlich komisch ausgesehen haben. Während Doflamingo bloß in leichter Sommerkleidung unterwegs gewesen war, hatte er selbst einen dicken Mantel getragen. Ironischerweise schien sein Partner dennoch weniger gefroren zu haben als er. „Ich bin im Gegensatz zu dir eben sehr robust“, meinte Doflamingo. „So schnell erkälte ich mich nicht. Aber heute ist es wirklich sehr warm, versprochen.“ „Also gut“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen. Doflamingo winkte ein Dienstmädchen herbei; er übergab ihm die dicke Jacke, aus der sein Verlobter gerade herausgeschlüpft war, und wies es an, stattdessen eine leichtere Überjacke zu holen. Es waren Momente wie diese, in denen Crocodile sich ernsthaft zusammenreißen musste, um nicht den Kopf zu schütteln angesichts der unfassbaren Dekadenz seines Partners. Er selbst wäre niemals auf den Gedanken gekommen, ein Dienstmädchen zu schicken, um die Jacke zu holen. Er hätte es ganz einfach selbst getan. „Jetzt sollten wir uns aber endlich auf den Weg machen“, meinte Doflamingo gut gelaunt und lotste ihn hinüber zum Aufzug, um nach unten in die Tiefgarage zu fahren. „Der Jahrmarkt ist ziemlich groß und es ist schon spät.“ Crocodile unterdrückte ein Seufzen und folgte seinem Verlobten. Unten wartete bereits der Chauffeur auf sie. Er stand neben dem dunkelblau lackierten Aston Martin DBS V12, mit dem sie heute fahren würden. Der Wagen hatte etwa eine viertel Millionen Berry gekostet und gehörte zu Doflamingos Lieblingen. „Ich dachte mir, dass es praktischer ist, wenn wir uns fahren lassen“, erklärte sein Partner, während sie es sich auf der Rückbank, die mit teurem Leder überzogen war, bequem machten. „Wir können also beide Alkohol trinken, falls wir Lust dazu haben sollten. Letztes Jahr, als ich mit Bellamy und Dellinger dort war, gab es einen Cocktail-Stand, der einen richtig leckeren Sex On The Beach verkauft hat. Hoffentlich ist er dieses Jahr wieder da.“ Der Jahrmarkt konnte Crocodile nicht begeistern: In der Luft hing der Geruch nach fettigem Essen, von überall her war viel zu laute Party-Musik zu hören und außerdem quoll der Platz über vor Menschen. Crocodile griff prompt nach der Hand seines Verlobten, um diesen in der Menge nicht zu verlieren. (Die Geste zauberte Doflamingo ein glückliches Lächeln auf die Lippen. Vermutlich interpretiere er das Händchenhalten als Austausch von Zärtlichkeiten. Crocodile kümmerte es,um ehrlich zu sein, nicht sonderlich.) Gemeinsam liefen sie über den Platz und schauten sich die unterschiedlichen Fahrgeschäfte und Spielstände an. Doflamingo hatte nicht übertrieben: Der Jahrmarkt war wirklich riesig. Es gab Achterbahnen, Riesenräder, Geisterhäuser, Schiffschaukeln und vieles mehr... Als zu seiner Rechten ein Flying Coaster einen wilden Looping schlug, spürte Crocodile, wie ihm unweigerlich selbst ein klein wenig übel wurde. Es war Jahre her, seitdem er sich das letzte Mal auf ein solches Fahrgeschäft getraut hatte. „Wie wäre es hiermit?“, fragte Doflamingo, der zu spüren schien, dass sein Partner von der Achterbahn nicht allzu angetan war, und deutete stattdessen nach links auf eine der zahlreichen Spielbuden. Man musste mit kleinen Dartpfeilen Luftballons zerschießen. Je nach Anzahl und Farbe der getroffenen Luftballons durfte man sich einen Gewinn aussuchen. Eine Runde mit zehn Pfeilen kostete vier Berry. „Von mir aus“, erwiderte Crocodile schulterzuckend und ließ sich von seinem Verlobten hinüber zu dem Stand führen. Ihm war bewusst, dass (wenn er auf diesen nicht verdächtig wirken wollte) er nicht darum herum kommen würde, ein klein wenig Geld ausgeben. Und mit vier Berry konnte er ganz gut leben. „Sieh dir mal dieses niedliche Ding an!“, meinte Doflamingo mit begeisterter Stimme und deutete auf ein großes, rosafarbenes Plüschherz. „Das muss ich unbedingt bekommen!“ „Dann versuch doch dein Glück“, gab Crocodile zurück und bemühte sich darum, nicht die Augen zu verdrehen. Er selbst würde dieses grässliche Herz nicht einmal geschenkt haben wollen, aber weil er wusste, dass sein Verlobter auf solch kitschigen Blödsinn stand, hielt er sich mit gehässigen Kommentaren zurück. Doflamingo reichte dem Standbesitzer einen Zehn-Berry-Schein, erhielt im Gegenzug zwanzig Pfeile und gab die übrigen zwei Berry als Trinkgeld. Mit ungläubiger Miene beobachtete Crocodile, wie sein Partner drei von potenziellen zwanzig Luftballons traf. Am Ende erhielt er bloß ein kleines Kinderspielzeug als Trostpreis. Angesichts dieser peinlichen Flaute brachte Crocodile es einfach nicht über sich, still zu bleiben. „Das war wohl nichts“, meinte er und grinste schelmisch. „Das Plüschherz möchte wohl nicht mit dir nach Hause gehen.“ „Mach du es doch besser“, erwiderte Doflamingo, dessen Ego ein wenig angekratzt zu sein schien, und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du weißt doch gar nicht, wie schwer das ist! Man muss sechs Ballons treffen, um das Herz zu gewinnen. Drei davon müssen blau sein; und von den blauen Ballons gibt es sowieso nur ganz wenige.“ „Also gut“, sagte Crocodile, „ich nehme die Wette an.“ Als Student hatte er an den Wochenende manchmal in einer Kneipe, die regelmäßig Dartturniere ausrichtete, ausgeholfen. Sein Chef war sehr nett gewesen und hatte ihm erlaubt, ab und an auch mal eine Runde mitzuspielen. Crocodile hoffte, dass von dem Talent, welches er damals an den Tag gelegt hatte, immer noch etwas übrig geblieben war. Zu gerne würde er seinem großmäuligem Verlobten eins auswischen! Leider machte ihm das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. „Oh Mist!“, meinte er verärgert, als er in die Innentasche seiner Jacke griff - und sie leer vorfand. „Ich habe mein Portemone in meiner anderen Jacke vergessen.“ „Macht nichts“, erwiderte Doflamingo und kramte seinen eigenen Geldbeutel hervor. „Ich habe genug Geld dabei.“ Hastig schüttelte Crocodile den Kopf. „Nein“, sagte er und bedeutete seinem Partner die Geldscheine, welche dieser hervorgeholt hatte, rasch wieder einzustecken. „Ich möchte nicht eingeladen werden!“ „Stell dich nicht so an“, gab Doflamingo unbekümmert zurück. „Es sind doch bloß ein paar Berry.“ „Du hast in letzter Zeit sowieso schon viel zu viel Geld für mich ausgegeben“, wendete Crocodile ein. Ihm gefiel der Gedanke, dass sein Partner für ihn bezahlte, ganz und gar nicht. Er war ein Mensch, der es grundsätzlich nicht ausstehen konnte, eingeladen zu werden. Und außerdem hatte Doflamingo letzte Woche erst seinetwegen 120.000 Berry minus gemacht. Er wollte nicht, dass dieser noch mehr Geld für ihn ausgab. „Die paar Berry machen nun wirklich keinen Unterschied“, meinte sein Verlobter. Ohne Crocodiles Einwilligung reichte er dem Budenbesitzer erneut einen Zehn-Berry-Schein herüber. „Weil ich zwanzig Pfeile hatte, ist es nur gerecht, wenn du es mit der gleichen Anzahl versuchen darfst“, sagte er. „Doflamingo“, zischte Crocodile, den das Verhalten seines Partners wütend machte. „Ich habe gesagt, dass ich nicht eingeladen werden möchte!“ „Aber du hast die Wette angenommen“, hielt dieser grinsend dagegen. „Du kannst nicht zuerst eine Wette annehmen und dann doch nicht antreten. So etwas ist feige, Wani.“ „Also gut“, gab Crocodile sich schließlich zähneknirschend geschlagen und schnappte Doflamingo die Pfeile aus der Hand. „Aber Zuhause gebe ich dir das Geld wieder!“ Crocodile atmete tief durch und brachte sich anschließend in Position. An der Rückwand der Bude waren insgesamt bloß sechs blaue Ballons befestigt - mindestens drei davon musste er treffen, um für Doflamingo das rosafarbene Plüschherz zu gewinnen. Und dazu dann noch drei weitere Ballons. Sein erster Pfeil brachte einen blauen Ballon zum platzen. Sein zweiter ebenfalls. Genauso wie der dritte. Crocodile konnte ein triumphierendes Grinsen nicht unterdrücken, als er hörte wie Doflamingo, der neben ihm stand, erstaunt die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. Sein vierter Pfeil zerstach einen roten Ballon. Der fünfte Pfeil ging daneben. Der sechste Pfeil traf einen gelben Ballon, der siebte einen orangefarbenen. „Hier“, meinte Crocodile und sprach absichtlich in einem möglichst gelassen klingenden Tonfall, als er seinem Verlobten den Gewinn überreichte. „Dein Plüschherz, Doflamingo.“ Crocodile musste sich eingestehen, dass der Besuch des Jahrmarkts am Ende beileibe nicht so schlimm war, wie er ihn sich ausgemalt hatte. Zwischendurch hatte er sogar wirklich Spaß: Nicht nur beim Luftballon-Zerschießen, sondern auch beim Ringewerfen schlug er seinen Verlobten um Längen. Und als er für zwei Berry ein paar Lose kaufte, gewann er eine große Tüte Popcorn, die er Doflamingo schenkte. Allein bei Hau-den-Lukas hatte dieser die Nase vorn: Augenscheinlich ohne viel Mühe gelangte Doflamingo schon beim ersten Schlag bis zur allerhöchsten Marke. Crocodile wiederum machte sich gar nicht erst die Mühe, sich mit seinem Partner zu messen. Er wusste, dass er in dieser Hinsicht nicht gegen Doflamingo ankommen konnte; immerhin war er deutlich weniger kräftig als jener und besaß auch nur eine Hand, was sich bei diesem Spiel als echter Nachteil erwies. „Wonach suchst du?“, fragte Crocodile seinen Verlobten. Doflamingo ließ immer wieder seinen Blick über die Menschenmassen schweifen und reckte gelegentlich den Kopf in irgendeine Richtung. Als Crocodile ihn auf dieses Verhalten ansprach, schien er sich ertappt zu fühlen und stritt hastig alles ab: „Nichts. Ich habe mich nur umgeschaut.“ „Lüg mich nicht an“, erwiderte Crocodile und kniff seinem Partner in die Seite. „Du hältst doch nach irgendetwas oder irgendjemanden Ausschau!“ „Nein, wirklich nicht“, beteuerte Doflamingo. Und um das Thema zu wechseln, meinte er: „Schau mal, da vorne gibt es eine Foto-Kabine. Lass uns eines machen, ja? Solche nostalgischen Jahrmarkt-Fotos sind total schön!“ „Okay“, meinte Crocodile schulterzuckend und wurde von seinem Verlobten prompt in die nahegelegene Foto-Kabine geschleift. Sie war furchtbar eng, vor allem für zwei Menschen ihrer Größe. Auf der Rückseite war als Hintergrund die schwarz-weiße Fotokopie eines Riesenrades abgebildet. „Hast du überhaupt Kleingeld dabei?“, fragte Crocodile, als er bemerkte, dass man den Automaten nur per Münzeinwurf starten konnte. Wenn er sich richtig erinnerte, dann hatte sein Partner immer bloß in Scheinen bezahlt und die Differenz zum Preis als Trinkgeld dazu gegeben. Und er selbst hatte ja leider sein Portemone Zuhause vergessen. „Doflamingo?“ Doch sein Verlobter beachtete ihn gar nicht. Stattdessen lugte er vorsichtig durch den Vorhang nach draußen. „Doflamingo!“ Crocodile legte die Stirn in Falten und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast also doch jemanden gesucht!“ „Du hast ja Recht“, gestand dieser im Flüsterton und bedeutete ihm mittels einer Geste, ebenfalls leise zu sprechen. „Ich habe nach Law Ausschau gehalten. Bei der Grillparty letztes Wochenende hat er gesagt, dass er auch auf den Jahrmarkt geht. Erinnerst du dich noch?“ „Ich erinnere mich“, erwiderte Crocodile. „Aber wieso zur Hölle veranstaltest du denn bloß solch ein Theater? Warum gehen wir nicht einfach zu ihm hinüber und begrüßen ihn?“ „Er ist doch mit seinem Date hier“, antwortete Doflamingo, der noch immer interessiert nach draußen sah. „Du weißt schon, dieser Tätowierer.“ „Na und?“ Crocodile verstand wirklich nicht, wo das Problem lag. „Wir können doch trotzdem Hallo sagen! Und danach gehen wir wieder getrennte Wege. Warum nur versteckst du dich stattdessen in einer Foto-Kabine?“ „Er darf mich nicht sehen“, erwiderte Doflamingo. „Er wird denken, dass ich ihm hinterher spioniere.“ „Nun ja“, wendete Crocodile ein. Auf ihn wirkte die Situation sehr eindeutig. „Das tust du doch auch, oder nicht?“ „Nicht so richtig“, meinte sein Verlobter. „Ich bin immerhin nicht nur wegen ihm hier. Eigentlich geht es mir ja darum, mit dir einen schönen Abend auf dem Jahrmarkt zu verbringen.“ Für Crocodile ergaben Doflamingos Worte keinen Sinn. „Und wieso sollte er dann auf den Gedanken kommen, dass du ihm nachstellst?“, fragte er. Erst der schuldige Gesichtsausdruck, den sein Partner angesichts dieser Frage aufsetzte, verschaffte ihm Klarheit. „Du hast ihm schon mal hinterher spioniert?“, fragte Crocodile mit entsetzter Stimme. „Herrgott noch mal, Doflamingo! Warum tust du denn so etwas?“ „Du verstehst das nicht“, meinte er, ohne ihn anzusehen. „Dann erklär es mir!“, entgegnete Crocodile mit energischer Stimme und griff nach dem Unterarm seines Verlobten. „Verdammt! Doflamingo! Das ist doch nicht normal!“ „Nicht so laut!“, zischte ebenjener. „Erklär mir einfach, was los ist!“ Crocodiles Stimme klang unerbittlich, doch er bemühte sich trotzdem darum, leise zu sprechen. Doflamingo schwieg für einen Moment. Er senkte den Blick und fuhr sich ungelenk mit der Hand durch sein blondes Haar, ehe er schließlich sagte: „Es ist wegen Cora.“ „Cora?“, wiederholte Crocodile irritiert. „Corazon?“ Was hatte denn bloß Doflamingos verstorbener Bruder mit dieser Angelegenheit zu tun? Sein Verlobter nickte. „Er und Law waren ein Paar. Sie haben schon angefangen sich zu verabreden, als sie gerade einmal so achtzehn, neunzehn Jahre alt waren. Corazons plötzlicher Tod hat Law genauso schwer getroffen wie mich. Es hat mehr als ein Jahr lang gedauert, bis er sich getraut hat, sich nach einem neuen Partner umzuschauen. Und, naja, ich habe mir sehr große Sorgen um ihn gemacht und versucht herauszufinden, mit wem er sich trifft. Er war zu diesem Zeitpunkt immer noch sehr verletzlich und ich wollte vermeiden, dass er dem Falschen in die Hände gerät und ausgenutzt wird.“ „Und was ist dann passiert?“, hakte Crocodile nach. „Habt ihr euch verkracht, weil er herausgefunden hat, dass du ihm hinterher spioniert hast?“ „So in etwa“, gestand Doflamingo leise seufzend. „Erinnerst du dich noch an Mihawks Geburtstagsparty? Als du nach Hancocks neuem Freund Ausschau gehalten hast?“ Crocodile nickte. „Du hast mir davon abgeraten“, sagte er. „Meintest, es gäbe bloß Ärger, wenn man sich in fremde Beziehungen einmischt.“ „Genau das ist nämlich auch die Erfahrung, die ich gemacht habe“, erklärte ihm sein Verlobter. „Laws Date -so ein komischer Typ namens Sachi- hat mich zuerst bemerkt. Dachte wohl, ich wäre Laws eifersüchtiger Exfreund oder so etwas. Es gab fürchterlichen Ärger; wir haben uns, nun ja, geprügelt sozusagen. Irgendwann ist es Law gelungen, seinem Date klarzumachen, dass es sich bloß um ein Missverständnis handelt. Trotzdem ist aus den beiden nichts geworden. Law hat mir die Schuld an der Misere gegeben und wochenlang nicht mit mir gesprochen. Wir haben uns erst wieder vertragen, als ich ihm versprochen habe, dass ich ihm bei seinen Verabredungen nicht mehr nachstellen werde.“ „Deine Versprechen scheinen dir ja wirklich heilig zu sein“, murmelte Crocodile und zog eine Augenbraue hoch. „Es ist meine Pflicht auf ihn aufzupassen!“, verteidigte Doflamingo sein Verhalten. „Und sein letztes Date ist schon lange her. Nach der Sache mit Sachi hat Law sich noch vereinzelt mit ein paar anderen Männern getroffen, aber danach ist er zu einem echten Eigenbrötler geworden. Corazon hätte gewollt, dass ich mich um ihn kümmere und dafür sorge, dass er nicht an den Falschen gerät.“ „Law scheint mir ein sehr vernünftiger Mensch zu sein“, wendetete Crocodile ein. Er konnte die Sorge seines Verlobten nachvollziehen, doch er fand auch, dass er diesem trotzdem klarmachen musste, dass es sich bei Law nicht um naives Teenager-Mädchen handelte. „Ich glaube, er kann ganz gut einschätzen, welche Art von Interesse jemand an ihm hat. Er wird sicher nicht auf irgendeine Masche oder...“ Crocodile kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. „Sie küssen sich!“, wurde er hektisch von Doflamingo, der immer noch vorsichtig nach draußen linste, unterbrochen. „Bis gerade eben haben sie nur geredet, aber jetzt küssen sie sich!“ Crocodile seufzte leise, während er den Vorhang der Foto-Kabine um einen Zentimeter verschob, damit er ebenfalls hinausschauen konnte. Der Anblick, der sich ihm bot, verschlug ihm den Atem: Vor einer Bude, die Lebkuchenherzen und Schokofrüchte verkaufte, standen eng umschlungen Law und ein Mann mit roten, wild in alle Richtungen abstehenden Haaren. Crocodile erkannte ihn sofort wieder. „Eustass Kid“, flüsterte er mit schwacher Stimme und spürte, wie seine Knie weich wurden. „Hm?“ Verwundert blickte Doflamingo zu ihm hinüber. „Eustass Kid“, wiederholte er und wischte sich mit der Hand über den Mund. Inzwischen klang seine Stimme wieder ein klein wenig gefasster. „Das ist Eustass Kid.“ „Der Mann, der nach deinem Motorradunfall die Ambulanz für dich gerufen hat?“ fragte Doflamingo überrascht nach. Crocodile nickte. „Ich verdanke ihm mein Leben“, sagte er. „Hätte er sich damals nicht um mich gekümmert, wäre ich mit Sicherheit gestorben.“ Er ließ den Vorhang wieder los und Doflamingo tat es ihm gleich. „Dann muss ich mir keine Sorgen machen“, sagte sein Verlobter. „Dass er dein Leben gerettet hat, bedeutet, dass er ein guter Mensch ist. Er wird Law mit Sicherheit nicht schlecht behandeln.“ Crocodile nickte. Als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte, fragte er: „Hast du nun Kleingeld dabei oder nicht? Der Foto-Automat nimmt nämlich nur Münzen an.“ „In etwa zwanzig Minuten beginnt das Feuerwerk“, sagte Doflamingo, als er einen Blick auf seine Armbanduhr warf, während er gleichzeitig in seine Schokoladen-Banane am Spieß biss. „Die meisten Leute werden sich bereits einen guten Platz suchen. Wir sollten die Gelegenheit nutzen und wenigstens einmal mit der Achterbahn fahren, jetzt, wo die Warteschlange relativ kurz ist.“ „Erstens soll man mit vollem Mund nicht sprechen“, erwiderte Crocodile mit unwilliger Stimme, „und zweitens habe ich dir heute Mittag schon gesagt, dass ich nicht Achterbahn fahren möchte!“ „Ach, jetzt sei doch nicht so“, versuchte sein Verlobter ihn zu überreden und lotste ihn prompt hinüber zu der größten Achterbahn des ganzen Jahrmarkts. Crocodile zählte insgesamt drei Loopings und musste zu seinem Unmut feststellen, dass momentan tatsächlich nur sehr wenige Leute anstanden. „Heute ist der letzte Tag. Das bedeutet, es ist unsere letzte Chance!“ „Ist mir egal“, entgegnete Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb so viele Menschen das Achterbahnfahren toll fanden: Man wurde einfach bloß für ein paar Minuten mit hoher Geschwindigkeit durch die Gegend gewirbelt - und das auch noch zu einem absolut unverschämten Preis! Crocodile sah nicht ein, wieso er für eine solche Horror-Fahrt auch noch Geld ausgeben sollte. „Jetzt sei kein Spielverderber!“, bettelte Doflamingo. „Du bist viel zu streng mit dir selbst, Wani. Du solltest es dir ab und an mal erlauben, wieder ein Kind zu sein. Es macht wirklich Spaß, Achterbahn zu fahren!“ „Wir hatten heute schon genug Spaß“, hielt Crocodile dagegen. Ihm ging die Sturheit seines Verlobten allmählich auf die Nerven. Warum nur musste dieser immer seinen Willen durchsetzen? „Ich bin sogar mit dir auf dem Riesenrad gewesen. Reicht das nicht?“ „Bitte! Bitte, Croco, bitte!“ Doflamingo ließ einfach nicht locker. „Du hast gerade erst etwas gegessen“, versuchte Crocodile seinem Partner mit vernünftigen Argumenten beizukommen. „Du wirst dich nach der Fahrt mit Sicherheit übergeben!“ „Mir wird so leicht nicht übel“, erwiderte Doflamingo. „Komm schon! Bitte! Nur eine Fahrt! Bitte, Wani!“ Crocodile seufzte leise und massierte sich mit zwei Fingern die rechte Schläfe. Im Augenblick kam es ihm so vor, als wäre er nicht mit einem erwachsenen Mann, sondern einem quengelnden Kind unterwegs. Noch weniger denn je konnte Crocodile nachvollziehen, wieso Doflamingo unbedingt selber Kinder haben wollte. Man musste doch vollkommen verrückt sein, um sich freiwillig tagtäglich mit Diskussionen dieser Art rumzuschlagen! Am Ende gab er trotzdem klein bei. „Also gut, aber nur eine einzige Fahrt!“ Crocodile wusste, dass es keinen Sinn machte, sich Doflamingos Willen zu widersetzen Sein Verlobter konnte manchmal wirklich unfassbar stur sein. Als Kind war dieser eindeutig viel zu sehr verzogen worden. Doflamingo machte sich sogleich daran, Fahrkarten für sie beide zu kaufen. Crocodile vermutete, dass er den Ticketverkäufer mit ein paar zusätzlichen Geldscheinen bestach, denn sie durften sofort bei der nächsten Runde einsteigen und sogar ganz vorne sitzen. Um ehrlich zu sein, fühlte Crocodile sich sehr unwohl. Ohne es selbst zu bemerken, verzog er den Mund und klammerte sich mit der rechten Hand so fest wir nur möglich an die Haltestange. Seine letzte Achterbahnfahrt war bereits mehrere Jahre her. Doflamingo wiederum, der neben ihm saß, schien von der Furcht seines Partners überhaupt nichts mitzubekommen. Er grinste fröhlich und schien sich wie verrückt auf die bevorstehende Fahrt zu freuen. Dann ging es los. Crocodile presste die Zähne fest aufeinander und spürte, wie sein gesamter Körper ganz starr wurde, während Doflamingo vor Begeisterung laut jauchzte. In einer atemberaubenden Geschwindigkeit donnerte der Zug die Schienen entlang und verminderte seine Geschwindigkeit auch dann nicht, als er die drei Loopings schlug. Und obwohl Crocodile wusste, dass die Fahrt höchstens eine oder zwei Minuten lang andauerte, kam sie ihm vor wie Stunden. Er war unsagbar froh, als die Achterbahn endlich wieder zum Stehen kam. Seine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding, als er aus dem Zug ausstieg; außerdem war ihm furchtbar übel. „Mann, das war richtig geil!“, jubelte Doflamingo breit grinsend. „Bist du dir wirklich sicher, dass du nicht noch eine Runde fahren möchtest, Croco? Crocodile?!“ Crocodile kam nicht dazu, die Frage seines Verlobten vehement zu verneinen; als er seinen Mund öffnete, war nämlich das einzige, was hervorkam, ein Schwall Erbrochenes. Weil er am ganzen Leib zitterte, stützte Crocodile sich mit seiner Hand an einem Zaun zu seiner Rechten ab, während er sich in mehreren Schüben übergab. „Ich nehme mal an, das bedeutet nein“, stichelte Doflamingo grinsend, während er ihm seine Haare aus dem Gesicht hielt. Die einzige Erwiderung, die er seitens Crocodile erhielt, war ein ausgestreckter Mittelfinger. * Crocodile klappte seinen Laptop zu und erhob sich von seinem gemütlichen Sessel. Bis gerade eben noch hatte er einige wichtige Dinge für die Arbeit erledigt, doch nun war er fertig für heute. Die große Elektronik-Messe Tom's Workers stand kurz bevor und alle Mitarbeiter kümmerten sich noch hektisch um die allerletzten Vorbereitungen. Crocodile konnte es nicht vermeiden, die eine oder andere Überstunde zu machen oder ein wenig Arbeit mit nach Hause zu nehmen. In einem solchen Fall zog er sich (so wie heute) für eine Weile in sein Lesezimmer zurück und verschickte im Minutentakt wichtige Emails, verfasste Arbeitsanweisungen oder tat, was auch immer gerade erledigt werden musste. Solche Tage kamen in letzter Zeit wieder häufiger vor, doch weder Crocodile noch Doflamingo machte dieser Umstand sonderlich viel aus. Tatsächlich brachte dieser überraschend viel Verständnis für die momentane Lage seines Partners auf. Vermutlich, weil er sich manchmal in derselben Situation befand: Doflamingo hatte ebenfalls eine sehr hohe berufliche Stellung inne und war sich dessen bewusst, dass es manchmal eben unumgänglich war, ein wenig Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Wenn man solch große Verantwortung wie sie beide trug, dann gab es gelegentlich einfach Dinge, die nicht bis zum nächsten Tag warten konnte. Doflamingo selbst stellte da auch keine Ausnahme dar: Es kam nicht selten vor, dass sie sich gemeinsam im Wohnzimmer aufhielten, und Crocodile ein Buch las, während sein Verlobter irgendwelche Dokumente für die Arbeit durchsah. Solange diese Fälle nicht Überhand nahmen, bemühten sie sich beide sehr stark darum, Verständnis für die Situation des jeweils Anderen aufzubringen. Dieses gegenseitige Verständnis hielt Crocodile für eine der größten Stärken in ihrer Beziehung. Er hatte auch schon den einen oder anderen Freund gehabt, der einfach nicht nachvollziehen konnte, welchen hohen Stellenwert Arbeit in seinem Leben einnahm und warum. Häufig hatte es sich um Männer gehandelt, die es selbst beruflich nicht sonderlich weit geschafft hatten. Sie waren in dieser Hinsicht absolut unmotiviert und verstanden nicht, aus welchem Grund man sich bei der Arbeit anstrengen sollte. Diese Beziehungen hatten nie sonderlich lange gehalten. Crocodile war ein Workaholic - und er brauchte jemanden, der diese Einstellung verstand und akzeptierte. Nun allerdings hatte Crocodile sein heutiges Arbeitspensum erledigt. Er legte seinen Laptop zur Seite und machte sich auf die Suche nach seinem Verlobten, den er im Wohnzimmer vermutete. [zensiert] * Crocodile biss sich auf die Unterlippe, während er mit einem unwilligen Gesichtsausdruck seinen Terminkalender durchging. Die große Elektronik-Messe Tom's Workers fand übernächstes Wochenende statt. Und als Manager war es natürlich seine Pflicht, vom ersten bis zum letzten Moment dabei zu sein. De facto wäre er von Freitagmorgen bis Sonntagabend rund um die Uhr eingespannt. Eigentlich hatte Crocodile überhaupt kein Problem damit, am Wochenende zu arbeiten. Als er noch studierte, hatte er oft Jobs gehabt, die außerhalb des zeitlich üblichen Rahmens (montags bis freitags, neun bis siebzehn Uhr) stattfanden; in Kneipen und Casinos spielte sich das Hauptgeschehen nun eben einmal nicht wochentags ab. Ihm hatte es nie viel ausgemacht. Crocodile seufzte leise und warf einen verzweifelten Blick auf den rot markierten Termin in seinem Kalender. Doflamingo hatte noch immer überhaupt keine Ahnung davon, dass er längst nicht mehr bei der Bank, sondern bei Tom's Workers arbeitete. Wie sollte er seinem Verlobten bloß klarmachen, dass er ein ganzes Wochenende lang fort sein würde, ohne dass dieser Verdacht schöpfte? Immerhin war Doflamingo ein äußerst eifersüchtiger Mensch. Crocodile würde sich auf jeden Fall eine gute Ausrede einfallen lassen müssen; er brauchte ein wasserdichtes Alibi, damit sein Partner auf keinen Fall sein großes Geheimnis lüftete. Doch welche Lüge sollte er Doflamingo bloß auftischen? Bereits seit mehreren Stunden zermarterte Crocodile sich das Gehirn, doch bisher war ihm noch keine glaubwürdige Geschichte eingefallen. Zuerst hatte er daran gedacht, Doflamingo zu erzählen, dass beispielsweise sein Bruder krank geworden wäre und jemanden bräuchte, der sich um ihn kümmerte; doch diese Idee hatte er genauso rasch wieder verworfen, wie sie ihm eingefallen war. Sein Verlobter würde mit Sicherheit darauf bestehen, ihn zu begleiten, um ihn bei der Pflege zu unterstützen. Immerhin war Doflamingo ein außerordentlich fürsorglicher Mensch, wenn es um Personen ging, die er mochte und die ihm wichtig waren. Später war ihm der Gedanke gekommen, die Schwangerschaft seiner Schwester als Vorwand zu nehmen. Er könnte Doflamingo auftischen, dass Hancock ihn um Hilfe bei der Einrichtung des Babyzimmers gebeten hätte. Doch auch diesen Einfall verwarf Crocodile schnell wieder. Doflamingo interessierte sich sehr stark für alles, was mit der Schwangerschaft seiner zukünftigen Schwägerin zu tun hätte. Bestimmt würde er auch in diesem Fall unbedingt mitkommen wollen. Crocodile fiel es nicht schwer sich den strahlenden Gesichtsausdruck seines Verlobten vorzustellen, während er das Babybett aufbaute oder die Wände mädchenrosa strich. Die perfekte Übung für später, hörte er Doflamingo mit fröhlicher Stimme sagen. Immerhin wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis auch Wani und ich endlich ein Baby haben. Angesichts dieser Vorstellung schüttelte Crocodile sich. Alle Ausreden, die irgendetwas mit seinen Geschwistern zu tun hatten, waren schlecht, fand er. Auch wenn es ihm gelingen würde, Doflamingo zum Bleiben zu überreden, war die Gefahr aufzufliegen viel zu groß. Schließlich telefonierte Doflamingo inzwischen beinahe täglich mit Hancock und auch gelegentlich mit Mihawk. (Nicht, dass er sich schlechter mit Mihawk als mit Hancock verstand, doch bei Crocodiles Bruder handelte es sich einfach nicht um einen sonderlich kommunikativen Menschen.) Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis Doflamingo erfuhr, dass Mihawk nie krank gewesen war oder dass Hancock bei der Einrichtung des Babyzimmers überhaupt nicht um Unterstützung gebeten hatte. Welche Lüge sollte er seinem Verlobten bloß erzählen? Vielleicht könnte er das Wiedersehen mit einem alten Freund aus dem Studium vorschieben, dachte Crocodile sich. Im Kopf legte er sich bereits die richtigen Worte zurecht: Wir beide haben uns ewig nicht mehr gesehen, Doffy. Er hat zwei Jahre lang in Thailand gelebt. Und, nun ja, gestern rief er an und fragte mich, ob ich nicht mal ein Wochenende bei ihm verbringen möchte. Um zu reden uns mir seine Fotos aus Thailand anzusehen. Früher waren wir wirklich gut befreundet und... Crocodile rollte genervt mit den Augen und seufzte leise auf. Nie im Leben würde Doflamingo zulassen, dass sein Verlobter bei einem ihm völlig fremden Mann übernachtete. Dafür war er viel zu eifersüchtig. Und selbst wenn es Crocodile gelänge sich durchzusetzen, war er sich sicher, dass Doflamingo ihn alle paar Minuten mit Kontrollanrufen nerven würde. Und ständige Unterbrechungen bei der Arbeit durch seinen paranoiden Partner würde er nun wirklich nicht gebrauchen können. Doch so sehr Crocodile sich auch anstrengte: Ihm fiel einfach keine vernünftige Ausrede ein. Dabei fand die Messe doch schon übernächstes Wochenende statt! Die Zeit glitt ihm wie feiner Sand durch die Finger... Mit zur sorgenvollen Miene verzogenem Gesicht verließ Crocodile sein Lesezimmer und machte sich auf den Weg hinunter ins Erdgeschoss. Er vermutete, dass Doflamingo sich im Wohnzimmer aufhielt. Crocodile sollte recht behalten: Als er die Türe aufschob, konnte er sehen wie sein Verlobter mit seinem Handy am Ohr unruhig durch den Raum tigerte. Ausnahmsweise erweckte er keinen sonderlich fröhlichen Eindruck. „Schlechte Nachrichten?“, fragte Crocodile mit vorsichtiger Stimme, nachdem Doflamingo das Telefonat beendet hatte. „Ja und nein“, antwortete Doflamingo. Er ließ sich auf der Couch nieder und legte sein Handy auf dem Wohnzimmertisch ab. Crocodile setzte sich neben ihn. „Ich werde mich im Verlauf der übernächsten Woche mit Hogback treffen müssen. Ich weiß nicht, ob ich dir schon mal von ihm erzählt habe: Er vertritt die Pharmagesellschaft Thriller Bark. Ich hoffe, dass es mir gelingen wird ein paar gute Verträge für einige neu erschienene Medikamente abzuschließen.“ „Aber das klingt doch gut“, warf Crocodile ein, der nicht so recht verstand, wo nun das Problem lag. „Es handelt sich um eine große Chance“, gab Doflamingo zurück, „aber Hogback ist momentan nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen. Vor ein paar Wochen hatten wir bereits ein Treffen vereinbart, das ich allerdings kurzfristig habe platzen lassen.“ „Oh“, machte Crocodile und senkte den Blick. Unweigerlich überkamen ihn schlimme Gewissensbisse: Dass sein Verlobter den Termin mit Hogback nicht hatte wahrnehmen können, war seine Schuld gewesen. Nachdem Crocodile unerwarteterweise seiner Mutter begegnet war, hatte er sofort Doflamingo angerufen und diesen dazu gedrängt, nach Hause zu kommen. Dass Doflamingo ein wichtiges Geschäftsessen plante, hatte er zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht gewusst gehabt. „Trotzdem solltest du dir keine Sorgen machen“, versuchte er Doflamingo ein wenig aufzumuntern. „Immerhin würde bei diesem Deal auch Vorteile für Thriller Bark rausspringen, nicht wahr? Die Miracle-Sakura-Klinik gehört zu den renommiertesten Krankenhäusern des ganzen Landes. Ein Vertrag für neue Medikamente käme beiden Seiten zugute.“ „Hoffentlich denkt Hogback genauso“, murmelte Doflamingo. „Er möchte mit mir über ein Krebs-Medikament sprechen, das Thriller Bark neu auf den Markt gebracht hat. Wenn das Medikament hält, was es verspricht, könnte die Miracle-Sakura-Klinik damit eine Menge Geld verdienen. Wir wären das allererste Krankenhaus, das eine Behandlung mit diesem neuen Mittel anbietet. Weil es sich um eine solch wichtige Angelegenheit handelt, muss ich auch unbedingt persönlich mit Hogback sprechen und kann keinen Vertreter oder Assistenten zu diesem Treffen schicken.“ „Verständlich“, meinte Crocodile kopfnickend. Er zögerte für einen kurzen Augenblick, ehe er hinzufügte: „Ich habe im Moment dasselbe Problem. Übernächstes Wochenende findet die Elektronik-Messe Tom's Workers statt. Die Bank hat Interesse an einigen Geräten, die dort angeboten werden. Weil es um Hardware in Höhe von fast zwei Millionen Berry geht, will man für die Abwicklung der Geschäfte unbedingt eine hochrangige Person einsetzen. Und so wie es aussieht, werde wohl ich derjenige sein, der sein Wochenende auf dieser blöden Messe verbringen darf.“ „Du Armer“, sagte Doflamingo in einem mitleidig klingenden Tonfall.. „Gibt es denn keinen Anderen, der diesen Job übernehmen kann?“ „Eigentlich war Kizaru vorgesehen gewesen“, log Crocodile, „aber weil er seit einigen Wochen krank ist, muss ich einspringen. Die Bank setzt mich ziemlich oft als Ersatzmann ein. Ich weiß gar nicht, ob ich dir das schon einmal erzählt habe, aber für das Geschäftsessen, bei dem wir beide uns kennengelernt haben, war ich eigentlich auch gar nicht vorgesehen gewesen.“ „Wirklich nicht?“, hakte Doflamingo nach. „Ursprünglich sollte Aokiji Sengoku begleiten“, erklärte Crocodile seinem Verlobten. „Aber weil er sich am Tag zuvor das Bein gebrochen hatte, bin ich kurzfristig eingesprungen.“ „Es scheint Schicksal gewesen zu sein, dass wir beide uns getroffen haben“, gluckste Doflamingo. „Ich bin jedenfalls sehr froh, dass du damals mit dabei gewesen bist. Wer weiß, ob ich dich ansonsten jemals kennengelernt hätte.“ „Sengoku war nicht sonderlich glücklich über mich als Ersatz“, meinte Crocodile und konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. „Es hat ihn furchtbar genervt, dass du dich während des gesamten Gesprächs ausschließlich auf mich konzentriert hast und ihr gar nicht dazu gekommen seid, über den eigentlichen Grund für euer Treffen zu reden.“ „Wirklich?“, hakte Doflamingo nach und kicherte unverhohlen. „Ich habe Sengoku nie für einen eifersüchtigen Typen gehandelt.“ „Er hat sogar angefangen mir unter dem Tisch gegen das Schienbein zu treten“, verriet Crocodile seinem amüsiert wirkenden Verlobten. „Ich hatte zwei Wochen lang einen blauen Fleck. Und nach dem Abschluss des Gesprächs hat er mir vorgeworfen, dass ich dich die ganze Zeit über abgelenkt hätte. Er hat schrecklich wütend gewirkt.“ „Tut mir leid“, sagte Doflamingo und lehnte sich zu ihm hinüber, um ihn zu küssen. „Es ist nicht meine Absicht gewesen, dich in Schwierigkeiten zu bringen. Hätte ich gewusst, dass du hinterher Ärger bekommst, hätte ich versucht mich ein wenig zurückzuhalten.“ „Ach, das ist nun schon so lange her...“, meinte Crocodile und machte eine wegwerfende Handbwegung. „Wie auch immer... jedenfalls werde ich übernächstes Wochenende nicht darum herumkommen, meine Zeit auf der Tom's Workers-Messe zu verbringen. Ich hoffe, das macht dir nicht allzu viel aus, Doffy.“ „Natürlich fände ich es besser, wenn wir das Wochenende gemeinsam verbringen könnten“, erwiderte Doflamingo schulterzuckend, „aber anscheinend lässt sich diese Situation ja nicht ändern. Wir sollten versuchen das Beste daraus zu machen. Ich werde Hogback als Terminvorschlag übernächsten Freitag- oder Samstagabend nennen, damit sich das Geschäftsessen mit deiner Abwesenheit überschneidet. So verlieren wir wenigsten nicht noch einen weiteren gemeinsamen Abend.“ „Das ist eine gute Idee“, pflichtete Crocodile seinem Verlobten bei. Plötzlich fühlte er sich unwahrscheinlich erleichtert: Doflamingo schenkte seiner spontanen Ausrede offenbar Glauben. Besser könnte es kaum laufen, fand Crocodile. * Crocodile befand sich gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als er einen Anruf bekam. Er verstaute sein Handy immer in seiner rechten, vorderen Hosentasche und spürte die Vibration überdeutlich durch den Stoff hindurch. Vermutlich Doflamingo, dachte er sich, als er gerade in eine kleine Nebenstraße einbog, um einer Baustelle auszuweichen. Crocodile war spät dran; sein Feierabend hatte sich ein wenig nach hinten verschoben, weil Franky mit ihm noch einmal ganz ausführlich über die am Wochenende bevorstehende Messe gesprochen hatte. Heute war Montag. Alle Mitarbeiter standen in den Startlöchern und sein Chef wollte sichergehen, dass sich jeder seiner Verantwortung bewusst war. Die große Elektronik-Messe Tom's Workers sollte absolut reibungslos verlaufen. Sein Handy hörte einfach nicht auf zu vibrieren. Inzwischen müsste sein Display vier oder fünf verpasste Anrufe anzeigen. Crocodile zog genervt die Augenbrauen zusammen und suchte nach einer freien Parklücke am Straßenrand. In letzter Zeit war Doflamingo ständig überbesorgt: Er rief jedes Mal sofort an, wenn sein Partner sich auch nur um wenige Minuten verspätete. Seit zwei oder drei Wochen hatte er es sich sogar angewöhnt ihn gegen vierzehn Uhr nachmittags (seine übliche Pausenzeit) anzurufen, um ein wenig mit ihm zu quatschen und sicherzugehen, dass alles in Ordnung war. (Zum Glück stand Crocodile ein eigenes Büro ganz für sich allein zur Verfügung, sodass nicht die Gefahr bestand, dass Doflamingo durch irgendwelche Gespräche im Hintergrund von seinem neuen Arbeitsplatz erfuhr.) Leise seufzend stellte Crocodile den Motor ab und griff nach seinem Handy. Der Display zeigte sieben verpasste Anrufe und drei Textnachrichten an - allesamt von seinem Verlobten. Mit einem unguten Gefühl im Magen öffnete Crocodile die Nachrichten. Geh an dein handy! Sofort!!!, hieß es in der ersten Nachricht. Die beiden folgenden wirkten nicht weniger ungeduldig und unfreundlich: Wo bist du? Komm sofort nach hause!! und Wir müssen reden!!!!!. Crocodile schluckte. Was war denn bloß passiert? Mit unruhigen Fingern rief er die Zahlentastatur auf und drückte die Nummer 5 - die Kurzwahl, unter der Doflamingo gespeichert war. Sein Partner ging sofort ran. „Wo bist du, verdammt noch mal!?“, brüllte er ihm wütend entgegen. Seine Stimme klang so scharf wie ein frisch gewetztes Messer; von Freundlichkeit oder Liebe keine Spur. Nicht einmal begrüßt hatte er ihn. „Auf dem Nachhauseweg“, antwortete Crocodile und bemühte sich darum, Ruhe zu bewahren. Er verstand überhaupt gar nicht, wo das Problem lag. „Was ist denn los? Warum bist du so aufgewühlt?“ „Was los ist?“, wiederholte Doflamingo. „Wieso ich so aufgewühlt bin?“ Er sprach leise, doch schien sich kein Stück beruhigt zu haben. Ganz im Gegenteil: Nur selten hatte Crocodile seinen Partner dermaßen wütend und feindselig erlebt. Das letzte Mal hatte dieser ein solches Verhalten an den Tag gelegt, als er damals ohne anzuklopfen sein Büro betreten hatte und auf die halbnackte Tashigi gestoßen war. Obwohl dieses Geschehnis nun schon einige Monate zurücklag und sich am Ende alles als großes Missverständnis herausgestellt hatte, erinnerte Crocodile sich an die zornige Stimme seines Partners zurück als wäre es erst gestern gewesen. „Beautiful-relationships.com“, spie Doflamingo ihm entgegen. „Sagt dir diese Website irgendetwas, Crocodile?!“ „Beautiful... was? Wovon redest du bitteschön?“, gab Crocodile irritiert zurück. Noch immer begriff er nicht, was überhaupt los war. Jedenfalls konnte er sich nicht daran erinnern, irgendetwas getan zu haben, was einen Wutanfall seitens Doflamingo rechtfertigen könnte. „Beautiful-relationships.com“, wiederholte sein Verlobter. „Das ist eine Online-Single-Börse!“ „Ja und?“ Crocodile zuckte die Schultern, ohne sich bewusst zu sein, dass Doflamingo die Geste überhaupt nicht sehen konnte. „Was habe ich damit zu tun?“ „Du bist dort angemeldet! Wieso zur Hölle bist du bei einer verdammten Single-Börse angemeldet?! Willst du mich betrügen? Oder hast du mich vielleicht schon betrogen? Sag mir die Wahrheit!“ „Was?“, fragte Crocodile verdutzt nach. „Du erzählst totalen Blödsinn, Doflamingo! Ich bin bei überhaupt keiner Online-Single-Börse angemeldet! Weder bei Beautiful-was-weiß-ich-nicht-was noch bei sonst irgendeiner Website!“ „Du lügst.“ Die Stimme seines Verlobten war kaum mehr als ein zorniges Hauchen und trotzdem jagte sie Crocodile einen eiskalten Schauer über den Rücken. „Du hast ein Profil bei Beautiful-relationships.com! Pica hat sich dort angemeldet und ist darauf gestoßen! Er hat mir das Profil gezeigt!“ „Das muss ein Missverständnis sein.“ Crocodile bemühte sich darum, Ruhe zu bewahren. Er war sich keiner Schuld bewusst und bemühte sich darum selbstsicher und gelassen zu klingen. „Bist du dir sicher, dass ihr mich nicht einfach nur verwechselt habt?“ „Du bist auf dem Profilfoto zu sehen“, erwiderte sein Verlobter. „Es ist dasselbe Bild, das auch bei Hancock auf dem Regal im Wohnzimmer steht. Dein Geburtsdatum, dein Beruf, dein Leibgericht... Alle Daten stimmen!“ „Ich bin gleich Zuhause“, sagte Crocodile. „Lass uns das klären, wenn ich da bin, ja? Ich verspreche dir, es handelt sich bloß um ein Missverständnis. Das muss ein Fake-Account oder so etwas in der Art sein. Gib mir zehn Minuten, dann bin ich Zuhause.“ „Beeil dich!“, zischte Doflamingo ins Telefon und legte auf, ohne eine Verabschiedung hinzuzufügen. Crocodiles Hand zitterte, als er den Schlüssel umdrehte und den Motor startete. Er konnte sich Picas Fund überhaupt nicht erklären. Was hatte sein Foto in irgendeine Single-Börse im Internet verloren? Ganz abgesehen davon, dass er seinen Partner niemals betrügen würde: Crocodile hatte nie sonderlich viel Interesse an Online-Dating gezeigt. All seine früheren Bekanntschaft hatte er auf traditionelle Weise kennengelernt. Vielleicht will mir irgendjemand schaden, schoss es ihm durch den Kopf, als er in die Auffahrt der Villa einbog. Vielleicht hatte irgendjemand dieses Profil angelegt, um ihn und Doflamingo auseinanderzubringen? Doch wer würde so etwas tun? Und warum? Doflamingo wartete bereits auf ihn. Er erweckte alles andere als einen gelassenen Eindruck: Seine Arme hielt er vor dem Oberkörper verschränkt und seine Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst. So hatte Crocodile seinen Verlobten noch nie erlebt. Kaum war er aus dem Wagen ausgestiegen, packte ihn dieser unsanft am Arm und lotste ihn hinüber ins Wohnzimmer. Crocodile ließ sich diese unfreundliche Behandlung fürs Erste gefallen. Auf dem Couchtisch stand Doflamingos Laptop (oder eher: einer der vielen hochwertigen Laptops, die Doflaming besaß). Mit zusammengezogenen Augenbrauen näherte Crocodile sich dem Gerät und überflog die angezeigte Internetseite. Sein Partner hatte recht. Crocodile konnte es selbst kaum fassen, doch tatsächlich gab es bei der Online-Single-Börse Beautiful-relationships.com ein Profil von ihm. Das Foto stammte von Hancocks vorletzter Geburtstagsparty. Es zeigte ihn fröhlich lächelnd; er trug ein dunkelgrünes Hemd und hielt eine Weinglas in der Hand. „Wie gesagt“, zischte Doflamingo, „alle Angaben stimmen. Sogar Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Schafskäse sind als dein Leibgericht angegeben! Und deine Schuhgröße ist auch richtig! Jedes noch so kleine Detail passt perfekt! Wie kannst du mir das erklären, Crocodile?!“ „Gar nicht“, gab Crocodile zu. Er konnte seinen Blick nicht von der Internetseite abwenden. „Ich verstehe das nicht. Ich habe mich bei dieser Single-Börse nicht angemeldet. Ich habe mich überhaupt noch nie für Online-Dating oder so etwas interessiert!“ „Und wieso gibt es dann ein Profil von dir bei Beautiful-relationships.com?! Willst du mich eigentlich verarschen?!“ „Nein, das will ich nicht!“ Allmählich spürte Crocodile, dass auch in ihm Wut zu kochen begann. „Ich habe damit nichts zu tun, Doflamingo! Das verspreche ich dir!“ „Gib das Passwort ein.“ Plötzlich war die Stimme seines Partners wieder leiser geworden. Nicht ruhiger, bloß leiser. „Was?“ Crocodile wandte sich endlich vom Bildschirm ab und blickte stattdessen zu Doflamingo hinüber. „Das Passwort“, meinte dieser und deutete mit dem Zeigefinger auf die Tastatur des Laptops. „Gib das Passwort ein! Ich will sehen, mit wem du geschrieben hast! Ich will alle Nachrichten lesen!“ „Ich kenne das Passwort nicht!“, gab Crocodile zurück. Es ärgerte ihn, wie verzweifelt seine Stimme klang. Es war unfair, dass sein Verlobter wütend auf ihn war und ihn in die Enge trieb. Er hatte mit dieser Website überhaupt nichts zu tun! Was hier gerade passierte, war nicht seine Schuld! „Das muss ein Fake-Account sein“, beteuerte er und bemühte sich um einen ruhigen Tonfall. „Dieses Profil hat irgendjemand anders angelegt. Vielleicht jemand, der genau diese Situation provozieren wollte. Vielleicht versucht jemand uns auseinanderzubringen. Ich habe nichts damit zu tun, Doffy, das schwöre ich dir!“ „Daran habe ich auch schon gedacht“, gab sein Verlobter zu und biss sich auf die Unterlippe. „Gerade nach dieser Sache, die letztens mit Bonney gewesen ist... Aber die Angaben sind einfach viel zu genau, Crocodile! Woher sollte irgendeine Exfreundin oder ein Exfreund von mir wissen, was dein Lieblingsfilm ist? Was du am liebsten isst oder welche Musik du magst?“ „Ich weiß es nicht.“ Crocodile fuhr sich mit der Hand durchs Haar und legte die Stirn in Falten. „Ich weiß es wirklich nicht. Das einzige, was ich weiß, ist, dass ich damit nichts zu tun habe.“ Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er zaghaft fragte: „Gibt es irgendjemanden aus deinem Freundeskreis, der mich nicht mag?“ Doflamingo schüttelte den Kopf. „Sie mögen dich alle sehr gerne“, erklärte er. „Und selbst wenn sie es nicht täten - keiner von ihnen würde so eine Aktion starten. Von meinen Freunden ist das sicher niemand gewesen.“ „Es war auf jeden Fall jemand, der mich gut kennt...“ Crocodile war sich nicht sicher, ob er die Worte zu seinem Partner oder zu sich selbst sagte. „Aber wer würde so etwas tun?“ Doflamingo wirkte nicht sonderlich überzeugt. Und noch immer hatte er sich nicht beruhigt. „Hast du (abgesehen von Enel) noch weitere verrückte Exfreunde?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Bevor ich dich kennengelernt habe, bin ich drei Jahre lang single gewesen“, erklärte er. „Ich habe zu keinem meiner Exfreunde mehr Kontakt. Und soweit ich weiß sind sie auch alle längst über mich hinweg. Ich...“ Und plötzlich fiel es Crocodile wie Schuppen von den Augen. Sein Herz setzte für einen kurzen Moment aus und sein Atem blieb stehen. „Ich weiß es!“, rief er laut, als er wieder zu sich gefunden hatte. „Doflamingo, ich weiß, wer dahinter steckt!“ „Was? Wer?“ „Meine Schwester“, erklärte Crocodile. „Hancock hat dieses Profil für mich angelegt!“ „Hancock?“, hakte Doflamingo mit skeptischer Stimme nach. „Wieso sollte sie so etwas tun? Wir beide verstehen uns sehr gut. Sie hat überhaupt keinen Grund, um uns auseinanderbringen zu wollen!“ „Das hat sie auch gar nicht vorgehabt“, erwiderte Crocodile. Mit dem Zeigefinger deutete er auf die Adresse, die man bei Beautiful-relationships.com für ihn angegeben hatte. „Schau mal, das ist die Adresse meiner alten Wohnung. Und das Foto stammt von Hancocks vorletzten Geburtstag. Sie muss mich bei dieser Single-Börse angemeldet haben in der Hoffnung, dass ich endlich einen neuen Freund finde. Dieses Profil ist vor mindestens einem Jahr erstellt worden, vielleicht sogar vor eineinhalb Jahren.“ „Wenn du dir so sicher bist, dann ruf Hancock an!“, verlangte Doflamingo. „Ich möchte von ihr hören, dass sie für dieses Profil verantwortlich ist!“ „Ernsthaft?“ Diese Forderung verletzte Crocodile und er warf seinem Verlobten einen ungläubigen Blick zu. „Du glaubst mir nicht?“ „Ich möchte dir gerne glauben“, gab Doflamingo mit bitterer Stimme zurück. „Aber für mich wirft dieses Dating-Profil definitiv zu viele Fragen auf. Ich will endlich Gewissheit haben!“ „Na gut, von mir aus“ Obwohl Crocodile sich für unschuldig hielt, griff er nach seinem Handy. Er wollte diese Geschichte endlich aus der Welt schaffen - und um ehrlich zu sein, freute er sich jetzt schon auf die Entschuldigung, die sein Partner ihm schuldete, wenn dieser gezwungen war einzusehen, dass tatsächlich Hancock hinter dem Profil steckte. Seine Hand zitterte, als er seine Schwester über die Kurzwahltaste Nummer 2 anrief. Ungeduldig wartete er darauf, dass Hancock abnehmen würde. Leider tat sie ihm diesen Gefallen nicht. „Das kann doch nicht wahr sein!“, murmelte Crocodile wütend und startete einen zweiten Versuch. Auch wenn er sich keiner Schuld bewusst war, spürte Crocodile, dass ihm die momentane Situation ganz furchtbar an die Nieren ging. Es gefiel ihm nicht, dass sein Verlobter ihm Vorwürfe machte und ihn unfreundlich, ja praktisch schon feindselig behandelte. Wieso bloß konnte seine Schwester sich nicht einfach aus seinem Liebesleben heraushalten? Er hätte einen schönen und entspannten Abend mit Doflamingo verbringen können, wenn Hancock es geschafft hätte, auch nur ein Mindestmaß an Zurückhaltung zu beweisen. Endlich wurde am anderen Ende der Leitung abgenommen. „Hancock!“, blaffte Crocodile seine Schwester an und unternahm nicht einmal den Versuch den Zorn in seiner Stimme zu verbergen. „Crocodile?“, gab Hancock verwundert zurück. „Was ist los? Warum klingst du so gereizt?“ „Du hast mich heute in eine verdammt missliche Lage gebracht“, warf er ihr vor. Er sah nicht ein, wieso er um den heißen Brei herumreden sollte. Hancock hatte ihm diese Suppe eingebrockt, also sollte sie sie gefälligst auch wieder auslöffeln - und zwar am besten so schnell wie möglich! „Was?“ Hancock schien nicht zu begreifen, was los war. „Beautiful-relationships.com“, half Crocodile seiner Schwester auf die Sprünge. „Sagt dir diese Online-Single-Börse irgendetwas?“ Nun schien auch bei Hancock der Groschen gefallen zu sein. „Oh nein!“, meinte sie mit entsetzt klingender Stimme. Man konnte hören, wie sie die Hand vor den Mund schlug. „Oh ja!“, gab Crocodile gereizt zurück. „Ein Freund von Doflamingo ist heute auf das Profil gestoßen, das du für mich angelegt hast. Kannst du dir eigentlich vorstellen, was ich mir von ihm anhören musste, als ich heute von der Arbeit nach Hause gekommen bin?! Deinetwegen ist er total ausgerastet!“ „Es tut mir leid“, sagte Hancock sofort. „Verdammt, es tut mir wirklich, wirklich leid, Crocodile. Das wollte ich nie! Ich hoffe, dass ihr beide euch nicht wegen mir gestritten habt.“ „Gestritten ist ein schönes Wort für das Gespräch, das ich heute mit meinem Verlobten geführt habe!“, erwiderte Crocodile. „So wütend habe ich ihn selten erlebt! Wegen dir dachte er, dass ich ihn betrügen würde!“ „Es tut mir wirklich unendlich leid!“, beteuerte seine Schwester erneut. „Kann ich irgendetwas tun, um das in Ordnung zu bringen? Ist Doflamingo da? Kann ich mit ihm sprechen? Bestimmt beruhigt er sich wieder, wenn ich ihm die Situation erkläre.“ „Er hört mit“, antwortete Crocodile und seufte leise. Zum Glück hatte sich das Rätsel endlich aufgelöst. „Hast du das Passwort für die Website noch? Dann lösche ich dieses verdammte Profil sofort!“ „Einen Moment bitte.“ Hancock schien in irgendeiner Schublade herumzukramen, ehe sie verkündete: „Der Nutzername ist Sir Crocodile minus zweitausenddreizehn. Das Passwort ist Sweet Lemonade. Auseinander geschrieben. Beide Wörter mit großem Anfangsbuchstaben. Und bitte... du musst mir glauben: Es tut mir total leid, Crocodile! Ich wollte nie, dass du dich meinetwegen mit Doflamingo streitest. Ich hoffe, du bist nicht mehr sauer auf mich.“ „Wenigstens hat sich die Situation nun geklärt“, gab Crocodile reserviert zurück. Er war noch immer wütend, doch weil er spürte, dass seine Schwester ihre Entschuldigung ernst meinte, fügte er noch hinzu: „Ich rufe dich heute Abend noch mal an, ja?“ „Ja, in Ordnung. Hoffentlich verträgst du dich wieder mit Doflamingo. Es tut mir ehrlich leid.“ Unwirsch tippte Crocodile den Nutzernamen und das Passwort ein, welche er von Hancock erfahren hatte. Während er auf der Website nach einer Möglichkeit suchte, um das Profil zu löschen, meinte Doflamingo: „Klick mal auf deinen Posteingang.“ Crocodile glaubte sich verhört zu haben. Entsetzt blickte er zu seinem Partner hinüber. „Glaubst du mir etwa immer noch nicht?! Du hast Hancock doch selbst gehört! Sie war diejenige, die mich hier angemeldet hat! Ich habe damit nichts zu tun! Schau mal, hier oben rechts hast du sogar den endgültigen Beweis: Letzter Login: 9. Oktober 2013. Das ist fast zwei Jahre her!“ „Ich glaube dir“, sagte Doflamingo in einem versöhnlich klingenden Tonfall. Als Beweis, dass er seine Worte ernst meinte, streichelte er ihm sogar zärtlich über den Rücken. „Ich will bloß wissen, wie viele Leute dich angeschrieben haben.“ „Und warum?“, fragte Crocodile nach. Er interessierte sich kein Stück für die Nachrichten, die sich in seinem Posteingang befanden. Immerhin waren diese vermutlich größtenteils mehrere Jahre alt. Und außerdem hatte er nun ja auch einen festen Partner gefunden. „Ich bin nur neugierig“, gestand Doflamingo. „Ich frage mich, was für Nachrichten du bekommen hast.“ „Wenn es dich glücklich macht...“ Leise seufzend klickte Crocodile auf den Posteingang. Zugegeben: Mit sage und schreibe 224 eingegangene Nachrichten hätte er nun wirklich nicht gerechnet. „Das sind ja nicht mal alles Männer“, stellte Crocodile irritiert fest, als er sich die Absender genauer ansah. „Aber Hancock hat doch sicher in mein Profil geschrieben, dass ich homosexuell bin. Total seltsam...“ „Klick mal auf ein paar der Nachrichten“, bat Doflamingo. Crocodile wusste selbst nicht genau wieso, doch er tat seinem Verlobten diesen Gefallen. „Hey Babe, du hast ein süßes Lächeln“, las dieser laut vor. „Lust dich zu treffen?“ Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, brach Doflamingo sofort in lautes Gelächter aus. „Was für ein Idiot“, meinte er grinsend und betrachtete das Profilbild genauer. Es zeigte einen dunkelhaarigen Mann Ende dreißig; sein Haar lichtete sich bereits. „Als hätte so ein Wicht je eine Chance bei dir!“ „Wieso ist er ein Wicht?“, hakte Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen nach. Das sich lichtende Haar traf definitiv nicht seinen Geschmack, doch ansonsten erweckte der Mann einen recht sympathischen Eindruck. „Sieh ihn dir doch an!“, gab Doflamingo energisch zurück. „Der Typ hat kaum noch Haare! Und total schlechte Zähne! Außerdem ist er viel, viel zu alt für dich!“ „Er ist gar nicht so viel älter als ich“, warf Crocodile ein. „Du vergisst immer, dass wir beide fünf Jahre auseinander sind.“ „Du siehst aber auch nicht aus wie Mitte dreißig“, erwiderte Doflamingo. „Als ich dich das erste Mal gesehen habe, habe ich dich auf mein Alter geschätzt. Allerhöchstens vielleicht ein Jahr älter, aber auf keinen Fall mehr. Ich bin total überrascht gewesen, als ich herausgefunden habe, dass du mir schon fünf Jahre voraus bist.“ „Du versuchst jetzt bloß Komplimente zu verstreuen, um deinen Wutanfall wiedergutzumachen, du Charmeur!“, warf Crocodile seinem Partner vor. Er war sich durchaus dessen bewusst, dass er nicht aussah wie Anfang dreißig. (Das machte ihm allerdings auch nicht viel aus. In seiner Branche wurde Leuten, die jung aussahen und noch ganz grün hinter den Ohren waren, nur wenig zugetraut.) „Klick mal auf die Nachricht einer Frau“, wechselte Doflamingo rasch das Thema. „Ich verstehe immer noch nicht, wieso Frauen einem Homosexuellen auf einer Dating-Plattform schreiben“, meinte Crocodile schulterzuckend, doch tat erneut wie ihm geheißen. „Simple Antwort: Dreier“, gab sein Verlobter gelassen zurück. „Und.... ich hatte recht!“ Er beugte sich ein Stückchen nach vorne, um den Text besser erkennen zu können, und las dann vor: „Hey Süßer, Bock auf einen Dreier? Mein Freund (achtundzwanzig/einsachtzig/zweiundneunzig) möchte gerne mal ausprobieren, wie es mit einem anderen Mann ist. Bedingung ist, dass er oben sein darf. Dafür darfst du mich danach ficken, wenn du willst. Treffen bei dir oder bei uns in der Wohnung. Fotos von uns folgen. Los, scroll mal nach unten, Croco! Die haben wirklich Fotos von sich geschickt!“ „Ich glaube nicht, dass ich diese Fotos sehen will“, gab Crocodile trocken zurück. „Außerdem scheint dieses Paar einen IQ von ungefähr dreißig zu haben - zusammengerechnet! Dafür darfst du mich danach ficken, wenn du willst. Welchen Teil von homosexuell haben diese beiden Idioten denn nicht verstanden?“ „Wahrscheinlich sind sie bisexuell und es fällt ihnen schwer nachzuvollziehen, dass sich jemand nur für ein Geschlecht interessieren kann“, meinte Doflamingo schulterzuckend. „Mir geht es da nicht anders, um ehrlich zu sein. Der Gedanke, ein Geschlecht für immer auszuklammern, ist ziemlich befremdlich.“ „Gewöhn dich schon mal dran“, erklärte Crocodile und warf seinem Verlobten einen bösen Blick zu. Er hatte nun endgültig genug und verließ den Posteingang, um sich stattdessen um die Löschung des Profils zu kümmern. „So war das nicht gemeint!“, warf Doflamingo rasch ein. „Ich hätte dir keinen Heiratsantrag gemacht, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass du -und zwar nur du allein- der Richtige für mich bist. Aber im Gegensatz zu dir bin ich nun einmal bisexuell. Das lässt sich nicht ändern. Frauen verwandeln sich nicht plötzlich in neutrale Wesen, bloß weil ich verlobt bin. Und, nun ja, es ist eben ein komischer Gedanke, dass Frauen für dich immer neutrale Wesen sind. Ich denke, man kann eine andere Sexualität immer bloß nachvollziehen, aber niemals verstehen. Denn wenn man sie wirklich verstünde, dann würde man ihr selbst angehören. “ „Für mich sind Frauen nicht neutral!“, erwiderte Crocodile. „Ich, ähm, ich kann zum Beispiel einschätzen, ob eine Frau attraktiv ist oder nicht. Aber das bedeutet für mich einfach nichts. Frauen sind in meinen Augen nicht neutral, sondern bloß, nun ja, uninteressant. So wie es beispielsweise Kinder für dich sind: Du kannst einschätzen, ob ein Kind hübsch ist oder nicht, doch im Endeffekt spielt es überhaupt keine Rolle. Aber du hast recht: Es ist schwierig zu verstehen, wenn man nicht dieselbe Sexualität hat. Und auch schwierig zu erklären.“ „Hast du jemals eine Frau geküsst?“, wollte Doflamingo mit neugierig klingender Stimme wissen. Crocodile schüttelte den Kopf. Er hatte endlich den richtigen Button gefunden, um sein Profil auf Beautiful-relationships.com zu löschen, und klickte ihn rasch an. Erleichterung überkam ihn, als eine Meldung erschien, die besagte, dass sein Nutzerprofil nicht länger existierte. „Nie?“, hakte Doflamingo verwundert nach. „Auch nicht im Teenageralter?“ „Einmal, als ich fünfzehn war“, gestand Crocodile, während er den Laptop zuklappte. „Beim Flaschendrehen musste ich eine Klassenkameradin küssen. Aber danach nie wieder. Frauen reizen mich einfach nicht. Ich fühle mich nicht zu ihnen hingezogen." „Wie hat es sich angefühlt?“, hakte Doflamingo nach. „Als würde ich einen Fisch küssen“, gab Crocodile zu. Es überraschte ihn nicht, als sein Verlobter angesichts dieser Beschreibung in schallendes Gelächter ausbrach. * Crocodile fühlte sich wohl. Er hatte gerade eben ein langes Bad genommen und stand nun vor dem Spiegel, um sich seine Haare zu kämmen. Es überraschte ihn, wie lang sie geworden waren. Schon als Kind hatte er sein Haar nie kurz getragen, doch inzwischen reichte es ihm bis fast zu den Schultern. Unwirsch versuchte Crocodile sich an seinen letzten Friseurbesuch zu erinnern: Er musste mindestens schon ein halbes Jahr zurückliegen. Crocodile legte die Bürste zur Seite und fuhr sich stattdessen mit den Fingern durch die nassen Haarsträhnen. Der Friseur, den er nun schon seit etwa vier Jahren regelmäßig besuchte, nahm 120 Berry pro Herrenhaarschnitt. Angesichts seiner momentanen finanziellen Lage sollte er sich allerdings lieber nach einem ein wenig preisgünstigeren Friseur umschauen. Heute war Mittwoch. Am besten ließ er sich morgen nach der Arbeit die Haare schneiden. Crocodile legte großen Wert darauf, bei der am Wochenende stattfindenden Messe einen guten Eindruck zu hinterlassen. Es handelte sich um seine große Bewährungsprobe - nur wenn alles glatt lief, hatte er die Chance auf eine Festanstellung bei Tom's Workers. Vollständig angekleidet, doch noch immer mit leicht feuchtem Haar durchstreifte Crocodile die Villa. Er suchte seinen Partner; normalerweise hielt dieser sich entweder im Wohnzimmer oder draußen auf der Terrasse auf, doch im Augenblick war er einfach nicht zu finden. Nach fünf Minuten gab Crocodile die Suche auf und fragte ein Mädchen, das gerade im Foyer die Gemälde abstaubte, ob es seinen Verlobten gesehen hätte. Es erklärte ihm freundlich, dass dieser sich im Bastelzimmer befand. Es dauerte einige Sekunden, bis Crocodile begriff, dass es sich um den Raum handelte, in dem Doflamingo und er damals die Fotoalben erstellt hatten. (Nun endlich wusste er auch, wie das kleine, helle Zimmer hieß und welchem Zweck es diente.) Doflamingo saß im Schneidersitz auf einem der gepolsterten Stühle und blätterte gedankenverloren durch ein dickes Fotoalbum, das in seinem Schoß lag. Er schreckte auf, als sein Partner das Zimmer betrat. „Entschuldigung“, sagte Crocodile sofort. Ihn überkam das unangenehme Gefühl, Doflamingo bei irgendetwas gestört zu haben. „Möchtest du lieber allein sein?“ „Nein...“ Doflamingo fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Nein, ist schon gut.“ „Ist alles in Ordnung?“, hakte Crocodile nach. Es war seltsam, seinen Verlobten so ruhig und ernst zu erleben. Normalerweise zierte immer ein freches Grinsen dessen Lippen. „Mir geht's gut“, antwortete Doflamingo. „Ich habe mir nur ein paar alte Fotos angeschaut.“ „Was denn für Fotos, wenn ich fragen darf?“, meinte Crocodile. Er kam näher, doch verzichtete bewusst darauf, sich hinzusetzen. Crocodile war kein Idiot: Er spürte überdeutlich, dass irgendetwas nicht stimmte und wollte Doflamingo nicht bedrängen. Zu seiner Überraschung jedoch griff dieser nach seinem Unterarm (der Griff war nicht schmerzhaft, aber ungewohnt fest) und bedeutete ihm, sich auf den freien Stuhl neben ihn niederzulassen. Crocodile tat wie ihm geheißen und linste so unauffällig wie möglich in das Album hinein, das noch immer in Doflamingos Schoß lag. Sein Blick fiel auf ein Hochzeitsfoto: Ein großer Mann mit Schnurrbart und eine hübsche, dunkelblonde Frau standen vor der pompösen Flügeltüre eines alten Schlosses. Beide lächelten und wirkten sehr verliebt. Die Braut trug ein weißes Kleid, das vor allem durch seine schlichte Eleganz auffiel, und hielt einen aus rosafarbenen Rosen bestehenden Brautstrauß in den Händen. „Das sind meine Eltern“, erklärte Doflamingo ihm. Die Stimme seines Verlobten klang so bitter, dass sich unweigerlich ein unangenehmes Gefühl in Crocodiles Magengegend ausbreitete. Er wusste nicht, was er auf Doflamingos Worte erwidern sollte. Was sagte man, wenn man ein Foto von Menschen sah, die bereits seit vielen Jahren tot waren? „Ich hätte sie gerne kennengelernt“, meinte Crocodile schließlich und bemühte sich um einen gefasst klingenden Tonfall. „Sie sehen sehr freundlich aus.“ „Meine Mutter war ein unglaublich lieber Mensch“, erwiderte Doflamingo mit schwacher Stimme. Noch immer hielt er den Unterarm seines Partners fest. Allmählich begann der Griff zu schmerzen, doch Crocodile zwang sich dazu, sich diesen Umstand nicht anmerken zu lassen. „Jeden Abend hat sie Corazon und mir eine Geschichte erzählt oder ein Lied vorgesungen. Mein Vater hat sich immer darum bemüht, mich zu einem anständigen Menschen zu erziehen. Er wollte nicht, dass ich arrogant und oberflächlich werde. Er hat mir vermittelt, dass nicht das Geld, sondern die Menschen, die man liebt, am allerwichtigsten sind.“ „Sie haben einen wundervollen Menschen aus dir gemacht“, erwiderte Crocodile und blickte erneut hinab auf das Fotoalbum. Er nahm sich die Freiheit umzublättern. Auf den nächsten Seiten befanden sich weitere Hochzeitsfotos: Es gab Bilder von der Torte (sie sah so traumhaft aus, dass Crocodile sich nicht sicher war, ob selbst seine talentierte Schwester Hancock ein solches Meisterwerk zustande bringen könnte), vom Paar beim Hochzeitstanz und von der fröhlichen Hochzeitsfeier. Doflamingos Eltern erweckten einen unwahrscheinlich glücklichen Eindruck. Auf nahezu jedem Foto waren beide lächelnd abgebildet. Vor allen Dingen ein ganz bestimmtes Bild blieb Crocodile im Gedächtnis: Das Brautpaar hatte sich für einen Moment in den hübschen Schlossgarten zurückgezogen. Die beiden hielten sich an den Händen; der Bräutigam flüsterte der Braut ein paar Worte ins Ohr, woraufhin diese glückselig lächelte, aber auch ein klein wenig errötete. Das Foto wirkte nicht gestellt, sondern schien einen ganz privaten Moment zwischen Doflamingos Vater und Mutter festzuhalten. „Hast du deinen Vater jemals gefragt, was er damals zu ihr gesagt hat?“, wollte Crocodile wissen. Er war nicht gerade ein romantisch veranlagter Mensch, doch er musste zugeben, dass ihm das Bild wirklich außerordentlich gut gefiel. Es drückte eine Leichtigkeit aus, die ihm in seinem Leben momentan fehlte und nach der er sich sehr stark sehnte. „Er hat ihr gesagt, dass sie die wunderschönste Frau ist, die er jemals gesehen hat“, antwortete Doflamingo. Seine Stimme klang nun wieder ein bisschen gefasster und sogar ein leichtes Grinsen war auf seine Lippen zurückgekehrt. Es erleichterte Crocodile, dass es seinem Verlobten allmählich wieder besser zu gehen schien. „Wie kitschig“, meinte Crocodile schmunzelnd. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Meine kitschige Ader habe ich definitiv von ihm“, erwiderte er gelassen. „Aber ich kann es meinem Vater nicht verübeln: Meine Mutter sieht so unfassbar glücklich und fröhlich aus auf diesen Fotos. Er hat ihr Hochzeitskleid zum ersten Mal bei der Trauung gesehen, musst du wissen. Später hat er oft zu mir gesagt, dass es der schönste Moment seines Lebens war: Wie meine Mutter in ihrem weißen Kleid durch den Saal auf ihn zukam.“ „Das kann ich mir gut vorstellen“, warf Crocodile ein. „Sag mal, Doffy, weißt du eigentlich, wo das Schloss liegt, in dem deine Eltern geheiratet haben?“ Sein Verlobter nickte. „In Küstennähe. Von unserem Strandhaus aus fährt man mit dem Auto etwa zwei Stunden dorthin“, erklärte er. „Es handelt sich um ein sehr kleines Schloss. Fast schon ein Schlösschen, könnte man sagen. Genauso wie wir beide, Crocodile, haben meine Eltern sich eine kleine, private Feier gewünscht. Sie haben sich unterschiedliche Locations angeschaut und sich sofort in diesen Ort verliebt, haben sie mir später mal erzählt. Das Schloss ist sehr alt und liegt ziemlich abgelegen. Die nächste Ortschaft ist ein kleines Dorf am Meer.“ „Ich finde das Schloss auch sehr schön“, gestand Crocodile. Relativ gedankenverloren blätterte er weiter durch das dicke Album. Inzwischen war er bei einer Reihe von Fotos angelangt, die Doflamingos Eltern im Urlaub zeigten. „Vielleicht könnten auch wir beide dort unsere Hochzeit feiern.“ Kaum hatte Crocodile zu Ende gesprochen, schlug die Stimmung plötzlich um. Seine Worte schienen Doflamingo die Sprache verschlagen zu haben: Mit geöffnetem Mund, doch ohne irgendeinen Laut von sich zu geben, sowie mit weit nach oben gezogenen Augenbrauen blickte sein Verlobter ihn an. Man hätte eine Stecknadel auf den Boden fallen hören können. Crocodile schluckte unangenehm berührt und wandte seinen Blick wieder dem Fotoalbum zu. Er hatte nicht beabsichtigt, eine solch entsetzte Reaktion zu provozieren. Um ehrlich zu sein, hatte er über seine Worte eigentlich überhaupt gar nicht nachgedacht. Sie waren einfach bloß so dahingesagt gewesen. Was sollte er nun tun? Sich bei Doflamingo entschuldigen? Sein Verlobter nahm ihm die Entscheidung ab. „Oh, Crocodile“, hauchte er mit schwacher Stimme und wischte sich mit den Handrücken über den Mund, „das wäre wundervoll!“ Und ehe Crocodile sich versah, hatte Doflamingo ihn in die Arme geschlossen und schnürte ihm die Sauerstoffzufuhr ab. Als er sich wieder von ihm gelöst hatte, fragte er in einem beinahe schon besorgt klingenden Tonfall: „Aber diesen Vorschlag hast du nicht bloß wegen mir gemacht, oder? Gefällt dir das Schloss wirklich so gut? Mir ist es wichtig, dass wir beide mit der Location für unsere Hochzeit einverstanden sind!“ „Mach dir darum keine Sorgen“, erwiderte Crocodile und widerstand der Versuchung, über seinen schmerzenden Brustkorb zu streichen. „Ich finde das Schloss wunderschön. Außerdem scheint es sich um einen perfekten Ort zu handeln für die Art von Hochzeit, die wir feiern wollen: klein, privat, einfach so weit weg von der Öffentlichkeit wie möglich.“ Doflamingo nickte eifrig. „Es würde wirklich sehr gut zu uns passen“, meinte er. „Wenn du möchtest, können wir gleich übernächstes Wochenende dort vorbeischauen. Dann kannst du dir das Schloss ganz in Ruhe ansehen und entscheiden, ob es dir wirklich zusagt oder nicht.“ Er hielt für einen Moment inne, ehe er mit leiser Stimme und gesenktem Blick hinzufügte: „In dem Schloss zu heiraten, in dem auch meine Eltern den Bund der Ehe geschlossen haben... Das wäre wirklich unfassbar schön...“ „Ich bin mir sicher, dass es mir gefallen wird“, versicherte Crocodile seinem Partner. Und in Gedanken fügte er noch hinzu: Vor allen Dingen, weil dieses kleine, abgelegene Schlösschen mit Sicherheit die günstigste Lösung ist. Noch gut erinnerte Crocodile sich daran, wie Monet vorgeschlagen hatte, dass sie beide doch in Paris heiraten könnten. Oder auf einer Yacht. Nein, da handelte es sich bei dieser Location definitiv um eine deutlich preisgünstigere Alternative. Crocodile sah in diesem kleinen Schloss eine Art Win-Win-Situation: Er konnte die Kosten für ihre Hochzeitsfeier ein wenig nach unten drücken und Doflamingo war glücklich, weil er emotional sehr viel mit diesem Ort verband. Dadurch, dass die Wahl auf ausgerechnet diese Location gefallen war, trug niemand einen Schaden davon oder war im Nachteil. Und außerdem, dachte Crocodile, als er ein Foto betrachtete, auf dem Doflamingos Mutter mit einem runden Babybauch zu sehen war, scheint es sich wirklich um ein sehr hübsches Schloss zu handeln. Gemeinsam blätterten sie noch eine ganze Weile durch das alte Fotoalbum. Auf einer Seite weiter hinten im Buch war ein kleines, blondes Bündel zu sehen; dem zerknitterten Gesicht nach zu urteilen war das Baby zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht lange auf der Welt. „Bist du das?“, fragte Crocodile erstaunt nach. Es war das erste Mal, dass er ein Kinderfoto von Doflamingo sah. Sein Verlobter nickte. „Das bin ich“, bestätigte er. Mit flinken Fingern blätterte er um und deutete auf eines der Fotos, das sich auf der nächsten Seite befand: „Und das ist Corazon.“ Baby Corazon unterschied sich augenscheinlich nicht sonderlich stark von seinem Bruder. Um ehrlich zu sein, war der einzige Unterschied, der Crocodile auffiel, die Augenfarbe: Corazon war mit blauen Augen auf die Welt gekommen, wohingegen Doflamingo grüne Augen hatte. Ansonsten schienen ihm die beiden Neugeborenen, die auf den Aufnahmen zu sehen waren, so gut wie identisch zu sein. „Du warst sehr süß“, log er, als Doflamingo ihm weitere Babyfotos von sich und seinem Bruder zeigte. (Auch wenn Crocodile sich zugegebenermaßen nicht sonderlich gut mit kleinen Kindern auskannte, hielt er es doch für klüger, für sich zu behalten, dass die beiden Säuglinge auf den meisten Bildern wie verschrumpelte Kartoffeln mit einem dünnen Pflaum Haar aussahen. Er hatte nie so wirklich nachvollziehen können, warum die meisten Menschen Babies für niedlich hielten.) „Warst?“, wiederholte Doflamingo gespielt beleidigt und schob seine Unterlippe nach vorne. „Findest du mich jetzt etwa nicht mehr süß?“ „Doch, natürlich, du Riesenbaby“, erwiderte Crocodile und konnte ein amüsiertes Grinsen nicht unterdrücken. Er beugte sich zu seinem Partner hinüber und küsste diesen zärtlich auf die Lippen, während Doflamingo seine beiden Arme um ihn legte. * Seinen neuen Friseur suchte sich Crocodile mit Bedacht aus. Er legte großen Wert darauf, dass der Salon weder in der Nähe seines Zuhauses noch seines Arbeitsplatzes lag, denn er wollte vermeiden, von Bekannten dort gesehen zu werden und sich auf diese Weise zu blamieren. Sir Crocodile, neureicher Bankmanager, Verlobter des Millionärs Donquixote Doflamingo hatte einen Ruf zu verlieren, wenn irgendjemand herausfand, dass er einen preisgünstigen Friseursalon aufsuchte anstelle eines Luxus-Hairstylisten, der selbst fürs Spitzenschneiden einen dreistelligen Geldbetrag forderte. Doch trotz seines kleinen Budgets war Crocodile ein recht eitler Mensch: Natürlich legte er es nicht darauf an, sich sein Haar von einem billigen Friseur verhunzen lassen, der nichts von seinem Handwerk verstand. (Vor allen Dingen angesichts der Tatsache, dass morgen endlich die große Elektronikmesse Tom's Workers stattfinden würde, war es von äußerster Wichtigkeit, dass er einen gepflegten Eindruck erweckte.) Es kam darauf an, ein gutes Mittelmaß zu finden. Während seiner Mittagspause suchte Crocodile im Internet nach einem passenden Friseursalon. Auf Anhieb gefiel ihm Inazuma's Haarpalast; von seiner Arbeit aus war der Salon mit dem Auto in etwa zwanzig Minuten zu erreichen. Für die Leistung, die er sich wünschte (ein Stück kürzer schneiden und Spliss verschwinden lassen), wurden 30 Berry fällig. Diesen Preis fand Crocodile fair. Er rief im Friseursalon an und vereinbarte einen Termin für den Nachmittag. Obwohl Inazumas Haarpalast über einen kleinen Kundenparkplatz verfügte, stellte Crocodile sein Auto zwei Straßen weiter ab. Sein Mercedes C 216 Coupe kostete neu ungefähr 100.000 Berry und passte daher nicht so recht zu den familienfreundlichen Mittelklasse-Wagen, deren Besitzer sich im Moment die Haare schneiden ließen. Und Aufmerksamkeit zu erregen, war das Letzte, was Crocodile wollte. Seit seinem Autounfall waren ungefähr sechs Wochen vergangen. Vor drei Tagen war Crocodiles heiß geliebter Mercedes aus der Werkstatt zurückgekehrt. Die rechte Wagentüre war komplett ausgetauscht und alle Beulen und Kratzer fachmännisch entfernt worden, sodass er inzwischen wieder aussah wie neu. Crocodile freute sich sehr darüber, endlich wieder über einen eigenes Auto zu verfügen, auch wenn er seinem Verlobten natürlich dankbar dafür war, dass er in der Zwischenzeit dessen zahlreiche Luxuskarossen hatte mitbenutzen dürfen (meistens war er einen dunkelgrünen Porsche 911 GT3 gefahren). Crocodile schickte eine kurze Nachricht (komme ca 1 h später nach hause, bin beim friseur) an Doflamingo, verstaute sein Handy im Handschuhfach und machte sich anschließend auf den Weg zu Inazumas Haarpalast. Eine dreiviertel Stunde später und um 35 Berry leichter (fünf Berry hatte er Trinkgeld gegeben) verließ Crocodile den Friseursalon wieder. Ihm gefiel das Ergebnis unwahrscheinlich gut: Sein Haar war nun etwa fünf Zentimeter kürzer und frei von Spliss. Auch der zur Seite geschobene Pony, den Inazuma ihm empfohlen hatte, stand ihm wirklich gut. Um ehrlich zu sein, war Crocodile nicht davon ausgegangen, dass ein einziger Friseurbesuch eine solch große Wirkung auf sein Wohlbefinden haben könnte, doch er fühlte sich tatsächlich deutlich besser als vorher. Viel jünger und energiegeladener. Seine gute Laune hielt nicht lange an. Kaum hatte Crocodile sein Handy aus dem Handschuhfach hervorgeholt, rutschte ihm das Herz in die Hose: Der Display zeigte ihm drei verpasste Anrufe und zwei Textnachrichten von Doflamingo an. Crocodile kam es vor wie ein Deja-vu. Hatte Hancock ihn etwa bei noch weiteren Online-Single-Börsen angemeldet? Die Nachrichten lauteten wo bleibst du? Du hast schon seit 1 h feierabend. Das essen wird kalt! und bitte melde dich! Ich mache mir sorgen!. Erleichtert atmete Crocodile auf. Zum Glück schien sein Partner nicht wütend oder aufgebraucht, sondern nur besorgt zu sein. Einen Augenblick später wurde ihm auch klar, wieso: Seine eigene Textnachricht war nicht zugestellt worden. Doflamingo wusste also nicht, wieso er sich verspätete, und machte sich daher Sorgen um ihn. Crocodile rief seinen Verlobten über die Kurzwahltaste Nummer 5 an. Er ging gleich nach dem zweiten Klingeln ran. „Crocodile“, begrüßte er ihn mit teils besorgt, teils verärgert klingender Stimme, „wo bleibst du? Ich versuche schon seit einer halben Stunde zu erreichen! Warum gehst du nicht an dein Handy?“ „Tut mir leid“, erwiderte Crocodile, „ich war nach der Arbeit noch beim Friseur. Ich habe dir auch eine Nachricht geschrieben, aber irgendwie ist die wohl nicht zugestellt worden. Ich bin in einer halben Stunde Zuhause, in Ordnung?“ „In Ordnung“, meinte Doflamingo und Crocodile sah vor seinem geistigen Auge, wie sein Verlobter sich mit der Hand genervt durch sein kurzes, blondes Haar fuhr. „Dann bis gleich. Und fahr vorsichtig!“ „Bis gleich“, gab Crocodile zurück und legte auf. Das schlechte Gewissen lag ihm im Nacken, während er ausparkte und sich auf den Heimweg machte. Ich hätte sichergehen sollen, dass die Nachricht auch wirklich versendet worden ist, dachte Crocodile schuldbewusst. Ehrlich gesagt konnte er Doflamingo seine Sorge nicht verübeln: Er selbst würde vermutlich nicht anders reagieren, wenn sein Partner nicht nach Hause kam und auch übers Handy nicht zu erreichen war. Zwar war es bei keinem von ihnen unüblich, die eine oder andere Überstunde zu machen, doch sie hatten es sich angewöhnt, in diesem Fall dem jeweils Anderen Bescheid zu geben. Um Doflamingo eine Freude zu machen, hielt Crocodile unterwegs bei einem kleinen Blumenladen an und besorgte für seinen Verlobten einen Strauß Rosen, für den er knapp fünfzehn Berry bezahlte. Der Blumenstrauß auf dem Beifahrersitz beruhigte Crocodiles Gewissen ein klein wenig. Doflamingo erwartete ihn im Foyer. „Da bist du ja endlich!“, rief er halb erleichtert, halb vorwurfsvoll und kam auf Crocodile zugelaufen. Er umarmte ihn - und ließ nur den Bruchteil einer Sekunde später überrascht und vor Schmerz aufschreiend wieder von ihm ab. „Vorsicht!“, meinte Crocodile und holte den Strauß Rosen hervor, den er hinter seinem Rücken versteckt hatte. „Tut mir leid. Hast du dir sehr wehgetan?“ „Es geht schon“, erwiderte sein Verlobter und schüttelte den Kopf. Er entfernte zwei Dornen aus seinem Unterarm und nahm anschließend den Blumenstrauß entgegen. Trotz des kleinen Unfalls von eben schien Doflamingo sich über die Geste zu freuen. „Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst“, sagte Crocodile mit schuldbewusster Miene. „Ich habe mein Handy im Auto gelassen, während ich beim Friseur war, und habe deine Anrufe gar nicht mitbekommen. Und dass meine Nachricht nicht zugestellt worden ist, habe ich auch nicht rechtzeitig gesehen.“ Es schien Doflamingo zu besänftigen, als er ihm auf seinem Handy die Textnachricht zeigte, die mit dem Zusatz nicht gesendet versehen war. „Ist schon gut“, meinte er in einem freundlich klingenden Tonfall und machte eine wegwerfende Handbewegung. „War ja offensichtlich bloß ein blödes Missverständnis.“ Crocodile nickte. „Hast du schon ohne mich gegessen?“, fragte er. (Inzwischen legte er wieder ein relativ normales Essverhalten an den Tag und aß üblicherweise gemeinsam mit Doflamingo zu Abend, wenn er von der Arbeit nach Hause kam.) „Natürlich nicht“, antwortete Doflamingo. Ein verschmitztes Grinsen stahl sich auf seine Lippen. „Da heute unser letzter gemeinsamer Abend ist, habe ich nämlich eine kleine Überraschung für dich vorbereitet!“ „Letzter gemeinsamer Abend?“, wiederholte Crocodile mit verdatterter Stimme, ehe ihm einfiel, dass er sich morgen früh auf den Weg zur großen Messe machen musste. „Wir sind nur für ein einziges Wochenende getrennt, Doflamingo! Früher haben wir uns doch auch nicht jeden Tag gesehen!“ „Ich weiß“, erwiderte sein Verlobter und nahm ihn bei der Hand. „Und das hat mich damals schon sehr gestört. Ich finde es toll, dass wir beide uns inzwischen täglich sehen können und bereue unseren Zusammenzug kein Stück!“ „Ich auch nicht“, gab Crocodile zu. „Aber trotzdem wäre eine Überraschung nicht nötig gewesen! Immerhin habe ich doch gar nichts im Gegenzug für dich besorgt!“ „Du hast mir den Blumenstrauß mitgebracht“, berichtigte Doflamingo ihn, während dieser ihn hinüber zur Terrasse lotste. (An warmen Tagen aßen sie gelegentlich im Freien zu Abend.) „Außerdem handelt es sich wirklich nur um eine Kleinigkeit, versprochen!“ Nichtsdestotrotz stockte Crocodile der Atem, als er nach draußen auf die Terrasse trat: Im fahlen Licht der Abenddämmerung glitzerte der Feuerschein von Dutzenden weißen Kerzen und auf dem Tischtuch waren rosafarbene Rosenblätter verstreut worden. In der Mitte des Esstisches stand eine gläserne Vase, die eine einzelne Rose beinhaltete. Ohne zu zögern schnappte sich Doflamingo sie, warf sie über den Geländer und platzierte dort stattdessen den Blumenstrauß, den sein Verlobter ihm mitgebracht hatte. Doflamingo war Gentlemen genug, um Crocodile den Stuhl zurechtzurücken. Mit einem flauen Gefühl im Magen ließ er sich nieder. Er wusste nicht so recht, was er von der Überraschung seines Partners halten sollte. Auf der einen Seite freute er sich natürlich über die Mühe, welcher dieser sich gab, doch er musste auch einräumen, dass ihm alles ein wenig übertrieben vorkam. Schließlich brach er morgen nicht zu einer mehrwöchigen Geschäftsreise auf, sondern war bloß für ein einziges Wochenende weg. Sonntagabend sahen sie beide sich bereits wieder. Als Vorspeise gab es Piquillo-Paprika mit Sardinencreme. Dazu tranken sie Champagner. (Wie üblich wurden sie von Doflamingos Personal bedient.) „Mir gefällt deine neue Frisur“, merkte Doflamingo freundlich an und steckte sich eine Paprika in den Mund. „Danke“, gab Crocodile zurück, obwohl er beinahe schon wieder vergessen hatte, dass er überhaupt beim Friseur gewesen war. Noch immer konnte er die momentane Situation nicht so recht fassen; ein romantisches Dinner im Kerzenschein hatte er nun wirklich nicht erwartet gehabt. Doch natürlich wäre er kein (mehr oder weniger) erfolgreicher Manager geworden, wenn es ihm nicht gelingen würde, über seine Verwunderung hinwegzutäuschen. „Der Friseurbesuch ist wirklich überfällig gewesen. Mir ist überhaupt nicht aufgefallen, wie lang meine Haare geworden sind.“ Doflamingo lachte unbeschwert. „Sie sind wirklich lang geworden“, stimmte er ihm zu. „Aber das hat mich nicht gestört. Ganz im Gegenteil: Ich mag es, wenn Männer kein raspelkurzes Haar haben.“ Er hielt für einen Moment inne, ehe er verschmitzt grinsend hinzufügte: „Dann hat man beim Sex etwas, woran man sich festhalten kann.“ „Doflamingo!“, wies Crocodile seinen Verlobten zurecht und spürte, wie er klein wenig errötete. Seine Liebesbeziehung mit diesem Perversling hatte nichts an der Tatsache ändern können, dass es sich bei ihm selbst um einen recht prüden Menschen handelte. „Ich mache nur Spaß“, lenkte Doflamingo noch immer breit grinsend ein. „Ich weiß doch, dass du es nicht sonderlich magst, wenn man dir beim Sex an den Haaren zieht.“ Crocodile (dessen Wangen noch immer gerötet waren) schmunzelte und versetzte seinem Partner unter den Tisch einen leichten Tritt gegen das Schienbein. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Allmählich ging Doflamingos Unbeschwertheit auch auf ihn über. Er spürte, dass er lockerer wurde und es ihm gelang die schmutzigen Witze seines Verlobten auf die leichte Schulter zu nehmen. Wahrscheinlich war auch der Champagner da nicht ganz unschuldig. „Das liegt daran, dass du viel zu fest ziehst“, gab er keck zurück. „Ich habe immer das Gefühl, du willst mir die Kopfhaut abreißen! Aber was soll's, jetzt habe ich ja sowieso kurze Haare.“ „Deine Haare sind nicht kurz“, widersprach ihm Doflamingo, der sich mit seiner langen Zunge über die Lippen leckte. „Nun gut, vielleicht für deine Verhältnisse, aber sie sind immer noch viel länger als die Haare der allermeisten Männer. Heute Abend sollte ich trotzdem mal austesten, ob man gut an ihnen ziehen kann. Ich werde auch ganz sanft sein, versprochen.“ Crocodile verstand die Andeutung durchaus. Um Doflamingo zu zeigen, dass er gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden hatte, lächelte er kokett. Anschließend nahm er einen großen Schluck Champagner. Die erotische Spannung, die in der Luft lag, wurde kurz unterbrochen, als der Hauptgang serviert wurde. Es gab Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Schafskäse - Crocodiles absolute Leibspeise. „Du weißt wirklich, welche Knöpfe du bei mir drücken musst“, meinte er lächelnd, während man ihm Champagner nachschenkte. „Warum glaubst du immer, dass ich unlautere Absichten verfolge?“, gab Doflamingo gespielt beleidigt zurück. „Alles, was ich möchte, ist meinen lieben Verlobten mit einem schönen Abend zu verwöhnen. Da gehört das Leibgericht doch wohl mit dazu, oder?“ „Nicht nur das Leibgericht“, gab Crocodile in einem Anflug von Kühnheit zurück. Doflamingo grinste. „Stimmt“, gab er ihm kopfnickend recht. „Aber diesen Teil sparen wir beide uns lieber für das Schlafzimmer auf.... oder möchtest du, dass ich dich hier und jetzt auf dem Tisch nehme?“ [zensiert] * Es war Freitagmorgen. Crocodiles Koffer war gepackt und das letzte gemeinsame Frühstück mit seinem Verlobten stand an. Er bemühte sich darum so ruhig und gelassen wie möglich zu wirken, doch in seiner Brust spürte er eine Art nervöses Kitzeln. Bei der Elektronik-Messe, zu der er sich in wenigen Minuten auf den Weg machen würde, handelte es sich um seine große Bewährungsprobe. Wenn alles glatt lief, stand einer dauerhaften Einstellung bei Tom's Workers nichts im Wege; sollte es jedoch Probleme geben, dann würde -dessen war Crocodile sich sicher- sein befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert werden. Doflamingo schien zu bemerken, dass irgendetwas nicht stimmte. Er richtete seinen Blick auf die Gabel, mit der Crocodile lustlos in seinem Rührei herumstocherte, und fragte: „Ist alles in Ordnung?“ „Klar“, hörte Crocodile sich selbst hastig antworten, doch seine Stimme hörte sich an wie die eines Fremden. Auch Doflamingo entging dieser Umstand nicht. „Du musst dich nicht verstellen“, sagte sein Verlobter und griff über den Tisch hinweg nach seiner Hand. „Ich spüre überdeutlich, dass du nervös bist. Ist es wegen der Messe?“ „Nun ja...“, begann Crocodile. Er schloss für einen Moment seine Augen und genoss das Gefühl von Doflamingos Hand, die warm und schwer auf seiner lag. „Ich bin... also, um ehrlich zu sein, bin ich schon ein klein wenig nervös. Immerhin bin ich bloß ein Ersatz. Ich kenne mich nicht so gut aus wie Kizaru und habe Angst, etwas falsch zu machen. Hoffentlich blamiere ich mich nicht.“ „Mach dir keine Sorgen“, versuchte Doflamingo ihn aufzuheitern und schenkte ihm ein breites Lächeln. „Ich bin mir sicher, dass alles gut laufen wird. Du bist kein blöder Praktikant, sondern ein erfahrener und kompetenter Manager. Du hast schon viel schwierigere Aufgaben bewältigt. Glaub mir: Hinterher wirst du dich fragen, warum du dir überhaupt Sorgen gemacht hast.“ „Danke“, sagte Crocodile und brachte sogar ebenfalls ein zaghaftes Lächeln zustande. Tatsächlich stellte er fest, dass die Worte seines Verlobten ihn ein wenig beruhigten. Doflamingo hatte Recht: Er war ein toller Manager und sollte mehr Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten legen! Sein Hotelzimmer war groß und überaus luxuriös, doch daraus machte Crocodile sich nicht viel. Mit geschlossenen Augen saß er auf der teuren Couchgarnitur und bemühte sich darum, möglichst gleichmäßig ein- und auszuatmen. Es war acht Uhr morgens. In einer Viertelstunde würde er sich im Restaurant des Hotels mit seinem Chef Franky treffen und ein allerletztes Briefing erhalten. Crocodile erhob sich. Er warf einen letzten Blick in den Spiegel und richtete seine Krawatte (sie war ein teures Geschenk seines Verlobten gewesen), ehe er sein Hotelzimmer verließ und sich auf den Weg hinunter zum Restaurant machte. Um punkt neun Uhr wurde die große Elektronik-Messe Tom's Workers eröffnet. Monatelang hatten Crocodile und sein Team auf genau diesen Augenblick hingearbeitet. Es durfte einfach nichts schief gehen! „Hallo, Crocodile“, begrüßte ihn Franky, erhob sich von seinem Stuhl und schüttelte ihm die Hand. „Hallo, Franky“, erwiderte Crocodile und freute sich darüber, dass seine Stimme selbstsicher und zuversichtlich klang. Er setzte sich zu seinem Chef an den Tisch. Franky hatte bereits zwei große Tassen Kaffee für sie beide bestellt. „Da wir nicht mehr viel Zeit haben, bevor es losgeht, werde ich mich so kurz wie möglich fassen“, erklärte Franky und nahm einen großen Schluck Kaffee. „Du hast die Verantwortung dafür, dass heute, morgen und übermorgen alles wie geplant gelingt, Crocodile. Deine Pflicht besteht darin, dafür zu sorgen, dass alle Abläufe absolut reibungslos stattfinden. Ich erwarte, dass du für jedes Problem, das gegebenenfalls auftreten sollte, unverzüglich eine Lösung findest.“ Crocodile nickte. „Natürlich“, sagte er, ohne dem ernsten Blick seines Chefs auszuweichen. Das war nichts Neues für ihn. „Damit du jederzeit mit mir und den Anderen kommunizieren kannst, steht dir ein Walkie-Talkie zur Verfügung.“ Franky holte ein entsprechendes Gerät aus seiner Tasche hervor und reichte es Crocodile. „Ich möchte regelmäßig von dir hören. Mindestens einmal pro Stunde solltest du mir ein Update über die momentane Lage geben. Kiwi, Mozz und den Anderen werde ich auch Walkie-Talkies zukommen lassen, sodass wir jederzeit miteinander kommunizieren können.“ Crocodile tat so, als würde er an seinem Kaffee nippen. „Heute Abend um neun Uhr, also eine Stunde nach Schluss, werden wir uns alle hier im Restaurant treffen, um den ersten Messetag zu evaluieren.“ „In Ordnung“, sagte Crocodile und steckte das Walkie-Talkie ein. Allmählich spürte er, wie Ruhe in ihn einkehrte. Er war ein Mensch, der gerne Verantwortung trug. Und er war sich sicher, dass der heutige Tag ein großer Erfolg werden würde - für ihn, für Franky, für Tom's Workers. Crocodile hatte viel Herzblut in die Organisation dieser Elektronik-Messe gesteckt. Monatelang hatte er geplant, getüftelt und arrangiert. Heute war der Tag gekommen, an dem sich seine harte Arbeit endlich bezahlt machen würde. Das nervöse Kitzeln war vollständig aus seiner Brust verschwunden. Stattdessen war es durch ein warmes, erwartungsfreudiges Gefühl ersetzt worden. Crocodile war voll in seinem Element. Seine sorgfältige Planung zahlte sich aus: Der erste Messetag verlief ohne jede Komplikation. Crocodile verbrachte den Großteil seiner Zeit damit, über das weitläufige Gelände zu schlendern und per Walkie-Talkie seinen Arbeitskollegen und seinem Chef mitzuteilen, dass alles nach Plan lief und es keine Schwierigkeiten gab. Tom's Workers war gut besucht. Als Crocodile am Nachmittag nach den genauen Zahlen fragte (jeder Besucher wurde beim Betreten des Messegeländes registriert), erfuhr er, dass sie einen Besucheranstieg von sagenhaften 21% im Gegensatz zum Eröffnungstag des Vorjahres zu verbuchen hatten. Crocodile konnte seine Freude kaum verbergen: Ein breites Grinsen schlich sich auf seine Lippen und er nahm sich vor, bei der Besprechung heute Abend im Restaurant unbedingt Franky von dieser guten Nachricht in Kenntnis zu setzen. Crocodiles gute Laune erreichte einen Höhepunkt, als sich gegen achtzehn Uhr Kiwi per Walkie-Talkie bei ihm meldete. „Franky ist absolut begeistert!“, teilte ihm die Sekretärin seines Chefs mit verzückter Stimme mit. „Ehrlich gesagt, war er zu Beginn ein wenig skeptisch, weil du ja so extrem kurzfristig als Manager mit ins Boot geholt wurdest, aber alles läuft absolut perfekt! Man merkt wirklich deutlich, wie viel Mühe du dir bei der Planung gegeben hast, Crocodile!“ „Danke“, erwiderte Crocodile, der sein Glück kaum fassen konnte. „Es freut mich wirklich sehr, dass die Messe so gut gestartet ist. Hoffen wir, dass es morgen und übermorgen mindestens genauso gut laufen wird!“ „Ach, da habe ich überhaupt keine Zweifel!“, versicherte ihm Kiwi, ehe sie sich verabschieden musste, weil Mozz ihr irgendetwas mitteilen wollte. Um kurz nach acht Uhr rief Crocodile Doflamingo an. Freudestrahlend teilte er seinem Verlobten mit, dass bisher alles sehr gut lief. „Wie es aussieht, werde ich für die Bank sogar besonders günstige Konditionen aushandeln können“, log er, während er sich zu Fuß auf den Weg zu seinem Hotel machte, das sich auf dem Messegelände befand. „Das klingt wirklich wundervoll“, meinte Doflamingo. „Siehst du: Ich hatte dir doch gesagt, dass du dich hinterher fragen wirst, warum du dir überhaupt so viele Sorgen gemacht hast!“ „Wie sieht es bei dir und Hogback aus?“, fragte Crocodile, während er das Foyer des Hotels durchquerte. „Unser gemeinsames Abendessen findet erst in einer Stunde statt“, erklärte ihm sein Partner. „Aber ich hoffe, dass ich heute genauso großen Erfolg haben werde wie du, Wani.“ „Bestimmt“, meinte Crocodile, während er auf den Aufzug wartete. „Du bist ein erfahrener Geschäftsmann. Ich bin mir sicher, dass du diesen Deal schnell unter Dach und Fach kriegen wirst! Außerdem wäre Hogback ein echter Idiot, wenn er sich die Chance entgehen lassen würde, als allererstes dieses neue Krebsmedikament auf den Markt zu bringen!“ „Hoffentlich behältst du Recht“, meinte Doflamingo mit ungewohnt sorgenvoller Stimme. Anscheinend handelte es sich bei diesem Geschäft um eine wirklich große Sache. Unweigerlich überkamen Crocodile furchtbare Gewissensbisse, weil sein Verlobter sein erstes Treffen mit Hogback wegen ihm hatte sausen lassen. „Warum rufst du mich heute Nacht nicht an und erzählst mir, wie das Abendessen gelaufen ist?“, bot Crocodile an. Er klemmte das Handy zwischen seinem Ohr und seiner Schulter ein, damit er die Hand frei hatte, um in seiner Hosentasche nach der Schlüsselkarte für sein Hotelzimmer zu suchen. „Du musst wegen mir nicht so lange wach bleiben“, erwiderte Doflamingo sofort. „Es kann sein, dass ich erst gegen zwei oder drei Uhr nachts die Möglichkeit haben werde, dich anzurufen.“ „Das macht mir nichts aus“, meinte Crocodile. Er hatte endlich die Karte gefunden, schloss die Zimmertüre auf und ließ sich auf der Ledercouch nieder. „Bist du dir da ganz sicher?“, hakte Doflamingo nach. „Klar“, bekräftigte Crocodile. Er ging ohnehin davon aus, dass Franky und die Anderen nach der Besprechung den erfolgreichen ersten Tag in der Hotelbar feiern wollte; daher würde er wahrscheinlich sowieso nicht vor Mitternacht ins Bett kommen. „Okay“, ließ Doflamingo sich schlussendlich breitschlagen. „Dann bis heute Abend, Croco. Ich liebe dich.“ Er machte ein schnalziges Kussgeräusch in den Hörer. „Ich liebe dich auch“, erwiderte Crocodile. „Bis heute Abend!“ Crocodile schmiss das Handy aufs Bett und lockerte seine Krawatte. Er fühlte sich auf eine positive Art und Weise ausgelaugt. Der Tag war anstrengend, doch auch sehr produktiv gewesen. Alles hatte genau so geklappt wie Crocodile es sich vorgestellt hatte. Er warf einen Blick auf die teure Uhr, die über dem Türrahmen hing, und entschied, dass noch genug Zeit für eine kurze Dusche war, ehe er sich auf den Weg hinunter ins Restaurant machen musste. Crocodile konnte es kaum erwarten, Franky von der hohen Besucherzahl zu berichten. Es war beinahe neun Uhr, als Crocodile sein Handy vom Bett wieder auflas. Der Display zeigte ihm fünf entgangene Anrufe von seiner Schwester Hancock an. Crocodiles Daumen schwebte bereits über der grünen Hörertaste, als er sich in letzter Sekunde dazu entschied, doch nicht zurückzurufen. In drei Minuten begann die Besprechung mit seinem Chef und all den anderen wichtigen Teammitgliedern. Er hatte im Augenblick keine Zeit für ein Telefonat mit seiner Schwester. Und gerade am heutigen Tag konnte er es sich wirklich nicht leisten durch Unpünktlichkeit aufzufallen! Trotzdem kam Crocodile nicht umhin, sich Sorgen zu machen. Es war nicht typisch für Hancock, ihn mit Anrufen zu terrorisieren... Womöglich war irgendetwas Schlimmes passiert?! Ganz ruhig, redete Crocodile sich gut zu. Er legte das Handy zurück auf sein Bett und verließ das Hotelzimmer. Nicht überreagieren. Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass es sich um einen Notfall handelt. Vielleicht hat sich einfach bloß herausgestellt, dass sie statt eines Mädchens doch einen Jungen bekommt oder so etwas in der Art. Crocodile schnaubte leise und verließ den Aufzug, der unten im Erdgeschoss angekommen war. Es würde Hancock ähnlich sehen, wegen solch einer Kleinigkeit sofort ihre Brüder erreichen zu wollen. Seit sie schwanger war, fand Crocodile, neigte sie dazu ständig überzureagieren. Vorgestern erst hatte seine Schwester ihn und Doflamingo angerufen, nur um ihnen beiden mitzuteilen, wann der errechnete Geburtstermin war. (Sein Verlobter hatte sich sehr dafür interessiert und fast eine Stunde lang mit ihr telefoniert, doch Crocodile konnte sich nicht einmal mehr genau an das genannte Datum erinnern. Er wusste bloß, dass es in ungefähr zwei Monaten soweit sein würde.) Zur Sicherheit werde ich sie anrufen, wenn ich das Meeting hinter mir habe, dachte Crocodile. Bestimmt ist nichts weiter passiert, aber ich werde sie trotzdem anrufen. Franky erwartete ihn bereits am Tisch. Das Gesicht seines Chefs zierte ein breites Lächeln, welches Crocodile unweigerlich mit Stolz erfüllte. Offenbar hatte Kiwi nicht übertrieben: Franky erweckte tatsächlich einen unfassbar begeisterten Eindruck. „Crocodile!“, rief er, kaum dass dieser das Lokal betreten hatte, und deutete auf den freien Sitzplan neben sich. Ich habe es geschafft, dachte Crocodile und ließ sich nieder. Ich habe es wirklich geschafft Es war als hätte man ihm eine schwere Last von den Schultern genommen. Plötzlich kamen ihm seine Schulden sehr weit weg vor und auch die bevorstehende Hochzeit mit Doflamingo sah Crocodile nun in einem ganz anderen Licht. Sein Chef schien mit der Arbeit, die er geleistet hatte, überaus zufrieden zu sein; was bedeutete, dass Tom's Workers ihn mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch mit der Koordination der nächstjährigen Messe beauftragen würde. Innerhalb kürzester Zeit könnte Crrocodile endlich seine Schulden tilgen - und zwar absolut restlos, bis auf den allerletzten Berry! Um ehrlich zu sein, konnte er sein Glück kaum fassen. Obwohl er keinen einzigen Schluck Alkohol getrunken hatte, fühlte Crocodile sich betrunken. Ein warmes Gefühl breitete sich in seinem Brustkorb aus. Endlich hatte die lange Zeit des Leidens und Lügens ein Ende gefunden. Endlich würde alles wieder so wie früher werden. „Liebe Kollegen und Kolleginnen“, sagte Franky und nahm einen großen Schluck Whiskey. „Ich muss zugeben, dass ich schwarz gesehen habe, nachdem Herr Iceburg, der unsere Messe viele Jahre lang sehr erfolgreich organisiert hat, so plötzlich von uns gegangen ist. Wo sollte ich bloß kurzfristig einen Ersatz hernehmen? Gab es überhaupt jemanden, der genug Erfahrungen und Kompetenzen mitbringt, um ein Event in dieser Größenordnung angemessen zu betreuen? Wenn ich ganz ehrlich bin, ging ich fest davon aus, dass die diesjährige Messe ein absolutes Desaster werden würde.“ Crocodile schaute unauffällig in ihre Runde und erblickte viele ernste Gesichter. Mozz nippte an ihrem Cocktail und Spandam, der für die Finanzen zuständig war, hatte den Blick gesenkt. „Dieser Fall ist zum Glück nicht eingetreten“, fuhr Franky fort und nun legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Eher handelt es sich um das Gegenteil: Ich darf euch, liebe Kollegen und Kolleginnen, mitteilen, dass wir im Vergleich zum Eröffnungstag des Vorjahres einen Besucheranstieg von sage und schreibe 28 Prozent für uns verbuchen konnten!“ Diese Verkündung hatte einen lauten und fröhlichen Jubel zur Folge. Crocodile, der im Augenblick einfach bloß unfassbar glücklich war, erhob er gemeinsam mit den Anderen sein Glas und stieß auf ihren Erfolg an. Als wieder Ruhe eingekehrt war, richtete Franky das Wort direkt an ihn: „Crocodile“, sagte er. „Ohne dich wäre dieses fantastische Ergebnis niemals möglich gewesen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass du uns gerettet hast. Und ich bin unendlich froh darüber, dass Robin uns beide miteinander bekannt gemacht hat. Du bist ein riesengroßer Gewinn für unsere Firma!“ Er klatschte in die Hände, und alle Kollegen und Kolleginnen, die mit am Tisch saßen, stimmten fröhlich in den Applaus mit ein. Und obwohl es sich bei Crocodile um einen sehr gefassten und professionellen Menschen handelte, spürte er wie sein Gesicht sich rot zu färben begann angesichts des lauten Beifalls seiner Arbeitskollegen und -kolleginnen. Damit hatte er nicht gerechnet gehabt. „Du übertreibst, Franky“, warf er rasch ein, weil ihm die Lobpreisungen allmählich unangenehm wurden. Natürlich freute Crocodile sich über positives Feedback, doch er hielt es für überzogen, dass man ihn behandelte wie einen Helden. Immerhin war er kein Feuerwehrmann, der ein Kind aus einem brennenden Haus gerettet hatte. Er hatte nur seinen Job erledigt; nicht mehr und nicht weniger. „Ich bin bloß Teil eines großen Teams. Wir haben diese Herausforderung gemeinsam gemeistert. Die Ehre gebührt nicht mir allein.“ „Du bist der Kopf unseres Teams“, widersprach Franky. „Ohne deinen Anteil an diesem Projekt hätten wir niemals einen solch sagenhaften Erfolg erzielt. Wir alle hier sind wirklich unfassbar stolz auf dich, Crocodile. Und wir sind sehr glücklich, dass du ein Teil von Tom's Workers bist.“ Das Rot auf seinen Wangen verfärbte sich dunkler. Weil Crocodile nicht so recht wusste, wie er reagieren sollte, nahm er einen großen Schluck Wein. Um ehrlich zu sein, konnte er gar nicht fassen, was gerade passierte. Er wusste bloß, dass er unglaublich glücklich war. Und stolz. Franky war noch nicht fertig. „Ich finde, dass du für deine Arbeit eine besondere Belohnung verdient hast“, sagte er. „Los, schließ deine Augen, Crocodile!“ „Was?“ Befangen ließ Crocodile seinen Blick durch die Runde schweifen. „Ernsthaft?“ „Klar!“, meinte Franky. Das breiteste Grinsen, das Crocodile je gesehen hatte, zierte sein Gesicht. „Los schon! Augen zu! Das ist eine Arbeitsanweisung!“ Verunsichert tat Crocodile wie ihm geheißen. Ein nervöses Kribbeln breitete sich ausgehend von seinem Bauch in seinem gesamten Körper aus. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, welche Art von Belohnung sein Chef sich für ihn ausgedacht hatte. Vielleicht einen teuren Wein, schoss es Crocodile durch den Kopf, oder sogar eine Urlaubsreise in die Karibik. „Augen aufmachen!“, hörte Crocodile das komplette Team brüllen. Das ist ein Traum! Crocodile riss die Augen weit auf und bedeckte den Mund mit seiner Hand. Das kann einfach nicht wahr sein. Das ist unmöglich! Vor ihm standen seine Arbeitskollegen und -kolleginnen, die ihren Chef Franky umringten. Gemeinsam hielten sie einen riesigen Check hoch. Weil die Sicht vor seinen Augen verschwamm, brauchte Crocodile drei Anläufe, um die Zahl auf dem Schriftstück zu erkennen. 50.000 Berry, las er. Doch obwohl er die Ziffern schwarz auf weiß vor sich sehen konnte, eine Fünf und vier Nullen genau nachzählen konnte, war er nicht dazu in der Lage zu begreifen, was gerade eben geschehen war. Es dauerte einige Minuten, bis die Realität zu Crocodile durchdrang. 50.000 Berry, dachte er und sein Brustkorb fühlte sich an als würde er jeden Augenblick vor Hitze und Glück explodieren. Ich habe einen Bonus in Höhe von 50.000 Berry bekommen! Sie hatten noch bis tief in die Nacht gefeiert. Es war halb vier Uhr morgens und Crocodile war sehr stark angetrunken, als er sich endlich auf den Weg zurück in sein Hotelzimmer machte. Noch immer konnte er sein Glück kaum fassen. Er fühlte sich so selig wie schon seit Monaten nicht mehr. Seine gute Laune wurde ein wenig getrübt, als er sein Handy erblickte, dass er auf dem Bett hatte liegen lassen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen löste Crocodile die Tastensperre. Der Display zeigte ihm elf entgangene Anrufe von seiner Schwester Hancock und fünf entgangene Anrufe von Doflamingo an. Nach kurzem Zögern entschied Crocodile sich dazu, zuerst seinen Verlobten zurückzurufen. Ihn plagten Gewissensbisse, weil er Doflamingo doch versprochen hatte, dass dieser sich bei ihm melden dürfte, um von seinem Geschäftsessen mit Hogback zu berichten. Sein Partner ging nach dem zweiten Klingeln ran. „Hey, Doffy, tut mir leid“, begann Crocodile. „Ich bin leider eingeschlafen und...“ Doch sein Verlobter würgte ihn unwirsch ab. „Das ist jetzt nicht wichtig“, meinte er rasch. „Hast du schon von Hancock gehört?“ „Hancock?“ Crocodile konnte nicht verhindern, dass er sich automatisch Sorgen zu machen begann. „Nein, wie gesagt, ich habe ja bis gerade eben noch geschlafen. Was ist denn passiert? Ist sie verletzt? Oder... oder ist irgendetwas mit dem Baby nicht in Ordnung?“ „Dem Baby geht es gut“, versicherte Doflamingo ihm sofort. „Es geht um Luffy.“ „Luffy?“ Crocodile zog irritiert die Augenbrauen zusammen. „Hancocks Freund? Was ist mit ihm?“ „Er hat sie verlassen“, antwortete Doflamingo mit bedrückter Stimme. „Er lässt sie und ihr Baby einfach im Stich. Anscheinend hast du am Ende wohl Recht behalten, Crocodile: Es war keine gute Entscheidung von Hancock, sich auf einen Jungen einzulassen. Offenbar wird ihre Tochter ohne Vater aufwachsen müssen.“ bye sb Kapitel 23: Kapitel 12 ---------------------- Als Crocodile am Sonntagabend nach Hause zurückkehrte, fand er seine Schwester Hancock vor: Mit bleichem Gesicht und geröteten Augen saß sie auf der Couch neben Doflamingo, der ihr mit der einen Hand tröstend über den Rücken strich und mit der anderen ein nur noch halb volles Paket Taschentücher festhielt. „Hancock...“ Crocodile wusste nicht, was er sagen sollte. Es war nicht das erste Mal, dass seine gutaussehende Schwester eine Trennung durchlebte, doch selten zuvor hatte er Hancock, die eigentlich eine sehr bodenständige und selbstsichere Person war, so furchtbar niedergeschlagen erlebt. Kaum dass sie ihn erblickte hatte, brach sie unweigerlich in Tränen aus. Doflamingo deutete mit einer unwirschen Kopfbewegung an, dass er sich neben ihren weinenden Gast auf die Couch setzen sollte. Verunsichert tat Crocodile wie ihm geheißen. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, ahmte er seinen Verlobten nach und strich seiner Schwester sanft über den Rücken. Hancock lehnte sich in die Berührung hinein, doch reagierte ansonsten überhaupt nicht auf ihn. Sie sprach nicht mit ihm, schaute ihm nicht einmal ins Gesicht. Crocodile sah scheu zu Doflamingo hinüber, der auf Hancocks anderer Seite saß, doch der Blick seines Partners blieb unter den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen. Auch er sagte kein Wort, doch über Hancocks Rücken hinweg tätschelte er kurz seine Hand. Crocodile, der sich im Augenblick extrem unwohl fühlte, wollte gerade vorschlagen, gemeinsam ein bisschen Scotch zu trinken, um die Stimmung ein wenig aufzulockern, doch biss sich zum Glück gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. Hancock war schwanger, deshalb durfte sie natürlich keinen Alkohol trinken. Allmählich wurde Crocodile das volle Ausmaß ihrer Situation wirklich bewusst: Seine jüngere Schwester war völlig überraschend verlassen worden von dem Mann, den sie für ihre große Liebe gehalten hatte. Nein, eigentlich war es noch weitaus schlimmer - nicht nur sie selbst, sondern auch ihre ungeborene Tochter war von Luffy im Stich gelassen worden. Sie stand nun ganz alleine da. War gezwungen, ohne Hilfe eines Partners ihr Kind großzuziehen. Der Traum von der glücklichen Familie war von einem Tag auf den anderen geplatzt. Crocodile schluckte. „Hancock“, sagte er und wischte sich über den Mund. „Ich weiß, das ist sicher bloß ein schwacher Trost, aber ganz egal, was auch passieren mag: Ich bin immer für dich da. Und Doflamingo natürlich auch. Du darfst gerne so lange hierbleiben, wie du möchtest. Wir kümmern uns um dich. Immerhin sind wir eine Familie.“ „Danke“, brachte Hancock nach einer Weile mit schwacher Stimme hervor. Sie zog geräuschvoll die Nase hoch, nahm ein weiteres Taschentuch von Doflamingo entgegen und blickte zum ersten Mal in das Gesicht ihres Bruders. „Es wäre nett, wenn ich noch ein paar Tage bleiben könnte. L-luffy ist gerade bei mir Zuhause, um seine Sachen zusammenzupacken und ich... ich, nun ja, will ihm im Moment nicht begegnen.“ „Klar“, sagte Crocodile. „Kein Problem.“ „Aber ich möchte keinem zur Last fallen...“ Hancock wischte sich eine Haarsträhne aus dem nassen und bleichen Gesicht. „Du warst doch das ganze Wochenende beruflich unterwegs, Crocodile. Wenn du lieber ein wenig allein sein möchtest mit Doflamingo, könnte ich das natürlich vollkommen verstehen. Ich habe einen Schlüssel für Mihawks Haus. Er ist zwar zurzeit nicht da, aber es würde ihm sicher nicht ausmachen, wenn ich...“ „Unsinn!“, würgte Crocodile seine jüngere Schwester sofort ab. „Ich hätte dir nicht angeboten, dass du hierbleiben darfst, wenn es mir etwas ausmachen würde. Du fällst keinem zur Last, versprochen.“ „Crocodile hat Recht“, schaltete sich nun auch Doflamingo in ihre Unterhaltung ein. „Du gehörst zur Familie, Hancock. Wir haben dich sehr gerne hier bei uns.“ „Danke“, sagte Hancock erneut. Ihre Stimme klang noch immer schwach, aber nicht mehr so verzweifelt wie gerade eben noch. „Das ist sehr nett von euch beiden.“ In den folgenden Tagen bemühten sowohl Crocodile als auch Doflamingo sich darum, Hancock ein wenig aufzumuntern. Sie leisteten ihr so oft wie möglich Gesellschaft (Doflamingo machte für seine Schwägerin sogar täglich eine Stunde früher Feierabend), gaben bei der Küche ihre Lieblingsgerichte durch und schauten sich abends gemeinsam ihre Lieblingsserie an. Es dauerte eine Weile, doch zu Crocodiles Erleichterung begann seine Schwester sich allmählich wieder zu fassen; zumindest brach sie nicht mehr ständig unvermittelt in Tränen aus und außerdem redete sie auch wieder mehr. Trotzdem lösten ihre Sorgen sich nicht in Luft auf. „Eigentlich hatten wir geplant, dass Luffy nach seinem Schulabschluss ein Jahr Zuhause bleibt, um sich um unsere Tochter zu kümmern“, erklärte Hancock. „Durch mein Nagelstudio verdiene ich genug Geld, sodass wir uns diese Rollenverteilung relativ problemlos hätten leisten können. Aber jetzt, wo die Situation sich geändert hat, weiß ich nicht mehr, was ich machen soll: Ich möchte meine Tochter nicht gleich nach der Geburt Vollzeit in eine Betreuung geben. Damit würde ich am liebsten warten, bis sie mindestens ein oder zwei Jahre alt ist. Aber ich kann es mir auch nicht leisten, für sie Zuhause zu bleiben: Wer kümmert sich dann um mein Nagelstudio? Ich stecke in einer völlig ausweglosen Situation fest!“ Noch bevor Hancock zu Ende gesprochen hatte, war Crocodile klar, was sein Verlobter erwidern würde. Und tatsächlich enttäuschte Doflamingo ihn nicht: „Mach dir keine Sorgen, Hancock. Ich habe mehr als genug Geld. Und ich würde mich freuen, wenn ich deine Tochter und dich unterstützen könnte!“ „Nein, bitte, das geht nicht“, winkte Hancock jedoch sofort ab. „Ich möchte keine Almosen annehmen!“ „Es sind doch keine Almosen“, wendete Doflamingo mit eindringlicher Stimme ein. „Du bist meine Schwägerin, Hancock! Für mich ist eine Selbstverständlichkeit, dich in einer Notlage zu unterstützen. Schließlich würdest du für mich dasselbe tun.“ „Ich bin doch noch gar nicht deine Schwägerin“, gab Hancock halb glucksend, halb schniefend zurück. „Du und Crocodile seid noch gar nicht verheiratet.“ Obwohl Doflamingos Augen wie immer hinter den Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen blieben, wusste Crocodile ganz genau, dass sein Partner sie genervt rollte. „Du bist ein genauso schlimmer Erbsenzähler wie dein Bruder!“, warf er ihr vor, während er die Arme vor der Brust verschränkte. „Du gehörst zu Crocos Familie, also gehörst du auch zu meiner Familie. So sehe ich das.“ „Das ist sehr nett“, sagte Hancock, die angesichts dieser Worte zum ersten Mal seit Tagen wieder lächelte. „Aber ich kann dein Angebot trotzdem nicht annehmen, Doflamingo. Ich möchte auf eigenen Beinen stehen und ein Vorbild für meine Tochter sein.“ „Warum nutzt du deine Situation nicht, um dein Geschäft zu vergrößern?“, schlug Crocodile vor, der sehr gut nachvollziehen konnte, dass Hancock sich unwohl fühlte bei dem Gedanken, eine riesige Summe Geld einfach geschenkt zu bekommen. „Du könntest zum Beispiel für ein Jahr aus deinem Job aussteigen, um dich um deine Tochter zu kümmern. Für diese Zeit stellst du eine Vertretung ein, die dich im Nagelstudio ersetzt. Und wenn deine Tochter alt genug ist, um außer Haus betreut zu werden, steigst du wieder ein und arbeitest gemeinsam mit deiner Vertretung weiter.“ „Das klingt nach einem guten Plan“, stimmte Doflamingo ihm zu. „Aber damit wären wir wieder beim alten Problem“, warf Hancock ein. „Ich kann nicht einfach ein Jahr lang auf mein Einkommen verzichten. Ganz zu schweigen von der Bezahlung einer zusätzlichen Arbeitskraft. Ich meine, natürlich habe ich ein paar Ersparnisse, aber die werden auf keinen Fall ausreichen, um diese Idee umzusetzen.“ „Wenn du keine Almosen annehmen möchtest, hätte ich einen anderen Vorschlag für dich“, meinte Doflamingo. „Wie wäre es mit einem zinslosen Kredit? Ich könnte dir genug Geld leihen, damit du die Vergrößerung deines Geschäfts verwirklichen kannst.“ „Ich weiß ja nicht...“ Hancock wirkte verunsichert. „Ich würde einen Kredit über mehrere zehntausend Berry benötigen. Das ist eine riesige Menge Geld. Ich weiß nicht, ob ich mir so viel leihen möchte. Hinterher bin ich vielleicht nicht dazu in der Lage, das Geld zurückzuzahlen, weil mein Nagelstudio doch nicht so gut läuft wie geplant.“ „Ich biete dir einen Kredit ohne jegliches Risiko an“, sagte Doflamingo und leckte sich mit der Zunge über die Unterlippe. „Sagen wir, ich stelle dir fünfundsiebzigtausend Berry zur Verfügung. Von diesem Geld kannst du einerseits deine Tochter und dich über die Runden bringen und andererseits eine weitere Kraft für dein Nagelstudio bezahlen. Ich erhebe keine Zinsen und der Kredit hat keine festgelegte Laufzeit. Wenn sich die Vergrößerung deines Geschäfts auszahlt und du mehr verdienst, zahlst du mir das Geld irgendwann zurück. Und wenn nicht, dann eben nicht. Das bedeutet, du gehst überhaupt kein Risiko ein!“ „Du allerdings schon“, erwiderte Hancock, die noch immer nicht recht überzeugt zu sein schien. „Im schlimmsten Fall verlierst du fünfundsiebzigtausend Berry!“ „Na und?“ Doflamingo grinste breit und zuckte mit den Schultern. „Ich möchte nicht eingebildet klingen, Hancock, aber um ehrlich zu sein, besitze ich Kleidungsstücke, die teurer waren.“ Bestimmt sein furchtbarer Federmantel, schoss es Crocodile unweigerlich durch den Kopf und er musste sich ernsthaft zusammenreißen, um keinen missgünstigen Brummlaut von sich zu geben. Sein Partner besaß eine ganze Menge absolut furchtbarer Kleidungsstücke, doch dieses... dieses Büschel an pinken Federn toppte wirklich alles, was Crocodile jemals gesehen alles. Zum Glück trug Doflamingo inzwischen zumeist halbwegs tolerabele Outfits, wenn sie gemeinsam ausgingen. (Noch viel zu gut konnte Crocodile sich an das furchtbare Tiger-Hemd und die Capri-Hose mit Schlangenprint erinnern, die sein Verlobter bei ihrer allerersten Begegnung getragen hatte.) „Fünfundsiebzigtausend Berry sind in meinen Augen nicht viel Geld“, beteuerte Doflamingo. „Ich würde mich wirklich freuen, wenn du mein Angebot annimmst, Hancock! Wie gesagt, für mich gehörst du zur Familie.“ „Vielen Dank.“ Hancock nickte langsam mit dem Kopf. „Also gut, ich nehme dein großzügiges Angebot an, Doflamingo. Aber du kannst dir wirklich sicher sein, dass ich das Geld zurückzahlen werde so schnell ich nur kann!“ „Klar“, gab Doflamingo gleichgültig zurück und winkte ab. „Das weiß ich doch.“ „Es ist wirklich unfassbar lieb von euch beiden, dass ihr mich so sehr unterstützt.“ Wieder einmal brach Hancock unvermittelt in Tränen aus. (Schwangerschaftshormone, dachte Crocodile und danke Gott still dafür, dass er ihn nicht zu einer Frau gemacht hatte.) „Als Luffy mich verlassen hat, hatte ich mir wirklich große Sorgen um die Zukunft gemacht. Aber jetzt bekomme ich allmählich das Gefühl, dass es wieder bergauf geht. Ich bin unglaublich glücklich darüber, dass ich mir um mein Nagelstudio keine Sorgen machen muss. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne eure Hilfe machen sollte!“ Crocodile war kurz davor ein bescheidenes „Kein Problem“ von sich zu geben, als ihm plötzlich klar wurde, dass er eigentlich überhaupt nichts zur Unterstützung seiner Schwester beigetragen hatte. Nicht er, sondern Doflamingo war derjenige gewesen, der Hancock einen zinslosen Kredit in Höhe von 75.000 Berry angeboten hatte. Crocodile selbst war nicht einmal auf den Gedanken gekommen, ihr Geld zu leihen. Dabei hatte er doch vor ein paar Tagen erst einen Bonus in einer ähnlichen Höhe bekommen gehabt. War er ein schlechter Mensch, weil er das Geld lieber aufwendete, um seine horrenden Schulden zu tilgen als seine Schwester zu unterstützen? Sie ist schwanger, sagte eine Stimme in seinem Kopf, und ganz allein. Du bist ihr älterer Bruder; es ist deine Pflicht, sich um sie zu kümmern. Aber du hast nichts getan! Unweigerlich überkamen Crocodile schreckliche Gewissensbisse. Doch nur wenig später, hörte er eine andere Stimme erwidern: Du hast sie gewarnt. Auf Mihawks Geburtstagsparty hast du ihr klar und deutlich gesagt, dass es keine gute Idee ist, sich auf einen siebzehnjährigen Jungen einzulassen. Du hast sie gewarnt, aber sie wollte nicht hören. Es ist ihre eigene Schuld! „Lassen wir dieses Thema nun ruhen“, meinte Doflamingo mit freundlicher Stimme. „Es ist Zeit für's Mittagessen. Heute gibt es Paprika gefüllt mit Schafskäse und dazu eingelegte Sardinen. Crocodile hat mir erzählt, das wäre dein Leibgericht, Hancock. In eurer Familie hat man viel für Feta übrig, hm?“ Morgen wollte Hancock wieder nach Hause zurückkehren. Sie hielt sich gerade in ihrem Zimmer auf (selbstverständlich hatte Doflamingo ihr für den Zeitraum ihres Aufenthalt das größte und komfortabelste Gästezimmer der Villa zur Verfügung gestellt) und packte ihren Koffer für die Heimreise. Es war das erste Mal seit Tagen, dass Crocodile seinen Verlobten ein paar Stunden lang ganz für sich allein hatte. Crocodile gab es nur ungern zu, doch um ehrlich zu sein, fand er es nicht sonderlich schade, dass seine Schwester sich wieder gefangen hatte und in ihr eigenes Heim zurückkehrte. Selbstverständlich tat ihm Hancock leid, doch er konnte nicht verhehlen, dass die Art und Weise wie Doflamingo sie betüttelte, die Eifersucht in ihm weckte. Er las ihr praktisch jeden Wunsch von den Augen ab, streichelte ständig über ihren runden Babybauch und unterhielt sich über nichts lieber als ihre Schwangerschaft. Gestern erst hatte er sogar einen Masseur für sie bestellt, bloß weil Hancock angedeutet hatte, dass ihre Füße, die aufgrund der Schwangerschaft ein wenig angeschwollen waren, schmerzten. Vor allen Dingen weil Crocodile sich inzwischen sehr stark daran gewöhnt hatte, dass sein Verlobter ihm seine volle Aufmerksamkeit schenkte, freute er sich darauf, dass bald wieder alles beim Alten sein würde. Gerade hielten sie sich gemeinsam im Schlafzimmer auf. Crocodile wollte die seltene Gelegenheit beim Schopfe packen und die Zweisamkeit mit seinem Partner ausnutzen. Er trat von hinten an Doflamingo heran und legte seine Arme um dessen Oberkörper. „Doffy“, gurrte er verführerisch, weil er ganz genau wusste, dass dieser es liebte mit seinem Kosenamen angesprochen zu werden, „hast du Lust dich mit mir unter die Bettdecke zu verkriechen? Es ist ziemlich lange her, dass wir beide ein bisschen Zeit nur für uns gehabt haben.“ Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, zögerte Angesprochener nicht lange. „Klar“, meinte Doflamingo breit grinsend. Er löste sich aus der Umarmung, packte seinen Verlobten sanft am Handgelenk und bugsierte diesen hinüber zu ihrem Bett. „Ich habe deine Andeutung durchaus verstanden“, sagte Doflamingo und bedeutete Crocodile, sich auf den Matratzenrand zu setzen. Anschließend ging er vor ihm auf die Knie.“Mir ist bewusst, dass ich dich in den letzten Tagen ein wenig vernachlässigt habe. Tut mir leid. Ich mach's wieder gut, versprochen.“ Bei diesen Worten leckte er sich lasziv über die Lippen und ließ seine beiden Hände über Crocodiles Oberschenkel gleiten. Dieser konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Es freute ihn, dass Doflamingo seinen Fehler einsah. Und noch viel mehr freute er sich auf dessen Wiedergutmachung. Ihr letzter intimer Moment war inzwischen fast drei Tage her - für sie beide war das eine ziemlich lange Zeit. Crocodile beobachtete, wie Doflamingo seine Sonnenbrille abnahm und auf den Nachttisch legte; wie immer überkam ihn Gänsehaut, als die stechend grünen Iriden seines Verlobten ihn fixierten. Doflamingo unterbrach den Blickontakt nicht, während er sich daran machte seinen Gürtelschnalle zu lösen und den Hosenknopf zu öffnen. Ungeduldig zog Crocodile den Stoff herunter, bis ihm sowohl die Hose als auch die schwarzen Seidenshorts lose um seine Fußknöchel hingen. Um ehrlich zu sein, konnte er es kaum erwarten, dass sein talentierter Liebhaber endlich loslegte. Doch Doflamingo dachte gar nicht daran, sich zu beeilen. Völlig ungeniert ließ er seinen Blick über Crocodiles entblößten Intimbereich gleiten: Musterte dessen steifes Glied mit der feucht glänzenden Eichel, die Hoden und die Innenseiten seiner blassen Oberschenkel. Erst als seinem Verlobten ein ungehaltenes „Nun mach schon! Bitte!“ über die Lippen kam, erbarmte Doflamingo sich endlich und umschloss Crocodiles warmes Glied mit seinen Fingern. Er stöhnte leise auf, als sein Verlobter mit langsamen und gleichmäßigen Pumpbewegungen begann. Wärme breitete sich ausgehend von seinem Penis in seinem gesamten Unterleib aus. Crocodile schloss seine Augen, legte den Kopf in den Nacken und beschloss, sich seinem Liebhaber voll und ganz zu ergeben. Wieder ließ Doflamingo sich viel Zeit. Es dauerte zwei oder drei Minuten, bis seine Finger zu Crocodiles Hoden hinabwanderten und seine warmen, weichen Lippen stattdessen ihren Platz einnahmen. Crocodile genoss dieses wundervolle Verwöhnprogramm in vollen Zügen. Gleichzeitig wurde ihm überdeutlich bewusst, wie lange sein letzter Blowjob her war. Er musste sich selbst auf die Unterlippe beißen, um nicht sofort zum Höhepunkt zu kommen. Wie Doflamingo seine nasse Zunge über seine Eichel gleiten ließ und gleichzeitig seinen geschwollenen Hodensack massierte, fühlte sich einfach zu gut an. Doch genau in dem Augenblick, in dem Crocodile entschied, dass er sich lange genug zusammengerissen und seinen Orgasmus wirklich verdient hatte, wurde sein schlimmster Alptraum wahr: Jemand klopfte an die Schlafzimmertüre und öffnete diese, ohne auf ein Herein zu warten. Und dann geschahen mehrere Dinge auf einmal: Doflamingo, der mit dem Rücken zur Tür saß, erschreckte sich fürchterlich und zerquetschte unversehens die Hoden seines Verlobten, die er eigentlich mit seiner rechten Hand massieren wollte. Hancock, die im Türrahmen stand, lief im Gesicht knallrot an und stammelte verlegen ein paar unzusammenhängende Silben. Crocodile schrie schmerzerfüllt auf und trat mit den Füßen gegen Doflamingos Schulter, damit dieser ihn losließ. Seine Wangen färbten sich vor Scham und vor Schmerz noch röter als die seiner Schwester. Eine gefühlte Ewigkeit verging, ehe Hancock ein gepresstes „I-ich wollte nicht stören!“ von sich gab und laut knallend die Türe wieder zuzog. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff Crocodile vorsichtig nach seinen malträtierten Hoden. Sein Verlobter hatte wirklich alles Andere als sanft zugepackt; es tat ganz fürchterlich weh. „Tut mir leid!“ Doflamingo, den Crocodile mit seinen Tritten zu Boden gestoßen hatte, rappelte sich wieder auf und kam zu ihm herüber. „Das war keine Absicht! Tut mir leid!“ „Ist schon gut“, zischte Crocodile, der bloß hoffte, dass er keine dauerhaften Schäden davontragen würde. Immerhin gehörten die Hoden mit zu den empfindlichsten Körperstellen eines Mannes. „Tut mir leid“, wiederholte Doflamingo noch ein weiteres Mal mit schuldbewusster Miene. Er schien ein furchtbar schlechtes Gewissen zu haben. „Hast du starke Schmerzen?“ „Wonach sieht's denn aus, du Idiot?!“, gab Crocodile gereizt von sich und biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten wäre er in Tränen ausgebrochen, doch diese Blöße wollte er sich vor seinem Partner nicht geben. „Du hast zugepackt als wolltest du einen nassen Lappen auswringen!“ „Ich habe mich erschreckt“, versuchte Doflamingo sich kläglich zu rechtfertigen. „Ich wollte dir nicht wehtun.“ „Was passiert ist, ist passiert“, seufzte Crocodile und ließ vorsichtig von seinen Hoden ab. Zum Glück schienen sie keinen größeren Schaden genommen zu haben. „Hancock sollte wirklich lernen, darauf zu warten, dass jemand Herein ruft, bevor sie hereinkommt“, murmelte Doflamingo leise. Der Gedanke an seine Schwester ließ Crocodile erneut erröten. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm vor ihren Augen jemals zuvor eine solche Peinlichkeit passiert war. Er schämte sich schrecklich! Hoffentlich würde sie niemanden davon erzählen. „Wollen wir weitermachen?“, unterbrach Doflamingo die Gedankengänge seines Verlobten. Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. „Im Ernst?“, wollte er mit ungläubiger Stimme wissen. „Meine Schwester erwischt uns beide in flagranti, du zerquetscht meine Eier - und willst danach wirklich noch weitermachen? Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank?!“ „Du bist noch nicht gekommen“, erwiderte Doflamingo schulterzuckend. „Außerdem ist die Sache mit Hancock doch nur halb so schlimm, oder? Immerhin ist sie deine Schwester; sie hat dich doch bestimmt schon Dutzende Male nackt gesehen, oder?“ „Erstens hat sie das nicht“, korrigierte Crocodile verärgert seinen Verlobten, „und zweitens geht es nicht bloß darum, dass sie mich nackt gesehen hat. Sie hat mich beim... nun ja... sie hat gesehen, wie du mir einen Blowjob gegeben hat! Das ist so unfassbar unangenehm! Ich schäme mich in Grund und Boden! Und ich verstehe einfach nicht, wie du da so gelassen bleiben kannst? Schließlich hat sie dich ja auch gesehen!“ „Na und?“ Doflamingo rollte mit den Augen. „Wir beide sind ein Paar. Ich bin mir sicher, Hancock war sich auch vor dieser Situation schon bewusst, dass wir beide uns gegenseitig oral befriedigen. So etwas tut doch jedes Paar. Daher verstehe ich nicht, warum mir das Ganze peinlich sein sollte.“ „Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Dinge!“, erwiderte Crocodile aufgebracht. „Dass sie vorher schon wusste, dass wir beide gelegentlich miteinander intim werden, ist mir klar, aber trotzdem möchte ich doch nicht von ihr dabei beobachtete werden! Sie ist meine kleine Schwester, verdammt nochmal!“ Gequält seufzte Crocodile auf und bedeckte seine Augen mit der rechten Hand. „Gott, ich werde Hancock nie wieder ins Gesicht sehen können...“ „Versuch die das Ganze gelassen zu sehen; es lässt sich sowieso nicht mehr ändern“, riet Doflamingo ihm. „Und falls es dich tröstet: Hancock scheint nicht weniger peinlich berührt zu sein als du. Sie ist knallrot angelaufen und hat kein einziges Wort hervorgebracht. Ihr seid wirklich eine ziemlich prüde Familie.“ „Das ist ein schwacher Trost“, murrte Crocodile. „Nun ja, es hätte wirklich schlimmer kommen können“, erwiderte Doflamingo. Er grinste breit und entblößte dabei zwei Reihen strahlend weißer Zähne. „Stell dir nur mal vor, ich hätte dir vor Schreck in deinen Schwanz gebissen!“ „Spar dir deine blöden Kommentare“, meinte Crocodile, während er so vorsichtig wie möglich in seine Boxershorts schlüpfte. Seine Hoden schmerzten noch immer. „Ich finde diese Sache wirklich alles Andere als witzig!“ „Sorry.“ Doflamingos Lächeln verblasste. „Ich wollte dich bloß ein bisschen aufheitern. Ist mit deinen Eiern denn soweit alles in Ordnung? Oder möchtest du dich lieber von einem Urologen untersuchen lassen?“ „Was soll ich dem denn erzählen?“ Crocodile warf seinem Verlobten einen ungeheuer vorwurfsvollen Blick zu. „Ich bekomme gerade einen Blowjob, als meine kleine Schwester plötzlich das Schlafzimmer betritt und mein Freund sich so sehr erschreckt, dass er meine Hoden in seiner Hand zerquetscht. Nein danke, heute habe ich wirklich mehr als genug peinliche Momente durchstehen müssen!“ Doflamingo konnte sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen, doch wurde gleich darauf wieder ernst. „Jetzt mal ehrlich: Ist alles okay? Die Hoden sind eine sehr empfindliche Stelle, da kann es leicht zu irgendwelchen Problemen kommen. Was glaubst du, wie oft Law Männer bei sich im Krankenhaus hat, die ein Hodentrauma haben oder so einen Mist?“ „Hodentrauma?“, wiederholte Crocodile ungläubig und zog eine Augenbraue hoch. „Das ist ein medizinischer Fachbegriff!“, beteuerte Doflamingo. „Du weißt schon, wenn die Hoden verletzt wurden, weil dir jemand in die Eier getreten hat oder so.“ „So schlimm ist es nicht, denke ich“, meinte Crocodile, während er in seine Hose schlüpfte. „Sicher?“ „Ja, ganz sicher!“ Crocodile hatte keine Lust auf eine erneute Diskussion über seine Gesundheit und die angebliche Ärzte-Phobie, die sein Verlobter ihm schon des Öfteren unterstellt hatte. „Ist ja gut“, gab Doflamingo überraschenderweise relativ schnell klein bei. „Man wird sich ja wohl noch Sorgen machen dürfen...“ „Ich mache mir eher Sorgen um mein Verhältnis zu Hancock“, seufzte Crocodile. Allein der Gedanke an die nächste Begegnung mit seiner jüngeren Schwester ließ ihn erröten. „Ganz ehrlich, so etwas Peinliches ist mir noch nie vor ihr passiert...“ * Dass Crocodile und sein Verlobter von Hancock in flagranti erwischt worden waren, lag inzwischen eine Woche zurück. Und auch wenn er sich wohl nie an diesen unangenehmen Vorfall zurückerinnern konnte, ohne dass sein Gesicht die Farbe einer reifen Tomate annahm, kam er allmählich darüber hinweg; vorgestern war es ihm sogar gelungen, ein ganz normales Telefongespräch mit seiner Schwester zu führen. Außerdem genoss Crocodile es unwahrscheinlich, endlich wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Partners genießen zu dürfen, nun da Hancock in ihr eigenes Haus zurückgekehrt war. Als Wiedergutmachung für die letzten Tage (und auch für den missglückten Blowjob) hatte Doflamingo ihm sogar ein romantisches Dinner bei Kerzenschein im Flying Lamb geschenkt. „Was hältst du davon, wenn wir beide uns am Wochenende das Schloss anschauen?“, fragte sein Verlobter ihn zwischen zwei Bissen. „Schloss?“, hakte Crocodile irritiert nach und zog eine Augenbraue hoch. „Du weißt schon“, gab Doflamingo ungeduldig zurück. „Das Schloss, in dem damals meine Eltern geheiratet haben. Und das womöglich auch für uns als Hochzeits-Location infrage kommt.“ „Achso, das Schloss“, meinte Crocodile und senkte verlegen den Blick. Er zuckte mit den Schultern. „Von mir aus, wieso nicht.“ „Wie gesagt, es befindet sich an der Küste, etwa zwei Autostunden von unserem Ferienhaus entfernt. Ich denke, es macht Sinn, wenn wir beide dort dann auch übernachten würden.“ „Im Schloss?“ „Doch nicht im Schloss - im Ferienhaus, du Dussel!“ Doflamingo zeigte vorwurfsvoll mit seiner Gabel auf ihn. „Was ist denn heute nur los mit dir, dass du so schwer von Begriff bist?“ „Tschuldige, ich, ähm, habe ziemlich schlecht geschlafen“, versuchte Crocodile sich recht kläglich zu rechtfertigen. Um ehrlich zu sein, hatte er das Schloss, in dem sein Verlobter gerne die Hochzeitsfeier abhalten wollte, gar nicht mehr auf den Schirm gehabt. Die Elektronik-Messe, die vorheriges Wochenende stattgefunden hatte, und anschließend der mehrtägige Besuch seiner Schwester hatten ihn da viel eher beschäftigt. „Es würde mich freuen, wenn wir beide uns endlich wieder ein bisschen intensiver mit unseren Hochzeitsvorbereitungen beschäftigen würden“, meinte Doflamingo, während er das Stück Fleisch auf seinem Teller kleinschnitt. „Das haben wir in letzter Zeit wirklich schleifen gelassen. Bis auf die Gästeliste haben wir uns um noch nichts so wirklich gekümmert.“ „Nun ja, wir müssen uns ja auch erst einmal einen Termin geben lassen“, erwiderte Crocodile schwach. „Wer weiß, wie beliebt dieses kleine Schoss bei Hochzeitsfeiern ist: Womöglich gibt es eine Menge anderer Paare, die dort ebenfalls heiraten wollen und die Location schon viele Monate im voraus gebucht haben. Es ist nicht abzusehen, wie lange es dauern würde, bis wir beide an der Reihe sind.“ „Papperlapp“, winkte Doflamingo unbekümmert ab. „Einer der vielen Vorteile, wenn man reich ist, besteht darin, dass man nirgendwo lange warten muss. Ein paar Geldscheine, die man in die richtige Hand drückt, können wahre Wunder bewirken. Wir können uns also einfach einen Tag aussuchen.“ „Im Ernst?“ Crocodile konnte nicht so recht fassen, was sein Partner eben von sich gegeben hatte. „Du würdest notfalls jemanden bestechen, bloß damit wir beide unseren Wunschtermin bekommen?“ „Bestechung ist ein sehr negatives Wort“, gab Doflamingo in einem gedehnt klingenden Tonfall zurück. „So würde ich das nicht nennen. Ich bezahle ganz einfach für eine Dienstleistung. So funktioniert diese Welt nun einmal: Man tauscht Geld, das man verdient hat, gegen etwas ein, was man gerne haben möchte.“ „Aber die anderen Paare bezahlen doch auch“, warf Crocodile ein. Er konnte die unethische Denkweise seines Verlobten nicht ganz nachvollziehen. „Wenn viele Leute dasselbe wollen, wird eben an den verkauft, der am meisten bietet. Ähnlich wie bei einer Auktion. So sehe ich das jedenfalls.“ Doflamingo klang sehr gelassen, während er seine Meinung äußerte. Er schien überzeugt davon zu sein, nichts Falsches zu tun. „Wenn also mehrere Paare einen bestimmten Termin haben wollen, bekommt ihn derjenige, der am meisten Geld auf den Tisch legt.“ „Das klingt nicht sonderlich anständig“, gab Crocodile zu bedenken. Er war sich nicht sicher, ob er sich wohl bei dem Gedanken fühlte, einem anderen Paar die Hochzeit zu ruinieren, in dem er ihm den wahrscheinlich schon seit vielen Monaten feststehenden Termin wegstahl. Diesen Umstand schien auch Doflamingo mitzubekommen. „Wer weiß, ob es überhaupt soweit kommen wird“, sagte er ausweichend. „Das Schloss ist ziemlich abgelegen.Vielleicht gibt es gar nicht so viele Leute, die diesen Ort als Location für ihre Hochzeit auswählen. Aber das werden wir ja dann alles am Wochenende in Erfahrung bringen können.“ Samstagvormittag war es dann so weit. Die Koffer für ihren Kurztrip waren gepackt (man hätte meinen können, Doflamingo würde zwei Wochen in Urlaub fahren, so viele Klamotten wollte dieser mitnehmen) und der Fahrer, der sie zum Flughafen bringen würde, stand unten in der Auffahrt bereit. Nach dem kurzen Flug mit Doflamingos luxuriös ausgestattetem Privatjet stand noch eine etwa zweistündige Autofahrt an, ehe sie beide schließlich ihre potenzielle Hochzeits-Location erreichten. Crocodile musste zugeben, dass er absolut überwältigt war, als er aus dem Wagen ausstieg und das kleine, alte Schloss zum ersten Mal mit eigenen Augen sah: In den Innenhof gelangte man durch ein wunderschön verziertes Tor, das rechts und links von zwei weißen Statuetten eingefasst wurde. Insgesamt drei Türme zählte Crocodile; zwei waren oben bezinnt, der dritte verfügte über ein wunderschönes Turmdach aus dunklen Ziegeln. Ohne seinen Blick von dem wunderschönen, alten Gebäude abzuwenden, griff Crocodile nach der Hand seines Verlobten und lotste diesen zum Schloss herüber: Er wollte unbedingt sehen, wie es von innen aussah. „Korrigiere mich, wenn ich falsch liege“, gluckse Doflamingo, dem wohl nicht ergangen war, wie ergriffen Crocodile sich fühlte, „aber ich habe das Gefühl, dass dir das Schloss bisher ziemlich gut gefällt.“ „Es ist wunderschön“, gab Crocodile zu, während er seinen Blick über den weitläufigen Innenhof schweifen ließ. „Man könnte meinen, man wäre geradewegs in ein Märchen hineingestolpert.“ Seine Worte brachten Doflamingo zum Lachen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so eine Aussage mal von dir hören würde, Wani“, meinte er. „Eigentlich bist du doch überhaupt nicht romantisch veranlagt.“ Leicht pikiert zuckte Crocodile mit den Schultern. „Es geht um unsere Hochzeit, oder nicht?“, erwiderte er ausweichend. Und um das Thema zu wechseln, fügte er hinzu: „Ich würde gerne den Schlossgarten sehen. Weißt du, wie man dorthin kommt?“ „Klar“, antwortete sein Verlobter und führte ihn, ohne seine Hand loszulassen, zu einem kleinen Durchgang zu ihrer Rechten. Gemeinsam schauten sie sich den Garten, den großen Saal und die Kapelle an; sie durften sogar den Bergfried, den hohen Turm mit dem Ziegeldach, besteigen. Die Aussicht von dort oben war absolut fantastisch. Begeistert überblickte Crocodile die Umgebung: Die Welt wirkte ganz weit weg und die wenigen Menschen, die auf dem Boden umher liefen, erinnerten ihn unwillkürlich an kleine Ameisen. „Und?“, wollte Doflamingo nach einigen Minuten wissen. Seine Stimme klang ziemlich aufgeregt. Crocodile warf seinem Verlobten einen irritierten Blick zu. „Was meinst du?“, fragte er, denn um ehrlich zu sein, hatte er keine Ahnung, worauf sein Partner hinauswollte. „Du weißt schon“, gab dieser zurück: „Käme dieses Schloss als Location für unsere Hochzeit infrage? Ich finde es hier wunderschön, aber mir ist es wichtig, dass der Ort uns beiden gefällt. Ich möchte unbedingt deine Meinung hören!“ Crocodile senkte den Blick und beobachtete die Spitzen seine Schuhe als handelte es sich um interessante Kunstobjekte. Plötzlich verflog seine Begeisterung und an ihrer Stelle traten die üblichen Sorgen: Dieses Schloss war atemberaubend, doch konnte er es sich finanziell erlauben, es für ihre Hochzeit zu buchen? Crocodile hatte nicht damit gerechnet gehabt, dass es so schön und so gut instand gehalten sein würde. Bestimmt kostete es ein kleines Vermögen, hier seine Hochzeit zu feiern. Doch auf der anderen Seite: Hatte er eine Wahl? Und wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie beide sich für eine günstigere Location entscheiden würden? Eher gering, überlegte Crocodile sich, der sich noch gut an Monets Vorschlag erinnern konnte, im Ausland zu feiern. „Ich würde dich sehr gerne hier heiraten“, sagte er schließlich und warf seinem Verlobten ein zaghaftes Lächeln zu. „Dieses Schloss ist bezaubernd. Ich glaube, es ist genau richtig für uns beide.“ Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, brach Doflamingo sofort in lautem Jubel aus. Gerührt schniefend zog er Crocodile in eine feste Umarmung, die dieser sich gefallen ließ. Er lehnte sogar seinen Kopf an die Brust seines Verlobten an. Und während Doflamingo sein Haar küsste, fragte er sich, ob er gerade eben eine kluge Entscheidung getroffen hatte. * „Wir beide waren den ganzen Tag auf den Beinen“, meinte Crocodile, als er gemeinsam mit seinem Verlobten dessen luxuriöses Ferienhauses betrat. „Ich würde gerne duschen und mich gleich danach ins Bett legen.“ „Klingt gut“, erwiderte Doflamingo, der, seit Crocodile seine Zustimmung gegeben hatte, bester Laune zu sein schien. „Hast du was dagegen, wenn ich mich dir anschließe?“ „Ich bin noch ganz wund von heute Morgen“, wandte Crocodile ein und warf seinem Partner einen überaus vorwurfsvollen Blick zu. Doflamingo hatte sich (wie so oft) nicht beherrschen können und sich gleich nach Aufstehen praktisch auf ihn gestürzt gehabt. „Du klingst fast so als hätte es dir nicht gefallen“, erwiderte Doflamingo keck grinsend. „Aber mal im Ernst: Wenn du keinen Sex haben willst, weil dein Arsch weh tut, ist das okay. Trotzdem könnte ich dir ein paar schöne Minuten verschaffen.“ „Was meinst du damit?“, wollte Crocodile wissen. Die dubios klingenden Worte seines Partners ließen ihn sofort misstrauisch werden. Während er sprach, machte er sich auf den Weg hinüber ins Badezimmer; Doflamingo folgte ihm auf den Fuße. „Nun ja“, meinte dieser und setzte ein verführerisches Grinsen auf. „Ich würde gern wiedergutmachen, dass dein letzter Blowjob in die Hose gegangen ist. Du stellst dich einfach unter die Dusche, schließt deine Augen und lässt mich machen. Was hältst du davon?“ Crocodile musste zugeben, dass dieses Angebot äußerst verlockend klang. Schließlich verfügte sein Verlobter über eine äußerst talentierte Zunge. Letztendlich fiel ihm die Entscheidung nicht allzu schwer. „Gut, von mir aus“, meinte er, während er sich entkleidete. „Du wirst es nicht bereuen“, versprach Doflamingo, der sich ebenfalls aus seiner Kleidung schälte. Gemeinsam stiegen sie in die großzügig geschnittene Duschkabine. Crocodile stellte die Temperatur auf angenehme 41 Grad Celsius und seufzte wohlig auf, als das Wasser seine Haut traf. Wie immer, wenn sie gemeinsam duschten, kam Doflamingo nicht umhin sich zu beschweren. „Viel zu heiß!“, jaulte er und schob die Unterlippe nach vorne. „Du verbrühst uns beide noch, Baby!“ „Quatsch“, gab Crocodile zurück. Er schloss seine Augen und legte den Kopf in den Nacken. Im Augenblick fühlte er sich absolut pudelwohl. „Die Temperatur ist genau richtig. Außerdem geht es doch jetzt um mich und nicht um dich, oder?“ „Ist ja gut“, gab Doflamingo sich überraschend schnell geschlagen. „Du hast ja Recht.“ Mit geschlossenen Augen wartete Crocodile auf die Berührung seines Verlobten, die auch sofort folgte: Lange, schlanke Finger fuhren über die Innenseiten seiner Oberschenkel, über seine Hüfte und zum Schluss über seinen Intimbereich. Unweigerlich begann sein Glied sich aufzurichten. Crocodile gab ein zufriedenes Schnurren von sich und hoffte darauf, dass Doflamingo sich nicht zu viel Zeit mit dem Vorspiel lassen würde. Obwohl sie erst heute Morgen das letzte Mal Sex gehabt hatten, spürte Crocodile wie sich bereits wieder leichter Druck in seinem Lendenbereich aufbaute. Offenbar hatte das unermüdliche Libido seines jüngeren Partners ein wenig auf ihn abgefärbt... Leider tat ihm Doflamingo diesen Gefallen nicht: Tatsächlich beeilte er sich kein Stück, während er mit seinen Händen über Crocodiles nasse Haut fuhr. Nur selten ließ er die Zunge über seinen Schafft oder die Eichel gleiten. Nach über zwei Minuten begann Crocodile zu quengeln. Er wusste, dass sein Verlobter ihn gerne ein wenig quälte, doch er fand, dass dessen Spielchen allmählich zu weit gingen. Doflamingos Hände massierten seine Hoden, anstatt sein aufgerichtetes Glied zu pumpen, und mit seiner Zunge leckte er bloß über die Peniswurzel. „Doffy...!“, jammerte Crocodile und hoffte, dass sein Liebhaber endlich richtig loslegen würde. „Sei nicht so gemein!“ „Ich bin nicht gemein“, erwiderte Doflamingo gelassen, doch ließ für einen Moment von seinen Hoden ab, um stattdessen nach seinem vernachlässigten Glied zu greifen. „Du bist einfach bloß viel zu ungeduldig! Versuch dich zu entspannen. Es gibt keinen Grund, um sich zu hetzen.“ „Aber auch keinen, um zu trödeln“, gab Crocodile zurück. Er konnte wirklich nicht nachvollziehen, warum Doflamingo sich so furchtbar viel Zeit ließ. Das machte doch überhaupt keinen Sinn! Was hatte sein Verlobter davon? Es sei denn... Und plötzlich fiel es Crocodile wie Schuppen von den Augen! „Finger weg!“, donnerte er mit wütender Stimme und schlug Doflamingos Hand zur Seite. „Was ist los?“, fragte dieser und richtete sich sofort alarmiert auf. „Hab ich dir wehgetan?“ „Du weißt ganz genau, was los ist“, meinte Crocodile und fixierte seinen Partner mit zu Schlitzen verengten Augen. Er war absolut empört und konnte gar nicht richtig fassen, was hier vor sich ging. „Du hast meine Hoden abgetastet!“ „Wie kommst du denn auf diesen Blödsinn?“, versuchte Doflamingo sich zu verteidigen, doch sein ausweichender Blick und seine halbherzige Stimme verrieten ihn. „Du begrabschst seit mindestens fünf Minuten meine Hoden!“, erwiderte Crocodile und zeigte vorwurfsvoll mit dem Finger auf seinen Partner. „Na und? Darf ich das nicht?“ Doflamingo schien sich ertappt zu fühlen. „Du spielst nie solange mit ihnen, bevor du mir einen Blowjob gibst!“ „Ich habe eben versucht, dich ein bisschen in Stimmung zu bringen“, rechtfertigte sein Verlobter sich kläglich. „Schließlich wäre es schon dein zweiter Orgasmus heute und....“ „Blablabla!“, schnitt Crocodile ihm zornig das Wort ab. „Hör mir auf mit deinen Ausreden, Doflamingo. Und verrate mir lieber, was du damit bezwecken wolltest!“ „Nun ja...“ Doflamingo gab sich geschlagen. Er seufzte leise auf und fixierte ihn mit seinen stechend grünen Iriden. „Ich mache mir ein wenig Sorgen, seitdem ich vor ein paar Tagen ausversehen deine Eier zerquetscht habe... Also wollte ich nachprüfen, ob alles in Ordnung ist.“ „Ich hatte dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist!“, warf Crocodile seinem Verlobten vor. Er konnte dessen Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen. „Schon... Aber du weißt doch selber, wie du in dieser Hinsicht bist, Crocodile! Du tust alles, um nicht zum Arzt gehen zu müssen. Außerdem bist du ein ziemlich prüder Mensch. Ich hatte einfach Angst, dass du mir vielleicht vor Scham verschweigst, dass du Schmerzen hast. Also wollte ich zur Sicherheit selbst nachprüfen, ob du okay bist.“ „Ich fasse es nicht...!“ Crocodile warf Doflamingo einen völlig entgeisterten Blick zu. „So ein bescheuerter Einfall kann auch wirklich nur von dir kommen?!“ „Wieso bescheuert?“ Nun ging sein Partner in Abwehrhaltung über. „Als da diese Sache mit dem Blut war... du weißt schon: nach dem Sex, bei Daz Zuhause... Da wolltest du auch um keinen Preis ins Krankenhaus fahren!“ „Das waren doch eine völlig andere Situation“, versuchte Crocodile das Argument seines Partners zu entkräften. „Dass ich mir beim Sex einen kleinen Hautriss zuziehe, ist mir ab und an schon einmal passiert. Damit kenne ich mich aus. Deswegen konnte ich auch einschätzen, ob ein Arztbesuch nötig gewesen wäre oder nicht. Aber dass mein Verlobter mir während eines Blowjobs vor Schreck die Eier quetscht, hatte ich noch nie! Natürlich hätte ich es dir mitgeteilt, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, ich wäre ernsthaft verletzt worden!“ „Manchmal kann man das aber selbst gar nicht richtig einschätzen“, erwiderte Doflamingo. Er blieb absolut beharrlich bei seinem Standpunkt. „Und deswegen ist es auch so wichtig, dass eine zweite Person noch einmal nachprüft, ob eine Verletzung vorliegt oder nicht. Die Hoden sind eine extrem empfindliche Körperstelle, Crocodile! Gerade da kann es wirklich sehr leicht zu schlimmen Verletzungen kommen!“ „Du tust so als ob du ein... ein Eier-Experte wärst!“, brüllte Crocodile entrüstet. Noch immer war er stocksauer und konnte nicht fassen, dass sein Verlobter einen intimen Moment heraufbeschworen hatte, nur um seine Hoden abzutasten. Auf eine komische Art und Weise kam er sich betrogen und ausgenutzt vor. „Dabei verstehst du von diesen Dingen doch überhaupt nichts! Du bist kein verdammter Arzt, Doflamingo!“ „Das ist mir klar“, lenkte dieser ein. „Aber ich habe mit einem Arzt gesprochen! Law hat mir genau erklärt, worauf man achten muss und...“ „Law?!“ Wenn Crocodile geglaubt hatte, diese Situation könnte nicht noch unangenehmer werden, dann hatte er sich definitiv geirrt. „Bitte sag mir nicht, dass du Law erzählt hast, was vorgefallen ist?!“ Am liebsten wäre er vor Scham im Boden versunken. „Natürlich habe ich ihm davon erzählt“, meinte Doflamingo, der offenbar überhaupt nicht nachvollziehen konnte, warum sein Partner im Gesicht plötzlich rot wie eine überreife Tomate wurde. „Und das muss dir auch nicht peinlich sein, Crocodile. Als Arzt sieht er das Ganze aus einer absolut professionellen Perspektive.“ „Du hast doch wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank!“ Nun hatte Crocodile wirklich genug. Anklagend zeigte er mit dem Finger auf die nackte Brust seines Verlobten und funkelte diesen aus zornigen Augen heraus an: „Wie kannst du es bloß wagen, deinen Freunden so intime Details über unser Sexleben zu verraten? Was beim Sex zwischen dir und mir passiert, geht niemanden etwas an! Weder Law noch sonst irgendjemanden!“ „Er ist Arz... .“ „Und wenn er der Kaiser von China wäre!“, zischte Crocodile wütend. Er warf seinem Verlobten einen letzten giftigen Blick zu, ehe er nach dem Griff der gläsernen Kabinentüre griff und aus der Dusche stieg. „Was machst du da?“, fragte Doflamingo irritiert, als er bemerkte, was er vorhatte. „Ich veziehe mich in mein Zimmer“, antwortete Crocodile missgelaunt, während er hastig mit einem Handtuch seinen Körper trocken rubbelte. „Für heute habe ich wirklich genug von dir!“ „Jetzt sei doch nicht so!“, bat Doflamingo und verließ ebenfalls die Duschkabine. „Ich meine... Ich weiß, dass du prüde bist und dich schnell unangenehm berührt fühlst, aber findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?“ „Übertreibst?“ Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Wütend drehte er sich zu seinem Partner um und spie diesem entgegen: „Du findest, dass ich übertreibe? Du bist doch echt komplett bescheuert, Doflamingo! Du bist derjenige, der mich am liebsten wegen jedem kleinen Wehwehchen ins Krankenhaus einweisen würde; also wirf du mir gefälligst nicht vor, ich würde übertreiben! Und prüde bin ich auch nicht! Ob du es glaubst oder nicht: Niemand -absolut niemand!- findet es toll, wenn irgendwelche peinlichen Sexunfälle im Freundeskreis die Runde machen!“ „Du tust so, als hätte ich jedem, den ich kenne, davon erzählt!“, erwiderte Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Aber der einzige, mit dem ich darüber gesprochen habe, ist Law! Und zwar nicht, um dich lächerlich zu machen, sondern weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe.“ „Und wer garantiert mir, dass Law die Klappe hält?!“ Die Worte seines Partners beruhigten Crocodile kein Stück. Ganz im Gegenteil: Es machte ihn absolut rasend, dass Doflamingo sich (wie immer) keiner Schuld bewusst zu sein schien. „Dass dieser Sexunfall der größte Lacher auf deiner nächsten Party wird, hat mir gerade noch gefehlt! Als hätte es nicht schon gereicht, dass Hancock uns beide erwischt hat! Eine Peinlichkeit folgt der nächsten!“ „Er wird nichts verraten“, versprach Doflamingo ihm. „Ich gebe dir mein Wort, Crocodile! Und nun beruhige dich bitte endlich.“ „Ich beruhige mich dann, wenn ich mich beruhigen will!“, keifte Crocodile. Für heute Abend hatte er von seinem Verlobten wirklich mehr als genug! So schnell er konnte, schlüpfte er in seine Hose und sein Hemd, und ehe Doflamingo dazu kam ihn aufzuhalten, hatte er längst das Badezimmer verlassen. Hastig machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer; und als er es erreicht hatte, schloss er die Türe hinter sich ab. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Crocodile einigermaßen heruntergekühlt war. Wütend tigerte er im Schlafzimmer auf und ab; zwischendurch ließ er sich auf dem Bett nieder, doch er hielt es höchstens zehn oder fünfzehn Sekunden lang aus, ehe er wieder aufstand und weiter unruhig durch den Raum streifte. Er konnte überhaupt nicht fassen, dass sein Partner sich einfach das Recht herausnahm, einer dritte Person Details über ihr Sexleben zu erzählen. Solche Informationen waren privat und sollten es auch bleiben. Was hatte Doflamingo sich bloß dabei gedacht?! Wie sollte er Law bloß jemals wieder in die Augen schauen, ohne im Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate anzunehmen? Es handelte sich bei diesem schließlich nicht einfach bloß um einen Arzt, so wie Doflamingo behauptete, sondern gleichzeitig auch um einen guten Freund von ihnen! „Hätte er nicht irgendwen anders um Rat fragen können?“, murmelte Crocodile und fuhr sich mit der Hand erschöpft durch sein Haar. „Warum ausgerechnet eine Person, die wir beide mindestens einmal pro Woche zu Gesicht bekommen?“ Crocodile seufzte leise auf und öffnete die Türe zum Balkon. Draußen war es längst dunkel geworden: Der weitläufige Garten, der sich vor ihm erstreckte, wirkte düster und still. Man hörte nicht einen einzigen Vogel zwitschern. Und auch kein Mensch war zu sehen; weder ein Gärtner noch ein erschöpftes Dienstmädchen, das ein wenig frische Luft schnappte. Crocodile lehnte sich auf die Balkonbrüstung und ließ seinen Blick über die dunklen Baumwipfel schweifen. Die kühle Abendluft tat ihm außerordentlich gut. Sofort spürte Crocodile, dass er ruhiger wurde: Seine Körperhaltung entspannte sich und seine Atmung wurde gleichmäßiger. Ohne weiter darüber nachzudenken griff Crocodile in die hintere Tasche seiner Hose, holte eine Zigarre hervor und zündete diese an. Während er rauchte, stellte Crocodile fest, dass er nicht mehr wütend und aufgebracht war. Stattdessen überkamen ihn plötzlich Gewissensbisse: Er hat sich Sorgen um deine Gesundheit gemacht, sagte eine süffisant klingende Stimme aus dem hinteren Bereich seines Gehirns. Es ist nie seine Absicht gewesen, dich bloßzustellen. Er hat es nur gut mit dir gemeint - und du hast dich verhalten wie ein betrogenes Eheweib! Crocodile drückte seine Zigarre auf der Brüstung des Balkons aus und machte sich auf den Weg zurück in das Innere seines Zimmers. Hatte er womöglich wirklich übertrieben? Verunsichert biss Crocodile sich auf die Unterlippe. Er weiß ganz genau, dass du ein prüder Mensch bist, verteidigte ihn eine andere Stimme. Und er leitet ein riesiges Krankenhaus. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, mit einem anderen Arzt zu sprechen. Law hätte man außen vor lassen können. Die Wahrheit, dachte Crocodile und senkte den Blick, liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Trotzdem sollte er sich bei seinem Verlobten entschuldigen. Schließlich hatte Doflamingo es nur gut mit ihm gemeint, auch wenn man die ganze Sache zugegebenermaßen etwas geschickter hätte angehen können. Seufzend verließ Crocodile sein Zimmer. Draußen im Gang traf er ein Dienstmädchen, von dem er auf Nachfrage erfuhr, dass sein Partner sich in im Gästezimmer aufhielt. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen machte Crocodile sich auf den Weg dorthin. Um ehrlich zu sein, entschuldigte er sich genauso ungern bei Doflamingo wie dieser bei ihm. Crocodile biss sich selbst auf die Unterlippe, als er leise an der Türe des Gästezimmers anklopfte. „Doffy?“ Es vergingen ein paar Sekunden, ehe sein Verlobter mit abgespannt klingender Stimme „Herein“ rief. Crocodile zwang sich dazu, Ruhe zu bewahren. Er atmete einmal tief ein und aus, ehe er schließlich nach der Klinke griff, die Türe öffnete und das Zimmer betrat. Doflamingo saß im Schneidersitz auf dem Bett. Seine Körperhaltung wirkte nicht abweisend, doch er blickte ihm auch nicht ins Gesicht. Verunsichert näherte Crocodile sich seinem Partner. Er konnte Doflamingos Gemütszustand nicht so recht einordnen. „Doffy?“, fragte er noch einmal und blieb vor dem Bett stehen. „Setz dich ruhig“, sagte Doflamingo und deutete matt auf den Platz gegenüber von ihm. Crocodile tat wie ihm geheißen. Unbewusst imitierte er seinen Partner und ließ sich ebenfalls im Schneidersitz nieder. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen“, meinte Crocodile sofort. Er empfand die jetzige Situation als extrem unangenehm. Am liebsten wollte er die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen. „Vermutlich habe ich ein bisschen überreagiert. Ich weiß ja, dass du nicht die Absicht hattest, mich vor anderen Menschen zu demütigen.“ „Ich würde dich niemals absichtlich vor irgendjemanden demütigen“, erwiderte Doflamingo in einem ungewohnt ernst klingenden Tonfall. „Ich meine... Klar reiße ich manchmal ein paar blöde Witze oder so... Aber ich mache mir doch keinen Spaß daraus, meinen Verlobten bloßzustellen. So etwas würde ich nie tun. Ich liebe dich, Crocodile!“ „Ich liebe dich auch“, erwiderte er und rückte ein Stück näher an Doflamingo heran, der ihn sofort in die Arme schloss und auf sein Haar küsste. Es war ein unfassbar angenehmes Gefühl. „Also“, flüsterte Doflamingo und begann an seinem Ohr zu knabbern, „jetzt hast du schon zwei verpatzte Blowjobs bei mir gut. Wollen wir auf eins reduzieren?“ „Ist das dein ernst?!“ * Als Crocodile von der Arbeit nach Hause kam, fand er seinen Verlobten im Wohnzimmer vor. Doflamingo saß auf der Couch. Der Fernseher lief, doch er schenkte dem Gerät wenig Beachtung. Stattdessen blätterte er interessiert durch die Seiten irgendeiner Zeitschrift. Crocodile gab seinen Partner einen Kuss auf den Mund und ließ sich anschließend neben diesem auf der gemütlichen Couch nieder. Die Arbeit war heute ziemlich anstrengend gewesen (er hatte praktisch den ganzen Tag damit zugebracht, das Feedback wichtiger Kunden in Form einiger aussagekräftiger Diagramme zusammenzufassen) und am liebsten würde er bloß noch eine Kleinigkeit essen und sich gleich danach ins Bett legen. „Was gibt es heute zu essen?“, fragte Crocodile und bemühte sich um einen unbefangen klingenden Tonfall. Doflamingo mochte es nicht gerne, wenn sein Verlobter sich, nachdem er gerade erst zu Hause angekommen war, sofort ins Schlafzimmer verzog. Vermutlich fühlte er sich dann vernachlässigt und übergangen. Crocodile hoffte, seinen eifersüchtigen Partner mit ein wenig freundlichem Smalltalk friedlich stimmen zu können. „Marinierten Wildlachs, glaube ich“, erwiderte Doflamingo mit relativ desinteressiert klingender Stimme. Er wendete den Blick noch nicht einmal von seiner Zeitschrift ab, während er sprach. „Die Arbeit war ziemlich anstrengend“, meinte Crocodile, der sich einen genervten Unterton nicht ganz verkneifen konnte. Er war es nicht gewohnt, dass Doflamingo ihn kaum beachtete. Normalerweise schenkte dieser ihm immer seine einhundertprozentige Aufmerksamkeit. „Ich denke, ich werde mich nach dem Essen schlafen legen.“ „Okay, Croco“, antwortete Doflamingo gelassen und blätterte um. Nun konnte Crocodile nicht mehr an sich halten. „Was liest du da eigentlich?“, fragte er unwirsch und beugte sich zu seinem Partner hinüber, damit er den Titel der Zeitschrift besser erkennen konnte. „Tattoo Art“, las er laut vor. Verwundert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. „Willst du dir etwa ein Tattoo stechen lassen, Doflamingo?“ Angesprochener zuckte mit den Schultern. „Nun ja, ich denke darüber nach. Wieso? Magst du Tätowierungen nicht?“ „Es kommt drauf an“, gab Crocodile ausweichend zurück. „Ein oder zwei kleine Tattoos mit hübschen Motiven sind okay. Aber manche Leute haben ja wirklich den ganzen Körper voll; das finde ich überhaupt nicht schön.“ Erst vor ein paar Tagen hatte Crocodile auf der Straße eine junge Frau getroffen, deren kompletter rechter Oberarm und auch Dekollete von einer dunkelblauen Tätowierung überzogen war. Passend dazu hatte sie sich ihr kurzes Haar in derselben Farbe gefärbt gehabt. Crocodile hatte dieses Erscheinungsbild nicht sonderlich ansprechend gefunden. „Ich auch nicht“, meinte Doflamingo. „Alles in Maßen. Ein oder zwei Tattoos können an den richtigen Stellen wirklich gut aussehen.“ „Aber wie kommst du denn plötzlich darauf?“, wollte Crocodile irritiert wissen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Doflamingo jemals zuvor den Wunsch geäußert hatte, sich eine Tätowierung stechen zu lassen. „Naja, ich habe mich letztens mit Law unterhalten“, erklärte Dolamingo. „Und irgendwann sind wir dann auch auf seinen neuen Freund gekommen. Du weißt schon, dieser Eustass Kid. Er hat ihm ja sein neuestes Tattoo gestochen. Und dann bin ich auf den Gedanken gekommen, dass ich selbst vielleicht auch eines haben möchte.“ „Diese Entscheidung solltest du lieber nicht überstürzen“, riet Crocodile seinem Verlobten. „So ein Tattoo behält man sein ganzes Leben lang. Du musst dir gut überlegen, ob dir ein Bild wirklich so gut gefällt, dass du es bis zu deinem Tod an deinem Körper tragen möchtest. Es gibt viele Leute, die sich ein Tattoo stechen lassen und diesen Schritt hinterher bereuen.“ „Natürlich“, erwiderte Doflamingo und auch wenn sein Blick hinter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen blieben, war Crocodile sich sicher, dass er mit seinen Augen rollte. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Weißt du eigentlich, dass bevor wir beide ein Paar geworden sind, ich dachte du hättest ein Tattoo?“ „Ich?“ Crocodile setzte einen irritierten Gesichtsausdruck auf. „Wie zur Hölle kommst du denn darauf?“ „Unter deinen Arbeitskollegen kursierte das Gerücht, dass du dir als Teenager einen geflügelten Totenkopf hättest tätowieren lassen“, antwortete Doflamingo. „Ehrlich?“ Über diesen Schwachsinn konnte Crocodile bloß lachen. Doflamingo nickte eifrig. „Selbst Robin hat es geglaubt! Sie erzählte mir von einem weißen Totenschädel mit violetten Flügeln, der von zwei Schwertern gekreuzt wird.“ „Unfassbar.“ Ungläubig schüttelte Crocodile den Kopf. „Ich habe Robin immer für eine vernünftige Frau gehalten. Wie ist sie bloß auf diesen Blödsinn gekommen? Mal ehrlich: Selbst wenn ich mir jemals ein Tattoo hätte stechen lassen, dann doch bestimmt nicht mit einem geflügelten Totenkopf als Motiv!“ „Ich habe wirklich viele Leute getroffen, die absolut überzeugt davon waren, dass diese Tätowierung existiert“, meinte sein Verlobter. „Einige sagten mir, der Totenkopf befände sich auf deinem linken Schulterblatt. Andere glaubten stattdessen, du hättest ihn dir auf den unteren Rücken setzen lassen.“ „Ich? Ein Arschgeweih?“, sagte Crocodile und brach in lautes Gelächter aus. „Und das hast du geglaubt, Dolamingo?“ Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. „Jeder hat die eine oder andere Jugendsünde begangen“, antwortete er gelassen. „Es hätte doch sein können. Außerdem hast du, als wir beide die ersten Male miteinander Sex gehabt haben, immer dein Hemd angelassen. Ich dachte mir, dass dein Tattoo dir vielleicht peinlich ist und du es mir nicht zeigen möchtest. Erst später, nachdem ich wirklich jeden Zentimeter von dir gesehen hatte, war ich mir sicher, dass die Sache mit dem Totenkopf-Tattoo bloß ein Gerücht gewesen ist.“ „Manchmal machen wirklich eine Menge schwachsinniger Gerüchte die Runde“, sagte Crocodile. „Über dich habe ich auch einige echt verrückte Sachen gehört gehabt.“ „Ehrlich?“, hakte Doflamingo sofort interessiert nach. „Was denn zum Beispiel?“ „Verschiedenes“, antwortete Crocodile recht ausweichend. Nicht alles, was man über seinen Verlobten erzählte, war unbedingt positiv. Er versuchte sich an ein paar möglichst harmlose Details zu erinnern. „Jemand hat mir mal gesagt, du würdest immer eine Sonnenbrille tragen, weil du zwei verschiedene Augenfarben hast.“ Diese Aussage veranlasste Doflamingo breit zu grinsen. „Und was noch?“ „Naja...“ Crocodile nahm sich einen Augenblick Zeit, um nachzudenken. „Dass du gerne Schnecken isst. Du weißt schon, wie die Franzosen. Dass du mal Sex mit zwei Prostituierten gleichzeitig gehabt hättest. Und dass du dir ein Prinz-Albert-Piercing hättest stechen lassen. So einen Blödsinn halt.“ „Die Leute erzählen gerne Lügen“, meinte Doflamingo kopfschüttelnd. Er wirkte recht amüsiert. „Durch Gerüchte wird der Alltag eben ein bisschen aufregender. Ich bin das gewöhnt und gebe da nichts drauf.“ „Ich muss zugeben, dass ich wegen dem Prinz-Albert-Piercing ziemlich besorgt gewesen bin“, gestand Crocodile und senkte den Blick. „Du ahnst gar nicht, wie erleichtert ich war, als ich festgestellt habe, dass es sich wirklich bloß um ein erfundenes Gerücht handelt.“ „Und ich war so stolz auf mich, weil ich dachte, du wärst von meiner Schwanzgröße beeindruckt“, erwiderte Doflamingo laut lachend. „Nein, im Ernst“, fügte er hinzu, als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Ich kann dir versprechen, dass ich niemals einen Piercer oder Tätowierer in die Nähe meines besten Stücks lassen werde. Um ehrlich zu sein, finde ich ein Prinz-Albert-Piercing optisch gar nicht so schlecht. Jedenfalls würde es mich nicht stören, wenn mein Sexpartner eines hätte. Aber mir selbst wäre das viel zu riskant. Ich hätte Angst, dass beim Piercen irgendetwas schief geht.“ „Das Risiko, dass etwas schief geht, besteht immer“, warf Crocodile ein. „Auch bei dem Tattoo, dass du dir vielleicht stechen lassen möchtest. Es kann passieren, dass der Tätowierer mit der Hand abrutscht und das ganze Motiv versaut. Oder...“ „Dessen bin ich mir bewusst“, unterbrach Doflamingo ihn ungeduldig. „Es handelt sich nun einmal um eine Körperverletzung. Zwar eine gewünschte, aber nichtsdestotrotz um eine Verletzung. Eine hundertprozentige Garantie hat man nie. Die Frage ist letztendlich, ob es mir dieses Risiko wert ist oder nicht.“ „Hast du dir schon eine Stelle überlegt?“, hakte Crocodile nach. Die Idee seines Verlobten, sich ein Tattoo stechen zu lassen, überraschte ihn zwar, doch solange es sich um etwas Kleines und Unauffälliges handelte, ging es für ihn in Ordnung. Schließlich wollte Doflamingo sich nicht etwa den kompletten Rücken oder die Oberarme einfärben. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher“, antwortete Doflamingo, „aber ich dachte an die Hüfte oder das Handgelenk. Knöchel käme womöglich auch infrage.“ „Du trägst sehr häufig offene Schuhe“, gab Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen zu bedenken. „Ich würde auf jeden Fall eine Stelle aussuchen, die man leicht verdecken kann.“ „Wieso? Man soll das Tattoo doch sehen können. Schließlich lasse ich es mir aus genau diesem Grund stechen. Es handelt sich sozusagen um Schmuck. Heißt ja auch Körperschmuck, oder nicht?“ „Du bist Geschäftsmann“, erwiderte Crocodile zweifelnd. „Und ein Tattoo am Handgelenk oder Knöchel trägt nicht unbedingt zu einem seriösen Auftreten bei.“ Diese Aussage brachte Doflamingo zum Lachen. „Ich muss mich nicht um Seriösität bemühen“, meinte er in einem nicht gerade bescheiden klingenden Tonfall. „Wer so viel Geld und Einfluss hat wie ich, kann selbst entscheiden, wie er auftreten möchte. Ich muss mich nicht in einen Anzug zwängen, um ernstgenommen zu werden. Erinnerst du dich noch an unsere allererste Begegnung? Weißt du noch, was ich getragen habe bei diesem Geschäftsessen mit Sengoku?“ „Als könnte ich dieses Outfit jemals vergessen“, brummte Crocodile und senkte den Blick. „Du hast ausgesehen wie ein Zirkusclown!“ „Mag sein“, meinte sein Verlobter und zuckte mit den Schultern. „Trotzdem wurde ich von deinem Chef behandelt wie der Präsident des Landes. Weil er nämlich ganz genau weiß, wie viel Geld ich bei seiner Bank habe.“ Der Gedanke an seinen alten Job und Doflamingos Reichtum stimmte Crocodile missgünstig. Rasch versuchte er wieder auf ihr ursprüngliches Gesprächsthema zurückzukommen: „Und wie sieht es mit einem Motiv aus? Hast du dir schon etwas ausgesucht?“ Er griff nach der Zeitschrift, die noch immer auf dem Schoß seines Verlobten lag, und blätterte ein wenig durch die Seiten. Es waren Unmengen verschiedener Tattoo-Motive zu sehen: Von Rosen über Mosaikmustern bis zu Vögeln und noch vieles mehr. Doflamingo schwieg für eine Weile und wich seinem Blick aus. „Ich dachte vielleicht an einen Schriftzug“, antwortete er schließlich mit ruhiger Stimme. „Einen Schriftzug?“, wiederholte Crocodile mit gerunzelter Stirn, während er einen tätowierten Fußknöchel, der auf Seite 23 abgebildet war, näher betrachtete. Bei dem Tattoo handelte es sich um drei kleine, bunte Sterne. So etwas in der Richtung könnte er sich gut für Doflamingo vorstellen: bunt, aber nicht allzu ausgefallen. „Was denn für einen Schriftzug? Einen Spruch oder so etwas in der Art?“ Auf der nächsten Seite war eine (vermutlich) weibliche Schulter zu sehen, die mit dem Sprichwort Jeder ist seines Glückes Schmied verziert worden war. „Ich würde mir gerne deinen Namen tätowieren lassen“, sagte Doflamingo. Crocodile erstarrte zur Salzsäule. Die Zeitschrift Tattoo Art glitt ihm aus der Hand und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Fußboden. Absolut entsetzt blickte Crocodile in das Gesicht seines Verlobten. Er erwartete, dort ein breites Grinsen zu entdecken, doch leider wurde seine Hoffnung enttäuscht. Doflamingo wirkte vollkommen ruhig; seine Körperhaltung war gelassen und seine Gesichtszüge waren entspannt. „Du verarschst mich doch!“, waren nichtsdestotrotz die ersten Worte, die Crocodile über die Lippen kamen. Seine Stimme klang erschüttert und spiegelte sehr gut seinen Gemütszustand wieder. „Ich meine es ernst!“, erwiderte sein Partner sofort. „Es wäre absolut perfekt: Dein Name auf meiner Haut; gestochen von dem Mann, der dir einst das Leben gerettet hat! Es gibt nichts, was besser zu mir passen würde!“ „Du bist echt bekloppt, Doflamingo!“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Verlobter ihm gerade mitgeteilt hatte. „Wie kommst du bloß auf so eine Idee?! Mir fallen mindestens einhundert Gründe ein, wieso du das nicht tun solltest!“ „Ach ja?“ Doflamingo kreuzte die Oberarme vor der Brust und schob die Unterlippe nach vorne. „Und welche wären das bitteschön?“ „Zuerst einmal bist du kein liebeskranker Teenager, sondern ein dreißigjähriger Geschäftsmann“, erwiderte er wie aus der Pistole geschossen. „Zweitens ist ein Tattoo eine Entscheidung, die man für sein ganzes Leben lang trifft: Stell dir nur einmal vor, wir beide trennen uns irgendwann. Dann hättest du trotzdem noch bis zu deinem Tod meinen Namen auf dem Handgelenk stehen und würdest jeden Tag an unsere Beziehung zurückerinnert werden. Drittens...“ „Du bist auch eine Entscheidung, die ich für mein ganzes Leben getroffen habe!“, unterbrach sein Verlobter ihn aufgebracht. „Glaubst du, ich hätte dir einen Heiratsantrag gemacht, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass du der Richtige für mich bist? Warum heiraten wir beide denn überhaupt, wenn wir sowieso ständig damit rechnen, dass wir uns hinterher doch scheiden lassen werden?“ „So habe ich das nicht gemeint“, erwiderte Crocodile, „und das weißt du auch ganz genau!“ Er holte tief Luft, ehe er fortfuhr: „Wir führen fast dieselbe Diskussion, die wir auch zum Thema Ehevertrag geführt haben: Natürlich liebe ich dich, Doflamingo, und natürlich hoffe ich, dass wir beide ein langes Leben glücklich und gemeinsam führen werden. Aber leider deckt sich nun einmal die persönliche Vorstellung nicht immer mit der Realität! Es muss ja nicht mal unbedingt eine Scheidung sein... Vielleicht sterbe ich ja auch. Alles ist möglich. Schließlich habe ich gerade erst vor kurzem unbeschadet einen Autounfall überstanden, der mich genausogut auch hätte töten können. Stell dir nur einmal vor, so etwas passiert mir noch einmal. Nur dass es dieses Mal nicht gut ausgeht. Ich sterbe in irgendeinem demolierten Autowrack auf irgendeiner Schnellstraße. Und du hast für immer und ewig meinen Namen auf deinem Körper stehen. Wirst jeden Tag an mich zurückerinnert. Würdest du das wirklich wollen?“ „Was redest du denn da?“, rief Doflamingo völlig verzweifelt. „Warum bist du immer so furchtbar negativ eingestellt, was die Zukunft angeht? Ich meine, genausogut könnten wir beide doch auch glücklich zusammenleben, bis wir achtzig Jahre alt sind und dann friedlich im Schlaf sterben. Wie hoch ist im Gegensatz dazu die Wahrscheinlichkeit sein Leben bei einem Autounfall zu verlieren?“ „Ich kann trotzdem nicht nachvollziehen, warum du dir unbedingt meinen Namen tätowieren lassen möchtest“, entgegnete Crocodile. „Selbst wenn wir beide - was ich sehr hoffe- ein langes und schönes Leben führen werden, verstehe ich nicht, was dir dieses Tattoo bringen soll. Ist ja schließlich nicht so, als ob du ständig vergisst, wie ich heiße.“ „Es soll ein Zeichen sein“, versuchte Doflamingo ihm seine Perspektive zu erklären. „Ein Symbol für meine Liebe zu dir. Dieses Tattoo bedeutet, dass ich zu dir gehöre. Für immer.“ Seufzend hielt Crocodile seine rechte Hand hoch, sodass Doflamingo den Diamantring sehen konnte, den dieser ihm zur ihrer Verlobung geschenkt hatte. „Bald wirst du auch so einen haben“, sagte Crocodile mit angesäuerter Stimme. Diese Diskussion strapazierte seine Nerven wirklich extrem. „Reicht das denn nicht als Liebessymbol?“ „Ich freue mich schon auf meinen Ehering“, erwiderte sein Partner, „aber trotzdem halte ich das Tattoo für keine schlechte Idee. Das eine schließt das andere als Symbol doch nicht aus, oder?“ Augenrollend ließ Crocodile seine Hand wieder sinken. „Mir gefällt diese Idee trotzdem nicht“, meinte er. „Sollte das allein als Grund nicht ausreichen? Schließlich geht es hier um meinen Namen.“ „Ich habe mir noch eine Alternative überlegt gehabt“, sagte sein Verlobter, „für den Fall, dass dir mein Plan missfällt. Wie wäre es anstatt eines Schriftzuges mit einem Bild?“ „Einem Bild?“, hakte Crocodile zweifelnd nach. Ihn ergriff eine ungute Vorahnung. „Ein kleines Krokodil“, führte Doflamingo kopfnickend seine Vorstellung weiter aus. „In grün. Du weißt schon, weil du oft grüne Hemden trägst und so. Fändest du das besser?“ „Ich finde beides bescheuert“, antwortete Crocodile kühl. Er sah nicht ein, wieso er lügen sollte. Ganz im Gegenteil: Je eher er Doflamingo von dessen verrückter Idee abbrachte, desto besser! „Warum musst du dir unbedingt ein Tattoo stechen lassen? Warum bleiben wir nicht einfach bei unseren Eheringen?“ „Zu Beginn hast du keine Einwände erhoben“, meinte Doflamingo mit vorwurfsvoll klingender Stimme. „Du hast gesagt, dass du ein kleines Tattoo in Ordnung findest.“ „Da wusste ich ja auch noch nicht, dass das Motiv etwas mit mir zu tun hat!“, entkräftete Crocodile das Argument seines Partners. „Grundsätzlich habe ich ja wirklich nichts dagegen einzuwenden, wenn du dich tätowieren lässt. Aber mir wäre es wirklich lieber, wenn du dir ein neutrales Motiv aussuchst. Unsere Hochzeit ist mir Beweis genug für unsere Liebe. Da benötige ich nicht noch zusätzlich ein Tattoo auf der Haut meines Verlobten.“ „Vielleicht brauchst du ein bisschen Zeit, um dich an die Vorstellung zu gewöhnen“, beendete Doflamingo schließlich ihre Diskussion. Crocodile war sich sicher, dass dieser sich noch längst nicht geschlagen gegeben hatte. Bei seinem Verlobten handelte es sich um eine extrem sture und egoistische Person. Wenn Doflamingo etwas wollte, bekam er es auch. Punkt. Der Krieg ist nicht gewonnen, dachte Crocodile missmutig, die Schlacht ist bloß vertagt. Doch auch wenn er alles daran setzen würde, um seinem Partner diese verrückte Idee rasch wieder aus dem Kopf zu schlagen, schloss er sich dem Waffenstillstand an. Sein Arbeitstag war sehr anstrengend gewesen und er hatte heute Abend wirklich keine Lust mehr auf weitere Diskussionen. „Der Fisch müsste jeden Moment fertig sein“, meinte Doflamingo und erhob sich von der Couch. Gleichzeitig sammelte er die Zeitschrift auf, die Crocodile fallen gelassen hatte, und legte sie behutsam auf den Couchtisch. „Lass uns schon mal hinüber ins Esszimmer gehen.“ * Es war Freitagabend. Doflamingo hatte seinen Verlobten dazu überreden können, gemeinsam mit ihm einem Dinner in the Dark beizuwohnen. Crocodile fand zwar die Vorstellung komplett im Dunkeln zu essen nicht sonderlich verlockend, doch weil Doflamingo so begeistert gewirkt hatte und das Dinner auch nur 55 Berry kostete, hatte er sich schlussendlich doch überreden lassen. Nun stand sie beide in der Auffahrt bereit und diskutierten darüber mit welchem Auto sie fahren sollten. Es ärgerte Crocodile ein wenig, dass sein Verlobter darauf bestand sich chauffieren zu lassen, obwohl er gerne mit seinem eigenen Wagen gefahren wäre. Das Restaurant lag in der Nachbarstadt und um dorthin zu gelangen musste man über eine gut ausgebaute Landstraße fahren; ein Spaß, den Crocodile sich gerne gegönnt hätte. „Du fährst doch ständig selbst“, meinte Doflamingo mit vor der Brust gekreuzten Armen. „Jeden Tag zur Arbeit und wieder zurück. Ich finde, dass du dir wenigstens am Wochenende den Luxus erlauben solltest dich fahren zu lassen.“ „Du weißt ganz genau, dass ich sehr gerne autofahre“, hielt Crocodile dagegen. „Ich liebe meinen Mercedes! Und schnelle Landstraßen auch!“ „Es ist Freitagabend“, erwiderte sein Verlobter. „Alle Straßen, die aus der Stadt heraus führen, werden völlig überfüllt sein. Da macht es wirklich keinen Spaß selbst zu fahren, das kannst du mir glauben!“ Leise seufzend gab Crocodile schließlich klein bei. Er wollte einfach bloß einen netten Abend mit Doflamingo verbringen und hatte keine Lust auf eine Diskussion, die höchstwahrscheinlich im Streit ausarten würde. „Also gut“, meinte er und atmete tief durch. „Von mir aus. Gib deinem Fahrer Bescheid.“ „Mit welchem Auto möchtest du denn fahren?“, fragte ihn sein Partner, der wohl versuchte seinen Wünschen wenigstens ein klein wenig gerecht zu werden. „Das ist mir egal“, antwortete Crocodile achselzuckend. Gerade als er noch etwas hinzufügen wollte, erregte ein Motorradfahrer, der plötzlich in der Auffahrt auftauchte, seine Aufmerksamkeit. Crocodile brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine schwarze Honda 1200 F handelte. „Du hast mir gar nicht gesagt, dass du Law eingeladen hast“, sagte Crocodile verwundert in Richtung seines Verlobten. „Habe ich auch nicht“, gab Doflamingo, der nicht weniger überrascht wirkte als er selbst, zurück. „Schließlich hatte ich ja geplant gehabt mit dir zusammen essen zu gehen.“ „Vielleicht liegt irgendein Notfall vor“, mutmaßte Crocodile, während er beobachtete, wie Law hektisch von seinem Motorrad abstieg. Er war noch bleicher als üblich und wischte sich nervös mit dem Handrücken über den Mund, während er zu ihnen herüberkam. „Hey“, meinte Law mit schwacher Stimme an sie beide gewandt. Er schien sich extrem unwohl zu fühlen und blickte sich immer wieder fahrig um. Man könnte meinen, er würde verfolgt werden. Crocodile, der nicht so recht wusste, was er tun sollte, überließ lieber seinem Verlobten das Wort. „Law“, sagte Doflamingo, der sich um einen ruhigen Tonfall zu bemühen schien, „schön dich zu sehen. Ist alles in Ordnung? Du wirkst ziemlich nervös.“ Law ließ sich nicht viel Zeit mit seiner Antwort. „Ich habe totale Scheiße gebaut!“, erwiderte er und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, braunes Haar. „Was meinst du damit?“, hakte Doflamingo nach. „Was ist passiert?“ „Ich bin abgehauen. Verdammt, ich... ich glaube, ich habe einen Riesenfehler gemacht. Das ist alles falsch! Ich... ich hätte das nie tun dürfen!“ „Wovon redest du denn da?“, fragte Doflamingo mit besorgt klingender Stimme. Er hielt für einen Augenblick inne und blickte zu Crocodile hinüber, der kurz nickte, ehe er fortfuhr: „Am besten gehen wir erst mal rein. Setz dich hin, trink ein Glas Wasser und beruhige dich, Law.“ Doflamingo nahm ihn vorsichtig bei der Hand und lotste ihn durch das Foyer hinüber ins Wohnzimmer. Crocodile folgte den beiden auf dem Fuße. Er hatte ein äußerst ungutes Gefühl im Magen. „Ganz ruhig“, sagte Doflamingo und ließ sich neben Law auf der Couch nieder. Crocodile setzte sich auf die andere Seite. „Atme tief ein und aus. Und dann erzählst du uns, was passiert ist.“ Law tat wie ihm geheißen. Er schloss für einen kurzen Moment seine Augen und nahm zwei Atemzüge, ehe er zu erzählen begann: „Also ich... ich war heute Abend mit Kid verabredet. Du weißt schon, meinem Tätowierer. Wir gehen seit ein paar Wochen miteinander aus. Und, naja, es hat eigentlich auch alles ganz gut geklappt. Aber heute... ich war bei ihm Zuhause... wir hatten ausgemacht, dass ich bei ihm schlafe. Irgendwie ist alles schief gegangen. Dann bin ich abgehauen.“ „Was meinst du mit es ist alles schief gegangen?“, wollte Doflamingo wissen. Skeptisch hatte er eine Augenbraue hochgezogen. „Hat er dir wehgetan? Oder wollte er dich zu irgendetwas zwingen?“ „Nein, Quatsch!“, erwiderte Law sofort kopfschüttelnd. „Kid hat nichts falsch gemacht! Er ist sehr nett, auch wenn er nicht unbedingt so aussieht. Es ist meine Schuld gewesen... Ich hätte mich gar nicht erst auf ihn einlassen dürfen. Ich bin nicht bereit für eine neue Beziehung.“ „Was ist denn angeblich deine Schuld gewesen? Was genau ist überhaupt passiert?“ „Ich... wie gesagt, wir waren bei ihm Zuhause und es war geplant, dass ich dort auch übernachte. Naja, du weißt, was das bedeutet, oder? Wir wollten Sex miteinander haben“, meinte Law mit gesenkter Stimme. „Und zu Anfang war auch alles in Ordnung. Er hat für mich gekocht und wir haben miteinander geredet... aber als es dann... eben halt zur Sache ging... da hat mich irgendwie das schlechte Gewissen gepackt. Ich bin aus dem Bett geflüchtet, habe in Windeseile meine Klamotten angezogen und bin verschwunden.“ „Und wie hat Kid reagiert?“ „Der war natürlich total verwirrt“, antwortete Law. Er knetete nervös seine Hände. Crocodiles Blick fiel unweigerlich auf die Death-Tätowierung, welche die Finger seiner linken Hand zierten. „Wollte wissen, was los ist. Hat versucht mit mir zu reden. Aber ich habe einfach nur meinen Motorradschlüssel gepackt und bin weggelaufen.“ „Ich verstehe das nicht so ganz“, meinte Doflamingo stirnrunzelnd. „Warum hast du denn auf einmal Gewissensbisse bekommen? Schließlich hast du doch ehrliche Absichten mit Kid, oder nicht? Es gibt keinen Grund für ein schlechtes Gewissen.“ Daraufhin schwieg Law für eine Weile. Mit zusammengepressten Lippen fixierte er die Spitzen seiner Schuhe. Es dauerte fast zwei Minuten, ehe er mit leiser Stimme sagte: „Ich habe mich schlecht gefühlt wegen Corazon.“ Diese Aussage schien Doflamingo die Sprache zu verschlagen. Völlig verdattert blickte er Law ins Gesicht und brachte kein einziges Wort hervor. Am Ende war es Crocodile, der die unangenehme Stille durchbrach. „Corazon?“, hakte er mit verwunderter Stimme nach. „Doflamingos Bruder?“ „Ich weiß nicht, ob er dir das je erzählt hat“, meinte Law, „aber wir beide sind ein Paar gewesen, ehe Corazon... ehe er gestorben ist.“ „Er ist seit über zwei Jahren tot!“, sagte Doflamingo. Seine Stimme klang ziemlich kalt, wenn man bedachte, dass er hier über seinen eigenen Bruder sprach. „Es wird endlich Zeit, dass du darüber hinwegkommst, Law! Willst du den Rest deines Lebens damit zubringen, um ihn zu trauern? Glaubst du, Corazon hätte das gewollt?!“ „Glaubst du, er wollte sterben?!“ Es war das erste Mal, dass Crocodile miterlebte, wie Law die Stimme erhob. Aus honiggelben Augen heraus funkelte er seinen Verlobten wütend an. Crocodile fand, dass er aussah wie ein grimmiger Luchs. „Es spielt doch überhaupt keine Rolle, was er gewollt hätte oder nicht! Danach hat niemand gefragt! Das Schicksal hat ihn einfach aus meinem Leben herausgerissen! Von einem Tag auf den anderen!“ „Das weiß ich doch!“, erwiderte Doflamingo nicht minder aufgebracht. „Mir ging es genauso! Ich habe ihn auch verloren, Law! Er war mein kleiner Bruder!“ Law verstummte. Er senkte den Blick, schluckte zweimal schwer und brach dann völlig unvermittelt in Tränen aus. Crocodile, der sich äußerst unwohl fühlte und nicht wusste, wie er reagieren sollte, tätschelte verunsichert seinen Rücken. „Nein, ich... das wollte ich nicht“, gab Doflamingo bedrückt von sich und legte eine Hand über seinen Mund. „Du hast Recht“, sagte Law mit leiser Stimme, nachdem er sich einigermaßen wieder gefangen hatte. Mit dem Hemdsärmel wischte er sich über seine tränennassen Augen. „Ich weiß, dass du Recht hast, Doflamingo. Ich kann nicht mein ganzes Leben damit verbringen zu trauern. Aber das ist leichter gesagt als getan. Jedes Mal, wenn ich mich mit einem Mann treffe, der mir gefällt, kommt es mir vor als würde ich Corazon betrügen. Ich frage mich dann immer, was er denken würde, wenn er mich jetzt sähe. Ob er vielleicht enttäuscht von mir wäre oder wütend auf mich. Er ist tot. Er denkt nichts und er fühlt nichts. Das weiß ich. Aber trotzdem werde ich diese Gewissensbisse einfach nicht los.“ „Oh, Law...“ Doflamingo seufzte und fuhr sich mit der Hand durch's Haar. „Warum hast du nie davon erzählt? Ich meine, mir ist klar gewesen, dass du nach dieser Sache mit Corazon zu einem echten Eigenbrötler geworden bist... Aber ich wusste nicht, dass es daran liegt.“ „Weil ich mir dabei total bescheuert vorkomme“, antwortete Law matt. „Ich bin Chirug. Ich müsste von allen Menschen am besten wissen, dass der Tod eine rein biologische Sache ist. Das Gehirn und die Organe hören auf zu arbeiten. Fertig, aus. Corazon hat einfach aufgehört zu existieren. Es ist nicht so als würde er im Himmel auf einer Wolke sitzen und jeden meiner Schritte beobachten. Trotzdem kommt es mir so vor.“ „Vielleicht solltest du psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen“, schlug Doflamingo vor. „Mir haben die Gespräche mit meinem Therapeuten nach Corazons Tod sehr geholfen. Du würdest dort lernen, auf eine... nun ja... angemessene Art und Weise mit deiner Trauer umzugehen. Denn so wie es momentan läuft, kann es nicht für immer weitergehen, Law!“ „Dessen bin ich mir bewusst“, erwiderte Angesprochener ausweichend. „Aber ich weiß nicht, ob so eine Therapie das Richtige für mich ist. Ich arbeite sehr viel. Wahrscheinlich würde ich es allein schon aus zeitlichen Gründen nicht schaffen, mich regelmäßig mit einem Psychiater zu treffen.“ „Dann musst du dir eben die Zeit dafür nehmen“, schaltete sich nun auch Crocodile in das Gespräch ein. „Es ist nicht gut, wenn man immer nur seiner Arbeit den Vorrang gibt. Ab und an sollte man auch mal an sich selbst denken, Law. Das ist keine Schande. Ich finde, du solltest es wenigstens mal mit einer Therapie versuchen!“ „Dass ich diese Worte ausgerechnet von dir höre“, murmelte Law. Er erweckte noch immer einen ziemlich unentschlossenen Eindruck. „Dabei bist du doch sogar noch ein viel größerer Workaholic als ich, wenn man Doflamingos Worten glauben darf. Überstunden bis Mitternacht und so weiter.“ „Nicht mehr“, verteidigte Crocodile sich. „Ich habe gemerkt, dass ich ein bisschen weniger arbeiten muss, wenn ich noch genug Zeit für Doflamingo übrig haben möchte. Ich mache kaum noch Überstunden oder Wochenend-Arbeit. Wie gesagt, manchmal muss man eben zuerst an sich denken und danach erst an seinen Chef. Du solltest dir wirklich die Zeit für eine Therapie nehmen. Wenigstens ein oder zwei Termine in der Woche müssten doch machbar sein.“ „Meine Situation ist anders als deine“, hielt Law dagegen. „Ich meine das jetzt nicht böse, aber bei deinem Job geht es doch nur um Geld. Um Zinsen, Kredite, Investitionen und so weiter. Bei mir sieht das ganz anders aus: Auf meinem OP-Tisch liegen Menschen. Männer, Frauen, Kinder. Mit Familien und mit Träumen. Was ist, wenn eine junge Frau eingeliefert wird, die sofort operiert werden muss oder ansonsten stirbt? Dann kann ich doch nicht einfach sagen: Keine Zeit, ich muss zum Termin mit meinem Psychiater!“ „Und warum nicht?“, erwiderte Crocodile kühl. „Bist du etwa der einzige Chirug im Krankenhaus?“ „Manchmal habe ich alleine Schicht“, antwortete Law auf die eigentlich rhetorisch gemeinte Frage. „Manchmal“, wiederholte Crocodile. „Aber meistens sind doch auch noch andere Chirugen vor Ort, oder nicht? Dann stellt es kein Problem dar, pünktlich Feierabend zu machen und dich mit deinem Psychiater zu treffen. Und zur Not kann man so einen Termin auch auf den nächsten Tag verschieben. Es ist möglich, Law, und diese Möglichkeit solltest du wirklich in Anspruch nehmen!“ „Ich stimme Crocodile zu“, meinte Doflamingo mit zuversichtlich klingender Stimme. „Du musst endlich lernen mit Corazons Tod abzuschließen, Law. Dir liegt doch auch etwas an Kid, oder nicht? Wie soll eure Beziehung funktionieren, wenn du bei jedem Kuss und bei jedem Ich liebe dich ein schlechtes Gewissen bekommst? Kid scheint ein anständiger Kerl zu sein und er hat es nicht verdient sich wie... wie eine Affäre vorzukommen.“ „Ich glaube nicht, dass aus Kid und mir noch etwas werden wird“, erwiderte Law. Er seufzte leise auf und fixierte die Spitzen seiner Schuhe. „Immerhin habe ich heute wirklich Mist gebaut! Wer weiß, ob er mir verzeihen wird, dass ich einfach ohne jede Erklärung abgehauen bin.“ „Ruf ihn doch einfach an“, schlug Doflamingo vor. „Erklär ihm in Ruhe deine Situation. Vielleicht bringt er ja Verständnis für deine Beweggründe auf.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er immer noch etwas von mir wissen möchte.“ „Du hast nichts zu verlieren!“ Doflamingo blieb absolut hartnäckig. Er holte sogar sein Handy aus seiner Hosentasche hervor und hielt es Law vor die Nase. „Los, ruf ihn an“, forderte er ihn auf. „Worauf wartest du?“ „Jetzt?!“ Law wirkte völlig entsetzt. „Glaubst du, deine Chance steigen, je länger du wartest?“, gab Doflamingo keck zurück. Zögerlich nahm Law das Mobiltelefon entgegen. Mit zweifelnder Miene tippte er Kids Nummer ein. Als am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde, stand er panisch von der Couch auf und verließ das Wohnzimmer. Crocodile und Doflamingo blieben sitzen. Sie konnten Law im Nebenzimmer telefonieren hören. „Tut mir leid, dass unser Dinner in the Dark ins Wasser gefallen ist“, meinte Doflamingo an seinen Verlobten gewandt. Er sprach so leise, dass Law seine Worte auf keinen Fall mitbekam. „Ist schon gut“, erwiderte Crocodile und winkte ab. „Solche Dinge passieren eben. Und wenn ich an Laws Stelle gewesen wäre, hätte ich schließlich auch gewollt, dass man sich Zeit für mich nimmt und sich um mich kümmert.“ Natürlich konnte Crocodile sich deutlich Angenehmeres vorstellen als einen am Boden zerstörten Freund zu trösten, doch immerhin musste er nun keine 55 Berry ausgeben für ein Abendessen, auf das er sowieso keine große Lust gehabt hatte. Alles in allem hätte es schlimmer kommen können. „Ich hoffe, dass die beiden wieder zueinander finden werden“, murmelte Doflamingo. „Law ist viel zu lange allein gewesen. Nach Corazons Tod hat er sich praktisch in die Arbeit gestürzt. Es wurde immer schwieriger ihn dazu zu bewegen, mal mit uns in ein Restaurant oder einen Nachtclub zu gehen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn es ihm gelingt, eine Beziehung zu Kid aufzubauen und wieder glücklich zu werden.“ „Naja, wer weiß“, erwiderte Crocodile schulterzuckend. „Außerdem wäre es auch kein Weltuntergang, wenn diese Sache mit Kid nicht klappt. Manche Menschen sind auch als Single sehr glücklich. Die Hauptsache ist doch, dass wir Law dazu bewegen können eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Die Art und Weise, wie er mit seiner Trauer umgeht, ist definitiv nicht gesund.“ „Du hast Recht, was die Therapie angeht“, sagte sein Verlobter „aber trotzdem wäre es schön, wenn die beiden ein Paar werden würden. Das Single-Leben ist nicht schlecht, aber es ist viel besser einen festen Partner zu haben.“ Verwundert runzelte Crocodile die Stirn. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so ein Statement ausgerechnet von dir hören würde“, meinte er. „Hast du nicht erzählt gehabt, dass es sich bei mir um deinen allerersten festen Partner handelt? Wenn du es doch so viel besser findest vergeben als single zu sein, wieso hattest du dann vorher noch nie eine länger andauernde Beziehung?“ „Natürlich ist eine Beziehung nur dann schön, wenn man tiefergehende Gefühle füreinander hegt“, antwortete Doflamingo augenrollend. „Du bist der erste Mensch, in den ich mich verliebt habe, Crocodile. Die Männer und Frauen, mit denen ich vorher zusammen gewesen bin, waren nichts als Spielzeuge für mich. Ich habe für keinen von ihnen etwas empfunden. Und auf einer solchen Basis kann natürlich keine langfristige Beziehung entstehen. Aber bei Law und Kid sieht die Sache anders aus: Die beiden scheinen wirklich ineinander verliebt zu sein. Und deswegen hoffe ich auch, dass sie sich wieder vertragen und ihrer Beziehung eine Chance geben. Ich denke, einen Partner zu haben, dem man sich anvertrauen kann, würde Law auch in Bezug auf seine Trauerbewältigung weiterhelfen.“ „Wahrscheinlich“, gab Crocodile zu. Er wusste ja selbst, wie tröstlich es sein konnte, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Da musste er bloß an die Begegnung mit seiner Mutter zurückdenken: Zum Glück war Doflamingo für ihn da gewesen, um sich um ihn zu kümmern und ihn aufzumuntern. „Trotzdem sollte man so etwas nicht erzwingen. Viele Leute gehen eine Beziehung ein, nur um... nun ja, um eben in einer Beziehung zu sein. Ich finde, man sollte lieber auf eine Person warten, mit der man wirklich gut zusammenpasst als bloß den nächstbesten zu nehmen.“ Doflamingo legte den Kopf schief und entblößte seine strahlend weißen Zähne, während er selbstzufrieden grinste. Crocodile warf seinem Partner einen irritierten Blick zu. „So hast du es gemacht, nicht wahr?“, meinte Doflamingo. „Du warst drei Jahre lang single, bevor wir beide uns kennengelernt haben. Du bist eine sehr wählerische Person. Du hast auf den richtigen Mann gewartet - auf mich!“ „Du tust so als hätte ich mich sofort auf dich eingelassen“, dämpfte Crocodile den Enthusiasmus seines Verlobten ein wenig ab. „Vergiss nicht, dass es mehrere Woche gedauert hat, bis du mich zu einem Date überreden konntest.“ „Das liegt daran, dass du eine sehr vorsichtige Person bist.“ Doflamingo ließ sich von seiner Vorstellung nicht abbringen. „Und bereits schlechte Erfahrungen sammeln musstest, was Beziehungen angeht. Letztendlich hast du dich für mich entschieden. Das...“ Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch schluckte seine Worte stumm hinunter, als Law wieder das Wohnzimmer betrat und Doflamingo dessen Handy in den Schoß warf. Crocodile fand, dass er nicht weniger angespannt und unruhig wirkte als zuvor. Es war ziemlich seltsam, Law, den er als eine sehr ruhige und besonnene Person kennengelernt hatte, so dermaßen gereizt zu erleben. „Wie ist es gelaufen?“, fragte Doflamingo, als dieser auch nach einer halben Minute noch keinen Ton von sich gegeben hat. „Kid kommt hierher“, antwortete Law und tigerte nervös im Raum umher. „Meinte, wir sollten diese Sache lieber nicht am Telefon klären. Er fährt sofort los, hat er gesagt. Das heißt, er müsste in etwa zwanzig Minuten hier sein, wenn die Straßen nicht völlig verstopft sind.“ „Oh-oh“, machte Crocodile. Das klang verdammt schlecht. „Aber das ist doch gut, oder nicht?“, warf Doflamingo ein. „Also, dass er hierherkommt, um dich zu sehen.“ „Gut?!“ Law warf Doflamingo einen entgeisterten Blick zu. „Das ist überhaupt nicht gut! Das ist praktisch das Gegenteil von gut!“ „Wieso denn?“ Doflamingo schien überhaupt nicht zu verstehen, wo das Problem lag. Irritiert ließ er seinen Blick zwischen Crocodile und Law hin- und herschweifen. „Was ist los?“ „Wahrscheinlich möchte Kid Schluss machen“, flüsterte Crocodile seinem Verlobten zu. „Wie kommst du denn darauf? Warum sollte er dafür extra hierherfahren? Er hätte sich doch einfach per Telefon von Law trennen können. Das wäre viel einfacher und unkomplizierter gewesen.“ „Ist das dein Ernst?“ Crocodile glaubte sich verhört zu haben. „Klar ist das mein Ernst“, erwiderte Doflamingo gelassen. „Wieso sollte er sich die Mühe machen und sich in sein Auto setzen, nur um Law abzuservieren? Das ergibt doch keinen Sinn. Ich glaube nicht, dass Kid Schluss machen möchte.“ „Hast du jemals etwas von dem Wort Anstand gehört?“, zischte Crocodile. Er konnte überhaupt nicht fassen, aus welch unsentimentaler und nüchterner Perspektive sein Verlobter die Situation betrachtete. „Man beendet doch keine Beziehung am Telefon!“ „Ich habe das schon des Öfteren getan“, gab Doflamingo zu. Völlig ungerührt zuckte er mit den Schultern. „Wieso auch nicht? Wenn mir noch etwas an der anderen Person läge, würde ich mich ja schließlich gar nicht erst trennen, oder?“ „Allmählich verstehe ich, warum deine früheren Beziehungen nie lange gehalten haben, du Gentleman“, seufzte Crocodile und schüttelte fassungslos den Kopf. Ihm und auch seinen Freunden gegenüber hatte sich Doflamingo stets freundlich und zuvorkommend verhalten. Nie im Leben hätte Crocodile gedacht, dass sein Verlobter zu der Sorte Mensch gehörte, die per Anruf oder sms Schluss machte. Er selbst war jedenfalls der Ansicht, dass der (Ex)partner auf jeden Fall ein persönliches Gespräch verdient hatte, auch wenn sich ihre Wege von nun an trennen sollten. Schließlich hatte man zusammen viele Erfahrungen gesammelt und gemeinsam die eine oder andere Hürde gemeistert. Crocodile wäre niemals auch nur auf den Gedanken gekommen, eine Beziehung auf eine andere Art und Weise zu beenden. „Willst du mir etwa sagen, dass du jede Trennung mit einem Gespräch unter vier Augen durchgezogen hast?“, fragte Doflamingo mit zweifelnder Stimme. Er wirkte beinahe amüsiert. „Wenn man meine Beziehung mit Enel außen vor lässt, die (wie du ja weißt) durch einen gebrochenen Arm, mehreren gebrochenen Rippen und einer Gehirnerschütterung beendet wurde, dann: Ja, habe ich mit jedem einzelnen meiner Partner auf eine vernünftige Art und Weise Schluss gemacht. So wie es sich für einen erwachsenen Menschen gehört“, erwiderte Crocodole kühl. „Auf eine vernünftige Art und Weise?“, wiederholte Doflamingo. Noch immer erweckte er einen eher belustigten als beschämten Eindruck. „Das klingt ja fast so als wäre eine Trennung weniger schmerzhaft, wenn die Person, die du liebst, dich persönlich abschießt. Ich halte das für Schwachsinn. Es ist für denjenigen, mit dem Schluss gemacht wird, viel einfacher, wenn er nicht mit seinem Expartner konfrontiert wird. Dadurch erlaubt man ihm seine Würde zu behalten.“ „Auch wenn es vielleicht schmerzhafter ist, hat der Andere ein Gespräch verdient“, widersprach Crocodile seinem Verlobten. „Wenn man ihm bloß eine Nachricht schickt oder so etwas in der Art, macht man damit doch deutlich, dass man nichts von ihm hält. Dass er nicht einmal mehr auch nur ein einziges ausgesprochenes Wort wert ist. Ich würde mich schrecklich fühlen, wenn man mich auf diese Weise abservieren würde.“ „Na und?“, warf Doflamingo ein. „Es kann deinem Expartner doch egal sein, ob du dich gut oder schlecht fühlst. Ab dem Zeitpunkt der Trennung bist du schließlich nicht mehr sein Problem.“ Auf diese Aussage wusste Crocodile nichts mehr zu erwidern. Resigniert senkte er den Kopf und seufzte leise auf. „Versprich mir bitte jedenfalls“, meinte er, „dass du mir nicht bloß eine Nachricht schickst, solltest du beabsichtigen mit mir Schluss zu machen.“ „Keine Sorge“, antwortete Doflamingo und streckte seine langen Beine ein wenig. „Ich habe nicht vor, mich je von dir zu trennen.“ Crocodile kam nicht dazu einzuwerfen, dass wohl absolut niemand plante eine gut funktionierende Beziehung zu beenden, doch dass sich die Dinge manchmal eben auch anders entwickelten. Gerade als er den Mund aufmachen wollte, betrat ein Dienstmädchen das Wohnzimmer. „Verzeihung“, sagte das junge Mädchen, „draußen steht ein, mit Verlaub, recht heruntergekommen wirkender Mann namens Eustass Kid. Er behauptet, Herrn Trafalgar Law sprechen zu wollen. Soll ich ihn fortschicken?“ „Nein“, antwortete Doflamingo sofort. „Lasst ihn herein. Und behandelt ihn so zuvorkommend wie jeden anderen meiner Gäste auch.“ „Sehr gerne.“ Das Dienstmädchen wirkte erstaunt, doch tat wie ihm geheißen, und verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung, ehe es das Wohnzimmer wieder verließ. „Er ist da...“ Law schien mehr mit sich selbst als mit ihnen beiden zu sprechen. Er schluckte unwillig und zupfte mit der linken Hand nervös an seinen goldenen Ohrringen herum. Wieder fiel Crocodile die Tätowierung auf den fünf Fingern auf. „Ganz ruhig“, versuchte Doflamingo mit sanfter Stimme auf Law einzureden. „Erkläre Kid einfach, warum du verschwunden bist. Ich bin mir sicher, dass er Verständnis für deine Beweggründe aufbringen wird. Immerhin hast du keine böse Absicht gehabt.“ „Hoffentlich behälst du Recht“, murmelte Law mit wenig zuversichtlich klingender Stimme. Einen Moment später betrat Eustass Kid das Wohnzimmer. Er sah noch fast genauso aus wie Crocodile ihn in Erinnerung gehabt hatte: Knallrotes, vom Kopf abstehendes Haar, hellgrüne Augen, dunkler Lippenstift, dunkler Nagellack. Lediglich seine Figur hatte sich verändert: Vor zehn Jahren noch hatte es sich bei Kid um eine relativ schlanke, beinahe schon zierliche Person gehandelt. Nun war er zu einem breitschultrigen, muskulösen Mann herangewachsen. Seine Unterarme wurden auf beiden Seiten von detailreichen Tätowierungen geziert: Als Crocodile genauer hinsah, erkannte er unter Anderem eine Meerjungfrau, ein Piratenschiff und eine Chimäre. Für eine Weile sagte niemand ein Wort. Kid ließ seinen Blick stumm durch den großen, luxuriös eingerichteten Raum schweifen. Vermutlich kam er sich hier so unpassend vor wie ein Rockmusiker in der Oper. Es beeindruckte Crocodile, dass er dennoch keine Miene verzog. Lediglich als ihre beiden Blicke sich kreuzten, zog Kid überrascht eine Augenbraue hoch. Offenbar hatte er ihn sofort wiedererkannt. „Hey, Kid.“ Schlussendlich war es Laws Stimme, welche die unangenehme Still durchbrach. Sie klang so kläglich, dass Crocodile unweigerlich Mitleid für ihn empfand. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie Law sich fühlen musste. Normalerweise handelte es sich bei diesem um eine sehr besonnene und vernünftige Person. „Können wir irgendwo zu zweit miteinander sprechen?“ Kid redete nicht um den heißen Brei herum. Er hatte nicht einmal Laws Begrüßung erwidert, fiel Crocodile auf. „Ich habe keine Lust auf Publikum.“ Law nickte. Er führte Kid ins Nebenzimmer und es dauerte sehr lange, bis die beiden es wieder verließen. Das erste, was Crocodile auffiel, war Laws Gesichtsausdruck: Er wirkte nicht wirklich erleichtert, doch deutlich weniger beklommen und verzagt als zuvor. Also behielt Doflamingo am Ende doch Recht: Kid hatte den Weg hierher offenbar nicht auf sich genommen, um Schluss zu machen. „Möchtet ihr beide etwas trinken?“, fragte Doflamingo seine Gäste. „Ein Glas Wein vielleicht?“ „Ich bin mit dem Auto hier“, erwiderte Kid mit ruhiger Stimme, doch ließ sich (in einiger Entfernung zu Doflamingo) auf der Couch nieder. Die Lücke zwischen den beiden wurde von Law aufgefüllt. Crocodile saß auf der anderen Seite seines Verlobten. „Fruchtsaft?“, bot Doflamingo stattdessen an. „Limonade? Irgendetwas?“ „Einfach bloß Wasser“, antwortete Kid. „Für mich auch“, fügte Law hinzu. Doflamingo nickte und trug einem Dienstmädchen auf, sich um die Bestellungen zu kümmern. Es dauerte weniger als eine Minute, ehe die junge Frau zurückkehrte; auf dem Tablett, das sie in ihren Händen trug, standen drei große Wassergläser und eine dampfende Kaffeetasse. Der Kaffee war selbstverständlich für Doflamingo. (Crocodiles Magen vertrug solch bittere Getränke nicht. Weil er so gut wie immer stilles Mineralwasser trank, hatte sein Partner gleich eines für ihn mitbestellt.) „Und?“ Jeder von ihnen hatte mindestens fünf Schlücke genommen, ehe Doflamingo es wagte, das betretene Schweigen zu brechen. „Wie schaut es nun aus mit euch beiden?“ Crocodile empfand diese direkte Frage als ein wenig unhöflich und unsensibel, doch wies seinen Verlobten nicht zurecht. Um ehrlich zu sein, interessierte es ihn ebenfalls, wie nun eigentlich der Stand der Dinge war. „Nun ja...“ Law räusperte sich. „Ich habe Kid von der... der Sache erzählt. Du weißt schon, mit Corazon.“ Doflamingo blickte auffordernd zu Kid hinüber, der mit den Schultern zuckte. „Was soll ich dazu sagen?“, meinte Kid mit recht unwillig klingender Stimme. Er schien die Neugier seines Gastgebers als ziemlich unangenehm zu empfinden, was Crocodile ihm kaum verübeln konnte. „Ich hab's verstanden. Also, wo das Problem liegt. Ich hoffe, dass wir das in den Griff bekommen. Mehr gibt es da eigentlich nicht zu sagen. Ob es mit Law und mir klappt oder nicht, wird sich dann zeigen.“ „Es freut mich, dass du Verständnis für Law aufbringst und ihm eine Chance gibst“, erwiderte Doflamingo freundlich lächelnd und nahm einen großen Schluck Kaffee. „Ich habe das Gefühl, dass ihr gut zueinander passt und dass aus euch beiden wirklich etwas werden könnte.“ „Jeder hat sein Päckchen zu tragen“, gab Kid relativ gleichmütig klingend zurück. „Niemand ist perfekt.“ „Da hast du wohl Recht“, stimmte Crocodile ihm zu. Seine Worte waren relativ gedankenverloren gewesen, doch trotzdem schaute Kid ihn eine Weile lang aus aufmerksamen Augen heraus an. Dabei schweifte sein Blick auch immer wieder zu dem Armstumpf auf seiner linken Seite hinüber. Schließlich schien er nicht mehr widerstehen zu können und sagte: „Ich habe mich oft gefragt, was aus dir geworden ist, Crocodile. Aber wenn ich mir diesen Palast hier ansehe, scheinst du doch ein ganz gutes Los gezogen zu haben.“ Seine Worte klangen nicht hämisch, sondern überraschend freundlich und sanft. „Ihr kennt euch?“ Die Verwunderung war überdeutlich aus Laws Stimme herauszuhören. „Dein Freund hat mir mal das Leben gerettet“, erklärte Crocodile ihm. „Das... das Leben gerettet?“, wiederholte Law und blickte irritiert zu Kid hinüber, der eine wegwerfende Handbewegung machte. „Das klingt viel heroischer als es in Wirklichkeit war“, meinte er leicht pikiert. „Ich habe eigentlich nicht viel getan.“ „Wenn du nicht gewesen wärst, dann würde ich jetzt nicht hier sitzen.“ Crocodile sah keinen Grund, wieso er untertreiben sollte. Seine Worte entsprachen vollends der Wahrheit: Hätte Kid nicht für ihn angehalten und sich um ihn gekümmert, wäre er definitiv gestorben. Es war praktisch Rettung in letzter Sekunde gewesen. „Ich habe dir boß ein paar Schlücke Wasser gegeben und die Ambulanz gerufen“, spielte Kid seine Mithilfe herunter. „Das ist nun wirklich nicht der Rede wert. Es waren die Sanitäter, die dein Leben gerettet haben. So Leute wie Law. Chirugen, die kein Problem damit haben, zersplitterte Knochen und Innereien und solche Dinge zu sehen. So einer bin ich nicht. Ich meine... ich musste sogar kotzen, als ich dich da liegen gesehen habe.“ „Redet ihr etwa über den Unfall, bei dem du deine Hand verloren hast?“, hakte Law vorsichtig nach. Crocodile nickte. „Motorradunfall. Ist inzwischen etwa zehn Jahre her. Ich wurde im Gebirge zwischen einer Felswand und einem anderen Fahrzeug eingeklemmt. Kid ist zufällig an der Unfallstelle vorbeigekommen“, fasste er die Geschichte so knapp wie möglich zusammen. Er hatte zwar kein Problem damit über dieses Ereignis zu sprechen, doch hielt es trotzdem für klüger die blutigen Details auszusparen. „Oh Gott“, machte Law und bedeckte seinen Mund mit der Hand. „D-das ist ja furchtbar!“ Angesichts dieser Reaktion runzelte Crocodile irritiert die Stirn. „Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet dich so eine Geschichte schockiert. Hast du nicht praktisch jeden Tag ein schwer verletztes Unfallopfer auf dem OP-Tisch liegen?“ „Schon“, lenkte Law ein. „Aber es ist ein großer Unterschied, ob es sich um irgendeine fremde Person handelt oder um jemanden, den man persönlich kennt.“ „Dieser Unfall ist lange her“, sagte Crocodile schulterzuckend. „Es gibt wirklich keinen Anlass, um einen großen Wirbel darum zu machen. Ich komme im Alltag wunderbar mit nur einer Hand zurecht. Mit der Computertastatur bin ich sogar schneller als die meisten meiner Arbeitskollegen.“ „Crocodile hat Recht“, warf Kid rasch ein. Ihm wurde die ganze Diskussion offenbar allmählich unangenehm. „Es gibt eigentlich keinen Grund, um diese Sache breitzutreten...“ Doch Law schnitt ihm unversehens das Wort ab. „Gerade weil du dich nicht sonderlich eingeschränkt zu fühlen scheinst, bin ich immer davon ausgegangen, dass du ganz einfach bloß mit einer Hand geboren worden wärst. Da dies jedoch nicht der Fall ist, frage ich mich, wieso du keine Prothese trägst. So eine Prothese kann zum Beispiel Phantomschmerzen deutlich lindern.“ „Ähm...“, machte Crocodile unbeholfen. Er fühlte sich von Laws Interesse ziemlich überrumpelt. „Ich persönlich habe nie Erfahrungen mit Phantomschmerzen gemacht. Worüber ich übrigens ziemlich froh bin. Shanks zum Beispiel hat mir erzählt, dass er lange Zeit darunter gelitten hat. Aber, nun ja, wie gesagt, ich bin davon zum Glück nicht betroffen gewesen.“ Law, ganz der Mediziner, nickte aufgeregt. „Um ehrlich zu sein, hielt ich Phantomschmerzen früher für ausgemachten Blödsinn“, erzählte er. „Aber dann habe ich mit einigen Patienten zu tun gehabt, die nach der Amputation eines Körperteils dieses Phänomen erlebten. Obwohl der Stumpf vollkommen verheilt war, spürten sie hin und wieder Schmerzen. Die meisten Patienten beschrieben ein unangenehmes Kribbeln, aber manche berichteten auch von sehr extremen Schmerzen, so als wäre die Wunde ganz frisch. Ich habe mich ein bisschen in die Thematik eingelesen und herausgefunden, dass es tatsächlich eine biologische Ursache für Phantomschmerzen gibt: Nervenbahnen, die am Stumpf abrupt enden, senden gelegentlich falsche Signale ans Gehirn. Der Körper glaubt dann praktisch, dass der Verlust des Körperteils ganz neu ist und schüttet fälschlicherweise Schmerzhormone aus. Dagegen hilft eine Prothese: Man legt sich im Prinzip selbst herein, indem man versucht dem Gehirn Glauben zu machen, das Körperteil wäre noch da. Faszinierend, nicht wahr?“ „Ich denke schon“, sagte Crocodile, der sich mit diesem Gespräch ein wenig überfordert fühlte. Diesen Umstand schien zum Glück auch Kid zu bemerken. „Ganz ruhig, Law“, meinte er in einem beinahe schon amüsiert klingenden Tonfall. „Wir sitzen hier nicht in einer Medizin-Vorlesung.“ „Man wird doch wohl noch was interessant finden dürfen, oder nicht?“, gab Law (leicht rosa im Gesicht) zurück und nahm einen großen Schluck Wasser. Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile miteinander und bestellten insgesamt noch vier- oder fünfmal Getränke nach. Um ehrlich zu sein, empfand Crocodile die gemeinsamen Unterhaltungen als ziemlich angenehm. Kid war lange nicht so ungebildet und rüpelhaft wie sein äußeres Erscheinungsbild es vermuten ließ. Eigentlich war er sogar ein ziemlich angenehmer Gesprächspartner. Lediglich Doflamingo vermochte es seine gute Laune ein wenig zu dämpfen. „Keine Sorge“, flüsterte er ihm ins Ohr, als Kid und Law ein wenig miteinander kabbelten, „das Dinner in the Dark holen wir dann nächstes Wochenende nach. Versprochen!“ * Nach diesem Abend bürgerte es sich bei ihnen ein, dass Kid und Law des Öfteren vorbeischneiten. Manchmal kamen sie bloß auf einen Kaffee herein, doch hin und wieder dauerte ein Besuch auch mehrere Stunden. Dann aßen sie gemeinsam zu Abend, sahen sich einen Film an oder unterhielten sich einfach bloß entspannt miteinander. Crocodile erfuhr eine ganze Menge über Eustass Kid: Dass dieser als Tätowierer arbeitete, war ihm bereits bekannt gewesen, doch es überraschte ihn, als er erfuhr, dass Kid von dieser Tätigkeit leben konnte. Früher hatte dieser sich meistens mit irgendwelchen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten; Barkeeper oder Türsteher oder so etwas in der Art. Doch nun besaß er seit einer Weile ein eigenes Tattoo-Studio, das wohl ziemlich gut lief. Wohnen tat er immer noch in der Nähe der Gold-Roger-Brücke, genauso wie vor zehn Jahren. Heute war Law ohne Kid da. „Er muss arbeiten“, erklärte Law auf Doflamingos verwunderten Blick hin, kaum dass er durch die Türe gekommen war. „Einer seiner Kunden hat auf einen Termin am Abend bestanden.“ „Schade“, meinte Doflamingo. „Später kommen auch Bellamy, Vergo und Monet vorbei. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, um sie miteinander bekannt zu machen.“ „Mach dir nichts draus“, erwiderte Law und zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Das wird sicher nicht die letzte Gelegenheit sein.“ Seit Law sich Kid offenbart hatte und regelmäßig zu seiner Therapie ging, wirkte er deutlich fröhlicher und ausgelassener als vorher. Man könnte meinen, ihm wäre eine riesige Last von den Schultern genommen worden. Crocodile bemühte sich darum sich für Law zu freuen, doch nicht selten packte ihn der Neid: Er würde alles dafür geben, um sich genauso unbeschwert und befreit zu fühlen wie er. Gegen einundzwanzig Uhr erschienen die übrigen Gäste. Doflamingo hatte sie zum Abendessen eingeladen und wie üblich tischte er fürstlich auf: Als Vorspeise gab es Paprika-Tatar mit Wachtelei, Gemüse-Pilz-Suppe und Antipasti-Salat. Beim Hauptgericht durfte man zwischen Entenbrust mit Orangen-Preiselbeersauce, Lachsfiletröllchen mit Wasabi-Pürree und gegrillten Lamm-Koteletts wählen. Und wenn dann immer noch ein kleines bisschen Platz im Bauch war, konnte man hinterher beim Schokoladen-Souffle, Tiramisu oder Vanille-Eis mit Erdbeeren zulangen. Dass Kid heute verhindert war, dachte Crocodile insgeheim und schob sich einen Bissen Lammfleisch in den Mund, war vielleicht gar nicht so schlecht. Er konnte sich ziemlich gut vorstellen, wie erschlagen sich der mittelständische Tätowierer von diesem festlichen Abendessen fühlen würde. Bestimmt hätte er nicht damit gerechnet gehabt, hier praktisch ebenso gut zu speisen wie in einem Fünf-Sterne-Restaurant. Eine solche Mahlzeit gönnten sich normale Menschen vielleicht einmal im Jahr zum Hochzeitstag; für einen reichen Mann wie Doflamingo handelte es sich jedoch um eine Selbstverständlichkeit. Sie waren gerade bei dem Nachtisch angekommen, als plötzlich einer der Angestellten ihre gesellige Runde unterbrach. „Verzeihung, Herr Donquixote“, sagte er und verbeugte sich kurz vor seinem Arbeitgeber, „Herr Disko aus Namibia ersucht dringend ihr Gehör. Offenbar handelt es sich um einen Notfall.“ Der junge Mann hielt ihm ein Mobiltelefon hin (nicht Doflamingos privates Handy, fiel Crocodile sofort auf), welches dieser nach kurzem Zögern entgegennahm. „Entschuldigt mich bitte einen Moment“, meinte er an seine Gäste gewandt, ehe er mit dem Telefon am Ohr aus dem Speisesaal verschwand. „Offenbar ist Kid nicht der einzige, der heute Abend nicht von der Arbeit loskommt“, sagte Law in einem teils resigniert, teils belustigt klingenden Tonfall. „Doflamingo ist eben ein sehr wichtiger Mann“, erwiderte Crocodile schulterzuckend. Ihm machte die Unterbrechung nichts aus. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass es ab und an nun einmal Anrufe gab, die nicht warten konnten. Daher verübelte er seinem Verlobten nicht, dass dieser sich im Augenblick lieber um dringende Geschäfte kümmerte als um ihre Runde. „Ich finde es gut, dass du so viel Verständnis für Doflamingos berufliche Situation aufbringst“, fuhr Law fort. Er steckte sich einen Löffel Tiramisu in den Mund. „Viele seiner früheren Beziehungen sind daran kaputt gegangen, dass die Frauen und Männer einfach nicht verstehen konnten, wieso er überhaupt arbeitet. Sie dachten sich, dass er den ganzen Tag lang nichts tun würde außer Spaß zu haben. Schließlich ist er unglaublich reich. Die meisten von ihnen haben sich vernachlässigt gefühlt, wenn er seiner Arbeit mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihnen. “ „Vermutlich haben sie selbst nie einen Beruf ausgeübt, der viel Verantwortungsbewusstsein fordert“, mutmaßte Crocodile, „und sind darum nicht in der Lage nachzuvollziehen, wie wichtig ein einzelnes Telefongespräch oder Geschäftsessen sein kann. Bei mir ist das anders: Ich habe selbst eine hohe Position inne und kenne solche Situationen nur zu gut.“ Law nickte. „Ihr beide seid in dieser Hinsicht sozusagen auf einer Wellenlänge“, sagte er. „Das ist auf jeden Fall eine Stärke eurer Beziehung. Auch, dass du viel Geld verdienst. Also... Nein, so habe ich das gemeint! Ich wollte eigentlich sagen... nun ja, dass du anders bist als die meisten Exfreunde und -freundinnen von Doflamingo. Neunundneunzig Prozent von denen waren nämlich bloß hinter seinem Vermögen her. Sie erwarteten ständig teure Geschenke und so weiter. Bei dir ist das anders. Du bringst selber einen üppigen Gehaltscheck nach Hause und musst nicht deinen Freund um Schmuck und Geld anbetteln. Dein Lebensstandard ist nicht von deinem Partner abhängig. Verstehst du, was ich meine?“ „Ich denke schon“, gab Crocodile mit leiser Stimme zurück. Um ehrlich zu sein, war es ihm ausgesprochen peinlich, dass Law davon ausging, er würde jeden Monat einen üppigen Gehaltscheck nach Hause bringen. Schließlich wendete er fast seinen gesamten Lohn auf, um seine ausstehenden Schilden zu tilgen. Und außerdem verdiente er trotzdem bei weitem nicht so viel wie sein Verlobter. „Dein Verlobungsring ist ein ganz gutes Beispiel“, fuhr Law fort und schob seinen leeren Dessert-Teller von sich. „Die meisten Frauen und Männer, mit denen Doflamingo zusammen war, wären angesichts dieses Schmuckstücks vollkommen ausgeflippt. Immerhin hat er für dein Ring knapp eine Millionen Berry ausgegeben. Aber du gehst völlig gelassen damit um und siehst in ihm hauptsächlich seinen symbolischen Wert. Das finde ich wirklich klasse. Du und Doflamingo - ihr passt einfach sehr gut zusammen.“ Plötzlich fühlte sich Crocodiles Kehle staubtrocken an. Er verschluckte sich an der Erdbeere, die er sich gerade in den Mund gesteckt hatte, und musste fürchterlich husten. Law klopfte ihm auf den Rücken, doch trotzdem gelang es Crocodile nicht sich zu beruhigen. Zu den Schmerzen in seinem Brustkorb, die durch den Hustenanfall hervorgerufen worden waren, gesellte sich ein unangenehmer Knoten in seiner Magengegend. Ich muss mich verhört haben, dachte er panisch und trank ein Schluck Wasser. Es ist absolut unmöglich, dass mein Verlobungsring eine Millionen Berry wert ist! Das ist doch absurd! „Doflamingo hat mir erzählt, dass du beim Kauf mit dabei gewesen bist“, sagte Crocodile und bemühte sich um einen möglichst unbekümmert klingenden Tonfall. „Und dass du ihm davon abgeraten hättest, mir schon nach drei Monaten Beziehung einen Antrag zu machen. Weil du der Meinung bist, man sollte mindestens ein Jahr lang warten, ehe man sich verlobt.“ Grinsend trank Law einen Schluck Champagner. „Das stimmt“, gab er zu. „Nun ja, du weißt wohl am besten, wie Doflamingo drauf ist: Er neigt dazu, sich sehr schnell in Dinge hineinzusteigern. Ich wollte einfach vermeiden, dass er eure Beziehung zerstört, indem er mal wieder vorschnell handelt. Immerhin würde ich dich als eine ziemlich bodenständige und rational denkende Person einschätzen. Ich bin mir ziemlich sicher gewesen, dass du schnell die Flucht ergriffen hättest, wenn Doflamingo dir schon nach so kurzer Zeit einen Heiratsantrag gemacht hätte. Nach nur drei Monaten sind die meisten Beziehungen noch zu fragil für einen so großen Schritt.“ „Da hast du wohl Recht“, murmelte Crocodile. Und weil er unbedingt noch einmal auf den Kaufpreis seines Verlobungsringes zurückkommen wollte, fügte er mit ein wenig lauterer Stimme hinzu: „Aber, ähm, sag mal, Law: Wie ist das beim Kauf eigentlich abgelaufen? Wusste Doflamingo sofort, welchen Ring er mir schenken möchte? Oder musstet ihr beide lange suchen?“ Diese Frage entlockte Law ein genervtes Seufzen. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele verschiedene Ringe er sich hat zeigen lassen. Ich glaube, Silver Rayleigh musste einmal das komplette Sortiment ausräumen. Es hat Stunden gedauert, bis Doflamingo endlich einen Ring gefunden hatte, der ihm hundertprozentig gefiel.“ Silver Rayleigh, dachte Crocodile und senkte den Blick, einer der teuersten Juweliere des ganzen Landes. Er erinnerte sich daran, dass Akainu sich dort einmal ein Paar Manschettenknöpfe gekauft hatte. Die kleinen, roten Knöpfe hatten mehr gekostet als Crocodile in einem ganzen Monat verdiente. Es fiel ihm nicht schwer sich vorzustellen, dass dort auch Ringe im Wert von einer Millionen Berry verkauft wurden. Also hatte er sich doch nicht verhört. Allein mein Verlobungsring macht mich zu einem Millionär, dachte Crocodile niedergeschlagen, und trotzdem habe ich nicht mehr als fünfunddreißig Berry für meinen neuen Haarschnitt bezahlt. Das ist doch wirklich Ironie des Schicksals! Crocodile presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, als er mit dem Daumen vorsichtig über den Ring an seinem Finger strich. Überdeutlich konnte er den grünen Edelstein erfühlen. Dieses winzige Ding war mehr wert als sein Auto. Wenn ich ihn verkaufen würde, schoss es ihm unweigerlich durch den Kopf, könnte ich all meine Schulden auf einen Schlag tilgen und hätte sogar noch genug Geld über, um mir einen Ferrari zu kaufen. Aber natürlich ging das auf keinen Fall. Es handelte sich um seinen Verlobungsring. Doflamingo würde es ihm niemals verzeihen, wenn er ihn weggab. Just in diesem Augenblick betrat sein Verlobter wieder den Speisesaal. Das Telefongespräch mit dem Geschäftspartner aus Namibia schien ihm die Laune verdorben zu haben: Anstatt des üblichen Grinsens, zierten nun ein paar Stirnfalten sein Gesicht. „Was ist passiert?“, fragte Crocodile im Flüsterton, als Doflamingo sich neben ihn hinsetzte. „Nichts von Bedeutung“, log dieser und winkte ab. „Möchtest du noch ein paar Erdbeeren haben, Croco?“ Bevor er schlafen ging, legte Crocodile seinen Schmuck normalerweise auf den Nachttisch neben seinem Bett. Er hatte nie viele Gedanken an dieses Ritual verschwendet. Doch dieses Mal brachte er es nicht über sich, seinen Verlobungsring vom Finger zu streifen. Es kam ihm viel zu fahrlässig vor. Was, wenn er herunterfällt und unter dem Teppich oder hinter einem Schrank landet?, schoss es ihm durch den Kopf, als er sich auf die Bettkante setzte. Ich würde ihn nie wieder finden. Eine Millionen Berry wären einfach weg. Verschwunden. Vom Erdboden verschluckt. Ganz zu schweigen von dem Theater, das Doflamingo veranstalten würde, wenn er erfuhr, dass er seinen Verlobungsring verloren hatte. Crocodile wurde übel, als er daran dachte, dass er ihn oft einfach auf dem Waschbeckenrand gelegt hatte, wenn er ein Bad nehmen wollte. Es war pures Glück, dass das kleine Ding nicht längst im Abfluss gelandet war. Schlussendlich entschied Crocodile sich dazu, auf Nummer sicher zu gehen. Er trug einem Angestellten auf, ihm einen kleinen Zimmersafe zu besorgen. Dort legte er den wertvollen Ring hinein und wählte als Zahlenkombination das Geburtsdatum seines Verlobten. Doch kaum hatte er die Türe des Safes geschlossen, öffnete er sie gleich wieder. Doflamingos Geburtsdatum, dachte Crocodile und kam sich unfassbar blöd vor. Jeder, der mich kennt, würde sofort darauf kommen. Ich brauche einen sichereren Code. Ein halbes Dutzend Versuche brauchte Crocodile, ehe er endlich zufrieden war. Am Ende hatte er sich für eine Kombination entschieden, die aus Mihawks Hausnummer, Hancocks Geburtsmonat und den letzten beiden Ziffern der Handynummer von Daz bestand. Crocodile knöpfte gerade sein Hemd auf, als Doflamingo aus dem Badezimmer kam. Er hatte sich eine ausgiebige Dusche gegönnt und war bloß mit einem Handtuch, das er lose um die Hüften trug, bekleidet. Natürlich sprang ihm der Zimmersafe sofort ins Auge. „Was soll das denn?“, fragte er und zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Da ist mein Ring drin“, antwortete Crocodile, dem so plötzlich keine glaubhafte Ausrede einfiel. „Und wieso hast du ihn da hineingetan?“, bohrte sein Partner mit leicht amüsiert klingender Stimme nach. „Naja...“ Crocodile verstummte für einen Moment, ehe er erklärte: „Ich habe mich beim Abendessen ein wenig mit Law unterhalten. Wir haben auch über meinen Verlobungsring gesprochen. Ähm, wie wichtig sein symbolischer Wert ist und wie viel Mühe du dir bei der Auswahl gegeben hast. Da ist mir klar geworden, dass ich es mir nie verzeihen könnte, wenn ich ihn verlieren würde. Also habe ich ihn zur Sicherheit in einen Safe getan.“ „Willst du ihn etwa für immer da drin liegen lassen?“, wollte Doflamingo wissen und brach in lautes Gelächter aus. Er schien das Verhalten seines Verlobten für unfassbar belustigend zu halten. „Ich habe diesen Ring für dich gekauft, damit du ihn trägst und nicht damit er in einem Safe verfault.“ „Ich hole ihn morgen früh wieder raus“, erwiderte Crocodile pikiert. Um ehrlich zu sein, verletzte es ihn, dass Doflamingo seine Sorgen nicht ernst zu nehmen schien. „Ich lasse ihn nur über Nacht im Safe.“ „Ich wusste ja, dass du manchmal ein bisschen paranoid bist“, erwiderte sein Partner prustend, „aber Wani, mal im Ernst: Das ist komplett bescheuert! Wie willst du den Ring denn nachts überhaupt verlieren? Du legst ihn abends vor dem Schlafengehen doch immer auf den Nachttisch.“ „Er könnte herunterfallen“, wendete Crocodile ein. „Das ist in den letzten Monaten nicht ein einziges Mal passiert. Ehrlich, Baby, du machst dir zu viele Sorgen. Leg den Ring einfach auf den Nachttisch und gut ist.“ Allmählich spürte Crocodile, dass Wut in seinem Magen zu brodeln begann. „Sei doch froh, dass ich mir Sorgen mache!“, sagte er entrüstet. „Würde es dir besser gefallen, wenn mein Verlobungsring mir völlig egal wäre? Stell dir nur einmal vor, ich würde ihn tatsächlich verlieren! Fändest du das etwa nicht schlimm?“ „Nichts schlimm ist der falsche Ausdruck“, meinte Doflamingo. „Natürlich wäre ich nicht begeistert, aber ich wäre auch nicht wütend. Jeder verliert mal etwas, das ist nur menschlich.“ „Man verliert bloß Dinge, auf die man nicht gut genug aufpasst!“, erwiderte Crocodile hastig. „Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, jemals etwas verloren zu haben.“ „Wo ist dann das Problem?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Wenn du ein so ordentlicher Mensch bist, dass du nie etwas verlierst, warum solltest du dann ausgerechnet deinen Verlobungsring verlieren? Du machst dich völlig umsonst verrückt, Wani. Versuch bitte dich zu beruhigen.“ „Du verstehst das einfach nicht“, seufzte Crocodile und fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. „Mein Ring... er ist so unfassbar viel wert...“ Es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, sich auf die Zunge zu beißen und seine Aussage in eine andere Richtung zu lenken: „Ich meine, dieser Ring bedeutet mir so unglaublich viel. Du hast ihn mir auf den Finger gesteckt, als du mich gefragt hast, ob du mich heiraten möchtest! Und Law hat mir erzählt, dass du stundenlang gesucht hast, ehe du dich schließlich für diesen Ring entschieden hast. Er hat einen riesigen symbolischen Wert. Er ist absolut unersetzlich. Und deswegen möchte ich unter keinen Umständen das Risiko eingehen ihn zu verlieren!“ „Ich verstehe, was du meinst“, sagte Doflamingo und legte die Hände auf seine Schultern, „und ich finde es wirklich niedlich, dass du dir Gedanken machst. Aber versuch bitte ein bisschen weniger paranoid zu sein, Crocodile. Es ist alles in Ordnung.“ Er beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf den Mund. Kaum berührten Doflamingos Lippen die seinen, spürte Crocodile, wie er tatsächlich ein wenig ruhiger wurde und seine Muskeln sich entspannten. Er schloss seine Augen und erwiderte den Kuss. Der Moment wäre romantisch gewesen, wenn er nicht die Erektion seines Partners unter dem dünnen Handtuch spüren würde. „Denkst du jemals an etwas anderes als Sex?“, fragte er leise seufzend. „Selten“, gab sein Verlobter keck grinsend zurück, „zumindest wenn wir beide allein sind. Schlimm?“ „Heute nicht“, gab Crocodile sich geschlagen und ließ zu, fass Doflamingos warme Hände das offene Hemd von seinen Schultern zogen. * Es war Donnerstagnachmittag. Crocodiles Laune war äußerst schlecht, weil Doflamingo ihn dazu überredet hatte mit ihm zusammen ins Einkaufszentrum zu gehen, obwohl er viel lieber Zuhause geblieben wäre und etwas für die Arbeit getan hätte. Bis Montag musste er noch zwei Berichte für Franky verfassen. Crocodile hätte diese Aufgabe gerne heute erledigt, damit er am Wochenende ein bisschen entspannen konnte, doch es war ihm nicht gelungen sich gegenüber Doflamingo durchzusetzen. Am Ende hatte er (wie fast immer) klein bei gegeben und sich dem Willen seines Verlobten gebeugt. Crocodile gab sich keine Mühe, seinen Unwillen zu verbergen. Mit herabgezogenen Mundwinkeln und in Falten gelegter Stirn ließ er sich von Doflamingo durch Bekleidungsgeschäfte und Frozen-Joghurt-Shops ziehen. Um ehrlich zu sein, fühlte er sich nicht bloß deshalb schlecht, weil er den heutigen Tag lieber Zuhause verbracht hatte. Ihn frustrierte auch diese Welt des bunten Konsums, die sein Partner ihm vor Augen führte. Schicke Hemden, goldene Armbanduhren, teure Parfüms... Früher, bevor ihm gekündigt wurde, war er hin und wieder ganz gerne einkaufen gegangen. Er hatte zwar nie stundenlange Shopping-Touren unternommen, doch stöberte gelegentlich gemeinsam mit seiner Schwester durch ein paar Läden. Nun allerdings hatte seine finanzielle Situation sich drastisch geändert. Nichts von all den teuren Dingen, die ihm hier präsentiert wurde, konnte Crocodile sich erlauben. Und je länger er sich in diesem Einkausfzentrum aufhielt, desto mieser wurde seine Laune. Lustlos beobachtete er seinen Partner dabei, wie dieser in tausende Berry teure T-Shirts und Hosen schlüpfte; nach etwas über einer Stunde weigerte er sich sogar überhaupt irgendeinen Laden noch zu betreten. Im Gegensatz zu Doflamingo, der zwei volle Tüten mit allerhand Schnickschnack spazieren trug, hatte er nichts gekauft. Crocodile war furchtbar genervt und wollte einfach bloß nach Hause fahren. „Was ist denn nur los mit dir?“, fragte Doflamingo mit enttäuschter Stimme. Zu Beginn ihres ausgedehnten Einkaufsbummels hatte er sich sichtlich darum bemüht seinen Verlobten ein wenig aufzumuntern. Doch jeder Versuch war kläglich gescheitert. Crocodiles Laune war bloß noch weiter gesunken. Inzwischen hatte sie ihren absoluten Tiefpunkt erreicht. „Ich will nach Hause“, jammerte er. „Können wir uns nicht einfach auf den Rückweg machen? Du hast bestimmt ein halbes Dutzend Klamotten gekauft. Meinst du nicht, das reicht für heute?“ „Stell dich nicht so an“, gab Doflamingo zurück. „Wir sind seit kaum einer Stunde unterwegs. Ich verstehe einfach nicht, warum du jetzt schon so müde bist!“ „Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich keine Lust auf Shopping habe!“, meinte Crocodile erbost. „Aber du hast es ja für eine tolle Idee gehalten, mich zu zwingen!“ „Ich habe dich überhaupt nicht gezwungen“, erwiderte Doflamingo, der sich ertappt zu fühlen schien. „Glaub mir: Ich wäre nicht hier, wenn ich eine Wahl gehabt hätte“, hielt Crocodile augenrollend dagegen. „Die Arbeit war heute ziemlich anstrengend und bis Montag muss ich zwei Berichte schreiben. Aber nein: Du wolltest unbedingt einkaufen gehen und natürlich ist das Wort unserer königlichen Hoheit Gesetz!“ „Du tust glatt so als hätte ich dich am Kragen gepackt und hierhin geschleift!“, warf sein Verlobter ihm vor. „Du weißt doch genau, wie unnachgiebig du sein kannst“, erwiderte Crocodile. „Du hättest mich den ganzen Abend lang genervt, wenn ich nicht mit dir hierhin gefahren wäre. Da bin ich mir absolut sicher.“ „Nun ja“, sagte Doflamingo, „es schadet dir nicht, wenn du mal aus dem Haus kommst. Du bist ein totaler Workaholic und gönnst dir viel zu selten ein bisschen Spaß.“ „Es macht mir hier aber keinen Spaß“, maulte Crocodile. „Ich bin erschöpft und meine Füße tun weh.“ „Wir könnten eine Pause machen“, schlug Doflamingo vor. „Uns in ein Cafe setzen oder so. Würde es dir dann besser gehen?“ „Ich will einfach bloß nach Hause“, erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. „Jetzt sei doch nicht so“, maulte sein Partner. „Ich möchte noch bleiben. Von mir aus darfst auch du entscheiden, in welchen Laden wir beide als nächstes gehen. Immerhin hast du noch gar nichts Passendes gefunden.“ „Ich habe auch nichts gesucht“, gab Crocodile kühl zurück. Seufzend fuhr er sich mit der Hand durch sein Haar. Diese Diskussion strapazierte seine Nerven ganz furchtbar. „Hör mal“, schlug er, vor, „warum gehst du am Wochenende nicht zusammen mit Bellamy oder Dellinger shoppen? Dann könnt ihr euch so viel Zeit nehmen wie ihr möchtet.“ „Weil es mir darum geht gemeinsam mit dir etwas zu unternehmen!“, entgegnete Doflamingo aufgebracht. „Du bist mein Verlobter, nicht Bellamy oder Dellinger! Ich möchte mit dir Zeit verbringen!“ „Aber warum denn ausgerechnet hier? Und warum ausgerechnet heute?“ „Man kann es dir nie recht machen! Egal, ob gestern, heute oder morgen! Du hast nie Lust irgendetwas zu unternehmen!“ „Letztes Wochenende sind wir beim Dinner in the Dark gewesen!“, hielt Crocodile dagegen. „Ach, und deswegen gibt es keinen Grund mehr, um diesen Monat das Haus zu verlassen oder wie?“ „Du weißt ganz genau, dass ich nicht so ein geselliger Mensch bist wie du!“ Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um seinen Verlobten nicht wütend anzubrüllen. „Ich muss nicht jeden Nachmittag in der Woche im Einkaufszentrum, Restaurant oder wo auch immer verbringen, um mich wohlzufühlen!“ „Du bist ein furchtbarer Langeweiler!“, warf Doflamingo ihm vor und zeigte mit seinen Einkaufstüten anklagend auf seine Brust. „Am liebsten würdest du...“ Dieser Vorwurf war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Crocodile kannte kein Halten mehr. „Na und?“, schnitt er seinem Partner zornig das Wort ab. „Dann bin ich eben nicht so ein aufgedrehter Idiot wie du! Damit habe ich kein Problem! Aber du verstehst das einfach nicht! Du glaubst, dass alle Menschen nach deiner Pfeife tanzen müssen, bloß weil du Geld und Einfluss hast! Aber bei mir klappt das nicht!“ Er holte tief Luft und fügte hinzu „Lieber bin ich ein Langeweiler als ein so verdammter Egoist wie du!“, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und in Richtung Fahrstuhl hastete. Doflamingo lief ihm hinterher. „Hey“, sagte er kleinlaut und griff nach seinem Handgelenk, „warte bitte!“ Crocodile schüttelte stumm seinen Verlobten ab und verschwand hastig im Fahrstuhl, dessen Türen gleich hinter ihm schlossen. Doflamingo blieb im Erdgeschoss des Einkaufszentrums zurück, während Crocodile nach oben fuhr. Im ersten Stock stieg eine weitere Person dazu. Crocodile erkannte den gut gekleideten Mann, der sich ungefähr in seinem Alter befand und blondes Haar hatte, im ersten Moment gar nicht. Er musste zweimal hinsehen, ehe er sich wirklich sicher war, um wen es sich handelte. Marco hingegen erkannte ihn sofort. „Hey, Crocodile“, begrüßte ihn sein Exfreund freundlich. „Wie geht’s?“ „Gut“, antwortete Crocodile aus einem Reflex heraus. „Und dir?“ „Danke, mir geht es auch gut“, antwortete Marco. Seine Stimme klang noch ganz genauso weich und angenehm wie damals. Ansonsten hatte sein Exfreund sich jedoch stark verändert, fiel Crocodile auf: Er wirkte viel gepflegter und erwachsener als früher. Inzwischen trug er auch seine Haare anders: Als sie beide noch zur Universität gingen, hatte er sich die Seiten ausrasieren lassen. Crocodile erinnerte sich noch gut daran, wie furchtbar er diese Frisur immer gefunden hatte. Im Streit hatte er Marco deswegen manchmal sogar Ananas-Schädel genannt. „Es ist wirklich schön dich wiederzusehen“, sagte sein Exfreund und lächelte charmant. „Wie lange ist es her? Zehn Jahre? Nein, es müssen mehr sein. Zwölf, dreizehn?“ „Könnte hinkommen“, meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sagen sollte. Er fühlte sich ein wenig überfordert angesichts dieses plötzlichen Zusammentreffens. Außerdem machte ihm der Streit mit Doflamingo zu schaffen. „Hast du vielleicht Lust auf einen Kaffee? Um der alten Zeiten willen? Oh, warte, du trinkst ja keinen Kaffee... Wie wäre es mit einem Frozen-Joghurt oder so etwas?“ „Ähm“, sagte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand verlegen über den Unterarm, „ich weiß nicht so recht...“ Was würde bloß Doflamingo denken, wenn er ihn dabei erwischte, wie er mit seinem Exfreund zusammen Kaffee (oder Frozen-Joghurt) trank? „Komm schon“, meinte Marco und griff nach seinem Handgelenk. Als die Türen des Fahrstuhls sich wieder öffneten, zog er ihn kurzerhand nach draußen und führte ihn in Richtung des unweit entfernten Frozen-Joghurt-Shops. „Da ist doch nichts dabei. Wir löffeln bloß ein bisschen Joghurt und unterhalten uns miteinander. Ich würde zu gerne erfahren, was aus dir geworden ist.“ „Ich glaube wirklich nicht, dass das eine gute Idee ist“, erwiderte Crocodile. Ihm gefiel es nicht, dass Marcos Hand seinen Unterarm noch immer fest umschlossen hielt. Der Griff war nicht schmerzhaft, doch Crocodile empfand ihn als äußerst unangenehm. Diese Geste gehörte sich nicht für zwei Leute, die sich zum ersten Mal seit über zehn Jahren zufällig wieder begegnet waren. „Jetzt sei doch nichts so“, meinte sein Exfreund mit unbefangen klingender Stimme. Sie hatten den Frozen-Joghurt-Shop schon beinahe erreicht. „Weißt du schon, welche Sorte du möchtest? Ich gebe uns aus. Früher standest du immer auf Erdbeere, weißt du noch?“ „Marco!“, erwiderte er ungestüm und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. „Ich will keinen verdammten Frozen-Joghurt!“ „Hier gibt es bestimmt auch Wasser“, erwiderte Marco, der Crocodiles Gegenwehr einfach ignorierte und seinen Griff um dessen Handgelenk sogar noch verstärkte. „Such dir einfach etwas aus!“ „Lass! Mich! Los!“, befahl Crocodile mit verzweifelter Stimme und versuchte erfolglos sich loszureißen. Inzwischen begann sein Handgelenk zu schmerzen und er war sich ziemlich sicher, dass er blaue Flecken davontragen würde. Ihm sagte ganz und gar nicht zu, in welche Richtung sich diese Begegnung entwickelte. „Bist du taub, du verdammtes Arschloch?!“ Diese rüden Worte stammten nicht von Crocodile, sondern von Doflamingo, der plötzlich neben ihnen beiden aufgetaucht war. Mit seinen zusammengezogenen Augenbrauen und seiner angespannten Körperhaltung wirkte er alles andere als friedfertig, fand Crocodile. „Was willst du denn hier?“, fragte Marco missgelaunt und ohne von ihm abzulassen. „Lass ihn los“, befahl sein Verlobter mit gefährlich ruhiger Stimme, „oder ich breche dir die Nase.“ Crocodile war sofort klar, dass es sich nicht um eine leere Drohung handelte. Um zu vermeiden, dass die Situation eskalierte, versuchte er erneut sich aus Marcos schraubstockartigen Griff herauszuwinden, doch er hatte keine Chance. „Marco“, sagte er währenddessen an seinen Exfreund gewandt, „tu, was er sagt! Du handelst dir sonst bloß unnötigen Ärger ein!“ „Was willst du überhaupt mit so einem Zirkusclown?! Hast du dir mal...“ Marco kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, denn er musste auf äußerst schmerzhafte Art und Weise lernen, dass dieser Zirkusclown im Moment nicht zum Scherzen aufgelegt war. Mit einer einzigen gezielten Bewegung schlug Doflamingo ihm ins Gesicht. Der Hieb war so stark, dass Marco nach hinten auf den Boden fiel. Aus Reflex ließ er Crocodiles Handgelenk los, der sofort einige Meter Sicherheitsabstand zwischen sich und seinem verrückt gewordenen Exfreund brachte. „Bist du komplett bescheuert?!“, rief Marco wutentbrannt und betastete mit der Hand vorsichtig seine blutende Nase. Offenbar war sie wirklich gebrochen. „Dasselbe könnte ich dich fragen“, gab Doflamingo kühl zurück. „Du widerliche rosa Ballerina!“ Mit hasserfüllten Blicken taxierte Marco Crocodiles Verlobten. „Das wirst du noch büßen! Ich zeige dich an wegen Körperverletzung! Mein Vater ist Anwalt!“ Diese Aussage brachte Doflamingo unwillkürlich zum Lachen. „Tu das ruhig“, sagte er grinsend und machte eine wegwerfende Handbewegung. Diese unbekümmert wirkende Reaktion schien Marco aus dem Konzept zu bringen. Er zögerte einen kurzen Augenblick, ehe er sagte: „Ich meine es ernst, du Schwuchtel! Schon mal was von der Kanzlei Phoenix gehört? Ich werde dich auf Schmerzensgeld verklagen! Das sind mindestens 50.000 Berry, die du blechen musst! Wenn nicht mehr! Darauf schwöre ich!“ „50.000 Berry“, wiederholte Doflamingo mit leiser Stimme. Er griff in die Innentasche seiner Jacke, holte sein Portemone hervor und zählte laut die darin befindlichen Geldscheine ab, bis er auf eine Summe von 50.000 gekommen war. „Dann bringe ich zur Gerichtsverhandlung lieber meine Kreditkarte mit. Ich habe nämlich immer gern ein bisschen Kleingeld in der Tasche. Man weiß ja nie, was passiert.“ Der absolut entsetzte Gesichtsausdruck, den Marco aufsetzte, entschädigte Crocodile beinahe schon wieder für sein schmerzendes Handgelenk. Leider fasste dieser sich relativ schnell wieder. „So ist das also“, meinte er und warf Crocodile einen verachtungsvollen Blick zu. „Eigentlich dachte ich, du wärst ein Mann mit Klasse, aber am Ende stellst du dich bloß als billige Nutte heraus. Wie viel zahlt diese Transe dir, damit du ihm einen bläst?“ „Junger Mann“, schaltete sich plötzlich eine dunkelhaarige Frau ein, die auf ihrer Höhe stehen geblieben war, „hüten Sie ihre Zunge!“ Crocodile war es gar nicht wirklich aufgefallen, doch in der Zwischenzeit hatte sich eine kleine Menschenmenge um sie herum gebildet. Viele Schaulustige waren stehen geblieben, um zu sehen, was passiert war. „Halten Sie sich gefälligst raus!“, schnauzte Marco die Frau unfreundlich an. „Außerdem habe ich jedes Recht darauf wütend zu sein! Sehen Sie nicht, dass diese Schwuchtel mir die Nase gebrochen hat?!“ „Da sind Sie selber Schuld“, rief ein junger Mann in kariertem Hemd, der ein bisschen weiter hinten stand. „Ich habe alles genau gesehen: Sie haben den dunkelhaarigen Herrn am Handgelenk gepackt und durch die Gegend gezerrt!“ „Ich habe ihn überhaupt nicht gezerrt!“, versuchte Marco sich zu verteidigen. „Wir waren mal zusammen und ich wollte ihn auf einen Frozen-Joghurt einladen! Das ist doch wohl nicht verboten!“ „Er hat sich aber gewehrt und versucht von Ihnen loszukommen“, hielt der Mann im karierten Hemd dagegen. „Sie haben ihn gegen seinen Willen mit sich geschleppt und das ist sehr wohl verboten!“ Anschließend wandte er sich an Doflamingo: „Wenn dieser Typ Sie tatsächlich verklagen will, können Sie mich gerne als Zeugen aufrufen. Ich kann es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn irgendwelche Leute meinen sie könnten sich alles erlauben, bloß weil sie einen reichen Daddy haben!“ „Danke“,erwiderte Doflamingo in einem unwahrscheinlich freundlich klingenden Tonfall. „Das ist sehr nett von Ihnen.“ „Trotzdem darf mir diese Schwuchtel nicht einfach die Nase brechen!“ Marcos Stimme klang inzwischen völlig verzweifelt. Offenbar war er sogar den Tränen nahe. „Das war Notwehr“, schaltete sich ein anderer Schaulustiger ein. „Außerdem hat er Sie vorgewarnt und Ihnen die Chance gegeben loszulassen. Wer nicht hören will, muss fühlen. So einfach ist das!“ Für diese Aussage erntete er sogar Applaus von den umstehenden Menschen. Auch wenn Crocodile sich darüber freute, dass sein anscheinend übergeschnappter Exfreund in seine Schranken gewiesen wurde, begann er sich ein wenig unwohl zu fühlen. Schließlich hatte er überhaupt nicht beabsichtigt, solch einen Trubel zu verursachen. So unauffällig wie möglich zupfte er am Hemdsärmel seines Verlobten. „Könen wir jetzt bitte endlich gehen?“, fragte er mit leiser Stimme. „Vorher holen wir noch einen Frozen-Joghurt für dich“, erwiderte Doflamingo. „Ich will keinen verdammten Frozen-Joghurt!“, erwiderte Crocodile aufgebracht. Um ehrlich zu sein, kam er sich gerade wirklich auf den Arm genommen vor.„Ich dachte eigentlich, das wäre deutlich genug geworden. Im Ernst: Ich mag dieses Zeug nicht einmal!“ „Damit kannst du dein Handgelenk kühlen“, meinte sein Partner, „wegen dem Hämatom. Danach können wir uns von mir aus auf dem Heimweg machen.“ Im Auto drückte Crocodile wie ihm geheißen das kalte Joghurt-Getränk gegen sein malträtiertes Handgelenk. Inzwischen schmerzte es nicht mehr und wenn er Glück hatte, würden nicht einmal blaue Flecken zurückbleiben. „Jedes Mal, wenn wir etwas unternehmen, laufe ich einem verrückten Ex über den Weg und kriege was ab“, sagte Crocodile leise seufzend. „Verstehst du jetzt, warum ich nicht gerade ein riesiger Fan von öffentlichen Orten bin?“ „Ist gut“, antwortete Doflamingo, der sich nicht ganz sicher zu sein schien, ob diese Aussage ernst gemeint war oder nicht. „Das Wochenende verbringen wir beide Zuhause.“ „Du hättest ihm aber wirklich nicht die Nase brechen dürfen“, fuhr Crocodile fort. „Das war doch ein bisschen übertrieben. Du verlierst viel zu leicht deine Beherrschung, Doflamingo.“ „Ernsthaft?“ Lachend zog sein Verlobter eine Augenbraue hoch. „Glaub mir, ich habe mich bereits zusammengerissen. Immerhin habe ich ihn vorgewarnt und ihm die Möglichkeit gegeben dich loszulassen. Diese Sache hätte auch friedlich gelöst werden können. Es ist so wie dieser Mann im Einkaufszentrum gesagt hat: Er ist selbst Schuld. Wer nicht hören will, muss fühlen! Mir tut dieser Mistkerl jedenfalls überhaupt nicht leid.“ „Mir auch nicht“, gab Crocodile zu. Er schwieg für eine Weile, ehe er fortfuhr: „Ich verstehe das nicht. Früher, als wir beide noch studierten, ist er ganz anders gewesen. Er war sehr nett und freundlich. Ich hätte nie geglaubt, dass er sich einmal in solch einen Arsch verwandeln würde.“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Menschen verändern sich“, sagte er gelassen, „manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Da kann man nichts gegen tun.“ „Vermutlich hast du Recht“, seufzte Crocodile. Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster. Die Welt draußen zog mit fünfzig Stundenkilometern an ihm vorbei. „Warum hast du damals eigentlich mit ihm Schluss gemacht, wenn er so nett und freundlich gewesen ist?“, hakte sein Verlobter nach. Crocodile überraschte diese Frage nicht. „Er hat jeden Tag Alkohol getrunken“, erklärte er ohne den Blick von der Fensterscheibe abzuwenden. „Seine Zeit immer auf Parties und in Nachtclubs verschwendet, anstatt sich um seine Zukunft zu kümmern. Vermutlich ist er davon ausgegangen, dass er als Sohn eines erfolgreichen Anwalts im Leben alles zugespielt bekäme und sich um nichts kümmern müsste. Diese Mentalität hat mich tierisch geärgert.“ „Du bist eben wirklich ein Langeweiler“, meinte Doflamingo. Er brach in lautes Gelächter aus und ließ sich auch von dem Hieb mit dem Ellbogen, den Crocodile ihm verpasste, nicht beeindrucken. * Doflamingo hielt sein Versprechen und zwang ihm am kommenden Wochenende nicht dazu die Villa zu verlassen. Doch wie immer fand er eine Lücke im Vertrag. „Ich habe gesagt, dass wir beide Zuhause bleiben“, erklärte sein Verlobter auf Crocodiles missbilligenden Blick hin. „Davon, dass wir beide allein Zuhause bleiben, ist nie die Rede gewesen!“ „Ich dachte, es ging darum ein bisschen zur Ruhe zu kommen“, jammerte Crocodile, der sich ein Stück weit betrogen fühlte. Er hatte sich auf einen entspannten Fernsehabend zu zweit gefreut und war nicht sonderlich begeistert von der Aussicht sich mit Doflamingos zum Teil doch recht exzentrischen Freunden herumschlagen zu müssen. „Es sind bloß zehn, fünfzehn Leute“, versuchte dieser ihn zu beschwichtigen. „Keine richtige Party.“ „Keine richtige Party“, wiederholte Crocodile. Ihn konnten die Worte seines Partners nicht überzeugen. „Deswegen hast du auch einen DJ gebucht. Eine Bar aufbauen lassen. Und Kellner bestellt, die umherlaufen und Snacks verteilen. Weil es keine richtige Party ist.“ „Du weißt, dass ich mich immer darum bemühe ein guter Gastgeber zu sein“, verteidigte sich Doflamingo. Crocodile wusste, dass er bei diesem Gespräch nicht gewinnen konnte. Also gab er sich geschlagen. „Was du hier veranstaltest, ist in erster Linie deine persönliche Sache“, meinte er schließlich in einem resigniert klingenden Tonfall. „Mich geht das Ganze nicht an. Feiere mit deinen Freunden keine richtige Party, wenn du möchtest. Ich verziehe mich nach oben in mein Zimmer und schreibe meine Berichte.“ Doch natürlich ließ ihn Doflamingo das nicht durchgehen. „Bitte, Wani“, bettelte er mit vorgeschobener Unterlippe. „Es würde mich wirklich freuen, wenn du mit dabei wärst.“ „Ich habe aber keine Lust auf eine Party“, entgegnete er stur. „Es ist ja auch keine richtige Party“, wendete sein Partner ein und brachte ihn auf diese Weise unweigerlich zum Lächeln. „Ein oder zwei Stunden“, meinte Crocodile schließlich augenrollend. Es gehörte mit zu seinen größten Schwächen, dass er Doflamingo nie etwas abschlagen konnte. Daran musste er unbedingt arbeiten. „Aber nicht länger. Später möchte ich meine Ruhe haben.“ „Ist in Ordnung“, antwortete Doflamingo und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um ihn darauf hinzuweisen, dass er nicht seiner Erlaubnis bedurfte. Um ehrlich zu sein, waren die ein oder zwei Stunden, die er seinem Verlobten versprochen hatte, bei weitem nicht so schlimm wie befürchtet. Crocodile trank ein bisschen Rotwein, schnappte sich hin und wieder Bruschetta vom Tablett eines vorbeihuschenden Kellners und unterhielt sich mit den Gästen. Neben Law, Kid, Monet, Bellamy, Dellinger, Violet, Vergo und den anderen üblichen Verdächtigen waren auch ein paar Menschen anwesend, die Crocodile kaum oder sogar gar nicht kannte. „Unglaublich, wie viele Leute Doflamingo kennt“, merkte er gegenüber Monet und Kuma an. „Ich habe das Gefühl, bei jeder Party sind irgendwelche Neuen dabei.“ „Doflamingo ist eine sehr gesellige Person“, stimmte Kuma ihm zu. „Es fällt ihm leicht neue Bekanntschaften zu schließen. Das ist eine seiner größten Stärken, denke ich.“ „Da hast du Recht“, meinte auch Monet und gluckste fröhlich. Sie hatte bereits mehrere Gläser Champagner getrunken. „Er lernt auch auf wirklich ungewöhnlichem Wege neue Freunde kennen. Ich weiß gar nicht, ob ihr je darüber gesprochen habt, Crocodile, aber Doflamingo und ich haben uns kennengelernt, indem er aus Versehen meinen Wagen gerammt hat. Ich hatte bei einer Kreuzung das Rechts-vor-Links übersehen und er konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen.“ „Doch“, erwiderte Crocodile kühl und nahm einen Schluck Rotwein, „davon hat er mir mal erzählt gehabt.“ Nachdem ich selbst einen schweren Autounfall gebaut hatte, fügte er in Gedanken hinzu. Allerdings sagte er mir, er hätte dir die Vorfahrt genommen und nicht anders herum. Er wusste nicht so recht, was er von dieser unerwarteten Erkenntnis halten sollte. „Ich hoffe, dass niemand verletzt wurde.“ „Nein, zum Glück nicht“, meinte Monet unbekümmert. „Doflamingo war bloß ziemlich sauer. Sein Cadillac war nämlich brandneu gewesen. Holming hatte ihm den zu seinem Geburtstag geschenkt.“ Holming war der Name von Doflamingos Vater, erinnerte Crocodile sich. „Ich weiß noch ganz genau, wie böse er dreingeblickt hat, als er aus seinem demolierten Wagen gestiegen ist. Aber er hat sich schnell wieder eingekriegt. Ich glaube, sein Vater hat dann auch die Reparatur bezahlt.“ „Ich habe Doflamingo über Corazon kennengelernt“, erklärte Kuma mit gedankenverlorener Stimme. „Wir haben gemeinsam studiert. Es ist wirklich schade, dass er nicht mehr bei uns ist.“ „Mir fehlt er auch sehr“, sagte Monet. „Er hat immer für gute Stimmung gesorgt. Manchmal freiwillig, manchmal unfreiwillig. Weißt du noch, als er an Doflamingos sechsundzwanzigsten Geburtstag gestolpert und mitten in der Torte gelandet ist? Das werde ich nie vergessen! Wie kann man bloß so ungeschickt sein?“ Unauffällig entfernte Crocodile sich von der kleinen Gesprächsrunde. Ihm ging noch immer nicht aus dem Kopf, was Monet zu dem Verkehrsunfall gesagt hatte. Warum hatte Doflamingo ihn angelogen? Vielleicht um ihn zu trösten? Es dauerte nicht lange, bis er seinen Verlobten fand. Er unterhielt sich gerade mit Kid über Tattoos. Unweigerlich bekam Crocodile einen kleinen Teil ihres Gespräches mit. „Ich würde dir auf jeden Fall davon abraten, dir seinen Namen tätowieren zu lassen“, hörte er Kid mit ernster Stimme sagen. „Ich habe schon viele Menschen getroffen, die diesen Schritt irgendwann bereut haben. Law ist ein ganz gutes Beispiel: Sein halber Körper ist voll mit Tätowierungen, die ihn an Corazon erinnern. Und sieh dir an, wohin das geführt hat.“ „Dasselbe hat Crocodile auch gesagt“, erwiderte Doflamingo mit resignierter Stimme. „Er ist auch dagegen. Also nicht gegen Tattoos generell, sondern gegen seinen Namen auf meiner Haut.“ „Doflamingo“, unterbrach Crocodile kurzerhand das Gespräch der beiden. Er tat so als hätte er nicht mitbekommen, worüber sie sich unterhalten hatten. „Können wir kurz reden?“ „Klar“, antwortete sein Verlobter mit ein wenig verdattert klingender Stimme. Er schenkte Kid ein entschuldigendes Lächeln, ehe er Crocodile hinaus ins Foyer folgte. „Was gibt es denn?“ „Ich habe gerade eben mit Monet gesprochen“, sagte er ohne Umschweife. Es ging ihm nicht darum, Doflamingo ein schlechtes Gewissen zu machen. Um ehrlich zu sein, war er nicht einmal wütend. Crocodile wollte bloß eine Erklärung für diese Lüge haben. „Sie hat mir von einer Sache erzählt, die mir keine Ruhe mehr lässt. Ich bin nicht sauer... Ich würde nur gern deine Beweggründe wissen. Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?“ Doflamingo tat etwas, was er nur sehr selten tat: Er seufzte laut auf. Crocodile beobachtete außerdem, wie er einen äußerst unwilligen Gesichtsausdruck aufsetzte und die Arme vor der Brust verschränkte. Offenbar fühlte er sich im Augenblick alles Andere als wohl in seiner Haut. „Wir hatten vereinbart, dass sie dir nichts davon erzählt“, sagte er mit belegter Stimme. „Ich glaube, sie ist betrunken“, versuchte Crocodile Monet in Schutz zu nehmen. Er hatte nichts gegen sie und wollte ihr keinen Ärger machen. „Es war eine einmalige Sache“, meinte Doflamingo und senkte den Blick. „Und wir beide sind noch nicht zusammen gewesen. Ich verspreche dir, dass zwischen mir und Monet nichts mehr läuft. Absolut gar nichts!“ „Du... du hast mit ihr geschlafen?“ Crocodile versuchte ein bisschen Speichel unter seiner Zunge hervorzukramen, doch sein Mundraum fühlte sich staubtrocken an. Um zu verhindern, dass er loshustete, presste er seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Er war vollkommen fassungslos. „Nun ja“, erwiderte sein Verlobter schwach. „Was hast du denn gemeint?“ „Den Autounfall, bei dem ihr beide euch kennengelernt habt“, sagte Crocodile. Er war so perplex, dass er es nicht einmal schaffte, seiner Stimme einen wütenden Ton zu verleihen. „Du hast mir gesagt, du hättest ihr die Vorfahrt genommen. Und Monet hat eben genau dieselbe Geschichte erzählt, nur andersherum. Ich... ich... ihr hattet Sex?!“ Allmählich drang die volle Bandbreite dieser neuen Erkenntnis bis zu ihm durch. „Wie gesagt“, meinte Doflamingo hektisch, „das ist passiert, bevor wir beide ein Paar wurden. Ich... du kannst mir keinen Vorwurf machen! Wir waren noch nicht zusammen, ich habe dir nichts geschuldet! Und es war auch nur eine One-Night-Stand! Ich war betrunken! Wir beide waren betrunken!“ „Wie lange ist das her?“, wollte Crocodile wissen. Sein Partner jaulte verzweifelt auf. „Do-fla-min-go“, Crocodile betonte jede einzelne Silbe überdeutlich, „wann ist dieser One-Night-Stand passiert?!“ „Vor etwas mehr als elf Monaten“, gestand Doflamingo schließlich. „Wir beide sind seit elf Monaten ein Paar“, stellte er in einem Flüsterton fest. Und als ihm klar wurde, was das bedeutete, wurde er plötzlich vollkommen ungehalten. Crocodile verlor die Kontrolle über sich und seine Zunge. „Du hast mit ihr geschlafen, kurz bevor wir beide ein Paar wurden?“, brüllte er und konnte nicht verhindern, dass ihm die Verzweiflung überdeutlich anzuhören war. „Wir hatten uns schon kennengelernt! Du hast mich um eine Verabredung gebeten! Und bist kurz danach mit ihr ins Bett gestiegen?! Sag mal, hast du sie noch alle? Verfügst du auch nur über ein Quäntchen Anstand? Du fragst mich, ob ich mit dir essen gehen möchtest, und steckst kurz darauf deinen Schwanz in den Schlitz irgendeiner Frau?!“ „Es war eine einmalige Sache“, wiederholte sein Verlobter, der sich ernsthaft darum zu bemühen schien, dieses Gespräch nicht eskalieren zu lassen. „Ich fühlte mich einsam, nachdem ich mit Bonney Schluss gemacht hatte. Und du warst so unnahbar... Du hast meine Bitte um ein Date abgelehnt... Ich wollte einfach bloß meinen Frust ablassen. Dieser Sex hatte nichts zu bedeuten. Weder für mich noch für Monet. Wir haben hinterher darüber geredet und beschlossen, dass wir lieber Freunde bleiben sollten.“ „Freunde“, hauchte Crocodile entsetzt. „Du gehst eine Beziehung mit mir ein und stellst mir Monet als Freundin vor - ohne mir zu erzählen, dass ihr was miteinander hattet! Ich habe mich in den letzten Monaten so oft mit ihr unterhalten, mit ihr zusammen gelacht ohne zu wissen, was zwischen euch beiden war! Kannst du dir auch nur im Mindesten vorstellen, wie verletzt und betrogen ich mich fühle, du gottverdammtes Arschloch?! Sag mal, kannst du deinen Schwanz nicht mal eine Woche lang in deiner Hose lassen?!“ „Ich habe dich nicht betrogen!“ Nun wurde auch sein Verlobter laut. „Ich würde dich nie, niemals betrügen! Ich liebe dich, Crocodile! Das ist passiert, bevor wir beide miteinander ausgegangen sind!“ „Und das soll ich dir glauben?“ Seine Wut verflog so urplötzlich wie sie gekommen war. Stattdessen liefen ihm auf einmal Tränen über das Gesicht. „Du hast mir nichts davon erzählt! Du hast mich einfach im Dunkeln gelassen! Wie soll ich dir glauben, dass dieser Sex vor unserer Beziehung passiert ist? Wie soll ich dir jemals wieder irgendetwas glauben?!“ Crocodile spürte, dass ihm die ganze Sache zu viel wurde. Sein Blickfeld verschwamm. Durch die vielen Tränen fühlten sich seine Augen warm und weich an. „Ich muss jetzt gehen“, sagte er mit erstickter Stimme, machte auf dem Absatz kehrt und lief davon so schnell er nur konnte. bye sb Kapitel 24: Kapitel 12 (zensiert) --------------------------------- Als Crocodile am Sonntagabend nach Hause zurückkehrte, fand er seine Schwester Hancock vor: Mit bleichem Gesicht und geröteten Augen saß sie auf der Couch neben Doflamingo, der ihr mit der einen Hand tröstend über den Rücken strich und mit der anderen ein nur noch halb volles Paket Taschentücher festhielt. „Hancock...“ Crocodile wusste nicht, was er sagen sollte. Es war nicht das erste Mal, dass seine gutaussehende Schwester eine Trennung durchlebte, doch selten zuvor hatte er Hancock, die eigentlich eine sehr bodenständige und selbstsichere Person war, so furchtbar niedergeschlagen erlebt. Kaum dass sie ihn erblickte hatte, brach sie unweigerlich in Tränen aus. Doflamingo deutete mit einer unwirschen Kopfbewegung an, dass er sich neben ihren weinenden Gast auf die Couch setzen sollte. Verunsichert tat Crocodile wie ihm geheißen. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, ahmte er seinen Verlobten nach und strich seiner Schwester sanft über den Rücken. Hancock lehnte sich in die Berührung hinein, doch reagierte ansonsten überhaupt nicht auf ihn. Sie sprach nicht mit ihm, schaute ihm nicht einmal ins Gesicht. Crocodile sah scheu zu Doflamingo hinüber, der auf Hancocks anderer Seite saß, doch der Blick seines Partners blieb unter den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen. Auch er sagte kein Wort, doch über Hancocks Rücken hinweg tätschelte er kurz seine Hand. Crocodile, der sich im Augenblick extrem unwohl fühlte, wollte gerade vorschlagen, gemeinsam ein bisschen Scotch zu trinken, um die Stimmung ein wenig aufzulockern, doch biss sich zum Glück gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. Hancock war schwanger, deshalb durfte sie natürlich keinen Alkohol trinken. Allmählich wurde Crocodile das volle Ausmaß ihrer Situation wirklich bewusst: Seine jüngere Schwester war völlig überraschend verlassen worden von dem Mann, den sie für ihre große Liebe gehalten hatte. Nein, eigentlich war es noch weitaus schlimmer - nicht nur sie selbst, sondern auch ihre ungeborene Tochter war von Luffy im Stich gelassen worden. Sie stand nun ganz alleine da. War gezwungen, ohne Hilfe eines Partners ihr Kind großzuziehen. Der Traum von der glücklichen Familie war von einem Tag auf den anderen geplatzt. Crocodile schluckte. „Hancock“, sagte er und wischte sich über den Mund. „Ich weiß, das ist sicher bloß ein schwacher Trost, aber ganz egal, was auch passieren mag: Ich bin immer für dich da. Und Doflamingo natürlich auch. Du darfst gerne so lange hierbleiben, wie du möchtest. Wir kümmern uns um dich. Immerhin sind wir eine Familie.“ „Danke“, brachte Hancock nach einer Weile mit schwacher Stimme hervor. Sie zog geräuschvoll die Nase hoch, nahm ein weiteres Taschentuch von Doflamingo entgegen und blickte zum ersten Mal in das Gesicht ihres Bruders. „Es wäre nett, wenn ich noch ein paar Tage bleiben könnte. L-luffy ist gerade bei mir Zuhause, um seine Sachen zusammenzupacken und ich... ich, nun ja, will ihm im Moment nicht begegnen.“ „Klar“, sagte Crocodile. „Kein Problem.“ „Aber ich möchte keinem zur Last fallen...“ Hancock wischte sich eine Haarsträhne aus dem nassen und bleichen Gesicht. „Du warst doch das ganze Wochenende beruflich unterwegs, Crocodile. Wenn du lieber ein wenig allein sein möchtest mit Doflamingo, könnte ich das natürlich vollkommen verstehen. Ich habe einen Schlüssel für Mihawks Haus. Er ist zwar zurzeit nicht da, aber es würde ihm sicher nicht ausmachen, wenn ich...“ „Unsinn!“, würgte Crocodile seine jüngere Schwester sofort ab. „Ich hätte dir nicht angeboten, dass du hierbleiben darfst, wenn es mir etwas ausmachen würde. Du fällst keinem zur Last, versprochen.“ „Crocodile hat Recht“, schaltete sich nun auch Doflamingo in ihre Unterhaltung ein. „Du gehörst zur Familie, Hancock. Wir haben dich sehr gerne hier bei uns.“ „Danke“, sagte Hancock erneut. Ihre Stimme klang noch immer schwach, aber nicht mehr so verzweifelt wie gerade eben noch. „Das ist sehr nett von euch beiden.“ In den folgenden Tagen bemühten sowohl Crocodile als auch Doflamingo sich darum, Hancock ein wenig aufzumuntern. Sie leisteten ihr so oft wie möglich Gesellschaft (Doflamingo machte für seine Schwägerin sogar täglich eine Stunde früher Feierabend), gaben bei der Küche ihre Lieblingsgerichte durch und schauten sich abends gemeinsam ihre Lieblingsserie an. Es dauerte eine Weile, doch zu Crocodiles Erleichterung begann seine Schwester sich allmählich wieder zu fassen; zumindest brach sie nicht mehr ständig unvermittelt in Tränen aus und außerdem redete sie auch wieder mehr. Trotzdem lösten ihre Sorgen sich nicht in Luft auf. „Eigentlich hatten wir geplant, dass Luffy nach seinem Schulabschluss ein Jahr Zuhause bleibt, um sich um unsere Tochter zu kümmern“, erklärte Hancock. „Durch mein Nagelstudio verdiene ich genug Geld, sodass wir uns diese Rollenverteilung relativ problemlos hätten leisten können. Aber jetzt, wo die Situation sich geändert hat, weiß ich nicht mehr, was ich machen soll: Ich möchte meine Tochter nicht gleich nach der Geburt Vollzeit in eine Betreuung geben. Damit würde ich am liebsten warten, bis sie mindestens ein oder zwei Jahre alt ist. Aber ich kann es mir auch nicht leisten, für sie Zuhause zu bleiben: Wer kümmert sich dann um mein Nagelstudio? Ich stecke in einer völlig ausweglosen Situation fest!“ Noch bevor Hancock zu Ende gesprochen hatte, war Crocodile klar, was sein Verlobter erwidern würde. Und tatsächlich enttäuschte Doflamingo ihn nicht: „Mach dir keine Sorgen, Hancock. Ich habe mehr als genug Geld. Und ich würde mich freuen, wenn ich deine Tochter und dich unterstützen könnte!“ „Nein, bitte, das geht nicht“, winkte Hancock jedoch sofort ab. „Ich möchte keine Almosen annehmen!“ „Es sind doch keine Almosen“, wendete Doflamingo mit eindringlicher Stimme ein. „Du bist meine Schwägerin, Hancock! Für mich ist eine Selbstverständlichkeit, dich in einer Notlage zu unterstützen. Schließlich würdest du für mich dasselbe tun.“ „Ich bin doch noch gar nicht deine Schwägerin“, gab Hancock halb glucksend, halb schniefend zurück. „Du und Crocodile seid noch gar nicht verheiratet.“ Obwohl Doflamingos Augen wie immer hinter den Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen blieben, wusste Crocodile ganz genau, dass sein Partner sie genervt rollte. „Du bist ein genauso schlimmer Erbsenzähler wie dein Bruder!“, warf er ihr vor, während er die Arme vor der Brust verschränkte. „Du gehörst zu Crocos Familie, also gehörst du auch zu meiner Familie. So sehe ich das.“ „Das ist sehr nett“, sagte Hancock, die angesichts dieser Worte zum ersten Mal seit Tagen wieder lächelte. „Aber ich kann dein Angebot trotzdem nicht annehmen, Doflamingo. Ich möchte auf eigenen Beinen stehen und ein Vorbild für meine Tochter sein.“ „Warum nutzt du deine Situation nicht, um dein Geschäft zu vergrößern?“, schlug Crocodile vor, der sehr gut nachvollziehen konnte, dass Hancock sich unwohl fühlte bei dem Gedanken, eine riesige Summe Geld einfach geschenkt zu bekommen. „Du könntest zum Beispiel für ein Jahr aus deinem Job aussteigen, um dich um deine Tochter zu kümmern. Für diese Zeit stellst du eine Vertretung ein, die dich im Nagelstudio ersetzt. Und wenn deine Tochter alt genug ist, um außer Haus betreut zu werden, steigst du wieder ein und arbeitest gemeinsam mit deiner Vertretung weiter.“ „Das klingt nach einem guten Plan“, stimmte Doflamingo ihm zu. „Aber damit wären wir wieder beim alten Problem“, warf Hancock ein. „Ich kann nicht einfach ein Jahr lang auf mein Einkommen verzichten. Ganz zu schweigen von der Bezahlung einer zusätzlichen Arbeitskraft. Ich meine, natürlich habe ich ein paar Ersparnisse, aber die werden auf keinen Fall ausreichen, um diese Idee umzusetzen.“ „Wenn du keine Almosen annehmen möchtest, hätte ich einen anderen Vorschlag für dich“, meinte Doflamingo. „Wie wäre es mit einem zinslosen Kredit? Ich könnte dir genug Geld leihen, damit du die Vergrößerung deines Geschäfts verwirklichen kannst.“ „Ich weiß ja nicht...“ Hancock wirkte verunsichert. „Ich würde einen Kredit über mehrere zehntausend Berry benötigen. Das ist eine riesige Menge Geld. Ich weiß nicht, ob ich mir so viel leihen möchte. Hinterher bin ich vielleicht nicht dazu in der Lage, das Geld zurückzuzahlen, weil mein Nagelstudio doch nicht so gut läuft wie geplant.“ „Ich biete dir einen Kredit ohne jegliches Risiko an“, sagte Doflamingo und leckte sich mit der Zunge über die Unterlippe. „Sagen wir, ich stelle dir fünfundsiebzigtausend Berry zur Verfügung. Von diesem Geld kannst du einerseits deine Tochter und dich über die Runden bringen und andererseits eine weitere Kraft für dein Nagelstudio bezahlen. Ich erhebe keine Zinsen und der Kredit hat keine festgelegte Laufzeit. Wenn sich die Vergrößerung deines Geschäfts auszahlt und du mehr verdienst, zahlst du mir das Geld irgendwann zurück. Und wenn nicht, dann eben nicht. Das bedeutet, du gehst überhaupt kein Risiko ein!“ „Du allerdings schon“, erwiderte Hancock, die noch immer nicht recht überzeugt zu sein schien. „Im schlimmsten Fall verlierst du fünfundsiebzigtausend Berry!“ „Na und?“ Doflamingo grinste breit und zuckte mit den Schultern. „Ich möchte nicht eingebildet klingen, Hancock, aber um ehrlich zu sein, besitze ich Kleidungsstücke, die teurer waren.“ Bestimmt sein furchtbarer Federmantel, schoss es Crocodile unweigerlich durch den Kopf und er musste sich ernsthaft zusammenreißen, um keinen missgünstigen Brummlaut von sich zu geben. Sein Partner besaß eine ganze Menge absolut furchtbarer Kleidungsstücke, doch dieses... dieses Büschel an pinken Federn toppte wirklich alles, was Crocodile jemals gesehen alles. Zum Glück trug Doflamingo inzwischen zumeist halbwegs tolerabele Outfits, wenn sie gemeinsam ausgingen. (Noch viel zu gut konnte Crocodile sich an das furchtbare Tiger-Hemd und die Capri-Hose mit Schlangenprint erinnern, die sein Verlobter bei ihrer allerersten Begegnung getragen hatte.) „Fünfundsiebzigtausend Berry sind in meinen Augen nicht viel Geld“, beteuerte Doflamingo. „Ich würde mich wirklich freuen, wenn du mein Angebot annimmst, Hancock! Wie gesagt, für mich gehörst du zur Familie.“ „Vielen Dank.“ Hancock nickte langsam mit dem Kopf. „Also gut, ich nehme dein großzügiges Angebot an, Doflamingo. Aber du kannst dir wirklich sicher sein, dass ich das Geld zurückzahlen werde so schnell ich nur kann!“ „Klar“, gab Doflamingo gleichgültig zurück und winkte ab. „Das weiß ich doch.“ „Es ist wirklich unfassbar lieb von euch beiden, dass ihr mich so sehr unterstützt.“ Wieder einmal brach Hancock unvermittelt in Tränen aus. (Schwangerschaftshormone, dachte Crocodile und danke Gott still dafür, dass er ihn nicht zu einer Frau gemacht hatte.) „Als Luffy mich verlassen hat, hatte ich mir wirklich große Sorgen um die Zukunft gemacht. Aber jetzt bekomme ich allmählich das Gefühl, dass es wieder bergauf geht. Ich bin unglaublich glücklich darüber, dass ich mir um mein Nagelstudio keine Sorgen machen muss. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne eure Hilfe machen sollte!“ Crocodile war kurz davor ein bescheidenes „Kein Problem“ von sich zu geben, als ihm plötzlich klar wurde, dass er eigentlich überhaupt nichts zur Unterstützung seiner Schwester beigetragen hatte. Nicht er, sondern Doflamingo war derjenige gewesen, der Hancock einen zinslosen Kredit in Höhe von 75.000 Berry angeboten hatte. Crocodile selbst war nicht einmal auf den Gedanken gekommen, ihr Geld zu leihen. Dabei hatte er doch vor ein paar Tagen erst einen Bonus in einer ähnlichen Höhe bekommen gehabt. War er ein schlechter Mensch, weil er das Geld lieber aufwendete, um seine horrenden Schulden zu tilgen als seine Schwester zu unterstützen? Sie ist schwanger, sagte eine Stimme in seinem Kopf, und ganz allein. Du bist ihr älterer Bruder; es ist deine Pflicht, sich um sie zu kümmern. Aber du hast nichts getan! Unweigerlich überkamen Crocodile schreckliche Gewissensbisse. Doch nur wenig später, hörte er eine andere Stimme erwidern: Du hast sie gewarnt. Auf Mihawks Geburtstagsparty hast du ihr klar und deutlich gesagt, dass es keine gute Idee ist, sich auf einen siebzehnjährigen Jungen einzulassen. Du hast sie gewarnt, aber sie wollte nicht hören. Es ist ihre eigene Schuld! „Lassen wir dieses Thema nun ruhen“, meinte Doflamingo mit freundlicher Stimme. „Es ist Zeit für's Mittagessen. Heute gibt es Paprika gefüllt mit Schafskäse und dazu eingelegte Sardinen. Crocodile hat mir erzählt, das wäre dein Leibgericht, Hancock. In eurer Familie hat man viel für Feta übrig, hm?“ Morgen wollte Hancock wieder nach Hause zurückkehren. Sie hielt sich gerade in ihrem Zimmer auf (selbstverständlich hatte Doflamingo ihr für den Zeitraum ihres Aufenthalt das größte und komfortabelste Gästezimmer der Villa zur Verfügung gestellt) und packte ihren Koffer für die Heimreise. Es war das erste Mal seit Tagen, dass Crocodile seinen Verlobten ein paar Stunden lang ganz für sich allein hatte. Crocodile gab es nur ungern zu, doch um ehrlich zu sein, fand er es nicht sonderlich schade, dass seine Schwester sich wieder gefangen hatte und in ihr eigenes Heim zurückkehrte. Selbstverständlich tat ihm Hancock leid, doch er konnte nicht verhehlen, dass die Art und Weise wie Doflamingo sie betüttelte, die Eifersucht in ihm weckte. Er las ihr praktisch jeden Wunsch von den Augen ab, streichelte ständig über ihren runden Babybauch und unterhielt sich über nichts lieber als ihre Schwangerschaft. Gestern erst hatte er sogar einen Masseur für sie bestellt, bloß weil Hancock angedeutet hatte, dass ihre Füße, die aufgrund der Schwangerschaft ein wenig angeschwollen waren, schmerzten. Vor allen Dingen weil Crocodile sich inzwischen sehr stark daran gewöhnt hatte, dass sein Verlobter ihm seine volle Aufmerksamkeit schenkte, freute er sich darauf, dass bald wieder alles beim Alten sein würde. Gerade hielten sie sich gemeinsam im Schlafzimmer auf. Crocodile wollte die seltene Gelegenheit beim Schopfe packen und die Zweisamkeit mit seinem Partner ausnutzen. Er trat von hinten an Doflamingo heran und legte seine Arme um dessen Oberkörper. „Doffy“, gurrte er verführerisch, weil er ganz genau wusste, dass dieser es liebte mit seinem Kosenamen angesprochen zu werden, „hast du Lust dich mit mir unter die Bettdecke zu verkriechen? Es ist ziemlich lange her, dass wir beide ein bisschen Zeit nur für uns gehabt haben.“ Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, zögerte Angesprochener nicht lange. „Klar“, meinte Doflamingo breit grinsend. Er löste sich aus der Umarmung, packte seinen Verlobten sanft am Handgelenk und bugsierte diesen hinüber zu ihrem Bett. „Ich habe deine Andeutung durchaus verstanden“, sagte Doflamingo und bedeutete Crocodile, sich auf den Matratzenrand zu setzen. Anschließend ging er vor ihm auf die Knie.“Mir ist bewusst, dass ich dich in den letzten Tagen ein wenig vernachlässigt habe. Tut mir leid. Ich mach's wieder gut, versprochen.“ Bei diesen Worten leckte er sich lasziv über die Lippen und ließ seine beiden Hände über Crocodiles Oberschenkel gleiten. Dieser konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Es freute ihn, dass Doflamingo seinen Fehler einsah. Und noch viel mehr freute er sich auf dessen Wiedergutmachung. Ihr letzter intimer Moment war inzwischen fast drei Tage her - für sie beide war das eine ziemlich lange Zeit. [zensiert] Und dann geschahen mehrere Dinge auf einmal: Doflamingo, der mit dem Rücken zur Tür saß, erschreckte sich fürchterlich und zerquetschte unversehens die Hoden seines Verlobten, die er eigentlich mit seiner rechten Hand massieren wollte. Hancock, die im Türrahmen stand, lief im Gesicht knallrot an und stammelte verlegen ein paar unzusammenhängende Silben. Crocodile schrie schmerzerfüllt auf und trat mit den Füßen gegen Doflamingos Schulter, damit dieser ihn losließ. Seine Wangen färbten sich vor Scham und vor Schmerz noch röter als die seiner Schwester. Eine gefühlte Ewigkeit verging, ehe Hancock ein gepresstes „I-ich wollte nicht stören!“ von sich gab und laut knallend die Türe wieder zuzog. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff Crocodile vorsichtig nach seinen malträtierten Hoden. Sein Verlobter hatte wirklich alles Andere als sanft zugepackt; es tat ganz fürchterlich weh. „Tut mir leid!“ Doflamingo, den Crocodile mit seinen Tritten zu Boden gestoßen hatte, rappelte sich wieder auf und kam zu ihm herüber. „Das war keine Absicht! Tut mir leid!“ „Ist schon gut“, zischte Crocodile, der bloß hoffte, dass er keine dauerhaften Schäden davontragen würde. Immerhin gehörten die Hoden mit zu den empfindlichsten Körperstellen eines Mannes. „Tut mir leid“, wiederholte Doflamingo noch ein weiteres Mal mit schuldbewusster Miene. Er schien ein furchtbar schlechtes Gewissen zu haben. „Hast du starke Schmerzen?“ „Wonach sieht's denn aus, du Idiot?!“, gab Crocodile gereizt von sich und biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten wäre er in Tränen ausgebrochen, doch diese Blöße wollte er sich vor seinem Partner nicht geben. „Du hast zugepackt als wolltest du einen nassen Lappen auswringen!“ „Ich habe mich erschreckt“, versuchte Doflamingo sich kläglich zu rechtfertigen. „Ich wollte dir nicht wehtun.“ „Was passiert ist, ist passiert“, seufzte Crocodile und ließ vorsichtig von seinen Hoden ab. Zum Glück schienen sie keinen größeren Schaden genommen zu haben. „Hancock sollte wirklich lernen, darauf zu warten, dass jemand Herein ruft, bevor sie hereinkommt“, murmelte Doflamingo leise. Der Gedanke an seine Schwester ließ Crocodile erneut erröten. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm vor ihren Augen jemals zuvor eine solche Peinlichkeit passiert war. Er schämte sich schrecklich! Hoffentlich würde sie niemanden davon erzählen. „Wollen wir weitermachen?“, unterbrach Doflamingo die Gedankengänge seines Verlobten. Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. „Im Ernst?“, wollte er mit ungläubiger Stimme wissen. „Meine Schwester erwischt uns beide in flagranti, du zerquetscht meine Eier - und willst danach wirklich noch weitermachen? Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank?!“ „Du bist noch nicht gekommen“, erwiderte Doflamingo schulterzuckend. „Außerdem ist die Sache mit Hancock doch nur halb so schlimm, oder? Immerhin ist sie deine Schwester; sie hat dich doch bestimmt schon Dutzende Male nackt gesehen, oder?“ „Erstens hat sie das nicht“, korrigierte Crocodile verärgert seinen Verlobten, „und zweitens geht es nicht bloß darum, dass sie mich nackt gesehen hat. Sie hat mich beim... nun ja... sie hat gesehen, wie du mir einen Blowjob gegeben hat! Das ist so unfassbar unangenehm! Ich schäme mich in Grund und Boden! Und ich verstehe einfach nicht, wie du da so gelassen bleiben kannst? Schließlich hat sie dich ja auch gesehen!“ „Na und?“ Doflamingo rollte mit den Augen. „Wir beide sind ein Paar. Ich bin mir sicher, Hancock war sich auch vor dieser Situation schon bewusst, dass wir beide uns gegenseitig oral befriedigen. So etwas tut doch jedes Paar. Daher verstehe ich nicht, warum mir das Ganze peinlich sein sollte.“ „Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Dinge!“, erwiderte Crocodile aufgebracht. „Dass sie vorher schon wusste, dass wir beide gelegentlich miteinander intim werden, ist mir klar, aber trotzdem möchte ich doch nicht von ihr dabei beobachtete werden! Sie ist meine kleine Schwester, verdammt nochmal!“ Gequält seufzte Crocodile auf und bedeckte seine Augen mit der rechten Hand. „Gott, ich werde Hancock nie wieder ins Gesicht sehen können...“ „Versuch die das Ganze gelassen zu sehen; es lässt sich sowieso nicht mehr ändern“, riet Doflamingo ihm. „Und falls es dich tröstet: Hancock scheint nicht weniger peinlich berührt zu sein als du. Sie ist knallrot angelaufen und hat kein einziges Wort hervorgebracht. Ihr seid wirklich eine ziemlich prüde Familie.“ „Das ist ein schwacher Trost“, murrte Crocodile. „Nun ja, es hätte wirklich schlimmer kommen können“, erwiderte Doflamingo. Er grinste breit und entblößte dabei zwei Reihen strahlend weißer Zähne. „Stell dir nur mal vor, ich hätte dir vor Schreck in deinen Schwanz gebissen!“ „Spar dir deine blöden Kommentare“, meinte Crocodile, während er so vorsichtig wie möglich in seine Boxershorts schlüpfte. Seine Hoden schmerzten noch immer. „Ich finde diese Sache wirklich alles Andere als witzig!“ „Sorry.“ Doflamingos Lächeln verblasste. „Ich wollte dich bloß ein bisschen aufheitern. Ist mit deinen Eiern denn soweit alles in Ordnung? Oder möchtest du dich lieber von einem Urologen untersuchen lassen?“ „Was soll ich dem denn erzählen?“ Crocodile warf seinem Verlobten einen ungeheuer vorwurfsvollen Blick zu. „Ich bekomme gerade einen Blowjob, als meine kleine Schwester plötzlich das Schlafzimmer betritt und mein Freund sich so sehr erschreckt, dass er meine Hoden in seiner Hand zerquetscht. Nein danke, heute habe ich wirklich mehr als genug peinliche Momente durchstehen müssen!“ Doflamingo konnte sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen, doch wurde gleich darauf wieder ernst. „Jetzt mal ehrlich: Ist alles okay? Die Hoden sind eine sehr empfindliche Stelle, da kann es leicht zu irgendwelchen Problemen kommen. Was glaubst du, wie oft Law Männer bei sich im Krankenhaus hat, die ein Hodentrauma haben oder so einen Mist?“ „Hodentrauma?“, wiederholte Crocodile ungläubig und zog eine Augenbraue hoch. „Das ist ein medizinischer Fachbegriff!“, beteuerte Doflamingo. „Du weißt schon, wenn die Hoden verletzt wurden, weil dir jemand in die Eier getreten hat oder so.“ „So schlimm ist es nicht, denke ich“, meinte Crocodile, während er in seine Hose schlüpfte. „Sicher?“ „Ja, ganz sicher!“ Crocodile hatte keine Lust auf eine erneute Diskussion über seine Gesundheit und die angebliche Ärzte-Phobie, die sein Verlobter ihm schon des Öfteren unterstellt hatte. „Ist ja gut“, gab Doflamingo überraschenderweise relativ schnell klein bei. „Man wird sich ja wohl noch Sorgen machen dürfen...“ „Ich mache mir eher Sorgen um mein Verhältnis zu Hancock“, seufzte Crocodile. Allein der Gedanke an die nächste Begegnung mit seiner jüngeren Schwester ließ ihn erröten. „Ganz ehrlich, so etwas Peinliches ist mir noch nie vor ihr passiert...“ * Dass Crocodile und sein Verlobter von Hancock in flagranti erwischt worden waren, lag inzwischen eine Woche zurück. Und auch wenn er sich wohl nie an diesen unangenehmen Vorfall zurückerinnern konnte, ohne dass sein Gesicht die Farbe einer reifen Tomate annahm, kam er allmählich darüber hinweg; vorgestern war es ihm sogar gelungen, ein ganz normales Telefongespräch mit seiner Schwester zu führen. Außerdem genoss Crocodile es unwahrscheinlich, endlich wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Partners genießen zu dürfen, nun da Hancock in ihr eigenes Haus zurückgekehrt war. Als Wiedergutmachung für die letzten Tage (und auch für den missglückten Blowjob) hatte Doflamingo ihm sogar ein romantisches Dinner bei Kerzenschein im Flying Lamb geschenkt. „Was hältst du davon, wenn wir beide uns am Wochenende das Schloss anschauen?“, fragte sein Verlobter ihn zwischen zwei Bissen. „Schloss?“, hakte Crocodile irritiert nach und zog eine Augenbraue hoch. „Du weißt schon“, gab Doflamingo ungeduldig zurück. „Das Schloss, in dem damals meine Eltern geheiratet haben. Und das womöglich auch für uns als Hochzeits-Location infrage kommt.“ „Achso, das Schloss“, meinte Crocodile und senkte verlegen den Blick. Er zuckte mit den Schultern. „Von mir aus, wieso nicht.“ „Wie gesagt, es befindet sich an der Küste, etwa zwei Autostunden von unserem Ferienhaus entfernt. Ich denke, es macht Sinn, wenn wir beide dort dann auch übernachten würden.“ „Im Schloss?“ „Doch nicht im Schloss - im Ferienhaus, du Dussel!“ Doflamingo zeigte vorwurfsvoll mit seiner Gabel auf ihn. „Was ist denn heute nur los mit dir, dass du so schwer von Begriff bist?“ „Tschuldige, ich, ähm, habe ziemlich schlecht geschlafen“, versuchte Crocodile sich recht kläglich zu rechtfertigen. Um ehrlich zu sein, hatte er das Schloss, in dem sein Verlobter gerne die Hochzeitsfeier abhalten wollte, gar nicht mehr auf den Schirm gehabt. Die Elektronik-Messe, die vorheriges Wochenende stattgefunden hatte, und anschließend der mehrtägige Besuch seiner Schwester hatten ihn da viel eher beschäftigt. „Es würde mich freuen, wenn wir beide uns endlich wieder ein bisschen intensiver mit unseren Hochzeitsvorbereitungen beschäftigen würden“, meinte Doflamingo, während er das Stück Fleisch auf seinem Teller kleinschnitt. „Das haben wir in letzter Zeit wirklich schleifen gelassen. Bis auf die Gästeliste haben wir uns um noch nichts so wirklich gekümmert.“ „Nun ja, wir müssen uns ja auch erst einmal einen Termin geben lassen“, erwiderte Crocodile schwach. „Wer weiß, wie beliebt dieses kleine Schoss bei Hochzeitsfeiern ist: Womöglich gibt es eine Menge anderer Paare, die dort ebenfalls heiraten wollen und die Location schon viele Monate im voraus gebucht haben. Es ist nicht abzusehen, wie lange es dauern würde, bis wir beide an der Reihe sind.“ „Papperlapp“, winkte Doflamingo unbekümmert ab. „Einer der vielen Vorteile, wenn man reich ist, besteht darin, dass man nirgendwo lange warten muss. Ein paar Geldscheine, die man in die richtige Hand drückt, können wahre Wunder bewirken. Wir können uns also einfach einen Tag aussuchen.“ „Im Ernst?“ Crocodile konnte nicht so recht fassen, was sein Partner eben von sich gegeben hatte. „Du würdest notfalls jemanden bestechen, bloß damit wir beide unseren Wunschtermin bekommen?“ „Bestechung ist ein sehr negatives Wort“, gab Doflamingo in einem gedehnt klingenden Tonfall zurück. „So würde ich das nicht nennen. Ich bezahle ganz einfach für eine Dienstleistung. So funktioniert diese Welt nun einmal: Man tauscht Geld, das man verdient hat, gegen etwas ein, was man gerne haben möchte.“ „Aber die anderen Paare bezahlen doch auch“, warf Crocodile ein. Er konnte die unethische Denkweise seines Verlobten nicht ganz nachvollziehen. „Wenn viele Leute dasselbe wollen, wird eben an den verkauft, der am meisten bietet. Ähnlich wie bei einer Auktion. So sehe ich das jedenfalls.“ Doflamingo klang sehr gelassen, während er seine Meinung äußerte. Er schien überzeugt davon zu sein, nichts Falsches zu tun. „Wenn also mehrere Paare einen bestimmten Termin haben wollen, bekommt ihn derjenige, der am meisten Geld auf den Tisch legt.“ „Das klingt nicht sonderlich anständig“, gab Crocodile zu bedenken. Er war sich nicht sicher, ob er sich wohl bei dem Gedanken fühlte, einem anderen Paar die Hochzeit zu ruinieren, in dem er ihm den wahrscheinlich schon seit vielen Monaten feststehenden Termin wegstahl. Diesen Umstand schien auch Doflamingo mitzubekommen. „Wer weiß, ob es überhaupt soweit kommen wird“, sagte er ausweichend. „Das Schloss ist ziemlich abgelegen.Vielleicht gibt es gar nicht so viele Leute, die diesen Ort als Location für ihre Hochzeit auswählen. Aber das werden wir ja dann alles am Wochenende in Erfahrung bringen können.“ Samstagvormittag war es dann so weit. Die Koffer für ihren Kurztrip waren gepackt (man hätte meinen können, Doflamingo würde zwei Wochen in Urlaub fahren, so viele Klamotten wollte dieser mitnehmen) und der Fahrer, der sie zum Flughafen bringen würde, stand unten in der Auffahrt bereit. Nach dem kurzen Flug mit Doflamingos luxuriös ausgestattetem Privatjet stand noch eine etwa zweistündige Autofahrt an, ehe sie beide schließlich ihre potenzielle Hochzeits-Location erreichten. Crocodile musste zugeben, dass er absolut überwältigt war, als er aus dem Wagen ausstieg und das kleine, alte Schloss zum ersten Mal mit eigenen Augen sah: In den Innenhof gelangte man durch ein wunderschön verziertes Tor, das rechts und links von zwei weißen Statuetten eingefasst wurde. Insgesamt drei Türme zählte Crocodile; zwei waren oben bezinnt, der dritte verfügte über ein wunderschönes Turmdach aus dunklen Ziegeln. Ohne seinen Blick von dem wunderschönen, alten Gebäude abzuwenden, griff Crocodile nach der Hand seines Verlobten und lotste diesen zum Schloss herüber: Er wollte unbedingt sehen, wie es von innen aussah. „Korrigiere mich, wenn ich falsch liege“, gluckse Doflamingo, dem wohl nicht ergangen war, wie ergriffen Crocodile sich fühlte, „aber ich habe das Gefühl, dass dir das Schloss bisher ziemlich gut gefällt.“ „Es ist wunderschön“, gab Crocodile zu, während er seinen Blick über den weitläufigen Innenhof schweifen ließ. „Man könnte meinen, man wäre geradewegs in ein Märchen hineingestolpert.“ Seine Worte brachten Doflamingo zum Lachen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so eine Aussage mal von dir hören würde, Wani“, meinte er. „Eigentlich bist du doch überhaupt nicht romantisch veranlagt.“ Leicht pikiert zuckte Crocodile mit den Schultern. „Es geht um unsere Hochzeit, oder nicht?“, erwiderte er ausweichend. Und um das Thema zu wechseln, fügte er hinzu: „Ich würde gerne den Schlossgarten sehen. Weißt du, wie man dorthin kommt?“ „Klar“, antwortete sein Verlobter und führte ihn, ohne seine Hand loszulassen, zu einem kleinen Durchgang zu ihrer Rechten. Gemeinsam schauten sie sich den Garten, den großen Saal und die Kapelle an; sie durften sogar den Bergfried, den hohen Turm mit dem Ziegeldach, besteigen. Die Aussicht von dort oben war absolut fantastisch. Begeistert überblickte Crocodile die Umgebung: Die Welt wirkte ganz weit weg und die wenigen Menschen, die auf dem Boden umher liefen, erinnerten ihn unwillkürlich an kleine Ameisen. „Und?“, wollte Doflamingo nach einigen Minuten wissen. Seine Stimme klang ziemlich aufgeregt. Crocodile warf seinem Verlobten einen irritierten Blick zu. „Was meinst du?“, fragte er, denn um ehrlich zu sein, hatte er keine Ahnung, worauf sein Partner hinauswollte. „Du weißt schon“, gab dieser zurück: „Käme dieses Schloss als Location für unsere Hochzeit infrage? Ich finde es hier wunderschön, aber mir ist es wichtig, dass der Ort uns beiden gefällt. Ich möchte unbedingt deine Meinung hören!“ Crocodile senkte den Blick und beobachtete die Spitzen seine Schuhe als handelte es sich um interessante Kunstobjekte. Plötzlich verflog seine Begeisterung und an ihrer Stelle traten die üblichen Sorgen: Dieses Schloss war atemberaubend, doch konnte er es sich finanziell erlauben, es für ihre Hochzeit zu buchen? Crocodile hatte nicht damit gerechnet gehabt, dass es so schön und so gut instand gehalten sein würde. Bestimmt kostete es ein kleines Vermögen, hier seine Hochzeit zu feiern. Doch auf der anderen Seite: Hatte er eine Wahl? Und wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie beide sich für eine günstigere Location entscheiden würden? Eher gering, überlegte Crocodile sich, der sich noch gut an Monets Vorschlag erinnern konnte, im Ausland zu feiern. „Ich würde dich sehr gerne hier heiraten“, sagte er schließlich und warf seinem Verlobten ein zaghaftes Lächeln zu. „Dieses Schloss ist bezaubernd. Ich glaube, es ist genau richtig für uns beide.“ Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, brach Doflamingo sofort in lautem Jubel aus. Gerührt schniefend zog er Crocodile in eine feste Umarmung, die dieser sich gefallen ließ. Er lehnte sogar seinen Kopf an die Brust seines Verlobten an. Und während Doflamingo sein Haar küsste, fragte er sich, ob er gerade eben eine kluge Entscheidung getroffen hatte. * „Wir beide waren den ganzen Tag auf den Beinen“, meinte Crocodile, als er gemeinsam mit seinem Verlobten dessen luxuriöses Ferienhauses betrat. „Ich würde gerne duschen und mich gleich danach ins Bett legen.“ „Klingt gut“, erwiderte Doflamingo, der, seit Crocodile seine Zustimmung gegeben hatte, bester Laune zu sein schien. „Hast du was dagegen, wenn ich mich dir anschließe?“ „Ich bin noch ganz wund von heute Morgen“, wandte Crocodile ein und warf seinem Partner einen überaus vorwurfsvollen Blick zu. Doflamingo hatte sich (wie so oft) nicht beherrschen können und sich gleich nach Aufstehen praktisch auf ihn gestürzt gehabt. „Du klingst fast so als hätte es dir nicht gefallen“, erwiderte Doflamingo keck grinsend. „Aber mal im Ernst: Wenn du keinen Sex haben willst, weil dein Arsch weh tut, ist das okay. Trotzdem könnte ich dir ein paar schöne Minuten verschaffen.“ „Was meinst du damit?“, wollte Crocodile wissen. Die dubios klingenden Worte seines Partners ließen ihn sofort misstrauisch werden. Während er sprach, machte er sich auf den Weg hinüber ins Badezimmer; Doflamingo folgte ihm auf den Fuße. „Nun ja“, meinte dieser und setzte ein verführerisches Grinsen auf. „Ich würde gern wiedergutmachen, dass dein letzter Blowjob in die Hose gegangen ist. Du stellst dich einfach unter die Dusche, schließt deine Augen und lässt mich machen. Was hältst du davon?“ Crocodile musste zugeben, dass dieses Angebot äußerst verlockend klang. Schließlich verfügte sein Verlobter über eine äußerst talentierte Zunge. Letztendlich fiel ihm die Entscheidung nicht allzu schwer. „Gut, von mir aus“, meinte er, während er sich entkleidete. „Du wirst es nicht bereuen“, versprach Doflamingo, der sich ebenfalls aus seiner Kleidung schälte. Gemeinsam stiegen sie in die großzügig geschnittene Duschkabine. Crocodile stellte die Temperatur auf angenehme 41 Grad Celsius und seufzte wohlig auf, als das Wasser seine Haut traf. Wie immer, wenn sie gemeinsam duschten, kam Doflamingo nicht umhin sich zu beschweren. „Viel zu heiß!“, jaulte er und schob die Unterlippe nach vorne. „Du verbrühst uns beide noch, Baby!“ „Quatsch“, gab Crocodile zurück. Er schloss seine Augen und legte den Kopf in den Nacken. Im Augenblick fühlte er sich absolut pudelwohl. „Die Temperatur ist genau richtig. Außerdem geht es doch jetzt um mich und nicht um dich, oder?“ „Ist ja gut“, gab Doflamingo sich überraschend schnell geschlagen. „Du hast ja Recht.“ [zensiert] „Was ist los?“, fragte dieser und richtete sich sofort alarmiert auf. „Hab ich dir wehgetan?“ „Du weißt ganz genau, was los ist“, meinte Crocodile und fixierte seinen Partner mit zu Schlitzen verengten Augen. Er war absolut empört und konnte gar nicht richtig fassen, was hier vor sich ging. „Du hast meine Hoden abgetastet!“ „Wie kommst du denn auf diesen Blödsinn?“, versuchte Doflamingo sich zu verteidigen, doch sein ausweichender Blick und seine halbherzige Stimme verrieten ihn. „Du begrabschst seit mindestens fünf Minuten meine Hoden!“, erwiderte Crocodile und zeigte vorwurfsvoll mit dem Finger auf seinen Partner. „Na und? Darf ich das nicht?“ Doflamingo schien sich ertappt zu fühlen. „Du spielst nie solange mit ihnen, bevor du mir einen Blowjob gibst!“ „Ich habe eben versucht, dich ein bisschen in Stimmung zu bringen“, rechtfertigte sein Verlobter sich kläglich. „Schließlich wäre es schon dein zweiter Orgasmus heute und....“ „Blablabla!“, schnitt Crocodile ihm zornig das Wort ab. „Hör mir auf mit deinen Ausreden, Doflamingo. Und verrate mir lieber, was du damit bezwecken wolltest!“ „Nun ja...“ Doflamingo gab sich geschlagen. Er seufzte leise auf und fixierte ihn mit seinen stechend grünen Iriden. „Ich mache mir ein wenig Sorgen, seitdem ich vor ein paar Tagen ausversehen deine Eier zerquetscht habe... Also wollte ich nachprüfen, ob alles in Ordnung ist.“ „Ich hatte dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist!“, warf Crocodile seinem Verlobten vor. Er konnte dessen Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen. „Schon... Aber du weißt doch selber, wie du in dieser Hinsicht bist, Crocodile! Du tust alles, um nicht zum Arzt gehen zu müssen. Außerdem bist du ein ziemlich prüder Mensch. Ich hatte einfach Angst, dass du mir vielleicht vor Scham verschweigst, dass du Schmerzen hast. Also wollte ich zur Sicherheit selbst nachprüfen, ob du okay bist.“ „Ich fasse es nicht...!“ Crocodile warf Doflamingo einen völlig entgeisterten Blick zu. „So ein bescheuerter Einfall kann auch wirklich nur von dir kommen?!“ „Wieso bescheuert?“ Nun ging sein Partner in Abwehrhaltung über. „Als da diese Sache mit dem Blut war... du weißt schon: nach dem Sex, bei Daz Zuhause... Da wolltest du auch um keinen Preis ins Krankenhaus fahren!“ „Das waren doch eine völlig andere Situation“, versuchte Crocodile das Argument seines Partners zu entkräften. „Dass ich mir beim Sex einen kleinen Hautriss zuziehe, ist mir ab und an schon einmal passiert. Damit kenne ich mich aus. Deswegen konnte ich auch einschätzen, ob ein Arztbesuch nötig gewesen wäre oder nicht. Aber dass mein Verlobter mir während eines Blowjobs vor Schreck die Eier quetscht, hatte ich noch nie! Natürlich hätte ich es dir mitgeteilt, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, ich wäre ernsthaft verletzt worden!“ „Manchmal kann man das aber selbst gar nicht richtig einschätzen“, erwiderte Doflamingo. Er blieb absolut beharrlich bei seinem Standpunkt. „Und deswegen ist es auch so wichtig, dass eine zweite Person noch einmal nachprüft, ob eine Verletzung vorliegt oder nicht. Die Hoden sind eine extrem empfindliche Körperstelle, Crocodile! Gerade da kann es wirklich sehr leicht zu schlimmen Verletzungen kommen!“ „Du tust so als ob du ein... ein Eier-Experte wärst!“, brüllte Crocodile entrüstet. Noch immer war er stocksauer und konnte nicht fassen, dass sein Verlobter einen intimen Moment heraufbeschworen hatte, nur um seine Hoden abzutasten. Auf eine komische Art und Weise kam er sich betrogen und ausgenutzt vor. „Dabei verstehst du von diesen Dingen doch überhaupt nichts! Du bist kein verdammter Arzt, Doflamingo!“ „Das ist mir klar“, lenkte dieser ein. „Aber ich habe mit einem Arzt gesprochen! Law hat mir genau erklärt, worauf man achten muss und...“ „Law?!“ Wenn Crocodile geglaubt hatte, diese Situation könnte nicht noch unangenehmer werden, dann hatte er sich definitiv geirrt. „Bitte sag mir nicht, dass du Law erzählt hast, was vorgefallen ist?!“ Am liebsten wäre er vor Scham im Boden versunken. „Natürlich habe ich ihm davon erzählt“, meinte Doflamingo, der offenbar überhaupt nicht nachvollziehen konnte, warum sein Partner im Gesicht plötzlich rot wie eine überreife Tomate wurde. „Und das muss dir auch nicht peinlich sein, Crocodile. Als Arzt sieht er das Ganze aus einer absolut professionellen Perspektive.“ „Du hast doch wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank!“ Nun hatte Crocodile wirklich genug. Anklagend zeigte er mit dem Finger auf die nackte Brust seines Verlobten und funkelte diesen aus zornigen Augen heraus an: „Wie kannst du es bloß wagen, deinen Freunden so intime Details über unser Sexleben zu verraten? Was beim Sex zwischen dir und mir passiert, geht niemanden etwas an! Weder Law noch sonst irgendjemanden!“ „Er ist Arz... .“ „Und wenn er der Kaiser von China wäre!“, zischte Crocodile wütend. Er warf seinem Verlobten einen letzten giftigen Blick zu, ehe er nach dem Griff der gläsernen Kabinentüre griff und aus der Dusche stieg. „Was machst du da?“, fragte Doflamingo irritiert, als er bemerkte, was er vorhatte. „Ich veziehe mich in mein Zimmer“, antwortete Crocodile missgelaunt, während er hastig mit einem Handtuch seinen Körper trocken rubbelte. „Für heute habe ich wirklich genug von dir!“ „Jetzt sei doch nicht so!“, bat Doflamingo und verließ ebenfalls die Duschkabine. „Ich meine... Ich weiß, dass du prüde bist und dich schnell unangenehm berührt fühlst, aber findest du nicht, dass du ein wenig übertreibst?“ „Übertreibst?“ Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Wütend drehte er sich zu seinem Partner um und spie diesem entgegen: „Du findest, dass ich übertreibe? Du bist doch echt komplett bescheuert, Doflamingo! Du bist derjenige, der mich am liebsten wegen jedem kleinen Wehwehchen ins Krankenhaus einweisen würde; also wirf du mir gefälligst nicht vor, ich würde übertreiben! Und prüde bin ich auch nicht! Ob du es glaubst oder nicht: Niemand -absolut niemand!- findet es toll, wenn irgendwelche peinlichen Sexunfälle im Freundeskreis die Runde machen!“ „Du tust so, als hätte ich jedem, den ich kenne, davon erzählt!“, erwiderte Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Aber der einzige, mit dem ich darüber gesprochen habe, ist Law! Und zwar nicht, um dich lächerlich zu machen, sondern weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe.“ „Und wer garantiert mir, dass Law die Klappe hält?!“ Die Worte seines Partners beruhigten Crocodile kein Stück. Ganz im Gegenteil: Es machte ihn absolut rasend, dass Doflamingo sich (wie immer) keiner Schuld bewusst zu sein schien. „Dass dieser Sexunfall der größte Lacher auf deiner nächsten Party wird, hat mir gerade noch gefehlt! Als hätte es nicht schon gereicht, dass Hancock uns beide erwischt hat! Eine Peinlichkeit folgt der nächsten!“ „Er wird nichts verraten“, versprach Doflamingo ihm. „Ich gebe dir mein Wort, Crocodile! Und nun beruhige dich bitte endlich.“ „Ich beruhige mich dann, wenn ich mich beruhigen will!“, keifte Crocodile. Für heute Abend hatte er von seinem Verlobten wirklich mehr als genug! So schnell er konnte, schlüpfte er in seine Hose und sein Hemd, und ehe Doflamingo dazu kam ihn aufzuhalten, hatte er längst das Badezimmer verlassen. Hastig machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer; und als er es erreicht hatte, schloss er die Türe hinter sich ab. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Crocodile einigermaßen heruntergekühlt war. Wütend tigerte er im Schlafzimmer auf und ab; zwischendurch ließ er sich auf dem Bett nieder, doch er hielt es höchstens zehn oder fünfzehn Sekunden lang aus, ehe er wieder aufstand und weiter unruhig durch den Raum streifte. Er konnte überhaupt nicht fassen, dass sein Partner sich einfach das Recht herausnahm, einer dritte Person Details über ihr Sexleben zu erzählen. Solche Informationen waren privat und sollten es auch bleiben. Was hatte Doflamingo sich bloß dabei gedacht?! Wie sollte er Law bloß jemals wieder in die Augen schauen, ohne im Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate anzunehmen? Es handelte sich bei diesem schließlich nicht einfach bloß um einen Arzt, so wie Doflamingo behauptete, sondern gleichzeitig auch um einen guten Freund von ihnen! „Hätte er nicht irgendwen anders um Rat fragen können?“, murmelte Crocodile und fuhr sich mit der Hand erschöpft durch sein Haar. „Warum ausgerechnet eine Person, die wir beide mindestens einmal pro Woche zu Gesicht bekommen?“ Crocodile seufzte leise auf und öffnete die Türe zum Balkon. Draußen war es längst dunkel geworden: Der weitläufige Garten, der sich vor ihm erstreckte, wirkte düster und still. Man hörte nicht einen einzigen Vogel zwitschern. Und auch kein Mensch war zu sehen; weder ein Gärtner noch ein erschöpftes Dienstmädchen, das ein wenig frische Luft schnappte. Crocodile lehnte sich auf die Balkonbrüstung und ließ seinen Blick über die dunklen Baumwipfel schweifen. Die kühle Abendluft tat ihm außerordentlich gut. Sofort spürte Crocodile, dass er ruhiger wurde: Seine Körperhaltung entspannte sich und seine Atmung wurde gleichmäßiger. Ohne weiter darüber nachzudenken griff Crocodile in die hintere Tasche seiner Hose, holte eine Zigarre hervor und zündete diese an. Während er rauchte, stellte Crocodile fest, dass er nicht mehr wütend und aufgebracht war. Stattdessen überkamen ihn plötzlich Gewissensbisse: Er hat sich Sorgen um deine Gesundheit gemacht, sagte eine süffisant klingende Stimme aus dem hinteren Bereich seines Gehirns. Es ist nie seine Absicht gewesen, dich bloßzustellen. Er hat es nur gut mit dir gemeint - und du hast dich verhalten wie ein betrogenes Eheweib! Crocodile drückte seine Zigarre auf der Brüstung des Balkons aus und machte sich auf den Weg zurück in das Innere seines Zimmers. Hatte er womöglich wirklich übertrieben? Verunsichert biss Crocodile sich auf die Unterlippe. Er weiß ganz genau, dass du ein prüder Mensch bist, verteidigte ihn eine andere Stimme. Und er leitet ein riesiges Krankenhaus. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, mit einem anderen Arzt zu sprechen. Law hätte man außen vor lassen können. Die Wahrheit, dachte Crocodile und senkte den Blick, liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Trotzdem sollte er sich bei seinem Verlobten entschuldigen. Schließlich hatte Doflamingo es nur gut mit ihm gemeint, auch wenn man die ganze Sache zugegebenermaßen etwas geschickter hätte angehen können. Seufzend verließ Crocodile sein Zimmer. Draußen im Gang traf er ein Dienstmädchen, von dem er auf Nachfrage erfuhr, dass sein Partner sich in im Gästezimmer aufhielt. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen machte Crocodile sich auf den Weg dorthin. Um ehrlich zu sein, entschuldigte er sich genauso ungern bei Doflamingo wie dieser bei ihm. Crocodile biss sich selbst auf die Unterlippe, als er leise an der Türe des Gästezimmers anklopfte. „Doffy?“ Es vergingen ein paar Sekunden, ehe sein Verlobter mit abgespannt klingender Stimme „Herein“ rief. Crocodile zwang sich dazu, Ruhe zu bewahren. Er atmete einmal tief ein und aus, ehe er schließlich nach der Klinke griff, die Türe öffnete und das Zimmer betrat. Doflamingo saß im Schneidersitz auf dem Bett. Seine Körperhaltung wirkte nicht abweisend, doch er blickte ihm auch nicht ins Gesicht. Verunsichert näherte Crocodile sich seinem Partner. Er konnte Doflamingos Gemütszustand nicht so recht einordnen. „Doffy?“, fragte er noch einmal und blieb vor dem Bett stehen. „Setz dich ruhig“, sagte Doflamingo und deutete matt auf den Platz gegenüber von ihm. Crocodile tat wie ihm geheißen. Unbewusst imitierte er seinen Partner und ließ sich ebenfalls im Schneidersitz nieder. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen“, meinte Crocodile sofort. Er empfand die jetzige Situation als extrem unangenehm. Am liebsten wollte er die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen. „Vermutlich habe ich ein bisschen überreagiert. Ich weiß ja, dass du nicht die Absicht hattest, mich vor anderen Menschen zu demütigen.“ „Ich würde dich niemals absichtlich vor irgendjemanden demütigen“, erwiderte Doflamingo in einem ungewohnt ernst klingenden Tonfall. „Ich meine... Klar reiße ich manchmal ein paar blöde Witze oder so... Aber ich mache mir doch keinen Spaß daraus, meinen Verlobten bloßzustellen. So etwas würde ich nie tun. Ich liebe dich, Crocodile!“ „Ich liebe dich auch“, erwiderte er und rückte ein Stück näher an Doflamingo heran, der ihn sofort in die Arme schloss und auf sein Haar küsste. Es war ein unfassbar angenehmes Gefühl. „Also“, flüsterte Doflamingo und begann an seinem Ohr zu knabbern, „jetzt hast du schon zwei verpatzte Blowjobs bei mir gut. Wollen wir auf eins reduzieren?“ „Ist das dein ernst?!“ * Als Crocodile von der Arbeit nach Hause kam, fand er seinen Verlobten im Wohnzimmer vor. Doflamingo saß auf der Couch. Der Fernseher lief, doch er schenkte dem Gerät wenig Beachtung. Stattdessen blätterte er interessiert durch die Seiten irgendeiner Zeitschrift. Crocodile gab seinen Partner einen Kuss auf den Mund und ließ sich anschließend neben diesem auf der gemütlichen Couch nieder. Die Arbeit war heute ziemlich anstrengend gewesen (er hatte praktisch den ganzen Tag damit zugebracht, das Feedback wichtiger Kunden in Form einiger aussagekräftiger Diagramme zusammenzufassen) und am liebsten würde er bloß noch eine Kleinigkeit essen und sich gleich danach ins Bett legen. „Was gibt es heute zu essen?“, fragte Crocodile und bemühte sich um einen unbefangen klingenden Tonfall. Doflamingo mochte es nicht gerne, wenn sein Verlobter sich, nachdem er gerade erst zu Hause angekommen war, sofort ins Schlafzimmer verzog. Vermutlich fühlte er sich dann vernachlässigt und übergangen. Crocodile hoffte, seinen eifersüchtigen Partner mit ein wenig freundlichem Smalltalk friedlich stimmen zu können. „Marinierten Wildlachs, glaube ich“, erwiderte Doflamingo mit relativ desinteressiert klingender Stimme. Er wendete den Blick noch nicht einmal von seiner Zeitschrift ab, während er sprach. „Die Arbeit war ziemlich anstrengend“, meinte Crocodile, der sich einen genervten Unterton nicht ganz verkneifen konnte. Er war es nicht gewohnt, dass Doflamingo ihn kaum beachtete. Normalerweise schenkte dieser ihm immer seine einhundertprozentige Aufmerksamkeit. „Ich denke, ich werde mich nach dem Essen schlafen legen.“ „Okay, Croco“, antwortete Doflamingo gelassen und blätterte um. Nun konnte Crocodile nicht mehr an sich halten. „Was liest du da eigentlich?“, fragte er unwirsch und beugte sich zu seinem Partner hinüber, damit er den Titel der Zeitschrift besser erkennen konnte. „Tattoo Art“, las er laut vor. Verwundert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. „Willst du dir etwa ein Tattoo stechen lassen, Doflamingo?“ Angesprochener zuckte mit den Schultern. „Nun ja, ich denke darüber nach. Wieso? Magst du Tätowierungen nicht?“ „Es kommt drauf an“, gab Crocodile ausweichend zurück. „Ein oder zwei kleine Tattoos mit hübschen Motiven sind okay. Aber manche Leute haben ja wirklich den ganzen Körper voll; das finde ich überhaupt nicht schön.“ Erst vor ein paar Tagen hatte Crocodile auf der Straße eine junge Frau getroffen, deren kompletter rechter Oberarm und auch Dekollete von einer dunkelblauen Tätowierung überzogen war. Passend dazu hatte sie sich ihr kurzes Haar in derselben Farbe gefärbt gehabt. Crocodile hatte dieses Erscheinungsbild nicht sonderlich ansprechend gefunden. „Ich auch nicht“, meinte Doflamingo. „Alles in Maßen. Ein oder zwei Tattoos können an den richtigen Stellen wirklich gut aussehen.“ „Aber wie kommst du denn plötzlich darauf?“, wollte Crocodile irritiert wissen. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Doflamingo jemals zuvor den Wunsch geäußert hatte, sich eine Tätowierung stechen zu lassen. „Naja, ich habe mich letztens mit Law unterhalten“, erklärte Dolamingo. „Und irgendwann sind wir dann auch auf seinen neuen Freund gekommen. Du weißt schon, dieser Eustass Kid. Er hat ihm ja sein neuestes Tattoo gestochen. Und dann bin ich auf den Gedanken gekommen, dass ich selbst vielleicht auch eines haben möchte.“ „Diese Entscheidung solltest du lieber nicht überstürzen“, riet Crocodile seinem Verlobten. „So ein Tattoo behält man sein ganzes Leben lang. Du musst dir gut überlegen, ob dir ein Bild wirklich so gut gefällt, dass du es bis zu deinem Tod an deinem Körper tragen möchtest. Es gibt viele Leute, die sich ein Tattoo stechen lassen und diesen Schritt hinterher bereuen.“ „Natürlich“, erwiderte Doflamingo und auch wenn sein Blick hinter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen blieben, war Crocodile sich sicher, dass er mit seinen Augen rollte. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Weißt du eigentlich, dass bevor wir beide ein Paar geworden sind, ich dachte du hättest ein Tattoo?“ „Ich?“ Crocodile setzte einen irritierten Gesichtsausdruck auf. „Wie zur Hölle kommst du denn darauf?“ „Unter deinen Arbeitskollegen kursierte das Gerücht, dass du dir als Teenager einen geflügelten Totenkopf hättest tätowieren lassen“, antwortete Doflamingo. „Ehrlich?“ Über diesen Schwachsinn konnte Crocodile bloß lachen. Doflamingo nickte eifrig. „Selbst Robin hat es geglaubt! Sie erzählte mir von einem weißen Totenschädel mit violetten Flügeln, der von zwei Schwertern gekreuzt wird.“ „Unfassbar.“ Ungläubig schüttelte Crocodile den Kopf. „Ich habe Robin immer für eine vernünftige Frau gehalten. Wie ist sie bloß auf diesen Blödsinn gekommen? Mal ehrlich: Selbst wenn ich mir jemals ein Tattoo hätte stechen lassen, dann doch bestimmt nicht mit einem geflügelten Totenkopf als Motiv!“ „Ich habe wirklich viele Leute getroffen, die absolut überzeugt davon waren, dass diese Tätowierung existiert“, meinte sein Verlobter. „Einige sagten mir, der Totenkopf befände sich auf deinem linken Schulterblatt. Andere glaubten stattdessen, du hättest ihn dir auf den unteren Rücken setzen lassen.“ „Ich? Ein Arschgeweih?“, sagte Crocodile und brach in lautes Gelächter aus. „Und das hast du geglaubt, Dolamingo?“ Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. „Jeder hat die eine oder andere Jugendsünde begangen“, antwortete er gelassen. „Es hätte doch sein können. Außerdem hast du, als wir beide die ersten Male miteinander Sex gehabt haben, immer dein Hemd angelassen. Ich dachte mir, dass dein Tattoo dir vielleicht peinlich ist und du es mir nicht zeigen möchtest. Erst später, nachdem ich wirklich jeden Zentimeter von dir gesehen hatte, war ich mir sicher, dass die Sache mit dem Totenkopf-Tattoo bloß ein Gerücht gewesen ist.“ „Manchmal machen wirklich eine Menge schwachsinniger Gerüchte die Runde“, sagte Crocodile. „Über dich habe ich auch einige echt verrückte Sachen gehört gehabt.“ „Ehrlich?“, hakte Doflamingo sofort interessiert nach. „Was denn zum Beispiel?“ „Verschiedenes“, antwortete Crocodile recht ausweichend. Nicht alles, was man über seinen Verlobten erzählte, war unbedingt positiv. Er versuchte sich an ein paar möglichst harmlose Details zu erinnern. „Jemand hat mir mal gesagt, du würdest immer eine Sonnenbrille tragen, weil du zwei verschiedene Augenfarben hast.“ Diese Aussage veranlasste Doflamingo breit zu grinsen. „Und was noch?“ „Naja...“ Crocodile nahm sich einen Augenblick Zeit, um nachzudenken. „Dass du gerne Schnecken isst. Du weißt schon, wie die Franzosen. Dass du mal Sex mit zwei Prostituierten gleichzeitig gehabt hättest. Und dass du dir ein Prinz-Albert-Piercing hättest stechen lassen. So einen Blödsinn halt.“ „Die Leute erzählen gerne Lügen“, meinte Doflamingo kopfschüttelnd. Er wirkte recht amüsiert. „Durch Gerüchte wird der Alltag eben ein bisschen aufregender. Ich bin das gewöhnt und gebe da nichts drauf.“ „Ich muss zugeben, dass ich wegen dem Prinz-Albert-Piercing ziemlich besorgt gewesen bin“, gestand Crocodile und senkte den Blick. „Du ahnst gar nicht, wie erleichtert ich war, als ich festgestellt habe, dass es sich wirklich bloß um ein erfundenes Gerücht handelt.“ „Und ich war so stolz auf mich, weil ich dachte, du wärst von meiner Schwanzgröße beeindruckt“, erwiderte Doflamingo laut lachend. „Nein, im Ernst“, fügte er hinzu, als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Ich kann dir versprechen, dass ich niemals einen Piercer oder Tätowierer in die Nähe meines besten Stücks lassen werde. Um ehrlich zu sein, finde ich ein Prinz-Albert-Piercing optisch gar nicht so schlecht. Jedenfalls würde es mich nicht stören, wenn mein Sexpartner eines hätte. Aber mir selbst wäre das viel zu riskant. Ich hätte Angst, dass beim Piercen irgendetwas schief geht.“ „Das Risiko, dass etwas schief geht, besteht immer“, warf Crocodile ein. „Auch bei dem Tattoo, dass du dir vielleicht stechen lassen möchtest. Es kann passieren, dass der Tätowierer mit der Hand abrutscht und das ganze Motiv versaut. Oder...“ „Dessen bin ich mir bewusst“, unterbrach Doflamingo ihn ungeduldig. „Es handelt sich nun einmal um eine Körperverletzung. Zwar eine gewünschte, aber nichtsdestotrotz um eine Verletzung. Eine hundertprozentige Garantie hat man nie. Die Frage ist letztendlich, ob es mir dieses Risiko wert ist oder nicht.“ „Hast du dir schon eine Stelle überlegt?“, hakte Crocodile nach. Die Idee seines Verlobten, sich ein Tattoo stechen zu lassen, überraschte ihn zwar, doch solange es sich um etwas Kleines und Unauffälliges handelte, ging es für ihn in Ordnung. Schließlich wollte Doflamingo sich nicht etwa den kompletten Rücken oder die Oberarme einfärben. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher“, antwortete Doflamingo, „aber ich dachte an die Hüfte oder das Handgelenk. Knöchel käme womöglich auch infrage.“ „Du trägst sehr häufig offene Schuhe“, gab Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen zu bedenken. „Ich würde auf jeden Fall eine Stelle aussuchen, die man leicht verdecken kann.“ „Wieso? Man soll das Tattoo doch sehen können. Schließlich lasse ich es mir aus genau diesem Grund stechen. Es handelt sich sozusagen um Schmuck. Heißt ja auch Körperschmuck, oder nicht?“ „Du bist Geschäftsmann“, erwiderte Crocodile zweifelnd. „Und ein Tattoo am Handgelenk oder Knöchel trägt nicht unbedingt zu einem seriösen Auftreten bei.“ Diese Aussage brachte Doflamingo zum Lachen. „Ich muss mich nicht um Seriösität bemühen“, meinte er in einem nicht gerade bescheiden klingenden Tonfall. „Wer so viel Geld und Einfluss hat wie ich, kann selbst entscheiden, wie er auftreten möchte. Ich muss mich nicht in einen Anzug zwängen, um ernstgenommen zu werden. Erinnerst du dich noch an unsere allererste Begegnung? Weißt du noch, was ich getragen habe bei diesem Geschäftsessen mit Sengoku?“ „Als könnte ich dieses Outfit jemals vergessen“, brummte Crocodile und senkte den Blick. „Du hast ausgesehen wie ein Zirkusclown!“ „Mag sein“, meinte sein Verlobter und zuckte mit den Schultern. „Trotzdem wurde ich von deinem Chef behandelt wie der Präsident des Landes. Weil er nämlich ganz genau weiß, wie viel Geld ich bei seiner Bank habe.“ Der Gedanke an seinen alten Job und Doflamingos Reichtum stimmte Crocodile missgünstig. Rasch versuchte er wieder auf ihr ursprüngliches Gesprächsthema zurückzukommen: „Und wie sieht es mit einem Motiv aus? Hast du dir schon etwas ausgesucht?“ Er griff nach der Zeitschrift, die noch immer auf dem Schoß seines Verlobten lag, und blätterte ein wenig durch die Seiten. Es waren Unmengen verschiedener Tattoo-Motive zu sehen: Von Rosen über Mosaikmustern bis zu Vögeln und noch vieles mehr. Doflamingo schwieg für eine Weile und wich seinem Blick aus. „Ich dachte vielleicht an einen Schriftzug“, antwortete er schließlich mit ruhiger Stimme. „Einen Schriftzug?“, wiederholte Crocodile mit gerunzelter Stirn, während er einen tätowierten Fußknöchel, der auf Seite 23 abgebildet war, näher betrachtete. Bei dem Tattoo handelte es sich um drei kleine, bunte Sterne. So etwas in der Richtung könnte er sich gut für Doflamingo vorstellen: bunt, aber nicht allzu ausgefallen. „Was denn für einen Schriftzug? Einen Spruch oder so etwas in der Art?“ Auf der nächsten Seite war eine (vermutlich) weibliche Schulter zu sehen, die mit dem Sprichwort Jeder ist seines Glückes Schmied verziert worden war. „Ich würde mir gerne deinen Namen tätowieren lassen“, sagte Doflamingo. Crocodile erstarrte zur Salzsäule. Die Zeitschrift Tattoo Art glitt ihm aus der Hand und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Fußboden. Absolut entsetzt blickte Crocodile in das Gesicht seines Verlobten. Er erwartete, dort ein breites Grinsen zu entdecken, doch leider wurde seine Hoffnung enttäuscht. Doflamingo wirkte vollkommen ruhig; seine Körperhaltung war gelassen und seine Gesichtszüge waren entspannt. „Du verarschst mich doch!“, waren nichtsdestotrotz die ersten Worte, die Crocodile über die Lippen kamen. Seine Stimme klang erschüttert und spiegelte sehr gut seinen Gemütszustand wieder. „Ich meine es ernst!“, erwiderte sein Partner sofort. „Es wäre absolut perfekt: Dein Name auf meiner Haut; gestochen von dem Mann, der dir einst das Leben gerettet hat! Es gibt nichts, was besser zu mir passen würde!“ „Du bist echt bekloppt, Doflamingo!“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Verlobter ihm gerade mitgeteilt hatte. „Wie kommst du bloß auf so eine Idee?! Mir fallen mindestens einhundert Gründe ein, wieso du das nicht tun solltest!“ „Ach ja?“ Doflamingo kreuzte die Oberarme vor der Brust und schob die Unterlippe nach vorne. „Und welche wären das bitteschön?“ „Zuerst einmal bist du kein liebeskranker Teenager, sondern ein dreißigjähriger Geschäftsmann“, erwiderte er wie aus der Pistole geschossen. „Zweitens ist ein Tattoo eine Entscheidung, die man für sein ganzes Leben lang trifft: Stell dir nur einmal vor, wir beide trennen uns irgendwann. Dann hättest du trotzdem noch bis zu deinem Tod meinen Namen auf dem Handgelenk stehen und würdest jeden Tag an unsere Beziehung zurückerinnert werden. Drittens...“ „Du bist auch eine Entscheidung, die ich für mein ganzes Leben getroffen habe!“, unterbrach sein Verlobter ihn aufgebracht. „Glaubst du, ich hätte dir einen Heiratsantrag gemacht, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass du der Richtige für mich bist? Warum heiraten wir beide denn überhaupt, wenn wir sowieso ständig damit rechnen, dass wir uns hinterher doch scheiden lassen werden?“ „So habe ich das nicht gemeint“, erwiderte Crocodile, „und das weißt du auch ganz genau!“ Er holte tief Luft, ehe er fortfuhr: „Wir führen fast dieselbe Diskussion, die wir auch zum Thema Ehevertrag geführt haben: Natürlich liebe ich dich, Doflamingo, und natürlich hoffe ich, dass wir beide ein langes Leben glücklich und gemeinsam führen werden. Aber leider deckt sich nun einmal die persönliche Vorstellung nicht immer mit der Realität! Es muss ja nicht mal unbedingt eine Scheidung sein... Vielleicht sterbe ich ja auch. Alles ist möglich. Schließlich habe ich gerade erst vor kurzem unbeschadet einen Autounfall überstanden, der mich genausogut auch hätte töten können. Stell dir nur einmal vor, so etwas passiert mir noch einmal. Nur dass es dieses Mal nicht gut ausgeht. Ich sterbe in irgendeinem demolierten Autowrack auf irgendeiner Schnellstraße. Und du hast für immer und ewig meinen Namen auf deinem Körper stehen. Wirst jeden Tag an mich zurückerinnert. Würdest du das wirklich wollen?“ „Was redest du denn da?“, rief Doflamingo völlig verzweifelt. „Warum bist du immer so furchtbar negativ eingestellt, was die Zukunft angeht? Ich meine, genausogut könnten wir beide doch auch glücklich zusammenleben, bis wir achtzig Jahre alt sind und dann friedlich im Schlaf sterben. Wie hoch ist im Gegensatz dazu die Wahrscheinlichkeit sein Leben bei einem Autounfall zu verlieren?“ „Ich kann trotzdem nicht nachvollziehen, warum du dir unbedingt meinen Namen tätowieren lassen möchtest“, entgegnete Crocodile. „Selbst wenn wir beide - was ich sehr hoffe- ein langes und schönes Leben führen werden, verstehe ich nicht, was dir dieses Tattoo bringen soll. Ist ja schließlich nicht so, als ob du ständig vergisst, wie ich heiße.“ „Es soll ein Zeichen sein“, versuchte Doflamingo ihm seine Perspektive zu erklären. „Ein Symbol für meine Liebe zu dir. Dieses Tattoo bedeutet, dass ich zu dir gehöre. Für immer.“ Seufzend hielt Crocodile seine rechte Hand hoch, sodass Doflamingo den Diamantring sehen konnte, den dieser ihm zur ihrer Verlobung geschenkt hatte. „Bald wirst du auch so einen haben“, sagte Crocodile mit angesäuerter Stimme. Diese Diskussion strapazierte seine Nerven wirklich extrem. „Reicht das denn nicht als Liebessymbol?“ „Ich freue mich schon auf meinen Ehering“, erwiderte sein Partner, „aber trotzdem halte ich das Tattoo für keine schlechte Idee. Das eine schließt das andere als Symbol doch nicht aus, oder?“ Augenrollend ließ Crocodile seine Hand wieder sinken. „Mir gefällt diese Idee trotzdem nicht“, meinte er. „Sollte das allein als Grund nicht ausreichen? Schließlich geht es hier um meinen Namen.“ „Ich habe mir noch eine Alternative überlegt gehabt“, sagte sein Verlobter, „für den Fall, dass dir mein Plan missfällt. Wie wäre es anstatt eines Schriftzuges mit einem Bild?“ „Einem Bild?“, hakte Crocodile zweifelnd nach. Ihn ergriff eine ungute Vorahnung. „Ein kleines Krokodil“, führte Doflamingo kopfnickend seine Vorstellung weiter aus. „In grün. Du weißt schon, weil du oft grüne Hemden trägst und so. Fändest du das besser?“ „Ich finde beides bescheuert“, antwortete Crocodile kühl. Er sah nicht ein, wieso er lügen sollte. Ganz im Gegenteil: Je eher er Doflamingo von dessen verrückter Idee abbrachte, desto besser! „Warum musst du dir unbedingt ein Tattoo stechen lassen? Warum bleiben wir nicht einfach bei unseren Eheringen?“ „Zu Beginn hast du keine Einwände erhoben“, meinte Doflamingo mit vorwurfsvoll klingender Stimme. „Du hast gesagt, dass du ein kleines Tattoo in Ordnung findest.“ „Da wusste ich ja auch noch nicht, dass das Motiv etwas mit mir zu tun hat!“, entkräftete Crocodile das Argument seines Partners. „Grundsätzlich habe ich ja wirklich nichts dagegen einzuwenden, wenn du dich tätowieren lässt. Aber mir wäre es wirklich lieber, wenn du dir ein neutrales Motiv aussuchst. Unsere Hochzeit ist mir Beweis genug für unsere Liebe. Da benötige ich nicht noch zusätzlich ein Tattoo auf der Haut meines Verlobten.“ „Vielleicht brauchst du ein bisschen Zeit, um dich an die Vorstellung zu gewöhnen“, beendete Doflamingo schließlich ihre Diskussion. Crocodile war sich sicher, dass dieser sich noch längst nicht geschlagen gegeben hatte. Bei seinem Verlobten handelte es sich um eine extrem sture und egoistische Person. Wenn Doflamingo etwas wollte, bekam er es auch. Punkt. Der Krieg ist nicht gewonnen, dachte Crocodile missmutig, die Schlacht ist bloß vertagt. Doch auch wenn er alles daran setzen würde, um seinem Partner diese verrückte Idee rasch wieder aus dem Kopf zu schlagen, schloss er sich dem Waffenstillstand an. Sein Arbeitstag war sehr anstrengend gewesen und er hatte heute Abend wirklich keine Lust mehr auf weitere Diskussionen. „Der Fisch müsste jeden Moment fertig sein“, meinte Doflamingo und erhob sich von der Couch. Gleichzeitig sammelte er die Zeitschrift auf, die Crocodile fallen gelassen hatte, und legte sie behutsam auf den Couchtisch. „Lass uns schon mal hinüber ins Esszimmer gehen.“ * Es war Freitagabend. Doflamingo hatte seinen Verlobten dazu überreden können, gemeinsam mit ihm einem Dinner in the Dark beizuwohnen. Crocodile fand zwar die Vorstellung komplett im Dunkeln zu essen nicht sonderlich verlockend, doch weil Doflamingo so begeistert gewirkt hatte und das Dinner auch nur 55 Berry kostete, hatte er sich schlussendlich doch überreden lassen. Nun stand sie beide in der Auffahrt bereit und diskutierten darüber mit welchem Auto sie fahren sollten. Es ärgerte Crocodile ein wenig, dass sein Verlobter darauf bestand sich chauffieren zu lassen, obwohl er gerne mit seinem eigenen Wagen gefahren wäre. Das Restaurant lag in der Nachbarstadt und um dorthin zu gelangen musste man über eine gut ausgebaute Landstraße fahren; ein Spaß, den Crocodile sich gerne gegönnt hätte. „Du fährst doch ständig selbst“, meinte Doflamingo mit vor der Brust gekreuzten Armen. „Jeden Tag zur Arbeit und wieder zurück. Ich finde, dass du dir wenigstens am Wochenende den Luxus erlauben solltest dich fahren zu lassen.“ „Du weißt ganz genau, dass ich sehr gerne autofahre“, hielt Crocodile dagegen. „Ich liebe meinen Mercedes! Und schnelle Landstraßen auch!“ „Es ist Freitagabend“, erwiderte sein Verlobter. „Alle Straßen, die aus der Stadt heraus führen, werden völlig überfüllt sein. Da macht es wirklich keinen Spaß selbst zu fahren, das kannst du mir glauben!“ Leise seufzend gab Crocodile schließlich klein bei. Er wollte einfach bloß einen netten Abend mit Doflamingo verbringen und hatte keine Lust auf eine Diskussion, die höchstwahrscheinlich im Streit ausarten würde. „Also gut“, meinte er und atmete tief durch. „Von mir aus. Gib deinem Fahrer Bescheid.“ „Mit welchem Auto möchtest du denn fahren?“, fragte ihn sein Partner, der wohl versuchte seinen Wünschen wenigstens ein klein wenig gerecht zu werden. „Das ist mir egal“, antwortete Crocodile achselzuckend. Gerade als er noch etwas hinzufügen wollte, erregte ein Motorradfahrer, der plötzlich in der Auffahrt auftauchte, seine Aufmerksamkeit. Crocodile brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich bei dem Fahrzeug um eine schwarze Honda 1200 F handelte. „Du hast mir gar nicht gesagt, dass du Law eingeladen hast“, sagte Crocodile verwundert in Richtung seines Verlobten. „Habe ich auch nicht“, gab Doflamingo, der nicht weniger überrascht wirkte als er selbst, zurück. „Schließlich hatte ich ja geplant gehabt mit dir zusammen essen zu gehen.“ „Vielleicht liegt irgendein Notfall vor“, mutmaßte Crocodile, während er beobachtete, wie Law hektisch von seinem Motorrad abstieg. Er war noch bleicher als üblich und wischte sich nervös mit dem Handrücken über den Mund, während er zu ihnen herüberkam. „Hey“, meinte Law mit schwacher Stimme an sie beide gewandt. Er schien sich extrem unwohl zu fühlen und blickte sich immer wieder fahrig um. Man könnte meinen, er würde verfolgt werden. Crocodile, der nicht so recht wusste, was er tun sollte, überließ lieber seinem Verlobten das Wort. „Law“, sagte Doflamingo, der sich um einen ruhigen Tonfall zu bemühen schien, „schön dich zu sehen. Ist alles in Ordnung? Du wirkst ziemlich nervös.“ Law ließ sich nicht viel Zeit mit seiner Antwort. „Ich habe totale Scheiße gebaut!“, erwiderte er und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, braunes Haar. „Was meinst du damit?“, hakte Doflamingo nach. „Was ist passiert?“ „Ich bin abgehauen. Verdammt, ich... ich glaube, ich habe einen Riesenfehler gemacht. Das ist alles falsch! Ich... ich hätte das nie tun dürfen!“ „Wovon redest du denn da?“, fragte Doflamingo mit besorgt klingender Stimme. Er hielt für einen Augenblick inne und blickte zu Crocodile hinüber, der kurz nickte, ehe er fortfuhr: „Am besten gehen wir erst mal rein. Setz dich hin, trink ein Glas Wasser und beruhige dich, Law.“ Doflamingo nahm ihn vorsichtig bei der Hand und lotste ihn durch das Foyer hinüber ins Wohnzimmer. Crocodile folgte den beiden auf dem Fuße. Er hatte ein äußerst ungutes Gefühl im Magen. „Ganz ruhig“, sagte Doflamingo und ließ sich neben Law auf der Couch nieder. Crocodile setzte sich auf die andere Seite. „Atme tief ein und aus. Und dann erzählst du uns, was passiert ist.“ Law tat wie ihm geheißen. Er schloss für einen kurzen Moment seine Augen und nahm zwei Atemzüge, ehe er zu erzählen begann: „Also ich... ich war heute Abend mit Kid verabredet. Du weißt schon, meinem Tätowierer. Wir gehen seit ein paar Wochen miteinander aus. Und, naja, es hat eigentlich auch alles ganz gut geklappt. Aber heute... ich war bei ihm Zuhause... wir hatten ausgemacht, dass ich bei ihm schlafe. Irgendwie ist alles schief gegangen. Dann bin ich abgehauen.“ „Was meinst du mit es ist alles schief gegangen?“, wollte Doflamingo wissen. Skeptisch hatte er eine Augenbraue hochgezogen. „Hat er dir wehgetan? Oder wollte er dich zu irgendetwas zwingen?“ „Nein, Quatsch!“, erwiderte Law sofort kopfschüttelnd. „Kid hat nichts falsch gemacht! Er ist sehr nett, auch wenn er nicht unbedingt so aussieht. Es ist meine Schuld gewesen... Ich hätte mich gar nicht erst auf ihn einlassen dürfen. Ich bin nicht bereit für eine neue Beziehung.“ „Was ist denn angeblich deine Schuld gewesen? Was genau ist überhaupt passiert?“ „Ich... wie gesagt, wir waren bei ihm Zuhause und es war geplant, dass ich dort auch übernachte. Naja, du weißt, was das bedeutet, oder? Wir wollten Sex miteinander haben“, meinte Law mit gesenkter Stimme. „Und zu Anfang war auch alles in Ordnung. Er hat für mich gekocht und wir haben miteinander geredet... aber als es dann... eben halt zur Sache ging... da hat mich irgendwie das schlechte Gewissen gepackt. Ich bin aus dem Bett geflüchtet, habe in Windeseile meine Klamotten angezogen und bin verschwunden.“ „Und wie hat Kid reagiert?“ „Der war natürlich total verwirrt“, antwortete Law. Er knetete nervös seine Hände. Crocodiles Blick fiel unweigerlich auf die Death-Tätowierung, welche die Finger seiner linken Hand zierten. „Wollte wissen, was los ist. Hat versucht mit mir zu reden. Aber ich habe einfach nur meinen Motorradschlüssel gepackt und bin weggelaufen.“ „Ich verstehe das nicht so ganz“, meinte Doflamingo stirnrunzelnd. „Warum hast du denn auf einmal Gewissensbisse bekommen? Schließlich hast du doch ehrliche Absichten mit Kid, oder nicht? Es gibt keinen Grund für ein schlechtes Gewissen.“ Daraufhin schwieg Law für eine Weile. Mit zusammengepressten Lippen fixierte er die Spitzen seiner Schuhe. Es dauerte fast zwei Minuten, ehe er mit leiser Stimme sagte: „Ich habe mich schlecht gefühlt wegen Corazon.“ Diese Aussage schien Doflamingo die Sprache zu verschlagen. Völlig verdattert blickte er Law ins Gesicht und brachte kein einziges Wort hervor. Am Ende war es Crocodile, der die unangenehme Stille durchbrach. „Corazon?“, hakte er mit verwunderter Stimme nach. „Doflamingos Bruder?“ „Ich weiß nicht, ob er dir das je erzählt hat“, meinte Law, „aber wir beide sind ein Paar gewesen, ehe Corazon... ehe er gestorben ist.“ „Er ist seit über zwei Jahren tot!“, sagte Doflamingo. Seine Stimme klang ziemlich kalt, wenn man bedachte, dass er hier über seinen eigenen Bruder sprach. „Es wird endlich Zeit, dass du darüber hinwegkommst, Law! Willst du den Rest deines Lebens damit zubringen, um ihn zu trauern? Glaubst du, Corazon hätte das gewollt?!“ „Glaubst du, er wollte sterben?!“ Es war das erste Mal, dass Crocodile miterlebte, wie Law die Stimme erhob. Aus honiggelben Augen heraus funkelte er seinen Verlobten wütend an. Crocodile fand, dass er aussah wie ein grimmiger Luchs. „Es spielt doch überhaupt keine Rolle, was er gewollt hätte oder nicht! Danach hat niemand gefragt! Das Schicksal hat ihn einfach aus meinem Leben herausgerissen! Von einem Tag auf den anderen!“ „Das weiß ich doch!“, erwiderte Doflamingo nicht minder aufgebracht. „Mir ging es genauso! Ich habe ihn auch verloren, Law! Er war mein kleiner Bruder!“ Law verstummte. Er senkte den Blick, schluckte zweimal schwer und brach dann völlig unvermittelt in Tränen aus. Crocodile, der sich äußerst unwohl fühlte und nicht wusste, wie er reagieren sollte, tätschelte verunsichert seinen Rücken. „Nein, ich... das wollte ich nicht“, gab Doflamingo bedrückt von sich und legte eine Hand über seinen Mund. „Du hast Recht“, sagte Law mit leiser Stimme, nachdem er sich einigermaßen wieder gefangen hatte. Mit dem Hemdsärmel wischte er sich über seine tränennassen Augen. „Ich weiß, dass du Recht hast, Doflamingo. Ich kann nicht mein ganzes Leben damit verbringen zu trauern. Aber das ist leichter gesagt als getan. Jedes Mal, wenn ich mich mit einem Mann treffe, der mir gefällt, kommt es mir vor als würde ich Corazon betrügen. Ich frage mich dann immer, was er denken würde, wenn er mich jetzt sähe. Ob er vielleicht enttäuscht von mir wäre oder wütend auf mich. Er ist tot. Er denkt nichts und er fühlt nichts. Das weiß ich. Aber trotzdem werde ich diese Gewissensbisse einfach nicht los.“ „Oh, Law...“ Doflamingo seufzte und fuhr sich mit der Hand durch's Haar. „Warum hast du nie davon erzählt? Ich meine, mir ist klar gewesen, dass du nach dieser Sache mit Corazon zu einem echten Eigenbrötler geworden bist... Aber ich wusste nicht, dass es daran liegt.“ „Weil ich mir dabei total bescheuert vorkomme“, antwortete Law matt. „Ich bin Chirug. Ich müsste von allen Menschen am besten wissen, dass der Tod eine rein biologische Sache ist. Das Gehirn und die Organe hören auf zu arbeiten. Fertig, aus. Corazon hat einfach aufgehört zu existieren. Es ist nicht so als würde er im Himmel auf einer Wolke sitzen und jeden meiner Schritte beobachten. Trotzdem kommt es mir so vor.“ „Vielleicht solltest du psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen“, schlug Doflamingo vor. „Mir haben die Gespräche mit meinem Therapeuten nach Corazons Tod sehr geholfen. Du würdest dort lernen, auf eine... nun ja... angemessene Art und Weise mit deiner Trauer umzugehen. Denn so wie es momentan läuft, kann es nicht für immer weitergehen, Law!“ „Dessen bin ich mir bewusst“, erwiderte Angesprochener ausweichend. „Aber ich weiß nicht, ob so eine Therapie das Richtige für mich ist. Ich arbeite sehr viel. Wahrscheinlich würde ich es allein schon aus zeitlichen Gründen nicht schaffen, mich regelmäßig mit einem Psychiater zu treffen.“ „Dann musst du dir eben die Zeit dafür nehmen“, schaltete sich nun auch Crocodile in das Gespräch ein. „Es ist nicht gut, wenn man immer nur seiner Arbeit den Vorrang gibt. Ab und an sollte man auch mal an sich selbst denken, Law. Das ist keine Schande. Ich finde, du solltest es wenigstens mal mit einer Therapie versuchen!“ „Dass ich diese Worte ausgerechnet von dir höre“, murmelte Law. Er erweckte noch immer einen ziemlich unentschlossenen Eindruck. „Dabei bist du doch sogar noch ein viel größerer Workaholic als ich, wenn man Doflamingos Worten glauben darf. Überstunden bis Mitternacht und so weiter.“ „Nicht mehr“, verteidigte Crocodile sich. „Ich habe gemerkt, dass ich ein bisschen weniger arbeiten muss, wenn ich noch genug Zeit für Doflamingo übrig haben möchte. Ich mache kaum noch Überstunden oder Wochenend-Arbeit. Wie gesagt, manchmal muss man eben zuerst an sich denken und danach erst an seinen Chef. Du solltest dir wirklich die Zeit für eine Therapie nehmen. Wenigstens ein oder zwei Termine in der Woche müssten doch machbar sein.“ „Meine Situation ist anders als deine“, hielt Law dagegen. „Ich meine das jetzt nicht böse, aber bei deinem Job geht es doch nur um Geld. Um Zinsen, Kredite, Investitionen und so weiter. Bei mir sieht das ganz anders aus: Auf meinem OP-Tisch liegen Menschen. Männer, Frauen, Kinder. Mit Familien und mit Träumen. Was ist, wenn eine junge Frau eingeliefert wird, die sofort operiert werden muss oder ansonsten stirbt? Dann kann ich doch nicht einfach sagen: Keine Zeit, ich muss zum Termin mit meinem Psychiater!“ „Und warum nicht?“, erwiderte Crocodile kühl. „Bist du etwa der einzige Chirug im Krankenhaus?“ „Manchmal habe ich alleine Schicht“, antwortete Law auf die eigentlich rhetorisch gemeinte Frage. „Manchmal“, wiederholte Crocodile. „Aber meistens sind doch auch noch andere Chirugen vor Ort, oder nicht? Dann stellt es kein Problem dar, pünktlich Feierabend zu machen und dich mit deinem Psychiater zu treffen. Und zur Not kann man so einen Termin auch auf den nächsten Tag verschieben. Es ist möglich, Law, und diese Möglichkeit solltest du wirklich in Anspruch nehmen!“ „Ich stimme Crocodile zu“, meinte Doflamingo mit zuversichtlich klingender Stimme. „Du musst endlich lernen mit Corazons Tod abzuschließen, Law. Dir liegt doch auch etwas an Kid, oder nicht? Wie soll eure Beziehung funktionieren, wenn du bei jedem Kuss und bei jedem Ich liebe dich ein schlechtes Gewissen bekommst? Kid scheint ein anständiger Kerl zu sein und er hat es nicht verdient sich wie... wie eine Affäre vorzukommen.“ „Ich glaube nicht, dass aus Kid und mir noch etwas werden wird“, erwiderte Law. Er seufzte leise auf und fixierte die Spitzen seiner Schuhe. „Immerhin habe ich heute wirklich Mist gebaut! Wer weiß, ob er mir verzeihen wird, dass ich einfach ohne jede Erklärung abgehauen bin.“ „Ruf ihn doch einfach an“, schlug Doflamingo vor. „Erklär ihm in Ruhe deine Situation. Vielleicht bringt er ja Verständnis für deine Beweggründe auf.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er immer noch etwas von mir wissen möchte.“ „Du hast nichts zu verlieren!“ Doflamingo blieb absolut hartnäckig. Er holte sogar sein Handy aus seiner Hosentasche hervor und hielt es Law vor die Nase. „Los, ruf ihn an“, forderte er ihn auf. „Worauf wartest du?“ „Jetzt?!“ Law wirkte völlig entsetzt. „Glaubst du, deine Chance steigen, je länger du wartest?“, gab Doflamingo keck zurück. Zögerlich nahm Law das Mobiltelefon entgegen. Mit zweifelnder Miene tippte er Kids Nummer ein. Als am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde, stand er panisch von der Couch auf und verließ das Wohnzimmer. Crocodile und Doflamingo blieben sitzen. Sie konnten Law im Nebenzimmer telefonieren hören. „Tut mir leid, dass unser Dinner in the Dark ins Wasser gefallen ist“, meinte Doflamingo an seinen Verlobten gewandt. Er sprach so leise, dass Law seine Worte auf keinen Fall mitbekam. „Ist schon gut“, erwiderte Crocodile und winkte ab. „Solche Dinge passieren eben. Und wenn ich an Laws Stelle gewesen wäre, hätte ich schließlich auch gewollt, dass man sich Zeit für mich nimmt und sich um mich kümmert.“ Natürlich konnte Crocodile sich deutlich Angenehmeres vorstellen als einen am Boden zerstörten Freund zu trösten, doch immerhin musste er nun keine 55 Berry ausgeben für ein Abendessen, auf das er sowieso keine große Lust gehabt hatte. Alles in allem hätte es schlimmer kommen können. „Ich hoffe, dass die beiden wieder zueinander finden werden“, murmelte Doflamingo. „Law ist viel zu lange allein gewesen. Nach Corazons Tod hat er sich praktisch in die Arbeit gestürzt. Es wurde immer schwieriger ihn dazu zu bewegen, mal mit uns in ein Restaurant oder einen Nachtclub zu gehen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn es ihm gelingt, eine Beziehung zu Kid aufzubauen und wieder glücklich zu werden.“ „Naja, wer weiß“, erwiderte Crocodile schulterzuckend. „Außerdem wäre es auch kein Weltuntergang, wenn diese Sache mit Kid nicht klappt. Manche Menschen sind auch als Single sehr glücklich. Die Hauptsache ist doch, dass wir Law dazu bewegen können eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Die Art und Weise, wie er mit seiner Trauer umgeht, ist definitiv nicht gesund.“ „Du hast Recht, was die Therapie angeht“, sagte sein Verlobter „aber trotzdem wäre es schön, wenn die beiden ein Paar werden würden. Das Single-Leben ist nicht schlecht, aber es ist viel besser einen festen Partner zu haben.“ Verwundert runzelte Crocodile die Stirn. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so ein Statement ausgerechnet von dir hören würde“, meinte er. „Hast du nicht erzählt gehabt, dass es sich bei mir um deinen allerersten festen Partner handelt? Wenn du es doch so viel besser findest vergeben als single zu sein, wieso hattest du dann vorher noch nie eine länger andauernde Beziehung?“ „Natürlich ist eine Beziehung nur dann schön, wenn man tiefergehende Gefühle füreinander hegt“, antwortete Doflamingo augenrollend. „Du bist der erste Mensch, in den ich mich verliebt habe, Crocodile. Die Männer und Frauen, mit denen ich vorher zusammen gewesen bin, waren nichts als Spielzeuge für mich. Ich habe für keinen von ihnen etwas empfunden. Und auf einer solchen Basis kann natürlich keine langfristige Beziehung entstehen. Aber bei Law und Kid sieht die Sache anders aus: Die beiden scheinen wirklich ineinander verliebt zu sein. Und deswegen hoffe ich auch, dass sie sich wieder vertragen und ihrer Beziehung eine Chance geben. Ich denke, einen Partner zu haben, dem man sich anvertrauen kann, würde Law auch in Bezug auf seine Trauerbewältigung weiterhelfen.“ „Wahrscheinlich“, gab Crocodile zu. Er wusste ja selbst, wie tröstlich es sein konnte, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Da musste er bloß an die Begegnung mit seiner Mutter zurückdenken: Zum Glück war Doflamingo für ihn da gewesen, um sich um ihn zu kümmern und ihn aufzumuntern. „Trotzdem sollte man so etwas nicht erzwingen. Viele Leute gehen eine Beziehung ein, nur um... nun ja, um eben in einer Beziehung zu sein. Ich finde, man sollte lieber auf eine Person warten, mit der man wirklich gut zusammenpasst als bloß den nächstbesten zu nehmen.“ Doflamingo legte den Kopf schief und entblößte seine strahlend weißen Zähne, während er selbstzufrieden grinste. Crocodile warf seinem Partner einen irritierten Blick zu. „So hast du es gemacht, nicht wahr?“, meinte Doflamingo. „Du warst drei Jahre lang single, bevor wir beide uns kennengelernt haben. Du bist eine sehr wählerische Person. Du hast auf den richtigen Mann gewartet - auf mich!“ „Du tust so als hätte ich mich sofort auf dich eingelassen“, dämpfte Crocodile den Enthusiasmus seines Verlobten ein wenig ab. „Vergiss nicht, dass es mehrere Woche gedauert hat, bis du mich zu einem Date überreden konntest.“ „Das liegt daran, dass du eine sehr vorsichtige Person bist.“ Doflamingo ließ sich von seiner Vorstellung nicht abbringen. „Und bereits schlechte Erfahrungen sammeln musstest, was Beziehungen angeht. Letztendlich hast du dich für mich entschieden. Das...“ Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch schluckte seine Worte stumm hinunter, als Law wieder das Wohnzimmer betrat und Doflamingo dessen Handy in den Schoß warf. Crocodile fand, dass er nicht weniger angespannt und unruhig wirkte als zuvor. Es war ziemlich seltsam, Law, den er als eine sehr ruhige und besonnene Person kennengelernt hatte, so dermaßen gereizt zu erleben. „Wie ist es gelaufen?“, fragte Doflamingo, als dieser auch nach einer halben Minute noch keinen Ton von sich gegeben hat. „Kid kommt hierher“, antwortete Law und tigerte nervös im Raum umher. „Meinte, wir sollten diese Sache lieber nicht am Telefon klären. Er fährt sofort los, hat er gesagt. Das heißt, er müsste in etwa zwanzig Minuten hier sein, wenn die Straßen nicht völlig verstopft sind.“ „Oh-oh“, machte Crocodile. Das klang verdammt schlecht. „Aber das ist doch gut, oder nicht?“, warf Doflamingo ein. „Also, dass er hierherkommt, um dich zu sehen.“ „Gut?!“ Law warf Doflamingo einen entgeisterten Blick zu. „Das ist überhaupt nicht gut! Das ist praktisch das Gegenteil von gut!“ „Wieso denn?“ Doflamingo schien überhaupt nicht zu verstehen, wo das Problem lag. Irritiert ließ er seinen Blick zwischen Crocodile und Law hin- und herschweifen. „Was ist los?“ „Wahrscheinlich möchte Kid Schluss machen“, flüsterte Crocodile seinem Verlobten zu. „Wie kommst du denn darauf? Warum sollte er dafür extra hierherfahren? Er hätte sich doch einfach per Telefon von Law trennen können. Das wäre viel einfacher und unkomplizierter gewesen.“ „Ist das dein Ernst?“ Crocodile glaubte sich verhört zu haben. „Klar ist das mein Ernst“, erwiderte Doflamingo gelassen. „Wieso sollte er sich die Mühe machen und sich in sein Auto setzen, nur um Law abzuservieren? Das ergibt doch keinen Sinn. Ich glaube nicht, dass Kid Schluss machen möchte.“ „Hast du jemals etwas von dem Wort Anstand gehört?“, zischte Crocodile. Er konnte überhaupt nicht fassen, aus welch unsentimentaler und nüchterner Perspektive sein Verlobter die Situation betrachtete. „Man beendet doch keine Beziehung am Telefon!“ „Ich habe das schon des Öfteren getan“, gab Doflamingo zu. Völlig ungerührt zuckte er mit den Schultern. „Wieso auch nicht? Wenn mir noch etwas an der anderen Person läge, würde ich mich ja schließlich gar nicht erst trennen, oder?“ „Allmählich verstehe ich, warum deine früheren Beziehungen nie lange gehalten haben, du Gentleman“, seufzte Crocodile und schüttelte fassungslos den Kopf. Ihm und auch seinen Freunden gegenüber hatte sich Doflamingo stets freundlich und zuvorkommend verhalten. Nie im Leben hätte Crocodile gedacht, dass sein Verlobter zu der Sorte Mensch gehörte, die per Anruf oder sms Schluss machte. Er selbst war jedenfalls der Ansicht, dass der (Ex)partner auf jeden Fall ein persönliches Gespräch verdient hatte, auch wenn sich ihre Wege von nun an trennen sollten. Schließlich hatte man zusammen viele Erfahrungen gesammelt und gemeinsam die eine oder andere Hürde gemeistert. Crocodile wäre niemals auch nur auf den Gedanken gekommen, eine Beziehung auf eine andere Art und Weise zu beenden. „Willst du mir etwa sagen, dass du jede Trennung mit einem Gespräch unter vier Augen durchgezogen hast?“, fragte Doflamingo mit zweifelnder Stimme. Er wirkte beinahe amüsiert. „Wenn man meine Beziehung mit Enel außen vor lässt, die (wie du ja weißt) durch einen gebrochenen Arm, mehreren gebrochenen Rippen und einer Gehirnerschütterung beendet wurde, dann: Ja, habe ich mit jedem einzelnen meiner Partner auf eine vernünftige Art und Weise Schluss gemacht. So wie es sich für einen erwachsenen Menschen gehört“, erwiderte Crocodole kühl. „Auf eine vernünftige Art und Weise?“, wiederholte Doflamingo. Noch immer erweckte er einen eher belustigten als beschämten Eindruck. „Das klingt ja fast so als wäre eine Trennung weniger schmerzhaft, wenn die Person, die du liebst, dich persönlich abschießt. Ich halte das für Schwachsinn. Es ist für denjenigen, mit dem Schluss gemacht wird, viel einfacher, wenn er nicht mit seinem Expartner konfrontiert wird. Dadurch erlaubt man ihm seine Würde zu behalten.“ „Auch wenn es vielleicht schmerzhafter ist, hat der Andere ein Gespräch verdient“, widersprach Crocodile seinem Verlobten. „Wenn man ihm bloß eine Nachricht schickt oder so etwas in der Art, macht man damit doch deutlich, dass man nichts von ihm hält. Dass er nicht einmal mehr auch nur ein einziges ausgesprochenes Wort wert ist. Ich würde mich schrecklich fühlen, wenn man mich auf diese Weise abservieren würde.“ „Na und?“, warf Doflamingo ein. „Es kann deinem Expartner doch egal sein, ob du dich gut oder schlecht fühlst. Ab dem Zeitpunkt der Trennung bist du schließlich nicht mehr sein Problem.“ Auf diese Aussage wusste Crocodile nichts mehr zu erwidern. Resigniert senkte er den Kopf und seufzte leise auf. „Versprich mir bitte jedenfalls“, meinte er, „dass du mir nicht bloß eine Nachricht schickst, solltest du beabsichtigen mit mir Schluss zu machen.“ „Keine Sorge“, antwortete Doflamingo und streckte seine langen Beine ein wenig. „Ich habe nicht vor, mich je von dir zu trennen.“ Crocodile kam nicht dazu einzuwerfen, dass wohl absolut niemand plante eine gut funktionierende Beziehung zu beenden, doch dass sich die Dinge manchmal eben auch anders entwickelten. Gerade als er den Mund aufmachen wollte, betrat ein Dienstmädchen das Wohnzimmer. „Verzeihung“, sagte das junge Mädchen, „draußen steht ein, mit Verlaub, recht heruntergekommen wirkender Mann namens Eustass Kid. Er behauptet, Herrn Trafalgar Law sprechen zu wollen. Soll ich ihn fortschicken?“ „Nein“, antwortete Doflamingo sofort. „Lasst ihn herein. Und behandelt ihn so zuvorkommend wie jeden anderen meiner Gäste auch.“ „Sehr gerne.“ Das Dienstmädchen wirkte erstaunt, doch tat wie ihm geheißen, und verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung, ehe es das Wohnzimmer wieder verließ. „Er ist da...“ Law schien mehr mit sich selbst als mit ihnen beiden zu sprechen. Er schluckte unwillig und zupfte mit der linken Hand nervös an seinen goldenen Ohrringen herum. Wieder fiel Crocodile die Tätowierung auf den fünf Fingern auf. „Ganz ruhig“, versuchte Doflamingo mit sanfter Stimme auf Law einzureden. „Erkläre Kid einfach, warum du verschwunden bist. Ich bin mir sicher, dass er Verständnis für deine Beweggründe aufbringen wird. Immerhin hast du keine böse Absicht gehabt.“ „Hoffentlich behälst du Recht“, murmelte Law mit wenig zuversichtlich klingender Stimme. Einen Moment später betrat Eustass Kid das Wohnzimmer. Er sah noch fast genauso aus wie Crocodile ihn in Erinnerung gehabt hatte: Knallrotes, vom Kopf abstehendes Haar, hellgrüne Augen, dunkler Lippenstift, dunkler Nagellack. Lediglich seine Figur hatte sich verändert: Vor zehn Jahren noch hatte es sich bei Kid um eine relativ schlanke, beinahe schon zierliche Person gehandelt. Nun war er zu einem breitschultrigen, muskulösen Mann herangewachsen. Seine Unterarme wurden auf beiden Seiten von detailreichen Tätowierungen geziert: Als Crocodile genauer hinsah, erkannte er unter Anderem eine Meerjungfrau, ein Piratenschiff und eine Chimäre. Für eine Weile sagte niemand ein Wort. Kid ließ seinen Blick stumm durch den großen, luxuriös eingerichteten Raum schweifen. Vermutlich kam er sich hier so unpassend vor wie ein Rockmusiker in der Oper. Es beeindruckte Crocodile, dass er dennoch keine Miene verzog. Lediglich als ihre beiden Blicke sich kreuzten, zog Kid überrascht eine Augenbraue hoch. Offenbar hatte er ihn sofort wiedererkannt. „Hey, Kid.“ Schlussendlich war es Laws Stimme, welche die unangenehme Still durchbrach. Sie klang so kläglich, dass Crocodile unweigerlich Mitleid für ihn empfand. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie Law sich fühlen musste. Normalerweise handelte es sich bei diesem um eine sehr besonnene und vernünftige Person. „Können wir irgendwo zu zweit miteinander sprechen?“ Kid redete nicht um den heißen Brei herum. Er hatte nicht einmal Laws Begrüßung erwidert, fiel Crocodile auf. „Ich habe keine Lust auf Publikum.“ Law nickte. Er führte Kid ins Nebenzimmer und es dauerte sehr lange, bis die beiden es wieder verließen. Das erste, was Crocodile auffiel, war Laws Gesichtsausdruck: Er wirkte nicht wirklich erleichtert, doch deutlich weniger beklommen und verzagt als zuvor. Also behielt Doflamingo am Ende doch Recht: Kid hatte den Weg hierher offenbar nicht auf sich genommen, um Schluss zu machen. „Möchtet ihr beide etwas trinken?“, fragte Doflamingo seine Gäste. „Ein Glas Wein vielleicht?“ „Ich bin mit dem Auto hier“, erwiderte Kid mit ruhiger Stimme, doch ließ sich (in einiger Entfernung zu Doflamingo) auf der Couch nieder. Die Lücke zwischen den beiden wurde von Law aufgefüllt. Crocodile saß auf der anderen Seite seines Verlobten. „Fruchtsaft?“, bot Doflamingo stattdessen an. „Limonade? Irgendetwas?“ „Einfach bloß Wasser“, antwortete Kid. „Für mich auch“, fügte Law hinzu. Doflamingo nickte und trug einem Dienstmädchen auf, sich um die Bestellungen zu kümmern. Es dauerte weniger als eine Minute, ehe die junge Frau zurückkehrte; auf dem Tablett, das sie in ihren Händen trug, standen drei große Wassergläser und eine dampfende Kaffeetasse. Der Kaffee war selbstverständlich für Doflamingo. (Crocodiles Magen vertrug solch bittere Getränke nicht. Weil er so gut wie immer stilles Mineralwasser trank, hatte sein Partner gleich eines für ihn mitbestellt.) „Und?“ Jeder von ihnen hatte mindestens fünf Schlücke genommen, ehe Doflamingo es wagte, das betretene Schweigen zu brechen. „Wie schaut es nun aus mit euch beiden?“ Crocodile empfand diese direkte Frage als ein wenig unhöflich und unsensibel, doch wies seinen Verlobten nicht zurecht. Um ehrlich zu sein, interessierte es ihn ebenfalls, wie nun eigentlich der Stand der Dinge war. „Nun ja...“ Law räusperte sich. „Ich habe Kid von der... der Sache erzählt. Du weißt schon, mit Corazon.“ Doflamingo blickte auffordernd zu Kid hinüber, der mit den Schultern zuckte. „Was soll ich dazu sagen?“, meinte Kid mit recht unwillig klingender Stimme. Er schien die Neugier seines Gastgebers als ziemlich unangenehm zu empfinden, was Crocodile ihm kaum verübeln konnte. „Ich hab's verstanden. Also, wo das Problem liegt. Ich hoffe, dass wir das in den Griff bekommen. Mehr gibt es da eigentlich nicht zu sagen. Ob es mit Law und mir klappt oder nicht, wird sich dann zeigen.“ „Es freut mich, dass du Verständnis für Law aufbringst und ihm eine Chance gibst“, erwiderte Doflamingo freundlich lächelnd und nahm einen großen Schluck Kaffee. „Ich habe das Gefühl, dass ihr gut zueinander passt und dass aus euch beiden wirklich etwas werden könnte.“ „Jeder hat sein Päckchen zu tragen“, gab Kid relativ gleichmütig klingend zurück. „Niemand ist perfekt.“ „Da hast du wohl Recht“, stimmte Crocodile ihm zu. Seine Worte waren relativ gedankenverloren gewesen, doch trotzdem schaute Kid ihn eine Weile lang aus aufmerksamen Augen heraus an. Dabei schweifte sein Blick auch immer wieder zu dem Armstumpf auf seiner linken Seite hinüber. Schließlich schien er nicht mehr widerstehen zu können und sagte: „Ich habe mich oft gefragt, was aus dir geworden ist, Crocodile. Aber wenn ich mir diesen Palast hier ansehe, scheinst du doch ein ganz gutes Los gezogen zu haben.“ Seine Worte klangen nicht hämisch, sondern überraschend freundlich und sanft. „Ihr kennt euch?“ Die Verwunderung war überdeutlich aus Laws Stimme herauszuhören. „Dein Freund hat mir mal das Leben gerettet“, erklärte Crocodile ihm. „Das... das Leben gerettet?“, wiederholte Law und blickte irritiert zu Kid hinüber, der eine wegwerfende Handbewegung machte. „Das klingt viel heroischer als es in Wirklichkeit war“, meinte er leicht pikiert. „Ich habe eigentlich nicht viel getan.“ „Wenn du nicht gewesen wärst, dann würde ich jetzt nicht hier sitzen.“ Crocodile sah keinen Grund, wieso er untertreiben sollte. Seine Worte entsprachen vollends der Wahrheit: Hätte Kid nicht für ihn angehalten und sich um ihn gekümmert, wäre er definitiv gestorben. Es war praktisch Rettung in letzter Sekunde gewesen. „Ich habe dir boß ein paar Schlücke Wasser gegeben und die Ambulanz gerufen“, spielte Kid seine Mithilfe herunter. „Das ist nun wirklich nicht der Rede wert. Es waren die Sanitäter, die dein Leben gerettet haben. So Leute wie Law. Chirugen, die kein Problem damit haben, zersplitterte Knochen und Innereien und solche Dinge zu sehen. So einer bin ich nicht. Ich meine... ich musste sogar kotzen, als ich dich da liegen gesehen habe.“ „Redet ihr etwa über den Unfall, bei dem du deine Hand verloren hast?“, hakte Law vorsichtig nach. Crocodile nickte. „Motorradunfall. Ist inzwischen etwa zehn Jahre her. Ich wurde im Gebirge zwischen einer Felswand und einem anderen Fahrzeug eingeklemmt. Kid ist zufällig an der Unfallstelle vorbeigekommen“, fasste er die Geschichte so knapp wie möglich zusammen. Er hatte zwar kein Problem damit über dieses Ereignis zu sprechen, doch hielt es trotzdem für klüger die blutigen Details auszusparen. „Oh Gott“, machte Law und bedeckte seinen Mund mit der Hand. „D-das ist ja furchtbar!“ Angesichts dieser Reaktion runzelte Crocodile irritiert die Stirn. „Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet dich so eine Geschichte schockiert. Hast du nicht praktisch jeden Tag ein schwer verletztes Unfallopfer auf dem OP-Tisch liegen?“ „Schon“, lenkte Law ein. „Aber es ist ein großer Unterschied, ob es sich um irgendeine fremde Person handelt oder um jemanden, den man persönlich kennt.“ „Dieser Unfall ist lange her“, sagte Crocodile schulterzuckend. „Es gibt wirklich keinen Anlass, um einen großen Wirbel darum zu machen. Ich komme im Alltag wunderbar mit nur einer Hand zurecht. Mit der Computertastatur bin ich sogar schneller als die meisten meiner Arbeitskollegen.“ „Crocodile hat Recht“, warf Kid rasch ein. Ihm wurde die ganze Diskussion offenbar allmählich unangenehm. „Es gibt eigentlich keinen Grund, um diese Sache breitzutreten...“ Doch Law schnitt ihm unversehens das Wort ab. „Gerade weil du dich nicht sonderlich eingeschränkt zu fühlen scheinst, bin ich immer davon ausgegangen, dass du ganz einfach bloß mit einer Hand geboren worden wärst. Da dies jedoch nicht der Fall ist, frage ich mich, wieso du keine Prothese trägst. So eine Prothese kann zum Beispiel Phantomschmerzen deutlich lindern.“ „Ähm...“, machte Crocodile unbeholfen. Er fühlte sich von Laws Interesse ziemlich überrumpelt. „Ich persönlich habe nie Erfahrungen mit Phantomschmerzen gemacht. Worüber ich übrigens ziemlich froh bin. Shanks zum Beispiel hat mir erzählt, dass er lange Zeit darunter gelitten hat. Aber, nun ja, wie gesagt, ich bin davon zum Glück nicht betroffen gewesen.“ Law, ganz der Mediziner, nickte aufgeregt. „Um ehrlich zu sein, hielt ich Phantomschmerzen früher für ausgemachten Blödsinn“, erzählte er. „Aber dann habe ich mit einigen Patienten zu tun gehabt, die nach der Amputation eines Körperteils dieses Phänomen erlebten. Obwohl der Stumpf vollkommen verheilt war, spürten sie hin und wieder Schmerzen. Die meisten Patienten beschrieben ein unangenehmes Kribbeln, aber manche berichteten auch von sehr extremen Schmerzen, so als wäre die Wunde ganz frisch. Ich habe mich ein bisschen in die Thematik eingelesen und herausgefunden, dass es tatsächlich eine biologische Ursache für Phantomschmerzen gibt: Nervenbahnen, die am Stumpf abrupt enden, senden gelegentlich falsche Signale ans Gehirn. Der Körper glaubt dann praktisch, dass der Verlust des Körperteils ganz neu ist und schüttet fälschlicherweise Schmerzhormone aus. Dagegen hilft eine Prothese: Man legt sich im Prinzip selbst herein, indem man versucht dem Gehirn Glauben zu machen, das Körperteil wäre noch da. Faszinierend, nicht wahr?“ „Ich denke schon“, sagte Crocodile, der sich mit diesem Gespräch ein wenig überfordert fühlte. Diesen Umstand schien zum Glück auch Kid zu bemerken. „Ganz ruhig, Law“, meinte er in einem beinahe schon amüsiert klingenden Tonfall. „Wir sitzen hier nicht in einer Medizin-Vorlesung.“ „Man wird doch wohl noch was interessant finden dürfen, oder nicht?“, gab Law (leicht rosa im Gesicht) zurück und nahm einen großen Schluck Wasser. Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile miteinander und bestellten insgesamt noch vier- oder fünfmal Getränke nach. Um ehrlich zu sein, empfand Crocodile die gemeinsamen Unterhaltungen als ziemlich angenehm. Kid war lange nicht so ungebildet und rüpelhaft wie sein äußeres Erscheinungsbild es vermuten ließ. Eigentlich war er sogar ein ziemlich angenehmer Gesprächspartner. Lediglich Doflamingo vermochte es seine gute Laune ein wenig zu dämpfen. „Keine Sorge“, flüsterte er ihm ins Ohr, als Kid und Law ein wenig miteinander kabbelten, „das Dinner in the Dark holen wir dann nächstes Wochenende nach. Versprochen!“ * Nach diesem Abend bürgerte es sich bei ihnen ein, dass Kid und Law des Öfteren vorbeischneiten. Manchmal kamen sie bloß auf einen Kaffee herein, doch hin und wieder dauerte ein Besuch auch mehrere Stunden. Dann aßen sie gemeinsam zu Abend, sahen sich einen Film an oder unterhielten sich einfach bloß entspannt miteinander. Crocodile erfuhr eine ganze Menge über Eustass Kid: Dass dieser als Tätowierer arbeitete, war ihm bereits bekannt gewesen, doch es überraschte ihn, als er erfuhr, dass Kid von dieser Tätigkeit leben konnte. Früher hatte dieser sich meistens mit irgendwelchen Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten; Barkeeper oder Türsteher oder so etwas in der Art. Doch nun besaß er seit einer Weile ein eigenes Tattoo-Studio, das wohl ziemlich gut lief. Wohnen tat er immer noch in der Nähe der Gold-Roger-Brücke, genauso wie vor zehn Jahren. Heute war Law ohne Kid da. „Er muss arbeiten“, erklärte Law auf Doflamingos verwunderten Blick hin, kaum dass er durch die Türe gekommen war. „Einer seiner Kunden hat auf einen Termin am Abend bestanden.“ „Schade“, meinte Doflamingo. „Später kommen auch Bellamy, Vergo und Monet vorbei. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, um sie miteinander bekannt zu machen.“ „Mach dir nichts draus“, erwiderte Law und zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Das wird sicher nicht die letzte Gelegenheit sein.“ Seit Law sich Kid offenbart hatte und regelmäßig zu seiner Therapie ging, wirkte er deutlich fröhlicher und ausgelassener als vorher. Man könnte meinen, ihm wäre eine riesige Last von den Schultern genommen worden. Crocodile bemühte sich darum sich für Law zu freuen, doch nicht selten packte ihn der Neid: Er würde alles dafür geben, um sich genauso unbeschwert und befreit zu fühlen wie er. Gegen einundzwanzig Uhr erschienen die übrigen Gäste. Doflamingo hatte sie zum Abendessen eingeladen und wie üblich tischte er fürstlich auf: Als Vorspeise gab es Paprika-Tatar mit Wachtelei, Gemüse-Pilz-Suppe und Antipasti-Salat. Beim Hauptgericht durfte man zwischen Entenbrust mit Orangen-Preiselbeersauce, Lachsfiletröllchen mit Wasabi-Pürree und gegrillten Lamm-Koteletts wählen. Und wenn dann immer noch ein kleines bisschen Platz im Bauch war, konnte man hinterher beim Schokoladen-Souffle, Tiramisu oder Vanille-Eis mit Erdbeeren zulangen. Dass Kid heute verhindert war, dachte Crocodile insgeheim und schob sich einen Bissen Lammfleisch in den Mund, war vielleicht gar nicht so schlecht. Er konnte sich ziemlich gut vorstellen, wie erschlagen sich der mittelständische Tätowierer von diesem festlichen Abendessen fühlen würde. Bestimmt hätte er nicht damit gerechnet gehabt, hier praktisch ebenso gut zu speisen wie in einem Fünf-Sterne-Restaurant. Eine solche Mahlzeit gönnten sich normale Menschen vielleicht einmal im Jahr zum Hochzeitstag; für einen reichen Mann wie Doflamingo handelte es sich jedoch um eine Selbstverständlichkeit. Sie waren gerade bei dem Nachtisch angekommen, als plötzlich einer der Angestellten ihre gesellige Runde unterbrach. „Verzeihung, Herr Donquixote“, sagte er und verbeugte sich kurz vor seinem Arbeitgeber, „Herr Disko aus Namibia ersucht dringend ihr Gehör. Offenbar handelt es sich um einen Notfall.“ Der junge Mann hielt ihm ein Mobiltelefon hin (nicht Doflamingos privates Handy, fiel Crocodile sofort auf), welches dieser nach kurzem Zögern entgegennahm. „Entschuldigt mich bitte einen Moment“, meinte er an seine Gäste gewandt, ehe er mit dem Telefon am Ohr aus dem Speisesaal verschwand. „Offenbar ist Kid nicht der einzige, der heute Abend nicht von der Arbeit loskommt“, sagte Law in einem teils resigniert, teils belustigt klingenden Tonfall. „Doflamingo ist eben ein sehr wichtiger Mann“, erwiderte Crocodile schulterzuckend. Ihm machte die Unterbrechung nichts aus. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass es ab und an nun einmal Anrufe gab, die nicht warten konnten. Daher verübelte er seinem Verlobten nicht, dass dieser sich im Augenblick lieber um dringende Geschäfte kümmerte als um ihre Runde. „Ich finde es gut, dass du so viel Verständnis für Doflamingos berufliche Situation aufbringst“, fuhr Law fort. Er steckte sich einen Löffel Tiramisu in den Mund. „Viele seiner früheren Beziehungen sind daran kaputt gegangen, dass die Frauen und Männer einfach nicht verstehen konnten, wieso er überhaupt arbeitet. Sie dachten sich, dass er den ganzen Tag lang nichts tun würde außer Spaß zu haben. Schließlich ist er unglaublich reich. Die meisten von ihnen haben sich vernachlässigt gefühlt, wenn er seiner Arbeit mehr Aufmerksamkeit schenkte als ihnen. “ „Vermutlich haben sie selbst nie einen Beruf ausgeübt, der viel Verantwortungsbewusstsein fordert“, mutmaßte Crocodile, „und sind darum nicht in der Lage nachzuvollziehen, wie wichtig ein einzelnes Telefongespräch oder Geschäftsessen sein kann. Bei mir ist das anders: Ich habe selbst eine hohe Position inne und kenne solche Situationen nur zu gut.“ Law nickte. „Ihr beide seid in dieser Hinsicht sozusagen auf einer Wellenlänge“, sagte er. „Das ist auf jeden Fall eine Stärke eurer Beziehung. Auch, dass du viel Geld verdienst. Also... Nein, so habe ich das gemeint! Ich wollte eigentlich sagen... nun ja, dass du anders bist als die meisten Exfreunde und -freundinnen von Doflamingo. Neunundneunzig Prozent von denen waren nämlich bloß hinter seinem Vermögen her. Sie erwarteten ständig teure Geschenke und so weiter. Bei dir ist das anders. Du bringst selber einen üppigen Gehaltscheck nach Hause und musst nicht deinen Freund um Schmuck und Geld anbetteln. Dein Lebensstandard ist nicht von deinem Partner abhängig. Verstehst du, was ich meine?“ „Ich denke schon“, gab Crocodile mit leiser Stimme zurück. Um ehrlich zu sein, war es ihm ausgesprochen peinlich, dass Law davon ausging, er würde jeden Monat einen üppigen Gehaltscheck nach Hause bringen. Schließlich wendete er fast seinen gesamten Lohn auf, um seine ausstehenden Schilden zu tilgen. Und außerdem verdiente er trotzdem bei weitem nicht so viel wie sein Verlobter. „Dein Verlobungsring ist ein ganz gutes Beispiel“, fuhr Law fort und schob seinen leeren Dessert-Teller von sich. „Die meisten Frauen und Männer, mit denen Doflamingo zusammen war, wären angesichts dieses Schmuckstücks vollkommen ausgeflippt. Immerhin hat er für dein Ring knapp eine Millionen Berry ausgegeben. Aber du gehst völlig gelassen damit um und siehst in ihm hauptsächlich seinen symbolischen Wert. Das finde ich wirklich klasse. Du und Doflamingo - ihr passt einfach sehr gut zusammen.“ Plötzlich fühlte sich Crocodiles Kehle staubtrocken an. Er verschluckte sich an der Erdbeere, die er sich gerade in den Mund gesteckt hatte, und musste fürchterlich husten. Law klopfte ihm auf den Rücken, doch trotzdem gelang es Crocodile nicht sich zu beruhigen. Zu den Schmerzen in seinem Brustkorb, die durch den Hustenanfall hervorgerufen worden waren, gesellte sich ein unangenehmer Knoten in seiner Magengegend. Ich muss mich verhört haben, dachte er panisch und trank ein Schluck Wasser. Es ist absolut unmöglich, dass mein Verlobungsring eine Millionen Berry wert ist! Das ist doch absurd! „Doflamingo hat mir erzählt, dass du beim Kauf mit dabei gewesen bist“, sagte Crocodile und bemühte sich um einen möglichst unbekümmert klingenden Tonfall. „Und dass du ihm davon abgeraten hättest, mir schon nach drei Monaten Beziehung einen Antrag zu machen. Weil du der Meinung bist, man sollte mindestens ein Jahr lang warten, ehe man sich verlobt.“ Grinsend trank Law einen Schluck Champagner. „Das stimmt“, gab er zu. „Nun ja, du weißt wohl am besten, wie Doflamingo drauf ist: Er neigt dazu, sich sehr schnell in Dinge hineinzusteigern. Ich wollte einfach vermeiden, dass er eure Beziehung zerstört, indem er mal wieder vorschnell handelt. Immerhin würde ich dich als eine ziemlich bodenständige und rational denkende Person einschätzen. Ich bin mir ziemlich sicher gewesen, dass du schnell die Flucht ergriffen hättest, wenn Doflamingo dir schon nach so kurzer Zeit einen Heiratsantrag gemacht hätte. Nach nur drei Monaten sind die meisten Beziehungen noch zu fragil für einen so großen Schritt.“ „Da hast du wohl Recht“, murmelte Crocodile. Und weil er unbedingt noch einmal auf den Kaufpreis seines Verlobungsringes zurückkommen wollte, fügte er mit ein wenig lauterer Stimme hinzu: „Aber, ähm, sag mal, Law: Wie ist das beim Kauf eigentlich abgelaufen? Wusste Doflamingo sofort, welchen Ring er mir schenken möchte? Oder musstet ihr beide lange suchen?“ Diese Frage entlockte Law ein genervtes Seufzen. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele verschiedene Ringe er sich hat zeigen lassen. Ich glaube, Silver Rayleigh musste einmal das komplette Sortiment ausräumen. Es hat Stunden gedauert, bis Doflamingo endlich einen Ring gefunden hatte, der ihm hundertprozentig gefiel.“ Silver Rayleigh, dachte Crocodile und senkte den Blick, einer der teuersten Juweliere des ganzen Landes. Er erinnerte sich daran, dass Akainu sich dort einmal ein Paar Manschettenknöpfe gekauft hatte. Die kleinen, roten Knöpfe hatten mehr gekostet als Crocodile in einem ganzen Monat verdiente. Es fiel ihm nicht schwer sich vorzustellen, dass dort auch Ringe im Wert von einer Millionen Berry verkauft wurden. Also hatte er sich doch nicht verhört. Allein mein Verlobungsring macht mich zu einem Millionär, dachte Crocodile niedergeschlagen, und trotzdem habe ich nicht mehr als fünfunddreißig Berry für meinen neuen Haarschnitt bezahlt. Das ist doch wirklich Ironie des Schicksals! Crocodile presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, als er mit dem Daumen vorsichtig über den Ring an seinem Finger strich. Überdeutlich konnte er den grünen Edelstein erfühlen. Dieses winzige Ding war mehr wert als sein Auto. Wenn ich ihn verkaufen würde, schoss es ihm unweigerlich durch den Kopf, könnte ich all meine Schulden auf einen Schlag tilgen und hätte sogar noch genug Geld über, um mir einen Ferrari zu kaufen. Aber natürlich ging das auf keinen Fall. Es handelte sich um seinen Verlobungsring. Doflamingo würde es ihm niemals verzeihen, wenn er ihn weggab. Just in diesem Augenblick betrat sein Verlobter wieder den Speisesaal. Das Telefongespräch mit dem Geschäftspartner aus Namibia schien ihm die Laune verdorben zu haben: Anstatt des üblichen Grinsens, zierten nun ein paar Stirnfalten sein Gesicht. „Was ist passiert?“, fragte Crocodile im Flüsterton, als Doflamingo sich neben ihn hinsetzte. „Nichts von Bedeutung“, log dieser und winkte ab. „Möchtest du noch ein paar Erdbeeren haben, Croco?“ Bevor er schlafen ging, legte Crocodile seinen Schmuck normalerweise auf den Nachttisch neben seinem Bett. Er hatte nie viele Gedanken an dieses Ritual verschwendet. Doch dieses Mal brachte er es nicht über sich, seinen Verlobungsring vom Finger zu streifen. Es kam ihm viel zu fahrlässig vor. Was, wenn er herunterfällt und unter dem Teppich oder hinter einem Schrank landet?, schoss es ihm durch den Kopf, als er sich auf die Bettkante setzte. Ich würde ihn nie wieder finden. Eine Millionen Berry wären einfach weg. Verschwunden. Vom Erdboden verschluckt. Ganz zu schweigen von dem Theater, das Doflamingo veranstalten würde, wenn er erfuhr, dass er seinen Verlobungsring verloren hatte. Crocodile wurde übel, als er daran dachte, dass er ihn oft einfach auf dem Waschbeckenrand gelegt hatte, wenn er ein Bad nehmen wollte. Es war pures Glück, dass das kleine Ding nicht längst im Abfluss gelandet war. Schlussendlich entschied Crocodile sich dazu, auf Nummer sicher zu gehen. Er trug einem Angestellten auf, ihm einen kleinen Zimmersafe zu besorgen. Dort legte er den wertvollen Ring hinein und wählte als Zahlenkombination das Geburtsdatum seines Verlobten. Doch kaum hatte er die Türe des Safes geschlossen, öffnete er sie gleich wieder. Doflamingos Geburtsdatum, dachte Crocodile und kam sich unfassbar blöd vor. Jeder, der mich kennt, würde sofort darauf kommen. Ich brauche einen sichereren Code. Ein halbes Dutzend Versuche brauchte Crocodile, ehe er endlich zufrieden war. Am Ende hatte er sich für eine Kombination entschieden, die aus Mihawks Hausnummer, Hancocks Geburtsmonat und den letzten beiden Ziffern der Handynummer von Daz bestand. Crocodile knöpfte gerade sein Hemd auf, als Doflamingo aus dem Badezimmer kam. Er hatte sich eine ausgiebige Dusche gegönnt und war bloß mit einem Handtuch, das er lose um die Hüften trug, bekleidet. Natürlich sprang ihm der Zimmersafe sofort ins Auge. „Was soll das denn?“, fragte er und zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Da ist mein Ring drin“, antwortete Crocodile, dem so plötzlich keine glaubhafte Ausrede einfiel. „Und wieso hast du ihn da hineingetan?“, bohrte sein Partner mit leicht amüsiert klingender Stimme nach. „Naja...“ Crocodile verstummte für einen Moment, ehe er erklärte: „Ich habe mich beim Abendessen ein wenig mit Law unterhalten. Wir haben auch über meinen Verlobungsring gesprochen. Ähm, wie wichtig sein symbolischer Wert ist und wie viel Mühe du dir bei der Auswahl gegeben hast. Da ist mir klar geworden, dass ich es mir nie verzeihen könnte, wenn ich ihn verlieren würde. Also habe ich ihn zur Sicherheit in einen Safe getan.“ „Willst du ihn etwa für immer da drin liegen lassen?“, wollte Doflamingo wissen und brach in lautes Gelächter aus. Er schien das Verhalten seines Verlobten für unfassbar belustigend zu halten. „Ich habe diesen Ring für dich gekauft, damit du ihn trägst und nicht damit er in einem Safe verfault.“ „Ich hole ihn morgen früh wieder raus“, erwiderte Crocodile pikiert. Um ehrlich zu sein, verletzte es ihn, dass Doflamingo seine Sorgen nicht ernst zu nehmen schien. „Ich lasse ihn nur über Nacht im Safe.“ „Ich wusste ja, dass du manchmal ein bisschen paranoid bist“, erwiderte sein Partner prustend, „aber Wani, mal im Ernst: Das ist komplett bescheuert! Wie willst du den Ring denn nachts überhaupt verlieren? Du legst ihn abends vor dem Schlafengehen doch immer auf den Nachttisch.“ „Er könnte herunterfallen“, wendete Crocodile ein. „Das ist in den letzten Monaten nicht ein einziges Mal passiert. Ehrlich, Baby, du machst dir zu viele Sorgen. Leg den Ring einfach auf den Nachttisch und gut ist.“ Allmählich spürte Crocodile, dass Wut in seinem Magen zu brodeln begann. „Sei doch froh, dass ich mir Sorgen mache!“, sagte er entrüstet. „Würde es dir besser gefallen, wenn mein Verlobungsring mir völlig egal wäre? Stell dir nur einmal vor, ich würde ihn tatsächlich verlieren! Fändest du das etwa nicht schlimm?“ „Nichts schlimm ist der falsche Ausdruck“, meinte Doflamingo. „Natürlich wäre ich nicht begeistert, aber ich wäre auch nicht wütend. Jeder verliert mal etwas, das ist nur menschlich.“ „Man verliert bloß Dinge, auf die man nicht gut genug aufpasst!“, erwiderte Crocodile hastig. „Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, jemals etwas verloren zu haben.“ „Wo ist dann das Problem?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Wenn du ein so ordentlicher Mensch bist, dass du nie etwas verlierst, warum solltest du dann ausgerechnet deinen Verlobungsring verlieren? Du machst dich völlig umsonst verrückt, Wani. Versuch bitte dich zu beruhigen.“ „Du verstehst das einfach nicht“, seufzte Crocodile und fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. „Mein Ring... er ist so unfassbar viel wert...“ Es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, sich auf die Zunge zu beißen und seine Aussage in eine andere Richtung zu lenken: „Ich meine, dieser Ring bedeutet mir so unglaublich viel. Du hast ihn mir auf den Finger gesteckt, als du mich gefragt hast, ob du mich heiraten möchtest! Und Law hat mir erzählt, dass du stundenlang gesucht hast, ehe du dich schließlich für diesen Ring entschieden hast. Er hat einen riesigen symbolischen Wert. Er ist absolut unersetzlich. Und deswegen möchte ich unter keinen Umständen das Risiko eingehen ihn zu verlieren!“ „Ich verstehe, was du meinst“, sagte Doflamingo und legte die Hände auf seine Schultern, „und ich finde es wirklich niedlich, dass du dir Gedanken machst. Aber versuch bitte ein bisschen weniger paranoid zu sein, Crocodile. Es ist alles in Ordnung.“ Er beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf den Mund. Kaum berührten Doflamingos Lippen die seinen, spürte Crocodile, wie er tatsächlich ein wenig ruhiger wurde und seine Muskeln sich entspannten. Er schloss seine Augen und erwiderte den Kuss. Der Moment wäre romantisch gewesen, wenn er nicht die Erektion seines Partners unter dem dünnen Handtuch spüren würde. „Denkst du jemals an etwas anderes als Sex?“, fragte er leise seufzend. „Selten“, gab sein Verlobter keck grinsend zurück, „zumindest wenn wir beide allein sind. Schlimm?“ „Heute nicht“, gab Crocodile sich geschlagen und ließ zu, fass Doflamingos warme Hände das offene Hemd von seinen Schultern zogen. * Es war Donnerstagnachmittag. Crocodiles Laune war äußerst schlecht, weil Doflamingo ihn dazu überredet hatte mit ihm zusammen ins Einkaufszentrum zu gehen, obwohl er viel lieber Zuhause geblieben wäre und etwas für die Arbeit getan hätte. Bis Montag musste er noch zwei Berichte für Franky verfassen. Crocodile hätte diese Aufgabe gerne heute erledigt, damit er am Wochenende ein bisschen entspannen konnte, doch es war ihm nicht gelungen sich gegenüber Doflamingo durchzusetzen. Am Ende hatte er (wie fast immer) klein bei gegeben und sich dem Willen seines Verlobten gebeugt. Crocodile gab sich keine Mühe, seinen Unwillen zu verbergen. Mit herabgezogenen Mundwinkeln und in Falten gelegter Stirn ließ er sich von Doflamingo durch Bekleidungsgeschäfte und Frozen-Joghurt-Shops ziehen. Um ehrlich zu sein, fühlte er sich nicht bloß deshalb schlecht, weil er den heutigen Tag lieber Zuhause verbracht hatte. Ihn frustrierte auch diese Welt des bunten Konsums, die sein Partner ihm vor Augen führte. Schicke Hemden, goldene Armbanduhren, teure Parfüms... Früher, bevor ihm gekündigt wurde, war er hin und wieder ganz gerne einkaufen gegangen. Er hatte zwar nie stundenlange Shopping-Touren unternommen, doch stöberte gelegentlich gemeinsam mit seiner Schwester durch ein paar Läden. Nun allerdings hatte seine finanzielle Situation sich drastisch geändert. Nichts von all den teuren Dingen, die ihm hier präsentiert wurde, konnte Crocodile sich erlauben. Und je länger er sich in diesem Einkausfzentrum aufhielt, desto mieser wurde seine Laune. Lustlos beobachtete er seinen Partner dabei, wie dieser in tausende Berry teure T-Shirts und Hosen schlüpfte; nach etwas über einer Stunde weigerte er sich sogar überhaupt irgendeinen Laden noch zu betreten. Im Gegensatz zu Doflamingo, der zwei volle Tüten mit allerhand Schnickschnack spazieren trug, hatte er nichts gekauft. Crocodile war furchtbar genervt und wollte einfach bloß nach Hause fahren. „Was ist denn nur los mit dir?“, fragte Doflamingo mit enttäuschter Stimme. Zu Beginn ihres ausgedehnten Einkaufsbummels hatte er sich sichtlich darum bemüht seinen Verlobten ein wenig aufzumuntern. Doch jeder Versuch war kläglich gescheitert. Crocodiles Laune war bloß noch weiter gesunken. Inzwischen hatte sie ihren absoluten Tiefpunkt erreicht. „Ich will nach Hause“, jammerte er. „Können wir uns nicht einfach auf den Rückweg machen? Du hast bestimmt ein halbes Dutzend Klamotten gekauft. Meinst du nicht, das reicht für heute?“ „Stell dich nicht so an“, gab Doflamingo zurück. „Wir sind seit kaum einer Stunde unterwegs. Ich verstehe einfach nicht, warum du jetzt schon so müde bist!“ „Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich keine Lust auf Shopping habe!“, meinte Crocodile erbost. „Aber du hast es ja für eine tolle Idee gehalten, mich zu zwingen!“ „Ich habe dich überhaupt nicht gezwungen“, erwiderte Doflamingo, der sich ertappt zu fühlen schien. „Glaub mir: Ich wäre nicht hier, wenn ich eine Wahl gehabt hätte“, hielt Crocodile augenrollend dagegen. „Die Arbeit war heute ziemlich anstrengend und bis Montag muss ich zwei Berichte schreiben. Aber nein: Du wolltest unbedingt einkaufen gehen und natürlich ist das Wort unserer königlichen Hoheit Gesetz!“ „Du tust glatt so als hätte ich dich am Kragen gepackt und hierhin geschleift!“, warf sein Verlobter ihm vor. „Du weißt doch genau, wie unnachgiebig du sein kannst“, erwiderte Crocodile. „Du hättest mich den ganzen Abend lang genervt, wenn ich nicht mit dir hierhin gefahren wäre. Da bin ich mir absolut sicher.“ „Nun ja“, sagte Doflamingo, „es schadet dir nicht, wenn du mal aus dem Haus kommst. Du bist ein totaler Workaholic und gönnst dir viel zu selten ein bisschen Spaß.“ „Es macht mir hier aber keinen Spaß“, maulte Crocodile. „Ich bin erschöpft und meine Füße tun weh.“ „Wir könnten eine Pause machen“, schlug Doflamingo vor. „Uns in ein Cafe setzen oder so. Würde es dir dann besser gehen?“ „Ich will einfach bloß nach Hause“, erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. „Jetzt sei doch nicht so“, maulte sein Partner. „Ich möchte noch bleiben. Von mir aus darfst auch du entscheiden, in welchen Laden wir beide als nächstes gehen. Immerhin hast du noch gar nichts Passendes gefunden.“ „Ich habe auch nichts gesucht“, gab Crocodile kühl zurück. Seufzend fuhr er sich mit der Hand durch sein Haar. Diese Diskussion strapazierte seine Nerven ganz furchtbar. „Hör mal“, schlug er, vor, „warum gehst du am Wochenende nicht zusammen mit Bellamy oder Dellinger shoppen? Dann könnt ihr euch so viel Zeit nehmen wie ihr möchtet.“ „Weil es mir darum geht gemeinsam mit dir etwas zu unternehmen!“, entgegnete Doflamingo aufgebracht. „Du bist mein Verlobter, nicht Bellamy oder Dellinger! Ich möchte mit dir Zeit verbringen!“ „Aber warum denn ausgerechnet hier? Und warum ausgerechnet heute?“ „Man kann es dir nie recht machen! Egal, ob gestern, heute oder morgen! Du hast nie Lust irgendetwas zu unternehmen!“ „Letztes Wochenende sind wir beim Dinner in the Dark gewesen!“, hielt Crocodile dagegen. „Ach, und deswegen gibt es keinen Grund mehr, um diesen Monat das Haus zu verlassen oder wie?“ „Du weißt ganz genau, dass ich nicht so ein geselliger Mensch bist wie du!“ Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um seinen Verlobten nicht wütend anzubrüllen. „Ich muss nicht jeden Nachmittag in der Woche im Einkaufszentrum, Restaurant oder wo auch immer verbringen, um mich wohlzufühlen!“ „Du bist ein furchtbarer Langeweiler!“, warf Doflamingo ihm vor und zeigte mit seinen Einkaufstüten anklagend auf seine Brust. „Am liebsten würdest du...“ Dieser Vorwurf war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Crocodile kannte kein Halten mehr. „Na und?“, schnitt er seinem Partner zornig das Wort ab. „Dann bin ich eben nicht so ein aufgedrehter Idiot wie du! Damit habe ich kein Problem! Aber du verstehst das einfach nicht! Du glaubst, dass alle Menschen nach deiner Pfeife tanzen müssen, bloß weil du Geld und Einfluss hast! Aber bei mir klappt das nicht!“ Er holte tief Luft und fügte hinzu „Lieber bin ich ein Langeweiler als ein so verdammter Egoist wie du!“, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und in Richtung Fahrstuhl hastete. Doflamingo lief ihm hinterher. „Hey“, sagte er kleinlaut und griff nach seinem Handgelenk, „warte bitte!“ Crocodile schüttelte stumm seinen Verlobten ab und verschwand hastig im Fahrstuhl, dessen Türen gleich hinter ihm schlossen. Doflamingo blieb im Erdgeschoss des Einkaufszentrums zurück, während Crocodile nach oben fuhr. Im ersten Stock stieg eine weitere Person dazu. Crocodile erkannte den gut gekleideten Mann, der sich ungefähr in seinem Alter befand und blondes Haar hatte, im ersten Moment gar nicht. Er musste zweimal hinsehen, ehe er sich wirklich sicher war, um wen es sich handelte. Marco hingegen erkannte ihn sofort. „Hey, Crocodile“, begrüßte ihn sein Exfreund freundlich. „Wie geht’s?“ „Gut“, antwortete Crocodile aus einem Reflex heraus. „Und dir?“ „Danke, mir geht es auch gut“, antwortete Marco. Seine Stimme klang noch ganz genauso weich und angenehm wie damals. Ansonsten hatte sein Exfreund sich jedoch stark verändert, fiel Crocodile auf: Er wirkte viel gepflegter und erwachsener als früher. Inzwischen trug er auch seine Haare anders: Als sie beide noch zur Universität gingen, hatte er sich die Seiten ausrasieren lassen. Crocodile erinnerte sich noch gut daran, wie furchtbar er diese Frisur immer gefunden hatte. Im Streit hatte er Marco deswegen manchmal sogar Ananas-Schädel genannt. „Es ist wirklich schön dich wiederzusehen“, sagte sein Exfreund und lächelte charmant. „Wie lange ist es her? Zehn Jahre? Nein, es müssen mehr sein. Zwölf, dreizehn?“ „Könnte hinkommen“, meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sagen sollte. Er fühlte sich ein wenig überfordert angesichts dieses plötzlichen Zusammentreffens. Außerdem machte ihm der Streit mit Doflamingo zu schaffen. „Hast du vielleicht Lust auf einen Kaffee? Um der alten Zeiten willen? Oh, warte, du trinkst ja keinen Kaffee... Wie wäre es mit einem Frozen-Joghurt oder so etwas?“ „Ähm“, sagte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand verlegen über den Unterarm, „ich weiß nicht so recht...“ Was würde bloß Doflamingo denken, wenn er ihn dabei erwischte, wie er mit seinem Exfreund zusammen Kaffee (oder Frozen-Joghurt) trank? „Komm schon“, meinte Marco und griff nach seinem Handgelenk. Als die Türen des Fahrstuhls sich wieder öffneten, zog er ihn kurzerhand nach draußen und führte ihn in Richtung des unweit entfernten Frozen-Joghurt-Shops. „Da ist doch nichts dabei. Wir löffeln bloß ein bisschen Joghurt und unterhalten uns miteinander. Ich würde zu gerne erfahren, was aus dir geworden ist.“ „Ich glaube wirklich nicht, dass das eine gute Idee ist“, erwiderte Crocodile. Ihm gefiel es nicht, dass Marcos Hand seinen Unterarm noch immer fest umschlossen hielt. Der Griff war nicht schmerzhaft, doch Crocodile empfand ihn als äußerst unangenehm. Diese Geste gehörte sich nicht für zwei Leute, die sich zum ersten Mal seit über zehn Jahren zufällig wieder begegnet waren. „Jetzt sei doch nichts so“, meinte sein Exfreund mit unbefangen klingender Stimme. Sie hatten den Frozen-Joghurt-Shop schon beinahe erreicht. „Weißt du schon, welche Sorte du möchtest? Ich gebe uns aus. Früher standest du immer auf Erdbeere, weißt du noch?“ „Marco!“, erwiderte er ungestüm und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. „Ich will keinen verdammten Frozen-Joghurt!“ „Hier gibt es bestimmt auch Wasser“, erwiderte Marco, der Crocodiles Gegenwehr einfach ignorierte und seinen Griff um dessen Handgelenk sogar noch verstärkte. „Such dir einfach etwas aus!“ „Lass! Mich! Los!“, befahl Crocodile mit verzweifelter Stimme und versuchte erfolglos sich loszureißen. Inzwischen begann sein Handgelenk zu schmerzen und er war sich ziemlich sicher, dass er blaue Flecken davontragen würde. Ihm sagte ganz und gar nicht zu, in welche Richtung sich diese Begegnung entwickelte. „Bist du taub, du verdammtes Arschloch?!“ Diese rüden Worte stammten nicht von Crocodile, sondern von Doflamingo, der plötzlich neben ihnen beiden aufgetaucht war. Mit seinen zusammengezogenen Augenbrauen und seiner angespannten Körperhaltung wirkte er alles andere als friedfertig, fand Crocodile. „Was willst du denn hier?“, fragte Marco missgelaunt und ohne von ihm abzulassen. „Lass ihn los“, befahl sein Verlobter mit gefährlich ruhiger Stimme, „oder ich breche dir die Nase.“ Crocodile war sofort klar, dass es sich nicht um eine leere Drohung handelte. Um zu vermeiden, dass die Situation eskalierte, versuchte er erneut sich aus Marcos schraubstockartigen Griff herauszuwinden, doch er hatte keine Chance. „Marco“, sagte er währenddessen an seinen Exfreund gewandt, „tu, was er sagt! Du handelst dir sonst bloß unnötigen Ärger ein!“ „Was willst du überhaupt mit so einem Zirkusclown?! Hast du dir mal...“ Marco kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, denn er musste auf äußerst schmerzhafte Art und Weise lernen, dass dieser Zirkusclown im Moment nicht zum Scherzen aufgelegt war. Mit einer einzigen gezielten Bewegung schlug Doflamingo ihm ins Gesicht. Der Hieb war so stark, dass Marco nach hinten auf den Boden fiel. Aus Reflex ließ er Crocodiles Handgelenk los, der sofort einige Meter Sicherheitsabstand zwischen sich und seinem verrückt gewordenen Exfreund brachte. „Bist du komplett bescheuert?!“, rief Marco wutentbrannt und betastete mit der Hand vorsichtig seine blutende Nase. Offenbar war sie wirklich gebrochen. „Dasselbe könnte ich dich fragen“, gab Doflamingo kühl zurück. „Du widerliche rosa Ballerina!“ Mit hasserfüllten Blicken taxierte Marco Crocodiles Verlobten. „Das wirst du noch büßen! Ich zeige dich an wegen Körperverletzung! Mein Vater ist Anwalt!“ Diese Aussage brachte Doflamingo unwillkürlich zum Lachen. „Tu das ruhig“, sagte er grinsend und machte eine wegwerfende Handbewegung. Diese unbekümmert wirkende Reaktion schien Marco aus dem Konzept zu bringen. Er zögerte einen kurzen Augenblick, ehe er sagte: „Ich meine es ernst, du Schwuchtel! Schon mal was von der Kanzlei Phoenix gehört? Ich werde dich auf Schmerzensgeld verklagen! Das sind mindestens 50.000 Berry, die du blechen musst! Wenn nicht mehr! Darauf schwöre ich!“ „50.000 Berry“, wiederholte Doflamingo mit leiser Stimme. Er griff in die Innentasche seiner Jacke, holte sein Portemone hervor und zählte laut die darin befindlichen Geldscheine ab, bis er auf eine Summe von 50.000 gekommen war. „Dann bringe ich zur Gerichtsverhandlung lieber meine Kreditkarte mit. Ich habe nämlich immer gern ein bisschen Kleingeld in der Tasche. Man weiß ja nie, was passiert.“ Der absolut entsetzte Gesichtsausdruck, den Marco aufsetzte, entschädigte Crocodile beinahe schon wieder für sein schmerzendes Handgelenk. Leider fasste dieser sich relativ schnell wieder. „So ist das also“, meinte er und warf Crocodile einen verachtungsvollen Blick zu. „Eigentlich dachte ich, du wärst ein Mann mit Klasse, aber am Ende stellst du dich bloß als billige Nutte heraus. Wie viel zahlt diese Transe dir, damit du ihm einen bläst?“ „Junger Mann“, schaltete sich plötzlich eine dunkelhaarige Frau ein, die auf ihrer Höhe stehen geblieben war, „hüten Sie ihre Zunge!“ Crocodile war es gar nicht wirklich aufgefallen, doch in der Zwischenzeit hatte sich eine kleine Menschenmenge um sie herum gebildet. Viele Schaulustige waren stehen geblieben, um zu sehen, was passiert war. „Halten Sie sich gefälligst raus!“, schnauzte Marco die Frau unfreundlich an. „Außerdem habe ich jedes Recht darauf wütend zu sein! Sehen Sie nicht, dass diese Schwuchtel mir die Nase gebrochen hat?!“ „Da sind Sie selber Schuld“, rief ein junger Mann in kariertem Hemd, der ein bisschen weiter hinten stand. „Ich habe alles genau gesehen: Sie haben den dunkelhaarigen Herrn am Handgelenk gepackt und durch die Gegend gezerrt!“ „Ich habe ihn überhaupt nicht gezerrt!“, versuchte Marco sich zu verteidigen. „Wir waren mal zusammen und ich wollte ihn auf einen Frozen-Joghurt einladen! Das ist doch wohl nicht verboten!“ „Er hat sich aber gewehrt und versucht von Ihnen loszukommen“, hielt der Mann im karierten Hemd dagegen. „Sie haben ihn gegen seinen Willen mit sich geschleppt und das ist sehr wohl verboten!“ Anschließend wandte er sich an Doflamingo: „Wenn dieser Typ Sie tatsächlich verklagen will, können Sie mich gerne als Zeugen aufrufen. Ich kann es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn irgendwelche Leute meinen sie könnten sich alles erlauben, bloß weil sie einen reichen Daddy haben!“ „Danke“,erwiderte Doflamingo in einem unwahrscheinlich freundlich klingenden Tonfall. „Das ist sehr nett von Ihnen.“ „Trotzdem darf mir diese Schwuchtel nicht einfach die Nase brechen!“ Marcos Stimme klang inzwischen völlig verzweifelt. Offenbar war er sogar den Tränen nahe. „Das war Notwehr“, schaltete sich ein anderer Schaulustiger ein. „Außerdem hat er Sie vorgewarnt und Ihnen die Chance gegeben loszulassen. Wer nicht hören will, muss fühlen. So einfach ist das!“ Für diese Aussage erntete er sogar Applaus von den umstehenden Menschen. Auch wenn Crocodile sich darüber freute, dass sein anscheinend übergeschnappter Exfreund in seine Schranken gewiesen wurde, begann er sich ein wenig unwohl zu fühlen. Schließlich hatte er überhaupt nicht beabsichtigt, solch einen Trubel zu verursachen. So unauffällig wie möglich zupfte er am Hemdsärmel seines Verlobten. „Könen wir jetzt bitte endlich gehen?“, fragte er mit leiser Stimme. „Vorher holen wir noch einen Frozen-Joghurt für dich“, erwiderte Doflamingo. „Ich will keinen verdammten Frozen-Joghurt!“, erwiderte Crocodile aufgebracht. Um ehrlich zu sein, kam er sich gerade wirklich auf den Arm genommen vor.„Ich dachte eigentlich, das wäre deutlich genug geworden. Im Ernst: Ich mag dieses Zeug nicht einmal!“ „Damit kannst du dein Handgelenk kühlen“, meinte sein Partner, „wegen dem Hämatom. Danach können wir uns von mir aus auf dem Heimweg machen.“ Im Auto drückte Crocodile wie ihm geheißen das kalte Joghurt-Getränk gegen sein malträtiertes Handgelenk. Inzwischen schmerzte es nicht mehr und wenn er Glück hatte, würden nicht einmal blaue Flecken zurückbleiben. „Jedes Mal, wenn wir etwas unternehmen, laufe ich einem verrückten Ex über den Weg und kriege was ab“, sagte Crocodile leise seufzend. „Verstehst du jetzt, warum ich nicht gerade ein riesiger Fan von öffentlichen Orten bin?“ „Ist gut“, antwortete Doflamingo, der sich nicht ganz sicher zu sein schien, ob diese Aussage ernst gemeint war oder nicht. „Das Wochenende verbringen wir beide Zuhause.“ „Du hättest ihm aber wirklich nicht die Nase brechen dürfen“, fuhr Crocodile fort. „Das war doch ein bisschen übertrieben. Du verlierst viel zu leicht deine Beherrschung, Doflamingo.“ „Ernsthaft?“ Lachend zog sein Verlobter eine Augenbraue hoch. „Glaub mir, ich habe mich bereits zusammengerissen. Immerhin habe ich ihn vorgewarnt und ihm die Möglichkeit gegeben dich loszulassen. Diese Sache hätte auch friedlich gelöst werden können. Es ist so wie dieser Mann im Einkaufszentrum gesagt hat: Er ist selbst Schuld. Wer nicht hören will, muss fühlen! Mir tut dieser Mistkerl jedenfalls überhaupt nicht leid.“ „Mir auch nicht“, gab Crocodile zu. Er schwieg für eine Weile, ehe er fortfuhr: „Ich verstehe das nicht. Früher, als wir beide noch studierten, ist er ganz anders gewesen. Er war sehr nett und freundlich. Ich hätte nie geglaubt, dass er sich einmal in solch einen Arsch verwandeln würde.“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Menschen verändern sich“, sagte er gelassen, „manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Da kann man nichts gegen tun.“ „Vermutlich hast du Recht“, seufzte Crocodile. Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster. Die Welt draußen zog mit fünfzig Stundenkilometern an ihm vorbei. „Warum hast du damals eigentlich mit ihm Schluss gemacht, wenn er so nett und freundlich gewesen ist?“, hakte sein Verlobter nach. Crocodile überraschte diese Frage nicht. „Er hat jeden Tag Alkohol getrunken“, erklärte er ohne den Blick von der Fensterscheibe abzuwenden. „Seine Zeit immer auf Parties und in Nachtclubs verschwendet, anstatt sich um seine Zukunft zu kümmern. Vermutlich ist er davon ausgegangen, dass er als Sohn eines erfolgreichen Anwalts im Leben alles zugespielt bekäme und sich um nichts kümmern müsste. Diese Mentalität hat mich tierisch geärgert.“ „Du bist eben wirklich ein Langeweiler“, meinte Doflamingo. Er brach in lautes Gelächter aus und ließ sich auch von dem Hieb mit dem Ellbogen, den Crocodile ihm verpasste, nicht beeindrucken. * Doflamingo hielt sein Versprechen und zwang ihm am kommenden Wochenende nicht dazu die Villa zu verlassen. Doch wie immer fand er eine Lücke im Vertrag. „Ich habe gesagt, dass wir beide Zuhause bleiben“, erklärte sein Verlobter auf Crocodiles missbilligenden Blick hin. „Davon, dass wir beide allein Zuhause bleiben, ist nie die Rede gewesen!“ „Ich dachte, es ging darum ein bisschen zur Ruhe zu kommen“, jammerte Crocodile, der sich ein Stück weit betrogen fühlte. Er hatte sich auf einen entspannten Fernsehabend zu zweit gefreut und war nicht sonderlich begeistert von der Aussicht sich mit Doflamingos zum Teil doch recht exzentrischen Freunden herumschlagen zu müssen. „Es sind bloß zehn, fünfzehn Leute“, versuchte dieser ihn zu beschwichtigen. „Keine richtige Party.“ „Keine richtige Party“, wiederholte Crocodile. Ihn konnten die Worte seines Partners nicht überzeugen. „Deswegen hast du auch einen DJ gebucht. Eine Bar aufbauen lassen. Und Kellner bestellt, die umherlaufen und Snacks verteilen. Weil es keine richtige Party ist.“ „Du weißt, dass ich mich immer darum bemühe ein guter Gastgeber zu sein“, verteidigte sich Doflamingo. Crocodile wusste, dass er bei diesem Gespräch nicht gewinnen konnte. Also gab er sich geschlagen. „Was du hier veranstaltest, ist in erster Linie deine persönliche Sache“, meinte er schließlich in einem resigniert klingenden Tonfall. „Mich geht das Ganze nicht an. Feiere mit deinen Freunden keine richtige Party, wenn du möchtest. Ich verziehe mich nach oben in mein Zimmer und schreibe meine Berichte.“ Doch natürlich ließ ihn Doflamingo das nicht durchgehen. „Bitte, Wani“, bettelte er mit vorgeschobener Unterlippe. „Es würde mich wirklich freuen, wenn du mit dabei wärst.“ „Ich habe aber keine Lust auf eine Party“, entgegnete er stur. „Es ist ja auch keine richtige Party“, wendete sein Partner ein und brachte ihn auf diese Weise unweigerlich zum Lächeln. „Ein oder zwei Stunden“, meinte Crocodile schließlich augenrollend. Es gehörte mit zu seinen größten Schwächen, dass er Doflamingo nie etwas abschlagen konnte. Daran musste er unbedingt arbeiten. „Aber nicht länger. Später möchte ich meine Ruhe haben.“ „Ist in Ordnung“, antwortete Doflamingo und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um ihn darauf hinzuweisen, dass er nicht seiner Erlaubnis bedurfte. Um ehrlich zu sein, waren die ein oder zwei Stunden, die er seinem Verlobten versprochen hatte, bei weitem nicht so schlimm wie befürchtet. Crocodile trank ein bisschen Rotwein, schnappte sich hin und wieder Bruschetta vom Tablett eines vorbeihuschenden Kellners und unterhielt sich mit den Gästen. Neben Law, Kid, Monet, Bellamy, Dellinger, Violet, Vergo und den anderen üblichen Verdächtigen waren auch ein paar Menschen anwesend, die Crocodile kaum oder sogar gar nicht kannte. „Unglaublich, wie viele Leute Doflamingo kennt“, merkte er gegenüber Monet und Kuma an. „Ich habe das Gefühl, bei jeder Party sind irgendwelche Neuen dabei.“ „Doflamingo ist eine sehr gesellige Person“, stimmte Kuma ihm zu. „Es fällt ihm leicht neue Bekanntschaften zu schließen. Das ist eine seiner größten Stärken, denke ich.“ „Da hast du Recht“, meinte auch Monet und gluckste fröhlich. Sie hatte bereits mehrere Gläser Champagner getrunken. „Er lernt auch auf wirklich ungewöhnlichem Wege neue Freunde kennen. Ich weiß gar nicht, ob ihr je darüber gesprochen habt, Crocodile, aber Doflamingo und ich haben uns kennengelernt, indem er aus Versehen meinen Wagen gerammt hat. Ich hatte bei einer Kreuzung das Rechts-vor-Links übersehen und er konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen.“ „Doch“, erwiderte Crocodile kühl und nahm einen Schluck Rotwein, „davon hat er mir mal erzählt gehabt.“ Nachdem ich selbst einen schweren Autounfall gebaut hatte, fügte er in Gedanken hinzu. Allerdings sagte er mir, er hätte dir die Vorfahrt genommen und nicht anders herum. Er wusste nicht so recht, was er von dieser unerwarteten Erkenntnis halten sollte. „Ich hoffe, dass niemand verletzt wurde.“ „Nein, zum Glück nicht“, meinte Monet unbekümmert. „Doflamingo war bloß ziemlich sauer. Sein Cadillac war nämlich brandneu gewesen. Holming hatte ihm den zu seinem Geburtstag geschenkt.“ Holming war der Name von Doflamingos Vater, erinnerte Crocodile sich. „Ich weiß noch ganz genau, wie böse er dreingeblickt hat, als er aus seinem demolierten Wagen gestiegen ist. Aber er hat sich schnell wieder eingekriegt. Ich glaube, sein Vater hat dann auch die Reparatur bezahlt.“ „Ich habe Doflamingo über Corazon kennengelernt“, erklärte Kuma mit gedankenverlorener Stimme. „Wir haben gemeinsam studiert. Es ist wirklich schade, dass er nicht mehr bei uns ist.“ „Mir fehlt er auch sehr“, sagte Monet. „Er hat immer für gute Stimmung gesorgt. Manchmal freiwillig, manchmal unfreiwillig. Weißt du noch, als er an Doflamingos sechsundzwanzigsten Geburtstag gestolpert und mitten in der Torte gelandet ist? Das werde ich nie vergessen! Wie kann man bloß so ungeschickt sein?“ Unauffällig entfernte Crocodile sich von der kleinen Gesprächsrunde. Ihm ging noch immer nicht aus dem Kopf, was Monet zu dem Verkehrsunfall gesagt hatte. Warum hatte Doflamingo ihn angelogen? Vielleicht um ihn zu trösten? Es dauerte nicht lange, bis er seinen Verlobten fand. Er unterhielt sich gerade mit Kid über Tattoos. Unweigerlich bekam Crocodile einen kleinen Teil ihres Gespräches mit. „Ich würde dir auf jeden Fall davon abraten, dir seinen Namen tätowieren zu lassen“, hörte er Kid mit ernster Stimme sagen. „Ich habe schon viele Menschen getroffen, die diesen Schritt irgendwann bereut haben. Law ist ein ganz gutes Beispiel: Sein halber Körper ist voll mit Tätowierungen, die ihn an Corazon erinnern. Und sieh dir an, wohin das geführt hat.“ „Dasselbe hat Crocodile auch gesagt“, erwiderte Doflamingo mit resignierter Stimme. „Er ist auch dagegen. Also nicht gegen Tattoos generell, sondern gegen seinen Namen auf meiner Haut.“ „Doflamingo“, unterbrach Crocodile kurzerhand das Gespräch der beiden. Er tat so als hätte er nicht mitbekommen, worüber sie sich unterhalten hatten. „Können wir kurz reden?“ „Klar“, antwortete sein Verlobter mit ein wenig verdattert klingender Stimme. Er schenkte Kid ein entschuldigendes Lächeln, ehe er Crocodile hinaus ins Foyer folgte. „Was gibt es denn?“ „Ich habe gerade eben mit Monet gesprochen“, sagte er ohne Umschweife. Es ging ihm nicht darum, Doflamingo ein schlechtes Gewissen zu machen. Um ehrlich zu sein, war er nicht einmal wütend. Crocodile wollte bloß eine Erklärung für diese Lüge haben. „Sie hat mir von einer Sache erzählt, die mir keine Ruhe mehr lässt. Ich bin nicht sauer... Ich würde nur gern deine Beweggründe wissen. Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?“ Doflamingo tat etwas, was er nur sehr selten tat: Er seufzte laut auf. Crocodile beobachtete außerdem, wie er einen äußerst unwilligen Gesichtsausdruck aufsetzte und die Arme vor der Brust verschränkte. Offenbar fühlte er sich im Augenblick alles Andere als wohl in seiner Haut. „Wir hatten vereinbart, dass sie dir nichts davon erzählt“, sagte er mit belegter Stimme. „Ich glaube, sie ist betrunken“, versuchte Crocodile Monet in Schutz zu nehmen. Er hatte nichts gegen sie und wollte ihr keinen Ärger machen. „Es war eine einmalige Sache“, meinte Doflamingo und senkte den Blick. „Und wir beide sind noch nicht zusammen gewesen. Ich verspreche dir, dass zwischen mir und Monet nichts mehr läuft. Absolut gar nichts!“ „Du... du hast mit ihr geschlafen?“ Crocodile versuchte ein bisschen Speichel unter seiner Zunge hervorzukramen, doch sein Mundraum fühlte sich staubtrocken an. Um zu verhindern, dass er loshustete, presste er seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Er war vollkommen fassungslos. „Nun ja“, erwiderte sein Verlobter schwach. „Was hast du denn gemeint?“ „Den Autounfall, bei dem ihr beide euch kennengelernt habt“, sagte Crocodile. Er war so perplex, dass er es nicht einmal schaffte, seiner Stimme einen wütenden Ton zu verleihen. „Du hast mir gesagt, du hättest ihr die Vorfahrt genommen. Und Monet hat eben genau dieselbe Geschichte erzählt, nur andersherum. Ich... ich... ihr hattet Sex?!“ Allmählich drang die volle Bandbreite dieser neuen Erkenntnis bis zu ihm durch. „Wie gesagt“, meinte Doflamingo hektisch, „das ist passiert, bevor wir beide ein Paar wurden. Ich... du kannst mir keinen Vorwurf machen! Wir waren noch nicht zusammen, ich habe dir nichts geschuldet! Und es war auch nur eine One-Night-Stand! Ich war betrunken! Wir beide waren betrunken!“ „Wie lange ist das her?“, wollte Crocodile wissen. Sein Partner jaulte verzweifelt auf. „Do-fla-min-go“, Crocodile betonte jede einzelne Silbe überdeutlich, „wann ist dieser One-Night-Stand passiert?!“ „Vor etwas mehr als elf Monaten“, gestand Doflamingo schließlich. „Wir beide sind seit elf Monaten ein Paar“, stellte er in einem Flüsterton fest. Und als ihm klar wurde, was das bedeutete, wurde er plötzlich vollkommen ungehalten. Crocodile verlor die Kontrolle über sich und seine Zunge. „Du hast mit ihr geschlafen, kurz bevor wir beide ein Paar wurden?“, brüllte er und konnte nicht verhindern, dass ihm die Verzweiflung überdeutlich anzuhören war. „Wir hatten uns schon kennengelernt! Du hast mich um eine Verabredung gebeten! Und bist kurz danach mit ihr ins Bett gestiegen?! Sag mal, hast du sie noch alle? Verfügst du auch nur über ein Quäntchen Anstand? Du fragst mich, ob ich mit dir essen gehen möchtest, und steckst kurz darauf deinen Schwanz in den Schlitz irgendeiner Frau?!“ „Es war eine einmalige Sache“, wiederholte sein Verlobter, der sich ernsthaft darum zu bemühen schien, dieses Gespräch nicht eskalieren zu lassen. „Ich fühlte mich einsam, nachdem ich mit Bonney Schluss gemacht hatte. Und du warst so unnahbar... Du hast meine Bitte um ein Date abgelehnt... Ich wollte einfach bloß meinen Frust ablassen. Dieser Sex hatte nichts zu bedeuten. Weder für mich noch für Monet. Wir haben hinterher darüber geredet und beschlossen, dass wir lieber Freunde bleiben sollten.“ „Freunde“, hauchte Crocodile entsetzt. „Du gehst eine Beziehung mit mir ein und stellst mir Monet als Freundin vor - ohne mir zu erzählen, dass ihr was miteinander hattet! Ich habe mich in den letzten Monaten so oft mit ihr unterhalten, mit ihr zusammen gelacht ohne zu wissen, was zwischen euch beiden war! Kannst du dir auch nur im Mindesten vorstellen, wie verletzt und betrogen ich mich fühle, du gottverdammtes Arschloch?! Sag mal, kannst du deinen Schwanz nicht mal eine Woche lang in deiner Hose lassen?!“ „Ich habe dich nicht betrogen!“ Nun wurde auch sein Verlobter laut. „Ich würde dich nie, niemals betrügen! Ich liebe dich, Crocodile! Das ist passiert, bevor wir beide miteinander ausgegangen sind!“ „Und das soll ich dir glauben?“ Seine Wut verflog so urplötzlich wie sie gekommen war. Stattdessen liefen ihm auf einmal Tränen über das Gesicht. „Du hast mir nichts davon erzählt! Du hast mich einfach im Dunkeln gelassen! Wie soll ich dir glauben, dass dieser Sex vor unserer Beziehung passiert ist? Wie soll ich dir jemals wieder irgendetwas glauben?!“ Crocodile spürte, dass ihm die ganze Sache zu viel wurde. Sein Blickfeld verschwamm. Durch die vielen Tränen fühlten sich seine Augen warm und weich an. „Ich muss jetzt gehen“, sagte er mit erstickter Stimme, machte auf dem Absatz kehrt und lief davon so schnell er nur konnte. bye sb Kapitel 25: Kapitel 13 ---------------------- Crocodile konnte vor Wut nicht mehr klar denken. Er spürte in seinem Schädel ein so starkes Pochen, dass man meinen könnte, Herz und Gehirn hätten ihre Plätze getauscht. Und die Sicht verschwamm immer wieder vor seinen Augen, obwohl er seine Tränen im Sekundentakt mit dem Hemdsärmel abwischte. Er war bereits auf halbem Wege zu seinem Mercedes C 216, als er es sich kurzerhand anders überlegte. Noch so einen Unfall wie damals, als er auf dem Weg zu seinem Freund Daz einem anderen Autofahrer die Vorfahrt genommen hatte, wollte er auf keinen Fall bauen. Ein zweites Horrorszenario dieser Art könnte er sich nie verzeihen. Also steuerte Crocodile anstelle der Tiefgarage den nächsten Nebenausgang der Villa an. So unauffällig wie möglich verließ er das weitläufige Grundstück und lief nach draußen auf die Straße. Wenn er sich nicht irrte, dann befand sich in nur etwa ein bis höchstens eineinhalb Kilometern Entfernung eine U-Bahnstation; dort wollte Crocodile hin. Die U-Bahn anstelle seines Autos zu nehmen, hielt er für eine besonders kluge Idee: Vermutlich würde Doflamingo unten in der Tiefgarage als erstes nach ihm suchen. Er kommt nie auf die Idee, dass ich mit der Bahn fahre, dachte Crocodile, der sich im Augenblick alles andere als bereit für eine Auseinandersetzung mit seinem Partner fühlte. Er erreichte die U-Bahnstation; abgesehen von ihm waren nur sehr wenig andere Leute anwesend. Die meisten Menschen, die in dieser Gegend wohnten (ein paar Umweltschutz-Fanatiker vielleicht ausgenommen), besaßen teure Autos und hielten nicht viel vom U-Bahn fahren. Crocodile kam nicht umhin sich zu fragen, ob sein reicher Verlobter jemals das Innere einer Bahn oder eines Busses gesehen hatte. Vermutlich nicht. Der Gedanke an Doflamingo trieb ihm erneut Tränen in die Augen. So unauffällig wie möglich wischte Crocodile sie fort. Er konnte noch immer nicht so recht fassen, was er gerade eben erfahren hatte. Doflamingo und Monet... allein die Vorstellung löste Wutgefühle in ihm aus. Er fühlte sich betrogen und verraten. Geistesabwesend stieg Crocodile in die nächste Bahn, die einfuhr. Eine Weile lang tat er gar nichts außer nachzudenken und aus dem Fenster zu blicken. Erst als als die U-Bahn die Endstation erreichte und die Fahrgäste per Lautsprecherdurchsage darum gebeten wurden auszusteigen, stand Crocodile von seinem Sitz auf. Weil er keine Ahnung hatte, wo er sich befand, nahm er wahllos irgendeinen Ausgang des U-Bahnschachtes und erreichte schließlich einen hübschen Park, der um einen kleinen See herum angelegt worden war. Andere Menschen konnte Crocodile nicht entdecken. Es handelte sich um einen sehr schönen und einsamen Ort. Genau das, was er jetzt brauchte. Er ließ sich auf einer Bank nahe am Wasser nieder, legte den Kopf in den Nacken und blickte hinauf zum Mond. Doflamingo und Monet, dachte er, Monet und Doflamingo. Crocodile stellte sich vor, wie die beiden gemeinsam im Bett lagen und den Körper des jeweils anderes streichelten. Wie Doflamingo seine Sonnenbrille abnahm und seine stechend grünen Augen offenlegte. Wie er Monet grinsend anblickte und... und... Natürlich war Crocodile sich dessen bewusst, dass sein Verlobter mit anderen Menschen Sex gehabt hatte, ehe sie sich kennenlernten. Das konnte er ihm nicht verübeln; schließlich sah es da bei ihm selbst nicht anders aus. Crocodile ging es nicht hauptsächlich um den Sex. Es ging ihm auch nicht darum, dass Monet eine Frau war. Das Problem war, dass sein Verlobter ihm diese Sache verschwiegen hatte. Doflamingo hatte einfach so getan als wäre nie etwas geschehen. Er hatte seine Freundschaft zu Monet weiter aufrechterhalten und sie ihm zu Beginn ihrer Beziehung auch als eine ganz normale Freundin vorgestellt gehabt. Darüber, dass sie kurz vorher einmal miteinander im Bett gewesen waren, hatte er jedoch nie ein Wort verloren. Ganz im Gegenteil: Er hatte mit Monet sogar vereinbart diese Liebelei vor ihm geheimzuhalten. Für Crocodile war es glasklar: Sein Verlobter hatte ihn ihre gesamte Beziehung lang angelogen. Er hatte ihn betrogen. Getäuscht. Er selbst war der Ansicht, dass man zu Exfreunden und -freundinnen nach Möglichkeit den Kontakt abbrechen sollte, wenn sich herausstelle, dass keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft bestand. Eine Person, mit der man geschlafen hatte, hinterher noch als guten Freund zu behalten, sorgte bloß für riesige Probleme. Crocodile konnte sich jedenfalls kaum vorstellen, dass in dieser Situation irgendjemand anders reagiert hätte als er. Wenn ich weiterhin mit Smoker oder Marco oder sonst wem befreunden geblieben wäre, drehte er den Spieß gedanklich um, wäre Doflamingo an die Decke gegangen. Er hätte sofort verlangt, dass kein Kontakt mehr besteht. So eifersüchtig wie er ist, müsste Doflamingo eigentlich am allerbesten wissen, dass solche Freundschaften ein absolutes No-go sind. Wütend aufseufzend wollte Crocodile in die Innentasche seiner Jacke greifen, um eine Zigarre hervorzuholen - nur um festzustellen, dass er bloß ein Hemd trug. Im Eifer des Gefechts hatte er nicht daran gedacht gehabt, eine Jacke mitzunehmen. Und so wütend wie er im Augenblick war, spürte er nicht einmal die Kälte der aufkommenden Nacht. Was sollte er jetzt tun? Sich von Doflamingo trennen? Nein, das kam auf gar keinen Fall infrage. Sein Verlobter hatte einen großen Fehler gemacht, aber keinen, den man nicht wiedergutmachen könnte. Schließlich war es nicht so, als hätte er ihn während ihrer Beziehung mit Monet betrogen. Diese Sache war vorher passiert (wenn auch nur sehr kurz vorher). Er soll sich bei mir entschuldigen, beschloss Crocodile am Ende, und die Freundschaft zu Monet beenden. Wenn er das tut, dann könnte ich ihm verzeihen. Er erhob sich von der Parkbank und beschloss eine Runde um den See zu drehen, ehe er sich auf den Weg zurück zur Villa machte. Er war zwar immer noch wütend, aber hatte sich wenigstens soweit gefangen, dass er nachher zu einem Gespräch mit seinem Partner bereit wäre. Hoffentlich ging Doflamingo auf seine Forderungen ein. Ansonsten war ein weiterer Streit nämlich vorprogrammiert. Crocodile war fast schon wieder bei der U-Bahnstation angelangt, als er sein Handy aus seiner Hosentasche hervorholte und einen kurzen Blick draufwarf. Der Display zeigte ihm sage und schreibe zwölf entgangene Anrufe von Doflamingo und vier entgangene Anrufe von Bellamy an. (Vermutlich hatte sein Verlobter dessen Handy benutzt in der Hoffnung, dass Crocodile abnehmen würde, wenn eine andere Rufnummer angezeigt wurde.) Dazu kamen dann noch neun Textnachrichten. Crocodile sah die Nachrichten durch, während er den U-Bahnschacht betrat. (Dieses Mal löste er auch ein Ticket.) Lauf bitte nicht weg lass uns darüber reden, hieß es in der ersten SMS. Dafür war es wohl ein bisschen zu spät. Wo bist du?. Das wusste er ja nicht einmal selbst. Die dritte Textnachricht ließ wieder Wut in ihm aufwallen: Ich habe dir nichts davon erzählt weil ich wusste dass du ausrasten würdest. Offenbar begriff Doflamingo überhaupt nicht, worum es ihm ging. Du verstehst das alles nämlich falsch!! Wir waren nie zsm oder so das war eine einmalige bettgeschichte nichts weiter. Crocodiles Befürchtung wurde in Form der nächsten Nachrichten weiter bestätigt: Und es ist ja auch nicht während unserer beziehung passiert sondern davor. Ich hab dich nicht betrogen oder so was. Das musst du mir glauben!!!!!! Die anderen Nachrichten überflog Crocodile bloß kurz: Bitte komm wieder nach hause und lass uns darüber reden. Ich erklär dir alles und dann verstehst du auch dass es ganz anders ist als du dachtest. Es ist alles bloß ein großes missverständnis. Doflamingo hatte wirklich nicht verstanden, wo das Problem lag. Er begriff es ganz einfach nicht. Frustriert steckte Crocodile sein Handy wieder weg. Wie konnte sein Verlobter bloß so unfassbar ignorant sein?! Plötzlich hatte Crocodile überhaupt keine Lust mehr zur Villa zurückzukehren und sich mit Doflamingo auseinanderzusetzen. Nicht nur, dass sein Partner seinen Fehler offenbar nicht einsah - ihm war nicht einmal bewusst, worum es eigentlich ging. Was würde passieren, wenn sie jetzt miteinander redeten? Vermutlich würde Doflamingo ihm vorwerfen, dass er überreagierte. Er würde irgendwelche alten Textnachrichten hervorkramen, die bewiesen, dass diese Liebelei vor Beginn ihrer Beziehung stattgefunden hatte. Er würde sich weigern sich zu entschuldigen, so wie fast immer. Und dann käme es zum riesigsten Streit aller Zeiten. Crocodile entschied sich dagegen. Als er die Gleise erreichte, suchte er auf dem Fahrplan nach der schnellste Verbindung zum Wohnort seiner beiden Geschwister. Es überraschte ihn, als er herausfand, dass ihm bloß eine Fahrt von etwa fünfzehn Minuten bevorstand. Ihm war überhaupt nicht klar gewesen, wie weit er mit der U-Bahn bereits gefahren war. Während er unterwegs war, versuchte er Mihawk über's Handy zu erreichen. Als sein älterer Bruder auch beim dritten Mal nicht abnahm, versuchte er sein Glück stattdessen bei Hancock. Sie ging ran. „Hallo, Crocodile“, begrüßte sie ihn freundlich. „Was gibt’s?“ „Hey“, erwiderte er und musste kurz schlucken, damit seine Stimme sich normal anhörte. „Bist du gerade Zuhause?“ „Ähm, ja“, antwortete Hancock in einem leicht irritiert klingenden Tonfall. „Wieso?“ „Ich brauche dringend jemanden, mit dem ich sprechen kann“, meinte Crocodile, der kein Freund davon war, um den heißen Brei herumzureden. „Es geht um mich und Doflamingo. Ich habe auch versucht Mihawk zu erreichen, aber bei ihm geht nur die Mailbox ran.“ „Er ist heute auf einem Turnier gewesen“, erklärte Hancock ihm. „Es geht um die Qualifikation für die Meisterschaft und einer seiner Schüler -dieser Zoro, glaube ich- hat wohl gute Chancen. Die beiden kommen erst morgen Mittag wieder zurück.“ „Das wusste ich nicht“, gab Crocodile zu. „Naja, wie auch immer, ich bin schon so etwa in fünfzehn Minuten bei dir. Ist das okay für dich?“ „Klar“, sagte seine jüngere Schwester. „Kein Problem. Aber, ähm, braucht man von dir Zuhause aus mit dem Auto nicht mindestens eine Dreiviertel bis zu mir? Wo bist du denn gerade? Es ist bald Mitternacht!“ „Ich bin spazieren gegangen, um mich ein bisschen zu beruhigen“, erklärte Crocodile ihr. „In diesem Park, du weißt schon, mit dem kleinen See und den vielen Gänsen. Ist nicht weit weg von dir.“ „Okay“, meinte Hancock, die ziemlich irritiert klang. „Ich setze Tee für uns beide auf, ja? Möchtest du Pfefferminz oder Kamille?“ „Kamille, bitte.“ „Okay, gut. Und Crocodile...“ Hancock schwieg für einen kurzen Moment, ehe sie sagte: „Bitte versuch dich zu beruhigen, okay? Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden, egal was zwischen Doflamingo und dir vorgefallen ist.“ „Das hoffe ich“, erwiderte Crocodile mit resignierter Stimme und legte auf. Wenn sie Besuch erwartete, ließ seine Schwester die Haustüre meistens offen. Crocodile hatte diese Angewohnheit schon immer überaus leichtsinnig gefunden, doch Hancock schien nicht zu begreifen, in welche Gefahr sie sich und ihr Eigentum damit brachte. „Ich wohne nicht wie du in einer Großstadt“, sagte sie jedes Mal, wenn Crocodile sie darauf ansprach. „Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Niemand käme auf die Idee bei mir einzubrechen.“ An diesem Abend schenkte er dieser verrückten Marotte seiner jüngeren Schwester keine Beachtung. Stumm schob Crocodile die Türe auf, durchquerte den Eingangsbereich und bog am Ende des Flurs links in die Küche ein. Hancock stellte gerade zwei Tassen heißen Tee und eine Schale mit Gebäck auf ein Tablett. „Ich trage das“, sagte Crocodile anstelle einer Begrüßung. „Setz du dich hin.“ „Mach dich nicht lächerlich“, erwiderte Hancock und ließ nicht zu, dass er ihr das Tablett abnahm. „Ich bin schwanger, nicht krank!“ Dass sie schwanger war, war wirklich nicht zu übersehen. Ein dicker, runder Babybauch wölbte sich unter dem violetten Kleid hervor, das sie trug. Unweigerlich stellte Crocodile sich das kleine Menschlein vor, das sich darin befand. Es war ein sehr befremdlicher Gedanke. „Du bist inzwischen im siebten Monat, oder?“ Hancock nickte. „In fünf Wochen gehe ich in Mutterschutz“, erzählte sie. Im Wohnzimmer setzten sie sich nebeneinander auf die Couch. Crocodile griff dankbar nach dem Kamillentee, den seine Schwester für ihn gekocht hatte, und wärmte seine Finger an der heißen Tasse. Erst jetzt spürte er die Kälte in seinen Gliedmaßen. „Was ist denn eigentlich passiert?“, fragte Hancock mit sanfter Stimme. „Wieso haben Doflamingo und du sich gestritten?“ „Zu einem Streit ist es gar nicht so wirklich gekommen“, erwiderte Crocodile. Er wusste nicht recht, wo er anfangen sollte. Bei dem Autounfall, von dem Doflamingo ihm damals erzählt hatte? Oder sollte er lieber direkt auf den Punkt kommen? Schlussendlich platzte ziemlich ungestüm „Doflamingo hat mit einer Frau geschlafen!“ aus ihm heraus. Überrascht riss Hancock die Augen auf. „Er... hat dich betrogen?“, fragte sie im Flüsterton nach. „Nein“, gab Crocodile kopfschüttelnd zurück. „Nicht so richtig. Also, das ist passiert, bevor wir beide ein Paar geworden sind.“ „Wo liegt dann das Problem?“, wollte Hancock wissen. Sie zog eine Augenbraue hoch und nippte an ihrem Tee. „Doflamingo ist über dreißig. Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass er als Jungfrau in eure Beziehung gegangen ist, oder?“ „Nein, natürlich nicht.“ Seufzend fuhr Crocodile sich mit der Hand durch sein Haar. „Du verstehst das nicht: Diese Bettgeschichte ist nur ein paar Tage, bevor ich angefangen habe Doflamingo zu daten, passiert. Er hat mich wochenlang um eine Verabredung angebettelt, ist aber gleichzeitig mit wem anders in die Kiste gegangen!“ „Ich finde, du reagierst über“, meinte Hancock mit ernster Stimme. „Du hast doch selbst gesagt, dass diese Sache passiert ist, bevor ihr beide begonnen habt miteinander auszugehen. Damals hat Doflamingo dir doch noch gar nichts geschuldet, er war ungebunden. Wenn er mit ihr geschlafen hätte als ihr bereits zusammen wart, dann könnte ich deine Aufregung verstehen, aber so...“ „Das ist noch nicht alles!“ Crocodile ärgerte es, dass seine Schwester seine Empörung nicht nachvollziehen konnte. „Die Frau, mit der Doflamingo geschlafen hat, war nicht einfach irgendeine Fremde, sondern seine beste Freundin! Und nach dieser Sache ist er weiterhin mit ihr befreundet geblieben und hat mir gegenüber so getan als wäre nie etwas zwischen ihnen passiert! Mein Verlobter hat mir diesen One-Night-Stand mit ihr eiskalt verschwiegen! Ich habe heute durch puren Zufall davon erfahren!“ Noch immer schien Hancock nicht zu begreifen, was los war. Anstatt wütend auf Doflamingo zu schimpfen, warf sie ihm bloß einen zweifelnden Blick zu und griff nach einem selbstgebackenen Plätzchen mit Marmeladen-Füllung. „Ideal ist diese Situation sicherlich nicht“, meinte sie schließlich in einem ziemlich nüchtern klingenden Tonfall, „aber ich finde trotzdem, dass du überreagierst. Wie gesagt, das ist passiert, ehe ihr beide angefangen habt miteinander auszugehen. Und so wie du es erzählst, klingt es auch eher nach einer sehr kurzen Bettgeschichte. Es ist ja nicht so als wären die beiden je zusammen gewesen. An deiner Stelle würde ich diesem One-Night-Stand nicht so viel Bedeutung beimessen.“ „Es geht mir gar nicht so sehr um den Sex an und für sich“, versuchte Crocodile seiner Schwester das Problem näherzubringen, „sondern darum, dass er es mir verschwiegen hat. Die beiden haben untereinander ausgemacht, mich im Dunkeln zu lassen! Kannst du dir das vorstellen?“ „Nun ja“, erwiderte Hancock, die immer noch nicht überzeugt wirkte, „warum sollte er es dir auch erzählen? Also, aus welchem Grund? Wenn es wirklich nur eine einmalige Sache war, dann spielt es ja eigentlich keine Rolle mehr. Dich einzuweihen würde doch nur unnötig eure Beziehung strapazieren. Und die Freundschaft zu ihr natürlich auch.“ „Das ist übrigens noch ein weiterer Knackpunkt!“, warf Crocodile stürmisch ein. Dass Hancock eher auf Doflamingos als auf seiner Seite zu sein schien, trieb ihn zur Verzweiflung. Als seine Schwester hatte sie doch die Pflicht ihm rechtzugeben und nicht seinem Verlobten! Stattdessen machte sie ihm nichts als Vorwürfe. „Ich finde es ungeheuerlich, dass er weiterhin mit ihr befreundet geblieben ist! So etwas macht man einfach nicht! Wie soll ich mich denn bitte fühlen, wenn er sich mit einer Freundin trifft, von der ich weiß, dass er sie mal gevögelt hat?!“ „Nun, deswegen wird er dir wohl nichts davon erzählt haben...“ Diese Aussage war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Plötzlich kannte Crocodile kein Halten mehr. „Was redest du denn da?!“, brüllte er mit ungläubiger Stimme und warf Hancock einen zornigen Blick zu. „Wieso nimmst du Doflamingo so sehr in Schutz? Er hat mir monatelang verschwiegen, dass er kurz vor unserer Beziehung mit seiner besten Freundin geschlafen hat, und du tust so als wäre das völlig normal!“ „Ich hatte doch gesagt gehabt, dass diese Situation nicht ideal ist“, lenkte Hancock ein, „aber trotzdem finde ich es unnötig sich darüber aufzuregen. Immerhin ist das schon sehr lange her. Wer hat denn etwas davon, wenn so alte Geschichten wieder aufgewärmt werden?“ „Und wenn er mich betrogen hätte!?“, entgegnete Crocodile wütend. „Wäre das dann auch egal, bloß weil es vielleicht länger her ist?!“ „Du vergleichst Äpfel mit Birnen“, warf Hancock ihm vor. „Doflamingo hat dich nicht betrogen! Ich bin mir sicher, dass er so etwas niemals tun würde. Er liebt dich und...“ „Wenn er mich liebt, warum hat er Monet gefickt!?“ Crocodile spürte, dass sich erneut Tränen anbahnten, doch er versuchte sie mit aller Kraft zurückzuhalten. Er hatte das letzte Mal vor seiner Schwester geweint, als sie beide Kinder gewesen waren. „Doflamingo hat mich so oft um ein Date gebeten! Hat mir eingeredet, er hätte sich in mich verliebt! Dass er mich unbedingt um jeden Preis näher kennenlernen möchte! Und dann steigt er ein paar Tage später mit seiner besten Freundin ins Bett! So etwas tut man doch nicht, wenn man verliebt ist!“ „Ihr wart noch nicht zusammen. Er hat dir nichts...“ „Und das soll ich ihm glauben?!“, unterbrach Crocodile seine Schwester erneut. „Woher weiß ich denn, dass es wirklich schon passiert ist, bevor wir beide ein Paar wurden? Zu Beginn unserer Beziehung haben wir uns noch nicht täglich gesehen... und Doflamingo denkt ständig nur an Sex... Warum sollte ich ihm glauben, dass dieser One-Night-Stand vorher passiert ist? Und dass es überhaupt ein One-Night-Stand war und keine länger andauernde Beziehung? Doflamingo ist nicht schwul, er ist bisexuell... Vielleicht sehnt er sich manchmal nach einer Frau.. Vielleicht hat er mich monatelang mit Monet betrogen...?“ Verzweifelt wischte Crocodile sich mit dem Hemdsärmel über seine tränennassen Augen. Sie hinterließen einen dunklen Fleck auf dem grünen Stoff. „Wie soll ich ihm je wieder vertrauen?“ „Jetzt reicht es aber!“, fuhr Hancock ihn plötzlich an. „Das sind wilde Unterstellungen, Crocodile! Ich meine es ernst: Doflamingo mag seine Fehler haben, aber er ist ein ehrenwerter Mann. Er würde dich nie betrügen! Daran darfst du nicht auch nur denken!“ „Doflamingo hält nicht viel von Treue“, gab Crocodile zurück. „In seinen früheren Beziehung hat er seine Partner ständig betrogen und angelogen. Es war dumm von mir mich auf so einen Mann einzulassen! Doflamingo ist ein verdammter Lügner und...!“ „Du tust ja glatt so als wärst du auch nur um einen Deut besser!“, meinte Hancock mit giftiger Stimme. „Doflamingo mag dich wegen dieser einen Sache angelogen haben, die schon fast ein Jahr lang her ist. Aber du lügst ihn schon seit Monaten jeden Tag an! Oder hast du ihm inzwischen von deiner Kündigung erzählt? Ich finde, du hast kein Recht, kein Recht jemand Anderen für seine Lügen zu verurteilen. Du bist nämlich selbst ein schrecklicher Lügner, Crocodile, also hör auf dich zu beschweren!“ Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was seine Schwester ihm da an den Kopf warf. Er glaubte, sich verhört zu haben. Mit einem völlig entgeisterten Gesichtsausdruck blickte er zu ihr hinüber. Erst als er sich absolut sicher war, dass er sich ihre Worte nicht eingebildet hatte, erhob er sich von der Couch und erwiderte wütend brüllend: „Meine Kündigung geht Doflamingo nichts an! Mein Job und mein Geld sind meine Sachen! Unsere Beziehung wird dadurch nicht beeinflusst! Dass mein Verlobter seinen Schwanz in seine Freundin gesteckt hat, geht mich hingegen sehr wohl etwas an!“ „Das ist Schwachsinn und das weißt du ganz genau!“, entgegnete Hancock. Sie erhob sich ebenfalls von der Couch und taxierte ihn mit zornigen Blicken. „Warum nimmst du Doflamingo so sehr in Schutz?!“, fragte Crocodile zähnefletschend. Er war verzweifelt, wütend und furchtbar enttäuscht. Dass seine eigene Schwester anstatt ihn zu trösten sich auf die Seite von Doflamingo stellte, verletzte ihn tief. Eigentlich hatte er geglaubt gehabt, sich immer auf seine beiden Geschwister verlassen zu können. Er fühlte sich nicht nur von seinem Verlobten, sondern auch von Hancock betrogen. Wieso suchte sie die Schuld bei ihm und nicht bei Doflamingo? Warum... Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Das Geld!“, zischte Crocodile mit verächtlicher Stimme. „Darum geht es dir! Du hast Angst, dass Doflamingo seine fündundsiebzigtausend Berry zurücknimmt, wenn wir uns trennen! Deswegen spielst du herunter, was er getan hat, und beschuldigst stattdessen mich!“ „Das stimmt doch gar nicht“, erwiderte seine Schwester, doch die Schuld stand ihr praktisch ins Gesicht geschrieben. „Ich fasse es nicht!“ Crocodile musste sich erneut mit dem Hemdsärmel über die Augen fahren, damit Hancock seine Tränen nicht sah. „Du bist eine miese Verräterin! Du leckst Doflamingo die Stiefel, damit du sein Geld behalten kannst! Schämst du dich denn gar nicht?!“ „Crocodile“, sagte Hancock mit schuldbewusster Stimme, „so ist das nicht! Bitte, ich...“ „Ich verschwinde“, erwiderte Crocodile. Er spürte, dass er in wenigen Sekunden in Tränen ausbrechen würde, und wollte sich dieser Blöße vor seiner Schwester nicht geben. Hancock versuchte ihn aufzuhalten, doch er schüttelte ihre Hand ab und verließ ihr Haus so schnell seine Beine ihn tragen konnten. Auf dem Weg zurück zur U-Bahnstation warf Crocodile einen Blick auf sein Handy. Inzwischen war es null Uhr dreißig. Außerdem hatte er sieben entgangene Anrufe von Doflamingo und vier von Law. Dazu kamen noch drei neue Textnachrichten. Während er auf die U-Bahn wartete (laut der elektronischen Anzeigetafel über seinen Kopf fuhr die nächste Bahn erst in fünfzehn Minuten), überflog er die Nachrichten. Wo bist du? Bitte geh ans handy, hieß es in der ersten. Ich mache mir sorgen wani :( , stand in der zweiten Nachricht. Die dritte war ein langer Text: ich meine es ernst geh bitte endlich an dein handy!! ich mache mir riesengroße sorgen du bist schon seit stunden weg ohne jacke :( bitte komm nach hause wir können über alles reden und diese sache klären! Und auch wenn du nicht reden willst komm bitte nach hause oder melde dich wenigstens damit ich weiß dass es dir gutgeht ich mache mir wirklich sorgen. Crocodile steckte das Handy zurück in seine Hosentasche und griff stattdessen nach einem Taschentuch. Nachdem er Hancocks Haus verlassen hatte, hatte er die Tränen nicht mehr zurückhalten können. Zum Glück war die U-Bahnstation zu dieser späten Stunde menschenleer. Mit der Bahn fuhr Crocodile zurück zum Park, weil er nicht wusste, wo er sonst hinkönnte. Doflamingo oder Hancock stellten für ihn keine Optionen dar; Mihawk blieb bis morgen bei diesem Fecht-Turnier und Daz war momentan auf Geschäftsreise im Ausland. Er fühlte sich schrecklich einsam. Kalte Nachtluft umfing ihn, als er die beheizte U-Bahn verließ. Crocodile, der generell sehr schnell fror, begann sofort zu zittern. Im Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher als einen wärmenden Mantel. Mit vor der Brust verschränkten Armen steuerte Crocodile die Parkbank an, auf der er schon eine Weile zuvor gesessen hatte. Er ließ sich auf ihr nieder, obwohl das Holz eiskalt war. Was blieb ihm Anderes übrig als die Nacht hier zu verbringen? Nach Hause wollte er nicht und soweit er wusste gab es hier in dieser Gegend auch kein Hotel, in dem er hätte absteigen können. Crocodile seufzte frustriert auf und blickte hinaus auf das spiegelglatte Wasser. Die Oberfläche kräuselte sich, als ein Entenpaar vorbeischwamm. Der Enterich verfügte über ein bunt schimmerndes Gefieder; seine Frau hingegen wirkte mit ihren braunen Federn eher unauffällig. Crocodile folgte den beiden Tieren mit den Augen, bis sie schließlich an Land gingen und in einem Gebäusch in Ufernähe verschwanden. Er wurde das Gefühl nicht los, dass es mit jeder Minute kälter wurde. Mit der rechten Hand fuhr Crocodile über seine Oberschenkel, doch die Reibung erzeugte nicht sonderlich viel Wärme. Er spielte mit dem Gedanken zum U-Bahnschacht zurückzukehren und dort die Zeit bis zum Morgengrauen abzusitzen, als er ganz in seiner Nähe ein paar Zweige knacken hörte. Nervös wandte Crocodile sich um - und erkannte seinen Verlobten, der nur wenige Meter von ihm entfernt stand. „Was hast du hier verloren?!“, wollte Crocodile sagen, doch ihm war so kalt und er war so verdattert, dass er kein einziges Wort hervorbrachte. „Endlich habe ich dich gefunden!“, rief Doflamingo mit erleichterter Stimme und kam auf ihn zu. Er wollte ihn in seine Arme schließen, doch Crocodile wehrte ihn mit der Hand an. Er hatte definitiv keine Lust darauf mit seinem Verlobten zu kuscheln und so zu tun als wäre nichts gewesen. Er war noch immer stocksauer. „Wieso bist du hier?“, blaffte Crocodile ihn unfreundlich an, als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte. „Hancock hat mich angerufen“, antwortete Doflamingo, der die Frage falsch zu verstehen schien. „Sie hat mir von diesem Park erzählt.“ „Lass mich in Ruhe“, erwiderte er gleichmütig und ohne seinem Partner ins Gesicht zu schauen. „Ich will jetzt nicht mit dir reden.“ „Das ist okay“, meinte zu seiner Überraschung Doflamingo. Er leckte sich mit der Zunge über die Lippen und fuhr fort: „Aber komm wenigstens wieder mit nach Hause. Es ist eiskalt, du holst dir hier draußen noch den Tod!“ „Ich kann mich aufhalten, wo auch immer ich will“, entgegnete Crocodile stur. Er sah überhaupt nicht ein, wieso er sich in irgendeiner Form nach seinem Verlobten richten sollte. „Das geht dich gar nichts an.“ „Crocodile“, sagte Doflamingo in einem bittenden Tonfall, „lass uns nach Hause gehen. Hier in der Kälte zu sitzen bringt weder dir noch mir etwas. Am besten schläfst du für ein paar Stunden und morgen reden wir dann in Ruhe darüber, was vorgefallen ist.“ „Ich bleibe hier“, gab Crocodile zurück und rührte sich keinen Millimeter. „Deine Lippen sind schon ganz blau“, versuchte sein Verlobter auf ihn einzureden. Ungefragt griff er nach seiner Hand. „Und du bist eiskalt!“ „Fass mich nicht an“, blaffte Crocodile und riss sich sofort los. „Du verhältst dich wie ein bockiges Kind“, schimpfte Doflamingo, der allmählich die Geduld verlieren zu schien. „Ich kann verstehen, dass du nicht begeistert davon bist, was zwischen Monet und mir vorgefallen ist. Aber anstatt nach Hause zu kommen und in Ruhe mit mir darüber zu reden, schaltest du auf stur! Du willst doch selbst überhaupt nicht hier draußen in der Kälte bleiben. Du hast nicht einmal eine Jacke dabei. Hier - nimm meinen Mantel!“ Doflamingo schlüpfte aus dem schrecklichen, pinken Federmantel, den er trug, und hielt ihn seinem Partner hin. Obwohl Crocodile zitterte wie Espenlaub, war er viel zu stolz, um dieses Angebot anzunehmen. „Ich will deinen hässlichen Mantel nicht!“, meinte er zähneklappernd und blickte demonstrativ in eine andere Richtung. Crocodile war immer noch wütend und enttäuscht und hatte kein Interesse an den fürsorglichen Gesten seines Verlobten, solange dieser nicht endlich seinen Fehler einsah und sich dafür bei ihm entschuldigte. Doch Doflamingo war mindestens genauso stur wie er selbst. Anstatt Crocodiles Ablehnung zu akzeptieren, stürzte er sich kurzerhand mit dem Federmantel auf ihn. Er legte ihm den Mantel um die Schultern und verhinderte, dass er diesen wieder abschüttelte, indem er ihn mit beiden Armen fest umklammerte. Crocodile konnte nichts dagegen tun; Doflamingo war der Stärkere von ihnen beiden. Und um ehrlich zu sein, fühlten sich die weichen, warmen Federn und die schweren Arme seines Partners unfassbar angenehm an. Instinktiv lehnte Crocodile sich in die Umarmung hinein. Er schloss für einen kurzen Moment seine Augen und nahm Doflamingos Körperwärme und seinen fruchtig-herben Geruch auf. Und dann kamen auf einmal wieder die Tränen. Er konnte nichts dagegen tun. Sie liefen heiß und in Strömen über seine Wangen und landeten auf den pinken Federn und auf Doflamingos Brust, die plötzlich ganz nah bei ihm war. Schluchzend wollte Crocodile sie mit seinem Hemdsärmel (der inzwischen schon ganz nass war) wegwischen, doch der schraubstockartige Griff seines Verlobten war so fest, dass er sich nicht bewegen konnte. „Was ist denn los?“, fragte Doflamingo bestürzt und wischte die Tränen mit seinem Daumen fort. „Warum weinst du?“ „Mir ist so kalt“, log Crocodile, weil er selbst nicht wusste, was auf einmal in ihn gefahren war. „Lüg mich nicht an“, erwiderte sein Partner mit überraschend sanfter Stimme. Er stand von der Bank auf, nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinüber zum Parkplatz, wo sein Aston Martin DBS V12 geparkt stand. Als er sie beide bemerkte, stieg der Fahrer aus, um ihnen die Fahrzeugtüre zu öffnen, doch Doflamingo bedeutete ihm mit einer schnellen Handbewegung, dass er sich hinter's Steuer setzen sollte. Die Türe öffnete er stattdessen selbst. Im Wagen lief die Heizung. Erst jetzt spürte Crocodile wirklich, wie kalt die Nacht war und wie sehr er fror. Seine Gliedmaßen fühlten sich steif an und seine Zehen und Finger schmerzten fürchterlich. „Läuft die Party immer noch?“, fragte Crocodile mit matter Stimme, während der Aston Martin den Parkplatz verließ. Doflamingo schüttelte den Kopf. „Die meisten Leute sind inzwischen gegangen“, antwortete er. „Ich glaube, nur Law, Kid, Bellamy und Vergo sind noch da.“ „Sind sie wegen mir gegangen?“, fragte Crocodile. Es war nicht seine Absicht gewesen, die ganze Party zu ruinieren. „Wohl eher wegen mir“, meinte sein Verlobter gleichmütig. „Du wirst dir denken können, dass meine Laune nicht mehr die allerbeste war, nachdem du weggelaufen bist. Da haben sich die Gäste dann mehr oder weniger von selbst verzogen.“ „Das wollte ich nicht“, sagte Crocodile und rieb mit den Fingern über seine Lippen; sie fühlten sich taub an. „Es war sowieso keine richtige Party“, versuchte sein Verlobter ihn zu trösten. Crocodile brachte ein schwaches Lächeln zustande. Er fühlte sich absolut miserabel. Körperlich und seelisch. Nicht nur die Sache mit Doflamingo und Monet, sondern auch die Auseinandersetzung mit seiner Schwester Hancock nagte an ihm. Crocodile hatte das Verhältnis zu seinen Geschwistern immer für unantastbar gehalten. Dass er sich auf Mihawk und Hancock jederzeit bedingungslos verlassen konnte, war ein ungeschriebenes Gesetz. Es verletzte ihn tief, dass seine Schwester ihn verraten hatte, um die 75.000 Berry, welche diese von Doflamingo erhalten hatte, nicht zu gefährden. „Hancock tut es übrigens leid, was sie gesagt hat“, sagte Doflamingo, so als könnte er seine Gedanken lesen. „Sie hat mir am Telefon erzählt, dass du dich ihr anvertraut hast und sie versucht hat alles herunterzuspielen, weil sie auf keinen Fall möchte, dass wir beide uns trennen.“ „Lass uns jetzt nicht über Hancock reden“, meinte Crocodile. Er legte den Kopf in den Nacken und fixierte den mit teurem Stoff überzogenen Fahrzeughimmel. „Sie hat mir auch gesagt, dass du befürchtest, ich hätte dich mit Monet betrogen“, fuhr Doflamingo fort. „Also, dass dieser One-Night-Stand nicht vor, sondern während unserer Beziehung passiert ist. Dazu will ich sagen...“ „Lass uns jetzt auch nicht über Monet reden“, unterbrach Crocodile seinen Verlobten. Plötzlich fühlte er sich furchtbar müde und erschöpft. Obwohl er sich nicht bewegte, schien sein Puls zu rasen. Um ehrlich zu sein, wollte er sich einfach bloß ins Bett legen und ein paar Stunden lang schlafen. Crocodile schloss seine Augen und atmete tief ein und aus. Er spürte, wie hin und wieder seine Arme und Beine unkontrolliert zu zittern begannen. „Du hättest nicht so lange draußen in der Kälte bleiben dürfen“, hörte er Doflamingo mit teils besorgt, teils vorwurfsvoll klingender Stimme sagen. „Du bist völlig unterkühlt. Ich wünschte mir wirklich, du hättest auf meine Nachrichten reagiert und wärst wieder nach Hause gekommen. Immerhin hattest du nicht einmal eine Jacke dabei.“ „Jetzt bin ich ja im Warmen“, versuchte Crocodile seinen Partner zu beruhigen. „Also mach dir keine Sorgen.“ „Das sagst du so leicht“, brummte Doflamingo und berührte seine Haut. „Du fühlst dich immer noch eiskalt an. Am besten legst du dich gleich direkt ins Bett.“ Als sie beide das Foyer der Villa betraten, wurden sie sofort von Law, Kid, Bellamy und Vergo in Empfang genommen. „Da bist du ja endlich“, meinte Law an Crocodile gewandt. „Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht! Geht es dir gut? Du bist ganz blass im Gesicht.“ „Ich bin immer blass“, erwiderte er mit matter Stamme. Es war ihm sehr unangenehm, dass man sich offensichtlich um ihn sorgte. „Mir fehlt nichts; ich bin nur müde.“ „Trink am besten einen gezuckerten Tee, bevor du dich schlafen legst“, riet Law ihm. „Das hilft, deinen Körper wieder aufzuwärmen.“ „Ich bringe dir auch eine Wärmflasche“, schaltete sich Doflamingo ein. Crocodile nickte. Nachdem er allen Gästen einen guten Heimweg gewünscht hatte, machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer. Sein Verlobter folgte ihm auf den Fuße; in seinen Händen hielt er eine mit Tüchern umwickelte Wärmflasche. Mit ungeschickten Bewegungen entkleidete Crocodile sich und schlüpfte unter die Bettdecke. Doflamingo legte die Wärmflasche dazu. Es war ein unfassbar angenehmes Gefühl. Viel besser als draußen in der Kälte zu sitzen, fand Crocodile, und seufzte wohlig auf. Sofort fielen seine Augen zu. Er spürte, dass er kurz davor war, ins Land der Träume abzudriften, als er seinen Verlobten fragen hörte: „Geht es für dich in Ordnung, wenn ich mich zu dir lege? Oder soll ich lieber im Gästezimmer übernachten?“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis Crocodile begriff, worauf Doflamingo hinauswollte. „Leg dich hin“, meinte er schließlich mit leiser Stimme. Sein Partner hatte dieses Bett bezahlt und es stand in seiner Villa; Crocodile hatte also kein Recht, ihn davon fernzuhalten. Wenn er sich wünschte, dass sie beide getrennt schliefen, dann müsste er selbst ins Gästezimmer ziehen und nicht anders herum. Doflamingo schälte sich hastig aus seiner Kleidung und schlüpfte zu ihm unter die Decke. Er zögerte für einen kurzen Moment, doch entschied sich dann dazu, den Arm um die Hüfte seines Verlobten zu legen. Crocodile ließ die Berührung zu. Weniger als eine halbe Minute später war er tief und fest eingeschlafen. Als Crocodile am nächsten Morgen aufwachte, ging es ihm überraschenderweise ziemlich gut. Seine Finger und Zehen fühlten sich nicht mehr taub an und ihm war auch nicht mehr nach Heulen zumute. Er gähnte leise, befreite sich von Doflamingos festen Griff um seinen Körper und richtete sich im Bett auf. Die Uhr über der Türe zum angrenzenden Badezimmer sagte ihm, dass es beinahe zwölf Uhr mittags war. Für seine Verhältnisse hatte Crocodile ziemlich lang geschlafen. Er wollte gerade aufstehen, um zu duschen, als er merkte, dass sein Verlobter einen langgezogenen Brummlaut von sich gab und alle Gliedmaßen ausstreckte. Crocodile musste in Deckung gehen, um nicht von einem muskuslösen Arm getroffen zu werden. „Hey!“, wies er Doflamingo mit genervter Stimme zurecht, als ihn dann stattdessen mit voller Wucht dessen Bein unter der Bettdecke traf. „Pass doch auf!“ Dass Crocodile wochentags immer eine Stunde früher aufstand als sein Partner, lag nicht bloß an ihren unterschiedlichen Arbeitszeiten. Wenn Doflamingo kurz davor war aufzuwachen, verwandelte sich dieser nämlich hin und wieder in einen Boxchampion, der den Körper seines Nebenmannes mit einem Boxsack zu verwechseln schien. Zum Glück gelang es Crocodile recht schnell ihn aufzuwecken und auf diese Weise zu verhindern, dass er einen weiteren Tritt mit dem Fuß kassierte. „Morgen“, begrüßte Doflamingo ihn mit matter Stimme und richtete sich im Bett auf. „Wie hast du geschlafen, Croco?“ „Ganz gut“, antwortete er wahrheitsgemäß und strich ein paar Haarsträhnen, die ihm ungekämmt ins Gesicht fielen, mit der Hand nach hinten. Der Nachteil bei langen Haaren bestand darin, dass man morgens immer aussah als hätte nachts ein Wirbelsturm im Schlafzimmer gewütet. Doflamingo schien sich daran nicht zu stören. „Weißt du eigentlich, wie sexy du bist?“, meinte er lüstern grinsend und berührte mit den Fingerspitzen die nackte Brust seines Verlobten. Crocodile zögerte. Ihm war klar, worauf sein Verlobter hinauswollte. Doch er war nicht sicher, ob er sich darauf einlassen wollte. Sollten sie nicht lieber zuerst über all die Dinge sprechen, die noch offen im Raum standen, ehe sie sich miteinander vergnügten? Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als Doflamingos Fingerspitzen seine Brustwarzen streiften. Ein quietschender Stöhnlaut entkam Crocodiles Lippen und er beobachtete, wie die warmen und großen Hände seines Partners zärtlich seine Arme und seinen Oberkörper streichelten. Nicht nur seine Brustwarzen, sondern auch sein Glied stellte sich rasch auf. Doflamingo nutzte die Situation schamlos aus und ließ seine Hände unter die Bettdecke gleiten. Er schenkte Crocodile ein breites Lächeln und leckte sich mit der Zunge genießerisch über die Lippen, während er unter der Decke nach dem steifen Glied seines Verlobten tastete. Er streichelte über seine Oberschenkel und die kurzen, pieksigen Haarstoppeln an seiner Scham, ehe er seinen Penis umfasste und ihn mit langsamen, rhythmischen Bewegungen zu pumpen begann. Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen oder auch nur ein Wort der Warnung auszusprechen, zog Doflamingo die Bettdecke zur Seite, senkte seinen Oberkörper ab und nahm Crocodiles Glied in seinen Mund. Er saugte an der Eichel als handelte es sich um ein köstliches Eis an einem heißen Sommertag. Crocodile spürte, dass seine Zehen unkontrolliert zu zucken begannen. Nun nahm Doflamingo seinen gesamten Penis in den Mund; mit seiner warmen, nassen Zunge strich er über die Unterseite des Schafftes. Crocodiles Eichel berührte das Ende seiner Mundhöhle. Er hörte seinen Verlobten ein paar Mal leise röcheln, doch er unterbrach nicht auch nur für einen kurzen Augenblick dieses unglaubliche Verwöhnprogramm. Erst als er leise ankündigte, dass er gleich zum Höhepunkt kommen würde, ließ Doflamingo von ihm ab. Crocodile wollte sich bereits beschweren, als er bemerkte, dass sein Verlobter die Nachttischschublade geöffnet hatte und mit einem ungeduldigen Gesichtsausdruck darin herumkramte. Es dauerte nicht lange, bis er gefunden hatte, wonach er suchte: eine Tube Gleitcreme und eine schwarze Augenmaske. Zweiteres wurde von Crocodile relativ argwöhnisch begutachtet. So etwas hatten sie noch nie zuvor verwendet; nicht einmal die Augen hatte Doflamingo ihm je verbunden. Eigentlich mochte er es nämlich ganz gerne, seinem Verlobten dabei zuzusehen, wie dieser ihm einen Blowjob gab oder ihn fingerte. Es gab ihm einen besonderen Kick, wenn ihre Blicke sich beim Sex kreuzten. „Es wird sich lohnen“, versicherte ihm jedoch Doflamingo. Er klang ziemlich ungeduldig. „Und wenn es dir doch nicht gefallen sollte, kannst du die Augenmaske ja jederzeit wieder abnehmen.“ Gegen dieses Argument konnte Crocodile nicht viel einwenden. Er zuckte also mit den Schultern und zog die Augenmaske über. Einen kurzen Moment später fühlte er die Hand seines Verlobtens, die seinen Oberkörper mit sanfter Gewalt nach hinten drückte. Offenbar wünschte er sich, dass Crocodile sich hinlegte. Dieser erfüllte seinen Wunsch. Es war ein seltsames, aber nicht unangenehmes Gefühl nichts sehen zu können. Seine anderen Sinne schienen umso schärfer geworden zu sein: Crocodile nahm überdeutlich die schwere Atmung seines Verlobten wahr, seinen süß-herben Körpergeruch und die Wärme, die dieser ausstrahlte. Er bildete sich sogar ein, Doflamingos schnellen, rhythmischen Herzschlag hören zu können. Die feinen Härchen in seinem Nacken und auf seinen Armen stellten sich auf, als Doflamingos warme Hand erneut nach seinem Glied griff. Mit seiner freien Hand schien er nach einem Kissen gegriffen zu haben, denn er meinte mit äußerst ungeduldiger Stimme: „Heb deine Hüfte ein bisschen an!“ Ein weiteres Mal tat Crocodile wie ihm geheißen und ließ zu, dass sein Verlobter ihm ein weiches, kühles Kissen unterlegte. Er ahnte, was nun folgen würde, und um ehrlich zu sein, freute er sich schon sehr darauf. Während Doflamingo in einem langsamen Rhythmus sein Glied pumpte, öffnete er gleichzeitig die Tube Gleitcreme, die er aus dem Nachttisch hervorgeholt hatte. Crocodile hörte, wie er eine großzügige Menge auf seine Finger auftrug; es entstand ein schmatzendes Geräusch, als Doflamingo die Flüssigkeit so gut wie möglich erwärmte, indem er seine Hände aneinander rieb. Ohne vom Penis seines Partners abzulassen, verteilte er die Gleitcreme in seiner Pospalte. Crocodile erschauderte, als die warme Flüssigkeit seinen empfindlichen Eingang berührte. Ein gedehnter Seufzer entkam seinen Lippen, als Doflamingo das Gleitmittel auch im Inneren verteilte. Der Zeigefinger, der immer wieder vorsichtig in ihn eindrang, gepaart mit der Massage seines steifen Glieds fühlte sich unwahrscheinlich gut an. „Spreiz deine Beine ein bisschen weiter“, hörte er Doflamingo mit lüsterner Stimme flüstern. Offenbar giel ihm, was er sah. Ein drittes mal an diesem Morgen kam Crocodile der Bitte seines Partners nach. Dem ersten Finger folgte ein zweiter. Doflamingo erhöhte das Tempo sowohl an seinem Eingang als auch an seinem Glied. Obwohl Crocodiles Augen verbunden waren, kam es ihm vor als würde er Sterne sehen. Wellen heißer Lust breiteten sich in seinem gesamten Körper aus, jedes Mal, wenn Doflamingos Fingerspitzen diesen einen, ganz speziellen Punkt in seinem Inneren streiften. Laut stöhnend gab er sich seinem Verlobten vollends hin. Doflamingo ersetzte die Hand an seinem Glied ein weiteres Mal durch seinen Mund. Warme Lippen umschlossen seine Eichel und eine nasse Zunge neckte die Unterseite seines steifen Glieds. Die Hitze, die sich in seinem Unterleib staute, erreichte ein kaum noch erträgliches Maß. „Doffy“, hauchte Crocodile mit unruhiger Stimme, „bitte...“ Sein Verlobter reagierte nicht auf seine Worte. Anstatt ihn geradewegs zum Höhepunkt zu bringen (Crocodile war sich sicher, dass Doflamingo dazu in der Lage gewesen wäre), ließ er seine Zunge weiterhin langsam und genüsslich über seinen Penis gleiten. Sowohl die Eichel als auch den Schafft leckte er schwelgerisch ab. Crocodile konnte nichts sehen, doch er war sich sicher, dass die Lippen seines Partners ein breites, fieses Grinsen zierte. „Doooffy...!“, bettelte Crocodile erneut und ohne auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, wie schrecklich unterwürfig und verzweifelt er wirken musste. Als sein Verlobter ihn noch immer ignorierte, tastete er schließlich ungelenk mit seiner rechten Hand nach dessen Kopf. Seine Finger krallten sich in sein kurzes Haar; Crocodile versuchte ihn näher zu sich zu ziehen. Endlich reagierte Doflamingo! Er führte einen dritten Finger in seinen Eingang ein und nahm sein Glied so weit wie möglich in den Mund. Crocodile stöhnte genüsslich auf. Die drei Finger, die immer wieder gegen seine Prostata stießen und die warmen, weichen Lippen, die über die gesamte Länge seiner Erektion glitten, nahmen ihn so sehr in Beschlag, dass er nicht einmal daran dachte, Doflamingos Haar wieder loszulassen. Hitze breitete sich ausgehend von seinem Unterleib bis zum Haaransatz und den Zehenspitzen in seinem gesamten Körper aus; die Sterne, die vor Crocodiles innerem Auge tanzten, explodierten und verwandelten sich in bunte Feuerwerke. Laut stöhnend kam er zum Orgasmus. Crocodile klammerte sich fest an das Haar seines Verlobten und ergoss sich in sieben oder acht Stößen in dessen Mund. Erst als er fertig war, ließ er von Doflamingo ab. Erschöpft streckte er alle Glieder von sich und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals einen solch intensiven Höhepunkt erlebt zu haben. Doflamingo hatte Recht, dachte Crocodile, die verdammte Maske hat sich definitiv gelohnt.... Er tastete nach der Augenmaske, um sie abzunehmen, doch sein Verlobter hinderte ihn daran. „Wir sind doch noch gar nicht fertig“, meinte er mit schelmischer Stimme und küsste ihn auf den Mund. Crocodile erwiderte den Kuss. Er konnte sein eigenes Sperma auf Doflamingos Lippen schmecken, spürte seine nasse Zunge und atmete seinen Geruch ein. Die Luft im Schlafzimmer fühlte sich dick vor Pheromonen an.Crocodile nickte erschöpft. Er spreizte erneut seine Beine und fuhr sich mit der Hand durch sein ungekämmtes Haar. Seine Stirn war schweißnass. Doflamingo gab ihm keine Möglichkeit sich vorzubereiten; ohne jede Vorwarnung drang er mit seinem Glied in ihn ein. Überrascht japste Crocodile auf; die Penetration tat nicht weh (immerhin hatte sein Verlobter ihn mehr als ausreichend geweitet), doch traf ihn unvorbereitet. Darauf nahm Doflamingo keine Rücksicht. Das intensive Vorspiel schien ihn ungeduldig gemacht zu haben. Crocodile nahm es ihm nicht übel, denn die harten und schnellen Stöße seines Partners fühlten sich unwahrscheinlich gut an. Er lehnte sich zurück und genoss den Sex. Doflamingos Glied traf mit einer bewundernswerten Genauigkeit immer wieder seine inzwischen fast völlig ausgereizte Prostata. Es dauerte weniger als drei Minuten, bis Crocodile spürte, wie sich sein zweiter Orgasmus aufbaute. Weil er extrem ausgelaugt war und um seinen ersten Orgasmus so sehr hatte betteln müssen, sah Crocodile keinen Grund, wieso er sich zurückhalten sollte. Dieses Mal kam er eher leise zum Höhepunkt, denn er verfügte nicht einmal mehr über genug Kraft, um laut zu stöhnen. Lediglich ein kleiner Seufzer verließ seine Lippen, als er ejakulierte und seinen Oberkörper mit einer eher käglichen Menge Sperma einsaute. Doflamingo schien der frühe Höhepunkt seines Verlobten ganz recht zu kommen; denn offenbar hatte er sich selbst zurückhalten müssen. Kaum dass Crocodile fertig war, zog er sich aus diesem zurück und vermischte sein eigenes Ejakulat mit dem bereits vorhandenen auf der Brust seines Partners. „Hey!“, beschwerte Crocodile sich mit matter Stimme, als er spürte, wie die warme Flüssigkeit auf seine Haut traf. „Tut mir leid“, erwiderte Doflamingo schwer atmend. Seinem Tonfall war anzuhören, dass er seine Worte nicht einmal ansatzweise ernst meinte. „Aber diese Aussicht ist einfach viel zu schön.“ Leise grummelnd befreite Crocodile sich endlich von der Augenmaske. Das Erste, was er sah, war ein See aus Sperma, der sich auf seiner Brust und seinem Bauch befand. „Ist das wirklich notwendig gewesen?“, murmelte er und warf seinem Verlobten einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ja, ist es“, antwortete Doflamingo ohne zu zögern und mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Außerdem bist du wirklich nicht in der Position, um dich zu beschweren. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel ich bei deinem Orgasmus schlucken musste? Man könnte meinen, du hättest einen ganzen Monat lang enthaltsam gelebt, so viel wie da aus dir herauskam!“ „Selbst Schuld“, erwiderte Crocodile. Er spürte, dass seine Wangen sich rot verfärbten. „Stimmt“, gab Doflamingo sich geschlagen. Seufzend griff Crocodile nach dem Paket Taschentücher, das (für genau solche Zwecke, um ehrlich zu sein) auf seinem Nachttisch lag. Er benötigte sechs Tücher, um die Sauerei auf seinem Oberkörper auch nur halbwegs in den Griff zu kriegen. „Wir sind jetzt seit fast einem Jahr zusammen“, meinte Doflamingo, der ihn dabei beobachtete, wie er sich säuberte, „und du hast deine Sperma-Phobie immer noch nicht überwunden.“ Seine Stimme klang teils amüsiert, teils resigniert. „Ich habe keine Phobie“, erwiderte Crocodile kühl. Er griff nach einem siebten Taschentuch, um auch die letzten Reste von seiner Haut zu entfernen. „Ich mag Sperma nur einfach nicht sonderlich.“ „Aber wieso denn nicht?“, bohrte sein Verlobter nach. „Was genau findest du daran eklig?“ „Naja...“ Crocodile zögerte für einen Augenblick. Er hatte mit diesem Gesprächsthema nicht gerechnet gehabt. „Es ist... es ist warm und hat eine komische Konsistenz. Und meistens schmeckt es auch widerlich. Ich ekele mich nicht davor, aber ich finde einfach, dass es keinen wirklich guten Grund gibt, um darauf abzufahren.“ „Ich bemühe mich immer darum, dafür zu sorgen, dass mein Sperma so gut wie möglich schmeckt“, meinte Doflamingo unverfänglich. Er klang, als würde er gerade über eine völlig normale Sache sprechen. „Du weißt schon, ich esse viel Ananas und so.“ „Ob das nun wirklich viel ausmacht...“, zweifelte Crocodile. Enel zum Beispiel hatte auch gerne Ananas gegessen, doch sein Sperma hatte wirklich furchtbar geschmeckt. „Klar macht das viel aus! Die Ernährung spielt da eine große Rolle: Wenn man viel zuckerhaltige Lebensmittel konsumiert, schmeckt das Sperma süßer. Spargel, Knoblauch und Curry zum Beispiel machen es bitter. Das weiß doch wirklich jeder, Wani!“ Crocodile zog eine Augenbraue hoch; wirklich überzeugt war er immer noch nicht. „Ich glaube, das ist bloß ein Mythos“, erwiderte er mit zweifelnder Stimme. „Quatsch, das ist kein Mythos“, hielt Doflamingo dagegen. Er schien von seiner Meinung wirklich felsenfest überzeugt zu sein. „Mein Sperma schmeckt doch auch relativ süß, oder nicht? Das liegt daran, dass ich so viele Früchte zu mir nehme!“ „Dein Sperma schmeckt ganz okay“, gestand er. „Da hatte ich schon deutlich schlimmere Kandidaten.“ „Wen denn so?“, wollte Doflamingo wissen. „Du weißt, dass ich nicht gern über meine Exfreunde rede“, erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. Er bereute es bereits, sich überhaupt auf dieses Gespräch eingelassen zu haben. „Es geht doch nur um ihr Sperma“, wendete Doflamingo, der sehr neugierig klang, ein. „Nicht um etwas persönliches.“ „Gibt es überhaupt etwas persönlicheres als die Frage, wie das Sperma von irgendjemandem schmeckt?“, gab Crocodile kopfschüttelnd zurück. „Ach, komm schon“, bettelte Doflamingo. „Sag mir wenigstens, wessen Sperma am allerschlimmsten geschmeckt hat!“ „Enel“, antwortete Crocodile nach kurzem zögern. Er hoffte, damit diese Diskussion endlich beenden zu können. „Wie hat es denn geschmeckt?“ „Ich.... Also gut, aber danach hören wir auf über solchen Blödsinn zu reden! Sein Sperma hat... naja... nach einer Mischung aus Spülmittel und verdorbener Milch geschmeckt. Es war wirklich eklig.“ Doflamingo verzog angewidert das Gesicht. „Du Armer“, meinte er mit mitleidiger Stimme. „Wenn das so ist, kann ich nachvollziehen, warum du dir das Schlucken abgewöhnt hast.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. Er hielt es für klüger, seinem Verlobten zu verschweigen, dass er schon kein Freund des Schluckens gewesen war, bevor er Enel kennengelernt hatte. „Wollen wir zusammen duschen?“, fragte Doflamingo, der zu bemerken schien, dass Crocodile keine Lust mehr hatte über Körperflüssigkeiten jedweder Art zu sprechen. „Zuerst sollten wir uns über Monet unterhalten“, gab Crocodile mit ruhiger Stimme zurück. Doflamingo verzog das Gesicht. „Ist das unbedingt notwendig?“, fragte er mit unwilliger Stimme. „Ich meine... wir haben heute Nacht zusammen in einem Bett geschlafen und gerade hatten wir Sex. Eigentlich haben wir uns wieder vertragen, nicht wahr? Deshalb denke ich, dass wir gar nicht mehr über diese Sache mit Monet reden müssen.“ „Ich denke, dass wir sehr wohl darüber reden sollten“, erwiderte Crocodile und blickte seinen Verlobten aus ernsten Augen heraus an. Doflamingo knickte sofort zusammen. „Wir können nicht einfach so tun als wäre nie etwas passiert. Wie soll ich Monet denn je wieder in die Augen sehen?! Ich möchte, dass wir beide diese Sache ein- für allemal klären!“ „Also gut“, gab Doflamingo sich geschlagen. Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar und sagte dann: „Ich, ähm, ich werde dir jetzt einfach mal erzählen, was eigentlich passiert ist. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich dich bei einem Geschäftsessen kennengelernt. Ich habe mich sofort in dich verliebt - und mit sofort meine ich wirklich sofort: Ich habe den Raum betreten, zu dir herüber gesehen und es war auf der Stelle um mich geschehen. Ich weiß noch ganz genau, dass mir ein warmer Schauer über den Rücken gelaufen ist, als sich unsere Blicke kreuzten. Also bat ich dich gleich nach dem Essen um ein Date. Du hast gesagt, dass du dich sehr geschmeichelt fühlst, aber am Ende trotzdem abgelehnt. Um ehrlich zu sein, war ich total frustriert. Es klingt vielleicht ein bisschen eingebildet, aber ich bin es gewöhnt, dass mir Männer und Frauen, die wissen, dass ich vermögend bin, in Scharen hinterherlaufen. Dass du offenbar kein Interesse an mir hattest, ergab für mich überhaupt keinen Sinn. Immerhin arbeitest du ja für die Bank, die mein Geld verwaltet. Er muss doch ganz genau wissen, wie reich ich bin, habe ich mir überlegt, wieso will er trotzdem nicht mir ausgehen? Ich dachte mir, dass du bereits vergeben, vielleicht sogar verheiratet wärst. Oder einfach hetero. Jedenfalls gab ich so schnell nicht auf. Ich wollte dich unbedingt für mich gewinnen und ich war bereit, absolut alles dafür zu tun. Ich habe in der Bank herumgefragt und eine Menge über dich herausgefunden. Deine Sekretärin Robin hat mir erzählt, dass du Männern nicht abgeneigt bist. Und single, schon solange sie dich kennt. Darüber war ich natürlich froh, aber diese Informationen warfen auch sehr viele Fragen auf. In meinen Augen ergab deine Abweisung nun noch weniger Sinn: Single, mag Männer... Warum will er mich dann nicht? Ich habe Sengoku zu dieser Zeit so oft wie möglich in der Bank besucht und bin dabei ständig an der Türe zu deinem Büro vorbeigegangen, nur in der Hoffnung zufällig auf dich zu stoßen. Noch nie zuvor habe ich für jemanden solche Gefühle entwickelt wie für dich, Crocodile, und es kam für mich nicht infrage einfach aufzugeben. Immer wieder habe ich dich gefragt, ob du mit mir ausgehen möchtest. Und jedes Mal hast du mich zurückgewiesen. Es war zum Verrücktwerden: Du warst der einzige, den ich wollte. Und der einzige, der meine Avancen so vehement ablehnte. Fast drei Wochen lang wiederholte sich dieses Muster ohne sich zu ändern. Ich war schrecklich frustriert und um ehrlich zu sein, auch kurz davor die Hoffnung aufzugeben. An diesem Abend betrank ich mich mit ein paar Freunden hemmungslos. Das meine ich wirklich ernst: Ich kippte ein Glas Wodka nach dem nächsten herunter und badete in Selbstmitleid. Du warst so nah und doch so fern. Ich hatte die Liebe meines Lebens getroffen, aber sie wollte rein gar nichts von mir wissen. Während meine Freunde (dazu zählte auch Monet) fröhlich feierten und ihr Bestes gaben, um mich aufzuheitern, versuchte ich bloß meine Enttäuschung mit Alkohol zu betäuben. Irgendwann entschied Monet, dass ich für heute Abend genug getrunken hatte und wollte mich ins Bett bringen. Ich war schon so betrunken, dass ich kaum laufen konnte. Sie startete nicht einmal den Versuch, mich nach oben ins Schlafzimmer zu bringen, sondern lotste mich ins nächste Gästezimmer. Und naja, dann kam das Eine zum Anderen. Ich weinte mich bei ihr aus, erzählte ihr wie schrecklich frustriert ich war und sie bemühte sich darum mich zu trösten. Irgendwann... wurde es dann, nun ja, körperlich. Ich war betrunken und es fühlte sich gut an, als sie mich in den Arm nahm... An den Sex kann ich mich gar nicht mehr genau erinnern. Ich weiß nur noch, dass er ziemlich schlecht war. Zuerst habe ich nicht einmal einen hochgekriegt. Keine Ahnung,ob das an meinem Frust oder am Alkohol lag. Danach sind wir nebeneinander eingeschlafen und erst am nächsten Morgen wurde mir so wirklich klar, was passiert ist. Wir beide haben darüber geredet und einvernehmlich entschieden, dass dieser One-Night-Stand eine einmalige Sache bleiben sollte. Ich glaube, Monet war genauso verwirrt und geschockt wie ich. Vorher hatte es zwischen uns beiden nie etwas gegeben, nicht einmal ein Knistern oder so. Jedenfalls haben wir uns dazu entschieden, dieses Versehen (ich weiß noch, so haben wir es genannt) für uns zu behalten und niemals wieder darüber zu sprechen. Wir, naja, hatten keine Lust auf dumme Witze aus dem Freundeskreis und solche Sachen. Drei Tage später bat ich dich ein letztes Mal um eine Verabredung. Ein letztes Mal nicht nur deswegen, weil du mir endlich zugesagt hast, sondern weil ich mir vorgenommen hatte, danach aufzugeben und deine Ablehnung zu akzeptieren. Du kannst dir gar nicht vorstellen, Crocodile, wie glücklich du mich an diesem Tag gemacht hast. Und was sich danach aus diesem ersten Date entwickelt hat, weißt du ja selbst. Du hast mich gefragt, ob ich dich gleich am nächsten Abend wiedersehen wollte. Ab dem dritten Date habe ich dann angefangen unsere Beziehung im Kopf nicht mehr unter wir daten uns, sondern unter wir sind zusammen zu führen. So ist es damals gewesen. Das schwöre ich dir bei allem, was mir lieb und teuer ist! Ich schwöre es dir sogar beim Namen meiner Mutter! Genau so und nicht anders lief es vor einem Jahr ab! Das musst du mir glauben, Crocodile! Mehr war da nie!“ „Ich glaube dir“, meinte Crocodile. Er fand, dass Doflamingos Geschichte einleuchtend klang. „Trotzdem frage ich mich, wieso du diesen One-Night-Stand so lange vor mir geheim gehalten hast?“ „Wie gesagt“, erwiderte sein Verlobter, „ich habe ihn nicht nur vor dir, sondern vor allen Leuten geheim gehalten. Monet und ich wollten da einfach keine große Sache draus machen. Law, Vergo und die Anderen haben auch erst gestern davon erfahren. Jetzt im Nachhinein begreife ich natürlich, dass das nicht richtig war. Du hast Recht, ich hätte dir davon erzählen müssen. Ich kann verstehen, dass du dir irgendwie betrogen vorkommst. Aber denk bitte daran, dass es nie meine explizite Absicht war dich anzulügen. Es ist alles wirklich bloß ein riesiges Missverständnis.“ Crocodile nickte. Er seufzte leise und schwieg für eine Weile, ehe er schließlich sagte: „Okay, das geht für mich in Ordnung. Ich glaube dir, dass der One-Night-Stand mit Monet vor unserer Beziehung stattgefunden hat. Dass du mich im Dunkeln gelassen hast, kann ich nachvollziehen, auch wenn ich es natürlich nicht gutheiße.“ „Gut“, erwiderte Doflamingo mit erleichterter Stimme. Er schien sich wirklich große Sorgen gemacht zu haben. „Ich bin froh, dass wir dieses Thema nun abgehakt haben und zur Normalität zurückkehren können.“ „Eine Sache gibt es da noch“, wendete Crocodile ein und ignorierte gekonnt den genervten Seufzer seitens seines Verlobten. „Ich möchte, dass du deine Freundschaft mit Monet beendest.“ Diese Forderung ließ Doflamingo in Gelächter ausbrechen, das sich jedoch in lautes Husten verwandelte, als er begriff, dass es nicht um einen Scherz handelte. „Das ist nicht dein Ernst!“, meinte er mit ungläubiger Stimme. Sein Blick drückte pures Entsetzen aus. „Das kannst nicht von mir verlangen! Ich kenne Monet schon seit mehr als zwölf Jahren!“ „Du hast mit ihr geschlafen“, entgegnete Crocodile und presste wütend seine Zähne aufeinander. „Wie soll ich denn mit ihr zurechtkommen, jetzt wo ich davon weiß? Jedes Mal, wenn ich ihr ins Gesicht schaue, werde ich daran denken müssen, dass sie weiß wie dein Schwanz aussieht! Und wie er sich anfühlt! Das geht nicht in Ordnung!“ „Kann ich verstehen“, gab sein Partner zurück. „Wenn du nicht mehr länger mit Monet befreundet sein möchtest, dann respektiere ich diese Entscheidung von dir. Aber du hast kein Recht mir den Kontakt zu ihr zu verbieten! Sie ist eine langjährige Freundin, damit wirst du leben müssen!“ „Eine langjährige Freundin, mit der du geschlafen hast!“, wendete Crocodile ein und zog wütend die Augenbrauen zusammen. Es ärgerte ihn, dass Doflamingo auf seine Forderung nicht eingehen wollte. Bisher war ihr Streitgespräch so gut gelaufen. Warum musste sein Verlobter jetzt alles wieder kaputt machen? „Wie soll ich mich fühlen, wenn ihr beide irgendetwas unternehmt? In eine Disco geht und Alkohol trinkt zum Beispiel? Werde ich befürchten müssen, dass ihr wieder Sex miteinander habt?!“ „Das wird nie wieder passieren“, erwiderte Doflamingo aufgebracht. „Monet ist und bleibt meine Freundin! Nicht mehr und nicht weniger! Und dass du mir unterstellst, ich würde dich womöglich mit ihr betrügen, ist doch wirklich die Höhe!“ „Sie scheint dir ja zu gefallen“, wendete Crocodile ein. „Sonst wärst du wohl kaum mit ihr im Bett gelandet! Du kannst mir nicht erzählen, dass du sie nicht attraktiv findest!“ „Bei Monet handelt es sich durchaus um eine attraktive Frau“, gab sein Verlobter zu, „aber das bedeutet mir nichts. Dass ich ausgerechnet mit ihr geschlafen habe, war ehrlich gesagt absoluter Zufall. Es hätte auch irgendjemand anders sein können!“ „Pica zum Beispiel?“, zog Crocodile diese Aussage zähneknirschend ins Lächerliche. „Diamante? Vergo? Hör auf mich zu verarschen, Doflamingo! Du hast mit ihr geschlafen, weil du sie geil fandest!“ „Ich habe doch schon gesagt gehabt, dass sie sehr attraktiv ist“, meinte Doflamingo, der sich ernsthaft darum zu bemühen schien ruhig zu bleiben. „Aber das ist doch völlig irrelevant! Jetzt bin ich mit dir zusammen! Wir beide sind verlobt, verdammt nochmal!“ „Und als dein Verlobter verlange ich, dass du deine Freundschaft zu Monet beendest!“ Allmählich verlor Crocodile die Geduld. „Wer ist dir wichtiger? Sie oder ich? Wenn ich doch die Liebe deines Lebens bin, wie du ständig behauptest, warum fällt dir die Entscheidung dann so schwer?!“ „Weil sie schon seit über zwölf Jahren meine beste Freundin ist!“, brüllte Doflamingo zurück. „Sie ist mir auch wichtig. Auf eine andere Weise natürlich. Wie würde es dir gefallen, wenn ich von dir verlange, dass du den Kontakt zu Daz abbrichst? Oder zu deinen Geschwistern?!“ „Ich habe weder in Daz noch in Mihawk oder Hancock je meinen Schwanz reingesteckt!“, zischte Crocodile. „Stell du dir nur einmal vor, ich wäre noch mit Marco befreundet! Oder mit Enel! Mit Smoker oder irgendeinem anderen Exfreund von mir! Du würdest doch auch verlangen, dass ich den Kontakt abbreche! Also tu nicht so scheinheilig!“ „Mit denen bist du ja auch eine lange Zeit zusammen gewesen“, argumentierte Doflamingo. „Zwischen Monet und mir lief nur eine einzige Nacht etwas. Das kannst du gar nicht miteinander vergleichen!“ „Du verstehst das einfach nicht! Du gottverdammter Idiot!“ Crocodile warf seinem Verlobten einen wütenden Blick zu und wischte sich verzweifelt mit der Hand über seine Augen. Dieses Thema ging ihm ganz schrecklich an die Nieren. Er spürte schon wieder, dass die Tränen zurückkehrten. „Ich verstehe es wirklich nicht“, gab Doflamingo zurück. Er wirkte immer noch empört, doch bemühte sich angesichts seines Verlobten, der sichtlich um Fassung rang, um einen sachlich Tonfall. „Kannst du... kannst du meine Freundschaft zu Monet nicht einfach akzeptieren? Ich habe dir die Situation doch erklärt gehabt. Warum bist du immer noch so eifersüchtig?“ „Weil sie eine Frau ist, verdammt nochmal!“, brach es schließlich aus Crocodile hervor. Kaum hatte er die Worte ausgespien, brachen die Tränen aus ihm hervor wie aus einem Wasserfall. Er konnte nichts dagegen tun und hatte auch nichts, um sie wegzuwischen. Noch immer waren sie beide splitternackt. „Weil sie eine Frau ist?“, wiederholte Doflamingo perplex. Er wollte seinen weinden Verlobten in eine Umarmung ziehen, doch dieser stieß ihn mit der Hand fort. Crocodile schämte sich seiner Tränen. Beklommen wandte er den Blick ab und griff kurzerhand nach der Bettdecke, um sein Gesicht darin zu vergraben. Ihm war diese Situation schrecklich unangenehm und er bereute es, seinen Partner zu diesem Gespräch gedrängt zu haben. „Was meinst du damit?“ Doflamingo ließ nicht locker. Er rückte so nah wie möglich an ihn heran und versuchte erneut ihn zu umarmen. Crocodile, der völlig verzweifelt war, ließ zumindest zu, dass er ihm über den Kopf streichelte. „Bitte sprich mit mir! Was ist denn überhaupt los? Ich meine... Ich bin bi, also spielt es doch eigentlich keine Rolle, ob es sich bei Monet um eine Frau handelt oder nicht?“ „Ich bin keine Frau“, schluchzte Crocodile ohne Doflamingo ins Gesicht zu sehen. „Weiß ich doch“, erwiderte sein Verlobter und wagte ein zaghaftes Lächeln. „Habe ich vor weniger als einer halben Stunde erst nachgeprüft. Aber ich verstehe nicht, warum das so wichtig ist? Ich mag doch auch Männer!“ „Jeder bisexuelle Mann, mit dem ich je zusammen war, hat mich am Ende für eine Frau verlassen“, meinte Crocodile mit verzweifelter Stimme. „Und du redest ständig über Kinder... Überall höre ich, was für ein toller Vater du wärst... Manchmal frage ich mich, ob du nicht lieber mit einer Frau zusammenwärst als mit mir. Eine Frau, die intelligent und hübsch ist. Die immer fröhlich ist und liebend gern Kinder hätte. So eine Frau wie Monet!“ „Ich liebe dich“, sagte Doflamingo sofort. Er versuchte ihn auf den Mund zu küssen, doch weil Crocodile sein Gesicht nicht von der Bettdecke lösen wollte, begnügte er sich mit dessen Stirn. „Ich will mit keinem außer dir zusammen sein. Ich habe nicht Monet einen Heiratsantrag gemacht, sondern dir! Das darfst du nicht vergessen! Bitte... ich... hör bitte auf zu weinen... Ich kann es nicht ertragen, wenn du weinst...!“ „Ich will doch auch gar nicht weinen“, erwiderte Crocodile aufgelöst. „Aber ich kann nichts dagegen tun!“ „Dass ich ständig über Kinder rede, tut mir leid“, meinte Doflamingo und drückte ihn an sich. Dieses Mal ließ Crocodile die Umarmung geschehen. „Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich dich mit diesem Thema so sehr bedränge. Wir hatten ja schon einmal darüber gesprochen und du hast mir gesagt gehabt, dass du nicht weißt, ob du mal Vater werden möchtest oder nicht. Ich weiß, das sollte ich auch respektieren... Es ist nur... Ich hatte lange Zeit keine Familie mehr. Meine Mutter ist tot, mein Vater ist tot, mein Bruder ist tot. Und... naja... mir gefällt der Gedanke, mit dir eine neue Familie zu gründen. Aber es ist nie meine Absicht gewesen, dich mit meinem Kinderwunsch in die Verzweiflung zu treiben! Ich... Scheiße.... Bedrückt dich das schon lange?!“ Crocodile nickte zaghaft. Allmählich fand er wieder zu sich. „So etwas in der Art habe ich mir schon gedacht“, meinte er leise schniefend. „Also, dass du gern wieder eine Familie hättest. Und ich habe das Gefühl, seit Hancock schwanger ist, redest du über nichts Anderes mehr. Diese Andeutung als wir den Kinderwagen für das Baby gekauft haben... Die beiden Katzen, die du mir geschenkt hast. Und so weiter halt. Manchmal komme ich mir deswegen total unzulänglich vor. Ich meine... selbst wenn ich wollte, könnte ich dir deinen Wunsch nach leiblichen Kindern nicht erfüllen. Und... als ich jetzt von dir und Monet erfahren habe... Ich... Keine Ahnung...“ „Ich würde dich niemals gegen eine Frau eintauschen“, flüsterte Doflamingo. „Weder gegen Monet noch sonst irgendjemanden. Adoption, Leihmutterschaft... Es gibt heutzutage viele Wege, um Vater zu werden. Und wenn du lieber keine Kinder haben möchtest, dann werde ich mich wohl oder übel damit abfinden müssen. Du bist bald mein Ehemann, Crocodile. Du bist meine Familie! Und du bist mehr als mir irgendjemand anders je geben könnte!“ „Danke“, hauchte Crocodile und schloss seine Augen. Plötzlich fühlte er sich viel besser, aber kam sich gleichzeitig auch furchtbar dumm vor. „Vergiss diese Sache mit Monet einfach“, meinte er und atmete den fruchtig-herben Geruch seines Verlobten ein. „Also, was ich gesagt habe. Diese Nacht zwischen euch beiden war eine einmalige Sache und ist vor unserer Zeit passiert. Du hast Recht. Es gibt keinen Grund, um sich so aufzuregen.“ * Am Montag erwarteten ihn auf der Arbeit gleich zwei Überraschungen: Zum Einen stieß Crocodile auf seine ehemalige Sekretärin Robin. Er beobachtete zufällig, wie sie das Büro seines Chefs Franky verließ. Dieser hatte ihn zu sich rufen lassen, um mit ihm über ein wichtiges Thema zu sprechen. Als sie ihn im Gang bemerkte, legte sich eine leichte Röte auf ihre Wangen. „Hallo, Crocodile“, begrüßte sie ihn freundlich und schien sich um ein möglichst seriös wirkendes Auftreten zu bemühen. „Wie geht es dir?“ „Gut, danke“, antwortete Crocodile, dem sofort klar war, was seine attraktive Sekretärin hier verloren hatte. „Das freut mich“, meinte Robin. „Ich habe gehört, dass du wirklich ausgezeichnete Arbeit leistest. Franky hat mir eben erzählt, dass ihr bei der diesjährigen Messe einen Besucheranstieg von über 28% verbuchen konntet. Es ist schön, dass du dich in deinem neuen Job wohlzufühlen scheinst.“ „Mir gefällt es hier sehr gut“, gestand Crocodile. „Die Kollegen sind sehr nett und hilfsbereit. Das Arbeitsklima ist deutlich besser als bei der Bank.“ „Sehr schön.“ Robin, bei der es sich normalerweise um eine ziemlich kühle Persönlichkeit handelte, senkte verlegen den Blick. Offenbar war ihr dieses Aufeinandertreffen peinlich. Crocodile beschloss, sie aus ihrer Misere zu befreien. „Es hat mich gefreut dich mal wiederzusehen“, sagte er und bemühte sich um einen freundlichen Gesichtsausdruck, „aber ich muss jetzt weiter. Franky möchte mich unbedingt sprechen und ich will ihn nicht länger warten lassen. Bis bald, Robin!“ „Auf Wiedersehen“, gab seine ehemalige Sekretärin von sich und huschte leichtfüßig davon. Es verwunderte Crocodile nicht, als Franky ihn mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßte. Er wirkte ziemlich gut gelaunt. „Crocodile“, meinte er und deutete mit einer einladenden Handbewegung auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch, „setz dich doch bitte!“ „Danke“, gab Crocodile zurück und ließ sich nieder. Es handelte sich um einen sehr bequemen Polsterstuhl. „Du wolltest mich sprechen?“ Franky nickte. „Es gibt ein paar Dinge, über die wir beide uns unbedingt unterhalten müssen“, sagte er und zwinkerte ihm zu. Crocodile schluckte schwer. Er ahnte, worum es nun gehen würde. Und obwohl Franky alles Andere als schlecht gelaunt wirkte, konnte Crocodile nicht verhehlen, dass ihn die Nervosität packte. Von dieser Arbeitsstelle hing seine gesamte Existenz ab: Wenn Franky seinen befristeten Arbeitsvertrag nicht verlängerte, würde er seine Schulden nicht tilgen können und es würde ihm auch nicht gelingen, seine Situation weiterhin vor Doflamingo geheimzuhalten. Sollte sein Chef ihm mitteilen, dass er ihn aus ihrem Arbeitsverhältnis entließ, würde das Netz aus Lügen, das er in den letzten Monaten so verzweifelt versucht hatte aufrechtzuerhalten, endgültig in sich zusammenfallen. „Wie gefällt es dir bei Tom's Workers?“, fragte Franky ihn und fuhr sich mit der Hand durch sein kräftiges Haar. Meistens frisierte er es vorne zu einer furchtbar aussehenden Elvis-Tolle. „Gut“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. „Ich fühle mich hier sehr wohl. Die Kollegen sind alle freundlich und die Arbeit macht mir Spaß.“ Er musste sich zusammenreißen, um nicht mit der Zunge über seine trockenen Lippen zu lecken. „Das freut mich“, erwiderte Franky. Crocodile beobachtete, wie er auf der Sitzfläche seines Schreibtischstuhls herumrutschte. Hätte er es nicht besser gewusst, wäre er davon ausgegangen, dass sein Chef mindestens ebenso nervös war wie er. Aber das ergibt doch gar keinen Sinn, dachte Crocodile irritiert. „Dass die diesjährige Messe ein durchschlagender Erfolg war, weißt du ja bereits“, fuhr Franky fort. „Deiner Kompetenz verdanken wir nicht nur einen erheblichen Anstieg der Besucherzahlen, sondern auch eine Umsatzsteigerung von 39% im Vergleich zum Vorjahr. Mich erreichen jeden Tag Anrufe von begeisterten Messeteilnehmern, die mich für das gelungene Konzept loben und sich bereits Plätze für das nächste Jahr sichern möchten.“ „Das ist schön zu hören“, meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sagen sollte. Worauf wollte Franky hinaus? Wenn er doch so begeistert von ihm war und ihn auf die nächste Messe mit ins Boot holen wollte, wieso wirkte er dann so unruhig? Dass Franky mit dem breiten Lächeln in seinem Gesicht bloß seine Verunsicherung übertünchen wollte, wurde immer deutlicher. „Bisher bist du befristet bei uns angestellt“, sagte sein Chef. Crocodile konnte hören, dass er tief ein- uns ausatmete. „Das würde ich gerne ändern.“ Er musste sich zurückhalten, um Franky nicht laut Komm endlich auf den Punkt! Wird mein Vertrag nun verlängert oder nicht?! ins Gesicht zu schreien. Warum spielte sein Chef mit ihm, anstatt einfach zu sagen, was Sache war? Seine Nerven lagen absolut blank. Doch natürlich ließ er sich seine Angst kein Stück anmerken. Crocodile war ein erfolgreicher Manager. Jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man im Job niemals Schwäche zeigen durfte. Nicht einmal ein winziges bisschen; ganz egal wie aufgeregt, verunsichert oder enttäuscht man war. Crocodile fuhr sich nicht mit der Hand durch sein Haar. Er rutschte nicht auf seinem Sitz herum. Er leckte sich nicht über die Unterlippe und er fummelte auch nicht an seinem Ohrring herum. Stattdessen bemühte er sich darum absolute Ruhe und Selbstsicherheit auszustrahlen, während er auf die nächsten Worte seines Vorgesetzten wartete. „Mir ist natürlich klar, dass du zu den gegebenen Konditionen nicht bei uns bleiben würdest“, sagte Franky. „Ich weiß, dass deine Fähigkeiten eine bessere Vergütung rechtfertigen. Weil ich unbedingt möchte, dass du bei Tom's Workers bleibst, Crocodile, würde ich dir gerne einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit besseren Verdienstmöglichkeiten anbieten. Dazu zählen 10.000 Berry mehr Festgehalt im Monat, 10 Urlaubstage pro Jahr mehr sowie einen Zuschlag von 50% bei Überstunden und Wochenendarbeit. Außerdem werde ich ein Prämien-System einführen, sodass du bei der nächsten Messe fair am Umsatz beteilgt wirst.“ Crocodile konnte nicht fassen, was sein Chef da von sich gab. Franky bot ihm nicht nur eine unbefristete Arbeitsstelle an, sondern dazu auch noch ein höheres Gehalt und mehr Jahresurlaub! Er hält mich für so gut, schoss es Crocodile durch den Kopf, dass er glaubt, ich würde mir eine andere Arbeit suchen, wenn er mir keine besseren Bedingungen anbietet. Er denkt, auf dem Arbeitsmarkt würde man sich um mich reißen. „Das ist sehr freundlich“, erwiderte Crocodile mit ruhiger Stimme. „Ich würde gerne über dein Angebot nachdenken. Wäre es dir recht, wenn ich dir morgen Mittag meine Entscheidung mitteile?“ „Natürlich“, antwortete Franky kopfnickend. Er wirkte ein wenig enttäuscht. Offenbar hatte er darauf gesetzt, Crocodile mithilfe der vielen neuen Vorzüge zu einer sofortigen Zusage bewegen zu können. „Gibt es sonst noch etwas?“, fragte er mit höflicher Stimme. Franky schüttelte den Kopf. „Nein“, meinte er und erhob sich von seinem Schreibtischstuhl,um ihm die Hand zu geben. „Das wäre alles.“ Kaum hatte Crocodile die Bürotüre hinter sich geschlossen, fiel es ihm furchtbar schwer, sich weiterhin zusammenzureißen. Er stürmte hinüber zu den Toiletten im nächsten Gang, schloss sich in einer Kabine ein und begann laut zu jubeln. Zum Glück war er allein, sodass niemand seinen Gefühlsausbruch mitbekam. Noch immer konnte er kaum fassen, was gerade eben geschehen war. Franky wollte ihn nicht einfach nur behalten - er bot ihm sogar ein höheres Gehalt und mehr Urlaub an! Crocodile kam sich vor wie der glücklichste Mensch auf Erden. Bei seiner nüchternen Reaktion auf dieses Angebot hatte es sich selbstverständlich nur um eine Farce gehandelt. Für ihn stand außerfrage, dass er weiterhin bei Tom's Workers beschäftigt bleiben wollte. Auch wenn sein Gehalt deutlich geringer war als früher bei der Bank, gefiel es ihm hier gut. Sein Chef war sehr nett und seine Arbeitskollegen waren freundlich und fleißig. Crocodile konnte sich kaum einen besseren Arbeitsplatz vorstellen. Den restlichen Arbeitstag über bemühte Crocodile sich darum, möglichst ruhig und nachdenklich zu erscheinen. Er wollte vermeiden, dass irgendjemand von seiner Begeisterung Wind bekam. Allen voran Franky, der sich in diesem Fall sicherlich auf den Arm genommen vorkäme. Gegen fünfzehn Uhr brachte Kiwi ihm einen Kaffee und fragte bei dieser Gelegenheit in einem unverfänglich klingenden Tonfall, worüber Franky mit ihm hatte reden wollen. Selbstverständlich durchschaute Crocodile dieses Spiel sofort: Ihm war klar, dass sein Chef sie zu ihm geschickt hatte, um unauffällig etwas über seine Stimmung in Erfahrung zu bringen. „Er hat mir einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten“, antwortete Crocodile mit ruhiger Stimme, während er sich insgeheim ins Fäustchen lachte. „Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich ihn annehmen werde oder nicht. Mal schauen.“ Kiwis enttäuschter Gesichtsausdruck amüsierte ihn abgöttlich. Zum ersten Mal seit langem fühlte Crocodile sich wieder richtig gut. Er war kein Opfer seiner Verhältnisse mehr, sondern hielt nun das Zepter in der Hand. Es verschaffte ihm eine unfassbare Genugtuung, seinen Chef und seine Kollegen zum Narren zu halten. * Am Wochenende nervte ihn Doflamingo wieder einmal mit seinem Lieblingsthema. „Wir sollten mit den Hochzeitsvorbereitungen weitermachen“, meinte sein Verlobter beim Frühstück. Als Crocodile sich um eine Erwiderung herumwandt, indem er von seinem Brot abbiss, fuhr Doflamingo unbeirrt fort: „Es gibt noch so viele Dinge, die erledigt werden müssen. Bisher stehen nur die Gästeliste und die Location, alles Andere ist noch komplett offen. Das Essen, die Dekoration, das Datum... Wir müssen uns noch um so vieles kümmern!“ „Apropos Datum“, sagte Crocodile und legt sein belegtes Brot zur Seite. „Ich, ähm, ich habe eine kleine Bitte an dich, was das Datum angeht.“ „Eine Bitte?“, wiederholte Doflamingo mit teils neugierig, teils argwöhnisch klingender Stimme und zog eine Augenbraue hoch. Crocodile nickte. Er hatte lange darüber nachgedacht, wie es ihm gelingen könnte, ihre Hochzeit weiter nach hinten zu verschieben. Vor ein paar Tagen dann war ihm ein genialer Einfall gekommen. „Als ich vor kurzem bei Hancock gewesen bin“, begann er, „ist mir sofort ihr Babybauch ins Auge gesprungen. Bald ist es ja soweit. Und, nun ja, ich fände es schön, wenn das Baby bei unserer Hochzeit mit dabei wäre.“ „Aber unsere Nichte wird doch mit dabei sein“, erwiderte Doflamingo. „Oder hast du vor, Hancock wegen eures Streits wieder auszuladen?“ „Du weißt, wie ich das meine“, ermahnte Crocodile seinen Verlobten. „Ich möchte, dass sie... naja, dass sie da ist. Nicht nur in Hancocks Bauch, sondern wirklich da.“ Doflamingo verzog die Lippen zu einem verständnisvollen Lächeln. „Dir fällt es immer noch schwer dir vorzustellen, dass du Onkel wirst, nicht wahr?“, fragte er mit leiser Stimme. „Ich habe das Gefühl, dir kommt die ganze Sache völlig abstrakt vor. Als würdest du wirklich immer nur Hancocks Bauch sehen und gar nicht begreifen, dass ein neues Leben in ihr heranwächst.“ „So ist es bis vor kurzem gewesen“, gab Crocodile zu. „Aber jetzt... jetzt ist ihr Bauch riesengroß geworden. Sie sieht total, naja, schwanger aus. Da ist mir irgendwie richtig bewusst geworden, dass sie bald ein Kind auf die Welt bringt. Ich werde zum allerersten Mal Onkel und ich fände es wirklich schön, wenn meine Nichte bei meiner Hochzeit dabei ist. Sie würde mit auf die Fotos kommen und so weiter... Verstehst du, was ich meine?“ „Ich verstehe sehr gut, was du meinst“, sagte Doflamingo und legte den Kopf schief. „Aber um ehrlich zu sein, halte ich es für keine besonders gute Idee abzuwarten, bis Hancock ihre Tochter zur Welt gebracht hat.“ „Aber warum denn nicht?“, wollte Crocodile wissen. Es ärgerte ihn, dass sein Verlobter nicht auf den Zug aufsprang. So vernarrt, wie dieser in seine ungeborene Nichte war, hatte er eigentlich fest damit gerechnet gehabt, mit seiner Bitte problemlos durchzukommen. „Es ist nicht wirklich toll, wenn Babies bei einer Hochzeit mit dabei sind“, antwortete Doflamingo nach kurzem Zögern. „Ich liebe Kinder, das weiß du selbst, aber eine Hochzeit ist kein guter Anlass, um sie mitzubringen. Stell dir nur einmal vor, wir beide verkünden gerade unsere Treueschwüre, und dann fängt die Kleine laut an zu schreien. Das würde den Moment ruinieren.“ „Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert?“, hielt Crocodile zweifelnd dagegen. „Babies schlafen doch sowieso fast die ganze Zeit, oder nicht?“ Die Augen seines Partners wurden durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt, doch er war sich trotzdem sicher, dass dieser ihm einen ungläubigen Blick zuwarf. „Du hast wirklich nicht viel Ahnung von Säuglingen, oder?“, meinte er schließlich. „Neugeboren schlafen kaum länger als ein paar Stunden am Stück. Und sie schreien ständig. Wir müssten schon wirklich irre viel Glück haben, wenn unsere Nicht die Zeremonie nicht mit ihrem Geschrei unterbricht.“ Crocodile senkte den Blick. Offenbar war sein Plan nach hinten losgegangen. Doch so schnell gab er sich nicht geschlagen. „Aber sie ist doch trotzdem ein Teil der Familie. Stell dir nur mal vor, Hancock wäre bereits Mutter. Würdest du dann auch darauf bestehen, dass sie ihr Baby Zuhause lässt?“ „Das wäre eine völlig andere Situation“, erwiderte Doflamingo kopfschüttelnd. „Niemand unserer Hochzeitsgäste hat ein kleines Kind. Das ist ideal und ich finde, es ist nicht notwendig zu warten, bis Hancocks Baby auf der Welt ist. Unsere Nichte wird ja trotzdem da sein. Auch auf den Fotos. Nur halt eben, naja, noch eingepackt.“ „Was ist, wenn Hancock bei unserer Hochzeitsfeier Wehen bekommt?“, warf Crocodile ein. „Immerhin ist sie hochschwanger. Es könnte praktisch jeden Moment passieren. Das wäre doch eine viel schlimmere Unterbrechung als ein bisschen Babygeschrei, oder nicht?“ „Unsere Nichte kommt erst in über zwei Monaten zur Welt“, meinte Doflamingo und winkte ab. „Wenn wir beide also nächsten Monat heiraten, dürften sich die beiden Ereignisse zeitlich nicht überlappen. Ich hatte übrigens das Wochenende um den 27. herum im Auge.“ „Ich muss erstmal schauen, ob ich überhaupt Urlaub genehmigt bekomme“, erwiderte Crocodile. Dabei handelte es sich um eine halbe Lüge; denn er war sich sicher, dass Franky, der absolut begeistert von seiner Zusage gewesen war, ihm keinen Wunsch abschlagen würde. „Nach der Hochzeit möchten wir doch bestimmt auch in die Flitterwochen fliegen.“ Doflamingo verzog den Mund. Nach einer Weile sagte er schließlich mit ungewöhnlich verdrießlich klingender Stimme: „Sengoku soll dir gefälligst frei geben. Ich bin sein wichtigster Kunde! Zur Not werde ich persönlich mit ihm reden, damit du Urlaub bekommst. Ich will nicht, dass unsere Hochzeit an solchen Kleinigkeiten scheitert!“ „Ganz ruhig“, redete Crocodile beschwichtigend auf seinen Partner ein. „Zuerst einmal werde ich es mit einem ganz normalen Urlaubsantrag versuchen. Vielleicht habe ich ja Glück. Ich möchte nicht, dass mein wütender Verlobter bei meiner Arbeit auftaucht und meinen Chef unter Druck setzt. Das wäre mir schrecklich peinlich!“ „Das muss dir nicht peinlich sein“, gab Doflamingo zurück. „Du bist mit dem reichsten Kunden der Bank zusammen, das muss dir doch auch mal zum Vorteil gereichen.“ „Aber genau das möchte ich nicht!“, hielt Crocodile sofort energisch dagegen. Dass sein Verlobter bei Sengoku im Büro auftauchte, nur um dort herauszufinden, dass er schon seit Monaten nicht mehr bei der Bank arbeitete, war das Allerletzte, was er zur Zeit gebrauchen konnte. „Ich habe keine Lust auf irgendwelche Sonderbehandlungen, nur weil du reich bist. Ich trenne mein berufliches und privates Leben sehr strikt und möchte nicht, dass die beiden Seiten sich vermischen. Außerdem gibt es eigentlich keinen Grund, wieso Sengoku meinen Urlaubsantrag ablehnen sollte. In letzter Zeit ist wieder weniger los. Da kann er mich durchaus für zwei Wochen entbehren.“ Mit dieser Aussage gab Doflamingo sich wohl oder übel zufrieden. Anstatt weiter darauf herumzureiten, kam er auf ein anderes Thema zu sprechen: „Ich habe mir überlegt, dass wir beide heute unsere Anzüge für die Hochzeit kaufen könnten. Es gibt einen ausgezeichneten Herrenausstatter in der Innenstadt. Dort haben damals auch mein Onkel und meine Tante die Mode für ihre Hochzeit gekauft.“ „Ähm“, machte Crocodile, der von diesem Vorschlag ziemlich überrascht war. „Klar, von mir aus. Es wird sicher nicht schaden, sich ein paar Anzüge anzuschauen.“ Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust darauf gemeinsam mit Doflamingo einkaufen zu gehen (sicherlich war der Herrenausstatter, von dem sein Partner gesprochen hatte, alles andere als preisgünstig), doch er sah keine Möglichkeit, wie er sich aus dieser Misere befreien könnte. Doflamingo interpretierte seine unsichere Reaktion auf eine andere Art und Weise. „Keine Sorge“, meinte er grinsend. „Ich weiß, dass du ziemlich wählerisch bist, was Kleidung angeht. Aber bei Nefeltari Cobra wirst du ganz sicher den richtigen Anzug finden. Niemand hat eine bessere Auswahl zur Verfügung als er.“ Kaum war Doflamingos dunkelblau lackierter Porsche 911 Turbo auf dem Privatparkplatz des Herrenausstatters zum Stehen gekommen, wurde Crocodile klar, dass er diesen nicht zum ersten Mal besuchte. Er war vor mehr als zwei Jahren schon einmal hier gewesen: Damals hatte er einen Anzug für sein Bewerbungsgespräch bei der Bank gekauft. Die Hose, das Hemd und das Jackett hatten ihn insgesamt mehr als 3.000 Berry gekostet gehabt. Bei Nefeltari Cobra handelte es sich also definitiv um keinen billigen Ramschverkäufer. Crocodile musste schlucken, als sein Verlobter ihn an die Hand nahm und in das Innere des Ladenlokals schleifte. Es war sehr luxuriös eingerichtet und in der Luft hing ein unaufdringlicher Geruch nach Stoff und Leder. Als er sich umschaute, erkannte er auch das teure Sofa wieder, das zu seiner Rechten stand. Vor zwei Jahren hatte er es sich dort gemütlich gemacht, lässig die Beine übereinander geschlagen und sich einen Anzug nach dem anderen zeigen lassen, während die Tochter des Verkäufers ihm Champagner nachschenkte. Heute wäre Crocodile am liebsten hinter dem Rücken seines Verlobten in Deckung gegangen. Er fühlte sich schrecklich unwohl an diesem Ort. Es dauerte weniger als zwei Sekunden, ehe Nefeltari Cobra sie beide begrüßte. Er erkannte ihn sofort wieder. „Sir Crocodile“, sagte er mit freundlicher Stimme und bot ihm seine Hand an, die Crocodile schüttelte. „Schön, dass sie uns ein weiteres Mal mit Ihrem Besuch beehren. Und Sie sind sicherlich Herr Donquixte, nicht wahr? Ihr Sekretär hatte sich mit mir in Verbindung gesetzt.“ Auch Doflamingo schüttelte seine Hand. „Dann wissen Sie sicherlich schon Bescheid, dass mein Verlobter und ich Anzüge für unsere Hochzeit suchen“, kam er gleich zum Punkt. Cobra nickte freundlich. „Wer von Ihnen beiden möchte zuerst?“, fragte er und blickte auffordernd zu ihnen hinüber. „Crocodile“, antwortete Doflamingo, noch ehe sein Partner auch nur ein Wort herausgebracht hatte. „Sehr gern“, erwiderte Cobra und klatschte in die Hände. „Haben Sie bereits eine Vorstellung von ihrem Hochzeitsanzug? Farben? Stoffe? Schnitte? Wenn ich mich recht erinnerte, entschieden Sie sich bei Ihrem letzten Einkauf für ein schlichtes, elegantes Modell. Aber das war ja auch für berufliche, nicht für private Zwecke, nicht wahr?“ Crocodile nickte. „Ich bevorzuge auf jeden Fall dunkle Farben“, sagte er und versuchte seine Überforderung zu überspielen. Um ehrlich zu sein, hatte er sich noch nicht sonderlich viele Gedanken über die Kleidung, die er bei seiner Trauung tragen wollte, gemacht. „Und einen schlichten Schnitt. Also bitte nichts zu Ausgefallenes oder Extravagantes.“ „Bitte nehmen Sie Platz“, bat Cobra und deutete auf das Sofa zu ihrer Rechten. „Ich werde Ihnen sofort eine Auswahl unserer hochwertigsten und schicksten Anzüge präsentieren. Meine Tochter Vivi serviert Ihnen in der Zwischenzeit Champagner, wenn Sie mögen.“ Sie ließen sich wie geheißen auf dem Sofa nieder. Obwohl Crocodile von seinem letzten Besuch noch wusste, dass es unfassbar bequem war, saß er er in einer ganz steifen Körperhaltung da. Er fühlte sich schrecklich unwohl. Mit weniger als 5.000 Berry würde er hier wohl nicht wegkommen. So viel Geld hatte er schlichtweg nicht. Es war Ende des Monats und er hatte bereits fast seinen gesamten Lohn für die Tilgung seiner Schulden ausgegeben. (Lediglich einen „kleinen“ Rest von 1.000 Berry hatte er aufgehoben, da Doflamingo und er am Mittwoch Jahrestag hatten und er seinem Verlobten natürlich ein angemessenes Geschenk besorgen wollte.) „Ich wusste gar nicht, dass du dir hier schon einmal einen Anzug gekauft hast“, meinte sein Verlobter beiläufig und nahm einen Schluck Champagner. „Ist schon länger her“, gab Crocodile knapp zurück und nippte an seinem eigenen Glas. Er ließ seinen Blick durch den Laden schleifen, begutachtete skeptisch alle Anzüge und Stoffe, die ausgehängt waren. Ob es vielleicht doch eine Möglichkeit gab, um an ein günstigeres Modell zu kommen? Er wusste, dass selbst die teuersten Herrenausstatter hin und wieder Rabatt gaben; zum Beispiel weil die alte Kollektion auslief oder man Stammkunde war. „Du wirkst total versteift“, sagte Doflamingo plötzlich und stellte sein Champagnerglas zur Seite. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Crocodile nickte. „Ich bin bloß ein bisschen aufgeregt“, erwiderte er. „Hoffentlich finde ich hier einen Anzug, der mir gefällt. Das letzte Mal musste Cobra fast sein gesamtes Sortiment ausräumen, ehe ich etwas Passendes gefunden hatte.“ Dieses Geständnis ließ seinen Verlobten in leises Gelächter ausbrechen. „Das glaube ich dir auf's Wort“, meinte er und schlug die Beine übereinander. Heute trug er eine lange, dunkle Hose, offene Schuhe und ein violettes Hemd mit Tigerprint. Ein verhältnismäßig unauffälliges Outfit. „Du bist ein extrem wählerischer Mensch.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Dabei lege ich nicht einmal einen so extravaganten Kleidungsstil wie du an den Tag“, erwiderte er seuzend. „Ich finde, es ist viel einfacher schöne und außergewöhnliche als schöne und unauffällige Kleidungsstücke zu finden“, gab Doflamingo zu bedenken. „Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass es ziemlich schwierig für dich ist, Teile zu finden, die dir gefallen. Aber es lohnt sich! Mir gefällt dein Kleidungsstil nämlich sehr gut. Du strahlst immer so eine schlichte Eleganz aus.“ „Danke“, sagte Crocodile und spürte, dass sich ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen legte. „Aber selbst du hast ein paar außergewöhnliche Sachen“, fuhr Doflamingo fort. Er lächelte angesichts der Röte seines Verlobten. „Diesen karierten, orangefarbenen Pullunder zum Beispiel. Und du hast auch ein paar bunte Halstücher. Aber dein extravagantestes Accessiores ist sowieso dein Schmuck: Deine vielen Ringe und dein Ohrstecker.“ „Ohrring“, korrigierte Crocodile seinen Partner. „Es ist kein Stecker.“ „Ich habe mich oft gefragt, warum du ihn trägst“, redete Doflamingo weiter. „Die Ringe tauschst du hin und wieder aus, nur dein Ohrring bleibt immer derselbe. Du legst ihn auch nie zum Schlafen ab. Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ „Nein“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. „Es ist einfach Gewohnheit. Ich habe meinen Ohrring schon seit Ewigkeiten. Er ist sozusagen mein Glücksbringer.“ Doflamingo gluckste angesichts dieser Aussage. „Woher hast du ihn?“, wollte er mit neugieriger Stimme wissen. „Aus einem Schmuckgeschäft in der Nähe meines Elternhauses“, erzählte Crocodile. „Ich habe ihn mir gekauft, als ich fünfzehn war. Wochenlang habe ich mein Taschengeld gespart, um ihn mir leisten zu können. Er hat achtundneunzig Berry gekostet. Du kannst es dir wahrscheinlich nicht vorstellen, aber damals war das viel Geld für mich.“ Und ist es heute immer noch, fügte er gedanklich hinzu. „Ich finde, er steht dir sehr gut. Ich mag deinen Ohrring wirklich gerne“, meinte Doflamingo und lächelte. „Ich weiß“, erwiderte Crocodile im Flüsterton und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Als wir beide das erste Mal Sex hatten, hast du ständig mein Ohrläppchen angeknabbert. Und du tust es immer noch ab und zu. Zwischenzeitlich ging das so weit, dass ich schon dachte, du hättest einen Fetisch.“ „Einen Ohrläppchen-Fetisch?“, gab sein Verlobter amüsiert zurück. „Es gibt alles“, erwiderte Crocodile schulterzuckend und nahm einen Schluck Champagner. Ihr Gespräch wurde von Cobra unterbrochen, der mit etwa einem halben Dutzend Anzüge im Gepäck zu ihnen zurückkehrte. Das erste Modell, das Crocodile anprobierte, verfügte über einen matten, dunkelbraunen Stoff und war im amerikanischen Stil geschnitten. Der Anzug traf seinen Geschmack nicht im Allermindesten, woraus er auch keinen Hehl machte. „Die Farbe gefällt mir nicht“, sagte er, während er sich skeptisch von allen Seiten in einem deckenhohen Spiegel begutachtete. „Und der Schnitt ist viel zu weit. Ich habe das Gefühl, dass ich im Stoff förmlich ertrinke.“ Cobra nickte. „Darf ich fragen, ob Sie seit ihrem letzten Besuch abgenommen haben?“, sagte er mit freundlicher Stimme. „Gegebenenfalls stimmen die Maße, die ich damals von Ihnen genommen habe, nicht mehr.“ „Das ist möglich“, erwiderte Crocodile und vermied es, dem Verkäufer in die Augen zu sehen. Es war ihm sehr unangenehm, dass wieder sein Gewichtsverlust zur Sprache kam. Schon vor ein paar Wochen hatte er sein Mindestgewicht erreicht. Crocodile erinnerte sich noch gut daran, wie glücklich ihn die Zahl auf der Waage gemacht hatte, weil er sich endlich nicht mehr so viele Vorwürfe seitens Doflamingo anhören musste. Cobra verschwand für einen kurzen Augenblick, um ein Maßband hervorzuholen. Crocodile kreuzte den Blick mit seinem Verlobten, der noch immer auf dem Sofa saß und stumm seinen Champagner trank. Weder zum Anzug noch zu dem sensiblen Themal, das Cobra angesprochen hatte, verlor er ein Wort, wofür Crocodile sehr dankbar war. Nachdem seine Maße neu genommen wurden, meinte der Verkäufer: „Sie haben tatsächlich ein paar Pfund verloren. Darf ich Ihnen ein Anzugmodell im italienischen Stil empfehlen? Die Stoffe sind leichter und die Schnitte schmaler. Ihre Figur käme viel besser zur Geltung als im amerikanischen Stil.“ „Sehr gerne“, gab Crocodile zurück. Er nahm einen Anzug aus dunkelblauem Stoff, den Cobras Tochter Vivi ihm reichte, entgegen und kehrte in die Umkleidekabine zurück. „Besser?“ „Viel besser“, antwortete Crocodile, als er hervortrat. Das Hosenbein war schmaler geschnitten und überhaupt saß der luftige Stoff ein wenig enger am Körper. Der italienische Stil passte hervorragend zu seiner Figur. „Aber die dunkelblaue Farbe gefällt mir nicht“, fügte er hinzu. „Sie beißt sich mit meiner Haarfarbe. Ich suche etwas Schlichteres. Vielleicht anthrazit, schiefer oder ganz klassisch schwarz.“ „Sehr gerne“, erwiderte Cobra und trug seiner Tochter auf, eine handvoll passende Modelle aus der neuesten Kollektion herzuholen. Crocodile musste unweigerlich schlucken, als er diese Worte vernahm. Der nächste Anzug, den Cobra ihm präsentierte, war absolut perfekt. Daran gab es überhaupt keinen Zweifel. Er saß wie angegossen und Crocodile fühlte sich pudelwohl. Jetzt gab es nur noch ein einziges Problem: Er musste irgendeinen Makel finden! Einen Anzug in dieser Preisklasse konnte Crocodile sich schlichtweg nicht leisten. Es war Ende des Monats und er hatte bloß noch die 1.000 Berry auf dem Konto, die er für Doflamingos Geschenk vorgesehen waren. Vielleicht kann ich darum bitten den Anzug zur Seite legen zu lassen, überlegte er sich, während er sich nervös durch die Haare fuhr, und ihn dann nächsten Monat bezahlen. In der Umkleidekabine blickte Crocodile verzagt an sich herunter und versuchte abzuschätzen, wie teuer dieser wohl war. Immerhin stammte er aus der allerneuesten Kollektion. „Wani?“, hörte er plötzlich seinen Verlobten rufen. „Kommst du zurecht?“ „Ja“, gab Crocodile zurück und schluckte hastig. Er schob den Vorhang zur Seite und trat nach draußen vor den großen Spiegel. Dieser Anzug war ein Traum aus schwarzem Stoff, das konnte er nicht verhehlen. Beschwingt drehte Crocodile sich nach links und nach rechts, sodass er das Modell im Spiegel von allen Seiten begutachten konnte. „Wie findest du ihn?“, fragte er seinen Verlobten und bemühte sich darum, seine Begeisterung so gut wie möglich zu verbergen. „Du siehst absolut hinreißend aus!“, brach es sofort aus Doflamingo hervor. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. „Mir gefällt er auch gut“, gab Crocodile zu. Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. „Nimm ihn“, meinte sein Verlobter. Er stellte das Champagnerglas zur Seite und kam zu ihm hinüber. Zärtlich ließ er die schlanken Finger seiner rechten Hand über den hochwertigen Stoff gleiten. „Ich kann mir ganz genau vorstellen, wie du in diesem Anzug neben mir stehst und dein Ja-Wort gibst!“ „Ich möchte nichts überstürzen“, erwiderte Crocodile zaghaft und stelle fest, dass sein Mundraum sich plötzlich unangenehm trocken anfühlte. Dieses Modell stammte aus Cobras neuester Kollektion und war mit Sicherheit unverschämt teuer. „Vielleicht sollte ich ihn lieber zurücklegen lassen und schauen, ob ich nicht doch einen noch schöneren Anzug finde.“ „Papperlerpapp“, sagte Doflamingo sofort und winkte ab. „Du siehst fabelhaft aus, Liebling! Ich möchte nicht,dass du dir deine Entscheidung durch Zweifel miesmachen lässt. Trau dich ruhig einmal etwas selbstsicherer zu sein.“ „Naja, ich weiß nicht...“ Crocodile wischte sich nervös über den Mund. „Ich glaube nicht, dass wir einen besseren Anzug für dich finden werden. In diesem hier siehst du absolut hinreißend aus! Und falls doch, kannst du dich ja immer noch umentscheiden. Ist ja nicht so als gäbe es ein Gesetz, dass es den Bürgern dieses Landes verbietet zwei Anzüge zu kaufen.“ „Also gut“, gab Crocodile sich geschlagen. „Wahrscheinlich hast du sowieso Recht. Ich werde diesen hier nehmen.“ Während Doflamingo an der Reihe war, nippte Crocodile gedankenverloren an seinem Champagnerglas und versuchte einen Weg aus dieser Misere heraus zu finden. Er hatte diesen Monat bloß noch 1.000 Berry übrig, die außerdem ursprünglich für Doflamingos Geschenk vorgesehen waren. Wie sollte er bloß verhindern, dass er sich vor seinem Partner blamierte? Während dieser mit Cobra sprach, ging Crocodile im Geiste unterschiedliche Szenarien durch: Er könnte so tun als hätte er seinen Geldbeutel Zuhause vergessen. Oder doch darauf bestehen, den Anzug zurücklegen zu lassen. „Na?“ Es war Doflamingos aufgeregte Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Was sagst du?“ Dieser stand eingekleidet in einen komplett weißen Anzug vor ihm und warf ihm ein breites Lächeln zu. „Weiß?“, war das Erste, was Crocodile doch recht überrascht von sich gab, während sein Verlobter sich im Kreis drehte, damit er ihn von allen Seiten begutachten konnte. Doflamingo nickte begeistert. „Erinnerst du dich noch daran, wie ich sagte, dass es schön wäre, wenn einer von uns weiß und der Andere schwarz trägt? Nun, da dir ja die Vorstellung in einem weißen Anzug zu heiraten nicht so wirklich gefiel, dachte ich mir, dass stattdessen ich diesen Part übernehme.“ Er wartete einen kurzen Moment ab, ehe er hinzufügte: „Und? Was hältst du davon?“ „Es gefällt mir“, antwortete Crocodile. Um ehrlich zu sein, war es ihm relativ gleichgültig welche Farbe Doflamingo tragen würde. Er hatte ja sowieso nicht vor, aus ihrer Hochzeit eine allzu große Sache zu machen. Aber er musste zugeben, dass der doch recht extravagante Anzug gut zu seinem ebenfalls extravaganten Verlobten passte. Doflamingo war einfach immer und überall ausgefallen gekleidet. „Der Anzug steht dir wirklich gut.“ „Dann nehme ich ihn“, meinte sein Partner sofort in einem sehr überzeugt klingenden Tonfall. „Du in schwarz, ich ihn weiß - das wird eine echte Märchen-Hochzeit, Wani!“ „Bestimmt“, erwiderte Crocodile, der angesichts des unschuldigen Enthusiasmus seines Verlobten gar nicht anders konnte als zu lächeln. Doflamingo wandte sich währenddessen an Cobra. „Wir haben uns entschieden“, meinte er. „Der Anzug, den ich gerade trage, und der Anzug, den Croco als letztes anprobiert hat.“ Cobra nickte und führte Doflamingo zum Verkaufsthresen hinüber. Crocodile war sich sicher, für den Bruchteil einer Sekunde grüne Berry-Zeichen in den Augen des Herrenausstatters aufblitzen gesehen zu haben. Bestimmt geschah es nicht jeden Tag, dass es ihm gelang zwei so teure Anzüge zu verkaufen. Kaum hatte Crocodile seinen Gedanken zu Ende geführt, war der Kauf der beiden kostspieligen Kleidungsstücke bereits abgewickelt. Ohne dass sein Partner etwas davon mitbekommen hatte, hatte Doflamingo den Einkauf rasch mit einer seiner zahlreichen Kreditkarten bezahlt. Crocodile bekam nicht einmal die Höhe der Summe mit. Erst als sie beide sich wieder auf den Weg zum Porsche 911 Turbo machten, bekam Crocodile die Gelegenheit dazu danach zu fragen. „So etwa 18.000 Berry“, antwortete Doflamingo beiläufig und ließ sich neben ihm auf der Rückbank des Sportwagens wieder. „Ich habe nicht genau zugehört.“ „18.000 Berry“, wiederholte Crocodile mit tonloser Stimme. Er hatte für beide Anzüge zusammen mit maximal 6.000 oder 7.000 Berry gerechnet, nicht mit mehr als dem Doppelten. „Und wie teuer ist meiner gewesen? Weißt du das so ungefähr? Dann könnte ich dir das Geld...“ „Nein!“, unterbrach ihn Doflamingo sofort und nahm sich sogar die Freiheit, ihm mit Daumen und Zeigefinger gegen die Stirn zu schnippsen. „Nein, nein, nein. Wie oft noch? Ich möchte nicht, dass wir jeden Einkauf aufrechnen und du mir Geld zurückgibst. Darüber sollten wir längst hinaus sein.“ „Aber...“ Crocodile kam über dieses Wort nicht hinaus. „Nein!“, wiederholte Doflamingo energisch und schnippste noch einmal gegen seine Stirn. „Ich lasse mich gar nicht erst auf eine Diskussion mit dir ein, Crocodile! Ich weiß, dass du weniger Geld hast als ich. Das ist okay. Deswegen haben wir ja auch ausgemacht, dass ich allein die Kosten für unsere Hochzeit trage. Also lass uns nicht zum x-ten Mal dasselbe Gespräch über Geld führen.“ „Wir haben gar nicht ausgemacht, dass du...“ Dieses Mal konnte Crocodile den Fingern seines Verlobten ausweichen. „Ich meine es ernst, Doflamingo! Das hatten wir überhaupt nicht ausgemacht!“ „Weißt du noch, wie wir über die 120.000 Berry gesprochen haben, die du wegen deines Autounfalls der Versicherung geschuldet hast? Erinnerst du dich daran, wie du mir völlig aufgelöst und verzweifelt erzählt hast, dass du nicht genug Geld hast, um so eine hohe Forderung zu begleichen? Ich habe angeboten für dich bezahlen. Die Forderung der Versicherung und auch unsere Hochzeit. Und daran halte ich mich auch. Basta.“ „So eine Hochzeit kostet aber unheimlich viel, selbst eine relativ kleine Hochzeit“, gab Crocodile zu bedenken und kassierte einen erneuten Schnippser seitens seines Verlobten. Unwirsch fuhr er sich mit der Hand über die Stirn, wo er inzwischen einen roten Fleck vermutete, und fuhr fort: „Die Anzüge, das Essen, die Location... Es ist sicher nicht wirklich preisgünstig, ein Schloss für eine Hochzeit anzumieten! Es fallen so viele Kosten an und ich möchte nicht, dass du sie allein stemmen musst.“ „Stemmen?“, wiederholte Doflamingo mit teils ernst, teils amüsiert klingender Stimme. „Mal ehrlich, Wani: Was glaubst du, wie viel Geld ich habe?“ „Keine Ahnung“, gab Crocodile verlegen zu und zuckte mit den Schultern. „Aber du arbeitest doch bei der Bank, die mein Geld verwaltet“, erwiderte Doflamingo und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Müsstest du nicht auf den Berry genau wissen, wie hoch mein Vermögen ist?“ „Ich arbeite dort als Manager“, meinte Crocodile. „Ich regele nicht die Finanzen. Ich weiß nicht, wie viel Geld du hast.“ „Was schätzt du?“ Crocodile seufzte leise und fragte sich, worauf sein Verlobter hinauswollte. Trotzdem spielte er dessen Spiel mit. „Zu Beginn dachte ich an vielleicht zehn oder fünfzehn Millionen. Aber damals wusste ich noch nichts von deinen Yachten, deinem Privatjet und so weiter. Inzwischen ist mir klar, dass du deutlich reicher sein musst. Ich weiß nicht... vierzig Millionen Berry? Fünfundvierzig?“ Doflamingo brach in lautes Gelächter aus. Als er sich wieder eingekriegt hatte, sagte er: „Selbst wenn wir beide davon ausgehen würden, dass ich nur fünfundvierzig Millionen Berry besitze, wäre es für mich ein Leichtes die Kosten, die durch unsere Hochzeit anfallen, zu bezahlen.Von stemmen kann da überhaupt nicht die Rede sein. Also hör auf dir so viele Gedanken zu machen über fünf- oder zehntausend Berry, die du mir wiedergeben möchtest. Das sind für mich nur Peanuts. Ich möchte meine gemeinsame Zeit mit dir nicht damit verbringen, über so etwas zu reden. In Ordnung?“ „Aber...“ Doflamingo holte erneut aus und schnippste mit Daumen und Zeigefinger gegen die Stirn seines Verlobten. Crocodile machte einen unwilligen Brummlaut, ehe er sich schließlich geschlagen gab und mit der Handfläche über die Stelle an seiner Stirn rieb, die unangenehm brannte. bye sb Kapitel 26: Kapitel 13 (zensiert) --------------------------------- Crocodile konnte vor Wut nicht mehr klar denken. Er spürte in seinem Schädel ein so starkes Pochen, dass man meinen könnte, Herz und Gehirn hätten ihre Plätze getauscht. Und die Sicht verschwamm immer wieder vor seinen Augen, obwohl er seine Tränen im Sekundentakt mit dem Hemdsärmel abwischte. Er war bereits auf halbem Wege zu seinem Mercedes C 216, als er es sich kurzerhand anders überlegte. Noch so einen Unfall wie damals, als er auf dem Weg zu seinem Freund Daz einem anderen Autofahrer die Vorfahrt genommen hatte, wollte er auf keinen Fall bauen. Ein zweites Horrorszenario dieser Art könnte er sich nie verzeihen. Also steuerte Crocodile anstelle der Tiefgarage den nächsten Nebenausgang der Villa an. So unauffällig wie möglich verließ er das weitläufige Grundstück und lief nach draußen auf die Straße. Wenn er sich nicht irrte, dann befand sich in nur etwa ein bis höchstens eineinhalb Kilometern Entfernung eine U-Bahnstation; dort wollte Crocodile hin. Die U-Bahn anstelle seines Autos zu nehmen, hielt er für eine besonders kluge Idee: Vermutlich würde Doflamingo unten in der Tiefgarage als erstes nach ihm suchen. Er kommt nie auf die Idee, dass ich mit der Bahn fahre, dachte Crocodile, der sich im Augenblick alles andere als bereit für eine Auseinandersetzung mit seinem Partner fühlte. Er erreichte die U-Bahnstation; abgesehen von ihm waren nur sehr wenig andere Leute anwesend. Die meisten Menschen, die in dieser Gegend wohnten (ein paar Umweltschutz-Fanatiker vielleicht ausgenommen), besaßen teure Autos und hielten nicht viel vom U-Bahn fahren. Crocodile kam nicht umhin sich zu fragen, ob sein reicher Verlobter jemals das Innere einer Bahn oder eines Busses gesehen hatte. Vermutlich nicht. Der Gedanke an Doflamingo trieb ihm erneut Tränen in die Augen. So unauffällig wie möglich wischte Crocodile sie fort. Er konnte noch immer nicht so recht fassen, was er gerade eben erfahren hatte. Doflamingo und Monet... allein die Vorstellung löste Wutgefühle in ihm aus. Er fühlte sich betrogen und verraten. Geistesabwesend stieg Crocodile in die nächste Bahn, die einfuhr. Eine Weile lang tat er gar nichts außer nachzudenken und aus dem Fenster zu blicken. Erst als als die U-Bahn die Endstation erreichte und die Fahrgäste per Lautsprecherdurchsage darum gebeten wurden auszusteigen, stand Crocodile von seinem Sitz auf. Weil er keine Ahnung hatte, wo er sich befand, nahm er wahllos irgendeinen Ausgang des U-Bahnschachtes und erreichte schließlich einen hübschen Park, der um einen kleinen See herum angelegt worden war. Andere Menschen konnte Crocodile nicht entdecken. Es handelte sich um einen sehr schönen und einsamen Ort. Genau das, was er jetzt brauchte. Er ließ sich auf einer Bank nahe am Wasser nieder, legte den Kopf in den Nacken und blickte hinauf zum Mond. Doflamingo und Monet, dachte er, Monet und Doflamingo. Crocodile stellte sich vor, wie die beiden gemeinsam im Bett lagen und den Körper des jeweils anderes streichelten. Wie Doflamingo seine Sonnenbrille abnahm und seine stechend grünen Augen offenlegte. Wie er Monet grinsend anblickte und... und... Natürlich war Crocodile sich dessen bewusst, dass sein Verlobter mit anderen Menschen Sex gehabt hatte, ehe sie sich kennenlernten. Das konnte er ihm nicht verübeln; schließlich sah es da bei ihm selbst nicht anders aus. Crocodile ging es nicht hauptsächlich um den Sex. Es ging ihm auch nicht darum, dass Monet eine Frau war. Das Problem war, dass sein Verlobter ihm diese Sache verschwiegen hatte. Doflamingo hatte einfach so getan als wäre nie etwas geschehen. Er hatte seine Freundschaft zu Monet weiter aufrechterhalten und sie ihm zu Beginn ihrer Beziehung auch als eine ganz normale Freundin vorgestellt gehabt. Darüber, dass sie kurz vorher einmal miteinander im Bett gewesen waren, hatte er jedoch nie ein Wort verloren. Ganz im Gegenteil: Er hatte mit Monet sogar vereinbart diese Liebelei vor ihm geheimzuhalten. Für Crocodile war es glasklar: Sein Verlobter hatte ihn ihre gesamte Beziehung lang angelogen. Er hatte ihn betrogen. Getäuscht. Er selbst war der Ansicht, dass man zu Exfreunden und -freundinnen nach Möglichkeit den Kontakt abbrechen sollte, wenn sich herausstelle, dass keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft bestand. Eine Person, mit der man geschlafen hatte, hinterher noch als guten Freund zu behalten, sorgte bloß für riesige Probleme. Crocodile konnte sich jedenfalls kaum vorstellen, dass in dieser Situation irgendjemand anders reagiert hätte als er. Wenn ich weiterhin mit Smoker oder Marco oder sonst wem befreunden geblieben wäre, drehte er den Spieß gedanklich um, wäre Doflamingo an die Decke gegangen. Er hätte sofort verlangt, dass kein Kontakt mehr besteht. So eifersüchtig wie er ist, müsste Doflamingo eigentlich am allerbesten wissen, dass solche Freundschaften ein absolutes No-go sind. Wütend aufseufzend wollte Crocodile in die Innentasche seiner Jacke greifen, um eine Zigarre hervorzuholen - nur um festzustellen, dass er bloß ein Hemd trug. Im Eifer des Gefechts hatte er nicht daran gedacht gehabt, eine Jacke mitzunehmen. Und so wütend wie er im Augenblick war, spürte er nicht einmal die Kälte der aufkommenden Nacht. Was sollte er jetzt tun? Sich von Doflamingo trennen? Nein, das kam auf gar keinen Fall infrage. Sein Verlobter hatte einen großen Fehler gemacht, aber keinen, den man nicht wiedergutmachen könnte. Schließlich war es nicht so, als hätte er ihn während ihrer Beziehung mit Monet betrogen. Diese Sache war vorher passiert (wenn auch nur sehr kurz vorher). Er soll sich bei mir entschuldigen, beschloss Crocodile am Ende, und die Freundschaft zu Monet beenden. Wenn er das tut, dann könnte ich ihm verzeihen. Er erhob sich von der Parkbank und beschloss eine Runde um den See zu drehen, ehe er sich auf den Weg zurück zur Villa machte. Er war zwar immer noch wütend, aber hatte sich wenigstens soweit gefangen, dass er nachher zu einem Gespräch mit seinem Partner bereit wäre. Hoffentlich ging Doflamingo auf seine Forderungen ein. Ansonsten war ein weiterer Streit nämlich vorprogrammiert. Crocodile war fast schon wieder bei der U-Bahnstation angelangt, als er sein Handy aus seiner Hosentasche hervorholte und einen kurzen Blick draufwarf. Der Display zeigte ihm sage und schreibe zwölf entgangene Anrufe von Doflamingo und vier entgangene Anrufe von Bellamy an. (Vermutlich hatte sein Verlobter dessen Handy benutzt in der Hoffnung, dass Crocodile abnehmen würde, wenn eine andere Rufnummer angezeigt wurde.) Dazu kamen dann noch neun Textnachrichten. Crocodile sah die Nachrichten durch, während er den U-Bahnschacht betrat. (Dieses Mal löste er auch ein Ticket.) Lauf bitte nicht weg lass uns darüber reden, hieß es in der ersten SMS. Dafür war es wohl ein bisschen zu spät. Wo bist du?. Das wusste er ja nicht einmal selbst. Die dritte Textnachricht ließ wieder Wut in ihm aufwallen: Ich habe dir nichts davon erzählt weil ich wusste dass du ausrasten würdest. Offenbar begriff Doflamingo überhaupt nicht, worum es ihm ging. Du verstehst das alles nämlich falsch!! Wir waren nie zsm oder so das war eine einmalige bettgeschichte nichts weiter. Crocodiles Befürchtung wurde in Form der nächsten Nachrichten weiter bestätigt: Und es ist ja auch nicht während unserer beziehung passiert sondern davor. Ich hab dich nicht betrogen oder so was. Das musst du mir glauben!!!!!! Die anderen Nachrichten überflog Crocodile bloß kurz: Bitte komm wieder nach hause und lass uns darüber reden. Ich erklär dir alles und dann verstehst du auch dass es ganz anders ist als du dachtest. Es ist alles bloß ein großes missverständnis. Doflamingo hatte wirklich nicht verstanden, wo das Problem lag. Er begriff es ganz einfach nicht. Frustriert steckte Crocodile sein Handy wieder weg. Wie konnte sein Verlobter bloß so unfassbar ignorant sein?! Plötzlich hatte Crocodile überhaupt keine Lust mehr zur Villa zurückzukehren und sich mit Doflamingo auseinanderzusetzen. Nicht nur, dass sein Partner seinen Fehler offenbar nicht einsah - ihm war nicht einmal bewusst, worum es eigentlich ging. Was würde passieren, wenn sie jetzt miteinander redeten? Vermutlich würde Doflamingo ihm vorwerfen, dass er überreagierte. Er würde irgendwelche alten Textnachrichten hervorkramen, die bewiesen, dass diese Liebelei vor Beginn ihrer Beziehung stattgefunden hatte. Er würde sich weigern sich zu entschuldigen, so wie fast immer. Und dann käme es zum riesigsten Streit aller Zeiten. Crocodile entschied sich dagegen. Als er die Gleise erreichte, suchte er auf dem Fahrplan nach der schnellste Verbindung zum Wohnort seiner beiden Geschwister. Es überraschte ihn, als er herausfand, dass ihm bloß eine Fahrt von etwa fünfzehn Minuten bevorstand. Ihm war überhaupt nicht klar gewesen, wie weit er mit der U-Bahn bereits gefahren war. Während er unterwegs war, versuchte er Mihawk über's Handy zu erreichen. Als sein älterer Bruder auch beim dritten Mal nicht abnahm, versuchte er sein Glück stattdessen bei Hancock. Sie ging ran. „Hallo, Crocodile“, begrüßte sie ihn freundlich. „Was gibt’s?“ „Hey“, erwiderte er und musste kurz schlucken, damit seine Stimme sich normal anhörte. „Bist du gerade Zuhause?“ „Ähm, ja“, antwortete Hancock in einem leicht irritiert klingenden Tonfall. „Wieso?“ „Ich brauche dringend jemanden, mit dem ich sprechen kann“, meinte Crocodile, der kein Freund davon war, um den heißen Brei herumzureden. „Es geht um mich und Doflamingo. Ich habe auch versucht Mihawk zu erreichen, aber bei ihm geht nur die Mailbox ran.“ „Er ist heute auf einem Turnier gewesen“, erklärte Hancock ihm. „Es geht um die Qualifikation für die Meisterschaft und einer seiner Schüler -dieser Zoro, glaube ich- hat wohl gute Chancen. Die beiden kommen erst morgen Mittag wieder zurück.“ „Das wusste ich nicht“, gab Crocodile zu. „Naja, wie auch immer, ich bin schon so etwa in fünfzehn Minuten bei dir. Ist das okay für dich?“ „Klar“, sagte seine jüngere Schwester. „Kein Problem. Aber, ähm, braucht man von dir Zuhause aus mit dem Auto nicht mindestens eine Dreiviertel bis zu mir? Wo bist du denn gerade? Es ist bald Mitternacht!“ „Ich bin spazieren gegangen, um mich ein bisschen zu beruhigen“, erklärte Crocodile ihr. „In diesem Park, du weißt schon, mit dem kleinen See und den vielen Gänsen. Ist nicht weit weg von dir.“ „Okay“, meinte Hancock, die ziemlich irritiert klang. „Ich setze Tee für uns beide auf, ja? Möchtest du Pfefferminz oder Kamille?“ „Kamille, bitte.“ „Okay, gut. Und Crocodile...“ Hancock schwieg für einen kurzen Moment, ehe sie sagte: „Bitte versuch dich zu beruhigen, okay? Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden, egal was zwischen Doflamingo und dir vorgefallen ist.“ „Das hoffe ich“, erwiderte Crocodile mit resignierter Stimme und legte auf. Wenn sie Besuch erwartete, ließ seine Schwester die Haustüre meistens offen. Crocodile hatte diese Angewohnheit schon immer überaus leichtsinnig gefunden, doch Hancock schien nicht zu begreifen, in welche Gefahr sie sich und ihr Eigentum damit brachte. „Ich wohne nicht wie du in einer Großstadt“, sagte sie jedes Mal, wenn Crocodile sie darauf ansprach. „Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Niemand käme auf die Idee bei mir einzubrechen.“ An diesem Abend schenkte er dieser verrückten Marotte seiner jüngeren Schwester keine Beachtung. Stumm schob Crocodile die Türe auf, durchquerte den Eingangsbereich und bog am Ende des Flurs links in die Küche ein. Hancock stellte gerade zwei Tassen heißen Tee und eine Schale mit Gebäck auf ein Tablett. „Ich trage das“, sagte Crocodile anstelle einer Begrüßung. „Setz du dich hin.“ „Mach dich nicht lächerlich“, erwiderte Hancock und ließ nicht zu, dass er ihr das Tablett abnahm. „Ich bin schwanger, nicht krank!“ Dass sie schwanger war, war wirklich nicht zu übersehen. Ein dicker, runder Babybauch wölbte sich unter dem violetten Kleid hervor, das sie trug. Unweigerlich stellte Crocodile sich das kleine Menschlein vor, das sich darin befand. Es war ein sehr befremdlicher Gedanke. „Du bist inzwischen im siebten Monat, oder?“ Hancock nickte. „In fünf Wochen gehe ich in Mutterschutz“, erzählte sie. Im Wohnzimmer setzten sie sich nebeneinander auf die Couch. Crocodile griff dankbar nach dem Kamillentee, den seine Schwester für ihn gekocht hatte, und wärmte seine Finger an der heißen Tasse. Erst jetzt spürte er die Kälte in seinen Gliedmaßen. „Was ist denn eigentlich passiert?“, fragte Hancock mit sanfter Stimme. „Wieso haben Doflamingo und du sich gestritten?“ „Zu einem Streit ist es gar nicht so wirklich gekommen“, erwiderte Crocodile. Er wusste nicht recht, wo er anfangen sollte. Bei dem Autounfall, von dem Doflamingo ihm damals erzählt hatte? Oder sollte er lieber direkt auf den Punkt kommen? Schlussendlich platzte ziemlich ungestüm „Doflamingo hat mit einer Frau geschlafen!“ aus ihm heraus. Überrascht riss Hancock die Augen auf. „Er... hat dich betrogen?“, fragte sie im Flüsterton nach. „Nein“, gab Crocodile kopfschüttelnd zurück. „Nicht so richtig. Also, das ist passiert, bevor wir beide ein Paar geworden sind.“ „Wo liegt dann das Problem?“, wollte Hancock wissen. Sie zog eine Augenbraue hoch und nippte an ihrem Tee. „Doflamingo ist über dreißig. Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass er als Jungfrau in eure Beziehung gegangen ist, oder?“ „Nein, natürlich nicht.“ Seufzend fuhr Crocodile sich mit der Hand durch sein Haar. „Du verstehst das nicht: Diese Bettgeschichte ist nur ein paar Tage, bevor ich angefangen habe Doflamingo zu daten, passiert. Er hat mich wochenlang um eine Verabredung angebettelt, ist aber gleichzeitig mit wem anders in die Kiste gegangen!“ „Ich finde, du reagierst über“, meinte Hancock mit ernster Stimme. „Du hast doch selbst gesagt, dass diese Sache passiert ist, bevor ihr beide begonnen habt miteinander auszugehen. Damals hat Doflamingo dir doch noch gar nichts geschuldet, er war ungebunden. Wenn er mit ihr geschlafen hätte als ihr bereits zusammen wart, dann könnte ich deine Aufregung verstehen, aber so...“ „Das ist noch nicht alles!“ Crocodile ärgerte es, dass seine Schwester seine Empörung nicht nachvollziehen konnte. „Die Frau, mit der Doflamingo geschlafen hat, war nicht einfach irgendeine Fremde, sondern seine beste Freundin! Und nach dieser Sache ist er weiterhin mit ihr befreundet geblieben und hat mir gegenüber so getan als wäre nie etwas zwischen ihnen passiert! Mein Verlobter hat mir diesen One-Night-Stand mit ihr eiskalt verschwiegen! Ich habe heute durch puren Zufall davon erfahren!“ Noch immer schien Hancock nicht zu begreifen, was los war. Anstatt wütend auf Doflamingo zu schimpfen, warf sie ihm bloß einen zweifelnden Blick zu und griff nach einem selbstgebackenen Plätzchen mit Marmeladen-Füllung. „Ideal ist diese Situation sicherlich nicht“, meinte sie schließlich in einem ziemlich nüchtern klingenden Tonfall, „aber ich finde trotzdem, dass du überreagierst. Wie gesagt, das ist passiert, ehe ihr beide angefangen habt miteinander auszugehen. Und so wie du es erzählst, klingt es auch eher nach einer sehr kurzen Bettgeschichte. Es ist ja nicht so als wären die beiden je zusammen gewesen. An deiner Stelle würde ich diesem One-Night-Stand nicht so viel Bedeutung beimessen.“ „Es geht mir gar nicht so sehr um den Sex an und für sich“, versuchte Crocodile seiner Schwester das Problem näherzubringen, „sondern darum, dass er es mir verschwiegen hat. Die beiden haben untereinander ausgemacht, mich im Dunkeln zu lassen! Kannst du dir das vorstellen?“ „Nun ja“, erwiderte Hancock, die immer noch nicht überzeugt wirkte, „warum sollte er es dir auch erzählen? Also, aus welchem Grund? Wenn es wirklich nur eine einmalige Sache war, dann spielt es ja eigentlich keine Rolle mehr. Dich einzuweihen würde doch nur unnötig eure Beziehung strapazieren. Und die Freundschaft zu ihr natürlich auch.“ „Das ist übrigens noch ein weiterer Knackpunkt!“, warf Crocodile stürmisch ein. Dass Hancock eher auf Doflamingos als auf seiner Seite zu sein schien, trieb ihn zur Verzweiflung. Als seine Schwester hatte sie doch die Pflicht ihm rechtzugeben und nicht seinem Verlobten! Stattdessen machte sie ihm nichts als Vorwürfe. „Ich finde es ungeheuerlich, dass er weiterhin mit ihr befreundet geblieben ist! So etwas macht man einfach nicht! Wie soll ich mich denn bitte fühlen, wenn er sich mit einer Freundin trifft, von der ich weiß, dass er sie mal gevögelt hat?!“ „Nun, deswegen wird er dir wohl nichts davon erzählt haben...“ Diese Aussage war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Plötzlich kannte Crocodile kein Halten mehr. „Was redest du denn da?!“, brüllte er mit ungläubiger Stimme und warf Hancock einen zornigen Blick zu. „Wieso nimmst du Doflamingo so sehr in Schutz? Er hat mir monatelang verschwiegen, dass er kurz vor unserer Beziehung mit seiner besten Freundin geschlafen hat, und du tust so als wäre das völlig normal!“ „Ich hatte doch gesagt gehabt, dass diese Situation nicht ideal ist“, lenkte Hancock ein, „aber trotzdem finde ich es unnötig sich darüber aufzuregen. Immerhin ist das schon sehr lange her. Wer hat denn etwas davon, wenn so alte Geschichten wieder aufgewärmt werden?“ „Und wenn er mich betrogen hätte!?“, entgegnete Crocodile wütend. „Wäre das dann auch egal, bloß weil es vielleicht länger her ist?!“ „Du vergleichst Äpfel mit Birnen“, warf Hancock ihm vor. „Doflamingo hat dich nicht betrogen! Ich bin mir sicher, dass er so etwas niemals tun würde. Er liebt dich und...“ „Wenn er mich liebt, warum hat er Monet gefickt!?“ Crocodile spürte, dass sich erneut Tränen anbahnten, doch er versuchte sie mit aller Kraft zurückzuhalten. Er hatte das letzte Mal vor seiner Schwester geweint, als sie beide Kinder gewesen waren. „Doflamingo hat mich so oft um ein Date gebeten! Hat mir eingeredet, er hätte sich in mich verliebt! Dass er mich unbedingt um jeden Preis näher kennenlernen möchte! Und dann steigt er ein paar Tage später mit seiner besten Freundin ins Bett! So etwas tut man doch nicht, wenn man verliebt ist!“ „Ihr wart noch nicht zusammen. Er hat dir nichts...“ „Und das soll ich ihm glauben?!“, unterbrach Crocodile seine Schwester erneut. „Woher weiß ich denn, dass es wirklich schon passiert ist, bevor wir beide ein Paar wurden? Zu Beginn unserer Beziehung haben wir uns noch nicht täglich gesehen... und Doflamingo denkt ständig nur an Sex... Warum sollte ich ihm glauben, dass dieser One-Night-Stand vorher passiert ist? Und dass es überhaupt ein One-Night-Stand war und keine länger andauernde Beziehung? Doflamingo ist nicht schwul, er ist bisexuell... Vielleicht sehnt er sich manchmal nach einer Frau.. Vielleicht hat er mich monatelang mit Monet betrogen...?“ Verzweifelt wischte Crocodile sich mit dem Hemdsärmel über seine tränennassen Augen. Sie hinterließen einen dunklen Fleck auf dem grünen Stoff. „Wie soll ich ihm je wieder vertrauen?“ „Jetzt reicht es aber!“, fuhr Hancock ihn plötzlich an. „Das sind wilde Unterstellungen, Crocodile! Ich meine es ernst: Doflamingo mag seine Fehler haben, aber er ist ein ehrenwerter Mann. Er würde dich nie betrügen! Daran darfst du nicht auch nur denken!“ „Doflamingo hält nicht viel von Treue“, gab Crocodile zurück. „In seinen früheren Beziehung hat er seine Partner ständig betrogen und angelogen. Es war dumm von mir mich auf so einen Mann einzulassen! Doflamingo ist ein verdammter Lügner und...!“ „Du tust ja glatt so als wärst du auch nur um einen Deut besser!“, meinte Hancock mit giftiger Stimme. „Doflamingo mag dich wegen dieser einen Sache angelogen haben, die schon fast ein Jahr lang her ist. Aber du lügst ihn schon seit Monaten jeden Tag an! Oder hast du ihm inzwischen von deiner Kündigung erzählt? Ich finde, du hast kein Recht, kein Recht jemand Anderen für seine Lügen zu verurteilen. Du bist nämlich selbst ein schrecklicher Lügner, Crocodile, also hör auf dich zu beschweren!“ Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was seine Schwester ihm da an den Kopf warf. Er glaubte, sich verhört zu haben. Mit einem völlig entgeisterten Gesichtsausdruck blickte er zu ihr hinüber. Erst als er sich absolut sicher war, dass er sich ihre Worte nicht eingebildet hatte, erhob er sich von der Couch und erwiderte wütend brüllend: „Meine Kündigung geht Doflamingo nichts an! Mein Job und mein Geld sind meine Sachen! Unsere Beziehung wird dadurch nicht beeinflusst! Dass mein Verlobter seinen Schwanz in seine Freundin gesteckt hat, geht mich hingegen sehr wohl etwas an!“ „Das ist Schwachsinn und das weißt du ganz genau!“, entgegnete Hancock. Sie erhob sich ebenfalls von der Couch und taxierte ihn mit zornigen Blicken. „Warum nimmst du Doflamingo so sehr in Schutz?!“, fragte Crocodile zähnefletschend. Er war verzweifelt, wütend und furchtbar enttäuscht. Dass seine eigene Schwester anstatt ihn zu trösten sich auf die Seite von Doflamingo stellte, verletzte ihn tief. Eigentlich hatte er geglaubt gehabt, sich immer auf seine beiden Geschwister verlassen zu können. Er fühlte sich nicht nur von seinem Verlobten, sondern auch von Hancock betrogen. Wieso suchte sie die Schuld bei ihm und nicht bei Doflamingo? Warum... Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Das Geld!“, zischte Crocodile mit verächtlicher Stimme. „Darum geht es dir! Du hast Angst, dass Doflamingo seine fündundsiebzigtausend Berry zurücknimmt, wenn wir uns trennen! Deswegen spielst du herunter, was er getan hat, und beschuldigst stattdessen mich!“ „Das stimmt doch gar nicht“, erwiderte seine Schwester, doch die Schuld stand ihr praktisch ins Gesicht geschrieben. „Ich fasse es nicht!“ Crocodile musste sich erneut mit dem Hemdsärmel über die Augen fahren, damit Hancock seine Tränen nicht sah. „Du bist eine miese Verräterin! Du leckst Doflamingo die Stiefel, damit du sein Geld behalten kannst! Schämst du dich denn gar nicht?!“ „Crocodile“, sagte Hancock mit schuldbewusster Stimme, „so ist das nicht! Bitte, ich...“ „Ich verschwinde“, erwiderte Crocodile. Er spürte, dass er in wenigen Sekunden in Tränen ausbrechen würde, und wollte sich dieser Blöße vor seiner Schwester nicht geben. Hancock versuchte ihn aufzuhalten, doch er schüttelte ihre Hand ab und verließ ihr Haus so schnell seine Beine ihn tragen konnten. Auf dem Weg zurück zur U-Bahnstation warf Crocodile einen Blick auf sein Handy. Inzwischen war es null Uhr dreißig. Außerdem hatte er sieben entgangene Anrufe von Doflamingo und vier von Law. Dazu kamen noch drei neue Textnachrichten. Während er auf die U-Bahn wartete (laut der elektronischen Anzeigetafel über seinen Kopf fuhr die nächste Bahn erst in fünfzehn Minuten), überflog er die Nachrichten. Wo bist du? Bitte geh ans handy, hieß es in der ersten. Ich mache mir sorgen wani :( , stand in der zweiten Nachricht. Die dritte war ein langer Text: ich meine es ernst geh bitte endlich an dein handy!! ich mache mir riesengroße sorgen du bist schon seit stunden weg ohne jacke :( bitte komm nach hause wir können über alles reden und diese sache klären! Und auch wenn du nicht reden willst komm bitte nach hause oder melde dich wenigstens damit ich weiß dass es dir gutgeht ich mache mir wirklich sorgen. Crocodile steckte das Handy zurück in seine Hosentasche und griff stattdessen nach einem Taschentuch. Nachdem er Hancocks Haus verlassen hatte, hatte er die Tränen nicht mehr zurückhalten können. Zum Glück war die U-Bahnstation zu dieser späten Stunde menschenleer. Mit der Bahn fuhr Crocodile zurück zum Park, weil er nicht wusste, wo er sonst hinkönnte. Doflamingo oder Hancock stellten für ihn keine Optionen dar; Mihawk blieb bis morgen bei diesem Fecht-Turnier und Daz war momentan auf Geschäftsreise im Ausland. Er fühlte sich schrecklich einsam. Kalte Nachtluft umfing ihn, als er die beheizte U-Bahn verließ. Crocodile, der generell sehr schnell fror, begann sofort zu zittern. Im Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher als einen wärmenden Mantel. Mit vor der Brust verschränkten Armen steuerte Crocodile die Parkbank an, auf der er schon eine Weile zuvor gesessen hatte. Er ließ sich auf ihr nieder, obwohl das Holz eiskalt war. Was blieb ihm Anderes übrig als die Nacht hier zu verbringen? Nach Hause wollte er nicht und soweit er wusste gab es hier in dieser Gegend auch kein Hotel, in dem er hätte absteigen können. Crocodile seufzte frustriert auf und blickte hinaus auf das spiegelglatte Wasser. Die Oberfläche kräuselte sich, als ein Entenpaar vorbeischwamm. Der Enterich verfügte über ein bunt schimmerndes Gefieder; seine Frau hingegen wirkte mit ihren braunen Federn eher unauffällig. Crocodile folgte den beiden Tieren mit den Augen, bis sie schließlich an Land gingen und in einem Gebäusch in Ufernähe verschwanden. Er wurde das Gefühl nicht los, dass es mit jeder Minute kälter wurde. Mit der rechten Hand fuhr Crocodile über seine Oberschenkel, doch die Reibung erzeugte nicht sonderlich viel Wärme. Er spielte mit dem Gedanken zum U-Bahnschacht zurückzukehren und dort die Zeit bis zum Morgengrauen abzusitzen, als er ganz in seiner Nähe ein paar Zweige knacken hörte. Nervös wandte Crocodile sich um - und erkannte seinen Verlobten, der nur wenige Meter von ihm entfernt stand. „Was hast du hier verloren?!“, wollte Crocodile sagen, doch ihm war so kalt und er war so verdattert, dass er kein einziges Wort hervorbrachte. „Endlich habe ich dich gefunden!“, rief Doflamingo mit erleichterter Stimme und kam auf ihn zu. Er wollte ihn in seine Arme schließen, doch Crocodile wehrte ihn mit der Hand an. Er hatte definitiv keine Lust darauf mit seinem Verlobten zu kuscheln und so zu tun als wäre nichts gewesen. Er war noch immer stocksauer. „Wieso bist du hier?“, blaffte Crocodile ihn unfreundlich an, als er sich wieder einigermaßen gesammelt hatte. „Hancock hat mich angerufen“, antwortete Doflamingo, der die Frage falsch zu verstehen schien. „Sie hat mir von diesem Park erzählt.“ „Lass mich in Ruhe“, erwiderte er gleichmütig und ohne seinem Partner ins Gesicht zu schauen. „Ich will jetzt nicht mit dir reden.“ „Das ist okay“, meinte zu seiner Überraschung Doflamingo. Er leckte sich mit der Zunge über die Lippen und fuhr fort: „Aber komm wenigstens wieder mit nach Hause. Es ist eiskalt, du holst dir hier draußen noch den Tod!“ „Ich kann mich aufhalten, wo auch immer ich will“, entgegnete Crocodile stur. Er sah überhaupt nicht ein, wieso er sich in irgendeiner Form nach seinem Verlobten richten sollte. „Das geht dich gar nichts an.“ „Crocodile“, sagte Doflamingo in einem bittenden Tonfall, „lass uns nach Hause gehen. Hier in der Kälte zu sitzen bringt weder dir noch mir etwas. Am besten schläfst du für ein paar Stunden und morgen reden wir dann in Ruhe darüber, was vorgefallen ist.“ „Ich bleibe hier“, gab Crocodile zurück und rührte sich keinen Millimeter. „Deine Lippen sind schon ganz blau“, versuchte sein Verlobter auf ihn einzureden. Ungefragt griff er nach seiner Hand. „Und du bist eiskalt!“ „Fass mich nicht an“, blaffte Crocodile und riss sich sofort los. „Du verhältst dich wie ein bockiges Kind“, schimpfte Doflamingo, der allmählich die Geduld verlieren zu schien. „Ich kann verstehen, dass du nicht begeistert davon bist, was zwischen Monet und mir vorgefallen ist. Aber anstatt nach Hause zu kommen und in Ruhe mit mir darüber zu reden, schaltest du auf stur! Du willst doch selbst überhaupt nicht hier draußen in der Kälte bleiben. Du hast nicht einmal eine Jacke dabei. Hier - nimm meinen Mantel!“ Doflamingo schlüpfte aus dem schrecklichen, pinken Federmantel, den er trug, und hielt ihn seinem Partner hin. Obwohl Crocodile zitterte wie Espenlaub, war er viel zu stolz, um dieses Angebot anzunehmen. „Ich will deinen hässlichen Mantel nicht!“, meinte er zähneklappernd und blickte demonstrativ in eine andere Richtung. Crocodile war immer noch wütend und enttäuscht und hatte kein Interesse an den fürsorglichen Gesten seines Verlobten, solange dieser nicht endlich seinen Fehler einsah und sich dafür bei ihm entschuldigte. Doch Doflamingo war mindestens genauso stur wie er selbst. Anstatt Crocodiles Ablehnung zu akzeptieren, stürzte er sich kurzerhand mit dem Federmantel auf ihn. Er legte ihm den Mantel um die Schultern und verhinderte, dass er diesen wieder abschüttelte, indem er ihn mit beiden Armen fest umklammerte. Crocodile konnte nichts dagegen tun; Doflamingo war der Stärkere von ihnen beiden. Und um ehrlich zu sein, fühlten sich die weichen, warmen Federn und die schweren Arme seines Partners unfassbar angenehm an. Instinktiv lehnte Crocodile sich in die Umarmung hinein. Er schloss für einen kurzen Moment seine Augen und nahm Doflamingos Körperwärme und seinen fruchtig-herben Geruch auf. Und dann kamen auf einmal wieder die Tränen. Er konnte nichts dagegen tun. Sie liefen heiß und in Strömen über seine Wangen und landeten auf den pinken Federn und auf Doflamingos Brust, die plötzlich ganz nah bei ihm war. Schluchzend wollte Crocodile sie mit seinem Hemdsärmel (der inzwischen schon ganz nass war) wegwischen, doch der schraubstockartige Griff seines Verlobten war so fest, dass er sich nicht bewegen konnte. „Was ist denn los?“, fragte Doflamingo bestürzt und wischte die Tränen mit seinem Daumen fort. „Warum weinst du?“ „Mir ist so kalt“, log Crocodile, weil er selbst nicht wusste, was auf einmal in ihn gefahren war. „Lüg mich nicht an“, erwiderte sein Partner mit überraschend sanfter Stimme. Er stand von der Bank auf, nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinüber zum Parkplatz, wo sein Aston Martin DBS V12 geparkt stand. Als er sie beide bemerkte, stieg der Fahrer aus, um ihnen die Fahrzeugtüre zu öffnen, doch Doflamingo bedeutete ihm mit einer schnellen Handbewegung, dass er sich hinter's Steuer setzen sollte. Die Türe öffnete er stattdessen selbst. Im Wagen lief die Heizung. Erst jetzt spürte Crocodile wirklich, wie kalt die Nacht war und wie sehr er fror. Seine Gliedmaßen fühlten sich steif an und seine Zehen und Finger schmerzten fürchterlich. „Läuft die Party immer noch?“, fragte Crocodile mit matter Stimme, während der Aston Martin den Parkplatz verließ. Doflamingo schüttelte den Kopf. „Die meisten Leute sind inzwischen gegangen“, antwortete er. „Ich glaube, nur Law, Kid, Bellamy und Vergo sind noch da.“ „Sind sie wegen mir gegangen?“, fragte Crocodile. Es war nicht seine Absicht gewesen, die ganze Party zu ruinieren. „Wohl eher wegen mir“, meinte sein Verlobter gleichmütig. „Du wirst dir denken können, dass meine Laune nicht mehr die allerbeste war, nachdem du weggelaufen bist. Da haben sich die Gäste dann mehr oder weniger von selbst verzogen.“ „Das wollte ich nicht“, sagte Crocodile und rieb mit den Fingern über seine Lippen; sie fühlten sich taub an. „Es war sowieso keine richtige Party“, versuchte sein Verlobter ihn zu trösten. Crocodile brachte ein schwaches Lächeln zustande. Er fühlte sich absolut miserabel. Körperlich und seelisch. Nicht nur die Sache mit Doflamingo und Monet, sondern auch die Auseinandersetzung mit seiner Schwester Hancock nagte an ihm. Crocodile hatte das Verhältnis zu seinen Geschwistern immer für unantastbar gehalten. Dass er sich auf Mihawk und Hancock jederzeit bedingungslos verlassen konnte, war ein ungeschriebenes Gesetz. Es verletzte ihn tief, dass seine Schwester ihn verraten hatte, um die 75.000 Berry, welche diese von Doflamingo erhalten hatte, nicht zu gefährden. „Hancock tut es übrigens leid, was sie gesagt hat“, sagte Doflamingo, so als könnte er seine Gedanken lesen. „Sie hat mir am Telefon erzählt, dass du dich ihr anvertraut hast und sie versucht hat alles herunterzuspielen, weil sie auf keinen Fall möchte, dass wir beide uns trennen.“ „Lass uns jetzt nicht über Hancock reden“, meinte Crocodile. Er legte den Kopf in den Nacken und fixierte den mit teurem Stoff überzogenen Fahrzeughimmel. „Sie hat mir auch gesagt, dass du befürchtest, ich hätte dich mit Monet betrogen“, fuhr Doflamingo fort. „Also, dass dieser One-Night-Stand nicht vor, sondern während unserer Beziehung passiert ist. Dazu will ich sagen...“ „Lass uns jetzt auch nicht über Monet reden“, unterbrach Crocodile seinen Verlobten. Plötzlich fühlte er sich furchtbar müde und erschöpft. Obwohl er sich nicht bewegte, schien sein Puls zu rasen. Um ehrlich zu sein, wollte er sich einfach bloß ins Bett legen und ein paar Stunden lang schlafen. Crocodile schloss seine Augen und atmete tief ein und aus. Er spürte, wie hin und wieder seine Arme und Beine unkontrolliert zu zittern begannen. „Du hättest nicht so lange draußen in der Kälte bleiben dürfen“, hörte er Doflamingo mit teils besorgt, teils vorwurfsvoll klingender Stimme sagen. „Du bist völlig unterkühlt. Ich wünschte mir wirklich, du hättest auf meine Nachrichten reagiert und wärst wieder nach Hause gekommen. Immerhin hattest du nicht einmal eine Jacke dabei.“ „Jetzt bin ich ja im Warmen“, versuchte Crocodile seinen Partner zu beruhigen. „Also mach dir keine Sorgen.“ „Das sagst du so leicht“, brummte Doflamingo und berührte seine Haut. „Du fühlst dich immer noch eiskalt an. Am besten legst du dich gleich direkt ins Bett.“ Als sie beide das Foyer der Villa betraten, wurden sie sofort von Law, Kid, Bellamy und Vergo in Empfang genommen. „Da bist du ja endlich“, meinte Law an Crocodile gewandt. „Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht! Geht es dir gut? Du bist ganz blass im Gesicht.“ „Ich bin immer blass“, erwiderte er mit matter Stamme. Es war ihm sehr unangenehm, dass man sich offensichtlich um ihn sorgte. „Mir fehlt nichts; ich bin nur müde.“ „Trink am besten einen gezuckerten Tee, bevor du dich schlafen legst“, riet Law ihm. „Das hilft, deinen Körper wieder aufzuwärmen.“ „Ich bringe dir auch eine Wärmflasche“, schaltete sich Doflamingo ein. Crocodile nickte. Nachdem er allen Gästen einen guten Heimweg gewünscht hatte, machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer. Sein Verlobter folgte ihm auf den Fuße; in seinen Händen hielt er eine mit Tüchern umwickelte Wärmflasche. Mit ungeschickten Bewegungen entkleidete Crocodile sich und schlüpfte unter die Bettdecke. Doflamingo legte die Wärmflasche dazu. Es war ein unfassbar angenehmes Gefühl. Viel besser als draußen in der Kälte zu sitzen, fand Crocodile, und seufzte wohlig auf. Sofort fielen seine Augen zu. Er spürte, dass er kurz davor war, ins Land der Träume abzudriften, als er seinen Verlobten fragen hörte: „Geht es für dich in Ordnung, wenn ich mich zu dir lege? Oder soll ich lieber im Gästezimmer übernachten?“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis Crocodile begriff, worauf Doflamingo hinauswollte. „Leg dich hin“, meinte er schließlich mit leiser Stimme. Sein Partner hatte dieses Bett bezahlt und es stand in seiner Villa; Crocodile hatte also kein Recht, ihn davon fernzuhalten. Wenn er sich wünschte, dass sie beide getrennt schliefen, dann müsste er selbst ins Gästezimmer ziehen und nicht anders herum. Doflamingo schälte sich hastig aus seiner Kleidung und schlüpfte zu ihm unter die Decke. Er zögerte für einen kurzen Moment, doch entschied sich dann dazu, den Arm um die Hüfte seines Verlobten zu legen. Crocodile ließ die Berührung zu. Weniger als eine halbe Minute später war er tief und fest eingeschlafen. Als Crocodile am nächsten Morgen aufwachte, ging es ihm überraschenderweise ziemlich gut. Seine Finger und Zehen fühlten sich nicht mehr taub an und ihm war auch nicht mehr nach Heulen zumute. Er gähnte leise, befreite sich von Doflamingos festen Griff um seinen Körper und richtete sich im Bett auf. Die Uhr über der Türe zum angrenzenden Badezimmer sagte ihm, dass es beinahe zwölf Uhr mittags war. Für seine Verhältnisse hatte Crocodile ziemlich lang geschlafen. Er wollte gerade aufstehen, um zu duschen, als er merkte, dass sein Verlobter einen langgezogenen Brummlaut von sich gab und alle Gliedmaßen ausstreckte. Crocodile musste in Deckung gehen, um nicht von einem muskuslösen Arm getroffen zu werden. „Hey!“, wies er Doflamingo mit genervter Stimme zurecht, als ihn dann stattdessen mit voller Wucht dessen Bein unter der Bettdecke traf. „Pass doch auf!“ Dass Crocodile wochentags immer eine Stunde früher aufstand als sein Partner, lag nicht bloß an ihren unterschiedlichen Arbeitszeiten. Wenn Doflamingo kurz davor war aufzuwachen, verwandelte sich dieser nämlich hin und wieder in einen Boxchampion, der den Körper seines Nebenmannes mit einem Boxsack zu verwechseln schien. Zum Glück gelang es Crocodile recht schnell ihn aufzuwecken und auf diese Weise zu verhindern, dass er einen weiteren Tritt mit dem Fuß kassierte. „Morgen“, begrüßte Doflamingo ihn mit matter Stimme und richtete sich im Bett auf. „Wie hast du geschlafen, Croco?“ „Ganz gut“, antwortete er wahrheitsgemäß und strich ein paar Haarsträhnen, die ihm ungekämmt ins Gesicht fielen, mit der Hand nach hinten. Der Nachteil bei langen Haaren bestand darin, dass man morgens immer aussah als hätte nachts ein Wirbelsturm im Schlafzimmer gewütet. Doflamingo schien sich daran nicht zu stören. „Weißt du eigentlich, wie sexy du bist?“, meinte er lüstern grinsend und berührte mit den Fingerspitzen die nackte Brust seines Verlobten. Crocodile zögerte. Ihm war klar, worauf sein Verlobter hinauswollte. Doch er war nicht sicher, ob er sich darauf einlassen wollte. Sollten sie nicht lieber zuerst über all die Dinge sprechen, die noch offen im Raum standen, ehe sie sich miteinander vergnügten? [zensiert] Seufzend griff Crocodile nach dem Paket Taschentücher, das (für genau solche Zwecke, um ehrlich zu sein) auf seinem Nachttisch lag. Er benötigte sechs Tücher, um die Sauerei auf seinem Oberkörper auch nur halbwegs in den Griff zu kriegen. „Wir sind jetzt seit fast einem Jahr zusammen“, meinte Doflamingo, der ihn dabei beobachtete, wie er sich säuberte, „und du hast deine Sperma-Phobie immer noch nicht überwunden.“ Seine Stimme klang teils amüsiert, teils resigniert. „Ich habe keine Phobie“, erwiderte Crocodile kühl. Er griff nach einem siebten Taschentuch, um auch die letzten Reste von seiner Haut zu entfernen. „Ich mag Sperma nur einfach nicht sonderlich.“ „Aber wieso denn nicht?“, bohrte sein Verlobter nach. „Was genau findest du daran eklig?“ „Naja...“ Crocodile zögerte für einen Augenblick. Er hatte mit diesem Gesprächsthema nicht gerechnet gehabt. „Es ist... es ist warm und hat eine komische Konsistenz. Und meistens schmeckt es auch widerlich. Ich ekele mich nicht davor, aber ich finde einfach, dass es keinen wirklich guten Grund gibt, um darauf abzufahren.“ „Ich bemühe mich immer darum, dafür zu sorgen, dass mein Sperma so gut wie möglich schmeckt“, meinte Doflamingo unverfänglich. Er klang, als würde er gerade über eine völlig normale Sache sprechen. „Du weißt schon, ich esse viel Ananas und so.“ „Ob das nun wirklich viel ausmacht...“, zweifelte Crocodile. Enel zum Beispiel hatte auch gerne Ananas gegessen, doch sein Sperma hatte wirklich furchtbar geschmeckt. „Klar macht das viel aus! Die Ernährung spielt da eine große Rolle: Wenn man viel zuckerhaltige Lebensmittel konsumiert, schmeckt das Sperma süßer. Spargel, Knoblauch und Curry zum Beispiel machen es bitter. Das weiß doch wirklich jeder, Wani!“ Crocodile zog eine Augenbraue hoch; wirklich überzeugt war er immer noch nicht. „Ich glaube, das ist bloß ein Mythos“, erwiderte er mit zweifelnder Stimme. „Quatsch, das ist kein Mythos“, hielt Doflamingo dagegen. Er schien von seiner Meinung wirklich felsenfest überzeugt zu sein. „Mein Sperma schmeckt doch auch relativ süß, oder nicht? Das liegt daran, dass ich so viele Früchte zu mir nehme!“ „Dein Sperma schmeckt ganz okay“, gestand er. „Da hatte ich schon deutlich schlimmere Kandidaten.“ „Wen denn so?“, wollte Doflamingo wissen. „Du weißt, dass ich nicht gern über meine Exfreunde rede“, erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. Er bereute es bereits, sich überhaupt auf dieses Gespräch eingelassen zu haben. „Es geht doch nur um ihr Sperma“, wendete Doflamingo, der sehr neugierig klang, ein. „Nicht um etwas persönliches.“ „Gibt es überhaupt etwas persönlicheres als die Frage, wie das Sperma von irgendjemandem schmeckt?“, gab Crocodile kopfschüttelnd zurück. „Ach, komm schon“, bettelte Doflamingo. „Sag mir wenigstens, wessen Sperma am allerschlimmsten geschmeckt hat!“ „Enel“, antwortete Crocodile nach kurzem zögern. Er hoffte, damit diese Diskussion endlich beenden zu können. „Wie hat es denn geschmeckt?“ „Ich.... Also gut, aber danach hören wir auf über solchen Blödsinn zu reden! Sein Sperma hat... naja... nach einer Mischung aus Spülmittel und verdorbener Milch geschmeckt. Es war wirklich eklig.“ Doflamingo verzog angewidert das Gesicht. „Du Armer“, meinte er mit mitleidiger Stimme. „Wenn das so ist, kann ich nachvollziehen, warum du dir das Schlucken abgewöhnt hast.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. Er hielt es für klüger, seinem Verlobten zu verschweigen, dass er schon kein Freund des Schluckens gewesen war, bevor er Enel kennengelernt hatte. „Wollen wir zusammen duschen?“, fragte Doflamingo, der zu bemerken schien, dass Crocodile keine Lust mehr hatte über Körperflüssigkeiten jedweder Art zu sprechen. „Zuerst sollten wir uns über Monet unterhalten“, gab Crocodile mit ruhiger Stimme zurück. Doflamingo verzog das Gesicht. „Ist das unbedingt notwendig?“, fragte er mit unwilliger Stimme. „Ich meine... wir haben heute Nacht zusammen in einem Bett geschlafen und gerade hatten wir Sex. Eigentlich haben wir uns wieder vertragen, nicht wahr? Deshalb denke ich, dass wir gar nicht mehr über diese Sache mit Monet reden müssen.“ „Ich denke, dass wir sehr wohl darüber reden sollten“, erwiderte Crocodile und blickte seinen Verlobten aus ernsten Augen heraus an. Doflamingo knickte sofort zusammen. „Wir können nicht einfach so tun als wäre nie etwas passiert. Wie soll ich Monet denn je wieder in die Augen sehen?! Ich möchte, dass wir beide diese Sache ein- für allemal klären!“ „Also gut“, gab Doflamingo sich geschlagen. Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar und sagte dann: „Ich, ähm, ich werde dir jetzt einfach mal erzählen, was eigentlich passiert ist. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich dich bei einem Geschäftsessen kennengelernt. Ich habe mich sofort in dich verliebt - und mit sofort meine ich wirklich sofort: Ich habe den Raum betreten, zu dir herüber gesehen und es war auf der Stelle um mich geschehen. Ich weiß noch ganz genau, dass mir ein warmer Schauer über den Rücken gelaufen ist, als sich unsere Blicke kreuzten. Also bat ich dich gleich nach dem Essen um ein Date. Du hast gesagt, dass du dich sehr geschmeichelt fühlst, aber am Ende trotzdem abgelehnt. Um ehrlich zu sein, war ich total frustriert. Es klingt vielleicht ein bisschen eingebildet, aber ich bin es gewöhnt, dass mir Männer und Frauen, die wissen, dass ich vermögend bin, in Scharen hinterherlaufen. Dass du offenbar kein Interesse an mir hattest, ergab für mich überhaupt keinen Sinn. Immerhin arbeitest du ja für die Bank, die mein Geld verwaltet. Er muss doch ganz genau wissen, wie reich ich bin, habe ich mir überlegt, wieso will er trotzdem nicht mir ausgehen? Ich dachte mir, dass du bereits vergeben, vielleicht sogar verheiratet wärst. Oder einfach hetero. Jedenfalls gab ich so schnell nicht auf. Ich wollte dich unbedingt für mich gewinnen und ich war bereit, absolut alles dafür zu tun. Ich habe in der Bank herumgefragt und eine Menge über dich herausgefunden. Deine Sekretärin Robin hat mir erzählt, dass du Männern nicht abgeneigt bist. Und single, schon solange sie dich kennt. Darüber war ich natürlich froh, aber diese Informationen warfen auch sehr viele Fragen auf. In meinen Augen ergab deine Abweisung nun noch weniger Sinn: Single, mag Männer... Warum will er mich dann nicht? Ich habe Sengoku zu dieser Zeit so oft wie möglich in der Bank besucht und bin dabei ständig an der Türe zu deinem Büro vorbeigegangen, nur in der Hoffnung zufällig auf dich zu stoßen. Noch nie zuvor habe ich für jemanden solche Gefühle entwickelt wie für dich, Crocodile, und es kam für mich nicht infrage einfach aufzugeben. Immer wieder habe ich dich gefragt, ob du mit mir ausgehen möchtest. Und jedes Mal hast du mich zurückgewiesen. Es war zum Verrücktwerden: Du warst der einzige, den ich wollte. Und der einzige, der meine Avancen so vehement ablehnte. Fast drei Wochen lang wiederholte sich dieses Muster ohne sich zu ändern. Ich war schrecklich frustriert und um ehrlich zu sein, auch kurz davor die Hoffnung aufzugeben. An diesem Abend betrank ich mich mit ein paar Freunden hemmungslos. Das meine ich wirklich ernst: Ich kippte ein Glas Wodka nach dem nächsten herunter und badete in Selbstmitleid. Du warst so nah und doch so fern. Ich hatte die Liebe meines Lebens getroffen, aber sie wollte rein gar nichts von mir wissen. Während meine Freunde (dazu zählte auch Monet) fröhlich feierten und ihr Bestes gaben, um mich aufzuheitern, versuchte ich bloß meine Enttäuschung mit Alkohol zu betäuben. Irgendwann entschied Monet, dass ich für heute Abend genug getrunken hatte und wollte mich ins Bett bringen. Ich war schon so betrunken, dass ich kaum laufen konnte. Sie startete nicht einmal den Versuch, mich nach oben ins Schlafzimmer zu bringen, sondern lotste mich ins nächste Gästezimmer. Und naja, dann kam das Eine zum Anderen. Ich weinte mich bei ihr aus, erzählte ihr wie schrecklich frustriert ich war und sie bemühte sich darum mich zu trösten. Irgendwann... wurde es dann, nun ja, körperlich. Ich war betrunken und es fühlte sich gut an, als sie mich in den Arm nahm... An den Sex kann ich mich gar nicht mehr genau erinnern. Ich weiß nur noch, dass er ziemlich schlecht war. Zuerst habe ich nicht einmal einen hochgekriegt. Keine Ahnung,ob das an meinem Frust oder am Alkohol lag. Danach sind wir nebeneinander eingeschlafen und erst am nächsten Morgen wurde mir so wirklich klar, was passiert ist. Wir beide haben darüber geredet und einvernehmlich entschieden, dass dieser One-Night-Stand eine einmalige Sache bleiben sollte. Ich glaube, Monet war genauso verwirrt und geschockt wie ich. Vorher hatte es zwischen uns beiden nie etwas gegeben, nicht einmal ein Knistern oder so. Jedenfalls haben wir uns dazu entschieden, dieses Versehen (ich weiß noch, so haben wir es genannt) für uns zu behalten und niemals wieder darüber zu sprechen. Wir, naja, hatten keine Lust auf dumme Witze aus dem Freundeskreis und solche Sachen. Drei Tage später bat ich dich ein letztes Mal um eine Verabredung. Ein letztes Mal nicht nur deswegen, weil du mir endlich zugesagt hast, sondern weil ich mir vorgenommen hatte, danach aufzugeben und deine Ablehnung zu akzeptieren. Du kannst dir gar nicht vorstellen, Crocodile, wie glücklich du mich an diesem Tag gemacht hast. Und was sich danach aus diesem ersten Date entwickelt hat, weißt du ja selbst. Du hast mich gefragt, ob ich dich gleich am nächsten Abend wiedersehen wollte. Ab dem dritten Date habe ich dann angefangen unsere Beziehung im Kopf nicht mehr unter wir daten uns, sondern unter wir sind zusammen zu führen. So ist es damals gewesen. Das schwöre ich dir bei allem, was mir lieb und teuer ist! Ich schwöre es dir sogar beim Namen meiner Mutter! Genau so und nicht anders lief es vor einem Jahr ab! Das musst du mir glauben, Crocodile! Mehr war da nie!“ „Ich glaube dir“, meinte Crocodile. Er fand, dass Doflamingos Geschichte einleuchtend klang. „Trotzdem frage ich mich, wieso du diesen One-Night-Stand so lange vor mir geheim gehalten hast?“ „Wie gesagt“, erwiderte sein Verlobter, „ich habe ihn nicht nur vor dir, sondern vor allen Leuten geheim gehalten. Monet und ich wollten da einfach keine große Sache draus machen. Law, Vergo und die Anderen haben auch erst gestern davon erfahren. Jetzt im Nachhinein begreife ich natürlich, dass das nicht richtig war. Du hast Recht, ich hätte dir davon erzählen müssen. Ich kann verstehen, dass du dir irgendwie betrogen vorkommst. Aber denk bitte daran, dass es nie meine explizite Absicht war dich anzulügen. Es ist alles wirklich bloß ein riesiges Missverständnis.“ Crocodile nickte. Er seufzte leise und schwieg für eine Weile, ehe er schließlich sagte: „Okay, das geht für mich in Ordnung. Ich glaube dir, dass der One-Night-Stand mit Monet vor unserer Beziehung stattgefunden hat. Dass du mich im Dunkeln gelassen hast, kann ich nachvollziehen, auch wenn ich es natürlich nicht gutheiße.“ „Gut“, erwiderte Doflamingo mit erleichterter Stimme. Er schien sich wirklich große Sorgen gemacht zu haben. „Ich bin froh, dass wir dieses Thema nun abgehakt haben und zur Normalität zurückkehren können.“ „Eine Sache gibt es da noch“, wendete Crocodile ein und ignorierte gekonnt den genervten Seufzer seitens seines Verlobten. „Ich möchte, dass du deine Freundschaft mit Monet beendest.“ Diese Forderung ließ Doflamingo in Gelächter ausbrechen, das sich jedoch in lautes Husten verwandelte, als er begriff, dass es nicht um einen Scherz handelte. „Das ist nicht dein Ernst!“, meinte er mit ungläubiger Stimme. Sein Blick drückte pures Entsetzen aus. „Das kannst nicht von mir verlangen! Ich kenne Monet schon seit mehr als zwölf Jahren!“ „Du hast mit ihr geschlafen“, entgegnete Crocodile und presste wütend seine Zähne aufeinander. „Wie soll ich denn mit ihr zurechtkommen, jetzt wo ich davon weiß? Jedes Mal, wenn ich ihr ins Gesicht schaue, werde ich daran denken müssen, dass sie weiß wie dein Schwanz aussieht! Und wie er sich anfühlt! Das geht nicht in Ordnung!“ „Kann ich verstehen“, gab sein Partner zurück. „Wenn du nicht mehr länger mit Monet befreundet sein möchtest, dann respektiere ich diese Entscheidung von dir. Aber du hast kein Recht mir den Kontakt zu ihr zu verbieten! Sie ist eine langjährige Freundin, damit wirst du leben müssen!“ „Eine langjährige Freundin, mit der du geschlafen hast!“, wendete Crocodile ein und zog wütend die Augenbrauen zusammen. Es ärgerte ihn, dass Doflamingo auf seine Forderung nicht eingehen wollte. Bisher war ihr Streitgespräch so gut gelaufen. Warum musste sein Verlobter jetzt alles wieder kaputt machen? „Wie soll ich mich fühlen, wenn ihr beide irgendetwas unternehmt? In eine Disco geht und Alkohol trinkt zum Beispiel? Werde ich befürchten müssen, dass ihr wieder Sex miteinander habt?!“ „Das wird nie wieder passieren“, erwiderte Doflamingo aufgebracht. „Monet ist und bleibt meine Freundin! Nicht mehr und nicht weniger! Und dass du mir unterstellst, ich würde dich womöglich mit ihr betrügen, ist doch wirklich die Höhe!“ „Sie scheint dir ja zu gefallen“, wendete Crocodile ein. „Sonst wärst du wohl kaum mit ihr im Bett gelandet! Du kannst mir nicht erzählen, dass du sie nicht attraktiv findest!“ „Bei Monet handelt es sich durchaus um eine attraktive Frau“, gab sein Verlobter zu, „aber das bedeutet mir nichts. Dass ich ausgerechnet mit ihr geschlafen habe, war ehrlich gesagt absoluter Zufall. Es hätte auch irgendjemand anders sein können!“ „Pica zum Beispiel?“, zog Crocodile diese Aussage zähneknirschend ins Lächerliche. „Diamante? Vergo? Hör auf mich zu verarschen, Doflamingo! Du hast mit ihr geschlafen, weil du sie geil fandest!“ „Ich habe doch schon gesagt gehabt, dass sie sehr attraktiv ist“, meinte Doflamingo, der sich ernsthaft darum zu bemühen schien ruhig zu bleiben. „Aber das ist doch völlig irrelevant! Jetzt bin ich mit dir zusammen! Wir beide sind verlobt, verdammt nochmal!“ „Und als dein Verlobter verlange ich, dass du deine Freundschaft zu Monet beendest!“ Allmählich verlor Crocodile die Geduld. „Wer ist dir wichtiger? Sie oder ich? Wenn ich doch die Liebe deines Lebens bin, wie du ständig behauptest, warum fällt dir die Entscheidung dann so schwer?!“ „Weil sie schon seit über zwölf Jahren meine beste Freundin ist!“, brüllte Doflamingo zurück. „Sie ist mir auch wichtig. Auf eine andere Weise natürlich. Wie würde es dir gefallen, wenn ich von dir verlange, dass du den Kontakt zu Daz abbrichst? Oder zu deinen Geschwistern?!“ „Ich habe weder in Daz noch in Mihawk oder Hancock je meinen Schwanz reingesteckt!“, zischte Crocodile. „Stell du dir nur einmal vor, ich wäre noch mit Marco befreundet! Oder mit Enel! Mit Smoker oder irgendeinem anderen Exfreund von mir! Du würdest doch auch verlangen, dass ich den Kontakt abbreche! Also tu nicht so scheinheilig!“ „Mit denen bist du ja auch eine lange Zeit zusammen gewesen“, argumentierte Doflamingo. „Zwischen Monet und mir lief nur eine einzige Nacht etwas. Das kannst du gar nicht miteinander vergleichen!“ „Du verstehst das einfach nicht! Du gottverdammter Idiot!“ Crocodile warf seinem Verlobten einen wütenden Blick zu und wischte sich verzweifelt mit der Hand über seine Augen. Dieses Thema ging ihm ganz schrecklich an die Nieren. Er spürte schon wieder, dass die Tränen zurückkehrten. „Ich verstehe es wirklich nicht“, gab Doflamingo zurück. Er wirkte immer noch empört, doch bemühte sich angesichts seines Verlobten, der sichtlich um Fassung rang, um einen sachlich Tonfall. „Kannst du... kannst du meine Freundschaft zu Monet nicht einfach akzeptieren? Ich habe dir die Situation doch erklärt gehabt. Warum bist du immer noch so eifersüchtig?“ „Weil sie eine Frau ist, verdammt nochmal!“, brach es schließlich aus Crocodile hervor. Kaum hatte er die Worte ausgespien, brachen die Tränen aus ihm hervor wie aus einem Wasserfall. Er konnte nichts dagegen tun und hatte auch nichts, um sie wegzuwischen. Noch immer waren sie beide splitternackt. „Weil sie eine Frau ist?“, wiederholte Doflamingo perplex. Er wollte seinen weinden Verlobten in eine Umarmung ziehen, doch dieser stieß ihn mit der Hand fort. Crocodile schämte sich seiner Tränen. Beklommen wandte er den Blick ab und griff kurzerhand nach der Bettdecke, um sein Gesicht darin zu vergraben. Ihm war diese Situation schrecklich unangenehm und er bereute es, seinen Partner zu diesem Gespräch gedrängt zu haben. „Was meinst du damit?“ Doflamingo ließ nicht locker. Er rückte so nah wie möglich an ihn heran und versuchte erneut ihn zu umarmen. Crocodile, der völlig verzweifelt war, ließ zumindest zu, dass er ihm über den Kopf streichelte. „Bitte sprich mit mir! Was ist denn überhaupt los? Ich meine... Ich bin bi, also spielt es doch eigentlich keine Rolle, ob es sich bei Monet um eine Frau handelt oder nicht?“ „Ich bin keine Frau“, schluchzte Crocodile ohne Doflamingo ins Gesicht zu sehen. „Weiß ich doch“, erwiderte sein Verlobter und wagte ein zaghaftes Lächeln. „Habe ich vor weniger als einer halben Stunde erst nachgeprüft. Aber ich verstehe nicht, warum das so wichtig ist? Ich mag doch auch Männer!“ „Jeder bisexuelle Mann, mit dem ich je zusammen war, hat mich am Ende für eine Frau verlassen“, meinte Crocodile mit verzweifelter Stimme. „Und du redest ständig über Kinder... Überall höre ich, was für ein toller Vater du wärst... Manchmal frage ich mich, ob du nicht lieber mit einer Frau zusammenwärst als mit mir. Eine Frau, die intelligent und hübsch ist. Die immer fröhlich ist und liebend gern Kinder hätte. So eine Frau wie Monet!“ „Ich liebe dich“, sagte Doflamingo sofort. Er versuchte ihn auf den Mund zu küssen, doch weil Crocodile sein Gesicht nicht von der Bettdecke lösen wollte, begnügte er sich mit dessen Stirn. „Ich will mit keinem außer dir zusammen sein. Ich habe nicht Monet einen Heiratsantrag gemacht, sondern dir! Das darfst du nicht vergessen! Bitte... ich... hör bitte auf zu weinen... Ich kann es nicht ertragen, wenn du weinst...!“ „Ich will doch auch gar nicht weinen“, erwiderte Crocodile aufgelöst. „Aber ich kann nichts dagegen tun!“ „Dass ich ständig über Kinder rede, tut mir leid“, meinte Doflamingo und drückte ihn an sich. Dieses Mal ließ Crocodile die Umarmung geschehen. „Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich dich mit diesem Thema so sehr bedränge. Wir hatten ja schon einmal darüber gesprochen und du hast mir gesagt gehabt, dass du nicht weißt, ob du mal Vater werden möchtest oder nicht. Ich weiß, das sollte ich auch respektieren... Es ist nur... Ich hatte lange Zeit keine Familie mehr. Meine Mutter ist tot, mein Vater ist tot, mein Bruder ist tot. Und... naja... mir gefällt der Gedanke, mit dir eine neue Familie zu gründen. Aber es ist nie meine Absicht gewesen, dich mit meinem Kinderwunsch in die Verzweiflung zu treiben! Ich... Scheiße.... Bedrückt dich das schon lange?!“ Crocodile nickte zaghaft. Allmählich fand er wieder zu sich. „So etwas in der Art habe ich mir schon gedacht“, meinte er leise schniefend. „Also, dass du gern wieder eine Familie hättest. Und ich habe das Gefühl, seit Hancock schwanger ist, redest du über nichts Anderes mehr. Diese Andeutung als wir den Kinderwagen für das Baby gekauft haben... Die beiden Katzen, die du mir geschenkt hast. Und so weiter halt. Manchmal komme ich mir deswegen total unzulänglich vor. Ich meine... selbst wenn ich wollte, könnte ich dir deinen Wunsch nach leiblichen Kindern nicht erfüllen. Und... als ich jetzt von dir und Monet erfahren habe... Ich... Keine Ahnung...“ „Ich würde dich niemals gegen eine Frau eintauschen“, flüsterte Doflamingo. „Weder gegen Monet noch sonst irgendjemanden. Adoption, Leihmutterschaft... Es gibt heutzutage viele Wege, um Vater zu werden. Und wenn du lieber keine Kinder haben möchtest, dann werde ich mich wohl oder übel damit abfinden müssen. Du bist bald mein Ehemann, Crocodile. Du bist meine Familie! Und du bist mehr als mir irgendjemand anders je geben könnte!“ „Danke“, hauchte Crocodile und schloss seine Augen. Plötzlich fühlte er sich viel besser, aber kam sich gleichzeitig auch furchtbar dumm vor. „Vergiss diese Sache mit Monet einfach“, meinte er und atmete den fruchtig-herben Geruch seines Verlobten ein. „Also, was ich gesagt habe. Diese Nacht zwischen euch beiden war eine einmalige Sache und ist vor unserer Zeit passiert. Du hast Recht. Es gibt keinen Grund, um sich so aufzuregen.“ * Am Montag erwarteten ihn auf der Arbeit gleich zwei Überraschungen: Zum Einen stieß Crocodile auf seine ehemalige Sekretärin Robin. Er beobachtete zufällig, wie sie das Büro seines Chefs Franky verließ. Dieser hatte ihn zu sich rufen lassen, um mit ihm über ein wichtiges Thema zu sprechen. Als sie ihn im Gang bemerkte, legte sich eine leichte Röte auf ihre Wangen. „Hallo, Crocodile“, begrüßte sie ihn freundlich und schien sich um ein möglichst seriös wirkendes Auftreten zu bemühen. „Wie geht es dir?“ „Gut, danke“, antwortete Crocodile, dem sofort klar war, was seine attraktive Sekretärin hier verloren hatte. „Das freut mich“, meinte Robin. „Ich habe gehört, dass du wirklich ausgezeichnete Arbeit leistest. Franky hat mir eben erzählt, dass ihr bei der diesjährigen Messe einen Besucheranstieg von über 28% verbuchen konntet. Es ist schön, dass du dich in deinem neuen Job wohlzufühlen scheinst.“ „Mir gefällt es hier sehr gut“, gestand Crocodile. „Die Kollegen sind sehr nett und hilfsbereit. Das Arbeitsklima ist deutlich besser als bei der Bank.“ „Sehr schön.“ Robin, bei der es sich normalerweise um eine ziemlich kühle Persönlichkeit handelte, senkte verlegen den Blick. Offenbar war ihr dieses Aufeinandertreffen peinlich. Crocodile beschloss, sie aus ihrer Misere zu befreien. „Es hat mich gefreut dich mal wiederzusehen“, sagte er und bemühte sich um einen freundlichen Gesichtsausdruck, „aber ich muss jetzt weiter. Franky möchte mich unbedingt sprechen und ich will ihn nicht länger warten lassen. Bis bald, Robin!“ „Auf Wiedersehen“, gab seine ehemalige Sekretärin von sich und huschte leichtfüßig davon. Es verwunderte Crocodile nicht, als Franky ihn mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßte. Er wirkte ziemlich gut gelaunt. „Crocodile“, meinte er und deutete mit einer einladenden Handbewegung auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch, „setz dich doch bitte!“ „Danke“, gab Crocodile zurück und ließ sich nieder. Es handelte sich um einen sehr bequemen Polsterstuhl. „Du wolltest mich sprechen?“ Franky nickte. „Es gibt ein paar Dinge, über die wir beide uns unbedingt unterhalten müssen“, sagte er und zwinkerte ihm zu. Crocodile schluckte schwer. Er ahnte, worum es nun gehen würde. Und obwohl Franky alles Andere als schlecht gelaunt wirkte, konnte Crocodile nicht verhehlen, dass ihn die Nervosität packte. Von dieser Arbeitsstelle hing seine gesamte Existenz ab: Wenn Franky seinen befristeten Arbeitsvertrag nicht verlängerte, würde er seine Schulden nicht tilgen können und es würde ihm auch nicht gelingen, seine Situation weiterhin vor Doflamingo geheimzuhalten. Sollte sein Chef ihm mitteilen, dass er ihn aus ihrem Arbeitsverhältnis entließ, würde das Netz aus Lügen, das er in den letzten Monaten so verzweifelt versucht hatte aufrechtzuerhalten, endgültig in sich zusammenfallen. „Wie gefällt es dir bei Tom's Workers?“, fragte Franky ihn und fuhr sich mit der Hand durch sein kräftiges Haar. Meistens frisierte er es vorne zu einer furchtbar aussehenden Elvis-Tolle. „Gut“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. „Ich fühle mich hier sehr wohl. Die Kollegen sind alle freundlich und die Arbeit macht mir Spaß.“ Er musste sich zusammenreißen, um nicht mit der Zunge über seine trockenen Lippen zu lecken. „Das freut mich“, erwiderte Franky. Crocodile beobachtete, wie er auf der Sitzfläche seines Schreibtischstuhls herumrutschte. Hätte er es nicht besser gewusst, wäre er davon ausgegangen, dass sein Chef mindestens ebenso nervös war wie er. Aber das ergibt doch gar keinen Sinn, dachte Crocodile irritiert. „Dass die diesjährige Messe ein durchschlagender Erfolg war, weißt du ja bereits“, fuhr Franky fort. „Deiner Kompetenz verdanken wir nicht nur einen erheblichen Anstieg der Besucherzahlen, sondern auch eine Umsatzsteigerung von 39% im Vergleich zum Vorjahr. Mich erreichen jeden Tag Anrufe von begeisterten Messeteilnehmern, die mich für das gelungene Konzept loben und sich bereits Plätze für das nächste Jahr sichern möchten.“ „Das ist schön zu hören“, meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sagen sollte. Worauf wollte Franky hinaus? Wenn er doch so begeistert von ihm war und ihn auf die nächste Messe mit ins Boot holen wollte, wieso wirkte er dann so unruhig? Dass Franky mit dem breiten Lächeln in seinem Gesicht bloß seine Verunsicherung übertünchen wollte, wurde immer deutlicher. „Bisher bist du befristet bei uns angestellt“, sagte sein Chef. Crocodile konnte hören, dass er tief ein- uns ausatmete. „Das würde ich gerne ändern.“ Er musste sich zurückhalten, um Franky nicht laut Komm endlich auf den Punkt! Wird mein Vertrag nun verlängert oder nicht?! ins Gesicht zu schreien. Warum spielte sein Chef mit ihm, anstatt einfach zu sagen, was Sache war? Seine Nerven lagen absolut blank. Doch natürlich ließ er sich seine Angst kein Stück anmerken. Crocodile war ein erfolgreicher Manager. Jahrelange Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass man im Job niemals Schwäche zeigen durfte. Nicht einmal ein winziges bisschen; ganz egal wie aufgeregt, verunsichert oder enttäuscht man war. Crocodile fuhr sich nicht mit der Hand durch sein Haar. Er rutschte nicht auf seinem Sitz herum. Er leckte sich nicht über die Unterlippe und er fummelte auch nicht an seinem Ohrring herum. Stattdessen bemühte er sich darum absolute Ruhe und Selbstsicherheit auszustrahlen, während er auf die nächsten Worte seines Vorgesetzten wartete. „Mir ist natürlich klar, dass du zu den gegebenen Konditionen nicht bei uns bleiben würdest“, sagte Franky. „Ich weiß, dass deine Fähigkeiten eine bessere Vergütung rechtfertigen. Weil ich unbedingt möchte, dass du bei Tom's Workers bleibst, Crocodile, würde ich dir gerne einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit besseren Verdienstmöglichkeiten anbieten. Dazu zählen 10.000 Berry mehr Festgehalt im Monat, 10 Urlaubstage pro Jahr mehr sowie einen Zuschlag von 50% bei Überstunden und Wochenendarbeit. Außerdem werde ich ein Prämien-System einführen, sodass du bei der nächsten Messe fair am Umsatz beteilgt wirst.“ Crocodile konnte nicht fassen, was sein Chef da von sich gab. Franky bot ihm nicht nur eine unbefristete Arbeitsstelle an, sondern dazu auch noch ein höheres Gehalt und mehr Jahresurlaub! Er hält mich für so gut, schoss es Crocodile durch den Kopf, dass er glaubt, ich würde mir eine andere Arbeit suchen, wenn er mir keine besseren Bedingungen anbietet. Er denkt, auf dem Arbeitsmarkt würde man sich um mich reißen. „Das ist sehr freundlich“, erwiderte Crocodile mit ruhiger Stimme. „Ich würde gerne über dein Angebot nachdenken. Wäre es dir recht, wenn ich dir morgen Mittag meine Entscheidung mitteile?“ „Natürlich“, antwortete Franky kopfnickend. Er wirkte ein wenig enttäuscht. Offenbar hatte er darauf gesetzt, Crocodile mithilfe der vielen neuen Vorzüge zu einer sofortigen Zusage bewegen zu können. „Gibt es sonst noch etwas?“, fragte er mit höflicher Stimme. Franky schüttelte den Kopf. „Nein“, meinte er und erhob sich von seinem Schreibtischstuhl,um ihm die Hand zu geben. „Das wäre alles.“ Kaum hatte Crocodile die Bürotüre hinter sich geschlossen, fiel es ihm furchtbar schwer, sich weiterhin zusammenzureißen. Er stürmte hinüber zu den Toiletten im nächsten Gang, schloss sich in einer Kabine ein und begann laut zu jubeln. Zum Glück war er allein, sodass niemand seinen Gefühlsausbruch mitbekam. Noch immer konnte er kaum fassen, was gerade eben geschehen war. Franky wollte ihn nicht einfach nur behalten - er bot ihm sogar ein höheres Gehalt und mehr Urlaub an! Crocodile kam sich vor wie der glücklichste Mensch auf Erden. Bei seiner nüchternen Reaktion auf dieses Angebot hatte es sich selbstverständlich nur um eine Farce gehandelt. Für ihn stand außerfrage, dass er weiterhin bei Tom's Workers beschäftigt bleiben wollte. Auch wenn sein Gehalt deutlich geringer war als früher bei der Bank, gefiel es ihm hier gut. Sein Chef war sehr nett und seine Arbeitskollegen waren freundlich und fleißig. Crocodile konnte sich kaum einen besseren Arbeitsplatz vorstellen. Den restlichen Arbeitstag über bemühte Crocodile sich darum, möglichst ruhig und nachdenklich zu erscheinen. Er wollte vermeiden, dass irgendjemand von seiner Begeisterung Wind bekam. Allen voran Franky, der sich in diesem Fall sicherlich auf den Arm genommen vorkäme. Gegen fünfzehn Uhr brachte Kiwi ihm einen Kaffee und fragte bei dieser Gelegenheit in einem unverfänglich klingenden Tonfall, worüber Franky mit ihm hatte reden wollen. Selbstverständlich durchschaute Crocodile dieses Spiel sofort: Ihm war klar, dass sein Chef sie zu ihm geschickt hatte, um unauffällig etwas über seine Stimmung in Erfahrung zu bringen. „Er hat mir einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten“, antwortete Crocodile mit ruhiger Stimme, während er sich insgeheim ins Fäustchen lachte. „Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich ihn annehmen werde oder nicht. Mal schauen.“ Kiwis enttäuschter Gesichtsausdruck amüsierte ihn abgöttlich. Zum ersten Mal seit langem fühlte Crocodile sich wieder richtig gut. Er war kein Opfer seiner Verhältnisse mehr, sondern hielt nun das Zepter in der Hand. Es verschaffte ihm eine unfassbare Genugtuung, seinen Chef und seine Kollegen zum Narren zu halten. * Am Wochenende nervte ihn Doflamingo wieder einmal mit seinem Lieblingsthema. „Wir sollten mit den Hochzeitsvorbereitungen weitermachen“, meinte sein Verlobter beim Frühstück. Als Crocodile sich um eine Erwiderung herumwandt, indem er von seinem Brot abbiss, fuhr Doflamingo unbeirrt fort: „Es gibt noch so viele Dinge, die erledigt werden müssen. Bisher stehen nur die Gästeliste und die Location, alles Andere ist noch komplett offen. Das Essen, die Dekoration, das Datum... Wir müssen uns noch um so vieles kümmern!“ „Apropos Datum“, sagte Crocodile und legt sein belegtes Brot zur Seite. „Ich, ähm, ich habe eine kleine Bitte an dich, was das Datum angeht.“ „Eine Bitte?“, wiederholte Doflamingo mit teils neugierig, teils argwöhnisch klingender Stimme und zog eine Augenbraue hoch. Crocodile nickte. Er hatte lange darüber nachgedacht, wie es ihm gelingen könnte, ihre Hochzeit weiter nach hinten zu verschieben. Vor ein paar Tagen dann war ihm ein genialer Einfall gekommen. „Als ich vor kurzem bei Hancock gewesen bin“, begann er, „ist mir sofort ihr Babybauch ins Auge gesprungen. Bald ist es ja soweit. Und, nun ja, ich fände es schön, wenn das Baby bei unserer Hochzeit mit dabei wäre.“ „Aber unsere Nichte wird doch mit dabei sein“, erwiderte Doflamingo. „Oder hast du vor, Hancock wegen eures Streits wieder auszuladen?“ „Du weißt, wie ich das meine“, ermahnte Crocodile seinen Verlobten. „Ich möchte, dass sie... naja, dass sie da ist. Nicht nur in Hancocks Bauch, sondern wirklich da.“ Doflamingo verzog die Lippen zu einem verständnisvollen Lächeln. „Dir fällt es immer noch schwer dir vorzustellen, dass du Onkel wirst, nicht wahr?“, fragte er mit leiser Stimme. „Ich habe das Gefühl, dir kommt die ganze Sache völlig abstrakt vor. Als würdest du wirklich immer nur Hancocks Bauch sehen und gar nicht begreifen, dass ein neues Leben in ihr heranwächst.“ „So ist es bis vor kurzem gewesen“, gab Crocodile zu. „Aber jetzt... jetzt ist ihr Bauch riesengroß geworden. Sie sieht total, naja, schwanger aus. Da ist mir irgendwie richtig bewusst geworden, dass sie bald ein Kind auf die Welt bringt. Ich werde zum allerersten Mal Onkel und ich fände es wirklich schön, wenn meine Nichte bei meiner Hochzeit dabei ist. Sie würde mit auf die Fotos kommen und so weiter... Verstehst du, was ich meine?“ „Ich verstehe sehr gut, was du meinst“, sagte Doflamingo und legte den Kopf schief. „Aber um ehrlich zu sein, halte ich es für keine besonders gute Idee abzuwarten, bis Hancock ihre Tochter zur Welt gebracht hat.“ „Aber warum denn nicht?“, wollte Crocodile wissen. Es ärgerte ihn, dass sein Verlobter nicht auf den Zug aufsprang. So vernarrt, wie dieser in seine ungeborene Nichte war, hatte er eigentlich fest damit gerechnet gehabt, mit seiner Bitte problemlos durchzukommen. „Es ist nicht wirklich toll, wenn Babies bei einer Hochzeit mit dabei sind“, antwortete Doflamingo nach kurzem Zögern. „Ich liebe Kinder, das weiß du selbst, aber eine Hochzeit ist kein guter Anlass, um sie mitzubringen. Stell dir nur einmal vor, wir beide verkünden gerade unsere Treueschwüre, und dann fängt die Kleine laut an zu schreien. Das würde den Moment ruinieren.“ „Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert?“, hielt Crocodile zweifelnd dagegen. „Babies schlafen doch sowieso fast die ganze Zeit, oder nicht?“ Die Augen seines Partners wurden durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt, doch er war sich trotzdem sicher, dass dieser ihm einen ungläubigen Blick zuwarf. „Du hast wirklich nicht viel Ahnung von Säuglingen, oder?“, meinte er schließlich. „Neugeboren schlafen kaum länger als ein paar Stunden am Stück. Und sie schreien ständig. Wir müssten schon wirklich irre viel Glück haben, wenn unsere Nicht die Zeremonie nicht mit ihrem Geschrei unterbricht.“ Crocodile senkte den Blick. Offenbar war sein Plan nach hinten losgegangen. Doch so schnell gab er sich nicht geschlagen. „Aber sie ist doch trotzdem ein Teil der Familie. Stell dir nur mal vor, Hancock wäre bereits Mutter. Würdest du dann auch darauf bestehen, dass sie ihr Baby Zuhause lässt?“ „Das wäre eine völlig andere Situation“, erwiderte Doflamingo kopfschüttelnd. „Niemand unserer Hochzeitsgäste hat ein kleines Kind. Das ist ideal und ich finde, es ist nicht notwendig zu warten, bis Hancocks Baby auf der Welt ist. Unsere Nichte wird ja trotzdem da sein. Auch auf den Fotos. Nur halt eben, naja, noch eingepackt.“ „Was ist, wenn Hancock bei unserer Hochzeitsfeier Wehen bekommt?“, warf Crocodile ein. „Immerhin ist sie hochschwanger. Es könnte praktisch jeden Moment passieren. Das wäre doch eine viel schlimmere Unterbrechung als ein bisschen Babygeschrei, oder nicht?“ „Unsere Nichte kommt erst in über zwei Monaten zur Welt“, meinte Doflamingo und winkte ab. „Wenn wir beide also nächsten Monat heiraten, dürften sich die beiden Ereignisse zeitlich nicht überlappen. Ich hatte übrigens das Wochenende um den 27. herum im Auge.“ „Ich muss erstmal schauen, ob ich überhaupt Urlaub genehmigt bekomme“, erwiderte Crocodile. Dabei handelte es sich um eine halbe Lüge; denn er war sich sicher, dass Franky, der absolut begeistert von seiner Zusage gewesen war, ihm keinen Wunsch abschlagen würde. „Nach der Hochzeit möchten wir doch bestimmt auch in die Flitterwochen fliegen.“ Doflamingo verzog den Mund. Nach einer Weile sagte er schließlich mit ungewöhnlich verdrießlich klingender Stimme: „Sengoku soll dir gefälligst frei geben. Ich bin sein wichtigster Kunde! Zur Not werde ich persönlich mit ihm reden, damit du Urlaub bekommst. Ich will nicht, dass unsere Hochzeit an solchen Kleinigkeiten scheitert!“ „Ganz ruhig“, redete Crocodile beschwichtigend auf seinen Partner ein. „Zuerst einmal werde ich es mit einem ganz normalen Urlaubsantrag versuchen. Vielleicht habe ich ja Glück. Ich möchte nicht, dass mein wütender Verlobter bei meiner Arbeit auftaucht und meinen Chef unter Druck setzt. Das wäre mir schrecklich peinlich!“ „Das muss dir nicht peinlich sein“, gab Doflamingo zurück. „Du bist mit dem reichsten Kunden der Bank zusammen, das muss dir doch auch mal zum Vorteil gereichen.“ „Aber genau das möchte ich nicht!“, hielt Crocodile sofort energisch dagegen. Dass sein Verlobter bei Sengoku im Büro auftauchte, nur um dort herauszufinden, dass er schon seit Monaten nicht mehr bei der Bank arbeitete, war das Allerletzte, was er zur Zeit gebrauchen konnte. „Ich habe keine Lust auf irgendwelche Sonderbehandlungen, nur weil du reich bist. Ich trenne mein berufliches und privates Leben sehr strikt und möchte nicht, dass die beiden Seiten sich vermischen. Außerdem gibt es eigentlich keinen Grund, wieso Sengoku meinen Urlaubsantrag ablehnen sollte. In letzter Zeit ist wieder weniger los. Da kann er mich durchaus für zwei Wochen entbehren.“ Mit dieser Aussage gab Doflamingo sich wohl oder übel zufrieden. Anstatt weiter darauf herumzureiten, kam er auf ein anderes Thema zu sprechen: „Ich habe mir überlegt, dass wir beide heute unsere Anzüge für die Hochzeit kaufen könnten. Es gibt einen ausgezeichneten Herrenausstatter in der Innenstadt. Dort haben damals auch mein Onkel und meine Tante die Mode für ihre Hochzeit gekauft.“ „Ähm“, machte Crocodile, der von diesem Vorschlag ziemlich überrascht war. „Klar, von mir aus. Es wird sicher nicht schaden, sich ein paar Anzüge anzuschauen.“ Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust darauf gemeinsam mit Doflamingo einkaufen zu gehen (sicherlich war der Herrenausstatter, von dem sein Partner gesprochen hatte, alles andere als preisgünstig), doch er sah keine Möglichkeit, wie er sich aus dieser Misere befreien könnte. Doflamingo interpretierte seine unsichere Reaktion auf eine andere Art und Weise. „Keine Sorge“, meinte er grinsend. „Ich weiß, dass du ziemlich wählerisch bist, was Kleidung angeht. Aber bei Nefeltari Cobra wirst du ganz sicher den richtigen Anzug finden. Niemand hat eine bessere Auswahl zur Verfügung als er.“ Kaum war Doflamingos dunkelblau lackierter Porsche 911 Turbo auf dem Privatparkplatz des Herrenausstatters zum Stehen gekommen, wurde Crocodile klar, dass er diesen nicht zum ersten Mal besuchte. Er war vor mehr als zwei Jahren schon einmal hier gewesen: Damals hatte er einen Anzug für sein Bewerbungsgespräch bei der Bank gekauft. Die Hose, das Hemd und das Jackett hatten ihn insgesamt mehr als 3.000 Berry gekostet gehabt. Bei Nefeltari Cobra handelte es sich also definitiv um keinen billigen Ramschverkäufer. Crocodile musste schlucken, als sein Verlobter ihn an die Hand nahm und in das Innere des Ladenlokals schleifte. Es war sehr luxuriös eingerichtet und in der Luft hing ein unaufdringlicher Geruch nach Stoff und Leder. Als er sich umschaute, erkannte er auch das teure Sofa wieder, das zu seiner Rechten stand. Vor zwei Jahren hatte er es sich dort gemütlich gemacht, lässig die Beine übereinander geschlagen und sich einen Anzug nach dem anderen zeigen lassen, während die Tochter des Verkäufers ihm Champagner nachschenkte. Heute wäre Crocodile am liebsten hinter dem Rücken seines Verlobten in Deckung gegangen. Er fühlte sich schrecklich unwohl an diesem Ort. Es dauerte weniger als zwei Sekunden, ehe Nefeltari Cobra sie beide begrüßte. Er erkannte ihn sofort wieder. „Sir Crocodile“, sagte er mit freundlicher Stimme und bot ihm seine Hand an, die Crocodile schüttelte. „Schön, dass sie uns ein weiteres Mal mit Ihrem Besuch beehren. Und Sie sind sicherlich Herr Donquixte, nicht wahr? Ihr Sekretär hatte sich mit mir in Verbindung gesetzt.“ Auch Doflamingo schüttelte seine Hand. „Dann wissen Sie sicherlich schon Bescheid, dass mein Verlobter und ich Anzüge für unsere Hochzeit suchen“, kam er gleich zum Punkt. Cobra nickte freundlich. „Wer von Ihnen beiden möchte zuerst?“, fragte er und blickte auffordernd zu ihnen hinüber. „Crocodile“, antwortete Doflamingo, noch ehe sein Partner auch nur ein Wort herausgebracht hatte. „Sehr gern“, erwiderte Cobra und klatschte in die Hände. „Haben Sie bereits eine Vorstellung von ihrem Hochzeitsanzug? Farben? Stoffe? Schnitte? Wenn ich mich recht erinnerte, entschieden Sie sich bei Ihrem letzten Einkauf für ein schlichtes, elegantes Modell. Aber das war ja auch für berufliche, nicht für private Zwecke, nicht wahr?“ Crocodile nickte. „Ich bevorzuge auf jeden Fall dunkle Farben“, sagte er und versuchte seine Überforderung zu überspielen. Um ehrlich zu sein, hatte er sich noch nicht sonderlich viele Gedanken über die Kleidung, die er bei seiner Trauung tragen wollte, gemacht. „Und einen schlichten Schnitt. Also bitte nichts zu Ausgefallenes oder Extravagantes.“ „Bitte nehmen Sie Platz“, bat Cobra und deutete auf das Sofa zu ihrer Rechten. „Ich werde Ihnen sofort eine Auswahl unserer hochwertigsten und schicksten Anzüge präsentieren. Meine Tochter Vivi serviert Ihnen in der Zwischenzeit Champagner, wenn Sie mögen.“ Sie ließen sich wie geheißen auf dem Sofa nieder. Obwohl Crocodile von seinem letzten Besuch noch wusste, dass es unfassbar bequem war, saß er er in einer ganz steifen Körperhaltung da. Er fühlte sich schrecklich unwohl. Mit weniger als 5.000 Berry würde er hier wohl nicht wegkommen. So viel Geld hatte er schlichtweg nicht. Es war Ende des Monats und er hatte bereits fast seinen gesamten Lohn für die Tilgung seiner Schulden ausgegeben. (Lediglich einen „kleinen“ Rest von 1.000 Berry hatte er aufgehoben, da Doflamingo und er am Mittwoch Jahrestag hatten und er seinem Verlobten natürlich ein angemessenes Geschenk besorgen wollte.) „Ich wusste gar nicht, dass du dir hier schon einmal einen Anzug gekauft hast“, meinte sein Verlobter beiläufig und nahm einen Schluck Champagner. „Ist schon länger her“, gab Crocodile knapp zurück und nippte an seinem eigenen Glas. Er ließ seinen Blick durch den Laden schleifen, begutachtete skeptisch alle Anzüge und Stoffe, die ausgehängt waren. Ob es vielleicht doch eine Möglichkeit gab, um an ein günstigeres Modell zu kommen? Er wusste, dass selbst die teuersten Herrenausstatter hin und wieder Rabatt gaben; zum Beispiel weil die alte Kollektion auslief oder man Stammkunde war. „Du wirkst total versteift“, sagte Doflamingo plötzlich und stellte sein Champagnerglas zur Seite. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Crocodile nickte. „Ich bin bloß ein bisschen aufgeregt“, erwiderte er. „Hoffentlich finde ich hier einen Anzug, der mir gefällt. Das letzte Mal musste Cobra fast sein gesamtes Sortiment ausräumen, ehe ich etwas Passendes gefunden hatte.“ Dieses Geständnis ließ seinen Verlobten in leises Gelächter ausbrechen. „Das glaube ich dir auf's Wort“, meinte er und schlug die Beine übereinander. Heute trug er eine lange, dunkle Hose, offene Schuhe und ein violettes Hemd mit Tigerprint. Ein verhältnismäßig unauffälliges Outfit. „Du bist ein extrem wählerischer Mensch.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Dabei lege ich nicht einmal einen so extravaganten Kleidungsstil wie du an den Tag“, erwiderte er seuzend. „Ich finde, es ist viel einfacher schöne und außergewöhnliche als schöne und unauffällige Kleidungsstücke zu finden“, gab Doflamingo zu bedenken. „Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass es ziemlich schwierig für dich ist, Teile zu finden, die dir gefallen. Aber es lohnt sich! Mir gefällt dein Kleidungsstil nämlich sehr gut. Du strahlst immer so eine schlichte Eleganz aus.“ „Danke“, sagte Crocodile und spürte, dass sich ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen legte. „Aber selbst du hast ein paar außergewöhnliche Sachen“, fuhr Doflamingo fort. Er lächelte angesichts der Röte seines Verlobten. „Diesen karierten, orangefarbenen Pullunder zum Beispiel. Und du hast auch ein paar bunte Halstücher. Aber dein extravagantestes Accessiores ist sowieso dein Schmuck: Deine vielen Ringe und dein Ohrstecker.“ „Ohrring“, korrigierte Crocodile seinen Partner. „Es ist kein Stecker.“ „Ich habe mich oft gefragt, warum du ihn trägst“, redete Doflamingo weiter. „Die Ringe tauschst du hin und wieder aus, nur dein Ohrring bleibt immer derselbe. Du legst ihn auch nie zum Schlafen ab. Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ „Nein“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. „Es ist einfach Gewohnheit. Ich habe meinen Ohrring schon seit Ewigkeiten. Er ist sozusagen mein Glücksbringer.“ Doflamingo gluckste angesichts dieser Aussage. „Woher hast du ihn?“, wollte er mit neugieriger Stimme wissen. „Aus einem Schmuckgeschäft in der Nähe meines Elternhauses“, erzählte Crocodile. „Ich habe ihn mir gekauft, als ich fünfzehn war. Wochenlang habe ich mein Taschengeld gespart, um ihn mir leisten zu können. Er hat achtundneunzig Berry gekostet. Du kannst es dir wahrscheinlich nicht vorstellen, aber damals war das viel Geld für mich.“ Und ist es heute immer noch, fügte er gedanklich hinzu. „Ich finde, er steht dir sehr gut. Ich mag deinen Ohrring wirklich gerne“, meinte Doflamingo und lächelte. „Ich weiß“, erwiderte Crocodile im Flüsterton und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Als wir beide das erste Mal Sex hatten, hast du ständig mein Ohrläppchen angeknabbert. Und du tust es immer noch ab und zu. Zwischenzeitlich ging das so weit, dass ich schon dachte, du hättest einen Fetisch.“ „Einen Ohrläppchen-Fetisch?“, gab sein Verlobter amüsiert zurück. „Es gibt alles“, erwiderte Crocodile schulterzuckend und nahm einen Schluck Champagner. Ihr Gespräch wurde von Cobra unterbrochen, der mit etwa einem halben Dutzend Anzüge im Gepäck zu ihnen zurückkehrte. Das erste Modell, das Crocodile anprobierte, verfügte über einen matten, dunkelbraunen Stoff und war im amerikanischen Stil geschnitten. Der Anzug traf seinen Geschmack nicht im Allermindesten, woraus er auch keinen Hehl machte. „Die Farbe gefällt mir nicht“, sagte er, während er sich skeptisch von allen Seiten in einem deckenhohen Spiegel begutachtete. „Und der Schnitt ist viel zu weit. Ich habe das Gefühl, dass ich im Stoff förmlich ertrinke.“ Cobra nickte. „Darf ich fragen, ob Sie seit ihrem letzten Besuch abgenommen haben?“, sagte er mit freundlicher Stimme. „Gegebenenfalls stimmen die Maße, die ich damals von Ihnen genommen habe, nicht mehr.“ „Das ist möglich“, erwiderte Crocodile und vermied es, dem Verkäufer in die Augen zu sehen. Es war ihm sehr unangenehm, dass wieder sein Gewichtsverlust zur Sprache kam. Schon vor ein paar Wochen hatte er sein Mindestgewicht erreicht. Crocodile erinnerte sich noch gut daran, wie glücklich ihn die Zahl auf der Waage gemacht hatte, weil er sich endlich nicht mehr so viele Vorwürfe seitens Doflamingo anhören musste. Cobra verschwand für einen kurzen Augenblick, um ein Maßband hervorzuholen. Crocodile kreuzte den Blick mit seinem Verlobten, der noch immer auf dem Sofa saß und stumm seinen Champagner trank. Weder zum Anzug noch zu dem sensiblen Themal, das Cobra angesprochen hatte, verlor er ein Wort, wofür Crocodile sehr dankbar war. Nachdem seine Maße neu genommen wurden, meinte der Verkäufer: „Sie haben tatsächlich ein paar Pfund verloren. Darf ich Ihnen ein Anzugmodell im italienischen Stil empfehlen? Die Stoffe sind leichter und die Schnitte schmaler. Ihre Figur käme viel besser zur Geltung als im amerikanischen Stil.“ „Sehr gerne“, gab Crocodile zurück. Er nahm einen Anzug aus dunkelblauem Stoff, den Cobras Tochter Vivi ihm reichte, entgegen und kehrte in die Umkleidekabine zurück. „Besser?“ „Viel besser“, antwortete Crocodile, als er hervortrat. Das Hosenbein war schmaler geschnitten und überhaupt saß der luftige Stoff ein wenig enger am Körper. Der italienische Stil passte hervorragend zu seiner Figur. „Aber die dunkelblaue Farbe gefällt mir nicht“, fügte er hinzu. „Sie beißt sich mit meiner Haarfarbe. Ich suche etwas Schlichteres. Vielleicht anthrazit, schiefer oder ganz klassisch schwarz.“ „Sehr gerne“, erwiderte Cobra und trug seiner Tochter auf, eine handvoll passende Modelle aus der neuesten Kollektion herzuholen. Crocodile musste unweigerlich schlucken, als er diese Worte vernahm. Der nächste Anzug, den Cobra ihm präsentierte, war absolut perfekt. Daran gab es überhaupt keinen Zweifel. Er saß wie angegossen und Crocodile fühlte sich pudelwohl. Jetzt gab es nur noch ein einziges Problem: Er musste irgendeinen Makel finden! Einen Anzug in dieser Preisklasse konnte Crocodile sich schlichtweg nicht leisten. Es war Ende des Monats und er hatte bloß noch die 1.000 Berry auf dem Konto, die er für Doflamingos Geschenk vorgesehen waren. Vielleicht kann ich darum bitten den Anzug zur Seite legen zu lassen, überlegte er sich, während er sich nervös durch die Haare fuhr, und ihn dann nächsten Monat bezahlen. In der Umkleidekabine blickte Crocodile verzagt an sich herunter und versuchte abzuschätzen, wie teuer dieser wohl war. Immerhin stammte er aus der allerneuesten Kollektion. „Wani?“, hörte er plötzlich seinen Verlobten rufen. „Kommst du zurecht?“ „Ja“, gab Crocodile zurück und schluckte hastig. Er schob den Vorhang zur Seite und trat nach draußen vor den großen Spiegel. Dieser Anzug war ein Traum aus schwarzem Stoff, das konnte er nicht verhehlen. Beschwingt drehte Crocodile sich nach links und nach rechts, sodass er das Modell im Spiegel von allen Seiten begutachten konnte. „Wie findest du ihn?“, fragte er seinen Verlobten und bemühte sich darum, seine Begeisterung so gut wie möglich zu verbergen. „Du siehst absolut hinreißend aus!“, brach es sofort aus Doflamingo hervor. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. „Mir gefällt er auch gut“, gab Crocodile zu. Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. „Nimm ihn“, meinte sein Verlobter. Er stellte das Champagnerglas zur Seite und kam zu ihm hinüber. Zärtlich ließ er die schlanken Finger seiner rechten Hand über den hochwertigen Stoff gleiten. „Ich kann mir ganz genau vorstellen, wie du in diesem Anzug neben mir stehst und dein Ja-Wort gibst!“ „Ich möchte nichts überstürzen“, erwiderte Crocodile zaghaft und stelle fest, dass sein Mundraum sich plötzlich unangenehm trocken anfühlte. Dieses Modell stammte aus Cobras neuester Kollektion und war mit Sicherheit unverschämt teuer. „Vielleicht sollte ich ihn lieber zurücklegen lassen und schauen, ob ich nicht doch einen noch schöneren Anzug finde.“ „Papperlerpapp“, sagte Doflamingo sofort und winkte ab. „Du siehst fabelhaft aus, Liebling! Ich möchte nicht,dass du dir deine Entscheidung durch Zweifel miesmachen lässt. Trau dich ruhig einmal etwas selbstsicherer zu sein.“ „Naja, ich weiß nicht...“ Crocodile wischte sich nervös über den Mund. „Ich glaube nicht, dass wir einen besseren Anzug für dich finden werden. In diesem hier siehst du absolut hinreißend aus! Und falls doch, kannst du dich ja immer noch umentscheiden. Ist ja nicht so als gäbe es ein Gesetz, dass es den Bürgern dieses Landes verbietet zwei Anzüge zu kaufen.“ „Also gut“, gab Crocodile sich geschlagen. „Wahrscheinlich hast du sowieso Recht. Ich werde diesen hier nehmen.“ Während Doflamingo an der Reihe war, nippte Crocodile gedankenverloren an seinem Champagnerglas und versuchte einen Weg aus dieser Misere heraus zu finden. Er hatte diesen Monat bloß noch 1.000 Berry übrig, die außerdem ursprünglich für Doflamingos Geschenk vorgesehen waren. Wie sollte er bloß verhindern, dass er sich vor seinem Partner blamierte? Während dieser mit Cobra sprach, ging Crocodile im Geiste unterschiedliche Szenarien durch: Er könnte so tun als hätte er seinen Geldbeutel Zuhause vergessen. Oder doch darauf bestehen, den Anzug zurücklegen zu lassen. „Na?“ Es war Doflamingos aufgeregte Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Was sagst du?“ Dieser stand eingekleidet in einen komplett weißen Anzug vor ihm und warf ihm ein breites Lächeln zu. „Weiß?“, war das Erste, was Crocodile doch recht überrascht von sich gab, während sein Verlobter sich im Kreis drehte, damit er ihn von allen Seiten begutachten konnte. Doflamingo nickte begeistert. „Erinnerst du dich noch daran, wie ich sagte, dass es schön wäre, wenn einer von uns weiß und der Andere schwarz trägt? Nun, da dir ja die Vorstellung in einem weißen Anzug zu heiraten nicht so wirklich gefiel, dachte ich mir, dass stattdessen ich diesen Part übernehme.“ Er wartete einen kurzen Moment ab, ehe er hinzufügte: „Und? Was hältst du davon?“ „Es gefällt mir“, antwortete Crocodile. Um ehrlich zu sein, war es ihm relativ gleichgültig welche Farbe Doflamingo tragen würde. Er hatte ja sowieso nicht vor, aus ihrer Hochzeit eine allzu große Sache zu machen. Aber er musste zugeben, dass der doch recht extravagante Anzug gut zu seinem ebenfalls extravaganten Verlobten passte. Doflamingo war einfach immer und überall ausgefallen gekleidet. „Der Anzug steht dir wirklich gut.“ „Dann nehme ich ihn“, meinte sein Partner sofort in einem sehr überzeugt klingenden Tonfall. „Du in schwarz, ich ihn weiß - das wird eine echte Märchen-Hochzeit, Wani!“ „Bestimmt“, erwiderte Crocodile, der angesichts des unschuldigen Enthusiasmus seines Verlobten gar nicht anders konnte als zu lächeln. Doflamingo wandte sich währenddessen an Cobra. „Wir haben uns entschieden“, meinte er. „Der Anzug, den ich gerade trage, und der Anzug, den Croco als letztes anprobiert hat.“ Cobra nickte und führte Doflamingo zum Verkaufsthresen hinüber. Crocodile war sich sicher, für den Bruchteil einer Sekunde grüne Berry-Zeichen in den Augen des Herrenausstatters aufblitzen gesehen zu haben. Bestimmt geschah es nicht jeden Tag, dass es ihm gelang zwei so teure Anzüge zu verkaufen. Kaum hatte Crocodile seinen Gedanken zu Ende geführt, war der Kauf der beiden kostspieligen Kleidungsstücke bereits abgewickelt. Ohne dass sein Partner etwas davon mitbekommen hatte, hatte Doflamingo den Einkauf rasch mit einer seiner zahlreichen Kreditkarten bezahlt. Crocodile bekam nicht einmal die Höhe der Summe mit. Erst als sie beide sich wieder auf den Weg zum Porsche 911 Turbo machten, bekam Crocodile die Gelegenheit dazu danach zu fragen. „So etwa 18.000 Berry“, antwortete Doflamingo beiläufig und ließ sich neben ihm auf der Rückbank des Sportwagens wieder. „Ich habe nicht genau zugehört.“ „18.000 Berry“, wiederholte Crocodile mit tonloser Stimme. Er hatte für beide Anzüge zusammen mit maximal 6.000 oder 7.000 Berry gerechnet, nicht mit mehr als dem Doppelten. „Und wie teuer ist meiner gewesen? Weißt du das so ungefähr? Dann könnte ich dir das Geld...“ „Nein!“, unterbrach ihn Doflamingo sofort und nahm sich sogar die Freiheit, ihm mit Daumen und Zeigefinger gegen die Stirn zu schnippsen. „Nein, nein, nein. Wie oft noch? Ich möchte nicht, dass wir jeden Einkauf aufrechnen und du mir Geld zurückgibst. Darüber sollten wir längst hinaus sein.“ „Aber...“ Crocodile kam über dieses Wort nicht hinaus. „Nein!“, wiederholte Doflamingo energisch und schnippste noch einmal gegen seine Stirn. „Ich lasse mich gar nicht erst auf eine Diskussion mit dir ein, Crocodile! Ich weiß, dass du weniger Geld hast als ich. Das ist okay. Deswegen haben wir ja auch ausgemacht, dass ich allein die Kosten für unsere Hochzeit trage. Also lass uns nicht zum x-ten Mal dasselbe Gespräch über Geld führen.“ „Wir haben gar nicht ausgemacht, dass du...“ Dieses Mal konnte Crocodile den Fingern seines Verlobten ausweichen. „Ich meine es ernst, Doflamingo! Das hatten wir überhaupt nicht ausgemacht!“ „Weißt du noch, wie wir über die 120.000 Berry gesprochen haben, die du wegen deines Autounfalls der Versicherung geschuldet hast? Erinnerst du dich daran, wie du mir völlig aufgelöst und verzweifelt erzählt hast, dass du nicht genug Geld hast, um so eine hohe Forderung zu begleichen? Ich habe angeboten für dich bezahlen. Die Forderung der Versicherung und auch unsere Hochzeit. Und daran halte ich mich auch. Basta.“ „So eine Hochzeit kostet aber unheimlich viel, selbst eine relativ kleine Hochzeit“, gab Crocodile zu bedenken und kassierte einen erneuten Schnippser seitens seines Verlobten. Unwirsch fuhr er sich mit der Hand über die Stirn, wo er inzwischen einen roten Fleck vermutete, und fuhr fort: „Die Anzüge, das Essen, die Location... Es ist sicher nicht wirklich preisgünstig, ein Schloss für eine Hochzeit anzumieten! Es fallen so viele Kosten an und ich möchte nicht, dass du sie allein stemmen musst.“ „Stemmen?“, wiederholte Doflamingo mit teils ernst, teils amüsiert klingender Stimme. „Mal ehrlich, Wani: Was glaubst du, wie viel Geld ich habe?“ „Keine Ahnung“, gab Crocodile verlegen zu und zuckte mit den Schultern. „Aber du arbeitest doch bei der Bank, die mein Geld verwaltet“, erwiderte Doflamingo und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Müsstest du nicht auf den Berry genau wissen, wie hoch mein Vermögen ist?“ „Ich arbeite dort als Manager“, meinte Crocodile. „Ich regele nicht die Finanzen. Ich weiß nicht, wie viel Geld du hast.“ „Was schätzt du?“ Crocodile seufzte leise und fragte sich, worauf sein Verlobter hinauswollte. Trotzdem spielte er dessen Spiel mit. „Zu Beginn dachte ich an vielleicht zehn oder fünfzehn Millionen. Aber damals wusste ich noch nichts von deinen Yachten, deinem Privatjet und so weiter. Inzwischen ist mir klar, dass du deutlich reicher sein musst. Ich weiß nicht... vierzig Millionen Berry? Fünfundvierzig?“ Doflamingo brach in lautes Gelächter aus. Als er sich wieder eingekriegt hatte, sagte er: „Selbst wenn wir beide davon ausgehen würden, dass ich nur fünfundvierzig Millionen Berry besitze, wäre es für mich ein Leichtes die Kosten, die durch unsere Hochzeit anfallen, zu bezahlen.Von stemmen kann da überhaupt nicht die Rede sein. Also hör auf dir so viele Gedanken zu machen über fünf- oder zehntausend Berry, die du mir wiedergeben möchtest. Das sind für mich nur Peanuts. Ich möchte meine gemeinsame Zeit mit dir nicht damit verbringen, über so etwas zu reden. In Ordnung?“ „Aber...“ Doflamingo holte erneut aus und schnippste mit Daumen und Zeigefinger gegen die Stirn seines Verlobten. Crocodile machte einen unwilligen Brummlaut, ehe er sich schließlich geschlagen gab und mit der Handfläche über die Stelle an seiner Stirn rieb, die unangenehm brannte. bye sb Kapitel 27: Kapitel 14 ---------------------- Crocodile hatte sich für heute Abend um zwanzig Uhr mit seiner Schwester Hancock in Spider's Cafe verabredet. Weil Doflamingo in einer Bar ganz in der Nähe mit Law, Kid, Bellamy und den Anderen etwas trinken gehen wollte, hatte dieser ihn kurzerhand begleitet. „Versuch nicht laut zu werden“, riet sein Verlobter ihm, als sie vor dem Gebäude des Cafes stehen blieben. Es war erst Viertel vor acht; Crocodile hatte also noch paar Minuten Zeit. Aus der Innentasche seines Mantels holte er eine Zigarre hervor und zündete sie an. Den altbekannten Geschmack auf seinen Lippen zu schmecken, beruhigte ihn ein wenig. „Ich weiß, dass Hancock sich nicht wirklich toll benommen hat. Aber ich bin mir sicher, dass sie sich bei dir entschuldigen wird“, fuhr Doflamingo fort. „Am Telefon hatte sie zu mir gesagt, dass sie ihr Verhalten bereut.“ Crocodile verzichtete ganz bewusst auf eine Erwiderung. Ihm war klar, dass Hancock seinen Partner angelogen hatte. Sie hatte diesem weisgemacht, dass sie die Nacht mit Monet nur deshalb versucht hatte herunterzuspielen, weil sie ihn so gut leiden konnte und nicht wollte, dass er sich von ihrem Bruder trennte. In Wirklichkeit jedoch war es ihr nur um die 75.000 Berry, die ihr zukünftiger Schwager ihr versprochen hatte, gegangen. Crocodile fühlte sich hintergangen. Seine Geschwister standen schon seit ihrer frühesten Kindheit zu einhundert Prozent hinter ihm. Dass sein Bruder und seine Schwester immer auf seiner Seite stehen würden, hatte er niemals angezweifelt. Doch nun hatte Hancock ihn verraten - für nichts als einen Haufen stinkendes Geld! „Da vorne ist sie“, meinte Doflamingo und deutete mit einer Kopfbewegung auf den hellblauen Citroen C3 Pluriel, den Hancock mehr schlecht als recht in eine nahegelegene Parklücke zu manövrieren versuchte. „Am besten verziehe ich mich jetzt. Rufst du mich an, wenn ihr mit eurem Gespräch fertig seid?“ Crocodile nickte. Er gab seinem Verlobten einen kurzen Kuss auf den Mund und wandte sich anschließend seiner Schwester zu, die ungeschickt aus ihrem Citroen ausstieg. Sofort stach Crocodile ihr gigantischer Babybauch ins Auge. Wenn er sich nicht verrechnet hatte, waren es noch weniger als zwei Monate bis zur Geburt. Mit schuldbewusster Miene kam Hancock auf ihn zugelaufen. „Hallo Crocodile“, sagte sie, als sie ihn erreicht hatte. „Hallo Hancock“, erwiderte er mit trockener Stimme. Er drückte seine Zigarre aus und fügte hinzu: „Wollen wir hineingehen?“ Paula, die Besitzerin von Spider's Cafe und die Cousine von Daz, wies ihnen einen hellen Platz am Fenster zu. „Es ist so schön euch wiederzusehen“, meinte sie gut gelaunt, während die beiden Geschwister sich niederließen. Von der dicken Luft, die zwischen ihren Gästen herrschte, schien sie überhaupt nichts mitzubekommen. „Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Als ich dich das letzte Mal getroffen habe, da hat man dir die Schwangerschaft kaum angesehen, Hancock. Und inzwischen hast du so schwer zu tragen. Aber ich muss sagen: Der Babybauch steht dir wirklich gut!“ „Danke“, gab Hancock kurz angebunden zurück und zwang sich zu einem gequälten Lächeln. „Ich hätte gern einen Kamillentee.“ „Und für mich bitte...“ „... ein Glas stilles Mineralwasser“, beendete Paula seinen Satz und grinste verschmitzt. „Seit über zehn Jahren bist du mein Gast, lieber Crocodile, und du hast noch nie etwas Anderes bestellt. Kamillentee und Wasser, kommt sofort.“ „Paula scheint heute wirklich gute Laune zu haben“, meinte Hancock mit ziemlich unbeholfen klingender Stimme. Sie schien nicht recht zu wissen, wie sie dieses Gespräch beginnen sollte und blickte hilfesuchend in die Augen ihres älteren Bruders. Crocodile schwieg. Er empfand kein Mitleid für seine Schwester. Sie hatte ihn verraten und verdiente es sich schlecht zu fühlen, fand er. Nachdem Paula ihnen ihre Getränke serviert hatte, kam Hancock endlich auf den Punkt. „Es tut mir so leid“, sagte sie und senkte beschämt den Blick. Die schlanken, blassen Finger legte sie um ihre Teetasse. „Es war nicht richtig, Doflamingo in Schutz zu nehmen und deine Reaktion herunterzuspielen. Du hattest jedes Recht dazu, wütend auf ihn zu sein. Ich hätte auf deiner Seite bleiben müssen. Das habe ich nicht getan... aus Angst, dass Doflamingo sein Angebot zurückziehen würde, wenn ihr beiden euch trennt. Du solltest wissen, dass ich mich dafür wirklich selbst hasse und es mir aufrichtig leidtut.“ „Ich verstehe einfach nicht, wie du so etwas tun konntest“, erwiderte Crocodile und musterte seine Schwester aus zu Schlitzen verengten Augen. Er spürte, dass sie ihre Entschuldigung ernst meinte, doch er war sich nicht sicher, ob er dazu bereit war ihr zu verzeihen. „Ich meine... du, Mihawk, ich... Wir sind immer ein Team gewesen! Wir waren immer füreinander da; hätten für den Anderen unsere Hand ins Feuer gelegt... und dann... fängst du plötzlich an Doflamingo zu verteidigen. Nur wegen des verdammten Geldes, das er dir leihen möchte. So kenne ich dich überhaupt nicht, Hancock!“ „Ich weiß“, jammerte Hancock. „Aber ich... du verstehst das nicht, Crocodile. Ich... ich hatte einfach Angst!“ „Angst?“, wiederholte Crocodile verwundert und legte den Kopf schief. „Warum denn das?“ „Na, weil an diesen 75.000 Berry mein ganzes Leben hängt!“, platzte es plötzlich aus seiner Schwester hervor. Sie warf ihm einen völlig verzweifelten Blick zu. „In nicht einmal zwei Monaten bekomme ich meine Tochter. Und ich bin vollkommen auf mich allein gestellt! Ich weiß nicht, wie ich ohne dieses Geld die Miete für mein Nagelstudio bezahlen soll. Oder meine Rechnungen. Ich bin auf die Unterstützung von Doflamingo angewiesen! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verzweifelt ich gewesen bin, als mich Luffy von einem auf den anderen Tag plötzlich verlassen hat. Eigentlich war ausgemacht gewesen, dass er nach seinem Schulabschluss für das Baby Zuhause bleibt, und ich mich weiterhin um mein Nagelstudio kümmere. Doch plötzlich -ohne jede Vorwarnung- sind unsere Zukunftspläne einfach dahin. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war völlig fertig. Erst als Doflamingo angeboten hat, mir die 75.000 Berry zu leihen, habe ich wieder Licht am Ende des Tunnels gesehen. Dieser Kredit stellt meine einzige Hoffnung auf ein Leben außerhalb des finanziellen Ruins dar! Und naja... als du mir davon erzählt hast, dass er mit Monet im Bett war, da habe ich Angst bekommen. Angst um meine Zukunft; um die Zukunft meiner Tochter. Deshalb habe ich versucht ihn zu verteidigen und so getan als würdest du heillos übertreiben. Das ist keine Rechtfertigung, das ist mir klar. Du hast dich mir geöffnet. Und ich habe deine Verwundbarkeit schamlos für meine Zwecke ausgenutzt. Aber ich hoffe, du verstehst, dass mein Handeln nicht leichtfertig gewesen ist. Und dass du mir verzeihen kannst.“ Crocodile wusste nicht, was er auf dieses unerwartete Geständnis erwidern sollte. Fassungslos blickte er seiner Schwester ins blasse Gesicht. Schließlich seufzte er irgendwann, zog die Augenbrauen zusammen und meinte in einem teils mitfühlend, teils vorwurfsvoll klingenden Tonfall: „Hancock....!“ „Ich wollte nicht über meine Sorgen sprechen“, erwiderte sie. Sie löste die Finger von der Teetasse und legte sie stattdessen in ihren Schoß. „Ich komme mir einfach so dämlich vor, Crocodile. Ich bin eine dämliche Gans!“ Und völlig unvermittelt brach sie in Tränen aus. „Hancock!“ Crocodile, der mit der Situation überfordert war, wusste nicht, was er tun sollte. „Ich... ähm... beruhige dich doch bitte... Hanaock...! Bitte... Du bist ganz sicher keine dumme Gans! Wie kommst du denn nur darauf?“ „Na, weil du mich gewarnt hast!“, schluchzte Hancock und warf ihm einen beschämten Blick aus tränennassen Augen zu. „Damals, auf Mihawks Geburtstagsparty. Erinnerst du dich noch? Du meintest zu mir, dass es keine gute Idee wäre, sich auf einen so jungen Mann wie Luffy einzulassen. Dass unsere Beziehung keine Zukunft hätte. Ich wollte deine Einwände nicht hören. Aber du hast Recht behalten, Crocodile. Und jetzt stehe ich da, alleine mit einem Kind und ohne zu wissen wie ich uns beide durchbringen soll. Ich bin so eine Idiotin! Hätte ich doch damals nur auf dich gehört!“ „Du bist zu streng mit dir“, versuchte Crocodile seine Schwester zu trösten. Er reichte ihr eine Serviette, mit der sie sich die Tränen abtupfte. „Schließlich weiß man vorher nie, wie schnell eine Beziehung zu Ende geht. Du hast doch nicht ahnen können, dass er dich trotz eurer ungeborenen Tochter verlässt.“ „Luffy hat so anständig gewirkt“, schnaufte Hancock. „So ehrlich und vertrauenswürdig. Zu Beginn hat er sich auch auf unser Baby gefreut. Doch als er dann begriffen hat, wie viel Verantwortung mit dem Vatersein verbunden ist, nahm er Reißaus. Er meinte zu mir, dass er dafür nicht bereit sei. Anstatt sich um unsere Tochter zu kümmern, wird er ein Auslandsjahr in Chile machen. Abenteuer erleben, hat er es genannt. Wie konnte ich nur so naiv sein und auf die Versprechungen eines siebzehnjährigen Jungen hereinfallen? Das ist wirklich dumm von mir gewesen.“ „Trink ein bisschen Tee“, erwiderte Crocodile unbeholfen. Er beobachtete, wie seine Schwester an ihrer Tasse nippte, und fügte mit ein wenig kräftiger klingender Stimme hinzu: „Scheiß auf Luffy. Und scheiß auch auf Doflamingo. Du weißt, dass Mihawk und ich für dich da sein werden, Hancock? Wir sind deine großen Brüder. Wir passen immer auf dich auf. Und unterstützen dich, egal was passiert. Also mach dir bitte keine Sorgen um die Zukunft, ja?“ Hancock zog die Nase hoch und nickte. Sie schwieg für eine Weile, ehe sie schließlich sagte: „Danke. Es tut gut zu wissen, dass ich mich auf euch verlassen kann.“ „Natürlich kannst du das. Wir sind eine Familie!“ „Jetzt fühle ich mich noch mieser wegen...“ „Lass uns nicht mehr davon sprechen!“, unterbrach Crocodile sie rasch. „Und lass uns heute Abend auch nicht an schlechte Dinge denken. Was, ähm, was hältst du davon ein bisschen tanzen zu gehen?“ „Tanzen?“, wiederholte Hancock und warf ihm einen irritierten Blick zu. „Wie kommst du denn plötzlich darauf?“ „Doflamingo ist mit ein paar Freunden in einer Bar ganz in der Nähe unterwegs. Shakky's Bar heißt der Laden, glaube ich. Warum gehen wir nicht hin? Und streichen Luffy wenigstens für heute Abend aus unserem Gedächtnis?“ „Ich weiß ja nicht“, stammelte Hancock, die sich vom plötzlichen Übermut ihres Bruders ein wenig überrumpelt zu fühlen schien. „Ich bin schon ziemlich lange nicht mehr tanzen gewesen. Und ich darf ja auch gar keinen Alkohol trinken. Wegen dem Baby.“ „Ich bin mir sicher, man bekommt in Shakky's Bar auch ein Glas Cola, wenn man darum bittet“, gab Crocodile zurück und warf seiner Schwester ein aufmunterndes Lächeln zu. „Komm schon, Hancock. Das hast du dir verdient!“ „Also gut“, gab sie sich schließlich geschlagen und erwiderte sein Lächeln. „Warum eigentlich nicht? Ein bisschen Spaß würde mir sicher guttun.“ Shakky's Bar war eine ziemlich heruntergekommene Kneipe mit viel Charme. Auf den zerschlissenen, roten Ledersofas tummelten sich Gruppen gut gelaunter Menschen, die sich miteinander unterhielten und Bier tranken. Viele von ihnen erweckten einen recht exzentrischen Eindruck. Tatsächlich brauchte Crocodile fast zwei Minuten, um seinen Partner auszumachen; dabei fiel Doflamingo normalerweise in jeder Menschenmenge auf wie ein bunter Hund. Doch hier ging er trotz der violetten Hose mit Tigerprint und dem grässlichen, neonfarbenen Hemd beinahe unter. „Warum holen wir uns nicht etwas zu trinken und setzen uns dann zu Doflamingo hinüber?“, schlug Crocodile seiner Schwester vor, die sich mit einem teils neugierig, teils skeptischen Blick umschaute. Offenbar hatte sie noch nicht entschieden, ob ihr Shakky's Bar zusagte oder nicht. Hancock nickte. Gemeinsam gingen sie zum Tresen hinüber. Sie bestellte ein Glas Cola, er ein stilles Wasser. Wie üblich zog Hancock jede Menge Blicke auf sich. Sie war eine außergewöhnlich schöne Frau und konnte kaum das Haus verlassen, ohne angesprochen zu werden. Mit den Jahren hatte sie sich daran gewöhnt und schenkte den Flirtversuchen normalerweise keine Beachtung. Heute Abend schienen die vielen Blicke sie jedoch aufzuwühlen. „Wirklich unfassbar“, zischte sie und nahm einen großen Schluck Cola. „Obwohl ich mit einem dicken Babybauch hier auftauche, starren sie mich an als wollten sie mich mit ihren Blicken ausziehen.“ „Mach dir nichts draus“, gab Crocodile gelassen zurück. „Du bist eben eine sehr gutaussehende Frau. Trotz Babybauch.“ Diese Aussage brachte Hancock zum Lächeln. „Eigentlich ist es ein netter Gedanke, dass mich die Männer immer noch attraktiv finden“, meinte sie. „Weißt du, heute Morgen waren meine Füße so fürchterlich angeschwollen, dass ich kaum in meine Schuhe gepasst habe.“ „In Momenten wie diesen danke ich Gott dafür, dass er mich zu einem Mann gemacht hat.“ Erst als Hancock zu lachen begann, wurde Crocodile unangenehm bewusst, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. „Jetzt geht es mir schon viel besser. Vielen Dank, Crocodile.“ „Nicht dafür“, erwiderte er und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. „Nein, wirklich“, ließ Hancock nicht locker. „Es tut gut, einfach ein bisschen zu lachen. Es ist lange her, seitdem ich mich das letzte Mal so ausgelassen gefühlt habe. Hierher zu kommen, ist eine echt gute Idee gewesen.“ „Lass uns am besten jetzt zu Doflamingo und den Anderen gehen“, meinte Crocodile, den die Lobreden seiner Schwester allmählich verlegen werden ließen. Er nahm sie vorsichtig bei der Hand und führte sie zu dem Tisch hinüber, an dem Doflamingo und dessen Freunde saßen. Sein Verlobter unterhielt sich gerade mit einer ihm fremden, dunkelhaarigen Frau, doch wandte sich sofort freudestrahlend um, als er ihn und Hancock erkannte. „Croco, Hancock!“, begrüßte er die beiden Neuankömmlinge gut gelaunt und deutete auf die freien Plätze gleich links neben sich. „Schön, dass ihr da seid!“ Crocodile setzte sich neben seinen Partner; Hancock ließ sich einen Platz weiter nieder. Abgesehen von der dunkelhaarigen Frau (sie hatte eine ungewöhnlich lange Nase, fiel ihm sofort auf), die gegenüber von Doflamingo saß, waren außerdem noch Law, Bellamy, Violet und Vergo anwesend. Weniger als eine halbe Minute später stieß auch Kid dazu. In der Hand hielt er zwei Flaschen Bier, von denen er eine an seinen Freund weitergab. Offensichtlich hatten Hancock und Crocodile ihm seinen Sitzplatz gestohlen, doch anstatt diesen Umstand anzusprechen, zog er sich einfach einen Stuhl vom Nebentisch heran. „Habt ihr euren Streit klären können?“, fragte Doflamingo im Flüsterton, als die Anderen sich wieder ihren Tischgesprächen zugewandt hatten. Crocodile nickte. „Alles gut bei uns“, antwortete er unverfänglich und nahm einen Schluck Wasser. „Sehr schön“, gab Doflamingo grinsend zurück. „Hier gibt es übrigens auch Wodka-Mischgetränke, wenn du möchtest.“ „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile abwehrend. „Ich bin ja sowieso mit dem Auto da. Und außerdem fühlt Hancock sich bestimmt blöd, wenn sie die einzige ist, die nichts trinkt.“ Diese Begründung schien Doflamingo einzuleuchten. „Okay“, meinte er und lächelte ihm wohlwollend zu, ehe er seine unterbrochene Unterhaltung mit der dunkelhaarigen Frau fortführte. Crocodile wurde derweil von Bellamy in ein Gespräch verwickelt. „Ich freue mich schon sehr auf eure Hochzeit“, meinte er und nahm einen großen Schluck Bier. „Das wird sicher eine tolle Feier. Wisst ihr schon, was es zu essen geben wird?“ Sie plauderten für eine Weile über dieses und jenes. Crocodile spürte, dass seine Schwester allmählich aufblühte und sich wohlzufühlen begann. Sie lachte oft und unterhielt sich ausgelassen mit ihren Sitznachbarn. Und auch Crocodile fühlte sich nicht unwohl. Es gab bloß eine einzige Sache, die ihm gegen den Strich ging: Und das waren die Flirtversuche seitens der dunkelhaarigen Frau mit der auffallend langen Nase. Doflamingo schien diese gar nicht so wirklich mitzubekommen, jedenfalls wies er die junge Dame (inzwischen hatte Crocodile erfahren, dass ihr Name Porsche lautete) nicht in ihre Schranken. Doch auf Crocodile wirkten die Sprüche sehr eindeutig. Sein Verlobter hatte gerade eben eine Runde ausgegeben und Porsche nutzte just die Gelegenheit, um sich ihm an den Hals zu werfen. „Du bist ein echter Gentleman, Doflamingo“, sagte sie und warf ihrem Gegenüber einen eindringlichen Blick zu. „Du weißt, wie man eine Frau behandelt!“ Crocodile zwang sich selbst dazu Ruhe zu bewahren und blickte demonstrativ in eine andere Richtung. Nichtsdestotrotz musste er die Lippen fest aufeinanderpressen, um Porsche nicht darauf hinzuweisen, dass Doflamingo nicht bloß ihr, sondern allen ein Getränk ausgegeben hatte. „Ach, wirklich?“, gab dieser keck grinsend zurück und nippte an seinem Cocktail. „Das höre ich selten.“ „Doch, doch, ehrlich!“, beteuerte sie und saugte an ihrem Strohhalm, ohne das Gesicht von ihm abzuwenden. „Du bist etwas Besonderes, Doflamingo. Das habe ich sofort gespürt!“ Dies war der Punkt, an dem Crocodile endlich beschloss, einzugreifen. Er warf seinem Verlobten einen verärgerten Blick zu und versetzte ihm unter dem Tisch einen leichten Tritt gegen das Schienbein. Doch Doflamingo konnte oder wollte diese Hinweise nicht verstehen. Stattdessen trieb er das Spiel sogar noch weiter. „Was meinst du damit?“, fragte er Porsche und stützte sein Kinn mit der rechten Hand ab. Scheinbar gedankenverloren rührte er seinen Cocktail um. „Du bist anders als die Anderen“, hauchte sie und beugte sich über den Tisch zu ihm hinüber. Ihre dunklen Augen fixierten Doflamingos Sonnenbrille. Die Spitze ihrer langen Nase war nur noch wenige Zentimeter von seinen Gesicht entfernt. „Viel klüger, stilvoller...“ (Angesichts dieser Aussage konnte Crocodile ein leichtes Prusten nicht unterdrücken. Stilvoll wäre nun wohl wirklich der allerletzte Begriff, mit dem er seinen Verlobten beschreiben würde.) „Eigentlich gehörst du gar nicht in einen so dämlichen Schuppen wie diesen hier. Also warum hauen wir beide nicht einfach ab? Was hälst du davon, wenn wir einen kleinen Spaziergang machen? Nur wir zu zweit?“ Nun konnte Crocodile absolut nicht mehr an sich halten. „Jetzt reicht es aber allmählich!“, wies er seinen Partner mit verschränkten Armen zurecht, ehe dieser dazu kam, zu einer Erwiderung anzusetzen. „Lass deine dämlichen Spielchen bleiben, Doflamingo.“ „Warum mischst du dich überhaupt ein, du Idiot?!“, fauchte Porsche prompt und warf ihm einen giftigen Blick zu. „Dich geht das Ganze doch gar nichts an!“ „Da bin ich aber anderer Meinung“, gab Crocodile schnaubend zurück. „Immerhin ist das mein Verlobter, mit dem du da ins Bett hüpfen willst!“ „Dein Verlobter? Hältst du mich für blöd?“ Porsche schien ihm kein Wort zu glauben. Sie zog verächtlich ihre lange Nase hoch. „Wer ist denn dann bitte die schwangere Frau, mit der du Hand in Hand hergekommen bist? Deine Schwester?“ Inzwischen waren fast alle Blicke am Tisch auf sie Drei gerichtet. Aus dem Augenwinkel heraus konnte Crocodile Bellamy beobachten, der offenbar Schwierigkeiten hatte sich das Lachen zu verkneifen. Doflamingo neben ihm schien es übrigens nicht anders zu gehen. Um sein amüsiertes Grinsen zu kaschieren, blies er mit seinem Strohhalm prustend ein paar Blubberblasen. „Naja“, meinte Crocodile unbeholfen und runzelte die Stirn. Er wusste nicht so recht wusste, was er auf diese Frage erwidern sollte. „Ja.“ Bellamy konnte nicht mehr an sich halten. Laut lachend erhob er sich vom Tisch und steuerte den Tresen an. Sein noch fast randvolles Bier ließ er an seinem Platz zurück. Und auch Doflamingo fiel es schwer sein immer breiter werdendes Grinsen zu verbergen. „Du hast doch einen Knall!“, meinte Porsche. Sie schien allmählich zu begreifen, dass irgendetwas vor sich ging, doch schien nicht recht zu wissen wie sie sich verhalten sollte. Schließlich ging sie in Angriffsposition über: „Als würde sich jemand wie Doflamingo mit einem Typen wie dir verloben! Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung wie reich er ist? Er könnte jeden haben! Warum sollte er da dich nehmen?! Du bist nur irgendein Freak mit einem zerfetzten Gesicht! Ein widerlicher, kaputter...“ Plötzlich war jede Amüsiertheit aus Doflamingos Gesicht verschwunden. Wutentbrannt richtete er sich auf, blickte Porsche unverwandt ins Gesicht und zischte mit eiskalter Stimme: „Sei leise!“ Mit einem Schlag war es so still, dass man eine Stecknadel zu Boden fallen hören konnte. Nicht nur Porsche, sondern alle am Tisch Anwesenden starrten ihn unversehens an. Doflamingo strahlte eine so zornige Aura aus, dass niemand es wagte auch nur einen Ton von sich zu geben. Schlussendlich war es Porsche, die das Schweigen durchbrach. Laut schluchzend brach sie in Tränen aus, bedeckte die Hände mit dem Gesicht und nahm reißaus. Sie dachte nicht einmal mehr daran, ihre Handtasche mitzunehmen. Doflamingo setzte sich wieder hin. Crocodile gab ein schnaubendes Geräusch von sich. „Endlich ist diese blöde Kuh weg“, meinte er gelassen und nahm einen Schluck Wasser. „Ihre dämliche Nase hat mich sowieso schon den ganzen Abend lang genervt.“ „Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie so etwas sagen würde...“ „Ist schon gut“, unterbrach Crocodile seinen Verlobten und winkte ab. „Nein, wirklich... Ich... Das sollte nur ein Spaß sein! Ich wollte, dass sie dich ein bisschen eifersüchtig macht. Nicht, dass sie dich beleidigt... Das war nicht meine Absicht, Crocodile.“ „Ich sagte doch, dass es gut ist“, wiederholte er und warf Doflamingo einen aufmunternden Blick zu. „Ihre Worte haben mich nicht verletzt. Es ist alles in Ordnung. Also beruhige dich bitte wieder.“ „Sie hat gemeint, du hättest ein zerfetztes Gesicht!“, hielt sein Partner aufgebracht dagegen. „Na und?“, gab Crocodile schulterzuckend zurück. „Sie hat nicht gelogen. Wenn man so will, habe ich es ein zerfetztes Gesicht. Entweder das oder ich bilde mir die riesige Narbe, die quer über meine Nase verläuft, seit gut fünf Jahren ein. Also was soll's.“ Auf diese Aussage schien Doflamingo keine passende Erwiderung einzufallen. Also griff er stattdessen nach seinem Glas und trank einen großen Schluck Sex On The Beach. Trotz des unangenehmen Zwischenfalls mit Porsche gestaltete sich der Abend sehr schön. Alle hatten gute Laune, lachten oft und Doflamingo gab jede halbe Stunde eine Runde aus. Es war schon viertel vor eins, als Kid sich schließlich als Erster aus ihrer Gruppe auf den Heimweg machte. „Ich habe morgen einen Termin mit einem Kunden“, entschuldigte er sich. „Schade“, meinte Law in einem recht widerwillig klingenden Tonfall. Ihm wäre es wohl lieber gewesen, wenn sein Freund noch eine Weile bliebe. „Wir sehen uns übermorgen“, versuchte Kid ihn aufzumuntern und gab ihm zum Abschied einen Kuss. „Zwischen euch beiden scheint es ja wirklich gut zu laufen“, sagte Doflamingo grinsend, als Kid verschwunden war und zog geräuschvoll an seinem Strohhalm. Inzwischen war er schon bei seinem sechsten oder siebten Cocktail angelangt. Law zuckte mit den Schultern. Crocodile konnte ihm nicht verübeln, dass er diese Frage als unangenehm und aufdringlich empfand. „Wir kommen sehr gut miteinander zurecht“, gab er schließlich zurück. „Das klingt aber nicht gerade begeistert“, stichelte Doflamingo. Law rollte mit den Augen. „Wirklich“, meinte er schließlich. „Kid ist toll. Nur leider fällt es uns manchmal schwer Zeit füreinander zu finden. Wir müssen beide sehr viel arbeiten.“ „Vielleicht solltest du darüber nachdenken deine Stundenzahl zu verringern“, schlug Doflamingo vor. „Oder weniger Spätschichten anzunehmen.“ „Kid muss auch oft nachmittags arbeiten“, gab Law zurück. „Mal schauen... Wir werden da sicher eine Lösung finden. Aber ich möchte nichts überstürzen. Wir sind ja erst seit ein paar Wochen zusammen. Kid soll sich nicht von mir bedrängt fühlen.“ „Ach“, machte Doflamingo und winkte ab. „Das ist doch ganz normal, dass man als Pärchen viel Zeit miteinander verbringen möchte. Gerade zur Anfangszeit. Ich weiß noch, wie schlimm ich es früher immer fand, dass ich Crocodile nicht jeden Tag sehen konnte. Ich habe ihn immer ganz fürchterlich vermisst, wenn er nicht bei mir war.“ „Du bist ja aber auch ein echter Sonderfall“, gab Law naserümpfend zurück und nahm einen Schluck Whiskey. „Eine totale Klette. Obwohl ich Crocodile damals noch gar nicht wirklich kannte, hat er mir total leid getan. So wie du ihn belagert hast.“ „Du übertreibst“, meinte Doflamingo. Das Grinsen auf seinen Lippen schmälerte sich ein klein wenig. Offensichtlich fühlte er sich ertappt. „Law hat nicht ganz Unrecht“, schaltete sich nun auch Crocodile in das Gespräch ein. „Du wolltest mich am liebsten jeden Tag sehen. Und wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht möglich war, hast du mich mit Anrufen förmlich terrorisiert.“ Er lachte leise. „Das stimmt doch gar nicht!“, widersprach ihm sein Verlobter und schob die Unterlippe nach vorne. „Ich meine...Klar wollte ich gern Zeit mit dir verbringen. Das ist ja wohl selbstverständlich. Immerhin hatte ich gerade die Liebe meines Lebens kennengelernt. Aber ich habe dich doch nicht terrorisiert!“ „Keine Sorge, du bist nicht der einzige, der terrorisiert wurde“, stichelte Law und wandte sich zu Crocodile um. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft Doflamingo in den ersten Wochen von dir gesprochen hat. Manchmal hat er uns sogar angerufen, nur um uns irgendein völlig unwichtiges Detail mitzuteilen. Heute hat Crocodile für mich gekocht. Er isst am liebsten Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Feta-Käse oder Ich hab herausgefunden, dass er gar kein Tattoo hat. Ich dachte die ganze Zeit über, er hätte eines.“ „Ich... So ist das doch überhaupt nicht gewesen“, funkte Doflamingo dazwischen. Er bließ die Backen auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Oh doch“, erwiderte Law grinsend. „Seine Lieblingsfarbe ist grün. Er hat keinen zweiten Vornamen. Seine Schuhgröße ist 40. Er fährt einen silbernen Mercedes C 216. Seine Wohnung hat keinen Balkon. Crocodile hat heute zwei Stunden länger gearbeitet. Crocodile hatte heute Magenschmerzen. Crocodile findet Star Wars langeweilig. Crocodile hat heute gepupst. Jeden Blödsinn wolltest du uns unbedingt mitteilen.“ Unweigerlich brach Crocodile in schallendes Gelächter aus. Er konnte sich ganz genau vorstellen, wie Doflamingo Law, der gerade aus einer mehrstündigen OP kam, aufgeregt anrief, nur um diesen mitzuteilen, dass er herausgefunden hatte welchen Film er am liebsten mochte. „Für mich sind das wichtige Dinge gewesen“, verteidigte sich Doflamingo. Inzwischen hatte sich eine leichte Röte auf seine Wangen gelegt. „Ich war von Anfang an hin und weg von dir, Crocodile. Natürlich habe ich mich gefreut, wenn ich Neues über dich erfahren konnte.“ „Bestimmt übertreibst du wirklich ein klein wenig, Law“, versuchte dieser seinen peinlich berührten Verlobten ein bisschen in Schutz zu nehmen. „Nein, ehrlich nicht“, beharrte Law kopfschüttelnd auf seinem Standpunkt. „Jede einzelne Aussage, die ich eben wiederholt hab, ist wirklich von Doflamingo getätigt worden!“ „Das kann nicht sein“, gab Crocodile zurück. „Ich, naja... zum Beispiel hab ich noch nie vor Doflamingo gepupst! Also kann das schon mal nicht stimmen!“ „Dann hat er mich eben angelogen“, meinte Law unbeirrt. „Ich erinnere mich noch ganz genau: Es war kurz nach Mitternacht und ich war auf dem Weg ins Krankenhaus, weil ich schnell zu einer Notfall-OP musste. Da hat Doflamingo mich angerufen und mir freudestrahlend mitgeteilt, dass du gepupst hättest. Und wie wichtig ihm das sei, denn man sagt ja, eine Beziehung wäre erst dann wirklich stabil, wenn man die Furz-Grenze überschritten hätte. Ich erinnere mich sogar noch an das Wort! Er hat wirklich Furz-Grenze gesagt!“ „Ich... Was.... ich?“ Irritiert wandte Crocodile sich zu seinem Partner um. „Warum verbreitest du denn solche dämlichen Lügen über mich, Doflamingo?! Ich... ich würde niemals vor dir pupsen! Das tue ich vor überhaupt keinem!“ „Doch, du hast gepupst gehabt“, hielt sein Verlobter ernst dagegen und nippte an seinem Cocktail. „Du weißt es nur nicht, weil du geschlafen hast.“ „Aber... Ich... Dann zählt das doch überhaupt gar nicht!“ „Klar zählt das!“, meinte Doflamingo entrüstet. „Nein, das zählt überhaupt nicht!“ „Doch!“ „Nein!“ „Doch!“ „Jetzt reicht es wohl aber mal“, schaltete sich nun Violet ein. Sie warf ihnen Dreien einen entgeisterten Blick zu. „Habt ihr denn nichts Besseres zu tun als darüber zu streiten, wer irgendwann einmal gefurzt hat?“ „Du verstehst das nicht“, gab Crocodile patzig zurück. „Es geht gar nicht um den... den Furz selber. Sondern darum, dass Doflamingo Lügen über mich in die Welt setzt!“ „Aber es ist doch gar nicht gelogen gewesen!“, fuhr sein Verlobter ihn an. „Du hast definitiv gepupst! Dafür ich lege ich meine rechte Hand ins Feuer!“ „Es zählt trotzdem nicht! Das ist unterbewusst passiert! Du hättest auf einen richtigen Pups warten müssen, damit es zählt!“ „Da hätte ich aber lange warten können!“, erwiderte Doflamingo aufbrausend. Er schubste mit dem rechten Ellenbogen beinahe sein leeres Cocktail-Glas vom Tisch. „Du hast bis heute nicht absichtlich vor mir gepupst! Und dabei heiraten wir in einem Monat schon!“ „So etwas tue ich einfach nicht“, hielt Crocodile aufgebracht dagegen. „Vor keinem! Und als allerletztes vor meinem Verlobten!“ „Ich finde, das hättest du ruhig mal tun können. Wenigstens mir zuliebe!“ „Du hast nie mit auch nur einem Wort erwähnt, dass du dir das von mir wünschst!“ „Da hätte man ja auch mal selbst drauf kommen können, oder nicht?“ „Ich... Das ist... Du bist... Ich... Du hast auch noch nie vor mir gepupst! Also fass dir mal an die eigene Nase!“ Doflamingo saugte scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. „Das stimmt überhaupt gar nicht! Ich habe schon zweimal gepupst, als du in der Nähe gewesen bist!“ „Du erzählst Blödsinn! Ich hätte es ja wohl mitbekommen, wenn du gepupst hättest!“ „Der war eben leise! Im Gegensatz zu deinem! Der ist total laut gewesen!“ „Das... das nimmst du sofort zurück!“ „Jungs!“ Diesmal griff Violet in einem deutlich energischer klingenden Tonfall in ihre Diskussion ein. „Es reicht nun wirklich! Niemand hier möchte wissen, wer von euch wann oder wie gepupst hat! Ihr beide habt wohl definitiv zu tief ins Glas geschaut!“ „Ich habe den ganzen Abend lang nur Wasser getrunken“, verteidigte sich Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Umso schlimmer!“, fügte seine Schwester Hancock kichernd hinzu. Es war kurz nach zwei Uhr morgens. Auch die beiden Frauen hatten sich inzwischen auf den Heimweg gemacht; von ihrer Truppe waren nur noch Bellamy und Law übrig, die gerade am Tresen standen und darauf warteten, dass Shakky ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkte. Doflamingo stieß ihm sanft mit dem Ellenbogen in die Seite. „Was hältst du davon, wenn wir beide uns für eine Weile aufs Klo verziehen?“, fragte er und warf ihm ein zuvorkommendes Lächeln zu. Im ersten Moment verstand Crocodile überhaupt nicht, worauf sein Verlobter hinauswollte. „Wieso denn das?“, fragte er und zog irritiert eine Augenbraue hoch. „Du weißt schon...“ Doflamingo rückte näher an ihn heran, legte die rechte Hand an seinen Hinterkopf und küsste ihn auf die Lippen. Es war ein sehr hungriger Kuss. Doch als Crocodile immer noch nicht begriff, wovon Doflamingo sprach, zog dieser ihn kurzerhand von seinem Sitzplatz und schob ihn hinüber zu der Herrentoilette. Wie man es bei den Waschräumen einer Bar gegen kurz nach zwei Uhr vermuten würde, waren diese nicht sonderlich sauber. Es stank unangenehm nach Urin und die gefliesten Wände waren überzogen mit lauter bunten Graffitis. Crocodile blickte sich verunsichert um, während Doflamingo an einem alten Automaten, der an der Wand neben dem Waschbecken hing, für ein paar Berry eine Packung Gleitcreme zog. „Das ist nicht dein Ernst“, stieß er entsetzt hervor. „Du willst Sex haben? Hier? In diesem stinkenden Klo?“ „Klar“, meinte Doflamingo breit grinsend. „Warum denn nicht? Willst du mir erzählen, du hattest noch nie Sex auf einer öffentlichen Toilette?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Und ich habe es auch nicht vor“, fügte er hinzu. „Hast du dich mal umgeschaut? Es ist total dreckig und eklig hier!“ „Ach, komm“, versuchte sein Verlobter ihn zu überreden. Er öffnete die Türe einer der beiden Toilettenkabinen. „Ich finde, du solltest der Sache eine Chance geben! Du kannst vorher doch gar nicht wissen, ob es dir gefällt oder nicht.“ Crocodile verzog den Mund. „Und wenn uns einer sieht? Es kann jeden Moment jemand durch die Türe kommen!“ „Deswegen gehen wir ja hier herein“, erwiderte Doflamingo und deutete auf die Toilettenkabine. „Komm schon, Wani! Sei kein Spielverderber!“ Crocodile seufzte leise auf, ehe er schließlich unwillig zu seinem Partner in die Kabine stieg. Doflamingo schloss rasch die Türe. Es war extrem eng und Crocodile hütete sich davor, mit den Armen ausversehen die Wände zu streifen. Er fühlte sich furchtbar unwohl hier drin. Doflamingo verwickelte ihn rasch in einen nassen, leidenschaftlichen Kuss. Crocodile versuchte sich auf seine weichen und warmen Lippen zu konzentrieren, doch trotzdem gelang es ihm nicht den beißenden Uringeruch zu verdrängen. Bei ihm handelte es sich um eine sehr reinliche Person und er wünschte sich im Moment nichts mehr als diese Toilettenkabine wieder zu verlassen. „Lass uns nach Hause fahren“, schlug er vor. „In unserem Schlafzimmer steht ein riesengroßes Bett. Dort können wir uns austoben wie wir möchten. Einverstanden?“ „Ich will dich jetzt“, erwiderte Doflamingo unbeirrt und drückte ihm erneut einen Kuss auf die Lippen. Gleichzeitig machten sich seine Hände an den Knöpfen seines Hemdes zu schaffen. Crocodile schob sie zur Seite. „Doffy“, meinte er mit eindringlicher Stimme. „Ich möchte das nicht. Nicht hier. Es stinkt und ist dreckig. Und du bist betrunken!“ „Sei nicht so ein Langeweiler“, meinte sein Verlobter, der nun stattdessen nach seinem Gürtel griff. „Dir wird das bestimmt gefallen! Entspann dich einfach!“ Crocodile spürte, wie sein Gürtel und sein Hosenknopf geöffnet wurden. Ehe er sich versah, hing seine Hose auf Höhe seiner Knöchel. Er gab ein zirrtriges „Doffy!“ von sich, als auch seine Boxershorts folgten. Crocodile fühlte sich unwohl. Zwischen Fußboden und Türe war ein Spalt; jeder, der hereinkam und herschaute, würde also seine heruntergelassene Hose sehen. Sein Glied war schlaff. Darum kümmerte sich Doflamingo. Er griff nach seiner bunten Sonnenbrille, nahm sie ab und verstaute sie in seiner Hosentasche. Zwei grüne Iridien blickten Crocodile unverwandt an und sofort spürte er einen heißen Schauer über seinen Rücken laufen. Doflamingo berührte zärtlich sein Glied, pumpte es ein paar Mal und beobachtete erwartungsfreudig, wie es in seiner Hand hart wurde. Ohne zu zögern nahm er es in den Mund, umschloss die Eichel mit den Lippen und saugte genüsslich daran. Crocodile fiel es schwer ein Stöhnen zu unterdrücken. Die rechte Hand presste er hinter sich an die Türe der Toilettenkabine, um das Gleichgewicht halten zu können. „Nur Oralsex“, flüsterte und erschrak selbst darüber wie verschüchtert seine Stimme klang. „Erst ich bei dir, dann du bei mir. Okay? Okay, Doffy?“ Doflamingo beachtete seinen Einwand überhaupt nicht. Stattdessen saugte er weiterhin an seinem Glied. Als er mit einer Hand nach seinen Hoden griff, um diese sanft zu massieren, kreuzten sich ihre Blicke für einen kurzen Augenblick. „Du bist gar nicht betrunken, du Hund“, stöhnte er und bemühte sich um einen vorwurfsvoll klingenden Tonfall. „Gib zu: Das hast du geplant!“ Erneut ließ sein Verlobter sich zu keinem Einwand herab. Ohne den Mund vom Penis seines Partners zu lösen, holte er aus seiner Hosentasche das Päckchen Gleitcreme hervor, das er gerade eben am Automaten gezogen hatte. Geschickte benetzte er die Finger seiner rechten Hand mit der durchsichtigen Flüssigkeit. Anstatt sich weiterhin an der Türe abzustützen, fasste Crocodile nun in Doflamingo kurzes, blondes Haar. Er konnte einen Stöhnlaut nicht unterdrücken, als er das kühle Gleitgel an seinem Eingang spürte. Doflamingo verschwendete keine Zeit. Kaum einen Augenblick später war der erste Finger in ihm versunken. Sein Partner bereitete ihn vor, ohne von seinem Glied abzulassen. Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um kein missbilligendes Schnauben von sich zu geben, als Doflamingo schließlich von ihm abließ, um seinen eigenen Hosenbund zu öffnen. „Dreh dich um!“, flüsterte er, während er sein bereits aufgerichtete Glied streichelte und mit dem, was an Gleitcreme noch übrig war, einrieb. Crocodile tat wie ihm geheißen. Mit dem Gesicht zur Tür und die Hand an der rechten Kabinenwand abgestützt, wartete er darauf, dass das Organ seines Partners in ihn eindringen würde. Er musste nicht lange warten. „Vorsichtig!“, zischte er angesäuert, während Doflamingo sein Glied immer tiefer in ihn einführte. „Sorry“, hörte er diesen sagen. „Ich glaube, ich bin doch ein bisschen betrunken.“ Crocodile schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Er spürte Doflamingo überdeutlich: das Glied in ihm, die Hand an seiner Hüfte, den Atem in seinem Nacken. Allmählich begann er sich wohl zu fühlen. Und dann hörte er, wie sich die Türe zu den Waschräumen laut quietschend öffnete. Unweigerlich hielt Crocodile die Luft an. Er biss sich sogar auf die Unterlippe, damit er ja keinen Ton von sich gab. Und zum Glück blieb auch Doflamingo still. Nervös horchte er den Geräuschen auf der anderen Seite der Türe. Er hörte Schritte, die hinüber zum Pissoir führten. Klackend öffnete sich eine Gürtelschnalle; einen Moment später war zu hören wie ein Strahl Urin auf Porzellan stieß. Crocodile spürte, wie sein Gesicht knallrot anlief. Er hoffte inständig, dass der Mann nicht zu den Toilettenkabinen blicken würde, sondern sich einfach bloß rasch die Hände waschen und anschließend wieder verschwinden würde. Zum Glück tat er ihm diesen Gefallen wenigstens zur Hälfte. Ohne sich die Hände gewaschen zu haben, verließ er die Toilettenräume. Kaum war die Türe hinter dem Fremden ins Schloss gefallen, spürte Crocodile, wie Doflamingo sich in ihm zu bewegen begann. Erst langsam, doch sein Tempo stetig erhöhend stieß er immer wieder in ihn. Crocodile, der sich einfach bloß unfassbar erleichtert fühlte, beschloss sich seinen Gefühlen hinzugeben. Leise stöhnte er, während das Glied seines Partners immer wieder diesen ganz besonderen Punkt in seinem Inneren streifte. Es überraschte ihn selbst, doch es dauerte nicht lange, bis die Hitze, die sich kribbelnd in seinem Unterleib ausbreitete, unerträglich wurde. Kaum einen Moment später ergoss er sich mitten auf die Türe der Toilettenkabine. Nur nach fünf oder sechs weiteren Stößen spürte er, wie auch Doflamingo seufzend zum Höhepunkt kam. Das warme Sperma lief seine Oberschenkel herunter und drohte auf den Stoff seiner Hose zu tropfen, die immer noch lose um seine Knöchel hing. Doflamingo hatte sich noch nicht vollständig von ihm gelöst, da hatte Crocodile bereits nach dem Toilettenpapier gegriffen. Den ersten Fetzen warf er zu Boden; mit dem nächsten wischte er sich hektisch seine Oberschenkel sauber. „Darf ich auch?“, fragte sein Verlobter schwer atmend, nachdem er mit seinem Unterleib fertig war. Crocodile reichte ihm das Toilettenpapier herüber und beobachtete, wie die letzten Spermatropfen von seiner Eichel wischte, während er selbst seine Hose hochzog. Der Gedanke, dass sie minutenlang auf dem Toilettenboden gelegen hatte, ekelte ihn, doch er hatte wohl kaum eine andere Wahl als in sie hineinzuschlüpfen. Doflamingo wollte gerade die Türe aufschließen, als Crocodile meinte: „Noch nicht! Was machen wir hiermit?“ Mit der Hand deutete er auf den riesigen Spermafleck, den er mitten auf der Kabinentüre hinterlassen hatte. „Was sollen wir damit schon machen?“, gab sein Partner schulterzuckend zurück. „Nichts machen wir damit. Von mir aus können wir jetzt nach Hause fahren.“ „Aber... Ich... Wir können das doch nicht einfach so hinterlassen!“, wandte Crocodile ein. „So etwas macht man doch nicht!“ „Willst du hier die Putzfrau spielen, Croc?“ „Nun... Okay, lass uns verschwinden. Aber was sagen wir Law und Bellamy, wenn wir gleich wieder in den Schankraum gehen? Sie werden bestimmt wissen wollen, wo wir abgeblieben sind!“ „Wer weiß, ob die beiden nicht längst schon nach Hause gefahren sind“, erwiderte Doflamingo unbekümmert. „Und ansonsten lassen wir uns eben eine Ausrede einfallen.“ „Okay, gut“, gab Crocodile sich geschlagen und öffnete mit einem unguten Gefühl im Magen die Türe der Kabine. * Morgen war ihr erster Jahrestag und Crocodile hatte absolut keine Ahnung, was er seinem Verlobten schenken sollte. Zwar hatte er für diesen besonderen Anlass 1.000 Berry zur Seite gelegt, doch trotzdem wollte ihm nichts Gescheites einfallen. Doflamingo war ein extrem reicher Mann, der es gewöhnt war besonders teure und ausgefallene Geschenke zu bekommen. Crocodile befürchtete da nicht mithalten zu können und sich zu blamieren. Gerade saß er in seinem Büro und trank gedankenverloren ein Glas stilles Mineralwasser. Zu dessen letzten Geburtstag hatte er Doflamingo ein romantisches Wochenende in einem Wellness-Hotel inklusive Erster-Klasse-Flug geschenkt, doch um so etwas in der Art noch einmal zu machen, war sein Budget leider deutlich zu klein. Worüber würde sich sein Partner sonst freuen? Schmuck? Crocodile schüttelte geistesabwesend den Kopf. Parfuem? Einen neuen Mantel? Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als jemand an seine Tür klopfte. „Herein“, sagte er rasch und bemühte sich um seinen gewohnt ernst und selbstsicher klingenden Tonfall. Es war Kiwi, die mit einem breiten Lächeln im Gesicht sein Büro betrat. In den Händen hielt sie ein Tablett, auf dem zwei dampfende Tassen Tee und ein Teller mit Gebäck standen. „Keine Sorge“, meinte sie, ehe Crocodile dazu kam das Wort zu erheben. „Die Plätzchen hab ich selbst gebacken. Sie sind zuckerfrei.“ Sie stellte das Tablett auf seinen Schreibtisch ab, ehe sie sich einen Stuhl heranzog und sich niederließ. „Hier“, sagte Kiwi und schob eine der beiden Tassen zu ihm hinüber. „Ungesüßt.“ „Danke“, erwiderte Crocodile und nahm sich anstandshalber eines der Plätzchen. „Du siehst heute ziemlich niedergeschlagen aus“, merkte Kiwi an und nippte an ihrem Tee. „Ist alles in Ordnung? Wenn du möchtest, kann ich die Powerpoint für dich fertig machen. Ich weiß, dass Franky dich in letzter Zeit mal wieder mit Arbeit zuschüttet...“ „Nein“, meinte Crocodile und schüttelte den Kopf. „Danke, aber das ist nicht nötig. Ich komme gut zurecht. Wirklich.“ „Was ist es denn?“, bohrte Kiwi nach und warf ihm einen teils neugierigen, teils besorgten Blick zu. „Morgen haben mein Verlobter und ich unseren ersten Jahrestag“, gab Crocodile schließlich zu. „Und ich habe keine Ahnung, was ich ihm schenken soll.“ „Ihr seid noch nicht einmal ein Jahr lang zusammen und bereits verlobt?“, fragte Kiwi. Ihre Stimme klang nicht missgünstig, bloß verwundert. „Doflamingo ist der Typ Mensch, der immer alles überstürzen und erzwingen muss“, gab Crocodile seufzend zurück. „Den Ring hat er schon gekauft gehabt, als wir gerade mal drei Monate lang miteinander ausgegangen sind. Kannst du dir das vorstellen?“ Kiwi kicherte und tunkte einen Keks in ihren Tee, ehe sie davon abbiss. „Nun ja, er scheint sich ziemlich sicher zu sein, was dich angeht. Das ist doch eine schöne Sache, oder nicht? Ich wünschte, ein Mann würde sich mal auf diese Art für mich interessieren. Ich bin jetzt schon seit über einem Jahr single. Ab und zu gehe ich mal zu einem Date, aber leider sind die meisten Männer Idioten.“ Crocodile lachte leise. „Da hast du wohl Recht.“ „Ich finde es immer schwierig, erwachsenen Menschen etwas zu schenken“, fuhr Kiwi fort. „Bei Kindern ist es leicht. Aber Erwachsene warten mit ihren Wünschen ja nicht bis zum Geburtstag oder Weihnachten. Wenn sie etwas haben möchten, kaufen sie es sich einfach. Deswegen muss man wirklich pfiffig sein und sich etwas Tolles überlegen.“ „Du sprichst mir aus der Seele. Doflamingo ist ein sehr wohlhabender Mensch. Eigentlich hat er schon alles, was er möchte. Ich hab keine Idee, was jemand wie er sich wünschen könnte.“ „Hmmm... Wie wäre es mit einer gemeinsamen Aktivität?“, schlug Kiwi vor. „Nicht schlecht“, erwiderte Crocodile nachdenklich. „Was für Interessen hat Doflamingo denn so?“ „Ähm... Nun ja... Er geht gerne in Nachtclubs. Er macht Sport. Er mag Fotoalben. Er shoppt gerne...“ „Wieso schenkst du ihm nicht ein gemeinsames Foto-Shooting?“, schlug Kiwi vor. „Foto-Shooting“, wiederholte Crocodile bedächtig. Diese Idee war gar nicht so schlecht. „Sowas haben Mozz und ich vor ein paar Jahren mal gemacht“, fuhr Kiwi fort. „Es hat total viel Spaß gemacht und die Fotos sind eine schöne Erinnerung. Wir sind damals bei Fullbody's Fotostudio gewesen.“ „Das klingt gut“, meinte Crocodile und nickte. Er malte sich bereits aus, wie Doflamingo breit grinsend in die Kamera blicken würde. „Ich werde gleich mal dort anrufen und fragen, ob sie morgen noch einen Termin frei haben.“ Gerüstet mit einem schönen Geschenk fühlte Crocodile sich gleich viel wohler. Am nächsten Tag konnte er es kaum erwarten von der Arbeit heimzukehren. Doflamingo wartete bereits im Foyer auf ihn; in den Händen hielt er eine kleine, in glänzendes Papier eingewickelte Schachtel. „Alles Gute zum Jahrestag, Wani.“ Er beugte sich zu ihm hinunter, küsste ihn auf den Mund und überreichte ihm die Schachtel Sie fühlte sich leicht an; fast als wäre sie leer. Behutsam öffnete Crocodile das kleine Paket. Darin befanden sich auf einem samtenen Polster zwei sehr edel wirkende Manschettenknöpfe. „Ich habe mir gedacht, dass du sie bei unserer Hohzeit tragen könntest“, sagte Doflamingo. „Sie passen ganz gut zu dem Anzug, den du dir ausgesucht hast. Gefallen sie dir?“ Begeistert nickte Crocodile. „Sie sind wunderschön!“ Seine Worte waren nicht gelogen. Zum Glück hatte sein Verlobter bei Schmuck einen deutlich besseren Geschmack als bei der Kleidung. „Ich habe auch etwas für dich“, sagte Crocodile und legte die kleine Schachtel vorsichtig zur Seite. „Allerdings ist es nichts Materielles. Ich hoffe, dass du dich trotzdem freust.“ „Mit Sicherheit“, erwiderte Doflamingo grinsend und küsste ihn erneut. Crocodile spürte, wie die Arme, die sein Verlobter um ihn gelegt hatte, weiter nach unten wanderten, bis sie schließlich seinen Hintern umfassten und zärtlich kneteten. „Wollen wir nach oben ins Schlafzimmer gehen?“ „Ins Schlafzimmer?“ Für einen kurzen Moment stand Crocodile auf der Leitung. „Willst du es etwa gleich hier tun?“, gab Doflamingo überrascht zurück. „Mitten im Foyer? Nicht, dass ich damit ein Problem hätte, aber normalerweise bist du doch deutlich schüchterner.“ „Ich habe ein richtiges Geschenk für dich“, meinte Crocodile empört und windete sich aus der Umarmung. „Ich habe für uns beide ein Foto-Shooting gebucht!“ „Ein Foto-Shooting?“ Sofort war Doflamingo Begeisterung zu spüren. Breit grinsend klatschte er in die Hände. „Das ist eine tolle Idee! Es gibt so wenig Fotos von uns beiden, Baby! Und wenn uns die Arbeit des Fotografen efällt, können wir ihn auch gleich für unsere Hochzeit buchen. Da hast du dir ja wirklich etwas Schönes einfallen lassen!“ „Ähm, ja“, erwiderte Crocodile, der mit dem Enthusiasmus seines Partners ein wenig überfordert war. „Wollen wir dann direkt los? Ich hab einen Termin gleich um neunzehn Uhr gebucht.“ Das war zwar etwas knapp kalkuliert, aber so kurzfristig war bei Fullbody's Fotostudio nichts Anderes mehr frei gewesen. „Klar“, meinte Doflamingo gut gelaunt. „Weißt du denn schon, was du anziehen möchtest? Wie wäre es mit deinem grünen Hemd? Und ich ziehe etwas rosafarbenes an. Du weißt schon... Das sind unsere Farben!“ Crocodile nickte. Ihm war es relativ gleichgültig, wie er auf den Bildern ausschauen würde. Hauptsache sein Verlobter hatte Spaß und freute sich über das Geschenk. Sie schlüpften beide rasch in neue Kleidung und machten sich anschließend auf den Weg zum Foto-Shooting. Fullbody war ein groß gewachsener Mann mit violett gefärbtem Haar, das er sich auf die Seiten gekämmt hatte. Crocodile fragte sich, ob es womöglich von der kleinen Narbe auf seiner Wange ablenken sollte. Sie wurden höflich begrüßt und ohne Wartezeit ins Atelier im hinteren Bereich des Studios geführt. Bereits am Telefon hatte Crocodile mit Fullbodys Assistenten Jacko über die Fotokulisse gesprochen, um zu verhindern, dass sein Verlobter sich ein peinlich-romantisches Setting aussuchte. Stattdessen hatte er sich für etwas Schlichtes entschieden: Einen antiken Stuhl vor einem einfarbigen Hintergrund. „Es bringt ein bisschen Dynamik ins Bild, wenn eines der Models sitzt und eines steht“, erklärte Fullbody ihnen, während er seine Kamera vorbereitete. „Herr... ähm...“ Hilfesuchend wandte er sich an seinen Verlobten. „Donquixote“, antwortete Doflamingo, dem anzusehen war, dass er es kaum erwarten konnte endlich loszulegen. „Herr Donquixote“, fuhr Fullbody fort, „da Sie der Größere sind, setzen Sie sich am besten auf den Stuhl. Darf ich Sie bitten die Beine übereinander zu schlagen? Legen Sie den linken Arm auf die Lehne ab. Mit der rechten Hand können Sie Ihr Kinn abstützten. Und Ihr Verlobter...“, nicht unbedingt sanft ergriff er Crocodiles Ellenbogen und führte ihn zu Doflamingo hinüber, „... stellt sich daneben. Am besten positionieren Sie sich nicht frontal, sondern ein Stück seitlich gedreht. Stützen Sie Ihre rechte Hand auf die freie Armlehne ab. Sehr gut!“ Crocodile, dem ein wenig der Kopf schwirrte, versuchte den Anweisungen des Fotografen so gut wie möglich zu folgen. Um ehrlich zu sein hatte er noch nie zuvor an einem Shooting teilgenommen. Er wusste nicht so recht, ob er sich vor der Kamera wohlfühlte oder nicht. Fullbody verschwand hinter der Kamera. Bevor er abdrückte, gab er noch ein paar letzte Regieanweisungen von sich: „Heben Sie beide den Kopf leicht an. Sehr gut! Sir Crocodile, drehen Sie sich noch ein wenig weiter nach links.“ Dann drückte er ab. Helles Licht blendete Crocodile, doch er bemühte sich darum nicht zu blinzeln. Fullbody machte mehrere Aufnahmen. Als er fertig war, bat er sie beide zu seinem Computer herüber, den er mit der Kamera verbunden hatte. Auf dem Bildschirm waren etwa ein Dutzend Fotos zu sehen, die sich in Crocodiles Augen kaum voneinander unterschieden; doch Doflamingo beäugte jede einzelne Aufnahme sehr genau. „Mein persönlicher Favorit ist dieses hier“, meinte Fullbody und deutete auf das fünfte Bild. An Crocodile gewandt fügte er hinzu: „Ihr Schmuck kommt besonders gut zur Geltung. Außerdem ist Ihr linker Arm hinter dem Stuhlrücken versteckt. Man sieht also gar nicht, dass Ihre linke Hand fehlt.“ „Was haben Sie da gerade gesagt?!“ Doflamingo hatte sich eingeschaltet, ehe Crocodile überhaupt die Gelegenheit bekam seine Meinung zu der Fotoaufnahme kundzutun. Mit zornig zusammengezogenen Augenbrauen fixierte er Fullbody. „Seine fehlende Hand ist kein Makel, verdammt nochmal!“ „Jeder Mensch hat vorteilhafte und weniger vorteilhafte Körperstellen“, hielt Fullbody dagegen. „Und meine Aufgabe als Fotograf ist es, die unvorteilhaften Körperstellen zu verstecken und die vorteilhaften hervorzuheben. Genau das habe ich getan!“ „Ganz ruhig“, versuchte Crocodile die aufgeheizten Gemüter zu beruhigen. Er hatte sich wirklich sehr auf dieses Foto-Shooting gefreut und hatte keine Lust auf Ärger. „Mir gefällt Foto Nummer fünf auch am besten. Also gibt es gar kein Problem.“ „Es geht nicht um das Foto! Es geht um den Scheiß, den dieser blöde Affe von sich gegeben hat!“ „Wie haben Sie mich gerade genannt?!“ „Mich haben seine Worte nicht verletzt.“ Crocodile bemühte sich um eine ruhige Stimme. Er wollte eine Eskalation der Situation unter allen Umständen vermeiden. „Lass uns einfach das fünfte Foto kaufen und nach Hause fahren. Okay?“ „Nicht okay!“, hielt sein immer noch aufgebrachter Verlobter dagegen. „Was bildet sich dieser Wicht eigentlich ein? Du bist perfekt, Crocodile, ganz genauso wie du bist. Man muss überhaupt nichts von dir verstecken!“ „Danke“, sagte Crocodile. „Aber es gibt wirklich keinen Grund, um so einen Aufstand zu machen.“ „Dieser Typ kann nicht einfach...“ „Wenn mich gestört hätte, was er gesagt hat, dann hätte ich mich schon selbst darum gekümmert!“, schnitt Crocodile Doflamingo das Wort ab. Allmählich verlor er die Geduld. Er hatte sich auf ein schönes Foto-Shooting mit seinem Verlobten gefreut und absolut keine Lust auf eine verbale Schlammschlacht. Schon gar nicht wegen solch einer Lapalie. „Ich kann nämlich für mich selber sprechen, Doffy! Also hör gefälligst auf mit diesem Blödsinn! Du ruinierst noch unseren Jahrestag! Lass uns bitte einfach das Foto kaufen. Und dann machen wir uns auf den Rückweg. Ja?“ Endlich gab Doflamingo klein bei. Er wandte den Blick ab, biss sich auf die Unterlippe und murrte unwillig: „Von mir aus.“ Erleichtert atmete Crocodile auf. Doch Donquixote Doflamingo wäre selbstverständlich nicht Donquixote Doflamingo, wenn er ein Thema einfach auf sich beruhen lassen könnte. Kaum saßen sie beide im Auto, wärmte er Diskussion gleich wieder auf. Crocodile rollte mit den Augen und legte den Rückwärtsgang ein, um auszuparken. „Ich verstehe einfach nicht, wie du das auf dir sitzen lassen kannst“, mimoserte Doflamingo und streckte im Fußraum seine langen Beine aus. „Du bist doch sonst immer ein so stolzer Mensch!“ „Ich werde es jetzt zum letzten Mal wiederholen“, erwiderte Crocodile, dessen Geduldsfaden sehr, sehr dünn geworden war. „Mich hat seine Aussage nicht verletzt. Deshalb habe ich keinen Grund gesehen Fullbody zurechtzuweisen.“ „Er hat dich praktisch als... als hässlich dargestellt! Als müsste man Teile von dir verstecken, um das Bild nicht zu ruinieren! Wie kannst du das bitteschön als nicht verletzend empfunden haben?!“ „Ich habe nun einmal keine linke Hand mehr“, gab Crocodile seufzend von sich. Dieses in seinen Augen unnötige Gespräch zehrte an seinen Nerven. „Das ist eine Tatsache. Wieso sollte ich so tun als wäre es anders? Das ist doch vollkommen lächerlich!“ „Ich verlange doch gar nicht, dass man so tut als hättest du noch beide Hände“, widersprach sein Verlobter. „Oder als hättest du keine Narbe im Gesicht. Aber ich möchte nicht, dass irgendjemand diese Eigenschaften als Makel darstellt! Denn das sind sie nicht! Ich liebe dich ganz genauso wie du bist und würde mir dich nicht anders wünschen.“ „Ich liebe dich auch“, gab Crocodile zurück. An einer roten Ampel hielt er an und blickte Doflamingo ins Gesicht. „Und ich danke dir für deine Worte. Aber ich finde, man muss nicht jedes Wort seiner Mitmenschen auf die Goldwaage legen. Das macht das Leben doch nur ungemütlich. Früher wäre mir so etwas sehr nahe gegangen, aber inzwischen habe ich mir ein ziemlich dickes Fell zugelegt. Das weißt du doch. Also lass uns jetzt bitte endlich dieses leidige Thema begraben. Hast du Lust auf Pizza? Ich kenne eine echt gute Pizzeria in der Nähe.“ „Okay, von mir aus.“ Doflamingo schien aufzugeben. „Aber für unsere Hochzeit buchen wir auf jeden Fall einen anderen Fotografen!“ * In einer Woche würde er heiraten. Crocodile konnte es kaum fassen. Während er in der Badewanne lag, sprach er die Worte aus, erst im Flüsterton, dann lauter, doch trotzdem wollte die Bedeutung nicht so ganz zu ihm durchdringen. Die Planung war abgeschlossen. Sie hatten das Schloss, in dem einst Doflamingos Eltern heirateten, als Location gebucht. Sie hatten ihre Anzüge gekauft. Einen teuren Catering-Service für das Essen beauftragt. Die Tischdekoration ausgesucht. Eine Live-Band für die Unterhaltung gebucht. Und vorgestern hatte Doflamingo die Eheringe für sie beide bei Silver's Rayleigh, dem teuersten Juwelier der ganzen Stadt, gekauft. (Crocodile hatte versucht seinen Partner davon zu überzeugen, dass er seinen Verlobungsring als Ehering weiterverwenden wollte, weil er ihm so gut gefiel, doch davon wollte Doflamingo nichts hören.) Die Hochzeitsgäste würden in einem vom Schloss unweit entfernten, romantischen Hotel übernachten. Doflamingo übernahm sämtliche Kosten. Und er weigerte sich noch immer, auch nur einen Berry von Crocodile anzunehmen. Das Klingeln seines Handys, das auf dem Waschbeckenrand lag, riss Crocodile aus seinen Gedanken. Er erhob sich aus der Badewanne, wickelte rasch ein flauschiges Handtuch um seine Hüften und nahm anschließend den Anruf an. Seine Schwester Hancock war am anderen Ende der Leitung. „Hey, Crocodile“, sagte sie mit fröhlicher Stimme. „Haben du und Doflamingo Lust morgen mit zum Brunch zu kommen? Wir treffen dort ein paar alte Freunde.“ „Klar, warum nicht“, antwortete er sofort. Um ehrlich zu sein, war er nicht wirklich der Frühstücks-Typ, doch ihm war jede Gelegenheit Recht, um sich von der bevorstehenden Hochzeit abzulenken. „Ich werde gleich auch Doflamingo fragen, aber bestimmt hat er nichts dagegen.“ „Super“, erwiderte Hancock freudestrahlend. „Wir treffen uns um zehn Uhr in Bluenos Cafe. Du weißt schon, das ist bei mir gleich um die Ecke.“ Crocodile nickte. Als ihm auffiel, dass seine Schwester diese Geste natürlich nicht sehen konnte, erwiderte er rasch: „Gut. Dann bis morgen, Hancock!“ Aus Gewohnheit wollte er das Handy in seine Hosentasche stecken, doch natürlich misslang der Versuch und es landete scheppernd auf dem glatten Fliesenboden. Crocodile konnte ein frustriertes Seufzen nicht unterdrücken. Eigentlich war diese Nervosität ziemlich untypisch für ihn. Missmutig zog er das Handtuch, das er um seine Hüften gewickelt hatte, stramm und griff nach dem auf dem Boden liegenden Handy. Seine sowieso schon schlechte Laune sank auf einen absoluten Tiefpunkt, als er feststellte, dass den Display nun zwei große Schrammen zierten. Das hat mir gerade noch gefehlt. Wenigstens war das Handy nicht kaputt. Mit gemischten Gefühlen betrachtete Crocodile das Hintergrundbild, das ihn und seinen Verlobten zeigte. „Mich und meinen Ehemann“, sprach er laut aus. Das Wort fühlte sich komisch in seinem Mund an. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte Doflamingo nichts dagegen einzuwenden am nächsten Tag mit zum Brunch zu kommen. Als er gerade in sein neon-pinkes Hemd schlüpfte, fragte er Crocodile beiläufig: „Wie weit bist du eigentlich mit deinem Gelübde? Ich arbeite schon seit Wochen an meinem, aber es fehlt irgendwie immer noch der letzte Schliff.“ „Gelübde?“, wiederholte Crocodile mit gerunzelter Stirn und blickte zu seinem Verlobten hinüber. „Du weißt schon“, erwiderte Doflamingo und stieg in eine grauenhafte, metallic-violette Capri-Hose, „unser Ehegelübde. Das Versprechen, das wir einander bei der Trauung geben werden.“ „Du meinst Nimmst du, Sir Crocodile, den hier anwesenden Donquixote zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann? Versprichst du, ihn zu lieben und zu ehren, in guten wie in schlechten Zeiten und so weiter?“ „Sag mir nicht, du möchtest bloß das Standard-Gelübde durchziehen?“, meinte sein Partner mit enttäuscht, beinahe schon entsetzt klingender Stimme. „Nun ja“, gab Crocodile zurück, „das ist doch Tradition, oder nicht?“ Er hatte nichts gegen das übliche Eheversprechen einzuwenden. Ehrlich gesagt war es ihm lieber als Zeit damit zu verschwenden sich ein paar kitschige Zeilen für die Trauung auszudenken. „Ich fände es schöner, wenn wir uns gegenseitig individuelle Versprechen geben würden“, warf Doflamingo ein. „Das würde doch auch viel besser zu uns passen. Immerhin sind wir doch auch kein Null-acht-fünfzehn-Paar, oder?“ „Du weißt, dass ich alles andere als romantisch veranlagt bin“, sagte Crocodile und verzog den Mund. „Ich möchte nicht, dass du hinterher enttäuscht von meinem Gelübde bist, weil du dir etwas Anderes vorgestellt hast.“ „Ach Quatsch!“ Doflamingo machte eine wegwerfende Handbewegung. Er betrachtete sein furchtbares Outfit ein letztes Mal im deckenhohen Spiegel, ehe er Crocodile bedeutete ihm zu folgen. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg hinunter zur Tiefgarage. „Es soll ja kein ellenlanger Text werden. Wir sind beide keine Dichter. Aber ich würde mich über ein paar Worte von dir an mich wirklich freuen.“ „Es ist nicht leicht dich zu beschreiben“, seufzte Crocodile und setzte sich hinter das Steuer seines Mercedes C 216. „Irgendwas fällt dir schon noch ein“, versuchte sein Verlobter ihn aufzumuntern. „Doflamingo, ich liebe dich und verspreche als dein Ehemann mich nicht für dich schämen, auch wenn du gekleidet wie ein Zirkus-Clown das Haus verlässt“, gab Crocodile einen ersten Vorschlag zum Besten. Doflamingo verzog halb amüsiert, halb beleidigt den Mund. „So schlimm ist mein Stil doch gar nicht“, verteidigte er sich und streckte die Beine aus. „Ich habe einfach nur einen anderen Geschmack als du.“ „Du hast nicht einen anderen Geschmack“, erwiderte Crocodile augenrollend und hielt an einer roten Ampel an, „du hast überhaupt keinen Geschmack!“ „Und du bist ein Mode-Experte oder was?“, gab Doflamingo pikiert zurück. „Man muss kein Experte sein, um darauf zu kommen, dass ein pinkes Hemd und eine metallic-violette Capri-Hose nicht unbedingt eine gute Kombination darstellen.“ „Sei nicht so fies!“ Sein Verlobter streckte ihm die Zunge raus. „Ich hab doch auch nichts gesagt, als du diesen furchtbaren karierten, orangefarbenen Pullunder und das blaue Halstuch getragen hast.“ „Der Pullunder ist überhaupt nicht furchtbar!“ „Doch, ist er“, meinte Doflamingo grinsend. „Und das blaue Halstuch hat das Ganze nur noch schlimmer gemacht.“ Crocodile wusste nicht, wie er auf diese kecke Aussage reagieren sollte. Eigentlich hatte sich selbst immer für ziemlich stilsicher gehalten. „Dieser Pullunder ist sauteuer gewesen!“, erwiderte er schließlich unbeholfen. „Das ändert doch nichts an der Tatsache, dass er hässlich ist.“ „Er ist außergewöhnlich und ich habe nicht viele außergewöhnliche Kleidungsstücke, das gebe ich zu. Aber er ist nicht hässlich!“ „Klar, das Ding ist hässlich wie die Nacht!“ „Ich.... Das... Das sagst du nur, um mich jetzt zu ärgern. Wenn du den Pullunder wirklich hässlich gefunden hättest, dann hättest du mir das gleich am selben Tag gesagt. Du bist kein Mensch, der ein Blatt vor den Mund nimmt.“ „Ich bin aber auch kein Arschloch“, wendete sein Verlobter ein. „Zumindest nicht dir gegenüber. Ich ruiniere doch nicht absichtlich deinen Tag, indem ich dir mitteile, dass dein Outfit schräg aussieht. Jeder hat ein oder zwei hässliche Teile im Schrank hängen.“ „Okay, einigen wir uns darauf: Ich hab zwei hässliche Sachen. Du hast nur hässliche Sachen!“ Doflamingo brach in Gelächter aus. „Du bist so unglaublich stur, Wani! Wer es schafft, dich jemals umzustimmen, hat einen Preis verdient!“ „Ich bin nicht stur. Ich beharre nur auf meiner Meinung, wenn ich davon überzeugt bin, dass sie richtig ist.“ „Ist nicht genau das die Definition von stur?“, wendete sein Verlobter grinsend ein. Plötzlich schmälerte sich sein Grinsen ein wenig und er sagte zusammenhanglos: „Wusstest du eigentlich, dass du der erste meiner Partner bist, der meinen Geschmack kritisiert? Keiner meiner Ex-Partner hat das je getan.“ Auf dieses Geständnis wusste Crocodile nichts zu erwidern. Stumm blickte er nach vorne auf die Fahrbahn und fragte sich, ob er mit seiner Stichelei vielleicht zu weit gegangen war. Er machte sich gerne über seinen Verlobten lustig (genauso wie dieser sich über ihn), doch es war nicht seine Absicht gewesen ihn zu verletzen. Gerade als Crocodile zu einer Entschuldigung ansetzen wollte, fügte Doflamingo hinzu: „Ich dachte immer, sie alle finden mich toll. Meinen Stil, meinen Humor, einfach meine Art... Erst nachdem ich die Beziehung mit dir eingegangen bin, ist mir klar geworden, dass sie sich einfach bloß nie getraut haben mich zu kritisieren. Sie taten alle so als würden sie mich super finden, weil ich ihnen teure Geschenke gemacht habe. Als mir das klar wurde, bin ich mir vorgekommen wie ein echter Idiot.“ „Das tut mir leid“, sagte Crocodile und bog rechts ab. In fünf bis zehn Minuten würden sie Bluenos Cafe erreichen. „Nein, es muss dir nicht leid tun“, sagte Doflamingo und streckte die Beine im Fußraum aus. „Ist ja nicht so gewesen als hätte mir etwas an ihnen gelegen. Keiner von ihnen hat mir etwas bedeutet. Meine Gefühle für sie waren genausowenig echt wie ihre für mich. Es ist nur... ein komisches Gefühl zu wissen, dass ihre Zustimmung immer nur absolut geheuchelt war. Keiner von ihnen hätte es jemals gewagt auch nur einen einzigen abfälligen Kommentar über meine Kleidung zu äußern. Tja, und dann kamst du, mein Liebling.“ „Ich weiß, du hast es nicht leicht mit mir“, gab Crocodile grinsend zurück, während er nach einer geeigneten Parklücke Ausschau hielt. Es erleichterte ihn, dass Doflamingo sich doch nicht verletzt zu fühlen schien. „Doch, das habe ich“, widersprach sein Verlobter ihm. Durch die violett getönten Gläser seiner Sonnenbrille warf er ihm einen durchdringenden Blick zu. „Es ist nicht so einfach in Worte zu fassen... aber mit dir ist alles leicht, Crocodile. Alles, was du sagst und machst, ist echt. Du tust nicht so als würde dir meine Hose gefallen, wenn sie es nicht tut. Du stimmst mir nicht bei allem zu, was ich sage, in der Hoffnung ich würde dir teuren Schmuck oder ein Auto schenken. Du bist ehrlich und unverfälscht. Deswegen liebe ich dich.“ „Ich liebe dich auch“, erwiderte Crocodile, der nicht wusste, was er sonst sagen sollte. Während er rückwärts einparkte, fuhr Doflamingo fort: „Am Anfang musste ich mich erst noch an deinen Stolz und deine Sturheit gewöhnen. Manchmal neige ich immer noch dazu unbedingt meinen Willen durchsetzen zu wollen. Ich kenne es ja nicht anders. Aber du lässt dir von mir nichts gefallen. Du widersprichst mir, du machst dich über mich lustig, du gehst mit mir um... naja, wie man eben mit seinem Freund umgehen sollte. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet.“ „Wir sollten doch lieber beim Standard-Gelübde bleiben“, meinte Crocodile mit einem bitteren Gesichtsausdruck. „Ich kann meine Gefühle nicht so gut ausdrücken wie du. Selbst jetzt, so ganz spontan im Auto, schaffst du es mich mit deinen Worten zu überrollen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Doffy.“ Er brauchte zum Glück auch nichts zu sagen, denn sein Verlobter beugte sich zu ihm hinüber und verfing ihn in einen leidenschaftlichen Kuss. Doflamingos Lippen waren warm und süß; seine nasse Zunge leckte über Crocodiles Unterlippe, saugte zärtlich daran. Doch Crocodile erlaubte es ihm nicht, weiterzumachen. Anstatt seinen Mund zu öffnen und Doflamingos Zunge einzulassen, löste er sich vorsichtig von seinem Partner. „Ich weiß, wohin das führen wird, wenn wir weitermachen“, meinte er und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Und dafür ist nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. Die Anderen warten sicher schon im Cafe.“ „Da gibt es sicher auch ein Klo“, stichelte Doflamingo, während sie beide aus dem Wagen stiegen. Unweigerlich spürte Crocodile, wie sich warme Röte in seinem Gesicht ausbreitete. Er warf seinem Verlobten einen giftigen Blick zu, doch sparte sich eine Erwiderung. „Du siehst echt niedlich aus, wenn du rot wirst“, machte Doflamingo weiter. Er grinste breit. „Und sexy! Wusstest du eigentlich, dass du beim Sex jedes Mal einen roten Kopf kriegst?“ „Ach, erzählt doch keinen Blödsinn!“ Gemeinsam überquerten sie die Straße. „Doch, wirklich“, bestand Doflamingo auf seine Aussage. „Liegt wahrscheinlich daran, dass du so blass bist. Da sieht man das schneller. Dein Körper wird immer sehr warm und nach einer Weile laufen deine Wangen knallrot an! Das schwöre ich!“ „Jetzt hör aber auf“, bat Crocodile seinen zukünftigen Ehemann. „Wir sind jetzt da.“ Eine ziemlich bunte Truppe hatte es sich an dem größten Tisch in Bluenos Cafe gemütlich gemacht. Hancock stach mit ihrem gigantischen Babybauch natürlich sofort aus der Menge heraus. Links von ihr saß ihre beste Freundin Sondersonia. Rechts daneben hatte sich Mihawk niedergelassen; er unterhielt sich gerade mit Bartholomew Kuma, neben dem er wirkte wie ein Zwerg. Außerdem waren zwei von Mihawks Fechtschülern, Zoro und Tashigi, anwesend. Wohlwissend, dass Doflamingo auf Letztere nicht allzu gut zu sprechen war, lotste er seinen Verlobten zu zwei freien Plätzen auf der anderen Seite des Tisches hinüber. Das angebotene Buffet war reichhaltig und abwechslungsreich. Da er für einen festen Preis so viel nehmen durfte, wie er wollte, sah Crocodile keinen Grund sich zurückzuhalten. Er schaufelte sich im ersten Gang Spiegelei, ein paar Würstchen, Bohnen und Kroketten auf seinen Teller. Dazu trank er, wie immer, ein Glas stilles Mineralwasser. „Wir sind fast vollständig“, meinte Hancock und nippte an ihrem heißen Kakao. „Es fehlen nur noch Ran und Moria.“ Zeitgleich seufzten Crocodile und Doflamingo auf, ehe sie einander verwunderte Blicke zuwarfen. „Du kennst Gecko Moria?“, fragte er seinen Partner überrascht. „Ich habe ihn über Kuma kennengelernt“, erklärte Doflamingo, ehe er sich einen Löffel Tomatensuppe in den Mund schob. Er klang nicht gerade begeistert. „Ehrlich gesagt kann ich ihn nicht sonderlich gut leiden.“ Crocodile nickte verständnisvoll. „Mir geht es nicht anders. Aber er ist ein alter Freund von Mihawk. Du weißt schon, sie mögen beide diesen ganzen Gothic-Krempel.“ „Ich bin kein Goth!“, warf ebenjener ein, doch Crocodile ignorierte den Einwand. „Wenn man vom Teufel spricht“, flüsterte Sondersonia, denn just in diesem Moment betrat eine dicke, blasse Gestalt das Cafe. Gecko Moria hatte sich sein ursprünglich hellbraunes Haar lila gefärbt und trug einen Lippenstift im selben Farbton. Die orangekarierte Hose, die er trug, passte nicht so recht zu seinem ansonsten düster wirkenden Erscheinungsbild. „So ungefähr sieht es aus, wenn du deinen orangefarbenen Pullunder trägst“, stichelte Doflamingo im Flüsterton. Crocodile gab ihm unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein und verzog pikiert den Mund. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ließ Gecko Moria sich auf den freien Stuhl neben Crocodile nieder. Sein viel zu breiter Hintern hing an beiden Seite der Sitzfläche herunter. „Guten Morgen allerseits“, meinte er gut gelaunt in die Runde, ehe er sich nach rechts zu Crocodile umwandte. „Wusste gar nicht, dass du deinen Lover mitbringen wolltest, Alligator“, sagte er grinsend und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung auf Doflamingo. Crocodile blickte Moria kühl ins Gesicht und bemühte sich darum ruhig zu bleiben. Er hatte diesen grausigen Typen nie leiden können. „Woher weißt du, dass er mein Lover ist?“, fragte er mit abfällig klingender Stimme. Er konnte sich nicht daran erinnern, Moria jemals von Doflamingo erzählt zu haben. „Ph“, machte Moria und zog die Augenbrauen hoch, „ist nicht schwer drauf zu kommen. Hast du jemals einen Typen gefickt, der nicht groß und blond ist?“ Diese völlig unverfrorene Aussage machte Crocodile augenblicklich mundtot. Entsetzt fixierte er Morias furchtbaren Lippenstift und wartete vergebens darauf, dass ihm ein paar schlagfertige Widerworte einfielen. Erst das Klingeln von Hancocks Handy unterbrach die peinliche Stille am Tisch. „Ran verspätet sich“, teilte Hancock den Inhalt der SMS den anderen Gästen mit. „Sie steht im Stau.“ „Ich gehe mir noch etwas Rührei holen“, meinte Tashigi und stand auf. Crocodile vermutete, dass sie bloß der unangenehmen Situation am Tisch entfliehen wollte; er konnte es ihr nicht verübeln. „Ich komme mit“, meinte Moria unaufgefordert und folgte dem unglücklich wirkenden Mädchen. „Und du wunderst dich, warum ich diesen Idioten nicht leiden kann?“, wandte sich Crocodile missgelaunt an seinen älteren Bruder. „Wahrscheinlich hat er es gar nicht böse gemeint“, verteidigte Mihawk seinen Freund. „Immerhin ist er selbst homosexuell.“ „Das hat doch damit nichts zu tun“, widersprach Crocodile und zog die Augenbrauen zusammen. „Er ist einfach absolut unhöflich!“ „Ärgere dich nicht, Wani“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern. „Damit bestätigst du ihn bloß.“ „Das sagst du so leicht“, gab Crocodile resigniert zurück. „Und, naja, irgendwo hat er ja auch Recht“, warf Mihawk mit einem seltenen Grinsen auf den Lippen ein. „Wenn ich so an die Leute denke, mit denen du mal zusammen gewesen bist: Marco, Sabo, Enel, Smoker, Doflamingo... Man erkennt definitiv, dass du einen Typ hast.“ Auch auf diese unverschämte Aussage wusste Crocodile nichts zu erwidern. Also wandte er sich, anstatt zu antworten, stumm den Würstchen auf seinem Teller zu. Gegen kurz nach elf Uhr erhielt Crocodile eine SMS von Daz. Sind im Hotel auch Hunde erlaubt?, wollte er wissen. Ehrlich gesagt hatte Crocodile ganz vergessen Doflamingo, der sich um die Reservierung gekümmert hatte, danach zu fragen. Dabei nahm Daz seinen Golden Retriever Fiffi praktisch überall mit hin. „Warum hast du mir denn nichts davon gesagt?“, wollte sein Verlobter mit aufgebracht klingender Stimme wissen, als er einen Blick auf Crocodiles Handy-Display warf. „Du sollst meine Nachrichten nicht mitlesen“, wies dieser Doflamingo prompt zurecht. „Das habe ich dir schon hundertmal gesagt!“ „Ich hab doch gar nicht mitgelesen. Wovon redest du eigentlich?“ „Wovon redest du?“ „Na, von diesem riesigen Riss in deinem Handy-Display“, erwiderte Doflamingo und deutete auf den kaum übersehbaren Makel. „Wann ist das denn passiert?“ „Gestern Abend“, antwortete Crocodile irritiert. Er verstand nicht so recht, warum sein Partner sich so sehr über das kaputte Display empörte. Immerhin ging es hier um Crocodiles und nicht um sein Handy. „Und warum hast du mir nichts davon gesagt? Ich hätte dir ein neues Handy besorgt!“ „Ich kann mir selbst ein Handy kaufen, wenn ich möchte“, gab Crocodile verdrossen zurück. „Aber das hat keine Eile. Es funktioniert ja schließlich noch.“ „Aber du kannst doch nicht noch tagelang mit einem kaputten Handy herumlaufen!“, warf Doflamingo ein. „Was sollen denn dann bloß die Leute denken?“ Diese Aussage traf Crocodile härter als er zugeben würde. „Seit wann interessiert es dich, was irgendwelche Leute denken?“, gab er mit grimmiger Stimme zurück. „Ich will nicht, dass man mir nachsagt, ich würde meinen Ehemann schlecht behandeln“, erwiderte Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Gleich heute besorge ich ein neues Handy für dich.“ „Das hat doch nichts damit zu tun, wie du mich behandelst“, wendete Crocodile ein. „Es ist bloß ein Handy.“ „Die Leute werden sehen, dass mein Ehemann tagelang mit einem kaputten Handy durch die Gegend läuft und denken, ich wäre zu geizig, um ihm ein neues zu holen. Das kann ich doch nicht zulassen!“ „Ich bin noch gar nicht dein Ehemann“, sagt Crocodile, weil er nicht so recht wusste, wie er angemessen auf Doflamingos verquere Logik reagieren sollte. „Dann sehen die Leute eben das kaputte Handy meines Verlobten“, korrigierte Doflamingo seine Aussage. „Das macht es auch nicht besser.“ „Ich finde, du übertreibst“, meinte Crocodile schließlich seufzend. „Morgen oder übermorgen schaue ich mich in Ruhe nach einem neuen Handy um. Und bis dahin tut dieses hier noch seinen Dienst.“ Mit dieser Lösung schien sein Partner nicht wirklich zufrieden zu sein, doch er beschloss das Thema erst einmal auf sich beruhen zu lassen. Morias erste dumme Bemerkung blieb leider nicht seine letzte. Ständig machte er sich über die anderen Leute am Tisch auf vulgäre Weise lustig. Jeder bekam sein Fett weg, doch Crocodile und Doflamingo blieben den ganzen Vormittag lang seine bevorzugten Kandidaten. Angefangen bei Crocodiles Vorliebe für Goldschmuck über Doflamingos Geschäfte bis hin zu den leckeren Würstchen, die auf seinem Teller lagen. Morias Witze nahmen einfach kein Ende. Allein über seine Narbe und seine fehlende Hand wagte er es nicht sich zu amüsieren; vermutlich weil er ahnte, dass nicht nur Mihawk darauf allergisch reagieren würde. Crocodile versuchte den Ratschlag seines Verlobten zu befolgen und Morias fiesen Worten keine Beachtung zu schenken. Das war leider einfacher gesagt als getan, denn bei ihm handelte es sich um eine gleichermaßen stolze und sensible Person. Es fiel ihm nicht leicht Morias Andeutungen, er wäre bloß des Geldes wegen mit Doflamingo in einer Beziehung, zu ignorieren. „Na, ist die Hochzeit schon geplant, Alligator?“, wollte Moria wissen, während er drei Scheiben Speck mit bloßen Fingern in seinen Mund hineinstopfte. Schmatzend fügte er hinzu: „An deiner Stelle würde ich mir nämlich Doflamingos Milliönchen sichern, bevor er anfängt sich für jemand Anderen zu interessieren.“ „Wir heiraten nächste Woche“, warf Doflamingo ein, ehe Crocodile die Möglichkeit bekam zu antworten. Sein Verlobter schien sich von Morias dummen Sprüchen überhaupt nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, wofür Crocodile ihn insgeheim beneidete. „Tatsächlich?“ Herzhaft biss Moria von einem Stück Weißbrot ab. „Hätte nie gedacht, dass ausgerechnet du als Erster von uns unter die Haube kommst, Doflamingo. Früher hast du doch jede Woche die Bettgefährtin gewechselt, oder nicht?“ „Nun ja, ich hatte Glück mit den Frauen, das stimmt“, meinte Doflamingo grinsend, „aber diese Zeiten sind nun vorbei. Ich habe lang genug mein Dasein als Junggeselle genossen. Du machst noch weiter, Moria, oder nicht? Hab gehört, Hogback hat dich nach dem zweiten Date abblitzen lassen. Das tut mir leid.“ Anstatt auf diesen Seitenhieb einzugehen, fuhr Moria ungerührt fort: „Um ehrlich zu sein, wundert es mich, dass es am Ende doch ein Mann geworden ist. Ich hätte darauf gewettet, dass du dich mit einer Frau dauerhaft binden würdest.“ „Ich habe aus meiner Bisexualität nie ein Geheimnis gemacht“, erwiderte Doflamingo, dessen Grinsen auf den Lippen gefror. Allmählich schien auch er die Nase voll von Morias Kommentaren zu haben. „Jaja, ich weiß. Du hast dich selbst immer als offen für alles bezeichnet. Aber mal ganz im Ernst: Wenn mich nicht alles täuscht, sind mindestens neunzig Prozent deiner Bettgefährten weiblich gewesen. Wahrscheinlich hast du dich selber einfach bloß als bisexuell geoutet, um deinem Bruder beizustehen. Der war im Gegensatz zu dir ja wirklich bi.“ Als ihm diese Anschuldigungen zu Ohren kamen, bildete sich ein unangenehmer Knoten in Crocodiles Magen. Von einem Moment auf den anderen war ihm der Appetit vergangen. „Ich habe keine Ahnung, wie du auf diese Zahl kommst“, erwiderte Doflamingo mit kühler Stimme. Und ohne sich von Morias blassem Gesicht abzuwenden, fügte er hinzu: „Immerhin bist du doch fast nie dabei gewesen, wenn ich eine Party geschmissen habe oder mit Freunden in Nachtclubs unterwegs gewesen bin.“ Das hatte gesessen. Gekränkt verzog Moria den Mund. Schließlich meinte er: „Du kannst dir gerne selbst etwas vormachen, wenn du möchtest, Doflamingo. Aber ich kenne dich schon seit Jahren und ich weiß mehr über dich als du denkst. Crocodile trifft doch überhaupt nicht deinen Geschmack. Hast du nicht mal behauptet, du würdest nie im Leben auf die Idee kommen einen Mercedes-Fahrer zu daten? Und wie sieht es überhaupt mit Kindern aus? Du wolltest immer Kinder haben, nicht wahr?“ „Es gibt heutzutage viele Möglichkeiten, um Vater zu werden, Moria. Leihmutterschaft, Adoption... Ich sehne mich gar nicht so sehr nach einem leiblichen Kind wie du denkst.“ „Ganz wie du meinst, Doflamingo“, spottete Moria und wandte sich süffisant grinsend wieder den Schinken-Streifen auf seinem Teller zu. Sie trieften so sehr, dass er sich hinterher ein Stück Weißbrot nahm, um das Fett vom Teller aufzusaugen. Zögerlich blickte Crocodile zu seinem Verlobten herüber, der jedoch bloß unauffällig abwinkte und sich anschließend wieder seinem Obstsalat zuwendete. Als sie beide wieder im Auto saßen, ergriff Doflamingo sogleich das Wort: „Du solltest dir nichts aus Morias Gewäsch machen. Der Typ erzählt von morgens bis abends nichts als gequirlte Scheiße. Aber das weißt du wahrscheinlich selbst schon.“ Anstatt darauf etwas zu erwidern, legte Crocodile den Rückwärtsgang ein und parkte aus; er wusste sowieso nicht, was er hätte sagen sollen. „Er hat mich mal um ein Date gebeten. Das war vor etwa eineinhalb Jahren. Natürlich habe ich ihn abblitzen lassen. Irgendwie hat er nie geschafft so richtig darüber hinwegzukommen und seitdem versucht er jeden meiner Partner zu vergraulen. Deswegen mach dir bitte nichts aus seinen Worten.“ Erst als Crocodile die Autobahnauffahrt erreicht hatte, fragte er: „Hat Moria denn recht? Oder erzählt er bloß Lügen?“ Er wusste zwar, dass es sich Gecko Moria um einen echten Widerling handelte, doch trotzdem wollten ihm dessen Worte nicht aus dem Kopf gehen. Sie hatten einen unangenehmen Stich in seiner Brust hinterlassen. „Weder noch“, meinte Doflamingo und drehte sich zu ihm um. „Er sucht sich irgendetwas heraus, was so oder so ähnlich mal passiert ist, und schmückt es dann aus, um es gegen jemanden zu verwenden. Ja, ich hatte viele Freundinnen. Das gebe ich ja selber zu. Wahrscheinlich auch mehr als Freunde. Aber zu behaupten, dass neunzig Prozent meiner Partner weiblich gewesen sind, ist einfach maßlos übertrieben. Seine Absicht ist es gewesen einen Keil zwischen uns beide zu treiben. Deswegen kam ja auch diese blöde Andeutung von ihm, du würdest mich nur meines Geldes wegen heiraten. Er ist einfach ein totaler Kotzbrocken, der auf jeden eifersüchtig ist, mit dem ich zusammen bin.“ Doflamingos Worte erleichterten Crocodile. Außerdem hatte er selbst ja auch schon des Öfteren die Erfahrung machen müssen, dass es sich bei Gecko Moria um alles andere als einen angenehmen Zeitgenossen handelte. „Und was hat es mit dieser Andeutung bezüglich Mercedes-Fahrer auf sich?“, wollte Crocodile mit einem leichten Grinsen auf den Lippen wissen. Plötzlich fiel ihm auf, dass sich unter den mehreren Dutzend Fahrzeugen, die sein Verlobter besaß, kein einziger Mercedes befand. „Naja, das ist die einzige Sache, die stimmt“, gab Doflamingo schließlich zu und rutschte auf seinem Sitz herum. „Ich hab tatsächlich mal behauptet, dass ich nie im Leben einen Mercedes-Fahrer daten würde.“ Rasch fügte er hinzu: „Aber das war natürlich, bevor ich dich kennengelernt habe!“ „Was hast du gegen Mercedes?“, hakte Crocodile nach, während er an einer Kreuzung abbremste, weil die Ampel auf gelbes Licht umschaltete. „Das ist eine tolle Automarke. Ich wollte schon immer einen Mercedes fahren, schon seit ich ein Teenager war.“ „Es ist eine Marke für alte Männer“, erwiderte Doflamingo und streckte ihm unverschämt die Zunge heraus. „Und für Snobbs. Alle Mercedes-Fahrer, die ich kenne, sind totale Spießer!“ „Ich bin kein Spießer“, erklärte Crocodile und warf seinem Partner einen vorwurfsvollen Blick zu. „Klar bist du ein Spießer“, gab Doflamingo breit grinsend zurück. „Du kommst nie zu spät zur Arbeit. Trägst immer perfekt gebügelte Hemden. Bist immer glatt rasiert. Sagst jedes Mal Bitte und Danke. Man muss dich zwingen, mal mit in eine Bar oder einen Club zu gehen. Und bestimmt hast du dein Studium in Regelstudienzeit abgeschlossen. Du bist praktisch die Definition von spießig. Wenn ich im Lexikon das Wort Spießer nachschlagen würde, wäre ich nicht überrascht deinen Namen als Definition wiederzufinden.“ „Das stimmt doch überhaupt gar nicht!“, erwiderte Crocodile empört. „Ich... ähm... Ich meine, ich bin ordentlich und höflich, das stimmt schon. Aber das hat doch nichts mit Spießigkeit zu tun, sondern ist ganz normal!“ Angesichts seiner aufgebrachten Reaktion brach Doflamingo unweigerlich in lautes Gelächter aus. „Keine Sorge“, meinte er und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jeder hat seine Fehler. Ich liebe dich genau so wie du bist. “ „Du bist auch nicht gerade perfekt“, gab Crocodile erhobenen Hauptes zurück. In fünf oder sechs Minuten würden sie ihr Zuhause erreicht haben. Es war jetzt kurz nach vierzehn Uhr. „Aber ziemlich nah dran!“, erwiderte sein Verlobter gut gelaunt. Crocodile rollte mit den Augen und hielt an einer roten Ampel an. „Punkt eins ist definitiv deine Selbstgefälligkeit“, meinte er. „Dann wären da noch deine Eifersucht, dein furchtbarer Geschmack und dein Bedürfnis dich immer und überall einmischen zu müssen. Außerdem reagierst du wie ein bockiges Kind, wenn du nicht bekommst, was du möchtest. Du bist von deinen Eltern viel zu sehr verzogen worden. Wenn wir später Kinder haben sollten, würdest du sie alles durchgehen lassen und ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen. Furchtbar!“ „Ein lockerer und ein strenger Elternteil“, trillerte Doflamingo immer noch breit grinsend. „Klingt doch nach einer guten Mischung.“ Darauf wusste Crocodile nichts zu erwidern. Zum Glück erreichten sie nun die Tiefgarage der Villa und eine Antwort seinerseits erübrigte sich. Später am selben Tag, bei einem gemütlichen Snack auf dem Sofa, kam Doflamingo noch einmal auf die bevorstehende Hochzeit zu sprechen. Crocodile musste ein genervtes Seufzen unterdrücken. Um ehrlich zu sein, war er dieses Thema inzwischen wirklich leid. Es war doch alles vorbereitet - das Schloss war gebucht, die Anzüge gekauft, die Dekoration ausgesucht, der Catering-Service beauftragt, die Hotelzimmer für die Gäste reserviert, die Eheringe gekauft, die Ansprache abgesegnet und die Musikauswahl mit der Band besprochen. Er wusste wirklich nicht, worüber sein Verlobter noch mit ihm reden wollte. Konnte er nicht einfach Ruhe geben, bis sie die Sache in einer Woche endlich durchgestanden hatten? Natürlich konnte Doflamingo das nicht. Um seine Ignoranz zu unterstreichen, griff Crocodile demonstrativ in die Tüte Cracker, die auf dem Wohnzimmertisch lag und biss geräuschvoll ab, während sein Partner zum Sprechen ansetzte. „Es gibt da noch eine Sache, über die ich gern mit dir reden möchte“, meinte er. „Bisher habe ich es immer vor mir hergeschoben, aber nun bleibt uns bis zur Hochzeit ja nicht mehr viel Zeit.“ Angesichts dieser unheilvoll anmutenden Worte schluckte Crocodile seinen Cracker rasch hinunter und warf Doflamingo einen fragenden Blick zu. Er hatte nicht die geringste Ahnung, worüber dieser mit ihm sprechen wollte. Für Crocodile gab es kein offenes Thema bezüglich ihrer Hochzeit mehr. „Du weißt, dass meine Mutter gestorben ist, als ich sechzehn Jahre alt war. Fünf Jahre später starb auch mein Vater. Mein einziger Bruder, Corazon, folgte ihnen beiden vor drei Jahren. Sie sind alle von mir gegangen.“ Crocodile spürte wie sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete. Unverwandt blickte er seinem Verlobten ins Gesicht. Doflamingo wirkte untypisch ernst. Das immer-währende Lächeln war von seinen Lippen verschwunden und der Blick blieb unter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille unergründlich. Weil Crocodile nicht wusste, was er sonst tun sollte, ergriff er bedächtig Doflamingos linke Hand und strich mit seinem Daumen über die gebräunte Haut. „Außer mir gibt es keinen Donquixote mehr“, fuhr Doflamingo fort. „Ich sehe dich längst als einen Teil meiner Familie, Crocodile, aber du trägst nicht meinen Namen. Das würde ich bei unserer Hochzeit gerne ändern.“ Crocodile fühlte sich als hätte ihm jemand mit voller Wucht in den Magen getreten. Es dauerte eine Weile, bis er seine Fassung wiedergefunden hatte. Betroffen erwiderte er: „Du möchtest, dass ich deinen Nachnamen annehme?“ Doflamingo nickte eifrig. „Es würde mir wirklich viel bedeuten“, meinte er. „Ich möchte, dass jeder sofort sieht, dass wir beide zusammengehören. Dass wir eine Familie sind.“ „Warum... warum hast du denn vorher nie etwas gesagt?“, fragte Crocodile, um Zeit zu schinden. Mit dieser Bitte hatte er absolut nicht gerechnet gehabt und er fühlte sich extrem überfordert. „Naja“, gab sein Verlobter recht ausweichend zurück, „um ehrlich zu sein, habe ich mich nicht getraut. Ich dachte mir schon, dass du nicht sofort begeistert reagieren würdest.“ „Das ist ziemlich viel, was du verlangst“, merkte Crocodile an. „Ich weiß. Aber ich verlange es auch nicht. Ich bitte dich lediglich darum. Natürlich würde ich es akzeptieren, wenn du dich dagegen entscheidest. Aber... wärst du denn wenigstens bereit es dir zu überlegen?“ „Wirklich viel Bedenkzeit habe ich ja nicht!“, warf Crocodile mit leicht panischer Stimme ein. „Doffy, wir beide heiraten am Wochenende!“ „Das ist mir klar. Aber ich hab mich vorher einfach nie getraut mit dir darüber zu sprechen. Würdest du mir bitte versprechen, es dir zu überlegen? Nur das. Okay?“ „In Ordnung“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen. „Ich werde darüber nachdenken. Aber, bitte, mach dir nicht zu große Hoffnungen, ja? Seinen Namen zu ändern ist keine Kleinigkeit!“ Doflamingo nickte. „Das verstehe ich“, sagte er. Crocodile war sich nicht sicher, ob die Worte seines Verlobten der Wahrheit entsprachen oder nicht. Crocodile zündete eine Zigarre an und nahm einen tiefen Zug, ehe er nach draußen auf den Balkon seines Lesezimmers trat. Es war ein ruhiger und klarer Abend. Keine einzige Wolke verhängte die Sterne am dunklen Himmel. Hoffentlich hatten sie Glück und würden bei ihrer Hochzeit in einer Woche mit ebenso gutem Wetter gesegnet sein. Doflamingo würde es sicher freuen. Gedankenverloren pustete Crocodile einen Schwall Zigarrenqualm in die Luft. Um ehrlich zu sein, war es nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er über eine Änderung seines Namens nachdachte. Das erste Mal war ihm der Gedanke im Alter von achtzehn Jahren gekommen, kurz nachdem seine Eltern ihn rausgeschmissen hatten. Auch nach beinahe zwanzig Jahren schmerzte ihn die Erinnerung an dieses Ereignis noch. Sein Vater und seine Mutter hatten sich dafür niemals bei ihm entschuldigt. Als ihm klar wurde, dass dieser Rauswurf keine unüberlegte Kurzschlussreaktion war und die beiden jedes Wort ganz genau so meinten, hatte sich der Schmerz in seiner Brust in lodernden Hass verwandelt. Wutentbrannt setzte er sich ins sein Auto und dachte sich auf dem Weg zum Standesamt einen neuen Nachnamen aus. Am Ende war es der Anruf von seinem älteren Bruder Mihawk gewesen, der ihn dazu bewog seinen Familiennamen doch zu behalten. Das zweite Mal war noch nicht so lange her. Nach der Trennung von Enel hatte Smoker ihm geraten zu seiner eigenen Sicherheit seinen Namen zu ändern. Crocodile erinnerte sich noch sehr genau an die Worte seines damaligen Partners, der als Polizist tätig war: „Dieser Enel wird dich nicht so leicht aufgeben. Ich kenne Typen wie ihn zur Genüge. Und ich kann nicht immer bei dir sein. Mir wäre es lieber, wenn du deinen Namen ändern würdest. Dann würde es ihm schwerer fallen dich erneut ausfindig zu machen.“ Crocodile hatte sich geweigert. Eine Woche später zierte eine lange Narbe sein Gesicht. Doch diesmal floh er nicht. Es ging nicht darum, wegzulaufen aus Hass oder Furcht. Sondern darum, woanders anzukommen. Doflamingo wünschte sich, dass jeder Mensch ihn sofort als Teil seiner Familie erkannte. Crocodile musste zugeben, dass ihm dieser Wunsch schmeichelte. Trotzdem handelte es sich um eine große Sache. Wind kam auf und Crocodile entschied sich in sein warmes Lesezimmer zurückzukehren. Leise seufzend ließ er sich auf seinem Sessel nieder und schlug die Beine übereinander. Ich müsste überall anrufen und erklären, dass ich jetzt anders heiße, dachte er. Ich müsste einen neuen Ausweis und neue Karten beantragen Mit zusammengezogenen Augenbrauen stellte Crocodile sich vor, wie er bei seiner Krankenkasse anrief, um Bescheid zu geben, dass er nun Donquixote Crocodile hieß. Verunsichert griff er nach einem Stück Papier und einem Stift. In seiner schönsten Handschrift schrieb er Donquixote Crocodile nieder. So ein langer Name, schoss es ihm unweigerlich durch den Kopf. Er schrieb den Namen ein paar Mal auf, doch jedes Mal sah er seltsam und fremd aus auf dem Papier. Crocodile wollte lieber seinen eigenen Namen behalten. Doch damit würde er seinen Verlobten schrecklich enttäuschen... Ich sollte es tun, kam es ihm plötzlich in den Sinn. Ich schulde ihm etwas. Bedrückt senkte Crocodile den Blick. Irgendwann würde Doflamingo von seinen Schulden und seinem Jobwechsel erfahren. Das war unvermeidbar. Vielleicht würde er nicht ganz so wütend reagieren, wenn er ihn mit dieser Geste besänftigte? Ihm bewies, dass er ihn über alles liebte? Ja, das wäre klug. Crocodile griff erneut nach dem Stift und schrieb ein weiteres Mal seinen neuen Namen nieder. Seine Initialen malte er in Schnörkelschrift. Etwa eine halbe Minute lang betrachtete er stumm den Zettel, auf dem ein halbes Dutzend Mal Donquixote Crocodile stand, ehe er den Namen laut aussprach. Es hörte sich ganz falsch an. Aber hatte er eine Wahl? Er musste Doflamingo auf seine Seite ziehen, ehe der Supergau kam. Er musste alles tun, um ihn zu besänftigen und ihm klarzumachen, dass er ihn liebte. Es war kurz vor Mitternacht, als Crocodile sich endlich entschieden hatte. Er würde den Nachnamen seines Ehemannes annehmen. * Die Zeit ging unfassbar schnell herum. Ehe Crocodile sich versah, stand der Tag der Hochzeit bevor. Den Vorabend verbrachten sie beiden in dem Ferienhaus von Doflamingos Familie, ehe sie am nächsten Tag zu dem etwa zwei Autostunden entfernten liegenden Schloss aufbrechen würden. Doflamingo war vollkommen aus dem Häuschen und grinste den ganzen Abend lang von einem Ohr zum anderen. Er schwärmte Crocodile stundenlang von der bevorstehenden Zeremonie vor und kam aus dem Quasseln gar nicht mehr heraus. „Am meisten freue ich mich auf unseren ersten Kuss als Ehepaar. Du weißt schon, wenn der Priester Du darfst die Braut nun küssen sagt, so wie in den Filmen.“ „Ich bin aber nicht deine Braut“, warf Crocodile kopfschüttelnd ein. „Dann eben Bräutigam“, meinte Doflamingo und winkte ab. Nichts schien ihm seine gute Laune verderben zu können. Er war total erwartungsfroh. Crocodile gab sich nach außen hin ruhiger als sein Verlobter, doch in seinem Inneren brodelte es. Doflamingo schien ziemlich hohe Erwartungen an die Hochzeitsfeier zu haben und ihn überkam die Angst, diesen nicht gerecht werden zu können. „Hoffentlich gefällt dir mein Gelübde“, sagte er und warf seinem zukünftigen Ehemann einen zögerlichen Blick zu. „Ich habe in den letzten Tagen jeden Abend daran gearbeitet, aber ich bin wirklich alles Andere als ein Poet.“ „Das wird schon“, erwiderte Doflamingo unermüdlich. „Und hoffentlich leiste ich mir keinen Patzer“, fügte Crocodile mit banger Stimme hinzu. „Stell dir nur einmal vor, mir wird die Frage der Fragen gestellt, und ich bekomme überhaupt kein Wort heraus. Oder ich stolpere auf dem Weg nach vorne zum Altar.“ „Ach, mach dir nichts draus“, gab Doflamingo schmunzelnd zurück. „Das wäre doch niedlich. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht alles so laufen wird wie wir uns das vorgestellt haben. Irgendetwas geht immer schief. Aber das macht nichts. Deswegen halten wir ja auch eine Feier im privaten Kreis ab, ohne prominente Gäste oder Papparazi. Hauptsache am Ende des Tages sind wir beide verheiratet.“ „Donquixote Doflamingo und Donquixote Crocodile“, flüsterte Crocodile und schaffte es gerade noch einen unwilligen Seufzer zu unterdrücken. „Du scheinst dich immer noch nicht dran gewöhnt zu haben“, merkte sein Verlobter an. „Ich hatte ja auch nur eine Woche Zeit“, konterte er spitz. „Und... es ist so ein langer Name...“ „Das kommt schon noch“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern. Er beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf den Mund. Crocodile schloss seine Augen und verlor sich ganz und gar in den warmen und süßen Lippen seines Verlobten. Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, meinte er: „Wahrscheinlich hast du Recht. Das kommt schon noch.“ Als Manager hatte Crocodile mit der Zeit gelernt, seine Aufregung in den Griff zu bekommen und in jeder Situation gelassen und selbstsicher zu wirken. Doch er konnte nicht verhehlen, dass das Herz in seiner Brust schmerzhaft schnell schlug, während er auf dem Rücksitz des Oldtimers saß, den sein Verlobter eigens für die Fahrt zur Hochzeits-Location gekauft hatte. Es handelte sich um einen dunkelgrün lackierten Cadillac Sedan und Crocodile hoffte, dass er nicht die teure Innenausstattung oder seinen Anzug mit Erbrochenem deunzieren würde. Seinem Magen, der sich furchtbar flau anfühlte, war alles zuzutrauen. Doflamingo, der neben ihm saß, entging die Gemütslage seines Verlobten natürlich nicht. „Beruhige dich“, sagte er und drückte seine Hand. (Ausnahmsweise einmal trug Crocodile keine Ringe an den Fingern.) „Alles wird ganz wunderbar werden, das verspreche ich dir.“ „Das kannst du nicht versprechen“, erwidere Crocodile jäh. Als er aus dem Fenster des Wagens blickte, konnte er bereits die Umrisse des Schlosses ausmachen. Das flaue Gefühl in seinem Magen verstärkte sich. „Du musst einfach nur Ja, ich will sagen“, meinte Doflamingo grinsend und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das schaffst du schon, Liebling.“ „Ein komischer Gedanke, dass wir beide in weniger als einer Stunde miteinander verheiratet sein werden.“ Erst als Crocodile den pikierten Gesichtsausdruck seines zukünftigen Ehemannes bemerkte, wurde ihm klar, dass er die Worte nicht bloß gedacht, sondern laut ausgesprochen hatte. Um Doflamingos Gefühle nicht zu verletzen, fügte er rasch hinzu: „Bevor du in mein Leben getreten bist, habe ich nie viele Gedanken ans Heiraten verschwendet. Hauptsächlich habe ich mich um meine Karriere gekümmert... Und, naja, plötzlich tauchst du auf und änderst alles. Drängst mich zu einem Date. Möchtest, dass ich bei dir einziehe. Und ehe ich mich versehe, bin ich auf dem Weg zu meiner Hochzeit. Es ist wirklich unglaublich, wie schnell ein einzelner Mann es geschafft hat mich zu verändern. Das hätte ich niemals für möglich gehalten.“ Angespannt fuhr Crocodile sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. „Wenn mir vor einem Jahr jemand erzählt hätte, dass ich vor meinen beiden Geschwistern unter die Haube komme, hätte ich die Person wahrscheinlich ausgelacht.“ Seine Worte schienen Doflamingo rasch wieder zu besänftigen. „Bereust du es denn?“, wollte er mit einem frechen Grinsen auf den Lippen wissen. „Wäre ich sonst hier?“, gab Crocodile zurück. „Wir sind da“, ließ der Fahrer des Cadillac Sedan verlauten. Er hielt gleich vor dem Schlossgebäude an und öffnete die hintere Wagentür. Doflamingo ergriff den vorbereiteten Brautstrauß, der neben ihm auf dem Sitz gelegen hatte, ehe er sich seinem Partner zuwandte, diesem auffordernd die rechte Hand hinhielt und fragte: „Bist du bereit?“ „Nein“, gab Crocodile zurück, doch ließ sich von seinem Verlobten aus dem Wagen helfen. Hand in Hand durchquerten sie den kleinen Schlossgarten, der sie hinüber zu der Kapelle führte, in welcher die Hochzeitsgäste bereits ungeduldig ihr Eintreffen erwarteten. Auf der Hälfte des Weges hielt Crocodile plötzlich inne. Befangen blickte Doflamingo zu ihm hinüber. „Was ist los? Bekommst du kalte Füße?“ Es sollte ein Witz sein, doch Crocodile kam nicht umhin zu bemerken, wie bang die Stimme seines zukünftigen Ehemannes klang. „Quatsch“, meinte er kopfschüttelnd. Mit gesenktem Blick fügte er hinzu: „Ich hab nur... naja... echt ein bisschen Lampenfieber. Ich weiß, dass ich kein Teenager vor ein Theateraufführung bin, sondern ein erwachsener Mann, ein Manager noch dazu, aber irgendwie ist mir gerade gar nicht gut. Wenn wir beide durch diese Türe gehen, werden wir von allen angestarrt werden. Ich muss vor über fünfzig Hochzeitsgästen einen total peinlichen Treueschwur verkünden. So ähnlich habe ich mich damals vor meinen ersten Bewerbungsgesprächen gefühlt...“ Dieser Vergleich brachte Doflamingo zum Lachen. „Wirklich“, meinte er und drückte fest seine Hand, „mach dir nicht so einen Kopf. Alles wird gut. Und ich versichere dir, dass mein Gelübde mit Sicherheit viel kitschiger und peinlicher sein wird als deines. Also keine Sorge.“ „Naja, von dir erwartet ja auch keiner etwas Anderes“, gab Crocodile zurück und rang sich ebenfalls zu einem Lächeln durch. „Wie lange wird die Zeremonie eigentlich dauern?“ „Naja, der Priester hält eine Ansprache, wir sagen unsere Gelübde, stecken die Ringe an... Ich denke, alles in allem kann man da schon mit einer halben bis dreiviertel Stunde rechnen. Wieso?“ „Weil ich solange garantiert nicht durchhalten werde. Ich muss nämlich total dringend pinkeln.“ „Du hast doch heute morgen kaum etwas getrunken“, warf Doflamingo überrascht ein. „Ich muss immer pinkeln, wenn ich nervös bin“, gestand Crocodile seinem Zukünftigen. „Normalerweise kriege ich das in den Griff, aber heute klappt es aus irgendeinem Grund nicht. Bevor in die Kapelle hineingehen, muss ich unbedingt zur Toilette.“ „Da drüben ist ein Gebüsch“, meinte Doflamingo kichernd und deutete auf ein paar Sträucher zu ihrer Linken. „Mach eben schnell und dann gehen wir hinein.“ „Was?“ Entsetzt blickte Crocodile zu seinem Verlobten hinüber. „Ich kann doch nicht einfach ins Gebüsch gehen zum pinkeln!“ „Warum nicht?“, erwiderte Doflamingo schulterzuckend. „Alle Gästen sitzen doch bereits in der Kapelle. Nun mach schon, Wani! Oder willst du sie noch länger warten lassen?“ „Okay, gut“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen. Er löste sich von seinem Partner und blickte einmal unauffällig nach links und nach rechts, ehe er leichtfüßig zu dem Gebüsch hinüberging. Rasch öffnete er seinen Gürtel und den Hosenknopf. Nachdem er sich erleichtert hatte, fühlte er sich gleich viel besser. „Jetzt bin ich bereit“, sagte er, als er sich wieder seinem Verlobten näherte. „Ich glaube nicht“, erwiderte dieser leise kichernd und deutete auf seinen geöffneten Hosenstall. „So möchtest du doch wohl nicht vor die Hochzeitsgesellschaft treten, oder nicht?“ Crocodile spürte, dass sich leichte Röte auf seinen Wangen ausbreitete, während er beschämt den Reißverschluss hochzog. „Jetzt aber...“ Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ergriff Doflamingo erneut seine Hand und führte ihn hinüber zu dem Eingangstor der Schlosskapelle. Die Zeremonie lief genauso ab, wie jedes sechsjährige Mädchen sie sich gewünscht hätte. Das wunderte Crocodile nicht, denn immerhin hatte er die Planung größtenteils in Doflamingos Hände gelegt. Er selbst war so sehr von anderen wichtigen Dingen eingenommen gewesen, dass er seine eigene Meinung fast nur auf Nachfrage geäußert hatte. Hand in Hand durchquerten sie das Kirchenschiff. Vorne, vor dem Altar, warteten zwei mit edlen Hussen bedeckte Stühle auf sie. Crocodiles Herz schlug so laut in seiner Brust, dass er sich sicher war, die Hochzeitsgäste könnten das Pochen hören. Alle Blicke waren auf ihn und Doflamingo gerichtet, während sie quälend langsam und begleitet durch ein lautes Orgelspiel an all den Bänken vorbeischritten. In der Menge machte er die Gesichter seiner Freunde und Familie aus. Daz, bei dem es sich um keine sonderlich extrovertierte Persönlichkeit handelte, sah ihnen mit einem stoischen Gesichtsausdruck beim Gang zum Altar zu. (Crocodile beneidete ihn um die Ruhe, die er ausstrahlte.) Hancock, die in der ersten Reihe saß, stach mit ihrem verboten groß aussehenden Babybauch sofort hervor. Sie trug ein hübsches violettes Kleid und trocknete mit einem Taschentuch die Tränen, die ihr vor Rührung kamen. Zu Kid, der neben Law saß, fiel Crocodile unweigerlich ein, dass er in einem Anzug nicht weniger seltsam wirkte als ein Bankdirektor im Clownskostüm. Er hatte nicht die Gelegenheit alle Gäste individuell zu betrachten, ehe er und sein Verlobter die beiden Stühle vorne erreicht hatten. Mit immer noch hektisch pochendem Herzen ließ Crocodile sich nieder. Er konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören. Er war so aufgeregt, dass es ihm überhaupt nicht gelang sich auf die Worte des Priesters zu konzentrieren. Er hörte zwar eine Stimme reden, doch er hätte nicht sagen können, wovon sie gerade sprach. Für einen kurzen Moment schloss Crocodile die Augen und versuchte zur Ruhe zu kommen. Entsetzt musste er feststellen, dass es ihm nicht gelang. Und als er sich sein Gelübde, das er mühselig vorbereitet hatte, noch einmal ins Gedächtnis rufen wollte, war sein Kopf wie leergefegt. Doflamingo drückte unauffällig seine Hand; es war dieser aufmunternde Händedruck, der Crocodiles Herz wieder in einem langsameren Takt schlagen ließ. Er zwang sich dazu einmal tief ein- und auszuatmen und warf seinem Nur-noch-wenige-Minuten-lang-Verlobten einen dankbaren Blick zu. Plötzlich fühlte Crocodile sich viel besser. Als der Priester sie darum bat, sich zu erheben und ihre Treueschwüre verkünden, plapperten sie beide gleichzeitig drauf los. Doflamingo konnte ein amüsiertes Grinsen nicht verhindern. „Du zuerst“, meinte er schließlich und drückte ein weiteres Mal seine Hand. Crocodile nickte und sammelte sich kurz, ehe er begann: „Doffy.“ Er stockte, doch nur für einen kleinen Augenblick. „Als ich dich zum allerersten Mal gesehen habe, schoss mir ganz intuitiv der Gedanke Das ist aber ein verrückter Vogel durch den Kopf. Nun, nachdem mehr als ein gemeinsames Jahr vergangen ist, stelle ich fest, dass meine Intuition mich nicht getäuscht hat. Du bist der verrückteste, lustigste, liebevollste Vogel, dem ich je begegnet bin, und du hast meine Welt völlig auf den Kopf gestellt. Es... Es ist...“, er musste Luft holen, „... als wäre mir plötzlich klar geworden, wie grau und trist mein Leben ohne dich war. Als hättest du mir das Fliegen beigebracht. Mir lauter bunte Farben gezeigt, von denen ich zuvor nie auch nur zu träumen gewagt hätte. Du hast Gefühle in mir geweckt, die ich nicht für möglich hielt. Ich liebe dich, Doffy. Du bist mein Gegenstück; erst mit dir bin ich wirklich vollständig. Und genau deshalb möchte ich dich heute heiraten.“ Der Händedruck seines Verlobten war im Verlauf des Gelübdes immer fester geworden. Als Crocodile schließlich geendet hatte, hielt Doflamingo seine Finger so eisern unklammert, dass der Griff zu schmerzen begann. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob sein Partner wohl mit seinem Eheversprechen zufrieden war. Er hatte drei Tage in Folge jeden Abend an diesen Zeilen gefeilt. Doflamingo ließ seine Hand los und schob erstickt glucksend das Gestell seiner Sonnenbrille ein Stückchen nach oben, um eine Träne wegzuwischen, die über seine Wange zu kullern drohte. Crocodile nutzte die Gelegenheit, um seine schmerzende und rot angelaufene Hand unauffällig auszuschütteln, ehe sein Verlobter erneut danach griff. „Crocodile.“ Doflamingo rang sichtlich um Fassung. Noch nie zuvor hatte er dessen Stimme so aufgelöst gehört. „Als ich dich das allererste Mal sah, war mir sofort klar, dass wir beide füreinander bestimmt sind. Ich spürte einen Schauer, der mir über den Rücken lief, und mein Herz fing an so heftig zu klopfen wie nie zuvor. Du bist der Mensch, nach dem ich mein ganzes Leben lang gesucht habe: Wenn ich übermütig werde, holst du mich mit deinem kühlen Kopf wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Wenn ich Hilfe brauche, stehst du mir mit deinem Wissen und deiner Erfahrung zur Seite. Und wenn ich mal wieder ein hässliches Shirt anziehe, dann rümpfst du die Nase. Niemand passt besser zu mir als du. Wir beide gehören zusammen, das weiß ich genau. Wir sind zwei unterschiedliche Teile, die ein gemeinsames Ganzes ergeben. Ich liebe dich. Ich möchte dir die Treue schwören: in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit wie in Krankheit, in Reichtum wie in Armut. Ich werde immer zu dir stehen, denn nur mit dir kann ich glücklich sein.“ Ohne dass er etwas dagegen hätte tun können, spürte Crocodile, wie auch ihm die Tränen kamen. Rasch wischte er sich mit dem Hemdsärmel seines freien Arms über die heißen und feucht glänzenden Augen. Er hatte nicht vor zu weinen, hier inmitten der versammelten Gäste, doch er konnte nicht verhindern, dass Doflamingos Worte ihn zu Tränen rührten. In Reichtum wie in Armut hallte in seinen Ohren nach, und wieder einmal wurde ihm deutlich bewusst, was für einen riesigen Fehler er doch begangen hatte. Ich hätte es ihm sagen sollen, dachte er nicht zum ersten Mal und spürte, wie die Verzweiflung ihm weitere Tränen in die Augen trieb. Ich hätte ihm gleich am selben Tag von meiner Kündigung erzählen sollen. Er wäre nicht wütend oder enttäuscht gewesen... Das weiß ich jetzt. Er hätte mich einfach in den Arm genommen und... Seine niederschmetternden Gedanken wurden unterbrochen, als Doflamingo ihm einen eleganten Goldring mit einem wunderschönen, dunkelgrünen Edelstein auf den Finger steckte. Crocodile war so sehr mit seinen Selbstzweifeln beschäftigt gewesen, dass er die entsprechende Ankündigung seitens des Priesters gar nicht mitbekommen hatte. Hektisch wischte er die letzten Tränen fort und griff ungeschickt nach dem übrigen Ring, der ihm auf einem bestickten Samtkissen angereicht wurde. Er war mit dem seinen identisch; der einzige Unterschied lag in der Farbe des Edelsteins. Für Doflamingo wäre natürlich nichts anderes als ein rosafarbener Stein infrage gekommen. Wenigstens verpasste Crocodile nicht auch noch die nächsten Worte des Priesters: „Donquixote Doflamingo und Donquixote Crocodile, ihr dürft euch nun küssen.“ Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Sie stießen mit den Köpfen gegeneinander, so eifrig waren sie bei der Sache. „Ich liebe dich“, hauchte sein Ehemann ihm zwischen zwei Küssen leise ins Ohr. „Ich dich auch“, flüsterte Crocodile schweren Herzens zurück, ehe Doflamingo erneut nach seiner Hand griff und ihn durch das festlich geschmückte Kirchenschiff, vorbei an all den bewegt wirkenden Hochzeitsgästen wieder nach draußen führte. Crocodile und Doflamingo wurden von so vielen Freunden und Verwandten beglückwünscht und mit Geschenken überhäuft, dass sie sich entschuldigen mussten, um das Vorspeisen-Buffet zu eröffnen. Der Andrang nahm anschließend ein wenig ab, weil viele Gäste sich daran machten die zahlreichen erlesenen Köstlichkeit zu probieren. Crocodile, der den ganzen Vormittag über ein flaues Gefühl im Magen gehabt und deswegen nicht gefrühstückt hatte, stibitze sich einen bunten Gemüse-Spieß. Er steckte ihn sich gerade in den Mund, als seine Schwester Hancock ihn von hinten umarmte. (Auch ohne sich umzudrehen erkannte er sie an ihrem Baby-Bauch, der inzwischen beinahe verboten groß ausschaute.) „Eure Treue-Schwüre waren wirklich rührend“, sagte sie mit schwerer Stimme. Und als Crocodile ihr ins Gesicht sah, bemerkte er ihre feucht glänzenden Augen. „Danke.“ Um ehrlich zu sein, war er sehr erleichtert, dass er die Trauung endlich hinter sich gebracht hatte. Darum wechselte er rasch das Thema und fragte: „Möchtest du etwas essen? Mit dem Buffet hat der Catering-Service sich selbst übertroffen, nicht wahr? Ich kann es kaum erwarten, bis endlich der Hauptgang serviert wird. Ich habe vor Aufregung heute kaum etwas runterbekommen.“ „Nein, danke“, seufzte Hancock und schüttelte ihren hübschen Kopf. „Ich bin schon rund genug.“ „Ach, sag so etwas nicht!“ „Aber es ist doch wahr“, hielt seine Schwester dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kann es kaum erwarten, meine Tochter endlich im Arm zu halten. Allein schon, weil es bedeutet, dass ich sie nicht mehr im Bauch überall hin tragen muss. Allmählich habe ich die Nase voll davon, schwanger zu sein.“ „Lange dauert es ja nicht mehr“, versuchte Crocodile sie zu trösten. Er konnte durchaus nachvollziehen, dass es sicherlich angenehmere Dinge im Leben gab als jeden Tag mit geschwollenen Füßen und Rückenschmerzen zu kämpfen. Nicht zum ersten Mal dankte er Gott dafür, dass er ihn nicht zu einer Frau gemacht hatte. Behutsam dirigierte Crocodile Hancock hinüber zu einer kleinen Tischgruppe und bedeutete ihr, sich hinzusetzen. Er stellte einen abwechslungsreichen Vorspeisen-Teller für sie zusammen, doch als er zu ihr zurückkehrte, stellte er fest, dass bereits einige andere Freunde sich dorthin gesellt hatten. Also reichte er ihr freundlich den Teller hinüber, unterhielt sich kurz mit den übrigen Gästen und ließ sie anschließend allein. Er versuchte seinen... seinen Ehemann auszumachen, doch der Saal war so groß, dass es der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen glich. Außerdem wurde er alle paar Schritte von Hochzeitsgästen beglückwünscht, sodass er auch nach über einen halben Stunde nicht sonderlich weit gekommen war. Es wurden bereits die Hauptspeisen aufgetragen, als er Doflamingo endlich wiederfand. Er stand mit dem Rücken zu ihm und unterhielt sich mit Mihawk, der heute ziemlich edel (doch nicht weniger altmodisch als sonst) gekleidet war. Crocodile konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sein älterer Bruder schien sich in diesem mittelalterlichen Schloss pudelwohl zu fühlen. Gerade wollte er auf sich aufmerksam machen, als er hörte, dass sein Name fiel. Weil er seine Neugierde nicht unterdrücken konnte, schlich er auf leisen Sohlen zu den beiden hinüber und belauschte argwöhnisch ihr Gespräch. „... wundert mich nicht, dass sie nicht gekommen sind“, hörte er Mihawk mit verdrießlicher Stimme sagen. „Sie gehen Crocodile schon seit fast zwanzig Jahren konsequent aus dem Weg.“ „Ich kann das nicht verstehen“, erwiderte Doflamingo. „Meine Eltern haben nie ein Problem mit meiner Bisexualität gehabt. Sie standen immer hinter mir und haben mich unterstützt. Es tut mir schrecklich leid für ihn, dass er von seinen Eltern behandelt wird wie ein Aussätziger, bloß weil er schwul ist. Ich meine... das hat er sich doch nicht ausgesucht. Und es ist ja auch nichts Schlimmes.“ „Um ehrlich zu sein, kann ich es auch nicht nachvollziehen. Crocodile ist ein guter Mensch. Er ist anständig, ehrlich, ehrgeizig... Am Anfang dachte ich, unsere Eltern seien einfach bloß überrumpelt und bräuchten eine Weile, um die Nachricht zu verdauen. Sie warfen ihn Zuhause raus, nachdem er sich vor ihnen geoutet hatte; deswegen habe ich ihn bei mir aufgenommen. Ich habe darauf gewartet, dass unsere Eltern sich irgendwann melden und sich für ihr Verhalten entschuldigen würden, aber am Ende wartete ich vergebens. Sie scheinen ihre Ansicht bis heute nicht geändert zu haben.“ „Wahrscheinlich fällt es ihm deswegen so schwer Vertrauen aufzubauen“, hörte Crocodile seinen Ehemann murmeln. „Ich musste monatelang arbeiten, um an ihn heranzukommen. Und ich denke, es gibt einige Dinge, die er immer noch geheim hält.“ „Crocodile ist ein Einzelkämpfer“, versuchte Mihawk sein Verhalten zu entschuldigen. „Er hat es oft nicht leicht gehabt im Leben. Der Kontaktabbruch vonseiten unserer Eltern ist schließlich nicht der einzige Schicksalsschlag gewesen, den er verkraften musste. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, als er in diesen furchtbaren Motorrad-Unfall verwickelt gewesen war. Du kannst dir nicht vorstellen, wie du dich fühlst, wenn dich ein Arzt anruft und dir mitteilt, dein kleiner Bruder hätte einen Verkehrsunfall gehabt...“ Crocodile spürte, wie sich ein dumpfes Gefühl in seiner Brust ausbreitete. Natürlich konnte Mihawk nicht wissen, dass Doflamingo genau dieselbe Situation ebenfalls durchlebt hatte. Er hätte seinem Bruder am liebsten den Mund zugehalten, doch sofern er nicht zugeben wollte, dass er die beiden belauschte, war dies nicht möglich. „Man sagte mir, es bestünde die Chance, dass er nicht überlebt. Ich... ich rief unsere Eltern an. Ich war mir sicher, dass sie Crocodile sehen wollten. Dass sie es bereuen würden, wenn er starb und sie sich nicht von ihm verabschiedet hätten. Doch weder unser Vater noch unsere Mutter wollten irgendetwas davon wissen. Sie legten einfach auf. Ich habe ihm das nie erzählt, weißt du? Es ist schon schwer genug für ihn, sich von nun an mit nur einer Hand zurechtfinden zu müssen, dachte ich mir, da muss ich ihn nicht auch noch damit belasten. Aber, nun ja, deswegen wundert es mich nicht, dass sie nicht gekommen sind. Wahrscheinlich haben sie die Einladungen, die du ihnen zugeschickt hast, ungeöffnet in den Mülleimer geworfen. Crocodile bedeutet ihnen gar nichts. Das ist eine traurige Tatsache, aber eine Tatsache nichtsdestoweniger. Die Ablehnung, die er von unseren Eltern erfahren hat, hat Crocodile hart und unnahbar gemacht. Es gibt wenige Menschen, denen es gelingt, bis zu seinem Innersten durchzudringen.“ „Ich hoffe, dass er sich mir weiter öffnen wird; jetzt, wo wir beide verheiratet sind“, sagte Doflamingo und seufzte leise. „Hab Geduld“, riet Mihawk ihm in einem unerwartet zärtlich klingenden Tonfall. „Gib ihm Zeit. Auch wenn ihr beide nun verheiratet seid: Eure Beziehung besteht seit kaum einem Jahr. Er wird schon noch auftauen. Und nun hör auf dir Sorgen zu machen. Es ist eure Hochzeit! Ihr solltet euch freuen und gemeinsam mit euren Gästen feiern. Warum kehren wir nicht zu den Anderen zurück? Bestimmt fragt sich Crocodile schon, wo sein frisch angetrauter Ehemann bleibt.“ Crocodile nutzte dieses Stichwort seines Bruders und zog sich rasch zurück, um nicht aufzufallen. Alles in allem war es eine schöne Feier, fand Crocodile. Als die Torte angeschnitten wurde, gelang es ihm sogar gegenüber Doflamingo die Oberhand zu behalten, und auch beim Hochzeitstanz schlug er sich ganz gut. Alle Gäste erweckten einen gut gelaunten Eindruck und feierten ausgelassen. Crocodile versuchte Spaß zu haben, doch ihm gingen die Worte seines Ehemanns nicht aus dem Kopf. Doflamingo schien sich wirklich von tiefstem Herzen zu wünschen, dass er sich ihm offenbarte. Crocodile war hin- und hergerissen: Auf er einen Seite war er sich nicht sicher, ob er jemals bereit dazu sein würde die Karten offen auf den Tisch zu legen, doch auf der anderen Seite sehnte er sich danach endlich die Wahrheit zu sagen. Wir sind verheiratet, dachte er, während er sich ein sechstes Glas Wein genehmigte. Ich heiße jetzt Donquixote Crocodile. Und ich lüge ihn immer noch jeden Tag an.... Crocodile trank sein achtes Glas leer, als er den Beschluss fasste, seinem Ehemann die Wahrheit zu sagen. Nicht heute. Nicht auf ihrer Hochzeit. Aber er würde es tun. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf goss Crocodile sich sein neunten Glas Wein ein. bye sb Kapitel 28: Kapitel 14 (zensiert) --------------------------------- Crocodile hatte sich für heute Abend um zwanzig Uhr mit seiner Schwester Hancock in Spider's Cafe verabredet. Weil Doflamingo in einer Bar ganz in der Nähe mit Law, Kid, Bellamy und den Anderen etwas trinken gehen wollte, hatte dieser ihn kurzerhand begleitet. „Versuch nicht laut zu werden“, riet sein Verlobter ihm, als sie vor dem Gebäude des Cafes stehen blieben. Es war erst Viertel vor acht; Crocodile hatte also noch paar Minuten Zeit. Aus der Innentasche seines Mantels holte er eine Zigarre hervor und zündete sie an. Den altbekannten Geschmack auf seinen Lippen zu schmecken, beruhigte ihn ein wenig. „Ich weiß, dass Hancock sich nicht wirklich toll benommen hat. Aber ich bin mir sicher, dass sie sich bei dir entschuldigen wird“, fuhr Doflamingo fort. „Am Telefon hatte sie zu mir gesagt, dass sie ihr Verhalten bereut.“ Crocodile verzichtete ganz bewusst auf eine Erwiderung. Ihm war klar, dass Hancock seinen Partner angelogen hatte. Sie hatte diesem weisgemacht, dass sie die Nacht mit Monet nur deshalb versucht hatte herunterzuspielen, weil sie ihn so gut leiden konnte und nicht wollte, dass er sich von ihrem Bruder trennte. In Wirklichkeit jedoch war es ihr nur um die 75.000 Berry, die ihr zukünftiger Schwager ihr versprochen hatte, gegangen. Crocodile fühlte sich hintergangen. Seine Geschwister standen schon seit ihrer frühesten Kindheit zu einhundert Prozent hinter ihm. Dass sein Bruder und seine Schwester immer auf seiner Seite stehen würden, hatte er niemals angezweifelt. Doch nun hatte Hancock ihn verraten - für nichts als einen Haufen stinkendes Geld! „Da vorne ist sie“, meinte Doflamingo und deutete mit einer Kopfbewegung auf den hellblauen Citroen C3 Pluriel, den Hancock mehr schlecht als recht in eine nahegelegene Parklücke zu manövrieren versuchte. „Am besten verziehe ich mich jetzt. Rufst du mich an, wenn ihr mit eurem Gespräch fertig seid?“ Crocodile nickte. Er gab seinem Verlobten einen kurzen Kuss auf den Mund und wandte sich anschließend seiner Schwester zu, die ungeschickt aus ihrem Citroen ausstieg. Sofort stach Crocodile ihr gigantischer Babybauch ins Auge. Wenn er sich nicht verrechnet hatte, waren es noch weniger als zwei Monate bis zur Geburt. Mit schuldbewusster Miene kam Hancock auf ihn zugelaufen. „Hallo Crocodile“, sagte sie, als sie ihn erreicht hatte. „Hallo Hancock“, erwiderte er mit trockener Stimme. Er drückte seine Zigarre aus und fügte hinzu: „Wollen wir hineingehen?“ Paula, die Besitzerin von Spider's Cafe und die Cousine von Daz, wies ihnen einen hellen Platz am Fenster zu. „Es ist so schön euch wiederzusehen“, meinte sie gut gelaunt, während die beiden Geschwister sich niederließen. Von der dicken Luft, die zwischen ihren Gästen herrschte, schien sie überhaupt nichts mitzubekommen. „Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Als ich dich das letzte Mal getroffen habe, da hat man dir die Schwangerschaft kaum angesehen, Hancock. Und inzwischen hast du so schwer zu tragen. Aber ich muss sagen: Der Babybauch steht dir wirklich gut!“ „Danke“, gab Hancock kurz angebunden zurück und zwang sich zu einem gequälten Lächeln. „Ich hätte gern einen Kamillentee.“ „Und für mich bitte...“ „... ein Glas stilles Mineralwasser“, beendete Paula seinen Satz und grinste verschmitzt. „Seit über zehn Jahren bist du mein Gast, lieber Crocodile, und du hast noch nie etwas Anderes bestellt. Kamillentee und Wasser, kommt sofort.“ „Paula scheint heute wirklich gute Laune zu haben“, meinte Hancock mit ziemlich unbeholfen klingender Stimme. Sie schien nicht recht zu wissen, wie sie dieses Gespräch beginnen sollte und blickte hilfesuchend in die Augen ihres älteren Bruders. Crocodile schwieg. Er empfand kein Mitleid für seine Schwester. Sie hatte ihn verraten und verdiente es sich schlecht zu fühlen, fand er. Nachdem Paula ihnen ihre Getränke serviert hatte, kam Hancock endlich auf den Punkt. „Es tut mir so leid“, sagte sie und senkte beschämt den Blick. Die schlanken, blassen Finger legte sie um ihre Teetasse. „Es war nicht richtig, Doflamingo in Schutz zu nehmen und deine Reaktion herunterzuspielen. Du hattest jedes Recht dazu, wütend auf ihn zu sein. Ich hätte auf deiner Seite bleiben müssen. Das habe ich nicht getan... aus Angst, dass Doflamingo sein Angebot zurückziehen würde, wenn ihr beiden euch trennt. Du solltest wissen, dass ich mich dafür wirklich selbst hasse und es mir aufrichtig leidtut.“ „Ich verstehe einfach nicht, wie du so etwas tun konntest“, erwiderte Crocodile und musterte seine Schwester aus zu Schlitzen verengten Augen. Er spürte, dass sie ihre Entschuldigung ernst meinte, doch er war sich nicht sicher, ob er dazu bereit war ihr zu verzeihen. „Ich meine... du, Mihawk, ich... Wir sind immer ein Team gewesen! Wir waren immer füreinander da; hätten für den Anderen unsere Hand ins Feuer gelegt... und dann... fängst du plötzlich an Doflamingo zu verteidigen. Nur wegen des verdammten Geldes, das er dir leihen möchte. So kenne ich dich überhaupt nicht, Hancock!“ „Ich weiß“, jammerte Hancock. „Aber ich... du verstehst das nicht, Crocodile. Ich... ich hatte einfach Angst!“ „Angst?“, wiederholte Crocodile verwundert und legte den Kopf schief. „Warum denn das?“ „Na, weil an diesen 75.000 Berry mein ganzes Leben hängt!“, platzte es plötzlich aus seiner Schwester hervor. Sie warf ihm einen völlig verzweifelten Blick zu. „In nicht einmal zwei Monaten bekomme ich meine Tochter. Und ich bin vollkommen auf mich allein gestellt! Ich weiß nicht, wie ich ohne dieses Geld die Miete für mein Nagelstudio bezahlen soll. Oder meine Rechnungen. Ich bin auf die Unterstützung von Doflamingo angewiesen! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verzweifelt ich gewesen bin, als mich Luffy von einem auf den anderen Tag plötzlich verlassen hat. Eigentlich war ausgemacht gewesen, dass er nach seinem Schulabschluss für das Baby Zuhause bleibt, und ich mich weiterhin um mein Nagelstudio kümmere. Doch plötzlich -ohne jede Vorwarnung- sind unsere Zukunftspläne einfach dahin.Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war völlig fertig. Erst als Doflamingo angeboten hat, mir die 75.000 Berry zu leihen, habe ich wieder Licht am Ende des Tunnels gesehen. Dieser Kredit stellt meine einzige Hoffnung auf ein Leben außerhalb des finanziellen Ruins dar! Und naja... als du mir davon erzählt hast, dass er mit Monet im Bett war, da habe ich Angst bekommen. Angst um meine Zukunft; um die Zukunft meiner Tochter. Deshalb habe ich versucht ihn zu verteidigen und so getan als würdest du heillos übertreiben. Das ist keine Rechtfertigung, das ist mir klar. Du hast dich mir geöffnet. Und ich habe deine Verwundbarkeit schamlos für meine Zwecke ausgenutzt. Aber ich hoffe, du verstehst, dass mein Handeln nicht leichtfertig gewesen ist. Und dass du mir verzeihen kannst.“ Crocodile wusste nicht, was er auf dieses unerwartete Geständnis erwidern sollte. Fassungslos blickte er seiner Schwester ins blasse Gesicht. Schließlich seufzte er irgendwann, zog die Augenbrauen zusammen und meinte in einem teils mitfühlend, teils vorwurfsvoll klingenden Tonfall: „Hancock....!“ „Ich wollte nicht über meine Sorgen sprechen“, erwiderte sie. Sie löste die Finger von der Teetasse und legte sie stattdessen in ihren Schoß. „Ich komme mir einfach so dämlich vor, Crocodile. Ich bin eine dämliche Gans!“ Und völlig unvermittelt brach sie in Tränen aus. „Hancock!“ Crocodile, der mit der Situation überfordert war, wusste nicht, was er tun sollte. „Ich... ähm... beruhige dich doch bitte... Hanaock...! Bitte... Du bist ganz sicher keine dumme Gans! Wie kommst du denn nur darauf?“ „Na, weil du mich gewarnt hast!“, schluchzte Hancock und warf ihm einen beschämten Blick aus tränennassen Augen zu. „Damals, auf Mihawks Geburtstagsparty. Erinnerst du dich noch? Du meintest zu mir, dass es keine gute Idee wäre, sich auf einen so jungen Mann wie Luffy einzulassen. Dass unsere Beziehung keine Zukunft hätte. Ich wollte deine Einwände nicht hören. Aber du hast Recht behalten, Crocodile. Und jetzt stehe ich da, alleine mit einem Kind und ohne zu wissen wie ich uns beide durchbringen soll. Ich bin so eine Idiotin! Hätte ich doch damals nur auf dich gehört!“ „Du bist zu streng mit dir“, versuchte Crocodile seine Schwester zu trösten. Er reichte ihr eine Serviette, mit der sie sich die Tränen abtupfte. „Schließlich weiß man vorher nie, wie schnell eine Beziehung zu Ende geht. Du hast doch nicht ahnen können, dass er dich trotz eurer ungeborenen Tochter verlässt.“ „Luffy hat so anständig gewirkt“, schnaufte Hancock. „So ehrlich und vertrauenswürdig. Zu Beginn hat er sich auch auf unser Baby gefreut. Doch als er dann begriffen hat, wie viel Verantwortung mit dem Vatersein verbunden ist, nahm er Reißaus. Er meinte zu mir, dass er dafür nicht bereit sei. Anstatt sich um unsere Tochter zu kümmern, wird er ein Auslandsjahr in Chile machen. Abenteuer erleben, hat er es genannt. Wie konnte ich nur so naiv sein und auf die Versprechungen eines siebzehnjährigen Jungen hereinfallen? Das ist wirklich dumm von mir gewesen.“ „Trink ein bisschen Tee“, erwiderte Crocodile unbeholfen. Er beobachtete, wie seine Schwester an ihrer Tasse nippte, und fügte mit ein wenig kräftiger klingender Stimme hinzu: „Scheiß auf Luffy. Und scheiß auch auf Doflamingo. Du weißt, dass Mihawk und ich für dich da sein werden, Hancock? Wir sind deine großen Brüder. Wir passen immer auf dich auf. Und unterstützen dich, egal was passiert. Also mach dir bitte keine Sorgen um die Zukunft, ja?“ Hancock zog die Nase hoch und nickte. Sie schwieg für eine Weile, ehe sie schließlich sagte: „Danke. Es tut gut zu wissen, dass ich mich auf euch verlassen kann.“ „Natürlich kannst du das. Wir sind eine Familie!“ „Jetzt fühle ich mich noch mieser wegen...“ „Lass uns nicht mehr davon sprechen!“, unterbrach Crocodile sie rasch. „Und lass uns heute Abend auch nicht an schlechte Dinge denken. Was, ähm, was hältst du davon ein bisschen tanzen zu gehen?“ „Tanzen?“, wiederholte Hancock und warf ihm einen irritierten Blick zu. „Wie kommst du denn plötzlich darauf?“ „Doflamingo ist mit ein paar Freunden in einer Bar ganz in der Nähe unterwegs. Shakky's Bar heißt der Laden, glaube ich. Warum gehen wir nicht hin? Und streichen Luffy wenigstens für heute Abend aus unserem Gedächtnis?“ „Ich weiß ja nicht“, stammelte Hancock, die sich vom plötzlichen Übermut ihres Bruders ein wenig überrumpelt zu fühlen schien. „Ich bin schon ziemlich lange nicht mehr tanzen gewesen. Und ich darf ja auch gar keinen Alkohol trinken. Wegen dem Baby.“ „Ich bin mir sicher, man bekommt in Shakky's Bar auch ein Glas Cola, wenn man darum bittet“, gab Crocodile zurück und warf seiner Schwester ein aufmunterndes Lächeln zu. „Komm schon, Hancock. Das hast du dir verdient!“ „Also gut“, gab sie sich schließlich geschlagen und erwiderte sein Lächeln. „Warum eigentlich nicht? Ein bisschen Spaß würde mir sicher guttun.“ Shakky's Bar war eine ziemlich heruntergekommene Kneipe mit viel Charme. Auf den zerschlissenen, roten Ledersofas tummelten sich Gruppen gut gelaunter Menschen, die sich miteinander unterhielten und Bier tranken. Viele von ihnen erweckten einen recht exzentrischen Eindruck. Tatsächlich brauchte Crocodile fast zwei Minuten, um seinen Partner auszumachen; dabei fiel Doflamingo normalerweise in jeder Menschenmenge auf wie ein bunter Hund. Doch hier ging er trotz der violetten Hose mit Tigerprint und dem grässlichen, neonfarbenen Hemd beinahe unter. „Warum holen wir uns nicht etwas zu trinken und setzen uns dann zu Doflamingo hinüber?“, schlug Crocodile seiner Schwester vor, die sich mit einem teils neugierig, teils skeptischen Blick umschaute. Offenbar hatte sie noch nicht entschieden, ob ihr Shakky's Bar zusagte oder nicht. Hancock nickte. Gemeinsam gingen sie zum Tresen hinüber. Sie bestellte ein Glas Cola, er ein stilles Wasser. Wie üblich zog Hancock jede Menge Blicke auf sich. Sie war eine außergewöhnlich schöne Frau und konnte kaum das Haus verlassen, ohne angesprochen zu werden. Mit den Jahren hatte sie sich daran gewöhnt und schenkte den Flirtversuchen normalerweise keine Beachtung. Heute Abend schienen die vielen Blicke sie jedoch aufzuwühlen. „Wirklich unfassbar“, zischte sie und nahm einen großen Schluck Cola. „Obwohl ich mit einem dicken Babybauch hier auftauche, starren sie mich an als wollten sie mich mit ihren Blicken ausziehen.“ „Mach dir nichts draus“, gab Crocodile gelassen zurück. „Du bist eben eine sehr gutaussehende Frau. Trotz Babybauch.“ Diese Aussage brachte Hancock zum Lächeln. „Eigentlich ist es ein netter Gedanke, dass mich die Männer immer noch attraktiv finden“, meinte sie. „Weißt du, heute Morgen waren meine Füße so fürchterlich angeschwollen, dass ich kaum in meine Schuhe gepasst habe.“ „In Momenten wie diesen danke ich Gott dafür, dass er mich zu einem Mann gemacht hat.“ Erst als Hancock zu lachen begann, wurde Crocodile unangenehm bewusst, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. „Jetzt geht es mir schon viel besser. Vielen Dank, Crocodile.“ „Nicht dafür“, erwiderte er und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. „Nein, wirklich“, ließ Hancock nicht locker. „Es tut gut, einfach ein bisschen zu lachen. Es ist lange her, seitdem ich mich das letzte Mal so ausgelassen gefühlt habe. Hierher zu kommen, ist eine echt gute Idee gewesen.“ „Lass uns am besten jetzt zu Doflamingo und den Anderen gehen“, meinte Crocodile, den die Lobreden seiner Schwester allmählich verlegen werden ließen. Er nahm sie vorsichtig bei der Hand und führte sie zu dem Tisch hinüber, an dem Doflamingo und dessen Freunde saßen. Sein Verlobter unterhielt sich gerade mit einer ihm fremden, dunkelhaarigen Frau, doch wandte sich sofort freudestrahlend um, als er ihn und Hancock erkannte. „Croco, Hancock!“, begrüßte er die beiden Neuankömmlinge gut gelaunt und deutete auf die freien Plätze gleich links neben sich. „Schön, dass ihr da seid!“ Crocodile setzte sich neben seinen Partner; Hancock ließ sich einen Platz weiter nieder. Abgesehen von der dunkelhaarigen Frau (sie hatte eine ungewöhnlich lange Nase, fiel ihm sofort auf), die gegenüber von Doflamingo saß, waren außerdem noch Law, Bellamy, Violet und Vergo anwesend. Weniger als eine halbe Minute später stieß auch Kid dazu. In der Hand hielt er zwei Flaschen Bier, von denen er eine an seinen Freund weitergab. Offensichtlich hatten Hancock und Crocodile ihm seinen Sitzplatz gestohlen, doch anstatt diesen Umstand anzusprechen, zog er sich einfach einen Stuhl vom Nebentisch heran. „Habt ihr euren Streit klären können?“, fragte Doflamingo im Flüsterton, als die Anderen sich wieder ihren Tischgesprächen zugewandt hatten. Crocodile nickte. „Alles gut bei uns“, antwortete er unverfänglich und nahm einen Schluck Wasser. „Sehr schön“, gab Doflamingo grinsend zurück. „Hier gibt es übrigens auch Wodka-Mischgetränke, wenn du möchtest.“ „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile abwehrend. „Ich bin ja sowieso mit dem Auto da. Und außerdem fühlt Hancock sich bestimmt blöd, wenn sie die einzige ist, die nichts trinkt.“ Diese Begründung schien Doflamingo einzuleuchten. „Okay“, meinte er und lächelte ihm wohlwollend zu, ehe er seine unterbrochene Unterhaltung mit der dunkelhaarigen Frau fortführte. Crocodile wurde derweil von Bellamy in ein Gespräch verwickelt. „Ich freue mich schon sehr auf eure Hochzeit“, meinte er und nahm einen großen Schluck Bier. „Das wird sicher eine tolle Feier. Wisst ihr schon, was es zu essen geben wird?“ Sie plauderten für eine Weile über dieses und jenes. Crocodile spürte, dass seine Schwester allmählich aufblühte und sich wohlzufühlen begann. Sie lachte oft und unterhielt sich ausgelassen mit ihren Sitznachbarn. Und auch Crocodile fühlte sich nicht unwohl. Es gab bloß eine einzige Sache, die ihm gegen den Strich ging: Und das waren die Flirtversuche seitens der dunkelhaarigen Frau mit der auffallend langen Nase. Doflamingo schien diese gar nicht so wirklich mitzubekommen, jedenfalls wies er die junge Dame (inzwischen hatte Crocodile erfahren, dass ihr Name Porsche lautete) nicht in ihre Schranken. Doch auf Crocodile wirkten die Sprüche sehr eindeutig. Sein Verlobter hatte gerade eben eine Runde ausgegeben und Porsche nutzte just die Gelegenheit, um sich ihm an den Hals zu werfen. „Du bist ein echter Gentleman, Doflamingo“, sagte sie und warf ihrem Gegenüber einen eindringlichen Blick zu. „Du weißt, wie man eine Frau behandelt!“ Crocodile zwang sich selbst dazu Ruhe zu bewahren und blickte demonstrativ in eine andere Richtung. Nichtsdestotrotz musste er die Lippen fest aufeinanderpressen, um Porsche nicht darauf hinzuweisen, dass Doflamingo nicht bloß ihr, sondern allen ein Getränk ausgegeben hatte. „Ach, wirklich?“, gab dieser keck grinsend zurück und nippte an seinem Cocktail. „Das höre ich selten.“ „Doch, doch, ehrlich!“, beteuerte sie und saugte an ihrem Strohhalm, ohne das Gesicht von ihm abzuwenden. „Du bist etwas Besonderes, Doflamingo. Das habe ich sofort gespürt!“ Dies war der Punkt, an dem Crocodile endlich beschloss, einzugreifen. Er warf seinem Verlobten einen verärgerten Blick zu und versetzte ihm unter dem Tisch einen leichten Tritt gegen das Schienbein. Doch Doflamingo konnte oder wollte diese Hinweise nicht verstehen. Stattdessen trieb er das Spiel sogar noch weiter. „Was meinst du damit?“, fragte er Porsche und stützte sein Kinn mit der rechten Hand ab. Scheinbar gedankenverloren rührte er seinen Cocktail um. „Du bist anders als die Anderen“, hauchte sie und beugte sich über den Tisch zu ihm hinüber. Ihre dunklen Augen fixierten Doflamingos Sonnenbrille. Die Spitze ihrer langen Nase war nur noch wenige Zentimeter von seinen Gesicht entfernt. „Viel klüger, stilvoller...“ (Angesichts dieser Aussage konnte Crocodile ein leichtes Prusten nicht unterdrücken. Stilvoll wäre nun wohl wirklich der allerletzte Begriff, mit dem er seinen Verlobten beschreiben würde.) „Eigentlich gehörst du gar nicht in einen so dämlichen Schuppen wie diesen hier. Also warum hauen wir beide nicht einfach ab? Was hälst du davon, wenn wir einen kleinen Spaziergang machen? Nur wir zu zweit?“ Nun konnte Crocodile absolut nicht mehr an sich halten. „Jetzt reicht es aber allmählich!“, wies er seinen Partner mit verschränkten Armen zurecht, ehe dieser dazu kam, zu einer Erwiderung anzusetzen. „Lass deine dämlichen Spielchen bleiben, Doflamingo.“ „Warum mischst du dich überhaupt ein, du Idiot?!“, fauchte Porsche prompt und warf ihm einen giftigen Blick zu. „Dich geht das Ganze doch gar nichts an!“ „Da bin ich aber anderer Meinung“, gab Crocodile schnaubend zurück. „Immerhin ist das mein Verlobter, mit dem du da ins Bett hüpfen willst!“ „Dein Verlobter? Hältst du mich für blöd?“ Porsche schien ihm kein Wort zu glauben. Sie zog verächtlich ihre lange Nase hoch. „Wer ist denn dann bitte die schwangere Frau, mit der du Hand in Hand hergekommen bist? Deine Schwester?“ Inzwischen waren fast alle Blicke am Tisch auf sie Drei gerichtet. Aus dem Augenwinkel heraus konnte Crocodile Bellamy beobachten, der offenbar Schwierigkeiten hatte sich das Lachen zu verkneifen. Doflamingo neben ihm schien es übrigens nicht anders zu gehen. Um sein amüsiertes Grinsen zu kaschieren, blies er mit seinem Strohhalm prustend ein paar Blubberblasen. „Naja“, meinte Crocodile unbeholfen und runzelte die Stirn. Er wusste nicht so recht wusste, was er auf diese Frage erwidern sollte. „Ja.“ Bellamy konnte nicht mehr an sich halten. Laut lachend erhob er sich vom Tisch und steuerte den Tresen an. Sein noch fast randvolles Bier ließ er an seinem Platz zurück. Und auch Doflamingo fiel es schwer sein immer breiter werdendes Grinsen zu verbergen. „Du hast doch einen Knall!“, meinte Porsche. Sie schien allmählich zu begreifen, dass irgendetwas vor sich ging, doch schien nicht recht zu wissen wie sie sich verhalten sollte. Schließlich ging sie in Angriffsposition über: „Als würde sich jemand wie Doflamingo mit einem Typen wie dir verloben! Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung wie reich er ist? Er könnte jeden haben! Warum sollte er da dich nehmen?! Du bist nur irgendein Freak mit einem zerfetzten Gesicht! Ein widerlicher, kaputter...“ Plötzlich war jede Amüsiertheit aus Doflamingos Gesicht verschwunden. Wutentbrannt richtete er sich auf, blickte Porsche unverwandt ins Gesicht und zischte mit eiskalter Stimme: „Sei leise!“ Mit einem Schlag war es so still, dass man eine Stecknadel zu Boden fallen hören konnte. Nicht nur Porsche, sondern alle am Tisch Anwesenden starrten ihn unversehens an. Doflamingo strahlte eine so zornige Aura aus, dass niemand es wagte auch nur einen Ton von sich zu geben. Schlussendlich war es Porsche, die das Schweigen durchbrach. Laut schluchzend brach sie in Tränen aus, bedeckte die Hände mit dem Gesicht und nahm reißaus. Sie dachte nicht einmal mehr daran, ihre Handtasche mitzunehmen. Doflamingo setzte sich wieder hin. Crocodile gab ein schnaubendes Geräusch von sich. „Endlich ist diese blöde Kuh weg“, meinte er gelassen und nahm einen Schluck Wasser. „Ihre dämliche Nase hat mich sowieso schon den ganzen Abend lang genervt.“ „Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie so etwas sagen würde...“ „Ist schon gut“, unterbrach Crocodile seinen Verlobten und winkte ab. „Nein, wirklich... Ich... Das sollte nur ein Spaß sein! Ich wollte, dass sie dich ein bisschen eifersüchtig macht. Nicht, dass sie dich beleidigt... Das war nicht meine Absicht, Crocodile.“ „Ich sagte doch, dass es gut ist“, wiederholte er und warf Doflamingo einen aufmunternden Blick zu. „Ihre Worte haben mich nicht verletzt. Es ist alles in Ordnung. Also beruhige dich bitte wieder.“ „Sie hat gemeint, du hättest ein zerfetztes Gesicht!“, hielt sein Partner aufgebracht dagegen. „Na und?“, gab Crocodile schulterzuckend zurück. „Sie hat nicht gelogen. Wenn man so will, habe ich es ein zerfetztes Gesicht. Entweder das oder ich bilde mir die riesige Narbe, die quer über meine Nase verläuft, seit gut fünf Jahren ein. Also was soll's.“ Auf diese Aussage schien Doflamingo keine passende Erwiderung einzufallen. Also griff er stattdessen nach seinem Glas und trank einen großen Schluck Sex On The Beach. Trotz des unangenehmen Zwischenfalls mit Porsche gestaltete sich der Abend sehr schön. Alle hatten gute Laune, lachten oft und Doflamingo gab jede halbe Stunde eine Runde aus. Es war schon viertel vor eins, als Kid sich schließlich als Erster aus ihrer Gruppe auf den Heimweg machte. „Ich habe morgen einen Termin mit einem Kunden“, entschuldigte er sich. „Schade“, meinte Law in einem recht widerwillig klingenden Tonfall. Ihm wäre es wohl lieber gewesen, wenn sein Freund noch eine Weile bliebe. „Wir sehen uns übermorgen“, versuchte Kid ihn aufzumuntern und gab ihm zum Abschied einen Kuss. „Zwischen euch beiden scheint es ja wirklich gut zu laufen“, sagte Doflamingo grinsend, als Kid verschwunden war und zog geräuschvoll an seinem Strohhalm. Inzwischen war er schon bei seinem sechsten oder siebten Cocktail angelangt. Law zuckte mit den Schultern. Crocodile konnte ihm nicht verübeln, dass er diese Frage als unangenehm und aufdringlich empfand. „Wir kommen sehr gut miteinander zurecht“, gab er schließlich zurück. „Das klingt aber nicht gerade begeistert“, stichelte Doflamingo. Law rollte mit den Augen. „Wirklich“, meinte er schließlich. „Kid ist toll. Nur leider fällt es uns manchmal schwer Zeit füreinander zu finden. Wir müssen beide sehr viel arbeiten.“ „Vielleicht solltest du darüber nachdenken deine Stundenzahl zu verringern“, schlug Doflamingo vor. „Oder weniger Spätschichten anzunehmen.“ „Kid muss auch oft nachmittags arbeiten“, gab Law zurück. „Mal schauen... Wir werden da sicher eine Lösung finden. Aber ich möchte nichts überstürzen. Wir sind ja erst seit ein paar Wochen zusammen. Kid soll sich nicht von mir bedrängt fühlen.“ „Ach“, machte Doflamingo und winkte ab. „Das ist doch ganz normal, dass man als Pärchen viel Zeit miteinander verbringen möchte. Gerade zur Anfangszeit. Ich weiß noch, wie schlimm ich es früher immer fand, dass ich Crocodile nicht jeden Tag sehen konnte. Ich habe ihn immer ganz fürchterlich vermisst, wenn er nicht bei mir war.“ „Du bist ja aber auch ein echter Sonderfall“, gab Law naserümpfend zurück und nahm einen Schluck Whiskey. „Eine totale Klette. Obwohl ich Crocodile damals noch gar nicht wirklich kannte, hat er mir total leid getan. So wie du ihn belagert hast.“ „Du übertreibst“, meinte Doflamingo. Das Grinsen auf seinen Lippen schmälerte sich ein klein wenig. Offensichtlich fühlte er sich ertappt. „Law hat nicht ganz Unrecht“, schaltete sich nun auch Crocodile in das Gespräch ein. „Du wolltest mich am liebsten jeden Tag sehen. Und wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht möglich war, hast du mich mit Anrufen förmlich terrorisiert.“ Er lachte leise. „Das stimmt doch gar nicht!“, widersprach ihm sein Verlobter und schob die Unterlippe nach vorne. „Ich meine...Klar wollte ich gern Zeit mit dir verbringen. Das ist ja wohl selbstverständlich. Immerhin hatte ich gerade die Liebe meines Lebens kennengelernt. Aber ich habe dich doch nicht terrorisiert!“ „Keine Sorge, du bist nicht der einzige, der terrorisiert wurde“, stichelte Law und wandte sich zu Crocodile um. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft Doflamingo in den ersten Wochen von dir gesprochen hat. Manchmal hat er uns sogar angerufen, nur um uns irgendein völlig unwichtiges Detail mitzuteilen. Heute hat Crocodile für mich gekocht. Er isst am liebsten Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Feta-Käse oder Ich hab herausgefunden, dass er gar kein Tattoo hat. Ich dachte die ganze Zeit über, er hätte eines.“ „Ich... So ist das doch überhaupt nicht gewesen“, funkte Doflamingo dazwischen. Er bließ die Backen auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Oh doch“, erwiderte Law grinsend. „Seine Lieblingsfarbe ist grün. Er hat keinen zweiten Vornamen. Seine Schuhgröße ist 40. Er fährt einen silbernen Mercedes C 216. Seine Wohnung hat keinen Balkon. Crocodile hat heute zwei Stunden länger gearbeitet. Crocodile hatte heute Magenschmerzen. Crocodile findet Star Wars langeweilig. Crocodile hat heute gepupst. Jeden Blödsinn wolltest du uns unbedingt mitteilen.“ Unweigerlich brach Crocodile in schallendes Gelächter aus. Er konnte sich ganz genau vorstellen, wie Doflamingo Law, der gerade aus einer mehrstündigen OP kam, aufgeregt anrief, nur um diesen mitzuteilen, dass er herausgefunden hatte welchen Film er am liebsten mochte. „Für mich sind das wichtige Dinge gewesen“, verteidigte sich Doflamingo. Inzwischen hatte sich eine leichte Röte auf seine Wangen gelegt. „Ich war von Anfang an hin und weg von dir, Crocodile. Natürlich habe ich mich gefreut, wenn ich Neues über dich erfahren konnte.“ „Bestimmt übertreibst du wirklich ein klein wenig, Law“, versuchte dieser seinen peinlich berührten Verlobten ein bisschen in Schutz zu nehmen. „Nein, ehrlich nicht“, beharrte Law kopfschüttelnd auf seinem Standpunkt. „Jede einzelne Aussage, die ich eben wiederholt hab, ist wirklich von Doflamingo getätigt worden!“ „Das kann nicht sein“, gab Crocodile zurück. „Ich, naja... zum Beispiel hab ich noch nie vor Doflamingo gepupst! Also kann das schon mal nicht stimmen!“ „Dann hat er mich eben angelogen“, meinte Law unbeirrt. „Ich erinnere mich noch ganz genau: Es war kurz nach Mitternacht und ich war auf dem Weg ins Krankenhaus, weil ich schnell zu einer Notfall-OP musste. Da hat Doflamingo mich angerufen und mir freudestrahlend mitgeteilt, dass du gepupst hättest. Und wie wichtig ihm das sei, denn man sagt ja, eine Beziehung wäre erst dann wirklich stabil, wenn man die Furz-Grenze überschritten hätte. Ich erinnere mich sogar noch an das Wort! Er hat wirklich Furz-Grenze gesagt!“ „Ich... Was.... ich?“ Irritiert wandte Crocodile sich zu seinem Partner um. „Warum verbreitest du denn solche dämlichen Lügen über mich, Doflamingo?! Ich... ich würde niemals vor dir pupsen! Das tue ich vor überhaupt keinem!“ „Doch, du hast gepupst gehabt“, hielt sein Verlobter ernst dagegen und nippte an seinem Cocktail. „Du weißt es nur nicht, weil du geschlafen hast.“ „Aber... Ich... Dann zählt das doch überhaupt gar nicht!“ „Klar zählt das!“, meinte Doflamingo entrüstet. „Nein, das zählt überhaupt nicht!“ „Doch!“ „Nein!“ „Doch!“ „Jetzt reicht es wohl aber mal“, schaltete sich nun Violet ein. Sie warf ihnen Dreien einen entgeisterten Blick zu. „Habt ihr denn nichts Besseres zu tun als darüber zu streiten, wer irgendwann einmal gefurzt hat?“ „Du verstehst das nicht“, gab Crocodile patzig zurück. „Es geht gar nicht um den... den Furz selber. Sondern darum, dass Doflamingo Lügen über mich in die Welt setzt!“ „Aber es ist doch gar nicht gelogen gewesen!“, fuhr sein Verlobter ihn an. „Du hast definitiv gepupst! Dafür ich lege ich meine rechte Hand ins Feuer!“ „Es zählt trotzdem nicht! Das ist unterbewusst passiert! Du hättest auf einen richtigen Pups warten müssen, damit es zählt!“ „Da hätte ich aber lange warten können!“, erwiderte Doflamingo aufbrausend. Er schubste mit dem rechten Ellenbogen beinahe sein leeres Cocktail-Glas vom Tisch. „Du hast bis heute nicht absichtlich vor mir gepupst! Und dabei heiraten wir in einem Monat schon!“ „So etwas tue ich einfach nicht“, hielt Crocodile aufgebracht dagegen. „Vor keinem! Und als allerletztes vor meinem Verlobten!“ „Ich finde, das hättest du ruhig mal tun können. Wenigstens mir zuliebe!“ „Du hast nie mit auch nur einem Wort erwähnt, dass du dir das von mir wünschst!“ „Da hätte man ja auch mal selbst drauf kommen können, oder nicht?“ „Ich... Das ist... Du bist... Ich... Du hast auch noch nie vor mir gepupst! Also fass dir mal an die eigene Nase!“ Doflamingo saugte scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. „Das stimmt überhaupt gar nicht! Ich habe schon zweimal gepupst, als du in der Nähe gewesen bist!“ „Du erzählst Blödsinn! Ich hätte es ja wohl mitbekommen, wenn du gepupst hättest!“ „Der war eben leise! Im Gegensatz zu deinem! Der ist total laut gewesen!“ „Das... das nimmst du sofort zurück!“ „Jungs!“ Diesmal griff Violet in einem deutlich energischer klingenden Tonfall in ihre Diskussion ein. „Es reicht nun wirklich! Niemand hier möchte wissen, wer von euch wann oder wie gepupst hat! Ihr beide habt wohl definitiv zu tief ins Glas geschaut!“ „Ich habe den ganzen Abend lang nur Wasser getrunken“, verteidigte sich Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. „Umso schlimmer!“, fügte seine Schwester Hancock kichernd hinzu. Es war kurz nach zwei Uhr morgens. Auch die beiden Frauen hatten sich inzwischen auf den Heimweg gemacht; von ihrer Truppe waren nur noch Bellamy und Law übrig, die gerade am Tresen standen und darauf warteten, dass Shakky ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkte. Doflamingo stieß ihm sanft mit dem Ellenbogen in die Seite. „Was hältst du davon, wenn wir beide uns für eine Weile aufs Klo verziehen?“, fragte er und warf ihm ein zuvorkommendes Lächeln zu. Im ersten Moment verstand Crocodile überhaupt nicht, worauf sein Verlobter hinauswollte. „Wieso denn das?“, fragte er und zog irritiert eine Augenbraue hoch. „Du weißt schon...“ Doflamingo rückte näher an ihn heran, legte die rechte Hand an seinen Hinterkopf und küsste ihn auf die Lippen. Es war ein sehr hungriger Kuss. Doch als Crocodile immer noch nicht begriff, wovon Doflamingo sprach, zog dieser ihn kurzerhand von seinem Sitzplatz und schob ihn hinüber zu der Herrentoilette. Wie man es bei den Waschräumen einer Bar gegen kurz nach zwei Uhr vermuten würde, waren diese nicht sonderlich sauber. Es stank unangenehm nach Urin und die gefliesten Wände waren überzogen mit lauter bunten Graffitis. Crocodile blickte sich verunsichert um, während Doflamingo an einem alten Automaten, der an der Wand neben dem Waschbecken hing, für ein paar Berry eine Packung Gleitcreme zog. „Das ist nicht dein Ernst“, stieß er entsetzt hervor. „Du willst Sex haben? Hier? In diesem stinkenden Klo?“ „Klar“, meinte Doflamingo breit grinsend. „Warum denn nicht? Willst du mir erzählen, du hattest noch nie Sex auf einer öffentlichen Toilette?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Und ich habe es auch nicht vor“, fügte er hinzu. „Hast du dich mal umgeschaut? Es ist total dreckig und eklig hier!“ „Ach, komm“, versuchte sein Verlobter ihn zu überreden. Er öffnete die Türe einer der beiden Toilettenkabinen. „Ich finde, du solltest der Sache eine Chance geben! Du kannst vorher doch gar nicht wissen, ob es dir gefällt oder nicht.“ Crocodile verzog den Mund. „Und wenn uns einer sieht? Es kann jeden Moment jemand durch die Türe kommen!“ „Deswegen gehen wir ja hier herein“, erwiderte Doflamingo und deutete auf die Toilettenkabine. „Komm schon, Wani! Sei kein Spielverderber!“ Crocodile seufzte leise auf, ehe er schließlich unwillig zu seinem Partner in die Kabine stieg. Doflamingo schloss rasch die Türe. Es war extrem eng und Crocodile hütete sich davor, mit den Armen ausversehen die Wände zu streifen. Er fühlte sich furchtbar unwohl hier drin. Doflamingo verwickelte ihn rasch in einen nassen, leidenschaftlichen Kuss. Crocodile versuchte sich auf seine weichen und warmen Lippen zu konzentrieren, doch trotzdem gelang es ihm nicht den beißenden Uringeruch zu verdrängen. Bei ihm handelte es sich um eine sehr reinliche Person und er wünschte sich im Moment nichts mehr als diese Toilettenkabine wieder zu verlassen. „Lass uns nach Hause fahren“, schlug er vor. „In unserem Schlafzimmer steht ein riesengroßes Bett. Dort können wir uns austoben wie wir möchten. Einverstanden?“ „Ich will dich jetzt“, erwiderte Doflamingo unbeirrt und drückte ihm erneut einen Kuss auf die Lippen. Gleichzeitig machten sich seine Hände an den Knöpfen seines Hemdes zu schaffen. Crocodile schob sie zur Seite. „Doffy“, meinte er mit eindringlicher Stimme. „Ich möchte das nicht. Nicht hier. Es stinkt und ist dreckig. Und du bist betrunken!“ „Sei nicht so ein Langeweiler“, meinte sein Verlobter, der nun stattdessen nach seinem Gürtel griff. „Dir wird das bestimmt gefallen! Entspann dich einfach!“ [zensiert] „Nun... Okay, lass uns verschwinden. Aber was sagen wir Law und Bellamy, wenn wir gleich wieder in den Schankraum gehen? Sie werden bestimmt wissen wollen, wo wir abgeblieben sind!“ „Wer weiß, ob die beiden nicht längst schon nach Hause gefahren sind“, erwiderte Doflamingo unbekümmert. „Und ansonsten lassen wir uns eben eine Ausrede einfallen.“ „Okay, gut“, gab Crocodile sich geschlagen und öffnete mit einem unguten Gefühl im Magen die Türe der Kabine. * Morgen war ihr erster Jahrestag und Crocodile hatte absolut keine Ahnung, was er seinem Verlobten schenken sollte. Zwar hatte er für diesen besonderen Anlass 1.000 Berry zur Seite gelegt, doch trotzdem wollte ihm nichts Gescheites einfallen. Doflamingo war ein extrem reicher Mann, der es gewöhnt war besonders teure und ausgefallene Geschenke zu bekommen. Crocodile befürchtete da nicht mithalten zu können und sich zu blamieren. Gerade saß er in seinem Büro und trank gedankenverloren ein Glas stilles Mineralwasser. Zu dessen letzten Geburtstag hatte er Doflamingo ein romantisches Wochenende in einem Wellness-Hotel inklusive Erster-Klasse-Flug geschenkt, doch um so etwas in der Art noch einmal zu machen, war sein Budget leider deutlich zu klein. Worüber würde sich sein Partner sonst freuen? Schmuck? Crocodile schüttelte geistesabwesend den Kopf. Parfuem? Einen neuen Mantel? Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als jemand an seine Tür klopfte. „Herein“, sagte er rasch und bemühte sich um seinen gewohnt ernst und selbstsicher klingenden Tonfall. Es war Kiwi, die mit einem breiten Lächeln im Gesicht sein Büro betrat. In den Händen hielt sie ein Tablett, auf dem zwei dampfende Tassen Tee und ein Teller mit Gebäck standen. „Keine Sorge“, meinte sie, ehe Crocodile dazu kam das Wort zu erheben. „Die Plätzchen hab ich selbst gebacken. Sie sind zuckerfrei.“ Sie stellte das Tablett auf seinen Schreibtisch ab, ehe sie sich einen Stuhl heranzog und sich niederließ. „Hier“, sagte Kiwi und schob eine der beiden Tassen zu ihm hinüber. „Ungesüßt.“ „Danke“, erwiderte Crocodile und nahm sich anstandshalber eines der Plätzchen. „Du siehst heute ziemlich niedergeschlagen aus“, merkte Kiwi an und nippte an ihrem Tee. „Ist alles in Ordnung? Wenn du möchtest, kann ich die Powerpoint für dich fertig machen. Ich weiß, dass Franky dich in letzter Zeit mal wieder mit Arbeit zuschüttet...“ „Nein“, meinte Crocodile und schüttelte den Kopf. „Danke, aber das ist nicht nötig. Ich komme gut zurecht. Wirklich.“ „Was ist es denn?“, bohrte Kiwi nach und warf ihm einen teils neugierigen, teils besorgten Blick zu. „Morgen haben mein Verlobter und ich unseren ersten Jahrestag“, gab Crocodile schließlich zu. „Und ich habe keine Ahnung, was ich ihm schenken soll.“ „Ihr seid noch nicht einmal ein Jahr lang zusammen und bereits verlobt?“, fragte Kiwi. Ihre Stimme klang nicht missgünstig, bloß verwundert. „Doflamingo ist der Typ Mensch, der immer alles überstürzen und erzwingen muss“, gab Crocodile seufzend zurück. „Den Ring hat er schon gekauft gehabt, als wir gerade mal drei Monate lang miteinander ausgegangen sind. Kannst du dir das vorstellen?“ Kiwi kicherte und tunkte einen Keks in ihren Tee, ehe sie davon abbiss. „Nun ja, er scheint sich ziemlich sicher zu sein, was dich angeht. Das ist doch eine schöne Sache, oder nicht? Ich wünschte, ein Mann würde sich mal auf diese Art für mich interessieren. Ich bin jetzt schon seit über einem Jahr single. Ab und zu gehe ich mal zu einem Date, aber leider sind die meisten Männer Idioten.“ Crocodile lachte leise. „Da hast du wohl Recht.“ „Ich finde es immer schwierig, erwachsenen Menschen etwas zu schenken“, fuhr Kiwi fort. „Bei Kindern ist es leicht. Aber Erwachsene warten mit ihren Wünschen ja nicht bis zum Geburtstag oder Weihnachten. Wenn sie etwas haben möchten, kaufen sie es sich einfach. Deswegen muss man wirklich pfiffig sein und sich etwas Tolles überlegen.“ „Du sprichst mir aus der Seele. Doflamingo ist ein sehr wohlhabender Mensch. Eigentlich hat er schon alles, was er möchte. Ich hab keine Idee, was jemand wie er sich wünschen könnte.“ „Hmmm... Wie wäre es mit einer gemeinsamen Aktivität?“, schlug Kiwi vor. „Nicht schlecht“, erwiderte Crocodile nachdenklich. „Was für Interessen hat Doflamingo denn so?“ „Ähm... Nun ja... Er geht gerne in Nachtclubs. Er macht Sport. Er mag Fotoalben. Er shoppt gerne...“ „Wieso schenkst du ihm nicht ein gemeinsames Foto-Shooting?“, schlug Kiwi vor. „Foto-Shooting“, wiederholte Crocodile bedächtig. Diese Idee war gar nicht so schlecht. „Sowas haben Mozz und ich vor ein paar Jahren mal gemacht“, fuhr Kiwi fort. „Es hat total viel Spaß gemacht und die Fotos sind eine schöne Erinnerung. Wir sind damals bei Fullbody's Fotostudio gewesen.“ „Das klingt gut“, meinte Crocodile und nickte. Er malte sich bereits aus, wie Doflamingo breit grinsend in die Kamera blicken würde. „Ich werde gleich mal dort anrufen und fragen, ob sie morgen noch einen Termin frei haben.“ Gerüstet mit einem schönen Geschenk fühlte Crocodile sich gleich viel wohler. Am nächsten Tag konnte er es kaum erwarten von der Arbeit heimzukehren. Doflamingo wartete bereits im Foyer auf ihn; in den Händen hielt er eine kleine, in glänzendes Papier eingewickelte Schachtel. „Alles Gute zum Jahrestag, Wani.“ Er beugte sich zu ihm hinunter, küsste ihn auf den Mund und überreichte ihm die Schachtel Sie fühlte sich leicht an; fast als wäre sie leer. Behutsam öffnete Crocodile das kleine Paket. Darin befanden sich auf einem samtenen Polster zwei sehr edel wirkende Manschettenknöpfe. „Ich habe mir gedacht, dass du sie bei unserer Hohzeit tragen könntest“, sagte Doflamingo. „Sie passen ganz gut zu dem Anzug, den du dir ausgesucht hast. Gefallen sie dir?“ Begeistert nickte Crocodile. „Sie sind wunderschön!“ Seine Worte waren nicht gelogen. Zum Glück hatte sein Verlobter bei Schmuck einen deutlich besseren Geschmack als bei der Kleidung. „Ich habe auch etwas für dich“, sagte Crocodile und legte die kleine Schachtel vorsichtig zur Seite. „Allerdings ist es nichts Materielles. Ich hoffe, dass du dich trotzdem freust.“ „Mit Sicherheit“, erwiderte Doflamingo grinsend und küsste ihn erneut. Crocodile spürte, wie die Arme, die sein Verlobter um ihn gelegt hatte, weiter nach unten wanderten, bis sie schließlich seinen Hintern umfassten und zärtlich kneteten. „Wollen wir nach oben ins Schlafzimmer gehen?“ „Ins Schlafzimmer?“ Für einen kurzen Moment stand Crocodile auf der Leitung. „Willst du es etwa gleich hier tun?“, gab Doflamingo überrascht zurück. „Mitten im Foyer? Nicht, dass ich damit ein Problem hätte, aber normalerweise bist du doch deutlich schüchterner.“ „Ich habe ein richtiges Geschenk für dich“, meinte Crocodile empört und windete sich aus der Umarmung. „Ich habe für uns beide ein Foto-Shooting gebucht!“ „Ein Foto-Shooting?“ Sofort war Doflamingo Begeisterung zu spüren. Breit grinsend klatschte er in die Hände. „Das ist eine tolle Idee! Es gibt so wenig Fotos von uns beiden, Baby! Und wenn uns die Arbeit des Fotografen efällt, können wir ihn auch gleich für unsere Hochzeit buchen. Da hast du dir ja wirklich etwas Schönes einfallen lassen!“ „Ähm, ja“, erwiderte Crocodile, der mit dem Enthusiasmus seines Partners ein wenig überfordert war. „Wollen wir dann direkt los? Ich hab einen Termin gleich um neunzehn Uhr gebucht.“ Das war zwar etwas knapp kalkuliert, aber so kurzfristig war bei Fullbody's Fotostudio nichts Anderes mehr frei gewesen. „Klar“, meinte Doflamingo gut gelaunt. „Weißt du denn schon, was du anziehen möchtest? Wie wäre es mit deinem grünen Hemd? Und ich ziehe etwas rosafarbenes an. Du weißt schon... Das sind unsere Farben!“ Crocodile nickte. Ihm war es relativ gleichgültig, wie er auf den Bildern ausschauen würde. Hauptsache sein Verlobter hatte Spaß und freute sich über das Geschenk. Sie schlüpften beide rasch in neue Kleidung und machten sich anschließend auf den Weg zum Foto-Shooting. Fullbody war ein groß gewachsener Mann mit violett gefärbtem Haar, das er sich auf die Seiten gekämmt hatte. Crocodile fragte sich, ob es womöglich von der kleinen Narbe auf seiner Wange ablenken sollte. Sie wurden höflich begrüßt und ohne Wartezeit ins Atelier im hinteren Bereich des Studios geführt. Bereits am Telefon hatte Crocodile mit Fullbodys Assistenten Jacko über die Fotokulisse gesprochen, um zu verhindern, dass sein Verlobter sich ein peinlich-romantisches Setting aussuchte. Stattdessen hatte er sich für etwas Schlichtes entschieden: Einen antiken Stuhl vor einem einfarbigen Hintergrund. „Es bringt ein bisschen Dynamik ins Bild, wenn eines der Models sitzt und eines steht“, erklärte Fullbody ihnen, während er seine Kamera vorbereitete. „Herr... ähm...“ Hilfesuchend wandte er sich an seinen Verlobten. „Donquixote“, antwortete Doflamingo, dem anzusehen war, dass er es kaum erwarten konnte endlich loszulegen. „Herr Donquixote“, fuhr Fullbody fort, „da Sie der Größere sind, setzen Sie sich am besten auf den Stuhl. Darf ich Sie bitten die Beine übereinander zu schlagen? Legen Sie den linken Arm auf die Lehne ab. Mit der rechten Hand können Sie Ihr Kinn abstützten. Und Ihr Verlobter...“, nicht unbedingt sanft ergriff er Crocodiles Ellenbogen und führte ihn zu Doflamingo hinüber, „... stellt sich daneben. Am besten positionieren Sie sich nicht frontal, sondern ein Stück seitlich gedreht. Stützen Sie Ihre rechte Hand auf die freie Armlehne ab. Sehr gut!“ Crocodile, dem ein wenig der Kopf schwirrte, versuchte den Anweisungen des Fotografen so gut wie möglich zu folgen. Um ehrlich zu sein hatte er noch nie zuvor an einem Shooting teilgenommen. Er wusste nicht so recht, ob er sich vor der Kamera wohlfühlte oder nicht. Fullbody verschwand hinter der Kamera. Bevor er abdrückte, gab er noch ein paar letzte Regieanweisungen von sich: „Heben Sie beide den Kopf leicht an. Sehr gut! Sir Crocodile, drehen Sie sich noch ein wenig weiter nach links.“ Dann drückte er ab. Helles Licht blendete Crocodile, doch er bemühte sich darum nicht zu blinzeln. Fullbody machte mehrere Aufnahmen. Als er fertig war, bat er sie beide zu seinem Computer herüber, den er mit der Kamera verbunden hatte. Auf dem Bildschirm waren etwa ein Dutzend Fotos zu sehen, die sich in Crocodiles Augen kaum voneinander unterschieden; doch Doflamingo beäugte jede einzelne Aufnahme sehr genau. „Mein persönlicher Favorit ist dieses hier“, meinte Fullbody und deutete auf das fünfte Bild. An Crocodile gewandt fügte er hinzu: „Ihr Schmuck kommt besonders gut zur Geltung. Außerdem ist Ihr linker Arm hinter dem Stuhlrücken versteckt. Man sieht also gar nicht, dass Ihre linke Hand fehlt.“ „Was haben Sie da gerade gesagt?!“ Doflamingo hatte sich eingeschaltet, ehe Crocodile überhaupt die Gelegenheit bekam seine Meinung zu der Fotoaufnahme kundzutun. Mit zornig zusammengezogenen Augenbrauen fixierte er Fullbody. „Seine fehlende Hand ist kein Makel, verdammt nochmal!“ „Jeder Mensch hat vorteilhafte und weniger vorteilhafte Körperstellen“, hielt Fullbody dagegen. „Und meine Aufgabe als Fotograf ist es, die unvorteilhaften Körperstellen zu verstecken und die vorteilhaften hervorzuheben. Genau das habe ich getan!“ „Ganz ruhig“, versuchte Crocodile die aufgeheizten Gemüter zu beruhigen. Er hatte sich wirklich sehr auf dieses Foto-Shooting gefreut und hatte keine Lust auf Ärger. „Mir gefällt Foto Nummer fünf auch am besten. Also gibt es gar kein Problem.“ „Es geht nicht um das Foto! Es geht um den Scheiß, den dieser blöde Affe von sich gegeben hat!“ „Wie haben Sie mich gerade genannt?!“ „Mich haben seine Worte nicht verletzt.“ Crocodile bemühte sich um eine ruhige Stimme. Er wollte eine Eskalation der Situation unter allen Umständen vermeiden. „Lass uns einfach das fünfte Foto kaufen und nach Hause fahren. Okay?“ „Nicht okay!“, hielt sein immer noch aufgebrachter Verlobter dagegen. „Was bildet sich dieser Wicht eigentlich ein? Du bist perfekt, Crocodile, ganz genauso wie du bist. Man muss überhaupt nichts von dir verstecken!“ „Danke“, sagte Crocodile. „Aber es gibt wirklich keinen Grund, um so einen Aufstand zu machen.“ „Dieser Typ kann nicht einfach...“ „Wenn mich gestört hätte, was er gesagt hat, dann hätte ich mich schon selbst darum gekümmert!“, schnitt Crocodile Doflamingo das Wort ab. Allmählich verlor er die Geduld. Er hatte sich auf ein schönes Foto-Shooting mit seinem Verlobten gefreut und absolut keine Lust auf eine verbale Schlammschlacht. Schon gar nicht wegen solch einer Lapalie. „Ich kann nämlich für mich selber sprechen, Doffy! Also hör gefälligst auf mit diesem Blödsinn! Du ruinierst noch unseren Jahrestag! Lass uns bitte einfach das Foto kaufen. Und dann machen wir uns auf den Rückweg. Ja?“ Endlich gab Doflamingo klein bei. Er wandte den Blick ab, biss sich auf die Unterlippe und murrte unwillig: „Von mir aus.“ Erleichtert atmete Crocodile auf. Doch Donquixote Doflamingo wäre selbstverständlich nicht Donquixote Doflamingo, wenn er ein Thema einfach auf sich beruhen lassen könnte. Kaum saßen sie beide im Auto, wärmte er Diskussion gleich wieder auf. Crocodile rollte mit den Augen und legte den Rückwärtsgang ein, um auszuparken. „Ich verstehe einfach nicht, wie du das auf dir sitzen lassen kannst“, mimoserte Doflamingo und streckte im Fußraum seine langen Beine aus. „Du bist doch sonst immer ein so stolzer Mensch!“ „Ich werde es jetzt zum letzten Mal wiederholen“, erwiderte Crocodile, dessen Geduldsfaden sehr, sehr dünn geworden war. „Mich hat seine Aussage nicht verletzt. Deshalb habe ich keinen Grund gesehen Fullbody zurechtzuweisen.“ „Er hat dich praktisch als... als hässlich dargestellt! Als müsste man Teile von dir verstecken, um das Bild nicht zu ruinieren! Wie kannst du das bitteschön als nicht verletzend empfunden haben?!“ „Ich habe nun einmal keine linke Hand mehr“, gab Crocodile seufzend von sich. Dieses in seinen Augen unnötige Gespräch zehrte an seinen Nerven. „Das ist eine Tatsache. Wieso sollte ich so tun als wäre es anders? Das ist doch vollkommen lächerlich!“ „Ich verlange doch gar nicht, dass man so tut als hättest du noch beide Hände“, widersprach sein Verlobter. „Oder als hättest du keine Narbe im Gesicht. Aber ich möchte nicht, dass irgendjemand diese Eigenschaften als Makel darstellt! Denn das sind sie nicht! Ich liebe dich ganz genauso wie du bist und würde mir dich nicht anders wünschen.“ „Ich liebe dich auch“, gab Crocodile zurück. An einer roten Ampel hielt er an und blickte Doflamingo ins Gesicht. „Und ich danke dir für deine Worte. Aber ich finde, man muss nicht jedes Wort seiner Mitmenschen auf die Goldwaage legen. Das macht das Leben doch nur ungemütlich. Früher wäre mir so etwas sehr nahe gegangen, aber inzwischen habe ich mir ein ziemlich dickes Fell zugelegt. Das weißt du doch. Also lass uns jetzt bitte endlich dieses leidige Thema begraben. Hast du Lust auf Pizza? Ich kenne eine echt gute Pizzeria in der Nähe.“ „Okay, von mir aus.“ Doflamingo schien aufzugeben. „Aber für unsere Hochzeit buchen wir auf jeden Fall einen anderen Fotografen!“ * In einer Woche würde er heiraten. Crocodile konnte es kaum fassen. Während er in der Badewanne lag, sprach er die Worte aus, erst im Flüsterton, dann lauter, doch trotzdem wollte die Bedeutung nicht so ganz zu ihm durchdringen. Die Planung war abgeschlossen. Sie hatten das Schloss, in dem einst Doflamingos Eltern heirateten, als Location gebucht. Sie hatten ihre Anzüge gekauft. Einen teuren Catering-Service für das Essen beauftragt. Die Tischdekoration ausgesucht. Eine Live-Band für die Unterhaltung gebucht. Und vorgestern hatte Doflamingo die Eheringe für sie beide bei Silver's Rayleigh, dem teuersten Juwelier der ganzen Stadt, gekauft. (Crocodile hatte versucht seinen Partner davon zu überzeugen, dass er seinen Verlobungsring als Ehering weiterverwenden wollte, weil er ihm so gut gefiel, doch davon wollte Doflamingo nichts hören.) Die Hochzeitsgäste würden in einem vom Schloss unweit entfernten, romantischen Hotel übernachten. Doflamingo übernahm sämtliche Kosten. Und er weigerte sich noch immer, auch nur einen Berry von Crocodile anzunehmen. Das Klingeln seines Handys, das auf dem Waschbeckenrand lag, riss Crocodile aus seinen Gedanken. Er erhob sich aus der Badewanne, wickelte rasch ein flauschiges Handtuch um seine Hüften und nahm anschließend den Anruf an. Seine Schwester Hancock war am anderen Ende der Leitung. „Hey, Crocodile“, sagte sie mit fröhlicher Stimme. „Haben du und Doflamingo Lust morgen mit zum Brunch zu kommen? Wir treffen dort ein paar alte Freunde.“ „Klar, warum nicht“, antwortete er sofort. Um ehrlich zu sein, war er nicht wirklich der Frühstücks-Typ, doch ihm war jede Gelegenheit Recht, um sich von der bevorstehenden Hochzeit abzulenken. „Ich werde gleich auch Doflamingo fragen, aber bestimmt hat er nichts dagegen.“ „Super“, erwiderte Hancock freudestrahlend. „Wir treffen uns um zehn Uhr in Bluenos Cafe. Du weißt schon, das ist bei mir gleich um die Ecke.“ Crocodile nickte. Als ihm auffiel, dass seine Schwester diese Geste natürlich nicht sehen konnte, erwiderte er rasch: „Gut. Dann bis morgen, Hancock!“ Aus Gewohnheit wollte er das Handy in seine Hosentasche stecken, doch natürlich misslang der Versuch und es landete scheppernd auf dem glatten Fliesenboden. Crocodile konnte ein frustriertes Seufzen nicht unterdrücken. Eigentlich war diese Nervosität ziemlich untypisch für ihn. Missmutig zog er das Handtuch, das er um seine Hüften gewickelt hatte, stramm und griff nach dem auf dem Boden liegenden Handy. Seine sowieso schon schlechte Laune sank auf einen absoluten Tiefpunkt, als er feststellte, dass den Display nun zwei große Schrammen zierten. Das hat mir gerade noch gefehlt. Wenigstens war das Handy nicht kaputt. Mit gemischten Gefühlen betrachtete Crocodile das Hintergrundbild, das ihn und seinen Verlobten zeigte. „Mich und meinen Ehemann“, sprach er laut aus. Das Wort fühlte sich komisch in seinem Mund an. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte Doflamingo nichts dagegen einzuwenden am nächsten Tag mit zum Brunch zu kommen. Als er gerade in sein neon-pinkes Hemd schlüpfte, fragte er Crocodile beiläufig: „Wie weit bist du eigentlich mit deinem Gelübde? Ich arbeite schon seit Wochen an meinem, aber es fehlt irgendwie immer noch der letzte Schliff.“ „Gelübde?“, wiederholte Crocodile mit gerunzelter Stirn und blickte zu seinem Verlobten hinüber. „Du weißt schon“, erwiderte Doflamingo und stieg in eine grauenhafte, metallic-violette Capri-Hose, „unser Ehegelübde. Das Versprechen, das wir einander bei der Trauung geben werden.“ „Du meinst Nimmst du, Sir Crocodile, den hier anwesenden Donquixote zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann? Versprichst du, ihn zu lieben und zu ehren, in guten wie in schlechten Zeiten und so weiter?“ „Sag mir nicht, du möchtest bloß das Standard-Gelübde durchziehen?“, meinte sein Partner mit enttäuscht, beinahe schon entsetzt klingender Stimme. „Nun ja“, gab Crocodile zurück, „das ist doch Tradition, oder nicht?“ Er hatte nichts gegen das übliche Eheversprechen einzuwenden. Ehrlich gesagt war es ihm lieber als Zeit damit zu verschwenden sich ein paar kitschige Zeilen für die Trauung auszudenken. „Ich fände es schöner, wenn wir uns gegenseitig individuelle Versprechen geben würden“, warf Doflamingo ein. „Das würde doch auch viel besser zu uns passen. Immerhin sind wir doch auch kein Null-acht-fünfzehn-Paar, oder?“ „Du weißt, dass ich alles andere als romantisch veranlagt bin“, sagte Crocodile und verzog den Mund. „Ich möchte nicht, dass du hinterher enttäuscht von meinem Gelübde bist, weil du dir etwas Anderes vorgestellt hast.“ „Ach Quatsch!“ Doflamingo machte eine wegwerfende Handbewegung. Er betrachtete sein furchtbares Outfit ein letztes Mal im deckenhohen Spiegel, ehe er Crocodile bedeutete ihm zu folgen. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg hinunter zur Tiefgarage. „Es soll ja kein ellenlanger Text werden. Wir sind beide keine Dichter. Aber ich würde mich über ein paar Worte von dir an mich wirklich freuen.“ „Es ist nicht leicht dich zu beschreiben“, seufzte Crocodile und setzte sich hinter das Steuer seines Mercedes C 216. „Irgendwas fällt dir schon noch ein“, versuchte sein Verlobter ihn aufzumuntern. „Doflamingo, ich liebe dich und verspreche als dein Ehemann mich nicht für dich schämen, auch wenn du gekleidet wie ein Zirkus-Clown das Haus verlässt“, gab Crocodile einen ersten Vorschlag zum Besten. Doflamingo verzog halb amüsiert, halb beleidigt den Mund. „So schlimm ist mein Stil doch gar nicht“, verteidigte er sich und streckte die Beine aus. „Ich habe einfach nur einen anderen Geschmack als du.“ „Du hast nicht einen anderen Geschmack“, erwiderte Crocodile augenrollend und hielt an einer roten Ampel an, „du hast überhaupt keinen Geschmack!“ „Und du bist ein Mode-Experte oder was?“, gab Doflamingo pikiert zurück. „Man muss kein Experte sein, um darauf zu kommen, dass ein pinkes Hemd und eine metallic-violette Capri-Hose nicht unbedingt eine gute Kombination darstellen.“ „Sei nicht so fies!“ Sein Verlobter streckte ihm die Zunge raus. „Ich hab doch auch nichts gesagt, als du diesen furchtbaren karierten, orangefarbenen Pullunder und das blaue Halstuch getragen hast.“ „Der Pullunder ist überhaupt nicht furchtbar!“ „Doch, ist er“, meinte Doflamingo grinsend. „Und das blaue Halstuch hat das Ganze nur noch schlimmer gemacht.“ Crocodile wusste nicht, wie er auf diese kecke Aussage reagieren sollte. Eigentlich hatte sich selbst immer für ziemlich stilsicher gehalten. „Dieser Pullunder ist sauteuer gewesen!“, erwiderte er schließlich unbeholfen. „Das ändert doch nichts an der Tatsache, dass er hässlich ist.“ „Er ist außergewöhnlich und ich habe nicht viele außergewöhnliche Kleidungsstücke, das gebe ich zu. Aber er ist nicht hässlich!“ „Klar, das Ding ist hässlich wie die Nacht!“ „Ich.... Das... Das sagst du nur, um mich jetzt zu ärgern. Wenn du den Pullunder wirklich hässlich gefunden hättest, dann hättest du mir das gleich am selben Tag gesagt. Du bist kein Mensch, der ein Blatt vor den Mund nimmt.“ „Ich bin aber auch kein Arschloch“, wendete sein Verlobter ein. „Zumindest nicht dir gegenüber. Ich ruiniere doch nicht absichtlich deinen Tag, indem ich dir mitteile, dass dein Outfit schräg aussieht. Jeder hat ein oder zwei hässliche Teile im Schrank hängen.“ „Okay, einigen wir uns darauf: Ich hab zwei hässliche Sachen. Du hast nur hässliche Sachen!“ Doflamingo brach in Gelächter aus. „Du bist so unglaublich stur, Wani! Wer es schafft, dich jemals umzustimmen, hat einen Preis verdient!“ „Ich bin nicht stur. Ich beharre nur auf meiner Meinung, wenn ich davon überzeugt bin, dass sie richtig ist.“ „Ist nicht genau das die Definition von stur?“, wendete sein Verlobter grinsend ein. Plötzlich schmälerte sich sein Grinsen ein wenig und er sagte zusammenhanglos: „Wusstest du eigentlich, dass du der erste meiner Partner bist, der meinen Geschmack kritisiert? Keiner meiner Ex-Partner hat das je getan.“ Auf dieses Geständnis wusste Crocodile nichts zu erwidern. Stumm blickte er nach vorne auf die Fahrbahn und fragte sich, ob er mit seiner Stichelei vielleicht zu weit gegangen war. Er machte sich gerne über seinen Verlobten lustig (genauso wie dieser sich über ihn), doch es war nicht seine Absicht gewesen ihn zu verletzen. Gerade als Crocodile zu einer Entschuldigung ansetzen wollte, fügte Doflamingo hinzu: „Ich dachte immer, sie alle finden mich toll. Meinen Stil, meinen Humor, einfach meine Art... Erst nachdem ich die Beziehung mit dir eingegangen bin, ist mir klar geworden, dass sie sich einfach bloß nie getraut haben mich zu kritisieren. Sie taten alle so als würden sie mich super finden, weil ich ihnen teure Geschenke gemacht habe. Als mir das klar wurde, bin ich mir vorgekommen wie ein echter Idiot.“ „Das tut mir leid“, sagte Crocodile und bog rechts ab. In fünf bis zehn Minuten würden sie Bluenos Cafe erreichen. „Nein, es muss dir nicht leid tun“, sagte Doflamingo und streckte die Beine im Fußraum aus. „Ist ja nicht so gewesen als hätte mir etwas an ihnen gelegen. Keiner von ihnen hat mir etwas bedeutet. Meine Gefühle für sie waren genausowenig echt wie ihre für mich. Es ist nur... ein komisches Gefühl zu wissen, dass ihre Zustimmung immer nur absolut geheuchelt war. Keiner von ihnen hätte es jemals gewagt auch nur einen einzigen abfälligen Kommentar über meine Kleidung zu äußern. Tja, und dann kamst du, mein Liebling.“ „Ich weiß, du hast es nicht leicht mit mir“, gab Crocodile grinsend zurück, während er nach einer geeigneten Parklücke Ausschau hielt. Es erleichterte ihn, dass Doflamingo sich doch nicht verletzt zu fühlen schien. „Doch, das habe ich“, widersprach sein Verlobter ihm. Durch die violett getönten Gläser seiner Sonnenbrille warf er ihm einen durchdringenden Blick zu. „Es ist nicht so einfach in Worte zu fassen... aber mit dir ist alles leicht, Crocodile. Alles, was du sagst und machst, ist echt. Du tust nicht so als würde dir meine Hose gefallen, wenn sie es nicht tut. Du stimmst mir nicht bei allem zu, was ich sage, in der Hoffnung ich würde dir teuren Schmuck oder ein Auto schenken. Du bist ehrlich und unverfälscht. Deswegen liebe ich dich.“ „Ich liebe dich auch“, erwiderte Crocodile, der nicht wusste, was er sonst sagen sollte. Während er rückwärts einparkte, fuhr Doflamingo fort: „Am Anfang musste ich mich erst noch an deinen Stolz und deine Sturheit gewöhnen. Manchmal neige ich immer noch dazu unbedingt meinen Willen durchsetzen zu wollen. Ich kenne es ja nicht anders. Aber du lässt dir von mir nichts gefallen. Du widersprichst mir, du machst dich über mich lustig, du gehst mit mir um... naja, wie man eben mit seinem Freund umgehen sollte. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet.“ „Wir sollten doch lieber beim Standard-Gelübde bleiben“, meinte Crocodile mit einem bitteren Gesichtsausdruck. „Ich kann meine Gefühle nicht so gut ausdrücken wie du. Selbst jetzt, so ganz spontan im Auto, schaffst du es mich mit deinen Worten zu überrollen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Doffy.“ Er brauchte zum Glück auch nichts zu sagen, denn sein Verlobter beugte sich zu ihm hinüber und verfing ihn in einen leidenschaftlichen Kuss. Doflamingos Lippen waren warm und süß; seine nasse Zunge leckte über Crocodiles Unterlippe, saugte zärtlich daran. Doch Crocodile erlaubte es ihm nicht, weiterzumachen. Anstatt seinen Mund zu öffnen und Doflamingos Zunge einzulassen, löste er sich vorsichtig von seinem Partner. „Ich weiß, wohin das führen wird, wenn wir weitermachen“, meinte er und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Und dafür ist nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. Die Anderen warten sicher schon im Cafe.“ „Da gibt es sicher auch ein Klo“, stichelte Doflamingo, während sie beide aus dem Wagen stiegen. Unweigerlich spürte Crocodile, wie sich warme Röte in seinem Gesicht ausbreitete. Er warf seinem Verlobten einen giftigen Blick zu, doch sparte sich eine Erwiderung. „Du siehst echt niedlich aus, wenn du rot wirst“, machte Doflamingo weiter. Er grinste breit. „Und sexy! Wusstest du eigentlich, dass du beim Sex jedes Mal einen roten Kopf kriegst?“ „Ach, erzählt doch keinen Blödsinn!“ Gemeinsam überquerten sie die Straße. „Doch, wirklich“, bestand Doflamingo auf seine Aussage. „Liegt wahrscheinlich daran, dass du so blass bist. Da sieht man das schneller. Dein Körper wird immer sehr warm und nach einer Weile laufen deine Wangen knallrot an! Das schwöre ich!“ „Jetzt hör aber auf“, bat Crocodile seinen zukünftigen Ehemann. „Wir sind jetzt da.“ Eine ziemlich bunte Truppe hatte es sich an dem größten Tisch in Bluenos Cafe gemütlich gemacht. Hancock stach mit ihrem gigantischen Babybauch natürlich sofort aus der Menge heraus. Links von ihr saß ihre beste Freundin Sondersonia. Rechts daneben hatte sich Mihawk niedergelassen; er unterhielt sich gerade mit Bartholomew Kuma, neben dem er wirkte wie ein Zwerg. Außerdem waren zwei von Mihawks Fechtschülern, Zoro und Tashigi, anwesend. Wohlwissend, dass Doflamingo auf Letztere nicht allzu gut zu sprechen war, lotste er seinen Verlobten zu zwei freien Plätzen auf der anderen Seite des Tisches hinüber. Das angebotene Buffet war reichhaltig und abwechslungsreich. Da er für einen festen Preis so viel nehmen durfte, wie er wollte, sah Crocodile keinen Grund sich zurückzuhalten. Er schaufelte sich im ersten Gang Spiegelei, ein paar Würstchen, Bohnen und Kroketten auf seinen Teller. Dazu trank er, wie immer, ein Glas stilles Mineralwasser. „Wir sind fast vollständig“, meinte Hancock und nippte an ihrem heißen Kakao. „Es fehlen nur noch Ran und Moria.“ Zeitgleich seufzten Crocodile und Doflamingo auf, ehe sie einander verwunderte Blicke zuwarfen. „Du kennst Gecko Moria?“, fragte er seinen Partner überrascht. „Ich habe ihn über Kuma kennengelernt“, erklärte Doflamingo, ehe er sich einen Löffel Tomatensuppe in den Mund schob. Er klang nicht gerade begeistert. „Ehrlich gesagt kann ich ihn nicht sonderlich gut leiden.“ Crocodile nickte verständnisvoll. „Mir geht es nicht anders. Aber er ist ein alter Freund von Mihawk. Du weißt schon, sie mögen beide diesen ganzen Gothic-Krempel.“ „Ich bin kein Goth!“, warf ebenjener ein, doch Crocodile ignorierte den Einwand. „Wenn man vom Teufel spricht“, flüsterte Sondersonia, denn just in diesem Moment betrat eine dicke, blasse Gestalt das Cafe. Gecko Moria hatte sich sein ursprünglich hellbraunes Haar lila gefärbt und trug einen Lippenstift im selben Farbton. Die orangekarierte Hose, die er trug, passte nicht so recht zu seinem ansonsten düster wirkenden Erscheinungsbild. „So ungefähr sieht es aus, wenn du deinen orangefarbenen Pullunder trägst“, stichelte Doflamingo im Flüsterton. Crocodile gab ihm unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein und verzog pikiert den Mund. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ließ Gecko Moria sich auf den freien Stuhl neben Crocodile nieder. Sein viel zu breiter Hintern hing an beiden Seite der Sitzfläche herunter. „Guten Morgen allerseits“, meinte er gut gelaunt in die Runde, ehe er sich nach rechts zu Crocodile umwandte. „Wusste gar nicht, dass du deinen Lover mitbringen wolltest, Alligator“, sagte er grinsend und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung auf Doflamingo. Crocodile blickte Moria kühl ins Gesicht und bemühte sich darum ruhig zu bleiben. Er hatte diesen grausigen Typen nie leiden können. „Woher weißt du, dass er mein Lover ist?“, fragte er mit abfällig klingender Stimme. Er konnte sich nicht daran erinnern, Moria jemals von Doflamingo erzählt zu haben. „Ph“, machte Moria und zog die Augenbrauen hoch, „ist nicht schwer drauf zu kommen. Hast du jemals einen Typen gefickt, der nicht groß und blond ist?“ Diese völlig unverfrorene Aussage machte Crocodile augenblicklich mundtot. Entsetzt fixierte er Morias furchtbaren Lippenstift und wartete vergebens darauf, dass ihm ein paar schlagfertige Widerworte einfielen. Erst das Klingeln von Hancocks Handy unterbrach die peinliche Stille am Tisch. „Ran verspätet sich“, teilte Hancock den Inhalt der SMS den anderen Gästen mit. „Sie steht im Stau.“ „Ich gehe mir noch etwas Rührei holen“, meinte Tashigi und stand auf. Crocodile vermutete, dass sie bloß der unangenehmen Situation am Tisch entfliehen wollte; er konnte es ihr nicht verübeln. „Ich komme mit“, meinte Moria unaufgefordert und folgte dem unglücklich wirkenden Mädchen. „Und du wunderst dich, warum ich diesen Idioten nicht leiden kann?“, wandte sich Crocodile missgelaunt an seinen älteren Bruder. „Wahrscheinlich hat er es gar nicht böse gemeint“, verteidigte Mihawk seinen Freund. „Immerhin ist er selbst homosexuell.“ „Das hat doch damit nichts zu tun“, widersprach Crocodile und zog die Augenbrauen zusammen. „Er ist einfach absolut unhöflich!“ „Ärgere dich nicht, Wani“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern. „Damit bestätigst du ihn bloß.“ „Das sagst du so leicht“, gab Crocodile resigniert zurück. „Und, naja, irgendwo hat er ja auch Recht“, warf Mihawk mit einem seltenen Grinsen auf den Lippen ein. „Wenn ich so an die Leute denke, mit denen du mal zusammen gewesen bist: Marco, Sabo, Enel, Smoker, Doflamingo... Man erkennt definitiv, dass du einen Typ hast.“ Auch auf diese unverschämte Aussage wusste Crocodile nichts zu erwidern. Also wandte er sich, anstatt zu antworten, stumm den Würstchen auf seinem Teller zu. Gegen kurz nach elf Uhr erhielt Crocodile eine SMS von Daz. Sind im Hotel auch Hunde erlaubt?, wollte er wissen. Ehrlich gesagt hatte Crocodile ganz vergessen Doflamingo, der sich um die Reservierung gekümmert hatte, danach zu fragen. Dabei nahm Daz seinen Golden Retriever Fiffi praktisch überall mit hin. „Warum hast du mir denn nichts davon gesagt?“, wollte sein Verlobter mit aufgebracht klingender Stimme wissen, als er einen Blick auf Crocodiles Handy-Display warf. „Du sollst meine Nachrichten nicht mitlesen“, wies dieser Doflamingo prompt zurecht. „Das habe ich dir schon hundertmal gesagt!“ „Ich hab doch gar nicht mitgelesen. Wovon redest du eigentlich?“ „Wovon redest du?“ „Na, von diesem riesigen Riss in deinem Handy-Display“, erwiderte Doflamingo und deutete auf den kaum übersehbaren Makel. „Wann ist das denn passiert?“ „Gestern Abend“, antwortete Crocodile irritiert. Er verstand nicht so recht, warum sein Partner sich so sehr über das kaputte Display empörte. Immerhin ging es hier um Crocodiles und nicht um sein Handy. „Und warum hast du mir nichts davon gesagt? Ich hätte dir ein neues Handy besorgt!“ „Ich kann mir selbst ein Handy kaufen, wenn ich möchte“, gab Crocodile verdrossen zurück. „Aber das hat keine Eile. Es funktioniert ja schließlich noch.“ „Aber du kannst doch nicht noch tagelang mit einem kaputten Handy herumlaufen!“, warf Doflamingo ein. „Was sollen denn dann bloß die Leute denken?“ Diese Aussage traf Crocodile härter als er zugeben würde. „Seit wann interessiert es dich, was irgendwelche Leute denken?“, gab er mit grimmiger Stimme zurück. „Ich will nicht, dass man mir nachsagt, ich würde meinen Ehemann schlecht behandeln“, erwiderte Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Gleich heute besorge ich ein neues Handy für dich.“ „Das hat doch nichts damit zu tun, wie du mich behandelst“, wendete Crocodile ein. „Es ist bloß ein Handy.“ „Die Leute werden sehen, dass mein Ehemann tagelang mit einem kaputten Handy durch die Gegend läuft und denken, ich wäre zu geizig, um ihm ein neues zu holen. Das kann ich doch nicht zulassen!“ „Ich bin noch gar nicht dein Ehemann“, sagt Crocodile, weil er nicht so recht wusste, wie er angemessen auf Doflamingos verquere Logik reagieren sollte. „Dann sehen die Leute eben das kaputte Handy meines Verlobten“, korrigierte Doflamingo seine Aussage. „Das macht es auch nicht besser.“ „Ich finde, du übertreibst“, meinte Crocodile schließlich seufzend. „Morgen oder übermorgen schaue ich mich in Ruhe nach einem neuen Handy um. Und bis dahin tut dieses hier noch seinen Dienst.“ Mit dieser Lösung schien sein Partner nicht wirklich zufrieden zu sein, doch er beschloss das Thema erst einmal auf sich beruhen zu lassen. Morias erste dumme Bemerkung blieb leider nicht seine letzte. Ständig machte er sich über die anderen Leute am Tisch auf vulgäre Weise lustig. Jeder bekam sein Fett weg, doch Crocodile und Doflamingo blieben den ganzen Vormittag lang seine bevorzugten Kandidaten. Angefangen bei Crocodiles Vorliebe für Goldschmuck über Doflamingos Geschäfte bis hin zu den leckeren Würstchen, die auf seinem Teller lagen. Morias Witze nahmen einfach kein Ende. Allein über seine Narbe und seine fehlende Hand wagte er es nicht sich zu amüsieren; vermutlich weil er ahnte, dass nicht nur Mihawk darauf allergisch reagieren würde. Crocodile versuchte den Ratschlag seines Verlobten zu befolgen und Morias fiesen Worten keine Beachtung zu schenken. Das war leider einfacher gesagt als getan, denn bei ihm handelte es sich um eine gleichermaßen stolze und sensible Person. Es fiel ihm nicht leicht Morias Andeutungen, er wäre bloß des Geldes wegen mit Doflamingo in einer Beziehung, zu ignorieren. „Na, ist die Hochzeit schon geplant, Alligator?“, wollte Moria wissen, während er drei Scheiben Speck mit bloßen Fingern in seinen Mund hineinstopfte. Schmatzend fügte er hinzu: „An deiner Stelle würde ich mir nämlich Doflamingos Milliönchen sichern, bevor er anfängt sich für jemand Anderen zu interessieren.“ „Wir heiraten nächste Woche“, warf Doflamingo ein, ehe Crocodile die Möglichkeit bekam zu antworten. Sein Verlobter schien sich von Morias dummen Sprüchen überhaupt nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, wofür Crocodile ihn insgeheim beneidete. „Tatsächlich?“ Herzhaft biss Moria von einem Stück Weißbrot ab. „Hätte nie gedacht, dass ausgerechnet du als Erster von uns unter die Haube kommst, Doflamingo. Früher hast du doch jede Woche die Bettgefährtin gewechselt, oder nicht?“ „Nun ja, ich hatte Glück mit den Frauen, das stimmt“, meinte Doflamingo grinsend, „aber diese Zeiten sind nun vorbei. Ich habe lang genug mein Dasein als Junggeselle genossen. Du machst noch weiter, Moria, oder nicht? Hab gehört, Hogback hat dich nach dem zweiten Date abblitzen lassen. Das tut mir leid.“ Anstatt auf diesen Seitenhieb einzugehen, fuhr Moria ungerührt fort: „Um ehrlich zu sein, wundert es mich, dass es am Ende doch ein Mann geworden ist. Ich hätte darauf gewettet, dass du dich mit einer Frau dauerhaft binden würdest.“ „Ich habe aus meiner Bisexualität nie ein Geheimnis gemacht“, erwiderte Doflamingo, dessen Grinsen auf den Lippen gefror. Allmählich schien auch er die Nase voll von Morias Kommentaren zu haben. „Jaja, ich weiß. Du hast dich selbst immer als offen für alles bezeichnet. Aber mal ganz im Ernst: Wenn mich nicht alles täuscht, sind mindestens neunzig Prozent deiner Bettgefährten weiblich gewesen. Wahrscheinlich hast du dich selber einfach bloß als bisexuell geoutet, um deinem Bruder beizustehen. Der war im Gegensatz zu dir ja wirklich bi.“ Als ihm diese Anschuldigungen zu Ohren kamen, bildete sich ein unangenehmer Knoten in Crocodiles Magen. Von einem Moment auf den anderen war ihm der Appetit vergangen. „Ich habe keine Ahnung, wie du auf diese Zahl kommst“, erwiderte Doflamingo mit kühler Stimme. Und ohne sich von Morias blassem Gesicht abzuwenden, fügte er hinzu: „Immerhin bist du doch fast nie dabei gewesen, wenn ich eine Party geschmissen habe oder mit Freunden in Nachtclubs unterwegs gewesen bin.“ Das hatte gesessen. Gekränkt verzog Moria den Mund. Schließlich meinte er: „Du kannst dir gerne selbst etwas vormachen, wenn du möchtest, Doflamingo. Aber ich kenne dich schon seit Jahren und ich weiß mehr über dich als du denkst. Crocodile trifft doch überhaupt nicht deinen Geschmack. Hast du nicht mal behauptet, du würdest nie im Leben auf die Idee kommen einen Mercedes-Fahrer zu daten? Und wie sieht es überhaupt mit Kindern aus? Du wolltest immer Kinder haben, nicht wahr?“ „Es gibt heutzutage viele Möglichkeiten, um Vater zu werden, Moria. Leihmutterschaft, Adoption... Ich sehne mich gar nicht so sehr nach einem leiblichen Kind wie du denkst.“ „Ganz wie du meinst, Doflamingo“, spottete Moria und wandte sich süffisant grinsend wieder den Schinken-Streifen auf seinem Teller zu. Sie trieften so sehr, dass er sich hinterher ein Stück Weißbrot nahm, um das Fett vom Teller aufzusaugen. Zögerlich blickte Crocodile zu seinem Verlobten herüber, der jedoch bloß unauffällig abwinkte und sich anschließend wieder seinem Obstsalat zuwendete. Als sie beide wieder im Auto saßen, ergriff Doflamingo sogleich das Wort: „Du solltest dir nichts aus Morias Gewäsch machen. Der Typ erzählt von morgens bis abends nichts als gequirlte Scheiße. Aber das weißt du wahrscheinlich selbst schon.“ Anstatt darauf etwas zu erwidern, legte Crocodile den Rückwärtsgang ein und parkte aus; er wusste sowieso nicht, was er hätte sagen sollen. „Er hat mich mal um ein Date gebeten. Das war vor etwa eineinhalb Jahren. Natürlich habe ich ihn abblitzen lassen. Irgendwie hat er nie geschafft so richtig darüber hinwegzukommen und seitdem versucht er jeden meiner Partner zu vergraulen. Deswegen mach dir bitte nichts aus seinen Worten.“ Erst als Crocodile die Autobahnauffahrt erreicht hatte, fragte er: „Hat Moria denn recht? Oder erzählt er bloß Lügen?“ Er wusste zwar, dass es sich Gecko Moria um einen echten Widerling handelte, doch trotzdem wollten ihm dessen Worte nicht aus dem Kopf gehen. Sie hatten einen unangenehmen Stich in seiner Brust hinterlassen. „Weder noch“, meinte Doflamingo und drehte sich zu ihm um. „Er sucht sich irgendetwas heraus, was so oder so ähnlich mal passiert ist, und schmückt es dann aus, um es gegen jemanden zu verwenden. Ja, ich hatte viele Freundinnen. Das gebe ich ja selber zu. Wahrscheinlich auch mehr als Freunde. Aber zu behaupten, dass neunzig Prozent meiner Partner weiblich gewesen sind, ist einfach maßlos übertrieben. Seine Absicht ist es gewesen einen Keil zwischen uns beide zu treiben. Deswegen kam ja auch diese blöde Andeutung von ihm, du würdest mich nur meines Geldes wegen heiraten. Er ist einfach ein totaler Kotzbrocken, der auf jeden eifersüchtig ist, mit dem ich zusammen bin.“ Doflamingos Worte erleichterten Crocodile. Außerdem hatte er selbst ja auch schon des Öfteren die Erfahrung machen müssen, dass es sich bei Gecko Moria um alles andere als einen angenehmen Zeitgenossen handelte. „Und was hat es mit dieser Andeutung bezüglich Mercedes-Fahrer auf sich?“, wollte Crocodile mit einem leichten Grinsen auf den Lippen wissen. Plötzlich fiel ihm auf, dass sich unter den mehreren Dutzend Fahrzeugen, die sein Verlobter besaß, kein einziger Mercedes befand. „Naja, das ist die einzige Sache, die stimmt“, gab Doflamingo schließlich zu und rutschte auf seinem Sitz herum. „Ich hab tatsächlich mal behauptet, dass ich nie im Leben einen Mercedes-Fahrer daten würde.“ Rasch fügte er hinzu: „Aber das war natürlich, bevor ich dich kennengelernt habe!“ „Was hast du gegen Mercedes?“, hakte Crocodile nach, während er an einer Kreuzung abbremste, weil die Ampel auf gelbes Licht umschaltete. „Das ist eine tolle Automarke. Ich wollte schon immer einen Mercedes fahren, schon seit ich ein Teenager war.“ „Es ist eine Marke für alte Männer“, erwiderte Doflamingo und streckte ihm unverschämt die Zunge heraus. „Und für Snobbs. Alle Mercedes-Fahrer, die ich kenne, sind totale Spießer!“ „Ich bin kein Spießer“, erklärte Crocodile und warf seinem Partner einen vorwurfsvollen Blick zu. „Klar bist du ein Spießer“, gab Doflamingo breit grinsend zurück. „Du kommst nie zu spät zur Arbeit. Trägst immer perfekt gebügelte Hemden. Bist immer glatt rasiert. Sagst jedes Mal Bitte und Danke. Man muss dich zwingen, mal mit in eine Bar oder einen Club zu gehen. Und bestimmt hast du dein Studium in Regelstudienzeit abgeschlossen. Du bist praktisch die Definition von spießig. Wenn ich im Lexikon das Wort Spießer nachschlagen würde, wäre ich nicht überrascht deinen Namen als Definition wiederzufinden.“ „Das stimmt doch überhaupt gar nicht!“, erwiderte Crocodile empört. „Ich... ähm... Ich meine, ich bin ordentlich und höflich, das stimmt schon. Aber das hat doch nichts mit Spießigkeit zu tun, sondern ist ganz normal!“ Angesichts seiner aufgebrachten Reaktion brach Doflamingo unweigerlich in lautes Gelächter aus. „Keine Sorge“, meinte er und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jeder hat seine Fehler. Ich liebe dich genau so wie du bist. “ „Du bist auch nicht gerade perfekt“, gab Crocodile erhobenen Hauptes zurück. In fünf oder sechs Minuten würden sie ihr Zuhause erreicht haben. Es war jetzt kurz nach vierzehn Uhr. „Aber ziemlich nah dran!“, erwiderte sein Verlobter gut gelaunt. Crocodile rollte mit den Augen und hielt an einer roten Ampel an. „Punkt eins ist definitiv deine Selbstgefälligkeit“, meinte er. „Dann wären da noch deine Eifersucht, dein furchtbarer Geschmack und dein Bedürfnis dich immer und überall einmischen zu müssen. Außerdem reagierst du wie ein bockiges Kind, wenn du nicht bekommst, was du möchtest. Du bist von deinen Eltern viel zu sehr verzogen worden. Wenn wir später Kinder haben sollten, würdest du sie alles durchgehen lassen und ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen. Furchtbar!“ „Ein lockerer und ein strenger Elternteil“, trillerte Doflamingo immer noch breit grinsend. „Klingt doch nach einer guten Mischung.“ Darauf wusste Crocodile nichts zu erwidern. Zum Glück erreichten sie nun die Tiefgarage der Villa und eine Antwort seinerseits erübrigte sich. Später am selben Tag, bei einem gemütlichen Snack auf dem Sofa, kam Doflamingo noch einmal auf die bevorstehende Hochzeit zu sprechen. Crocodile musste ein genervtes Seufzen unterdrücken. Um ehrlich zu sein, war er dieses Thema inzwischen wirklich leid. Es war doch alles vorbereitet - das Schloss war gebucht, die Anzüge gekauft, die Dekoration ausgesucht, der Catering-Service beauftragt, die Hotelzimmer für die Gäste reserviert, die Eheringe gekauft, die Ansprache abgesegnet und die Musikauswahl mit der Band besprochen. Er wusste wirklich nicht, worüber sein Verlobter noch mit ihm reden wollte. Konnte er nicht einfach Ruhe geben, bis sie die Sache in einer Woche endlich durchgestanden hatten? Natürlich konnte Doflamingo das nicht. Um seine Ignoranz zu unterstreichen, griff Crocodile demonstrativ in die Tüte Cracker, die auf dem Wohnzimmertisch lag und biss geräuschvoll ab, während sein Partner zum Sprechen ansetzte. „Es gibt da noch eine Sache, über die ich gern mit dir reden möchte“, meinte er. „Bisher habe ich es immer vor mir hergeschoben, aber nun bleibt uns bis zur Hochzeit ja nicht mehr viel Zeit.“ Angesichts dieser unheilvoll anmutenden Worte schluckte Crocodile seinen Cracker rasch hinunter und warf Doflamingo einen fragenden Blick zu. Er hatte nicht die geringste Ahnung, worüber dieser mit ihm sprechen wollte. Für Crocodile gab es kein offenes Thema bezüglich ihrer Hochzeit mehr. „Du weißt, dass meine Mutter gestorben ist, als ich sechzehn Jahre alt war. Fünf Jahre später starb auch mein Vater. Mein einziger Bruder, Corazon, folgte ihnen beiden vor drei Jahren. Sie sind alle von mir gegangen.“ Crocodile spürte wie sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete. Unverwandt blickte er seinem Verlobten ins Gesicht. Doflamingo wirkte untypisch ernst. Das immer-währende Lächeln war von seinen Lippen verschwunden und der Blick blieb unter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille unergründlich. Weil Crocodile nicht wusste, was er sonst tun sollte, ergriff er bedächtig Doflamingos linke Hand und strich mit seinem Daumen über die gebräunte Haut. „Außer mir gibt es keinen Donquixote mehr“, fuhr Doflamingo fort. „Ich sehe dich längst als einen Teil meiner Familie, Crocodile, aber du trägst nicht meinen Namen. Das würde ich bei unserer Hochzeit gerne ändern.“ Crocodile fühlte sich als hätte ihm jemand mit voller Wucht in den Magen getreten. Es dauerte eine Weile, bis er seine Fassung wiedergefunden hatte. Betroffen erwiderte er: „Du möchtest, dass ich deinen Nachnamen annehme?“ Doflamingo nickte eifrig. „Es würde mir wirklich viel bedeuten“, meinte er. „Ich möchte, dass jeder sofort sieht, dass wir beide zusammengehören. Dass wir eine Familie sind.“ „Warum... warum hast du denn vorher nie etwas gesagt?“, fragte Crocodile, um Zeit zu schinden. Mit dieser Bitte hatte er absolut nicht gerechnet gehabt und er fühlte sich extrem überfordert. „Naja“, gab sein Verlobter recht ausweichend zurück, „um ehrlich zu sein, habe ich mich nicht getraut. Ich dachte mir schon, dass du nicht sofort begeistert reagieren würdest.“ „Das ist ziemlich viel, was du verlangst“, merkte Crocodile an. „Ich weiß. Aber ich verlange es auch nicht. Ich bitte dich lediglich darum. Natürlich würde ich es akzeptieren, wenn du dich dagegen entscheidest. Aber... wärst du denn wenigstens bereit es dir zu überlegen?“ „Wirklich viel Bedenkzeit habe ich ja nicht!“, warf Crocodile mit leicht panischer Stimme ein. „Doffy, wir beide heiraten am Wochenende!“ „Das ist mir klar. Aber ich hab mich vorher einfach nie getraut mit dir darüber zu sprechen. Würdest du mir bitte versprechen, es dir zu überlegen? Nur das. Okay?“ „In Ordnung“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen. „Ich werde darüber nachdenken. Aber, bitte, mach dir nicht zu große Hoffnungen, ja? Seinen Namen zu ändern ist keine Kleinigkeit!“ Doflamingo nickte. „Das verstehe ich“, sagte er. Crocodile war sich nicht sicher, ob die Worte seines Verlobten der Wahrheit entsprachen oder nicht. Crocodile zündete eine Zigarre an und nahm einen tiefen Zug, ehe er nach draußen auf den Balkon seines Lesezimmers trat. Es war ein ruhiger und klarer Abend. Keine einzige Wolke verhängte die Sterne am dunklen Himmel. Hoffentlich hatten sie Glück und würden bei ihrer Hochzeit in einer Woche mit ebenso gutem Wetter gesegnet sein. Doflamingo würde es sicher freuen. Gedankenverloren pustete Crocodile einen Schwall Zigarrenqualm in die Luft. Um ehrlich zu sein, war es nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er über eine Änderung seines Namens nachdachte. Das erste Mal war ihm der Gedanke im Alter von achtzehn Jahren gekommen, kurz nachdem seine Eltern ihn rausgeschmissen hatten. Auch nach beinahe zwanzig Jahren schmerzte ihn die Erinnerung an dieses Ereignis noch. Sein Vater und seine Mutter hatten sich dafür niemals bei ihm entschuldigt. Als ihm klar wurde, dass dieser Rauswurf keine unüberlegte Kurzschlussreaktion war und die beiden jedes Wort ganz genau so meinten, hatte sich der Schmerz in seiner Brust in lodernden Hass verwandelt. Wutentbrannt setzte er sich ins sein Auto und dachte sich auf dem Weg zum Standesamt einen neuen Nachnamen aus. Am Ende war es der Anruf von seinem älteren Bruder Mihawk gewesen, der ihn dazu bewog seinen Familiennamen doch zu behalten. Das zweite Mal war noch nicht so lange her. Nach der Trennung von Enel hatte Smoker ihm geraten zu seiner eigenen Sicherheit seinen Namen zu ändern. Crocodile erinnerte sich noch sehr genau an die Worte seines damaligen Partners, der als Polizist tätig war: „Dieser Enel wird dich nicht so leicht aufgeben. Ich kenne Typen wie ihn zur Genüge. Und ich kann nicht immer bei dir sein. Mir wäre es lieber, wenn du deinen Namen ändern würdest. Dann würde es ihm schwerer fallen dich erneut ausfindig zu machen.“ Crocodile hatte sich geweigert. Eine Woche später zierte eine lange Narbe sein Gesicht. Doch diesmal floh er nicht. Es ging nicht darum, wegzulaufen aus Hass oder Furcht. Sondern darum, woanders anzukommen. Doflamingo wünschte sich, dass jeder Mensch ihn sofort als Teil seiner Familie erkannte. Crocodile musste zugeben, dass ihm dieser Wunsch schmeichelte. Trotzdem handelte es sich um eine große Sache. Wind kam auf und Crocodile entschied sich in sein warmes Lesezimmer zurückzukehren. Leise seufzend ließ er sich auf seinem Sessel nieder und schlug die Beine übereinander. Ich müsste überall anrufen und erklären, dass ich jetzt anders heiße, dachte er. Ich müsste einen neuen Ausweis und neue Karten beantragen Mit zusammengezogenen Augenbrauen stellte Crocodile sich vor, wie er bei seiner Krankenkasse anrief, um Bescheid zu geben, dass er nun Donquixote Crocodile hieß. Verunsichert griff er nach einem Stück Papier und einem Stift. In seiner schönsten Handschrift schrieb er Donquixote Crocodile nieder. So ein langer Name, schoss es ihm unweigerlich durch den Kopf. Er schrieb den Namen ein paar Mal auf, doch jedes Mal sah er seltsam und fremd aus auf dem Papier. Crocodile wollte lieber seinen eigenen Namen behalten. Doch damit würde er seinen Verlobten schrecklich enttäuschen... Ich sollte es tun, kam es ihm plötzlich in den Sinn. Ich schulde ihm etwas. Bedrückt senkte Crocodile den Blick. Irgendwann würde Doflamingo von seinen Schulden und seinem Jobwechsel erfahren. Das war unvermeidbar. Vielleicht würde er nicht ganz so wütend reagieren, wenn er ihn mit dieser Geste besänftigte? Ihm bewies, dass er ihn über alles liebte? Ja, das wäre klug. Crocodile griff erneut nach dem Stift und schrieb ein weiteres Mal seinen neuen Namen nieder. Seine Initialen malte er in Schnörkelschrift. Etwa eine halbe Minute lang betrachtete er stumm den Zettel, auf dem ein halbes Dutzend Mal Donquixote Crocodile stand, ehe er den Namen laut aussprach. Es hörte sich ganz falsch an. Aber hatte er eine Wahl? Er musste Doflamingo auf seine Seite ziehen, ehe der Supergau kam. Er musste alles tun, um ihn zu besänftigen und ihm klarzumachen, dass er ihn liebte. Es war kurz vor Mitternacht, als Crocodile sich endlich entschieden hatte. Er würde den Nachnamen seines Ehemannes annehmen. * Die Zeit ging unfassbar schnell herum. Ehe Crocodile sich versah, stand der Tag der Hochzeit bevor. Den Vorabend verbrachten sie beiden in dem Ferienhaus von Doflamingos Familie, ehe sie am nächsten Tag zu dem etwa zwei Autostunden entfernten liegenden Schloss aufbrechen würden. Doflamingo war vollkommen aus dem Häuschen und grinste den ganzen Abend lang von einem Ohr zum anderen. Er schwärmte Crocodile stundenlang von der bevorstehenden Zeremonie vor und kam aus dem Quasseln gar nicht mehr heraus. „Am meisten freue ich mich auf unseren ersten Kuss als Ehepaar. Du weißt schon, wenn der Priester Du darfst die Braut nun küssen sagt, so wie in den Filmen.“ „Ich bin aber nicht deine Braut“, warf Crocodile kopfschüttelnd ein. „Dann eben Bräutigam“, meinte Doflamingo und winkte ab. Nichts schien ihm seine gute Laune verderben zu können. Er war total erwartungsfroh. Crocodile gab sich nach außen hin ruhiger als sein Verlobter, doch in seinem Inneren brodelte es. Doflamingo schien ziemlich hohe Erwartungen an die Hochzeitsfeier zu haben und ihn überkam die Angst, diesen nicht gerecht werden zu können. „Hoffentlich gefällt dir mein Gelübde“, sagte er und warf seinem zukünftigen Ehemann einen zögerlichen Blick zu. „Ich habe in den letzten Tagen jeden Abend daran gearbeitet, aber ich bin wirklich alles Andere als ein Poet.“ „Das wird schon“, erwiderte Doflamingo unermüdlich. „Und hoffentlich leiste ich mir keinen Patzer“, fügte Crocodile mit banger Stimme hinzu. „Stell dir nur einmal vor, mir wird die Frage der Fragen gestellt, und ich bekomme überhaupt kein Wort heraus. Oder ich stolpere auf dem Weg nach vorne zum Altar.“ „Ach, mach dir nichts draus“, gab Doflamingo schmunzelnd zurück. „Das wäre doch niedlich. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht alles so laufen wird wie wir uns das vorgestellt haben. Irgendetwas geht immer schief. Aber das macht nichts. Deswegen halten wir ja auch eine Feier im privaten Kreis ab, ohne prominente Gäste oder Papparazi. Hauptsache am Ende des Tages sind wir beide verheiratet.“ „Donquixote Doflamingo und Donquixote Crocodile“, flüsterte Crocodile und schaffte es gerade noch einen unwilligen Seufzer zu unterdrücken. „Du scheinst dich immer noch nicht dran gewöhnt zu haben“, merkte sein Verlobter an. „Ich hatte ja auch nur eine Woche Zeit“, konterte er spitz. „Und... es ist so ein langer Name...“ „Das kommt schon noch“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern. Er beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf den Mund. Crocodile schloss seine Augen und verlor sich ganz und gar in den warmen und süßen Lippen seines Verlobten. Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, meinte er: „Wahrscheinlich hast du Recht. Das kommt schon noch.“ Als Manager hatte Crocodile mit der Zeit gelernt, seine Aufregung in den Griff zu bekommen und in jeder Situation gelassen und selbstsicher zu wirken. Doch er konnte nicht verhehlen, dass das Herz in seiner Brust schmerzhaft schnell schlug, während er auf dem Rücksitz des Oldtimers saß, den sein Verlobter eigens für die Fahrt zur Hochzeits-Location gekauft hatte. Es handelte sich um einen dunkelgrün lackierten Cadillac Sedan und Crocodile hoffte, dass er nicht die teure Innenausstattung oder seinen Anzug mit Erbrochenem deunzieren würde. Seinem Magen, der sich furchtbar flau anfühlte, war alles zuzutrauen. Doflamingo, der neben ihm saß, entging die Gemütslage seines Verlobten natürlich nicht. „Beruhige dich“, sagte er und drückte seine Hand. (Ausnahmsweise einmal trug Crocodile keine Ringe an den Fingern.) „Alles wird ganz wunderbar werden, das verspreche ich dir.“ „Das kannst du nicht versprechen“, erwidere Crocodile jäh. Als er aus dem Fenster des Wagens blickte, konnte er bereits die Umrisse des Schlosses ausmachen. Das flaue Gefühl in seinem Magen verstärkte sich. „Du musst einfach nur Ja, ich will sagen“, meinte Doflamingo grinsend und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das schaffst du schon, Liebling.“ „Ein komischer Gedanke, dass wir beide in weniger als einer Stunde miteinander verheiratet sein werden.“ Erst als Crocodile den pikierten Gesichtsausdruck seines zukünftigen Ehemannes bemerkte, wurde ihm klar, dass er die Worte nicht bloß gedacht, sondern laut ausgesprochen hatte. Um Doflamingos Gefühle nicht zu verletzen, fügte er rasch hinzu: „Bevor du in mein Leben getreten bist, habe ich nie viele Gedanken ans Heiraten verschwendet. Hauptsächlich habe ich mich um meine Karriere gekümmert... Und, naja, plötzlich tauchst du auf und änderst alles. Drängst mich zu einem Date. Möchtest, dass ich bei dir einziehe. Und ehe ich mich versehe, bin ich auf dem Weg zu meiner Hochzeit. Es ist wirklich unglaublich, wie schnell ein einzelner Mann es geschafft hat mich zu verändern. Das hätte ich niemals für möglich gehalten.“ Angespannt fuhr Crocodile sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. „Wenn mir vor einem Jahr jemand erzählt hätte, dass ich vor meinen beiden Geschwistern unter die Haube komme, hätte ich die Person wahrscheinlich ausgelacht.“ Seine Worte schienen Doflamingo rasch wieder zu besänftigen. „Bereust du es denn?“, wollte er mit einem frechen Grinsen auf den Lippen wissen. „Wäre ich sonst hier?“, gab Crocodile zurück. „Wir sind da“, ließ der Fahrer des Cadillac Sedan verlauten. Er hielt gleich vor dem Schlossgebäude an und öffnete die hintere Wagentür. Doflamingo ergriff den vorbereiteten Brautstrauß, der neben ihm auf dem Sitz gelegen hatte, ehe er sich seinem Partner zuwandte, diesem auffordernd die rechte Hand hinhielt und fragte: „Bist du bereit?“ „Nein“, gab Crocodile zurück, doch ließ sich von seinem Verlobten aus dem Wagen helfen. Hand in Hand durchquerten sie den kleinen Schlossgarten, der sie hinüber zu der Kapelle führte, in welcher die Hochzeitsgäste bereits ungeduldig ihr Eintreffen erwarteten. Auf der Hälfte des Weges hielt Crocodile plötzlich inne. Befangen blickte Doflamingo zu ihm hinüber. „Was ist los? Bekommst du kalte Füße?“ Es sollte ein Witz sein, doch Crocodile kam nicht umhin zu bemerken, wie bang die Stimme seines zukünftigen Ehemannes klang. „Quatsch“, meinte er kopfschüttelnd. Mit gesenktem Blick fügte er hinzu: „Ich hab nur... naja... echt ein bisschen Lampenfieber. Ich weiß, dass ich kein Teenager vor ein Theateraufführung bin, sondern ein erwachsener Mann, ein Manager noch dazu, aber irgendwie ist mir gerade gar nicht gut. Wenn wir beide durch diese Türe gehen, werden wir von allen angestarrt werden. Ich muss vor über fünfzig Hochzeitsgästen einen total peinlichen Treueschwur verkünden. So ähnlich habe ich mich damals vor meinen ersten Bewerbungsgesprächen gefühlt...“ Dieser Vergleich brachte Doflamingo zum Lachen. „Wirklich“, meinte er und drückte fest seine Hand, „mach dir nicht so einen Kopf. Alles wird gut. Und ich versichere dir, dass mein Gelübde mit Sicherheit viel kitschiger und peinlicher sein wird als deines. Also keine Sorge.“ „Naja, von dir erwartet ja auch keiner etwas Anderes“, gab Crocodile zurück und rang sich ebenfalls zu einem Lächeln durch. „Wie lange wird die Zeremonie eigentlich dauern?“ „Naja, der Priester hält eine Ansprache, wir sagen unsere Gelübde, stecken die Ringe an... Ich denke, alles in allem kann man da schon mit einer halben bis dreiviertel Stunde rechnen. Wieso?“ „Weil ich solange garantiert nicht durchhalten werde. Ich muss nämlich total dringend pinkeln.“ „Du hast doch heute morgen kaum etwas getrunken“, warf Doflamingo überrascht ein. „Ich muss immer pinkeln, wenn ich nervös bin“, gestand Crocodile seinem Zukünftigen. „Normalerweise kriege ich das in den Griff, aber heute klappt es aus irgendeinem Grund nicht. Bevor in die Kapelle hineingehen, muss ich unbedingt zur Toilette.“ „Da drüben ist ein Gebüsch“, meinte Doflamingo kichernd und deutete auf ein paar Sträucher zu ihrer Linken. „Mach eben schnell und dann gehen wir hinein.“ „Was?“ Entsetzt blickte Crocodile zu seinem Verlobten hinüber. „Ich kann doch nicht einfach ins Gebüsch gehen zum pinkeln!“ „Warum nicht?“, erwiderte Doflamingo schulterzuckend. „Alle Gästen sitzen doch bereits in der Kapelle. Nun mach schon, Wani! Oder willst du sie noch länger warten lassen?“ „Okay, gut“, gab Crocodile sich schließlich geschlagen. Er löste sich von seinem Partner und blickte einmal unauffällig nach links und nach rechts, ehe er leichtfüßig zu dem Gebüsch hinüberging. Rasch öffnete er seinen Gürtel und den Hosenknopf. Nachdem er sich erleichtert hatte, fühlte er sich gleich viel besser. „Jetzt bin ich bereit“, sagte er, als er sich wieder seinem Verlobten näherte. „Ich glaube nicht“, erwiderte dieser leise kichernd und deutete auf seinen geöffneten Hosenstall. „So möchtest du doch wohl nicht vor die Hochzeitsgesellschaft treten, oder nicht?“ Crocodile spürte, dass sich leichte Röte auf seinen Wangen ausbreitete, während er beschämt den Reißverschluss hochzog. „Jetzt aber...“ Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ergriff Doflamingo erneut seine Hand und führte ihn hinüber zu dem Eingangstor der Schlosskapelle. Die Zeremonie lief genauso ab, wie jedes sechsjährige Mädchen sie sich gewünscht hätte. Das wunderte Crocodile nicht, denn immerhin hatte er die Planung größtenteils in Doflamingos Hände gelegt. Er selbst war so sehr von anderen wichtigen Dingen eingenommen gewesen, dass er seine eigene Meinung fast nur auf Nachfrage geäußert hatte. Hand in Hand durchquerten sie das Kirchenschiff. Vorne, vor dem Altar, warteten zwei mit edlen Hussen bedeckte Stühle auf sie. Crocodiles Herz schlug so laut in seiner Brust, dass er sich sicher war, die Hochzeitsgäste könnten das Pochen hören. Alle Blicke waren auf ihn und Doflamingo gerichtet, während sie quälend langsam und begleitet durch ein lautes Orgelspiel an all den Bänken vorbeischritten. In der Menge machte er die Gesichter seiner Freunde und Familie aus. Daz, bei dem es sich um keine sonderlich extrovertierte Persönlichkeit handelte, sah ihnen mit einem stoischen Gesichtsausdruck beim Gang zum Altar zu. (Crocodile beneidete ihn um die Ruhe, die er ausstrahlte.) Hancock, die in der ersten Reihe saß, stach mit ihrem verboten groß aussehenden Babybauch sofort hervor. Sie trug ein hübsches violettes Kleid und trocknete mit einem Taschentuch die Tränen, die ihr vor Rührung kamen. Zu Kid, der neben Law saß, fiel Crocodile unweigerlich ein, dass er in einem Anzug nicht weniger seltsam wirkte als ein Bankdirektor im Clownskostüm. Er hatte nicht die Gelegenheit alle Gäste individuell zu betrachten, ehe er und sein Verlobter die beiden Stühle vorne erreicht hatten. Mit immer noch hektisch pochendem Herzen ließ Crocodile sich nieder. Er konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören. Er war so aufgeregt, dass es ihm überhaupt nicht gelang sich auf die Worte des Priesters zu konzentrieren. Er hörte zwar eine Stimme reden, doch er hätte nicht sagen können, wovon sie gerade sprach. Für einen kurzen Moment schloss Crocodile die Augen und versuchte zur Ruhe zu kommen. Entsetzt musste er feststellen, dass es ihm nicht gelang. Und als er sich sein Gelübde, das er mühselig vorbereitet hatte, noch einmal ins Gedächtnis rufen wollte, war sein Kopf wie leergefegt. Doflamingo drückte unauffällig seine Hand; es war dieser aufmunternde Händedruck, der Crocodiles Herz wieder in einem langsameren Takt schlagen ließ. Er zwang sich dazu einmal tief ein- und auszuatmen und warf seinem Nur-noch-wenige-Minuten-lang-Verlobten einen dankbaren Blick zu. Plötzlich fühlte Crocodile sich viel besser. Als der Priester sie darum bat, sich zu erheben und ihre Treueschwüre verkünden, plapperten sie beide gleichzeitig drauf los. Doflamingo konnte ein amüsiertes Grinsen nicht verhindern. „Du zuerst“, meinte er schließlich und drückte ein weiteres Mal seine Hand. Crocodile nickte und sammelte sich kurz, ehe er begann: „Doffy.“ Er stockte, doch nur für einen kleinen Augenblick. „Als ich dich zum allerersten Mal gesehen habe, schoss mir ganz intuitiv der Gedanke Das ist aber ein verrückter Vogel durch den Kopf. Nun, nachdem mehr als ein gemeinsames Jahr vergangen ist, stelle ich fest, dass meine Intuition mich nicht getäuscht hat. Du bist der verrückteste, lustigste, liebevollste Vogel, dem ich je begegnet bin, und du hast meine Welt völlig auf den Kopf gestellt. Es... Es ist...“, er musste Luft holen, „... als wäre mir plötzlich klar geworden, wie grau und trist mein Leben ohne dich war. Als hättest du mir das Fliegen beigebracht. Mir lauter bunte Farben gezeigt, von denen ich zuvor nie auch nur zu träumen gewagt hätte. Du hast Gefühle in mir geweckt, die ich nicht für möglich hielt. Ich liebe dich, Doffy. Du bist mein Gegenstück; erst mit dir bin ich wirklich vollständig. Und genau deshalb möchte ich dich heute heiraten.“ Der Händedruck seines Verlobten war im Verlauf des Gelübdes immer fester geworden. Als Crocodile schließlich geendet hatte, hielt Doflamingo seine Finger so eisern unklammert, dass der Griff zu schmerzen begann. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob sein Partner wohl mit seinem Eheversprechen zufrieden war. Er hatte drei Tage in Folge jeden Abend an diesen Zeilen gefeilt. Doflamingo ließ seine Hand los und schob erstickt glucksend das Gestell seiner Sonnenbrille ein Stückchen nach oben, um eine Träne wegzuwischen, die über seine Wange zu kullern drohte. Crocodile nutzte die Gelegenheit, um seine schmerzende und rot angelaufene Hand unauffällig auszuschütteln, ehe sein Verlobter erneut danach griff. „Crocodile.“ Doflamingo rang sichtlich um Fassung. Noch nie zuvor hatte er dessen Stimme so aufgelöst gehört. „Als ich dich das allererste Mal sah, war mir sofort klar, dass wir beide füreinander bestimmt sind. Ich spürte einen Schauer, der mir über den Rücken lief, und mein Herz fing an so heftig zu klopfen wie nie zuvor. Du bist der Mensch, nach dem ich mein ganzes Leben lang gesucht habe: Wenn ich übermütig werde, holst du mich mit deinem kühlen Kopf wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Wenn ich Hilfe brauche, stehst du mir mit deinem Wissen und deiner Erfahrung zur Seite. Und wenn ich mal wieder ein hässliches Shirt anziehe, dann rümpfst du die Nase. Niemand passt besser zu mir als du. Wir beide gehören zusammen, das weiß ich genau. Wir sind zwei unterschiedliche Teile, die ein gemeinsames Ganzes ergeben. Ich liebe dich. Ich möchte dir die Treue schwören: in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit wie in Krankheit, in Reichtum wie in Armut. Ich werde immer zu dir stehen, denn nur mit dir kann ich glücklich sein.“ Ohne dass er etwas dagegen hätte tun können, spürte Crocodile, wie auch ihm die Tränen kamen. Rasch wischte er sich mit dem Hemdsärmel seines freien Arms über die heißen und feucht glänzenden Augen. Er hatte nicht vor zu weinen, hier inmitten der versammelten Gäste, doch er konnte nicht verhindern, dass Doflamingos Worte ihn zu Tränen rührten. In Reichtum wie in Armut hallte in seinen Ohren nach, und wieder einmal wurde ihm deutlich bewusst, was für einen riesigen Fehler er doch begangen hatte. Ich hätte es ihm sagen sollen, dachte er nicht zum ersten Mal und spürte, wie die Verzweiflung ihm weitere Tränen in die Augen trieb. Ich hätte ihm gleich am selben Tag von meiner Kündigung erzählen sollen. Er wäre nicht wütend oder enttäuscht gewesen... Das weiß ich jetzt. Er hätte mich einfach in den Arm genommen und... Seine niederschmetternden Gedanken wurden unterbrochen, als Doflamingo ihm einen eleganten Goldring mit einem wunderschönen, dunkelgrünen Edelstein auf den Finger steckte. Crocodile war so sehr mit seinen Selbstzweifeln beschäftigt gewesen, dass er die entsprechende Ankündigung seitens des Priesters gar nicht mitbekommen hatte. Hektisch wischte er die letzten Tränen fort und griff ungeschickt nach dem übrigen Ring, der ihm auf einem bestickten Samtkissen angereicht wurde. Er war mit dem seinen identisch; der einzige Unterschied lag in der Farbe des Edelsteins. Für Doflamingo wäre natürlich nichts anderes als ein rosafarbener Stein infrage gekommen. Wenigstens verpasste Crocodile nicht auch noch die nächsten Worte des Priesters: „Donquixote Doflamingo und Donquixote Crocodile, ihr dürft euch nun küssen.“ Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Sie stießen mit den Köpfen gegeneinander, so eifrig waren sie bei der Sache. „Ich liebe dich“, hauchte sein Ehemann ihm zwischen zwei Küssen leise ins Ohr. „Ich dich auch“, flüsterte Crocodile schweren Herzens zurück, ehe Doflamingo erneut nach seiner Hand griff und ihn durch das festlich geschmückte Kirchenschiff, vorbei an all den bewegt wirkenden Hochzeitsgästen wieder nach draußen führte. Crocodile und Doflamingo wurden von so vielen Freunden und Verwandten beglückwünscht und mit Geschenken überhäuft, dass sie sich entschuldigen mussten, um das Vorspeisen-Buffet zu eröffnen. Der Andrang nahm anschließend ein wenig ab, weil viele Gäste sich daran machten die zahlreichen erlesenen Köstlichkeit zu probieren. Crocodile, der den ganzen Vormittag über ein flaues Gefühl im Magen gehabt und deswegen nicht gefrühstückt hatte, stibitze sich einen bunten Gemüse-Spieß. Er steckte ihn sich gerade in den Mund, als seine Schwester Hancock ihn von hinten umarmte. (Auch ohne sich umzudrehen erkannte er sie an ihrem Baby-Bauch, der inzwischen beinahe verboten groß ausschaute.) „Eure Treue-Schwüre waren wirklich rührend“, sagte sie mit schwerer Stimme. Und als Crocodile ihr ins Gesicht sah, bemerkte er ihre feucht glänzenden Augen. „Danke.“ Um ehrlich zu sein, war er sehr erleichtert, dass er die Trauung endlich hinter sich gebracht hatte. Darum wechselte er rasch das Thema und fragte: „Möchtest du etwas essen? Mit dem Buffet hat der Catering-Service sich selbst übertroffen, nicht wahr? Ich kann es kaum erwarten, bis endlich der Hauptgang serviert wird. Ich habe vor Aufregung heute kaum etwas runterbekommen.“ „Nein, danke“, seufzte Hancock und schüttelte ihren hübschen Kopf. „Ich bin schon rund genug.“ „Ach, sag so etwas nicht!“ „Aber es ist doch wahr“, hielt seine Schwester dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich kann es kaum erwarten, meine Tochter endlich im Arm zu halten. Allein schon, weil es bedeutet, dass ich sie nicht mehr im Bauch überall hin tragen muss. Allmählich habe ich die Nase voll davon, schwanger zu sein.“ „Lange dauert es ja nicht mehr“, versuchte Crocodile sie zu trösten. Er konnte durchaus nachvollziehen, dass es sicherlich angenehmere Dinge im Leben gab als jeden Tag mit geschwollenen Füßen und Rückenschmerzen zu kämpfen. Nicht zum ersten Mal dankte er Gott dafür, dass er ihn nicht zu einer Frau gemacht hatte. Behutsam dirigierte Crocodile Hancock hinüber zu einer kleinen Tischgruppe und bedeutete ihr, sich hinzusetzen. Er stellte einen abwechslungsreichen Vorspeisen-Teller für sie zusammen, doch als er zu ihr zurückkehrte, stellte er fest, dass bereits einige andere Freunde sich dorthin gesellt hatten. Also reichte er ihr freundlich den Teller hinüber, unterhielt sich kurz mit den übrigen Gästen und ließ sie anschließend allein. Er versuchte seinen... seinen Ehemann auszumachen, doch der Saal war so groß, dass es der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen glich. Außerdem wurde er alle paar Schritte von Hochzeitsgästen beglückwünscht, sodass er auch nach über einen halben Stunde nicht sonderlich weit gekommen war. Es wurden bereits die Hauptspeisen aufgetragen, als er Doflamingo endlich wiederfand. Er stand mit dem Rücken zu ihm und unterhielt sich mit Mihawk, der heute ziemlich edel (doch nicht weniger altmodisch als sonst) gekleidet war. Crocodile konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sein älterer Bruder schien sich in diesem mittelalterlichen Schloss pudelwohl zu fühlen. Gerade wollte er auf sich aufmerksam machen, als er hörte, dass sein Name fiel. Weil er seine Neugierde nicht unterdrücken konnte, schlich er auf leisen Sohlen zu den beiden hinüber und belauschte argwöhnisch ihr Gespräch. „... wundert mich nicht, dass sie nicht gekommen sind“, hörte er Mihawk mit verdrießlicher Stimme sagen. „Sie gehen Crocodile schon seit fast zwanzig Jahren konsequent aus dem Weg.“ „Ich kann das nicht verstehen“, erwiderte Doflamingo. „Meine Eltern haben nie ein Problem mit meiner Bisexualität gehabt. Sie standen immer hinter mir und haben mich unterstützt. Es tut mir schrecklich leid für ihn, dass er von seinen Eltern behandelt wird wie ein Aussätziger, bloß weil er schwul ist. Ich meine... das hat er sich doch nicht ausgesucht. Und es ist ja auch nichts Schlimmes.“ „Um ehrlich zu sein, kann ich es auch nicht nachvollziehen. Crocodile ist ein guter Mensch. Er ist anständig, ehrlich, ehrgeizig... Am Anfang dachte ich, unsere Eltern seien einfach bloß überrumpelt und bräuchten eine Weile, um die Nachricht zu verdauen. Sie warfen ihn Zuhause raus, nachdem er sich vor ihnen geoutet hatte; deswegen habe ich ihn bei mir aufgenommen. Ich habe darauf gewartet, dass unsere Eltern sich irgendwann melden und sich für ihr Verhalten entschuldigen würden, aber am Ende wartete ich vergebens. Sie scheinen ihre Ansicht bis heute nicht geändert zu haben.“ „Wahrscheinlich fällt es ihm deswegen so schwer Vertrauen aufzubauen“, hörte Crocodile seinen Ehemann murmeln. „Ich musste monatelang arbeiten, um an ihn heranzukommen. Und ich denke, es gibt einige Dinge, die er immer noch geheim hält.“ „Crocodile ist ein Einzelkämpfer“, versuchte Mihawk sein Verhalten zu entschuldigen. „Er hat es oft nicht leicht gehabt im Leben. Der Kontaktabbruch vonseiten unserer Eltern ist schließlich nicht der einzige Schicksalsschlag gewesen, den er verkraften musste. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, als er in diesen furchtbaren Motorrad-Unfall verwickelt gewesen war. Du kannst dir nicht vorstellen, wie du dich fühlst, wenn dich ein Arzt anruft und dir mitteilt, dein kleiner Bruder hätte einen Verkehrsunfall gehabt...“ Crocodile spürte, wie sich ein dumpfes Gefühl in seiner Brust ausbreitete. Natürlich konnte Mihawk nicht wissen, dass Doflamingo genau dieselbe Situation ebenfalls durchlebt hatte. Er hätte seinem Bruder am liebsten den Mund zugehalten, doch sofern er nicht zugeben wollte, dass er die beiden belauschte, war dies nicht möglich. „Man sagte mir, es bestünde die Chance, dass er nicht überlebt. Ich... ich rief unsere Eltern an. Ich war mir sicher, dass sie Crocodile sehen wollten. Dass sie es bereuen würden, wenn er starb und sie sich nicht von ihm verabschiedet hätten. Doch weder unser Vater noch unsere Mutter wollten irgendetwas davon wissen. Sie legten einfach auf. Ich habe ihm das nie erzählt, weißt du? Es ist schon schwer genug für ihn, sich von nun an mit nur einer Hand zurechtfinden zu müssen, dachte ich mir, da muss ich ihn nicht auch noch damit belasten. Aber, nun ja, deswegen wundert es mich nicht, dass sie nicht gekommen sind. Wahrscheinlich haben sie die Einladungen, die du ihnen zugeschickt hast, ungeöffnet in den Mülleimer geworfen. Crocodile bedeutet ihnen gar nichts. Das ist eine traurige Tatsache, aber eine Tatsache nichtsdestoweniger. Die Ablehnung, die er von unseren Eltern erfahren hat, hat Crocodile hart und unnahbar gemacht. Es gibt wenige Menschen, denen es gelingt, bis zu seinem Innersten durchzudringen.“ „Ich hoffe, dass er sich mir weiter öffnen wird; jetzt, wo wir beide verheiratet sind“, sagte Doflamingo und seufzte leise. „Hab Geduld“, riet Mihawk ihm in einem unerwartet zärtlich klingenden Tonfall. „Gib ihm Zeit. Auch wenn ihr beide nun verheiratet seid: Eure Beziehung besteht seit kaum einem Jahr. Er wird schon noch auftauen. Und nun hör auf dir Sorgen zu machen. Es ist eure Hochzeit! Ihr solltet euch freuen und gemeinsam mit euren Gästen feiern. Warum kehren wir nicht zu den Anderen zurück? Bestimmt fragt sich Crocodile schon, wo sein frisch angetrauter Ehemann bleibt.“ Crocodile nutzte dieses Stichwort seines Bruders und zog sich rasch zurück, um nicht aufzufallen. Alles in allem war es eine schöne Feier, fand Crocodile. Als die Torte angeschnitten wurde, gelang es ihm sogar gegenüber Doflamingo die Oberhand zu behalten, und auch beim Hochzeitstanz schlug er sich ganz gut. Alle Gäste erweckten einen gut gelaunten Eindruck und feierten ausgelassen. Crocodile versuchte Spaß zu haben, doch ihm gingen die Worte seines Ehemanns nicht aus dem Kopf. Doflamingo schien sich wirklich von tiefstem Herzen zu wünschen, dass er sich ihm offenbarte. Crocodile war hin- und hergerissen: Auf er einen Seite war er sich nicht sicher, ob er jemals bereit dazu sein würde die Karten offen auf den Tisch zu legen, doch auf der anderen Seite sehnte er sich danach endlich die Wahrheit zu sagen. Wir sind verheiratet, dachte er, während er sich ein sechstes Glas Wein genehmigte. Ich heiße jetzt Donquixote Crocodile. Und ich lüge ihn immer noch jeden Tag an.... Crocodile trank sein achtes Glas leer, als er den Beschluss fasste, seinem Ehemann die Wahrheit zu sagen. Nicht heute. Nicht auf ihrer Hochzeit. Aber er würde es tun. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf goss Crocodile sich sein neunten Glas Wein ein. bye sb Kapitel 29: Kapitel 15 ---------------------- Seit drei Wochen war Crocodile ein verheirateter Mann. Und um ganz ehrlich zu sein, hatte sich bisher nur sehr wenig für ihn verändert. Er fuhr jeden Morgen mit seinem Mercedes C 216 zu Tom's Workers und kehrte jeden Nachmittag nach Hause zurück, um gemeinsam mit Doflamingo zu essen. Am Wochenende wurde er hin und wieder zu einem Disko- oder Kino-Besuch genötigt, doch auch das war nicht außergewöhnlich. Einmal passierte es ihm bei der Arbeit, dass er einen wichtigen Vertrag mit Sir Crocodile statt Donquixote Crocodile unterschrieb, doch dieses Problem war schnell beseitigt, indem er die entsprechende Seite ein zweites Mal ausdruckte. Dieser Fehler passierte ihm nur einmal, auch wenn der Name auf dem Papier noch immer einen seltsam fremden Eindruck auf ihn machte. Sein Leben wäre perfekt, würde nicht immer wieder die Angst an seinen Eingeweiden nagen. Crocodile hatte den Entschluss, den er auf seiner Hochzeitsfeier gefasst hatte, nicht vergessen. Doch umgesetzt hatte er ihn auch noch nicht. Immer wieder ging er im Kopf die verschiedenen Szenarien durch: Doflamingo, der vor Wut schäumte und ihn aus der Villa warf. Doflamingo, der kaum fassen konnte, was er da hörte, und darauf wartete, dass Crocodile „April April!“ rief. Und sogar Doflamingo, der in Tränen ausbrach und ihm mit verzweifelter Stimme vorwarf ein Lügner und Betrüger zu sein. Doch er konnte seinen Partner nicht ewig belügen. Irgendwann würden alle Unwahrheiten in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Crocodile wusste, dass es besser war, wenn er selbst auf Doflamingo zuging und ihm die Wahrheit erzählte. Wenn es doch nur nicht so viel Überwindung kosten würde... * Er stand gerade unter der Dusche, shampoonierte sein dunkles Haar ein und sinnierte darüber, wie er Doflamingo möglichst behutsam an die Wahrheit heranführen könnte, als ebenjener auf einmal hektisch an die Badezimmertüre klopfte. „Crocodile? Crocodile! Hörst du mich?“ Unweigerlich spürte Crocodile, wie sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete. Sein Ehemann sprach ihn nur dann mit seinem richtigen Namen an, wenn es um eine ernste Sache ging. „Ja“, gab er zurück und bemühte sich um einen selbstsicher klingenden Tonfall. „Was ist denn?“ „Beeil dich!“, erwiderte Doflamingo wie aus der Pistole geschossen. „Mihawk hat mich gerade angerufen. Bei Hancock haben Wehen eingesetzt! Wir müssen sofort ins Krankenhaus!“ Crocodile unterdrückte ein erleichtertes Aufseufzen. Dass seine jüngere Schwester ihr Baby zur Welt brachte, sah er persönlich nicht unbedingt als Grund an, um sich uso schnell wiemöglich das Shampoo aus den Haaren zu waschen und sich unverzüglich auf den Weg zu machen. Doch er war sich sicher, dass sein Partner eine ganz andere Ansicht vertrat. „Nun mach schon!“, herrschte Doflamingo, als Crocodile nichts weiter sagte. „Ich will los!“ „Warum hast du es so eilig?“, gab er zurück. „Warum ich es so eilig habe?“, wiederholte sein Ehemann mit ungläubiger Stimme. „Oh, ich weiß nicht: Vielleicht weil meine Schwägerin jetzt gerade ihr Baby auf die Welt bringt?! Verdammt nochmal, Croco, jetzt steig endlich aus der Dusche und zieh dich an!“ „Wir dürfen doch wahrscheinlich sowieso überhaupt nicht mit in den Kreißsaal. Ganz abgesehen davon, dass Hancock das vielleicht auch gar nicht möchte. Es nützt also nichts, wenn wir jetzt schon ins Krankenhaus fahren.“ Jedenfalls konnte Crocodile sich gut vorstellen, dass es angenehmere Dinge gab, als von drei Männern beobachtet zu werden, während man unter schrecklichen Schmerzen ein Kind aus seinem Unterleib herauspresste. In der neunten Klasse hatte er sich im Biologie-Unterricht einmal ein Geburts-Video ansehen müssen. Und auch wenn dies nun schon etwa zwanzig Jahre her war, erinnerte er sich noch überraschend genau an einige Details. (Dieser Tag war der erste, aber bei weitem nicht letzte gewesen, an dem er Gott dafür dankte, ihn nicht zu einer Frau gemacht zu haben.) „Hancock freut sich bestimmt, wenn wir kommen“, versuchte Doflamingo unbeirrt auf ihn einzureden. „Sie hat doch keinen außer uns. Es wird sie aufmuntern, wenn wir ihr beistehen.“ „Ist ja gut“, gab Crocodile klein bei. Er wusste aus Erfahrung, dass es am Ende nichts bringen würde, seinem Ehemann zu widersprechen. Wenn Doflamingo sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es kein Entrinnen mehr. „Aber gib mir wenigstens zehn Minuten, um mir die Haare zu föhnen. Ich möchte nicht mit nassen Haaren losfahren.“ „Von mir aus“, hörte er Doflamingo unwillig sagen. „Aber beeil dich, ja?! Nicht dass wir dort auftauchen und das Kind ist längst schon auf der Welt!“ Augenrollend wusch Crocodile das Shampoo aus. Man könnte glatt meinen, dachte er teils belustigt, teils genervt, dass Doflamingo derjenige wäre, der ein Kind bekam. Es stellte sich heraus, dass Hancock noch nicht im Kreißsaal lag. Stattdessen war sie in einem Zweibett-Zimmer untergebracht, das im Moment allerdings sie allein belegte. Sie lächelte, als Crocodile und sein Ehemann hereinkamen. Mihawk saß auf einem Stuhl an ihrem Bett. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, stürzte Doflamingo sich sofort breit lächelnd auf seine Schwägerin. „Hancock, wie geht es dir?“, fragte er sie aufgeregt und ergriff ungefragt ihre Hand. „Ich bin okay“, antwortete sie und erwiderte sein Lächeln. Crocodile bemerkte, dass ihre Stirn feucht glänzte. „Die Wehen kommen in Abständen von ein paar Minuten. Hoffentlich läuft nachher alles gut.“ „Mit Sicherheit“, sagte Doflamingo sofort und drückte aufmunternd ihre Hand. „Ist das Baby denn schon in der richtigen Position?“ „Es bringt sich gerade noch in die Schädellage“, erklärte Hancock. „Eine Hebamme hat das eben überprüft.“ „Sehr schön“, trällerte Doflamingo, ohne Hancock loszulassen. Crocodile, der nur Bahnhof verstand, wandte sich derweil an seinen Bruder. „Gehst du nachher mit Hancock in den Kreißsaal? Oder möchte sie das Baby ohne Publikum auf die Welt bringen?“, fragte er ihn. Sie hatten vorher noch nicht über dieses Thema gesprochen gehabt. „Sie hat mir gesagt, dass sie gerne dich dabei haben möchte“, sagte Mihawk mit ruhiger Stimme und ohne seinem Blick auszuweichen. Crocodiles blieb der Atem weg. Seine Brust fühlte sich an als hätte jemand mit voller Wucht dagegen getreten. „Mich?“, japste er panisch. „Aber... Ich... das geht nicht! Ich kenne mich doch gar nicht aus mit... mit Babies bekommen... Doflamingo ist derjenige, der zig Bücher zu diesem Thema verschlungen hat!“ Hilfesuchend blickte er zu seinem Ehemann hinüber, der sich noch immer mit Hancock unterhielt. Mihawk zuckte mit den Schultern. „Da musst du Hancock fragen, nicht mich“, sagte er schließlich. Sofort stürzte Crocodile zu seiner hochschwangeren Schwester hinüber. Sie verzog gerade schmerzerfüllt das Gesicht (eine Wehe?), als Crocodile unvermittelt zu ihr meinte: „Willst du wirklich, dass ich mit in den Kreißsaal komme? Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist! Vielleicht sollten lieber Mihawk oder Doflamingo mit dir gehen!“ Die Wehe schien abzuflauen. Hancocks Gesichtszüge entspannten sich wieder. „Möchtest du nicht dabei sein?“, fragte sie ihn mit verwunderter Stimme. „Naja“, gab Crocodile verunsichert zurück. „Ich weiß nicht, ob ich der richtige Mann dafür bin. Ich kenne mich überhaupt nicht aus mit... mit Wehen... und dem Pressen... der richtigen Atmung... und, naja, mit allem eben. Bestimmt ist es besser, wenn Doflamingo bei dir ist. Er weiß viel mehr als ich über diese Dinge!“ Plötzlich brach Hancock in Gelächter aus. „Keine Sorge“, meinte sie. Ihr Atem ging schwerer als üblich. „Ich bin diejenige von uns, die die Wehen ertragen und das Baby herauspressen muss. Du sollst nur danebenstehen. Also gibt es keinen Grund, um in Panik auszubrechen, ja?“ „Aber warum soll denn ausgerechnet ich dabei sein? Warum nicht Doflamingo? Oder Mihawk?“ „Am liebsten hätte ich euch alle im Kreißsaal mit dabei, aber die Hebamme meinte, das wäre nicht möglich“, erklärte Hancock ihm. „Normalerweise ist nämlich nur eine Begleitperson erlaubt.“ „Das ist kein Problem“, schaltete sich plötzlich Doflamingo ein. „Ich kann mit der Stationsleitung sprechen. Dann werden wir auch zu dritt in den Kreißsaal gelassen.“ „Möchtest du die Leute hier etwa bestechen?“, fragte Crocodile und kreuzte die Arme vor der Brust. Er wusste nicht so recht, was er von diesem Vorschlag halten sollte. Doch sein Ehemann schüttelte den Kopf. „Nicht nötig“, meinte er und präsentierte breit grinsend seine weißen Zähne. „Zufälligerweise gehört mir die Miracle-Sakura-Klinik. Ich bin mir sicher, dass man mir hier keinem Wunsch abschlagen wird.“ „Das hatte ich ganz vergessen“, gab Crocodile perplex zu und beobachtete, wie Doflamingo rasch das Zimmer verließ, um die Stationsleitung ausfindig zu machen. Crocodile hielt ihn nicht auf. Wenn er ehrlich war, dann beruhigte ihn die Vorstellung, dass er seiner Schwester nicht ganz allein würde beistehen müssen. Es dauerte Stunden. Stunden, ehe Hancock in den Kreißsaal verlegt wurde. Und weitere Stunden, in denen sie presste. Es war neunzehn Uhr gewesen, als Doflamingo und Crocodile im Krankenhaus angekommen waren. Inzwischen zeigte die Uhr fast halb zwei nachts an und noch immer war seine Nichte nicht auf der Welt. Crocodile fragte sich, ob es normal war, dass eine Geburt so unfassbar lange dauerte. Doch als er die Hebamme darauf ansprach, erklärte diese ihm freundlich, dass die erste Geburt einer Frau durchschnittlich dreizehn Stunden lang dauerte. Crocodile, der sich in spätestens sechseinhalb Stunden auf den Weg zur Arbeit machen musste, hoffte, dass Hancock sich nicht ganz so viel Zeit lassen würde. Es war kurz vor drei in der Früh, als seine Schwester es endlich geschafft hatte. Ein knallrotes, mit Schleim und Blut überzogenes Kind kam laut schreiend auf die Welt. Crocodile schlich vorsorglich hinüber zu dem Mülleimer, der in der Ecke neben der Tür stand. Sein Magen fühlte sich schrecklich flau an. Wer hatte noch einmal behauptet die Geburt eines Menschen sei wunderschön? Crocodile jedenfalls war sich sicher, dass derjenige niemals bei einer echten Geburt mit dabei gewesen war. Leider kam Crocodile nicht so leicht davon wie er es sich gewünscht hätte. Die Hebamme, die Hancock ihre neugeborene Tochter auf die Brust gelegt hatte, hielt ihm auffordernd eine Schere hin. Crocodile brauchte einen Augenblick, um eins und eins zusammenzuzählen. „I-ich soll die Nabelschnur durchschneiden?“, fragte er verdattert nach, doch nahm nichtsdestotrotz die Schere entgegen. Zögerlich schritt Crocodile zu Hancock und seiner Nichte hinüber. Die Hebamme hatte mit einem weichen Tuch den größten Teil des Bluts und des Schleims abgewischt. Trotzdem musste er sich ernsthaft zusammenreißen, damit sich ihm beim Anblick des Säuglings nicht der Magen umdrehte. Die Nabelschnur, die dick und bläulich am Bauch des kleinen Mädchens klebte, schaute nicht sonderlich appetitlich aus. Weil alle Blicke auf ihn gerichtet waren, gab Crocodile sich einen Ruck und schnitt rasch die Nabelschnur durch. Anschließend klippte die Hebamme an den kleinen Rest, der am Bauch kleben blieb, einer Klemme, mit der man seiner Ansicht nach genausogut auch eine angebrochene Corneflakes-Packungen hätte wiederverschließen können. „Hast du dir schon einen Namen überlegt?“, fragte Mihawk leise. Hancock, die völlig erschöpft wirkte und ihre Augen nicht von ihrer neugeborenen Tochter lassen konnte, schüttelte langsam den Kopf. „Ich hab mich noch nicht entschieden“, antwortete sie mit ungewohnt kratziger Stimme. Weil er gemeinsam mit Mihawk und Doflamingo noch bis frühmorgens bei seiner Schwester und seiner neugeborenen Nichte im Krankenhaus blieb, fühlte Crocodile sich im Büro ziemlich gerädert. Offenbar merkte man ihm an, dass er nicht sonderlich viel geschlafen hatte, denn Kiwi und Mozz fragten ihn kichernd, ob er die Nacht in einer Diskothek verbracht hätte. Crocodile schnaubte. Er war ein sehr verantwortungsbewusster, fleißiger Mitarbeiter und ging nie feiern, wenn er wusste, dass er am nächsten Morgen zur Arbeit musste. Doch wahrscheinlich waren sich die beiden Sekretärinnen dessen bewusst und wollten ihn bloß necken. „Ich bin gestern Nacht das erste Mal Onkel geworden“, erklärte er nichtsdestotrotz. „Oh? Wirklich?“, kreischte Kiwi sofort begeistert. „Davon hast du uns ja gar nichts erzählt!“, fügte Mozz in einem anklagenden Tonfall hinzu. „Nun ja, ich bin nur Onkel geworden, nicht Vater“, verteidigte Crocodile sich. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die beiden Sekretärinnen ein solch großes Interesse an seinem Privatleben zeigen würden. Ihn persönlich juckte es stets herzlich wenig, wenn irgendein Arbeitskollege Urlaub in den USA machte, eine neue Frau kennengelernt hatte oder sich einen Hund zulegte. Klatsch und Tratsch waren nie seine Stärken gewesen. „Junge oder Mädchen?“, fragte Kiwi sofort. „Mädchen.“ „Hat sie schon einen Namen?“ „Nein, noch nicht.“ „Hauptsache die kleine Maus ist gesund! Wie sind denn Größe und Gewicht?“ „Ähm, das habe ich mir nicht gemerkt“, gestand Crocodile, der sich ein wenig überfordert fühlte. Warum wollten denn die beiden Sekretärinnen so viel über ein Baby wissen, das sie überhaupt nicht kannten? War dies eine der Sachen, die man nur verstand, wenn man selbst eine Frau war? Mozz gab einen entrüsteten Pfeiflaut von sich und stemmte beide Hände in die Hüfte. „Crocodile!“, schimpfte sie mit ihm, „so etwas weiß man doch, wenn man bei einer Geburt mit dabei gewesen ist!“ „Beruhige dich, Mozz“, versuchte ihre Zwillingsschwester die Wogen wieder zu glätten. „Das Wichtigste ist doch, dass das Baby gesund und munter ist. Möchtest du uns nicht ein Foto von ihr zeigen, Crocodile? Neugeborene haben immer so zerknautschte Gesichter, total niedlich!“ „Ich... naja... ich habe auch kein Foto gemacht. Aber...“ Crocodile schluckte, als er Mozz' entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte. „Aber bestimmt hat Doflamingo mir sowieso welche geschickt.“ Als Crocodile auf sein Handy blickte (der Display war noch immer zersplittert), stellte er erleichtert fest, dass sein Ehemann ihm tatsächlich einige Schnappschüsse zugesendet hatte. Rasch hielt er seinen beiden neugierigen Arbeitskolleginnen ein Foto unter die Nase, auf dem seine Nichte gekleidet in einen rosafarbenen Strampelanzug zu sehen war. Crocodile konnte die begeisterten „Aww!“-Laute von Kiwi und Mozz nicht so recht nachvollziehen (seiner Meinung nach hatte seine Nichte auf dem Bild gewisse Ähnlichkeit mit einem hellen Laib Brot oder einer gekochten Kartoffel), doch zumindest wurde er den restlichen Arbeitstag über von den beiden in Ruhe gelassen. Es wunderte Crocodile nicht, dass Doflamingo am liebsten jede freie Minute mit ihrer kleinen Nichte verbringen wollte. Mehrmals pro Woche überredete er ihn zu einem Besuch bei Hancock. Dann machten sie alle zusammen einen kleinen Kaffeeklatsch, erledigten den Haushalt und hielten das kleine Baby, das noch immer keinen Namen hatte, abwechselnd im Arm. Zu Beginn war Crocodile noch sehr ängstlich im Umgang mit seiner Nichte gewesen. Sie war absolut winzig und wirkte zerbrechlich wie trockenes Laub. Er musste sich ernstlich zusammenreißen, um nicht nervös loszubrabbeln, als seine Schwester ihm das kleine Baby zum ersten Mal in den Arm legte. Als irgendwann zu ihm durchdrang, dass Kinder doch robuster waren als zuerst gedacht, wurde er sicherer bei allem, was mit der Kleinen zutun hatte. „Hast du dich endlich für einen Namen entschieden?“, fragte Crocodile, während er seiner Nichte sanft über den von einem dünnen Pflaum Haare bedeckten Kopf streichelte. Sie trug heute einen der zahlreichen Strampelanzüge, die Doflamingo und er ihr bei der Schwangerschafts-Party geschenkt hatten. Es war ein furchtbar hässliches Modell (Altrosa mit aufgenähten Rüschen). Um ehrlich zu sein, war Crocodile sich sicher, dass Hancock ihr dieses furchtbare Ding bloß angezogen hatte, um Doflamingo eine Freude zu machen. „Noch nicht“, erklärte seine Schwester, die unruhig an ihrer Tasse Tee nippte. Ihre Augen waren bläulich umschattet und ihre ansonsten makellose Haut wirkte ein wenig blasser als üblich. Offensichtlich raubte ihre Tochter ihr viel Schlaf. „Aber muss man denn den Babies keine Namen geben, bevor man sie mit nach Hause nimmt?“ „Im Krankenhaus wurde mir gesagt, dass ich mir ruhig noch ein bisschen Zeit lassen könnte.“ Crocodile wendete sich wieder dem Säugling in seinem Schoß zu. Allmählich ähnelte das kleine Mädchen immer weniger einem zerknautschten Lederball. Er erwischte sich dabei wie er hoffte, dass sie später mehr wie Hancock und weniger wie Luffy aussehen würde. „Es gibt einige Namen, die in der engeren Auswahl sind“, fuhr Hancock mit leiser Stimme fort. „Aber es ist nicht leicht sich zu entscheiden.“ „Welche denn?“ hakte Doflamingo sofort nach. Er machte eine Geste, die bedeutete, dass Crocodile ihre Nichte an ihn weitergeben sollte. „Nun ja, ich denke, Aiko wäre ein ganz guter Name. Oder Kazumi. Ruri klingt auch nett.“ „Wie wäre es mit Nozomi?“, schlug Crocodile vor, während er das kleine Mädchen behutsam in den Schoß seines Ehemanns legte. „Das bedeutet Hoffnung.“ „Nozomi...“, wiederholte Hancock bedächtig. „Das ist ein wirklich schöner Name. Gut, dann heißt sie nun Nozomi.“ Crocodile hatte nicht damit gerechnet, dass seine Schwester den Namensvorschlag so schnell und widerstandslos annehmen würde, doch widersprach nicht. Er wusste selbst zwar nicht, wie er so plötzlich auf diesen Namen gekommen war, doch er fand, dass er gut passte. Es dauerte nicht lange, ehe Nozomi zu schreien begann. Mit einem rücksichtsvollen Lächeln gab Doflamingo sie an ihre Mutter zurück. „Das war nur eine Frage der Zeit“, meinte Hancock leise seufzend. „Immerhin hat sie drei Stunden am Stück geschlafen. Ich glaube, das ist ein neuer Rekord.“ * „Ich habe eine Überraschung für dich“, kündigte Doflamingo mit absolut freudestrahlendem Gesicht an. Crocodile, der gerade erst von der Arbeit heimgekommen war und eigentlich bloß seine Ruhe haben wollte, unterdrückte ein genervtes Seufzen, ehe er erwiderte: „Danke, aber ist das dringend? Weiß du, ich hatte heute wirklich sehr viel zu tun und würde gern duschen...“ „Papperlerpapp“, unterbrach ihn sein Ehemann und machte eine wegwerfende Handbewegung. Noch immer zierte ein breites Grinsen seine Lippen. „Wenn ich geduscht habe...“ Doch Doflamingo ließ keine Ausrede durchgehen. Aufgeregt ergriff er Crocodile rechte Hand und lotste diesen in einen Gang, der rechts vom Foyer abzweigte. Hierher verschlug es sie beide eher selten. (Zu Beginn hatte Crocodile es ziemlich seltsam gefunden, dass es Orte innerhalb der Villa gab, an denen sowohl Doflamingo als auch er sich nicht oft aufhielten. Doch irgendwann hatte er sich an diesen Umstand gewöhnt. Wirklich regelmäßig nutzten sie eigentlich nur ihr Wohn-, Schlaf- und Esszimmer sowie Crocodiles Raum. Und natürlich das große Badezimmer, das an das Schlafzimmer angrenzte.) Vor einer recht unscheinbar wirkenden Türe blieben sie stehen. Crocodile, der sich immer mehr nach einer entspannenden Dusche sehnte, ließ seinen irritierten Blick zwischen seinem Partner und der Holztüre hin- und herschweifen. „Mach deine Augen zu“, befahl Doflamingo mit sanfter Stimme. Crocodile erlaubte sich einen ungeduldigen Seufzer, doch tat wie ihm geheißen. Anschließend öffnete Doflamingo die Türe und führte ihn bedächtig hindurch. Als er seine Augen wieder öffnen durfte, erblickte Crocodile etwas, womit er unter keinen Umständen gerechnet hätte: Er befand sich in einer (zugegebenermaßen sehr hübschen) Küche. Mit hochgezogener Augenbraue schaute er sich um. Die Fronten der Schränke waren hell lackiert; es gab einen Gasherd und eine Spülmaschine; der Kühlschrank war zweitürig. „Und?“, hörte er seinen Ehemann aufgeregt fragen. Er schien eine begeisterte Reaktion zu erwarten. „Gefällt dir die Küche?“ „Sie ist hübsch“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Um ehrlich zu sein, begriff er nicht so recht, worauf Doflamingo hinauswollte. Er hatte ihm diese (offenbar komplett neue) Küche gezeigt. Und nun? Was wollten sie beide hier überhaupt? „Mir ist nicht entgangen, wie gern du kochst, wenn wir bei Hancock zu Besuch sind“, erklärte sein Partner ihm. „Und früher, als du noch in deiner Loft-Wohnung gelebt hast, hast du dein Essen auch immer so gern selbst zubereitet. Deswegen dachte ich mir, dass du dich über eine eigene Küche freuen würdest!“ „Du... du willst mir diese Küche schenken?“, hakte Crocodile verdattert nach. „Einfach so?“ Doflamingo nickte begeistert. „Ich habe sie nur für dich einbauen lassen“, erklärte er ihm mit fröhlicher Stimme. „Ich meine: Klar, wir haben eine Küche. Dort kochen ja unsere Angestellten für uns. Aber das ist so eine Großküche wie im Restaurant. Ich habe mir überlegt, dass du dich über eine kleinere und, nun ja, einfach heimeligere Küche eher freuen würdest.“ „Das... das wäre doch nicht nötig gewesen!“, meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sonst sagen könnte. Mit entgeisterter Miene ließ er seinen Blick über die edle Arbeitsplatte aus Marmor gleiten. Doflamingo, der seine Reaktion misszuverstehen schien, grinste breit. „Aber ich mache dir gerne eine Freude“, erwiderte er. „Erinnerst du dich noch an die Küche in deiner alten Wohnung? Ich weiß noch, wie ich dich das erste Mal Zuhause besucht habe und du mich bekocht hast.“ Crocodile nickte langsam. Er fühlte sich völlig überrollt. „Ich habe Spaghetti mit Tomaten, Feta-Käse und Oliven gemacht.“ „Dein Leibgericht“, fügte Doflamingo hinzu. „Einmal habe ich auch Lebensmittel mitgebracht und wir haben zusammen gekocht. Wirklich unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht. Es kommt mir vor wie gestern, dass wir vor dem Ofen gehockt und dem Lammfleisch beim Brutzeln zugeschaut haben.“ „Hast du dir nicht sogar in den Finger geschnitten?“ Crocodile erinnerte sich vage. „Beim Zwiebel hacken“, gab sein Ehemann ihm Recht und lachte laut über sich selbst. „Ich bin in der Küche nicht halb so geschickt wie du.“ „Wahrscheinlich hast du einfach nie gelernt zu kochen“, spielte er das Kompliment hinunter. „Du wirst doch seit frühester Kindheit von Bediensteten bekocht, oder?“ „Warum bringst du mir das Kochen nicht bei?“, bat Doflamingo ihn. „Wir könnten gleich heute anfangen. Wie wär's, wenn wir dasgleiche Gericht zubereiten wie damals: Lamm mit Gemüse und Reis?“ „Also gut, von mir aus“, ließ Crocodile sich erweichen. „Aber zuerst möchte ich duschen.“ Zusammen zu kochen machte genauso viel Spaß wie damals. Das lag vor allem daran, dass Doflamingo sich immer noch ganz genauso talentlos gab. Um eine einzige Zwiebel zu hacken, benötigte er fast zehn Minuten; das kleine Schneidemesser hielt er so unsicher in der Hand wie ein Kindergartenkind die Bastelschere. Doch es machte Crocodile nichts aus, dass die Zubereitung des Essens doppelt so lang dauerte wie sonst. Es war schön gemeinsam mit seinem Ehemann in der Küche zu stehen. Sie machten viele Scherze und unterhielten sich zwischendurch über irgendwelche Belanglosigkeiten. „Vielleicht können wir auch mal ein paar Gäste zu uns einladen“, schlug Doflamingo vor, während er die Auflaufform vorsichtig in den Ofen schob. „Ich habe noch nie für jemand Anderen gekocht; das wäre echte Premiere. Bestimmt würden sich Law und Kid oder deine Geschwister freuen.“ „Klar, warum nicht“, gab Crocodile zurück. „Ich finde den Namen, den du für das Baby ausgesucht hast, übrigens sehr schön. Das habe ich dir noch gar nicht gesagt, glaube ich. Wie bist du auf Nozomi gekommen?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht so genau. Ich fand einfach, dass der Name sich gut anhört.“ Doflamingo schmunzelte. „Es war wirklich lustig, wie aufgeregt du im Kreißsaal gewesen bist. Man hat gemerkt, dass du total überfordert warst.“ „Nun ja, ich habe auch absolut nicht damit gerechnet gehabt, dass ich dabei sein würde“, verteidigte Crocodile sich. „Davon hatte Hancock vorher nie ein Wort gesagt!“ „Ich vermute, dass es eine Art Wiedergutmachung sein sollte“, sagte sein Ehemann. „Du weißt schon, wegen eures großen Streits. Sie hat sich wirklich schlecht gefühlt deswegen.“ Crocodile rollte mit den Augen. „Diese Sache ist doch längst vergessen“, meinte er. „Ich habe ihr vergeben und fertig. Es wäre wirklich nicht notwendig gewesen, mich die Nabelschnur durchschneiden zu lassen.“ „Weiß du, das ist eine Sache, die ich sehr gern an dir mag: Du bist nicht nachtragend. Du kannst zwar wirklich wütend werden, aber wenn du jemandem vergeben hast, dann meinst du das auch ernst. Ich kann nämlich Menschen nicht ausstehen, die nach vorne hin so tun als wäre alles in Ordnung, aber hintenrum dann immer noch böse Worte fallen lassen.“ „Bist du denn nachtragend?“, fragte Crocodile mit leiser Stimme. Doflamingo hielt für einen Moment inne, ehe er mit den Schultern zuckte. „Nun ja“, meinte er mit unsicherer Stimme, „es kommt natürlich drauf an, worum es geht. Ich kann es zum Beispiel gar nicht leiden, wenn mich jemand anlügt.“ Bei dieser Aussage bildete sich automatisch ein schmerzhafter Knoten in Crocodiles Magen. „Oder wenn Leute heuchlerisch sind. Ich musste in meinem Leben leider schon sehr viele Menschen kennenlernen, die nur meines Geldes wegen mit mir befreundet sein wollten. Eine Exfreundin von mir hat mich sogar einmal bestohlen. Es ist nicht leicht mit solchen Dingen umzugehen.“ „Menschen machen Fehler“, wandte Crocodile ein. „Niemand ist perfekt. Auch wir beide nicht. Wenn derjenige bereut, was er getan hat, versuche ich immer ihm zu vergeben. Schließlich möchte ich auch, dass man mit mir nachsichtig ist, wenn ich etwas falsch gemacht habe.“ „Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“, neckte ihn Doflamingo. „Ich dachte immer, du seist nicht religiös, Croco.“ „Bin ich auch nicht“, erwiderte Crocodile pikiert. „Für mich hat das auch nichts mit Christlichkeit zu tun, sondern einfach mit Menschlichkeit. Wir... wir alle machen Fehler. Tun Dinge, die wir hinterher bereuen. Deswegen sollten wir versuchen Nachsicht zu üben, wenn Andere sich entschuldigen.“ „Wahrscheinlich hast du Recht“, meinte Doflamingo. „Aber nur, wenn es den Leuten auch wirklich leid tut! Diese Exfreundin, die mich beklaut hat, hatte absolut kein schlechtes Gewissen. Sie hat sich nur geärgert, weil ich sie erwischt habe.“ „Und wenn es anders gewesen wäre?“, hakte Crocodile nach. „Du besitzt so viele wertvolle Gegenstände... Stell dir einmal vor, dir wäre gar nicht aufgefallen, dass sie etwas gestohlen hat. Eine deiner vielen Armbanduhren zum Beispiel. Später gesteht sie dir dann, dass sie die Uhr geklaut hat und bringt sie wieder zurück. Würde ihre Reue für dich einen Unterschied machen? Oder zählt für dich nur der Diebstahl?“ „Das ist eine schwierige Frage“, sagte sein Ehemann. „Wie kommst du darauf?“ Crocodile zuckte unbeholfen mit den Schultern. „Du hast doch mit diesem Thema angefangen, oder nicht?“, meinte er schließlich. „Wenn mir meine Exfreundin etwas bedeutet hätte, dann hätte ihre Reue für mich wohl einen Unterschied gemacht“, sagte Doflamingo zum Schluss. * Weil sie wussten, dass Hancock sich darüber freuen würde, organisierten ihre beiden älteren Brüder eine Überraschungsparty zu ihrem einunddreißigsten Geburtstag. Es sollte keine große Feier werden (das wäre allein schon wegen der erst wenige Wochen alten Nozomi schwierig gewesen), doch sie machten sich wenigstens die Mühe einige Freunde einzuladen, das Haus zu dekorieren und eine schöne Geburtstagstorte zu besorgen. Hancock, die als Vorwand von ihrer besten Freundin Sondersonia zum Kaffetrinken fortgelockt wurde, war absolut begeistert, als sie zurückkehrte und die geheime Partygesellschaft vorfand. Crocodile war zwar kein sonderlich großer Freund von kitschigen Feiern, doch er freute sich für seine Schwester und gönnte ihr diesen Abend. Weil er sie in letzter Zeit sehr häufig besuchte, wusste er aus erster Hand wie nervenaufreibend die Pflege eines Neugeborenen sein konnte. Ständig musste Nozomi gefüttert, gewickelt oder getröstet werden. Er war sich sicher, dass Hancock seit der Geburt ihrer Tochter nie länger als vier Stunden am Stück geschlafen hatte. Es wäre ein schöner Abend geworden, hätte sein Bruder Mihawk nicht wieder einmal ungefragt Gecko Moria eingeladen. Normalerweise machte Crocodile keinen Hehl aus seiner Abscheu, doch um Hancocks Willen bemühte er sich darum sich anständig zu verhalten und sich Morias gehässigen Sticheleien nicht zu Herzen zu nehmen. Leider spürte Crocodile, dass sein Geduldsfaden immer dünner wurde, je länger die kleine Feier andauerte. Moria, der sich nur dann gut fühlte, wenn er andere Menschen erniedrigen konnte, machte sich einen Spaß daraus Crocodile auf den Kieker zu nehmen. „Schickes Hemd“, meinte er und stopfte sich genüsslich eine mit Torte beladene Gabel in den Mund, „hat dein Ehemann dir das gekauft?“ „Nein, hat er nicht“, erwiderte Crocodile kühl und nahm einen Schluck Wasser. Zu seinen Ungunsten hatte Gecko Moria ein echtes Talent dafür, die Schwächen seiner Mitmenschen ausfindig zu machen, ganz gleich wie gut man sie zu verbergen versuchte. Natürlich war ihm bewusst, dass Crocodiles es nicht ausstehen konnte, wenn Doflamingo ihn einlud oder ihm teure Geschenke machte. „Und freust du dich über die Geburt deiner Nichte? Ich habe gehört, du hättest im Kreißsaal beinahe gekotzt.“ Moria lachte spöttisch und schob sich ein weiteres Stück der Geburtstagstorte in den Mund. „Es war ein wunderschöner Moment.“ Lass dich nicht provozieren, redete er sich selbst gut zu. Unauffällig blickte er zu seiner Schwester hinüber, die sich mit ihren Freundinnen Sondersonia und Ran unterhielt und dabei fröhlich lächelte. Verdirb Hancock nicht die Feier. „Wirklich ein hübsches Kind, genauso schön wie die Mutter“, fuhr Moria fort. „ Hoffentlich bereit die kleine Nozomi ihrer Familie nicht so viel Kummer und Sorgen wie du deiner.“ Nun hatte Crocodile endgültig genug. Er zwang sich mit aller Kraft dazu Moria keinen bösen Blick zuzuwerfen (damit hätte er bloß bewiesen, dass seine Worte ihn trafen) und stand von seinem Platz auf. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren ging er hinüber ins Badezimmer und schloss die Türe hinter sich. Crocodile schloss für eine Weile seine Augen und bemühte sich darum Morias grausame Bemerkung einfach abzutun. Doch je länger er versuchte sich einzureden, dass ihm die Meinung dieses gemeinen Fettwanstes egal sein konnte, desto stärker wurden seine Wut und seine Frustration. Stimmte es, dass er seiner Familie oft Kummer und Sorgen bereitet hatte? Moria hat nicht Unrecht, gestand Crocodile sich schließlich ein und öffnete seine Augen wieder. Sein Blick schweifte eine Weile im feminin eingerichteten Badezimmer umher, ehe er am mit Stoff überzogenen Toilettendeckel hängenblieb. Seine Eltern hassten ihn und ignorierten seine Existenz, seitdem er sich vor ihnen geoutet hatte. Seine beiden Geschwister hatten sich furchtbare Sorgen um ihn gemacht, während es ihm einfach nicht gelingen wollte, sich aus seiner gewalttäigen Beziehung mit Enel zu befreien. Seinem Bruder Mihawk hatte er ein halbes Jahr praktisch auf der Tasche gelegen; ganz abgesehen davon, dass ihn Crocodiles fataler Motorradunfall und die Tatsache, dass es ihm so schwer gefallen war sich an ein Leben mit nur einer Hand zu gewöhnen, sehr belastet hatte. Und sein Ehemann... Wie würde Doflamingo reagieren, wenn er von seinen Lügen erzählte? Crocodile wandte den Blick vom Toilettendeckel ab und betrachtete stattdessen sein eigenes Spiegelbild. Zwei hellbraune (Doflamingo sagte immer bernsteinfarbene) Augen schauten ihn aus einem bleichem Gesicht heraus an. Mit seinem Armstumpf fuhr Crocodile bedächtig über die schmale Narbe, die quer über seine Nase verlief. Er hatte sich so sehr an diesen Anblick gewöhnt, dass er oft vergaß, dass er anders ausschaute als die meisten Menschen. Hoffentlich wird es Nozomi im Leben anders ergehen, dachte er und unterdrückte ein Seufzen. Er hatte seine kleine Nichte schneller ins sein Herz geschlossen als er es je für möglich gehalten hätte. Eines abends taten sie tatsächlich, was Doflamingo vorgeschlagen hatte: Sie luden ein paar Freunde ein und bekochten sie. Law, Kid, Kuma, Bellamy, Cirkies und Dellinger wirkten ziemlich argwöhnisch, als Doflamingo ihnen verkündete, dass er höchstpersönlich in der Küche stehen würde. (Crocodile konnte es ihnen nicht verübeln, denn immerhin hatten sich die Kochkünste seines Ehemannes nicht signifikant verbessert). Mihawk und Daz, die es durchaus gewöhnt waren von Crocodile bekocht zu werden und das Ergebnis für gewöhnlich als gut befanden, freuten sich auf leckeres Abendessen in einer geselligen Runde. Hancock, die ursprünglich ebenfalls eingeladen gewesen war, hatte kurzfristig absagen müssen, weil Nozomi Fieber bekommen hatte. „Ich bin wirklich gespannt wie das Essen wird“, neckte sie Bellamy. „Hoffentlich müsst ihr keinen Krankenwagen für mich rufen.“ „Crocodile kann ausgezeichnet kochen“, nahm Daz ihn in Schutz und nippte an seinem Wasserglas. „Als wir beide noch Studenten waren, hat sich praktisch die ganze Nachbarschaft um eine Essenseinladung gerissen.“ „Übertreib bitte nicht“, ermahnte Crocodile seinen alten Freund peinlich berührt. Gemeinsam mit seinem Mann hatte er ein recht simples Gericht zubereitet; deshalb wollte er die Erwartungen nicht zu weit nach oben schrauben. Es gab Rumpsteak-Rouladen mit grüner Pfeffersauce und diversen Beilagen. Crocodile war zwar der Meinung, dass Doflamingo den Knoblauch ein wenig feiner hätte hacken können, doch ihren Gästen schien es zum Glück trotzdem zu schmecken. „Angesichts der Tatsache, dass Doflamingo mitgeholfen hat, hätte ich es nie für möglich gehalten“, meinte Law, der gerade eine kleine Scheibe Baguette in die Pfeffersauce tauchte, „aber das schmeckt wirklich fantastisch. Ich wusste gar nicht, dass du so gut kochen kannst, Crocodile. Davon hat Doflamingo nie etwas erzählt. Und normalerweise kann er gar nicht aufhören von dir zu reden.“ Diese Aussage brachte alle Anwesenden zum Schmunzeln. Crocodile, der sich zwar über das Kompliment freute, doch gleichzeitig auch unwohl zu fühlen begann, erwiderte: „Nun ja, ich bin in letzter Zeit nicht sonderlich häufig dazu gekommen selbst zu kochen. Meistens übernehmen das Doflamingos Angestellten.“ „Ich weiß noch, wie ich früher immer von der Arbeit heimkam und du mich jeden Tag mit einem frisch gekochten Abendessen erwartet hast“, seufzte Mihawk wehmütig. „Manchmal vermisse ich diese Zeiten.“ „Vielleicht solltest du dir auch endlich mal einen Partner suchen“, sagte Doflamingo grinsend und stupste seinen Schwager mit dem Ellenbogen an. „Das sagst du so leicht“, gab Mihawk zurück. „Aber bisher habe ich noch keinen Menschen getroffen, mit dem ich mir ein dauerhaftes Zusammenleben vorstellen kann. Letzte Woche erst hatte ich eine Verabredung mit einer Frau, die anfangs einen sehr sympathischen Eindruck erweckte. Leider hat sich das Ganze hinterher als totaler Reinfall herausgestellt. Aber nun ja, so ist eben das Leben.“ „Irgendwann wirst du die Richtige finden“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern. Mihawk zuckte mit den Schultern. „Vielleicht“, sagte er schließlich. „Vielleicht auch nicht. Es geht im Leben -zumindest in meinem Leben- nicht nur darum eine Frau zu finden. Ich habe eine wunderbare Familie und eine Arbeit, die mir Spaß macht. Das ist auch einiges wert.“ „Wohl war“, stimmte Kuma, der (soweit Crocodile wusste) ebefalls single war, ihm zu. * Es war Samstagabend. Und es war das erste Mal seit über zehn Jahren, dass Crocodile Eustass Kids kleine Wohnung in der Nähe der Gold-Roger-Brücke betrat. Verwundert stellte er fest, dass sich nur wenig verändert hatte. Im Flur stand sogar noch dieselbe Kommode wie früher. Sie hatten geplant gemeinsam mit ein paar Freunden in Shakkys Bar zu gehen. Weil Kids Wohnung nicht weit entfernt war, warteten Crocodile und Doflamingo dort gemeinsam mit ihm auf Law, der noch bis zweiundzwanzig Uhr Dienst im Krankenhaus hatte und nachkommen wollte. „Möchtet ihr etwas trinken?“, fragte Kid, nachdem sie auf dem alten, gemütlichen Sofa im Wohnzimmer Platz genommen hatten. Im Fernsehen lief irgendein Musiksender, den Crocodile nicht kannte. „Ein Wasser, bitte.“ „Und für mich ein Bier!“ Während Kid kurz in der Küche verschwand, blickte Crocodile sich neugierig um. Hätte man ihm nur ein Bild dieses Wohnzimmers gezeigt und gefragt Welchen Beruf übt der Bewohner aus?, dann hätte er vermutlich ein verrückter Künstler geantwortet. Überall lagen eng beschriftete Skizzenpapiere, Stifte, Pinsel, Fläschchen mit bunter Farbe, dickes Papier und allerlei andere Dinge herum. Sogar die Tapeten waren an einigen Stellen als Leinwände zweckentfremdet worden. Unweigerlich kam Crocodile in den Sinn, wie Kid nachts aus dem Schlaf gerissen wurde, hektisch aufstand und auf dem Weg ins Wohnzimmer nach irgendwelchen Stiften oder Pinseln griff, um schnellstmöglich seine neueste Idee zu Papier zu bringen. Oder eben zur Tapete, falls kein Papier schnell genug zur Hand war. Es fiel Crocodile nicht schwer nachzuvollziehen, welchen Reiz der exzentrische Tätowierer auf Trafalger Law ausübte. „Danke“, sagte er, als Kid ihm ein Glas kühles Mineralwasser reichte. Gierig trank er es ihn zwei Zügen leer. „Law hat mir eben eine Nachricht geschrieben“, meinte Kid, während er für sich und Doflamingo zwei Bierflaschen öffnete. „Offenbar kann er sich etwas früher loseisen.“ „Großartig“, erwiderte Doflamingo gut gelaunt und stieß mit seinem Gastgeber an. Sie plauderten ein wenig über dieses und jenes, ehe schließlich Law ihr Quartett vervollständigte. Angesichts des chaotischen Zustands des Wohnzimmers warf er seinem Freund einen tadelnden Blick zu. „Du hättest ein wenig Ordnung schaffen sollen“, sagte er anstelle einer Begrüßung. „Immerhin wusstest du, dass wir Gäste erwarten.“ „Ordnung braucht nur der Dumme“, gab Kid keck zurück und schenkte Law ein warmes Lächeln, „das Genie beherrscht das Chaos.“ Daraufhin gab Law bloß einen Brummlaut von sich, ehe er hinüber in die Küche ging, um sich ebenfalls ein Bier zu besorgen. „Mir gefällt's hier“, versicherte Crocodile ihm, als Law zurückkehrte und sich neben ihm auf dem alten Sofa niederließ. „Diese Wohnung hat Charme.“ „Ich weiß, was du meinst“, sagte er seufzend und nippte an seiner Flasche. „Als ich Kid das erste Mal Zuhause besuchte, war ich total überwältigt. Vorher bin ich eigentlich bloß mit irgendwelchen langweiligen Medizinern oder Juristen ausgegangen. Aber Kid ist ganz anders. Viel interessanter. Ich erinnere mich noch daran, wie er mir bei seinem ersten Besuch eines seiner alten Skizzen-Alben zeigte. Das hier ist es gewesen, glaube ich.“ Law stand kurz auf, um ein abgegriffenes, ledergebundenes Album aus dem Wohnzimmerschrank hervorzuholen. Als er es aufschlug, warf Crocodile gleich neugierig einen Blick hinein. Die meisten Skizzen waren äußerst detailliert, doch unfertig. Alle schauten wahnsinnig interessant aus. Obwohl Crocodile nicht gerade über eine künstlerische Ader verfügte, konnte er sich gar nicht satt sehen. „Wenn Kid ein Bild vor Augen hat, dann wird er zum Teufel“, erklärte Law ihm mit leister Stimme. „Dann muss er einfach zu Stift und Papier greifen und aufzeichnen, was er im Kopf hat. Er kann gar nicht anders. Einmal habe ich ihn gefragt, wozu er das macht. Irgendwelche Skizzen aufmalen, nicht fertigstellen und dann diese Seite im Album nie wieder anrühren. Er meinte bloß zu mir: Weil es mich quält, wenn ich es nicht tue. Ich bin mir nie sicher, ob er Erinnerungen aufmalt oder Träume. Vielleicht auch beides. Ich habe noch keinen Menschen wie ihn getroffen.“ Crocodile nickte bedächtig. Er konnte sich ganz genau vorstellen, was Law meinte. Während Law sich eine zweite Flasche Bier besorgte, nahm Crocodile das ledergebundene Album auf den Schoß und blätterte umsichtig durch die vergilbten Seiten. Und dann fand er sie: Die Skizze eines verunglückten Motorradfahrers, dessen linke Hand zwischen einem steilen Hang und dem Heck eines Volvo eingequetscht worden war. Crocodile stockte der Atem. Mit großen Augen begutachtete er die Situation. Es war das erste Mal, dass er seinen verheerenden Unfall aus einer anderen Perspektive sah. Neugierig ließ er den Blick über sein verdreht da liegendes Bein, seine zerrissene Motorradbekleidung schweifen. Sogar das Nummernschild seiner CBR 650 F hatte Kid richtig in Erinnerung behalten. Crocodile empfand weder Schmerz noch Kummer, als er diese Skizze begutachtete. Er hatte schon vor vielen Jahren seinen Frieden mit diesem schlimmen Unfall geschlossen gehabt. Um ehrlich zu sein, konnte er sich kaum noch vorstellen wie es war, einen Bericht für die Arbeit mit zehn Fingern statt nur fünf abzutippen. Plötzlich hörte er, wie Kid scharf die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. Er sprang von seinem Platz auf und hetzte zu Crocodile hinüber. Offenbar hatte er bemerkt, welches Album dieser in der Hand hielt. „Tut mir leid“, sagte Kid in einem Tonfall, den Crocodile noch nie zuvor bei ihm gehört hatte. „Ich... Tut mir leid! Ich weiß nicht,was ich sagen soll...Ich... Es tut mir so leid! Du solltest das nicht sehen!“ „Ist schon gut“, gab Crocodile zurück, der Kids Panik überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Es ging doch bloß um eine Zeichnung. Noch dazu eine Zeichnung, die zehn Jahre alt war. „Nein, ist es nicht!“, meinte Kid und versuchte ihm das Album abzunehmen. „Ich... Das...Ich... Das ist respektlos! Es tut mir leid!“ „Beruhige dich“, redete Crocodile, der noch immer vollkommen gelassen war, ihm gut zu. Längst hatten auch Doflamingo und Law ihre Aufmerksamkeit auf die Skizze im Buch gerichtet. Natürlich zählten sie sofort eins uns eins zusammen. „Oh- oh nein“, meinte Law und schlug entsetzt die Hände vor dem Mund zusammen. „Bist du das etwa, Crocodile!?“ „Es tut mir leid“, wiederholte Kid zum x-ten Mal. „Es gibt nichts, was dir leidtun müsste“, gab Crocodile gelassen zurück. Nun schien Kid endgültig die Nerven zu verlieren. „Ich habe dich gezeichnet!“, heulte er mit verzweifelter Stimme auf und startete einen erneuten Versuch, ihm das Album abzunehmen. „Du lagst dort auf dem Boden, schwerverletzt, hattest Schmerzen und Todesangst! Und ich habe diesen Augenblick auf Papier festgehalten. Das hätte ich nicht tun sollen. So etwas ist respektlos. Ich... ich wollte nie, dass du diese Zeichnung siehst, Crocodile. Bitte ich... ich sollte sie wohl am besten verbrennen.“ „Verbrennen?“ Irritiert zog Crocodile eine Augenbraue hoch. „Wieso das denn?“ Seine pure Gelassenheit schien Kid noch weiter in den Wahnsinn zu treiben. „Was ist bloß los mit dir?“, brüllte er. „Du solltest wütend sein. Aufgebracht. Traurig. Empört. Wie kannst du in dieser Situation bloß so ruhig bleiben?!“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich mit diesem Unfall schon lange abgefunden“, sagte er schließlich in Ermangelung einer besseren Antwort. „Und ich finde deine Zeichnung überhaupt nicht respektlos. Ganz im Gegenteil: Es ist interessant, diese Sache mal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Die Details sind wirklich unglaublich. Sogar an mein kaputtes Handy hast du gedacht.“ Erschöpft ließ Kid sich zurück auf seinen Platz sinken. Den Versuch, an das Album zu kommen, schien er inzwischen aufgegeben zu haben. „Ich habe diese Skizze nicht angefertigt, um dich bloßzustellen“, erklärte er mit matter Stimme. „Sondern... ich... ich konnte nicht aufhören an diesen Unfall zu denken. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich nicht mehr hätte tun können. Ob ich nicht schneller hätte reagieren müssen. Als ich hörte, dass die Ärzte deine Hand amputieren mussten, haben mich lange Zeit Schuldgefühle geplagt.“ „Aber dieser Unfall ist doch überhaupt nicht deine Schuld gewesen“, hielt Crocodile dagegen. Er hatte nie gewusst, wie sehr Kid sich durch diese Sache belastet fühlte. Das war ihm in über zehn Jahren niemals in den Sinn gekommen. „Ganz im Gegenteil: Du warst mein Retter. Hättest du mich nicht gefunden und die Ambulanz alarmiert, wäre ich wahrscheinlich gestorben. Ich habe für dich niemals etwas Anderes als Dankbarkeit empfunden.“ Kid senkte den Blick. „Ich... Als ich dich dort liegen sah... Ich konnte mich gar nicht rühren. Wertvolle Sekunden verstrichen, in denen ich bloß wie ein Trottel da stand. Ich... ich hätte sofort den Notarzt anrufen müssen. Aber ich stand bloß da. Und dann hab ich mir auf die Füße gekotzt. Ich... Wie du da lagst... Mit der eingequetschten Hand und dem weggeknickten Bein... Dieses Bild hat mich in meinen Träumen verfolgt. Ich... Ich musste es einfach irgendwo lassen. Damit ich wieder schlafen konnte. Kannst du das verstehen?“ Crocodile nickte verständnisvoll. „Mir macht diese Zeichnung nichts aus“, sagte er. „Irgendwie gefällt sie mir sogar.“ Er warf einen letzten Blick auf die Seite, ehe er das Skizzen-Album zuschlug und an Law zurückgab. „Wollen wir dann jetzt los zu Shakky's Bar?“, fragte er mit gelassener Stimme in die Runde. * Crocodile hatte seine Schulden inzwischen auf 85.000 Berry reduziert. Das war in Ordnung. Franky war von der Arbeit, die er leistete, noch immer hellauf begeistert und er verdiente gutes, sicheres Geld. Die dringendsten Schulden hatte er längst bezahlt. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis er endlich wieder schwarze Zahlen schreiben konnte. Allmählich fühlte Crocodile sich besser. Die schwere Last auf seinen Schultern schien weniger zu werden. Er war dazu in der Lage sein Leben etwas mehr zu genießen: Sein Normalgewicht hatte er vor einigen Wochen bereits erreicht. Er lachte öfter und neckte gern seinen Ehemann. Zurzeit gingen sie fast jedes Wochenende aus; manchmal mit Freunden, manchmal nur zu zweit. Nozomi lernte zu krabbeln und das letzte Mal, als er seine Nichte besuchte, erkannte sie sein Gesicht wieder und lachte freudig. Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein. Ich würde alles kaputt machen, wenn ich Doflamingo erzähle, dass ich ihn seit über einem Jahr anlüge, dachte Crocodile resigniert. Und wenn er ihm nur die halbe Wahrheit erzählte? Er könnte Doflamingo auftischen, dass er bei der Bank gekündigt habe, weil er mit Sengoku nicht mehr zurechtkam, und nun stattdessen bei Tom's Workers arbeitete. Dann müsste er nicht mehr so penibel genau darauf achten bloß keine verräterischen Einzelheiten von sich zu geben, wenn sein Ehemann ihn fragte, wie es heute bei der Arbeit gelaufen war. Auf der anderen Seite würde er damit das Netz aus Lügen, das er so mühevoll aufgebaut hatte, noch stärker verkomplizieren. Crocodile war hin- und hergerissen. * Es war Mittwochnachmittag und Crocodile war gerade erst von der Arbeit heimgekommen, als Doflamingo ihn unsanft am linken Unterarm packte und hastig in Richtung Tiefgarage schleifte. „Was ist denn los?“, fragte Crocodile teils irritiert, teils verärgert und versuchte sich aus dem Griff herauszuwinden. Er war vollkommen überrumpelt und verstand gar nicht, was überhaupt Sache war. Doch Doflamingo ließ nicht von ihm ab. „Kid hat mich gerade eben angerufen“, sagte sein Partner mit ernster Stimme und ohne innezuhalten. Er ging zügigen Schrittes zu dem Fahrzeug, das am nächsten stand, und bedeutete Crocodile sich auf dem Beifahrersitz niederzulassen. „Law hatte auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall mit seinem Motorrad. Wir müssen sofort ins Krankenhaus.“ Noch während er sprach, ließ Doflamingo den Motor des Wagens an. Weil er viel zu unkonzentriert war, touchierte er beim Ausparken zwei andere Fahrzeuge (unter Anderem Crocodiles Mercedes C 216) ,doch darauf verschwendete keiner von ihnen beiden einen Gedanken. „Law hatte einen Verkehrsunfall?“, wiederholte Crocodile mit entsetzter Stimme. Er konnte überhaupt nicht fassen, was sein Ehemann ihm gerade eben mitgeteilt hatte. Doflamingo nickte stumm. Mit zitternden Fingern klammerte er sich an das Lenkrad des BMW M6 Coupe. Auch er wirkte völlig fassungslos. „Was hat Kid noch gesagt?“, wollte Crocodile wissen. „Ist Law schwerverletzt? Schwebt er in Lebensgefahr?“ „Ich weiß es nicht“, erwiderte sein Ehemann mit tonloser Stimme und fuhr über zwei rote Ampeln hintereinander. „Er hatte auch gerade erst davon erfahren und ist selbst auf dem Weg zum Krankenhaus.“ Danach sagte keiner von ihnen mehr ein Wort. Stattdessen breitete sich im Inneren des BMW M6 ein schrecklich banges Schweigen aus. Crocodile wollte schlucken, doch sein Mund war zu trocken. Er versuchte etwas Speichel unter seiner Zunge hervorzukramen, doch er konnte keinen finden. Beklommen griff er mit seiner rechten Hand nach dem Armstumpf auf der anderen Seite und umfasste ihn sanft. Er hoffte innig, dass Law nicht schwerverletzt oder gar tot war. Im Foyer des Krankenhauses traten sie auf Kid, der mit seinen feuerroten Haaren und dem dunklen Lippenstift in jeder Menchenmenge sofort hervorstach. „Zimmer 204“, brüllte er ihnen mit aufgewühlter Stimme entgegen. „Er kommt gerade aus der Notaufnahme.“ Zu dritt machten sie sich so schnell sie nur konnten auf den Weg in den zweiten Stock. Kid stolperte beinahe über seine eigenen Beinen, als er die Türe zu Zimmer 204 aufstieß. Es war ein Zweibettzimmer. Auf dem Bett am Fenster saß Trafalgar Law - er trug einen dicken Gipsverband um den linken Unterarm und hatte einen missmutigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Erleichtert atmete Crocodile auf. Offenbar hatten sie sich völlig umsonst so große Sorgen gemacht: Law schien zum Glück nur leicht verletzt zu sein. Sofort stürzte Kid auf seinen Freund zu und schloss diesen in die Arme. „Law! Um Himmels Willen! Ich hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet! Zum Glück geht es dir gut!“ Er sprach ihnen allen aus der Seele. Law seufzte leise und erwiderte die Umarmung seines völlig überwältigten Freundes halbherzig. „Gut ist anders“, maulte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf seinen eingegipsten Arm. „Mehrfach gebrochen. Ich werde monatelang nicht arbeiten können.“ „Aber das wird wieder heilen, oder nicht?“, fragte Crocodile mit vorsichtiger Stimme. Er war so frei und ließ sich auf dem leeren, gegenüberliegenden Krankenhausbett nieder. Law arbeitete als Chirug. Wenn sein Arm nicht wieder vollständig hergesellt werden konnte, bedeutet dies das Ende seiner Karriere. „Bleibende Schäden sind auszuschließen“, erwiderte er. Im Zimmer war ein kollektives Aufatmen zu hören. „Aber wie ist das passiert?“, wollte Doflamingo wissen, der sich neben Crocodile niederließ. „Du hattest doch noch nie einen Unfall.“ „Keine Ahnung, ich hab einfach die Kontrolle über mein Motorrad verloren“, gestand Law mit gesenktem Blick. „Die Straße war nass und ich war unkonzentriert...“ „Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn du mal ein paar Monate nicht arbeiten musst“, meinte Kid angesichts dieser dubios klingenden Aussage. „Du hast dir eine Auszeit verdient.“ Law rollte mit den Augen. „Ich freue mich darüber ganz und gar nicht“, meinte er missgelaunt. „Wegen meines gebrochenen Arms mussten zig Operationen verschoben werden. Außer mir haben nicht viele Gehirnchirugen Dienst.“ „Irgendwie werden sie schon ohne dich auskommen. Wenigstens für ein paar Monate.“ „Das müssen sie“, meinte Law und presste die Lippen aufeinander. „Eine Wahl haben sie nicht.“ Man merkte Law sehr deutlich an, dass er mit seiner derzeitigen Lebenssituation alles andere als zufrieden war. Anstatt sich über sein überraschend gewonnenes Mehr an Freizeit zu freuen und sich ein wenig zu erhohlen, nervte er alle um sich herum pausenlos mit seinem Gejammere. An diesem Abend hatten sie sich gemeinsam mit ein paar weiteren Freunden bei Kid Zuhause getroffen. Später wollten sie sich noch ins Nachtleben stürzen und ein paar Diskotheken besuchen. Ursprünglich war Crocodile mit recht guter Laune erschienen. Er hatte den gesamten Nachmittag gemeinsam mit Doflamingo im Schlafzimmer verbracht. Zwei Orgasmen und ein reichhaltiges Abendessen, das sie nackt im Bett zu sich genommen hatten, später war von seinem Frohsinn allerdings nicht mehr viel übrig. Law badete ohne Unterlass in Selbstmitleid. Crocodile, der dem Abend wenigstens eine faire Chance geben wollte, versuchte ihn ein wenig aufzumuntern. „Mir gefällt deine Hose“, meinte er und deutete mit seinem Armstumpf auf besagtes Kleidungsstück. „Danke. Ich brauche zurzeit dreimal solange wie sonst, um hineinzuschlüpfen“, maulte Law, der links neben ihm saß, und nippte mit einem miesepetrigen Gesichtsausdruck an seinem Bier. „Wo wollen wir nachher eigentlich hin?“, fragte Bellamy in die Runde, um das Thema zu wechseln und die Stimmung etwas anzuheben. „Wie wäre es mit dem Mariejois?“, schlug Doflamingo vor. „Klingt super“, pflichtete Bellamy seinem Cousin bei. „Ich will nicht ins Mariejois“, jammerte Law. „Das ist ein total snobbiger Laden. Da laufen nur aufgeblasene Affen herum.“ „Wo würdest du denn gerne hin?“, fragte Crocodile mit freundlicher Stimme; zum Einen, weil er es Law gerne recht machen würde und zum Anderen, weil ihm die Getränkepreise im Mariejois die Haare zu Berge stehen ließen. Law hatte nicht Unrecht: Es handelte sich tatsächlich um einen „snobbigen Laden“, in dem sich die Oberklasse traf, um Champagner aus Kristallgläsern zu trinken. „Keine Ahnung“, murmelte Law abweisend. „Aber nicht ins Mariejois.“ „Wie wäre es mit Shakky's Bar?“, schlug Crocodile als Alternative vor. Die Preise dort waren deutlich moderater. „Finde ich auch gut“, meinte Bellamy grinsend. „Erinnert ihr euch noch an dieses dumme Mädchen, das wir dort mal getroffen haben? Wie hieß sie noch gleich? Porsche? Die glaubte, dass Crocodile mit seiner Schwester zusammen wäre?“ Der Gedanke an die lustige Situation, die damals in Shakky's Bar zustande gekommen war, sorgte für allgemeines Gelächter. Ausgenommen einer Person natürlich. „Ich will auch nicht in Shakky's Bar...“ Allmählich riss Crocodile der Geduldsfaden. Er kam mit Menschen, die durchgehend schlecht drauf waren, nur sehr schwer zurecht. Nicht umsonst war er mit einem Mann, der vor allem wegen seines ständig präsenten Lächelns auffiel, zusammen. Außerdem grauste es ihm bei dem Gedanken, dass sich ihre Gruppe doch noch für einen Ausflug ins Mariejois entscheiden würde. Er konnte gut und gerne darauf verzichten 30 Berry für ein stinknormales Bier zu bezahlen. „Sag mal, was ist denn nur los mit dir?“, meinte er an Law gewandt. Ungeduldig zog er die Augenbrauen zusammen. „Das kann man sich ja wohl denken, oder nicht?“, gab Law nicht minder verärgert zurück. „Mein Arm ist gebrochen!“ „Das ist doch noch lange kein Grund, um durchgehend schlechte Stimmung zu verbreiten“, gab Crocodile pikiert zurück. Diese Aussage schien das Fass zum überlaufen gebracht zu haben. Wütend richtete sich Law auf und spie ihm mit giftiger Stimme entgegen: „Du verstehst einfach nicht, wo das Problem liegt! Ich kann meinen linken Arm nicht benutzen! Hast du eigentlich auch nur den Hauch einer Ahnung wie schwierig dadurch mein Alltag geworden ist?! Ich brauche jeden Morgen allein eine halbe Stunde, um mich anzuziehen! Ich kann kein Steak essen, ohne dass es vorher jemand für mich klein schneidet! Um eine Email zu schreiben, brauche ich doppelt so lange wie sonst! Einfach alles ist mühselig und frustrierend geworden! Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie ich mich fühle!“ Im ersten Moment wusste Crocodile überhaupt nicht, wie er darauf reagieren sollte. Schließlich hob er beide Arme hoch, sodass Law sowohl die Hand auf der rechten als auch den Armstumpf auf der linken Seite sehen konnte, und erwiderte spöttisch: „Ach nein? Kann ich nicht?“ Nun schien auch Law seinen Gedankenfehler einzusehen. Betreten senkte er den Blick. „Tut mir leid“, sagte er und fuhr sich mit der rechten Hand über den Mund. „Ich... das war dumm von mir.“ „Ist schon gut“, erwiderte Crocodile. „Nur hör bitte endlich auf so schrecklich zu jammern. Das geht mir gehörig auf den Zeiger! Sei einfach dankbar dafür, dass diese Verletzung wieder heilen wird und du bald in dein normales Leben zurückkehren kannst, okay? Wo waren wir stehen geblieben? Shakky's Bar, oder nicht?“ Tatsächlich verbrachten sie dann den ersten Teil dieser Nacht gemeinsam in Shakky's Bar. Die Stimmung in ihrer Gruppe hatte sich wieder gebessert. Law jammerte nicht mehr fortwährend nur herum, sondern schien sich ehrlich Mühe zu geben wenigstens etwas Spaß zu haben. Er ging gerade hinüber zur Theke, um die Bardame Shakky nach seinem Lieblings-Cocktail zu fragen, als Doflamingo mit erleichterter Stimme sagte: „Ich bin wirklich froh, dass er sich wieder eingekriegt hat.“ „Ich auch“, stimmte Kid ihm prompt zu. Er trank den doppelten Whiskey, den er sich bestellt hatte, in einem Zug leer und fügte hinzu: „Um ganz ehrlich zu sein, ist mir sein Selbstmitleid mit der Zeit extrem auf die Nerven gegangen. Zum Glück konntest du ihn zur Besinnung bringen, Crocodile.“ „Naja“, meinte Crocodile, dem dieses Thema etwas unangenehm war, recht ausweichend, „ich kann ihn auch ein Stück weit verstehen. Es ist wirklich nicht leicht seinen Alltag mit nur einer Hand zu bewerkstelligen. Ich hatte damals auch so meine Probleme damit. Manchmal ist es wirklich sehr frustrierend.“ „Das Problem ist gar nicht seine Hand“, winkte Kid ab und ließ seinen Blick zu Law, der an der Theke auf seinen bestellten Spezial-Cocktail wartete, hinüber schweifen. „Sondern dass er nichts mit sich anzufangen weiß. Normalerweise arbeitet er sehr viel. Er hat oft Vierundzwanzig-Stunden-Dienste im Krankenhaus und solche Geschichten. Und jetzt, da er plötzlich arbeitsunfähig ist und deswegen ein paar Monate frei hat, weiß er nicht, was er tun soll. Er fängt schnell an sich zu langweilen und jammert dann herum.“ „Das glaube ich dir gern“, erwiderte Doflamingo. „Law bräuchte wirklich ein Hobby. Aber es ist schwer ihn für etwas zu begeistern, das nichts mit Medizin zu tun hat.“ „Definitiv“, brummte Kid. „Er fährt aber doch Motorrad, oder nicht?“, warf Crocodile ein, weil er das Bedürfnis verspürte Law ein wenig in Schutz zu nehmen. Wenn man ganz ehrlich war, dann sah es bei ihm selbst auch nicht besser aus: Seine Arbeit war sein größtes Hobby. Er hielt das nicht für verwerflich. „Eigentlich schon“, gestand Kid ihm zu, „aber wegen der gebrochenen Hand fällt das im Moment auch aus.“ „Wie wäre es, wenn ihr euch gemeinsam ein Hobby sucht?“, schlug Doflamingo mit freundlicher Stimme vor. „Crocodile und ich kochen zum Beispiel in letzter Zeit gern zusammen.“ „Crocodile kocht“, erwiderte Kid, der inzwischen oft genug von ihnen bekocht worden war, „du hackst dir beim dem Versuch eine Zwiebel zu schälen fast selbst die Finger ab.“ „Dass ich mir aus Versehen in den Daumen geschnitten habe, ist nur zweimal passiert“, verteidigte sich Doflamingo pikiert. „Worüber redet ihr?“, fragte Law, der sich mit seinem Cocktail zurück an ihren Tisch setzte. „Über unsere Hobbies“, sagte Crocodile schnell, ehe sein Ehemann oder Kid die Gelegenheit dazu bekamen sich zu verplappern. „Ich würde gerne mal wieder ins Fitness-Studio“, sagte Law und saugte am Strohhalm seines Cocktails. „Ich glaube, ich bin etwas aus der Form geraten.“ „Keine schlechte Idee“, meinte Kid sofort begeistert, woraufhin Law seinem Freund einen bösen Blick zuwarf. „Also, ich... so war das nicht gemeint... Ich dachte nur daran, dass ich ja auch trainiere... Wir könnten also zusammen gehen.“ „Klappt das denn trotz deiner Verletzung?“, warf Crocodile ein. Noch immer war Laws linke Hand dick bandagiert. „Cardio-Training dürfte kein Problem sein“, meinte Law schulterzuckend. „Und beim Krafttraining fokussiere ich mich dann eben erstmal auf die Beine und den Bauch.“ Plötzlich fragte Crocodile sich, was Doflamingo davon halte würde, wenn er selbst ebenfalls ins Fitness-Studio gehen würde. Mit Anfang zwanzig hatte er seinen Studienfreund Daz, der sehr gerne Kraftsport machte, ab und an mal zum Training begleitet. Doch das vor langer Zeit. Sein letzter Fitness-Studio-Besuch war über zehn Jahre her. Um ganz ehrlich zu sein, hatte er den Kraftsport nie sonderlich vermisst. Es hatte damals Spaß gemacht mit Daz zu trainieren, aber in dieser Hinsicht hatte ihn der Ehrgeiz nie so wirklich gepackt. Stattdessen versuchte er durch eine ausgewogene Ernährung auf eine gute Figur zu achten. Bisher hatte sich nie einer seiner Partner darüber beschwert. (Nicht einmal Enel, der beinahe täglich ins Fitness-Studio gegangen war.) Doch Doflamingo fände es bestimmt nicht schlecht, wenn er sich fit hielt. Niemand mochte es gern, wenn sein Partner sich nach der Heirat gehen ließ. „Vielleicht könnten wir mal zusammen ins Fitness-Studio gehen“, schlug Crocodile also vor. „Früher bin ich immer ganz gerne zum Training gegangen.“ „Naja“, warf Doflamingo mit unwilliger Stimme ein, „ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Law und Kid wohnen doch in einem ganz anderen Stadtteil als wir. Du müsstest also jedes Mal lange Auto fahren, um in dasselbe Fitness-Studio zu gehen wie die beiden.“ „Warum trainierst du nicht mal zusammen mit Doflamingo, wenn du Lust hast?“, sagte Law. „Ich trainiere meistens mittags“, erwiderte Doflamingo sofort. „Da ist Crocodile noch bei seiner Arbeit. Das passt also nicht.“ „Aber du hast doch auch Zuhause einen Trainingsraum! Wir könnten uns alle abends bei euch Zuhause treffen und gemeinsam trainieren. Was hältst du davon?“ „Trainingsraum?“, wiederholte Crocodile irritiert und warf seinem Ehemann einen ungläubigen Blick zu. „Seit wann haben wir denn einen Trainingsraum?“ „Schon immer“, antwortete Doflamingo und winkte ab. „Davon weiß ich gar nichts! Warum hast du mir nie erzählt, dass wir einen Trainingsraum Zuhause haben?“ „Weil du bis gerade eben nie auch nur im allermindesten angedeutet hast, dass du Lust hättest Sport zu treiben“, erwiderte Doflamingo mit angesäuerter Stimme. „Außerdem benutze ich ihn selbst auch nur selten. Normalerweise trainiere ich in meiner Mittagspause auf der Arbeit.“ „Früher haben wir öfter mal bei Doflamingo Zuhause trainiert“, erklärte ihm Law. „Also Bellamy, Cirkies, Vergo, Diamante, Pica, Violet und... und die Anderen halt. Das hat wirklich Spaß gemacht. Aber irgendwann haben wir das dann wieder schleifen lassen. Es ist nicht leicht einen Termin zu finden, an dem mehrere Leute Zeit haben.“ „Das wird dieses Mal nicht anders sein“, warf Doflamingo ein. „Du musst zwar wegen deiner Verletzung im Moment nicht arbeiten, aber Croco, Kid und ich sind beruflich voll eingespannt. Dazu kommt, dass Kid oft auch nachmittags und am Wochenende arbeiten muss.“ „Wir können auch einfach zu zweit bei mir im Fitness-Studio um die Ecke trainieren“, sagte Kid an Law gewandt. „Dienstag habe ich frei. Ich kann gleich morgen dort anrufen und fragen, wie es mit einem Probe-Training aussieht, wenn du möchtest.“ „Klar, gerne“, erwiderte Law sofort begeistert. „Ich freue mich schon drauf. Immer nur Zuhause rumzusitzen, macht mich wahnsinnig.“ Als Crocodile früh am Morgen des nächsten Tages leicht angetrunken ins Bett fiel, fragte er sich immer noch, was Doflamingo so vehement dagegen einzuwenden hatte, dass er ein wenig Kraftsport trieb. Mit müdem Blick verfolgte er die Bewegungen seines Ehemanns, der sich im Schlafzimmer entkleidete. Nicht übermäßig muskulöse, aber gut trainierte Oberarme, feste Brustmuskeln und ein flacher Bauch mit Sixpack-Ansatz kamen zum Vorschein. Crocodile musste sich eingestehen, dass sein Partner einen wirklich sexy Körper hatte. Auch Enel war oft im Fitness-Studio gewesen, doch dessen mit Muskeln vollkommen überladener Körper hatte Crocodile irgendwann nicht mehr gefallen. Er hätte es niemals gewagt die Lebensweise seines Exfreunds zu kritisieren, doch als die Arme viel zu dick wurden und man jede Vene am Körper sehen konnte, war ihm die Lust vergangen. Es war eine körperliche Veränderung, die auf natürlichem Wege nicht zu erreichen gewesen wäre. Aber Doflamingo sah anders aus. Athletisch, fit, muskulös, aber nicht aufgeblasen. Er gefiel Crocodile viel besser als Enel, Smoker oder einer seiner anderen Exfreunde. Um ehrlich zu sein, war er etwas neidisch. Er selbst war zwar alles andere als unförmig, aber vom tollen Adonis-Körper seines Ehemanns weit entfernt. Unweigerlich fragte er sich, wie oft Doflamingo pro Woche Sport trieb. Er hatte überhaupt gar nicht gewusst, dass dieser in seiner Mittagspause bei der Arbeit trainierte. Eigentlich macht es Sinn, dachte Crocodile, während er Doflamingo dabei zusah, wie dieser schwankend (er hatte sich beim Alkoholkonsum nicht unbedingt zurückgehalten) aus seiner Hose schlüpfte. Immerhin hatte er Doflamingo nie sagen hören Wani, ich fahre ins Fitness-Studio oder Croco, ich verziehe mich ein bisschen in unseren Trainingsraum. Noch immer konnte Crocodile es nicht ganz fassen, dass sie Zuhause über einen voll ausgestatten Trainingsraum verfügten. Sein Ehemann hatte nie zuvor davon gesprochen. Und in der weitläufigen Villa war er nie zufällig darüber gestolpert. „Esch tud mit l...leid“, nuschelte Doflamingo plötzlich. Inzwischen trug er nur noch seine Boxershorts. „Isch bin su bedrunken für Sex.“ „Ich habe doch gar nicht gefragt“, erwiderte Crocodile verwundert. Daran hatte er tatsächlich gar nicht gedacht gehabt. „Aber du hasch mich so angesehen“, gab Doflamingo zurück. Um die drei Schritte bis zum Bett zu sicher überwinden, brauchte er doppelt so lange wie sonst. „Ist schon gut“, sagte Crocodile und fuhr mit der rechten Hand sanft durch Doflamingos kurzes, blondes Haar. Es fühlte sich unfassbar weich an. „Wir haben beide Alkohol getrunken und sollten uns erstmal ordentlich ausschlafen.“ Noch ehe er zu Ende gesprochen hatte, war ein leises Schnarchen von der anderen Seite des Bettes zu hören. Nachdem Crocodile am nächsten Morgen gefrühstückt, die Zeitung gelesen und sich eine Zigarre gegönnt hatte, lag Doflamingo immer noch im Bett und schlief seinen Rausch auf. Crocodile beschloss seinen Ehemann nicht aufzuwecken und machte sich stattdessen auf den Weg zu dem Trainingsraum, den Law gestern Abend erwähnt hatte. Auch wenn er ein Dienstmädchen nach dem Weg fragte, brauchte er mehrere Anläufe, bis er endlich die Türe fand, die zu besagtem Raum führte. Wobei das Wort Raum eine deutliche Untertreibung darstellte, wie Crocodile feststellte, kaum hatte er die weitläufige Anlage betreten. Er hatte nicht viel erwartet. Vielleicht eine Hantelbank, eine Multistation und ein paar Cardio-Geräte. Doch zu seiner Überraschung befand sich in den Kellerräumen seines Zuhauses ein komplett ausgestattetes Fitness-Studio. Crocodile war sich sicher, dass hier unten mehr Geräte zu finden waren als in dem Studio, das er früher mit Daz besucht hatte. Der Anblick überwältigte ihn wie eine Welle, die ihn von den Füßen riss. Ungläubig ließ Crocodile den Blick durch den Fitness-Raum schweifen. Es gab mehrere Laufbänder, Crosstrainer, Stepper, Fahrräder und Rudergeräte. Dazu eine Freihantelbank, einen Lang- und Kurzhantelständer, eine Kabelzugstation, eine Beinpresse, Klimmzugbügel, sogar einen Boxsack... Er konnte sich gar nicht sattsehen. Einige Sekunden vergingen, ehe Crocodile sich weiter in den Raum hineinwagte. Es kam ihm komisch vor, dass sich dieses modern und vielseitig ausgestatte Fitness-Studio bei ihm Zuhause befand. Obwohl Doflamingo behauptet hatte, er wäre lange nicht mehr hier gewesen, lag nirgendwo auch nur ein Körnchen Staub. Offenbar wurde der Raum vom Personal weiterhin regelmäßig gesäubert. Unweigerlich fragte Crocodile sich, wie viele Orte es noch in der Villa gab, von deren Existenz er nichts wusste. Obwohl ihr Zuhause über mehrere tausend Quadratmeter Wohnfläche verfügte, nutzen Doflamingo und er nur wenige Räume. Wirklich häufig hielten sie sich eigentlich bloß im Schlafzimmer, im angrenzenden Bad, Wohnzimmer, Esszimmer und der neuen Küche auf, die sein Ehemann ihm vor kurzem geschenkt hatte. Und Crocodile zog sich ab und an in sein Zimmer, das ihm als Rückzugsort diente, zurück. Eigentlich würde uns eine geräumige Vier-Zimmer-Wohnung mit Balkon vollkommen reichen, schoss es ihm durch den Kopf. Weil er nicht so recht wusste, wo er beginnen sollte, versuchte Crocodile sich als Erstes an dem Laufband. Er startete mit einer langsamen Geschwindigkeit, begann dann bald zu traben und ehe er sich versah joggte er ein wenig. Eigentlich tat es ganz gut sich zu bewegen. Ihm kam der Gedanke, dass er seiner Gesundheit sicher auch keinen Gefallen damit tat, dass er die meiste Zeit des Tages sitzend verbrachte. Der Display am Laufband zeigte ihm an, dass er seit einer halben Stunde joggte und 210 Kilokalorien verbrannt hatte, als sich plötzlich die Tür des Fitness-Raums öffnete und sein Ehemann hereinkam. Offenbar war Doflamingo gerade erst aus dem Bett gestiegen. Er hatte sich lose das Hemd, das er auch gestern Abend getragen hatte, über die Schultern geworfen. Eine Hose trug er nicht und auch seine charakteristische Sonnenbrille hatte er nicht aufgesetzt. Crocodile schaltete das Laufband ab und wandte sich seinem Partner zu, der mit einem untypisch mürrischem Gesichtsausdruck auf ihn zukam. „Guten Morgen, Doffy“, begrüßte er ihn und gab ihm einen Kuss. „Wie geht es dir?“ „Ziemlich beschissen, um ehrlich zu sein“, erwiderte Doflamingo und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „So einen schlimmen Kater hatte ich lange nicht mehr.“ „Tja, du wirst halt einfach alt“, witzelte Crocodile und vermied es die muskulöse Brust und den straffen Bauch seines Ehemanns zu lange zu mustern. In seinem angeschlagenen Zustand hatte Doflamingo sicher keine Lust auf Sex. „Ich glaube, seit ich die Dreißig erreicht habe, lasse ich wirklich etwas nach“, gab er schwach zurück. „Früher habe ich mich jedes Wochenende in Bars und Nachtclubs herumgetrieben. Aber einen Kater hatte ich nur selten.“ „Du hast gestern wirklich viel getrunken.“ Doflamingo nickte langsam. „Und was ist mit dir? Du bist auch nicht abstinent geblieben. Und jetzt treibst du plötzlich Sport?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ich fühle mich gut. Und, naja, ich wollte mir mal diesen Raum hier anschauen. Die Vorstellung, dass wir Zuhause ein eigenes Fitness-Studio haben, das ich noch nie betreten habe, hat mich irgendwie nicht losgelassen.“ Spaßhaft fügte er hinzu: „Gibt es noch irgendetwas, wovon ich wissen sollte? Einen geheimen Darkroom oder so etwas in der Art?“ Diese Aussage zauberte seinem verkaterten Ehemann ein Grinsen auf die Lippen. „Da muss ich dich leider enttäuschen“, gab er schmunzelnd zurück. „Ich kann nur einen geheimen BDSM-Keller anbieten.“ „Ist der auch so gut ausgestattet?“, gab Crocodile lachend zurück und ließ seinen Blick erneut über die vielen Fitness-Geräte wandern. „Noch viel besser“, griff Doflamingo den Witz auf. „Es gibt eine riesige Auswahl an Lederpeitschen. Von den Mundknebeln und Fesseln will ich gar nicht erst anfangen.“ „Klingt nach einer guten Möglichkeit, um dich mal zum schweigen zu kriegen“, meinte Crocodile lachend und stupste seinem Ehemann spaßhaft gegen den Bauch. Die gebräunte Haut fühlte sich warm und weich an. „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte er Doflamingo. Vielleicht bekam sein Ehemann Lust auf etwas Zweisamkeit, nachdem er ein wenig gegessen und getrunken hatte. Wenigstens ein Glas Wasser. Er hatte sich gestern alles andere als zögerlich verhalten und ein alkoholisches Getränk nach dem nächsten bestellt. Dunkle Schatten lagen unter seinen funkelnden, grünen Augen. Anstatt seine Frage zu beantworten, beugte sein Ehemann sich zu ihm hinunter und versiegelte ihre Lippen miteinander. Crocodile ließ sich sowohl den Kuss als auch die Hände, die sich gierig um seine Hüften legten, gefallen. „Wir könnten zusammen im Bett frühstücken“, schlug Crocodile vor, „und … nun ja... dann noch eine Weile im Bett liegen bleiben.“ Crocodile, der ein sehr prüden Menschen war, hoffte, dass sein Partner diese Andeutung verstehen würde. Er konnte es nicht über sich bringen, noch deutlicher auszudrücken, dass er Lust auf Sex hatte. Also musste er darauf setzen, dass Doflamingo zwischen den Zeilen lesen würde. „Warum denn den weiten Weg ins Schlafzimmer zurücklegen?“, meinte Doflamingo mit leiser, lüsterner Stimme. Er hatte Crocodile noch immer nicht losgelassen und ließ seine beiden Hände ungeniert unter das Shirt seines Partners schlüpfen. Rücksichtslos streichelten sie seine warme, verschwitzte Haut. „Ich würde gerne duschen“, erklärte Crocodile, der sich hin- und hergerissen fühlte. Auf der einen Seite erregten ihn die Berührungen seines Partners, doch gleichzeitig begann er sich unwohl zu fülen. Bei Crocodile handelte es sich um einen sehr reinlichen Menschen. Er duschte mindestens einmal täglich, verfügte über ein ganzes Arsenal von Herren-Kosmetik und ließ niemals zu, dass seine Schamhaare länger als einen halben Zentimeter wuchsen. Der Gedanke, verschwitzt nach dem Sport Sex mit seinem Partner zu haben, war für ihn ein Graus. Zumindest theoretisch. Wären da nicht diese beiden sanften Hände, die sich inzwischen weiter nach oben vorgearbeitet hätten. Zwei Daumen streiften seine Brustwarzen und Crocodile spürte wie sich, fast gegen seinen Willen, die Männlichkeit in seiner Hose aufrichtete. Doflamingo saugte verführerisch an seinem Hals, während er die Brustwarzen seines Ehemanns zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und rieb. „Nur... nur ganz kurz duschen“, keuchte Crocodile und versuchte sich (zugegebenermaßen recht halbherzig) aus dem Griff zu lösen. „Ich muss mir auch nicht die Haare waschen. Ich will nur ganz schnell den Schweiß abspülen.“ „Entspann dich“, gurrte Doflamingo, als er für einen kurzen Moment von Crocodiles Hals abließ. Seine Hände wanderten wieder nach unten in Richtung Hosenbund. Ehe Crocodile sich versah, war eine Hand seines Partners hineingeschlüpft und hatte sein erigiertes Glied umfasste. Die Berührung fühlte sich wahnsinnig gut an und er schloss, ohne es selbst zu merken, die Augen. Ein paar Atemzüge lang genoss er es, wie Doflamingo langsam und ryhtmisch sein Glied pumpte und gleichzeitig seinen Hals liebkoste. Erst als er spürte, wie ihm die Hose mitsamt Unterwäsche über die Oberschenkel gezogen wurde, erwachte er wieder zum Leben. Aufgeschreckt löste er sich von seinem Ehemann und brachte einen kleinen Abstand zwischen sie beide. „Was ist los?“, fragte Doflamingo und musterte ihn zärtlich. Wie immer, wenn er seine Sonnenbrille nicht trug, kam es Crocodile so vor als würde er geröntgt werden. Auf unangenehme Weise wurde ihm bewusst, dass sich vorne auf seinem Shirt ein kleiner Schweißfleck gebildet hatte. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn Doflamingo seine Brille aufgesetzt hätte, so wie er es normalerweise jeden Morgen tat. „Ich möchte duschen“, wiederholte Crocodile erneut. „Nur ganz kurz. Ich bin sofort wieder für dich da. Bestimmt gibt es auch hier unten eine Dusche, oder?“ „Wozu denn?“, gab Doflamingo irritiert zurück. „Wenn ich dich vögle, brichst du sowieso gleich wieder in Schweiß aus. Also spar dir die Dusche lieber für hinterher auf.“ „Ich fühle mich eklig... Schau dir nur mein Shirt an! Vorne ist es ganz nassgeschwitzt!“ „Dann zieh es eben aus.“ Und ohne weiter Zeit zu vergeuden, griff Doflamingo nach dem Saum des Shirts und zog es seinem Partner über den Kopf. Kalte Luft traf auf seine warme, verschwitzte Haut. Doflamingo presste seine rechte Hand auf die Brust seines Partners und schubste diesen mit sanfter Gewalt nach hinten. Crocodile hatte gar nicht gemerkt, dass gleich hinter ihm eine Hantelbank stand, auf der er prompt landete. Doflamingo ging vor ihm auf die Knie und ließ die Hand von seiner Brust nach unten zu seinem aufgerichteten Glied wandern. Mit großen Augen verfolgte Crocodile die Lippen seines Ehemanns, die sich nun ebenfalls seinem Organ näherten. Ein wohliges Seufzen entwich ihm, als er spürte, wie sich eine warme, nasse Zunge gegen die Unterseite seiner Eichel presste und gleichzeitig seine Hoden von einer Hand sanft massiert wurden. Die Gedanken an den stinkenden Schweiß, die ihn eben noch beherrscht hatten, rückten rasch in den Hintergrund. Leise stöhnend beobachtete Crocodile seinen Ehemann, der sich überaus enthusiastisch an seinem Glied zu schaffen machte. Sein Höhepunkt fühlte sich berauschend an; wie ein warmes, buntes Feuer, das sich ausgehend von seinem Unterleib in seinem gesamten Körper ausbreitete. Crocodile war noch gar nicht wieder ganz zu sich gekommen, als Doflamingo plötzlich mit bitterer Stimme meinte: „Wir hätten doch nach oben ins Schlafzimmer gehen sollen. Hier haben wir gar keine Gleitcreme.“ „Hast du keine Vaseline hier unten?“, fragte Crocodile mit erschöpftem Atem. Daz hatte früher immer eine kleine Dose Vaseline in seiner Sporttasche mit sich herumgetragen und auf kleinere Wunden und Abschürfungen aufgetragen. Schlagartig hellte sich Doflamingos Miene auf. „Gute Idee, Croco“, lobte er seinen Ehemann und ging zu einem nicht abgeschlossenen Spinnt zu ihrer Rechten hinüber. Es dauerte nicht lange, bis er eine Dose Vaseline gefunden hatte. Noch im Gehen schraubte er sie auf. „Die ist ja angebrochen“, stellte Crocodile angewidert fest. Doflamingo zuckte nur mit den Schultern und benetzte die Finger seiner rechten Hand großzügig mit der dickflüssigen Creme. „Fühlt sich aber gut an.“ Ehe er dazu kam, einen der mit Vaseline beschmierten Finger in ihn einzuführen, hielt Crocodile seinen Partner am Arm fest. „Ich will keine Vaseline als Gleitcreme benutzen, in die schon sonst wer gepackt hat. Das ist ekelig!“ „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ „Na, Law hat doch gestern erzählt, dass ihr früher oft mit ganz vielen Leuten hier unten trainiert habt. Ich will gar nicht wissen, wie viele von denen mit ihren dreckigen Fingern in diese Dose gepackt haben.“ „Keine Sorge“, versuchte Doflamingo ihn zu beschwichtigen. „Niemand außer mir hat diese Vaseline benutzt.“ Als er Crocodiles zweifelnden Blick bemerkte, fügte er hinzu: „Alles ist gut. Versprochen. Du weißt, dass ich dich nicht anlügen würde, Crocodile.“ Die Benutzung seines richtigen Namens beruhigte Crocodile ein wenig. Er nickte und versuchte sich zu entspannen. Wenige Sekunden später spürte er einen dick mit Vaseline eingeriebenen Finger, der in ihn hineinglitt. Der Finger war noch nicht vollständig in ihm verschwunden, als er spürte, wie sich sein Glied erneut aufrichtete. Doflamingo pumpte es zärtlich mit der linken Hand, während nun zwei Finger seiner rechten Hand in ihn eindrangen. Crocodile schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und genoss die Vorbereitung durch seinen Ehemann in vollen Zügen. Es steckten bereits drei dick mit Vaseline eingeriebene Finger in seinem Eingang, als ihm der Gedanke kam, dass Doflamingo bestimmt auch gern etwas Aufmerksamkeit geschenkt bekäme. Also öffnete er seine Augen wieder. Crocodile saß halb auf der schmalen Hantelbank, während sein Ehemann vor ihm kniete. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht sein Hemd zuzuknöpfen und trug dazu bloß eine enge Boxershorts. Unter dem Stoff zeichnete sich sehr deutlich eine Erektion ab. Crocodile nutzte die günstige Gelegenheit und reckte sich ein Stück nach unten, um mit der rechten Hand in die Boxershorts zu greifen. Doflamingos Glied fühlte sich warm und steinhart an. Als er mit dem Daumen sanft über die Eichel fuhr, stellte er fest, dass sie ganz nass war. „Bist du bereit?“, fragte sein Partner ihn und entfernte die drei Finger aus seinem Eingang. „Wie wollen wir es machen?“, fragte Crocodile und zog eine Augenbraue hoch. Die Hantelbank war viel zu schmal und zu kurz, um sich darauf zu legen. „Wir könnten stehen bleiben. Und du stützt dich mit deinen Händen an der Bank ab“, schlug Doflamingo vor und leckte sich lüstern mit der Zunge über die schmalen Lippen. „Du meinst mit deiner Hand“, korrigierte Crocodile seinen Partner. Er fragte sich, ob es mit der vorgeschlagenen Stellung hinhauen würde. Es war zugegebenermaßen nicht so leicht mit nur einer Hand das Gleichgewicht zu halten. Doflamingo schien seine Bedenken zu spüren. „Wir probieren es einfach aus“, meinte er mit gelassener Stimme und richtete sich auf. „Wenn es nicht klappt, überlegen wir uns etwas Anderes.“ Darauf konnte Crocodile sich einlassen. Also tat er wie ihm geheißen. Mit der rechten Hand stützte er sich an der Hantelbank ab, während er seinen Unterleib nach oben reckte. Weil Crocodile ein Stückchen kleiner war als sein Ehemann, stellte er sich unbewusst auf die Zehenspitzen, um Doflamingo ein einfacheres Eindringen zu ermöglichen. Es dauerte nicht lange, bis er spürte, wie der reichlich mit Vaseline eingeriebene Penis seines Partners langsam in ihn eingeführt wurde. Gleichzeitig hielt Doflamingo sich mit beiden Händen an seiner Hüfte fest. Crocodile saugte hörbar die Luft ein und musste sich ernsthaft anstrengen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Penetration fühlte sich durch diesen ungewöhnlichen Winkel viel intensiver an als er es gewöhnt war. Auch Doflamingo schien einen deutlichen Unterschied zu merken: Crocodile konnte ihn genüsslich seufzen hören, während er immer tiefer in ihn eindrang. Überdeutlich spürte Crocodile das dicke und lange Glied seines Partners, das bis zum Anschlag in ihm versenkt war und unerbittlich gegen seine Prostata drückte. Kleine, weiße Sterne tanzten vor seinen Augen, als Doflamingo sich fast vollständig aus ihm zurückzog, nur um gleich wieder tief einzudringen. Sein rechter Arm, der seinen einzigen Halt darstellte, begann schon nach wenigen Stößen zu zittern. „Wani, ich halte das nicht lange aus“, hörte er die zittrige Stimme seines Ehemanns hinter ihm. „N-nicht schlimm“, erwiderte Crocodile und versuchte sich auf seinen Zehenspitzen noch ein Stück weiter nach oben zu recken. Das nächste Mal, als Doflamingo tief in ihn stieß, überkam ihn sein Orgasmus wie eine Welle, die ihn am Strand mit sich fortriss. Laut stöhnend ergoss er sich in zwei oder drei Schüben auf das dunkelblaue Polster der Hantelbank unter ihm. Es gelang ihm nicht länger sein Gleichgewicht zu halten; sein Arm knickte ein, er fiel nach vorne und rutschte ungewollt vom Organ seines Ehemanns. Doflamingo nutzte die Gelegenheit für sich aus: Er löste die Hände von Crocodiles Hüfte und pumpte stattdessen sein Glied, das aufgeregt zitterte und feucht glänzte. Schon zwei oder drei Schübe reichten aus, damit er sich auf dem nackten Rücken seines Partners ergoss. Crocodile spürte, wie die warme Flüssigkeit auf seinem Körper landete, doch er war viel zu sehr mit den Nachwirkungen seines zweiten Höhepunkts beschäftigt, als dass er sich darüber geärgert hätte. Nachdem Doflamingo sich ergossen hatte, ließ er sich schwer atmend neben Crocodile auf dem Fußboden nieder. „Wovon hattest du eben gesprochen? Eine Dusche und anschließend Frühstück im Bett? Ich bin dabei, Crocobaby.“ Sie gönnten sich ein reichhaltiges Frühstück. Crocodile, der heute ausnahmsweise einmal Lust auf etwas Süßes und Fettiges hatte, tunkte eine Seite seines Croissants in ein kleines Schälchen Marmelade, ehe er genüsslich abbiss. Er fühlte sich so gut wie schon seit Tagen nicht mehr. Vor allem die warme und gründliche Dusche hatte ihm gutgetan. Doflamingo hatte sich kurzerhand angeschlossen und dabei geholfen seinen mit Sperma befleckten Rücken zu reinigen. Wer hätte geglaubt, dass so überaus simple Dinge wie eine halbe Stunde auf dem Laufband, zwei Orgasmen, eine Dusche und ein Frühstück im Bett sich so unwahrscheinlich gut anfühlen könnten? Doflamingo war zu Beginn ungewohnt still. Ohne viel zu sprechen verdrückte er in kürzester Zeit zwei Körnerbrötchen und etwas Rührei mit Speck. Dazu trank er ein großes Glas Wasser und eine Tasse Kaffee. „Du hättest gestern Abend nicht so viel trinken sollen“, sagte Crocodile, der sich einen schnippigen Kommentar nicht ganz verkneifen konnte. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „So etwas muss ab und zu mal sein. Ich bin heute Morgen zwar nicht so fleißig gewesen wie du, aber dafür hole ich meinen Sport ein anderes Mal nach.“ „Wir könnten morgen zusammen trainieren“, schlug Crocodile mit freundlicher Stimme vor. Die halbe Stunde auf dem Laufband hatte ihm überraschend viel Spaß gemacht. Eine Weile lang konnte er einfach nur ganz entspannt seinen Gedanken nachhängen. Doflamingo zögerte. Schließlich meinte er: „Wie kommt es, dass du auf einmal so viel Interesse an Sport zeigst? Wir sind jetzt seit fast eineinhalb Jahren ein Paar und ich habe noch nie erlebt, dass du Sport treibst. Nicht mal Golf oder eine andere Schnösel-Sportart.“ „Schnösel-Sportart?“, wiederholte Crocodile lachend und tunkte sein Croissant erneut in die Marmelade. Sie schmeckte gut. Fruchtig, aber nicht überzuckert. „Naja“, meinte Doflamingo und brachte sogar ein Grinsen zustande, „wenn überhaupt Sport, dann hätte ich bei dir an eine totale Schnösel-Sportart gedacht. Golf, Tennis, Kricket, solche Sachen eben. Weil du ein kleiner Snob bist.“ „Wie soll ich denn mit nur einer Hand Golf, Tennis oder Kricket spielen?“, gab Crocodile verwundert zurück. „Oh... oh“, machte Doflamingo und senkte betreten den Blick. „Daran hatte ich gar nicht gedacht.“ „Du scheinst oft zu vergessen, dass ich nur eine Hand habe“, warf Crocodile schmunzelnd ein. Er war ziemlich hungrig und griff nach einem halben Brötchen, das er ebenfalls mit der leckeren Marmelade bestrich. „Naja, du kommst im Alltag gut zurecht“, vertedigte sein Partner sich. „Zu Beginn unserer Beziehung habe ich sehr oft daran denken müssen, was diese Einschränkung für dich bedeutet. Aber inzwischen habe ich mich einfach daran gewöhnt.“ Nur zu gut erinnerte Crocodile sich daran, wie sehr ihn Doflamingo am Anfang mit seiner übertriebenen Hilfsbereitschaft und Fürsorge genervt hatte. Er hatte sich förmlich erdrückt gefühlt. Ihm war klar, dass sein Freund es nur gut gemeint hatte, aber meistens hatten dessen Gesten ihn eher behindert als geholfen. Er war durchaus dazu in der Lage selbst eine Autotüre zu öffnen, eine SMS zu schreiben oder sein Hemd zuzuknöpfen. „Die erste Zeit nach dem Motorrad-Unfall war nicht leicht“, gab Crocodile schließlich zu. „Ich musste mich in vielerlei Hinsicht umgewöhnen. Dinge, die ich früher in wenigen Sekunden geschafft habe, stellten plötzlich eine riesige Herausforderung dar. Allein um mein Hemd mit nur einer Hand zu knöpfen brauchte ich mehrere Minuten. Oft ist es wirklich sehr frustrierend gewesen. Aber inzwischen komme ich gut klar. Es gibt wenige Dinge, die mir immer noch schwerfallen. Oder die ich gar nicht machen kann.“ „Zum Beispiel?“, hakte Doflamingo neugierig nach. „Golf, Tennis oder Kricket spielen“, gab Crocodile glucksend zurück. Sein Ehemann verzog den Mund. „Sei nicht so gemein zu mir. Niemand kann immer an alles denken.“ „Ich kann kein Fleisch schneiden. Keine Schuhe binden. Keinen Staub vom Boden auffegen“, zählte er schließlich unbekümmert auf. „Keine Gitarre spielen. Nozomi nicht wickeln.“ „Und kein Motorrad fahren“, fügte Doflamingo mit bitterer Stimme hinzu. Crocodile winkte ab. „Das macht nichts“, sagte er. „Aber du bist doch früher gern Motorrad gefahren, oder nicht?“, wandte sein Partner ein. „Du hast mir erzählt, dass du oft tagelange Touren gemacht hast. Fehlt dir dein Hobby nicht manchmal?“ Diese Frage war Crocodile ein wenig unangenehm. „Ich habe mich seit meinem Unfall nicht mehr auf ein Motorrad gesetzt“, erklärte er seinem Partner. „Auch nicht als Beifahrer. Ich interessiere mich immer noch ein bisschen dafür. Aber ich möchte nie wieder auf einer Maschine sitzen, glaube ich.“ „Also hast du so etwas wie eine Motorrad-Phobie entwickelt“, schlussfolgerte sein Ehemann. Crocodile zuckte mit den Schultern. „Nenn es wie du möchtest. Jedenfalls komme ich auch ohne ein Motorrad ganz gut zurecht. Es gibt ja auch noch andere Dinge, die man in seiner Freizeit tun kann.“ „Ins Fitness-Studio gehen zum Beispiel?“, erwiderte Doflamingo mit einem sauren Gesichtsausdruck. „Warum missfällt es dir so sehr, dass ich vielleicht Lust hätte etwas mehr Sport zu treiben?“, fragte Crocodile und zog eine Augenbraue hoch. Ihm fiel kein vernünftiges Argument ein. Sport war gesund. Sport machte Spaß. Sport half dabei nicht aus der Form zu geraten. „Naja“, druckste sein Partner herum. Er schien sich ein wenig unwohl zu fühlen. Schließlich gestand er: „Um ehrlich zu sein, stehe ich nicht so sonderlich auf muskulöse Typen.“ Diese Aussage verwunderte Crocodile. „Aber du bist doch selbst muskulös“, warf er ein. „Ich habe auch kurze, blonde Haare. Grüne Augen. Gebräunte Haut“, erwiderte Doflamingo augenrollend. „Trotzdem bin ich mit einem Kerl zusammen, der blass ist und lange, dunkle Haare hat. Und bernsteinfarbene Augen. Nur weil ich bestimmte Eigenschaften bei meinem Partner attraktiv finde, muss ich sie ja nicht zwingend selbst verkörpern, oder?“ „Okay, da hast du nicht Unrecht“, gab Crocodile sich geschlagen. „Übrigens habe ich hellbraune Augen, keine bernsteinfarbenen.“ „Ich habe noch nie zuvor einen Menschen mit einer solchen Augenfarbe gesehen“, sagte sein Ehemann mit zärtlicher Stimme. „Als ich das erste Mal in deiner Gegenwart meine Sonnenbrille abgenommen und dir in die Augen geschaut habe, lief mir ein warmer Schauer über den Rücken. Daran erinnere ich mich noch ganz genau. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so eine besondere Augenfarbe haben würdest.“ Plötzlich wurde Crocodile klar, dass sein Ehemann die Welt immer durch einen violetten Filter sah. Seine Sonnenbrille, die zusammen mit seinem hässlichen Federmantel sozusagen zu seinem Markenzeichen gehörte, nahm er normalerweise nur zu drei Gelegenheiten ab: beim Schlafen, beim Duschen und beim Sex. Vielleicht war Doflamingo deswegen meistens so gut drauf, mutmaßte Crocodile. Es war sicher schwer ernst zu bleiben, wenn man alles in der rosa-roten Variante sah. „Ich glaube nicht, dass ich sonderlich muskulös werde, auch wenn ich Sport treibe.“ „Wie kommst du darauf?“, wollte Doflamingo wissen. „Erstens bin ich ein echter Hardgainer“, erklärte Crocodile. „Daz ist früher an mir verzweifelt. Obwohl wir oft zusammen ins Fitness-Studio gegangen sind, habe ich einfach viel weniger Masse aufgebaut als er.“ „Das lag bestimmt an einer falschen Ernährung“, unterbrach sein Partner ihn mit einer ziemlich besserwisserisch klingenden Stimme. „Du hast sicher zu wenig Proteine zu dir genommen. Denk nur einmal an dein Lieblingsgericht, Spaghetti mit Feta-Käse, Tomaten und Oliven: viele Kohlenhydrate, kaum Proteine. Und dein liebster Zwischensnack sind Cracker. Da ist die Eiweißzufuhr gleich null.“ „Wie auch immer“, meinte Crocodile und rollte mit den Augen. „Außerdem müssen beim Krafttraining viele Geräte mit beiden Händen bedient werden, damit kein Ungleichgewicht entsteht. Dasgleiche gilt natürlich für die Benutzung von Freihanteln. Also müsste ich eine Hand-Prothese tragen.“ „Und?“ Doflamingo legte den Kopf schief. „Was wäre dann an einer Prothese so schlimm?“ „Ich mag das nicht“, erklärte Crocodile unwillig. „Ich habe es probiert eine Hand-Prothese zu tragen, aber kam damit nicht so gut zurecht. Ist einfach nichts für mich.“ „Shanks hat mir erzählt, dass er manchmal eine Prothese trägt.“ „Shanks hatte nach dem Verlust seines Arms auch mit Phantomschmerzen zu kämpfen. In so einem Fall ist das Tragen einer Prothese zur Schmerztherapie sinnvoll. Zum Glück bin ich aber davon verschont geblieben.“ Um zum eigentlichen Gesprächsthema zurückzukehren, fügte Crocodile hinzu: „Jedenfalls würde ich hauptsächlich Cardio-Training machen. Das ist gut für den Kreislauf. Vielleicht manchmal noch die Beinpresse dazunehmen oder etwas für meinen Rücken tun. Ist bestimmt nicht gesund, die Hälfte des Tages sitzend zu verbringen.“ „Meistens sitzt doch sowieso Robin auf deinem Stuhl, oder nicht?“, witzelte sein Partner. Dieser Kommentar versetzte Crocodile einen Stich ins Herz. Doflamingo wusste immer noch nicht, dass er schon seit Monaten nicht mehr mit seiner ehemaligen Sekretärin Robin zusammenarbeitete. Kiwi und Moz kannte er überhaupt nicht. „Ich hab das sehr niedlich an euch gefunden. Ich weiß noch, dass ich früher, bevor wir ein Paar wurden, oft an deiner offenen Bürotüre vorbeigegangen bin. Meistens saß Robin auf deinem Chefsessel, während du gestanden hast. Wie geht es Robin eigentlich? Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört.“ „Sie hat jetzt einen neuen Freund“, erklärte Crocodile. „Ein Typ namens Cutty Franky. Er soll wohl ein ganz hohes Tier bei Tom's Workers sein. Du weißt schon, die jedes Jahr diese große Elektonik-Messe organisieren. Dort musste ich auch hin. Erinnerst du dich?“ Doflamingo nickte. „Eine Beziehung tut ihr sicher gut“, meinte er. „Sie wirkt oft ein bisschen unterkühlt.“ „So ist sie eben.“ Ganz anders als die quierligen Schwestern Kiwi und Moz, fügte Crocodile in Gedanken hinzu. * Crocodile hielt sich allein in seinem Zimmer auf. Er sichtete seine Finanzlage: Mit klopfendem Herzen kramte er Kontoauszüge hervor, überflog Mahnungen, kontrollierte seine Kreditkartenabrechnungen. Als er zu dem Schluss kam, dass sich sein aktueller Schuldenberg auf 23.450 Berry belief, konnte er nicht verhindern, dass sich Enttäuschung in seiner Brust ausbreitete. Er hatte darauf gehofft, endlich wieder schwarze Zahlen schreiben zu können. Dass immer noch ein - zugegebenermaßen für seine Verhältnisse kleiner - Rest überblieb, wurmte ihn. „Dreiundzwanzigtausendvierhundertfünfzig Berry.“ Crocodile nahm sich die Freiheit heraus, die Summe laut auszusprechen. Diese Zahl wumte ihn, doch sie trieb ihn nicht in die Verzweiflung, wie ihre Vorgängerinnen es getan hatten. Diese Forderung konnte er in ein oder zwei Monaten vollständig beglichen; je nachdem, wie groß das finanzielle Polster für seine Privatausgaben sein sollte. Eigentlich war es ein gutes Gefühl. 23.450 Berry waren okay. Damit konnte er leben. Das war nicht allzu viel Geld. Nicht nur für Doflamingo, sondern selbst für Crocodile nicht. Vielleicht konnte er es sich sogar leisten, seinen Ehemann mit einer Einladung ins Baratie zu überraschen? * Zusammen Sport zu treiben, wurde für Doflamingo und Crocodile zu einem gemeinsamen Hobby. Zwei- bis dreimal pro Woche verzogen sie sich für eine oder zwei Stunden in den Fitness-Raum in ihrer Villa. Während Doflamingo sich nur zum Aufwärmen auf den Crosstrainer schwang und sich ansonsten hauptsächlich um sein Krafttraining kümmerte, stellte Crocodile fest, dass das Ausdauertraining ihm großen Spaß zu machen begann. Vor allen Dingen das Laufband hatte es ihm angetan: Es war auf seine ganz eigene Art entspannend nach einem langen Arbeitstag für ein Stündchen zu joggen und einfach nur seinen Gedanken nachzuhängen. Er hörte dabei auch gerne Musik. Ab und an machte er gemeinsam mit seinem Ehemann ein paar Crunches oder benutzte die Beinpresse. Natürlich war Doflamingo, der schon viel länger Sport trieb als er, kräftiger und konnte deutlich höhere Gewichte stemmen, doch daraus machte Crocodile sich nichts. Es ging ihm nicht darum, sich mit seinem Partner zu messen. Da konnte er nur verlieren, allein schon, weil er immer noch keine Prothese tragen wollte und deshalb einige Übungen für ihn überhaupt nicht machbar waren. Trotzdem merkte er, dass der Sport ihm guttat. Nach dem Training aß er gemeinsam mit Doflamingo zu Abend. Er hatte wieder mehr Appetit. Lachte öfter. Schlief nachts besser. „Hast du Lust heute Nachmittag mit mir einkaufen zu gehen?“, fragte Crocodile seinen Ehemann beim Frühstück. Crocodile aß ungewürztes Rührei mit Tomaten, während Doflamingo Naturjoghurt mit frischen Früchten löffelte. „Ich dachte mir, dass wir ein paar Sportklamotten für mich kaufen könnten. Wenigstens ein Paar gute Laufschuhe wären nicht schlecht.“ Doflamingo setzte einen überraschten Gesichtsausdruck auf. „Du möchtest freiwillig shoppen gehen?“, meinte er mit erstaunter Stimme. „Wer bist du? Ein Alien, das meinen Mann entführt hat?“ Diese Aussage brachte Crocodile zum schmunzeln. „Du hast mich durchschaut“, erwiderte er unbekümmert und kratzte auf seinem Teller den letzten Bissen Rührei zusammen. „Ich fordere einhunderttausend Berry Lösegeld. Wenn du nicht zahlst, wirst du deinen Ehemann nie wiedersehen.“ „Du bist viel mehr Wert als hunderttausend Berry“, sagte Doflamingo lachend. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Ich finde es gut, dass du wieder besser drauf bist. Ich... Also... In den letzten Monaten... Ich hatte das Gefühl, dass du oft deprimiert warst. Aber jetzt lachst du wieder. Ist also alles in Ordnung?“ Diese unerwartete Aussage versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich ins Herz. Dass Doflamingo sich zwischenzeitlich große Sorgen um ihn gemacht hatte, bereitete ihm ein schlechtes Gewissen. Er hasste es, wenn Andere sich um ihn sorgten oder ihn bemitleideten. Er kam allein gut zurecht. „Ich glaube, das lag hauptsächlich an meiner Arbeit“, log er Doflamingo an. „Die Arbeit in der Bank hat mir in letzter Zeit keinen Spaß mehr gemacht. Ständig werde ich von Sengoku schikaniert und mit Aufgaben gequält, die weit unter meiner Kompetenz liegen. Ich... Um ehrlich zu sein, habe ich mich schon nach etwas Anderem umgeschaut. Letzte Woche hatte ich ein Bewerbungsgespräch bei Tom's Workers. Robin hat mich empfohlen. Sie ist ja jetzt mit Cutty Franky zusammen, erinnerst du dich? Ich hoffe, dass ich dorthin wechseln kann.“ „Du hattest ein Bewerbungsgespräch und hast mir nichts davon erzählt?“ „Ich wollte nicht gleich Hoffnungen bei dir wecken“, erwiderte Crocodile rasch. „Es ist nur ein Gespräch gewesen, keine Jobzusage.“ „Wäre wirklich toll, wenn du die Stelle dort kriegen würdest“, meinte Doflamingo lächelnd. „Ich glaube, das ist viel näher, oder? Dann müsstest du nicht mehr jeden Tag eine Stunde zur Arbeit fahren.“ Crocodile nickte. „Wenn du möchtest, dann kann ich versuchen ein paar Verbindungen spielen lassen“, fuhr sein Ehemann, noch immer lächelnd, fort. „Um deine Chancen zu erhöhen.“ „Nein!“, erwiderte Crocodile hektisch und viel zu schnell. „Nein... Ich... Das will ich nicht. Das würde gegen meinen Stolz gehen. Ich will das allein schaffen. Aber... Ich glaube, ich habe ganz gute Karten. Die Bank hat mich ja auf die Messe geschickt, weißt du noch? Dort bin ich bereits mit Cutty Franky ins Gespräch gekommen. Ich denke, dass meine Chancen gutstehen.“ „Ich drücke dir die Daumen.“ „Du scheinst das ja echt gelassen zu nehmen“, sagte Crocodile mit erstaunter Stimme. „Naja, warum denn auch nicht?“, gab Doflamingo schulterzuckend zurück. „Was sollte ich dagegen haben?“ „Ein Jobwechsel ist eine ziemlich große Sache“, gab Crocodile zu bedenken. „Ich... Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich dort genausoviel verdienen werde wie in der Bank...“ Sein Ehemann machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du hast einen reichen Mann geheiratet“, meinte er schmunzelnd. „Darum brauchst du dir also keine Gedanken zu machen.“ „Ich will mich nicht auf deinem Geld ausruhen“, gab Crocodile pikiert zurück. „Mir ist es wichtig, mein eigenes Gehalt zu haben. Hoffentlich muss ich bei Tom's Workers nicht allzu große Abstriche machen.“ „Selbst wenn...“, sagte Doflamingo. „Ich finde es gut, dass du dich nach einer anderen Arbeit umschaust. Was nützt dir ein gutes Gehalt, wenn du an deinem Arbeitsplatz nur schikanierst wirst? Du hast in letzter Zeit kaum noch von deiner Arbeit geredet. Hast immer ausweichend reagiert, wenn ich dich gefragt habe, was du heute gemacht hast. Du warst so oft niedergeschlagen und schlecht gelaunt. Ich möchte dich lachen sehen, Crocodile. Und wenn dir ein Jobwechsel dabei hilft, dann werde ich dich unterstützen, wo ich nur kann!“ „Danke“, sagte Crocodile. „Das ist sehr lieb von dir.“ Die Worte seines Partners versetzten ihm einen zweiten Stich. Es war so unfassbar dumm von ihm gewesen, Doflamingo nicht gleich von seiner Kündigung erzählen. Er wusste nun, dass er sich nicht abgewendet hätte. Stattdessen hätte er ihn getröstet, ihn unterstützt und bei der Suche nach einer neuen Arbeit mit allen Mitteln unterstützt. Das war Crocodile nun klar. Doch diese Erkenntnis kam zu spät. * Nozomi war vier Monate alt, als Hancock ihnen ihre Tochter zum ersten Mal für eine Übernachtung überließ. Crocodile wurde ein bisschen flau im Magen bei dem Gedanken, sich ohne die Unterstützung seiner Schwester um sie zu kümmern, doch er gönnte Hancock auch einen Abend mit Freundinnen. Das hatte sie sich nach den schweren Zeit, die sie durchlebt hatte, wirklich verdient. Doflamingo unterdessen freute sich sehr darauf seine Nichte zu betreuen. Tatsächlich musste Crocodile ihm die Idee, im Babyfachgeschäft eine komplette Kinderzimmerausstattung zu kaufen, ausreden. Doch zumindest von einem völlig überteuerten Babybett, das sie in ihr Schlafzimmer gestellt hatten, und einer Wickelkommode ließ sein Ehemann sich nicht abbringen. „Ich bin per Handy immer erreichbar“, erklärte ihnen Hancock, während Doflamingo die Babyschale, in welcher die kleine Nozomi saß, auf der Rückbank ihres Autos sicher befestigte. „Wenn ihr mit ihr nicht zurechtkommen solltet, dann scheut euch bitte nicht mich anzurufen.“ Doflamingo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Mach dir keine Sorgen“, versuchte er seine Schwägerin zu beruhigen. „Wir haben ja schließlich über alles Wichtige gesprochen. Und ich habe Erfahrungen im Umgang mit Babies. Früher habe ich mich oft um Sugar, Monets kleine Schwester, gekümmert.“ „Und du hast dir wirklich einen Abend für dich verdient“, fügte Crocodile hinzu. „Jeder braucht mal eine Auszeit. Selbst eine Mutter. Man kann nicht rund um die Uhr einhundert Prozent geben.“ „Ich freue mich wirklich darauf, endlich mal wieder mit Ran und Sondersonia in eine Cocktail-Bar zu gehen“, gestand Hancock ihnen. „Ich habe das Gefühl, dass meine Freundschaften ein wenig leiden, seitdem Nozomi auf der Welt ist. Manche Dinge sind mit Baby nicht so leicht möglich.“ „Dafür sind ja Onkels da“, erwiderte Doflamingo strahlend und packte eine riesengroße Tasche in den Kofferraum. (Crocodile fragte sich, was alles darin war. Sie nahmen Nozomi doch nur für eine Nacht? Da brauchte man doch nicht viel mehr als ein paar Windeln und Fläschchen, oder?) „Danke euch“, sagte Hancock lächelnd. Sie gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn und ehe Crocodile sich versah, waren er und sein Partner allein mit dem wenige Monate alten Säugling. Er warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu, als er feststellte, dass dieser sich nach hinten auf die Rückbank zu Nozomi setzte. Sein Verlobter, der seinen pikierten Gesichtsausdruck bemerkte, erklärte rasch: „Ich bleibe während der Autofahrt lieber bei Nozomi. Du weißt schon, falls sie anfangen sollte zu weinen oder so etwas in der Art.“ Unwillig setzte Crocodile sich allein nach vorne und startete den Motor. Selbstverständlich verhielt seine Nichte sich während der gesamten Autofahrt ruhig und friedlich. Zuhause angekommen, hatte Doflamingo nur Augen für Nozomi. Begeistert lauschte er jedem Gebrabbel, das die Kleine von sich gab, und kitzelte voller Wonne ihre winzigen Füße. Crocodile, der es gewohnt war stets die volle Aufmerksamkeit seines Partners zu genießen, kam nicht umhin ein bitteres Stechen in seinem Brustkorb wahrzunehmen. Er schämte sich selbst dafür, doch er konnte nicht verhindern, dass er ein wenig eifersüchtig auf seine kleine Nichte wurde. „Ist sie nicht süß?“, meinte Doflamingo mit freudestrahlender Stimme, während er Nozomi zärtlich über ihren zarten Pflaum Haare streichelte. Sie saßen gemeinsam auf dem Sofa im Wohnzimmer. Doflamingo hatte einen Kindersender eingeschaltet; das fand Crocodile zwar unsinnig, weil Nozomi noch viel zu jung war, um die Sendung zu verstehen, doch er behielt seine Meinung lieber für sich. „Sie sieht Hancock sehr ähnlich. Darüber bin ich ziemlich froh, wenn ich ehrlich bin. Ich hoffe, dass Nozomi nicht nach ihrem Vater kommen wird.“ „Ja, das wäre schön“, erwiderte sein Ehemann. „Ich fasse es immer noch nicht, dass Luffy einfach abgehauen ist und seine schwangere Freundin im Stich gelassen hat. So hätte ich ihn gar nicht eingeschätzt.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Mich hat das alles in allem nicht sonderlich überrascht. Luffy ist noch sehr jung. Siebzehnjährige Jungen haben andere Dinge im Kopf als sich um Babies zu kümmern. Es ist sehr leichtsinnig von Hancock gewesen, sich auf ihn einzulassen.“ „Ich finde es nicht gut, dass du ihn so in Schutz nimmst“, meinte Doflamingo und wippte Nozomi, deren gute Laune sich allmählich zu verflüchtigen schien, sanft hin und her. „Wenn man ein Kind in die Welt setzt, muss man sich darum kümmern. Es ist nicht richtig sich ans andere Ende der Welt zu verziehen und sein Kind allein zu lassen.“ „Natürlich ist es nicht richtig“, lenkte Crocodile ein. „Ich möchte Luffy auch gar nicht verteidigen. Aber... nun ja... Ich meine, man hätte mit so etwas rechnen müssen. Manche Dinge sind einfach vorhersehbar. Er hatte doch noch nicht einmal einen Schulabschluss. Wie hätte er Hancock denn unterstützen sollen, selbst wenn er es gewollt häte? Sie war blind vor Liebe und hat eine unüberlegte Entscheidung getroffen. Das hätte ich nicht von ihr erwartet. Eigentlich ist Hancock eine sehr kluge Frau.“ „Jeder macht mal einen Fehler. Auch der klügste Mensch auf Erden. Und gerade, wenn man frisch verliebt ist, neigt man dazu nur die positiven Dinge zu sehen. Du weißt schon, rosarote Brille und so.“ „Keine Ahnung“, gab Crocodile lahm zurück. „Mich hat meine Vernunft glücklicherweise nie verlassen, auch wenn ich frisch verliebt war. Ich kann nicht nachvollziehen, wie sich jemand Intelligentes plötzlich in einen naiven und leichtsinnigen Menschen verwandeln kann.“ Angesichts dieser Aussage begann Doflamingo zu kichern. „Genau so jemand bin ich“, gab er fröhlich grinsend zu. „Weißt du noch, dass ich den Verlobungsring für dich schon nach drei Monaten Beziehung gekauft hatte?“ „Sei froh, dass du keinen Fehltritt gelandet bist“, gab Crocodile zu bedenken. „Viele Andere hätten deine Gefühle schamlos für ihre Zwecke ausgenutzt. Hätten dich geheiratet, gleich nach der Hochzeit die Scheidung eingereicht und wären mit der Hälfte deines Vermögens verschwunden.“ „Da habe ich ja Glück, dass du nicht zu dieser Sorte gehörst“, warf Doflamingo noch immer kichernd ein. „Auch wenn es mich manchmal tierisch genervt hast, wenn du dich nicht von mir einladen lassen wolltest. Ich bin froh, dass du in dieser Hinsicht endlich etwas lockerer wirst. Erinnerst du dich noch an den Mantel, den ich dir geschenkt hatte? Du hast unbedingt darauf bestanden, mir das Geld daür wiederzugeben. Das hat mich wirklich geärgert.“ „Mir sind solche Geschenke immer etwas unangenehm“, sagte Crocodile. „Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich käuflich sei. Sicher denken viele Leute, dass ich nur deines Geldes wegen mit dir in einer Beziehung bin.“ „Ich fand es unfassbar schön, wie sehr du dich über den Mantel gefreut hattest“, seufzte Doflamingo. „Dass du mir unbedingt das Geld wiedergeben wolltest, hat den ganzen Moment kaputt gemacht.“ „Es ist ein hübscher Mantel. Ich trage ihn gerne. Aber ich lasse mich eben nicht gerne beschenken. Stell dir nur einmal vor, in der Bank hätte mich jemand gefragt woher ich den neuen Mantel habe, und ich hätte sagen müssen, dass mein Freund ihn mir geschenkt hat. Das wäre furchtbar gewesen.“ „Wieso das denn?“ Seine Ehemann verzog den Mund. „Es ist doch normal, dass man Geschenke von seinem Freund bekommt.“ „Ja. Zu Weihnachten, zum Gebuststag, am Valentienstag und so weiter. Aber doch nicht einfach so zwischendurch.“ „Du schenkst mir manchmal Blumen ohne Anlass“, warf Doflamingo ein. „Blumen... Aber keinen Nerzmantel für über zwanzigtausend Berry. Solche teuren Geschenke erwecken den Eindruck du seist mein Sugardaddy. Das kann ich überhaupt nicht leiden. Ich finde es furchtbar, wenn Menschen sich von ihren Lebenspartnern aushalten lassen.“ „Das hat doch damit nichts zu tun“, widersprach ihm Doflamingo. „Ich liebe dich, Wani. Und Leuten, die man liebt, macht man gerne Geschenke. Das ist doch ein völlig normales Verhalten. Ich möchte einfach, dass es meinem Liebsten gutgeht. Und mir keine Vorwürfe anhören müssen, ich würde dich schlecht behandeln.“ Ihr Gespräch wurde von Nozomi, die plötzlich zu weinen anfing, unterbrochen. Verwundert blickte Crocodile zu seiner kleinen Nichte hinüber. „Was hat sie denn auf einmal?“, fragte er seinen Ehemann. „Ich glaube, ihre Windel muss gewechselt werden“, erklärte Doflamingo und erhob sich vom Sofa. Der Wickeltisch, den er extra für Hancocks Tochter gekauft hatte, stand in ihrem Haupt-Badezimmer. „Ruf doch eines der Dienstmädchen“, schlug Crocodile vor. „Dann musst du dich nicht selbst drum kümmern.“ Doch sein Ehemann winkte ab. „Ach Quatsch, ich wickle sie eben schnell. Da ist doch nichts dabei.“ „Und wenn sie... du weißt schon... groß gemacht hat? Das stinkt doch zum Himmel!“ „Mir macht das nichts aus“, gab Doflamingo, der sich prompt auf den Weg ins Badezimmer machte, mit gelassener Stimme zurück. „Ich habe schon öfters Babies gewickelt.“ „Ich verstehe nicht, warum du das freiwillig machst...“, murmelte Crocodile, der nichtsdestotrotz seinem Partner folgte. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich dran. Außerdem muss ich das auch machen, wenn ich selbst mal Vater bin. Da ist es nicht schlecht, wenn ich schon etwas Übung habe.“ Crocodile, der aufgrund seiner fehlenden Hand Schwierigkeiten beim Wickeln hatte, machte es überhaupt nichts aus, seinem Partner in dieser Hinsicht den Vortritt zu gewähren. Es handelte sich bei ihm um eine sehr reinliche Person, die Schwierigkeiten mit fast allen Arten von fremden Körpersekreten hatte. Er konnte sogar spüren, wie sich die Übelkeit seinen Hals hochkroch, während Doflamingo die Windeln ihrer kleinen Nichte wechselte. „Wenn wir irgendwann mal Kinder haben sollten, will ich mit diesem Part nichts zu tun haben!“, sagte Crocodile sofort und sah erst dann wieder hin, als sein Ehemann Nozomis Strampler zuknöpfte. „Da habe ich nichts gegen“, gluckste Doflamingo ohne seinen Blick von dem Baby in seinem Arm abzuwenden. Am Abend lagen sie zu dritt gemütlich im Bett. Links Crocodile, rechts Doflamingo, in die Mitte hatten sie Nozomi genommen. Es war ein sehr angenehmes Gefühl so entspannt dazuliegen und nichts zu tun außer Nozomos kleinen Körper und die Wärme, die sein Ehemann ausstrahlte, zu spüren. Crocodile merkte, dass er mit jeder Minute, die verging, ruhiger wurde. Erinnerungen an seine frühe Kindheit überfluteten ihn wie eine seichte Welle. Er dachte daran zurück, wie in der Nacht manchmal Hancock, mit der er sein Zimmer geteilt hatte, in sein Bett gestiegen war und sie beide dicht aneinander gekuschelt geschlafen hatten. Oder wie Mihawk ihm abends aus einem Buch vorlas. Das waren schöne Zeiten gewesen. Crocodile schreckte auf, als er spürte, wie eine winzige Hand seinen Daumen umklammerte. Dies war einer der ganz wenigen Momente in seinem Leben, in denen er sich dachte, dass es vielleicht gar nicht so schlecht wäre mit einem Kind zusammenzuleben. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass Doflamingo seinen jüngeren Bruder Corazon sehr vermissen musste. Sicher war auch er als Kind ab und an in das Bett seines älteren Bruders gekrabbelt. Es war nicht leicht, wenn man sein einziges Geschwisterkind so früh verlor. Crocodile konnte nachvollziehen, wieso sein Partner sich so sehr nach einem behüteten Familienleben mit Ehemann, Schwager, Schwägerin, Nichte und am besten noch ein paar eigenen Kindern sehnte. Behutsam veränderte Crocodile seine Liegeposition, sodass sein Kopf nah an Doflamingos Brust lag. Er konnte sein Herz in einem gleichmäßigen Rhythmus schlagen hören. Ein beruhigendes Geräusch. „Ich liebe dich.“ Erst als die Worte bereits ausgesprochen waren, realisierte Crocodile, dass sie von ihm stammten. „Ich liebe dich auch“, erwiderte Doflamingo mit sanfter Stimme und küsste zärtlich sein Haar. „Wenn ich dir etwas verrate, versprichst du dann, nicht wütend zu werden?“ Erneut überraschte es Crocodile, dass diese Worte von ihm selbst gesprochen worden waren. Es war als hätte seine Zunge sich verselbstständigt. „Klar“, antwortete sein Ehemann ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern. Seine Stimme klang ernst, aber nicht hart. Crocodile spürte, wie Doflamingos nackte Zehen seine in Socken eingehüllten Füße streiften. Es war eine winzige Berührung, aber sie spendete mehr Trost als jedes Wort es je vermocht hätte. „Ich arbeitete schon seit einer Weile nicht mehr bei der Bank“, sagte Crocodile, „sondern bei Tom's Workers.“ Während er sprach, blickte er Doflamingo nicht in die Augen, sondern fixierte Nozomis friedliches Baby-Gesicht. Im Geiste hatte Crocodile sich zig verschiedene Reaktionen seines Partners ausgemalt. Einen wütenden Doflamingo, der ihn beschimpfte. Einen enttäuschten Doflamingo, der sich betrogen vorkam. Ein ungläubiger Doflamingo, der ihm vorwarf ihn auf den Arm nehmen zu wollen. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass sein Ehemann schwieg. Er schwieg einfach, sagte kein Wort, blickte ihm auch nicht ins Gesicht, sondern fuhr mit seinen Zehen über Crocodiles Unterschenkel. „Du arbeitest nicht mehr bei der Bank? Was soll das heißen?“, fragte Doflamingo schließlich. Seine Stimme klang aufgewühlt, aber nicht wütend. „Mir ist ganz plötzlich gekündigt worden“, gestand Crocodile. Ein bitterer Geschmack legte sich auf seine Lippen, während er sprach. „Sengoku hat mich mehr oder weniger einfach rausgeschmissen. Keine Ahnung wieso. Jetzt arbeite ich stattdessen bei Tom's Workers.“ „Einfach rausgeschmissen?“, wiederholte Doflamingo. Obwohl Crocodile nicht hinsah, wusste er, dass sein Partner eine Augenbraue hochzog. Crocodile nickte. „Ich hab einen Fehler bei der Arbeit gemacht“, gestand er schließlich. „Die Bank hat Geld verloren und ein paar Leute mussten entlassen werden. Ich hätte das Problem lösen können. Aber dazu bekam ich keine Gelegenheit mehr. Stattdessen hat Sengoku mir gekündigt. Ich bin mir sicher, dass er nur darauf gewartet hat, dass mir so etwas passiert. Er konnte mich nie leiden.“ „Oh, ich... Crocodile...“ Es war eine der wenigen Momente in Doflamingos Leben, in denen er keine passenden Worte zu finden schien. „Das... das tut mir so leid für dich...!“ Dann schwieg er für eine Weile. Sie lagen da, zu dritt, mit der kleinen Nozomi zwischen ihnen beiden. Crocodile spürte überdeutlich die winzigen Fingerchen, die seinen Daumen umschlossen. Doflamingos Herzschlag tönte laut in seinem Ohr. Weil sein Partner das Wort nicht ergriff, tat es schließlich Crocodile. „Aber ich habe ja eine neue Arbeit. Meine Sekretärin Robin hat mich Franky, dem Geschäftsführer von Tom's Workers vorgestellt. Ich... ähm... ich verdiene dort zwar etwas weniger als zu meinen Zeiten bei der Bank... aber ich fühle mich dort sehr wohl. Franky ist nett und die anderen Kollegen auch. Und...“ „Warum hast du mich angelogen?“ Doflamingos Stimme war leise, doch seine Worte versetzten Crocodile einen Stich ins Herz. Er spürte, dass sein Ehemann ein Stück von ihm und Nozomi abrückte. Als Crocodile es noch immer vermied die Blicke zu kreuzen, umfasste Doflamingo mit der rechten Hand seinen Unterkiefer und zwang ihn dazu aufzublicken. Es war kein harter Griff, doch Crocodile kam diese Berührung übergriffig, fast schon gewaltsam vor. Es kostete ihn extrem viel Überwindung in die grünen Iridien seines Partners zu blicken. Wie immer, wenn Doflamingo seine Sonnenbrille nicht trug, überkam Crocodile das Gefühl geröntgt zu werden. „Du hast mir erzählt, dass du vor zwei Wochen ein Bewerbungsgespräch bei Tom's Workers hattest. Dass du in der Bank schikaniert wirst und deswegen wechseln möchtest. Wieso hast du mir nicht von Anfang an die Wahrheit erzählt? Crocodile!“ „Ich... ich wollte nicht, dass du davon erfährst...“ Wieder kamen ihm die Worte über die Lippen, ohne dass er es verhindern konnte. „Ich dachte, ich könnte meine Probleme allein lösen. So wie immer... Ich... ich wollte mich nicht vor dir blamieren.“ Doflamingos Finger ließen sein Kinn los, streichelte stattdessen über seine Wange. „Du brauchst dich nicht dafür zu schämen, dass du gefeuert wurdest“, sagte sein Ehemann mit sanfter Stimme. Der zärtliche Ton war wie Balsam für Crocodiles Seele. „Ich hätte Verständnis für dich aufgebracht... versucht dir zu helfen. Es tut weh, zu wissen, dass du mir so wenig Vertrauen entgegenbringst, Crocodile. Immerhin sind wir beide verheiratet.“ „Ich weiß“, erwiderte er. Seine Zunge fühlte sich schwer an und in seinem Hals steckte ein dicker Kloß. „Das ist mir selbst auch klar geworden. Ich wollte es dir sagen... Aber irgendwie hat sich die Situation nicht ergeben. Und die Zeit ging ins Land und... und da konnte ich es dir nicht mehr sagen.“ Doflamingo ließ von seiner Wange ab, runzelte die Stirn, warf ihm einen abschätzenden Blick zu, der mehr schmerzte als jeder Fausthieb es getan hätte. Schließlich wollte er wissen: „Von was für einem Zeitraum sprechen wir hier, Crocodile? Wie lange hast du mich angelogen?“ Als Crocodile nicht antwortete, griff er nach seinem rechten Arm und schüttelte diesen. „Wie lange?! Crocodile! Sag es mir!“ Nozomis Hand rutschte von Crocodiles Daumen und seine Nichte fing angesichts der plötzlich gekippten Stimmung zu weinen an. Als Doflamingos Blick auf das brüllende Kind fiel, ließ er den Arm seines Partners wieder los. „Das Ganze ist vor etwas mehr als einem Jahr passiert.“ Seine Worte schlugen ein wie eine Bombe. Das pure Entsetzen, das in Doflamingos grünen Augen lag, war schlimmer als jede Reaktion, auf die Crocodile sich eingestellt hatte. Er nahm es selbst gar nicht wahr als Tränen auf der Bettdecke in seinem Schoß landeten. „Du... du hast mich ein Jahr lang angelogen?“ Doflamingos Stimme war wie Säure. „Du hast versprochen, dass du nicht wütend wirst...“ Seine Worte wurden vom lauten Weinen seiner Nichte beinahe übertönt. „Wie, bitteschön, soll ich denn sonst reagieren?!“, schleuderte Doflamingo ihm geradezu vor Wut schäumend entgegen. „Mein Ehemann hat mich ein Jahr lang angelogen! Jedes Mal, wenn ich dich gefragt habe wie heute die Arbeit war, hast du gelogen! Jeden Tag bist du zu einem komplett anderen Arbeitsplatz gefahren als du mir weißgemacht hast! Und warum? Darum! Es gibt keinen vernünftigen Grund für deine Lügen!“ „Ich habe mich geschämt!“ Nun brüllte auch Crocodile. Er fühlte sich von seinem Partner in die Ecke gedrängt. „Sag mir: Wie hätte ich meinem Freund, der ein erfolgreicher Multimillionär ist, erklären sollen, dass mein monatlichen Einkommen von einem Moment auf den nächsten auf null gesunken ist?!“ „Dein verdammtes Geld ist mir scheißegal“, schrie Doflamingo. Eine Ader pulsierte an seiner Stirn. „Ich brauche das Geld meines Freundes nicht. Ich habe selbst mehr als ich in zehn Leben ausgeben könnte. Aber... aber dass du mir so wenig Vertrauen entgegenbringst... dass du mir so erst ein Jahr später erzählst... Ich... das kann ich nicht verstehen!“ Nun flossen auch Doflamingo Tränen über das Gesicht. Ob aus Wut oder Trauer vermochte Crocodile nicht zu sagen. „Wann hätte ich es dir denn erzählen sollen?“ Nun ging Crocodile in die Defensive. Er fühlte sich von seinem Ehemann ungerecht behandelt. „Als du mich gefragt hast, ob ich bei dir einziehen möchte? Als du mir einen Antrag gemacht hast? Als wir geheiratet haben? Oh, das sind alles wirklich tolle Gelegenheiten gewesen. Ach übrigens, Doffy, ich hab meine Arbeit verloren. Keine Ahnung, wie ich meine Designer-Wohnzimmermöbel bezahlen soll, die ich gekauft habe. Oh, und klar, gerne: Der Stein in meinem Ehering soll grüner Musgravite sein. Wow! Das klingt wirklich nach einem ganz wunderbaren Gespräch!“ „Was glaubst du denn wie ich reagiert hätte?“ Doflamingo war leiser geworden, doch beruhigt hatte er sich keineswegs. „Meinst du, ich hätte dich verachtet? Dich ausgelacht?“ „Keine Ahnung...“ Crocodile schluckte. Verzweifelt ließ er sein Blick zwischen seinem Ehemann und seiner weinenden Nichte hin- und herschweifen. „Ich... ich wollte es dir sagen. Das wollte ich wirklich! Mir war schon lange klar, dass du mich deswegen nicht abwerten würdest. Aber irgendwie... es wurde alles so viel. Ich hatte dann erfahren, dass du noch viel reicher bist als ich ursprünglich gedacht hatte... Dass du eigene Privat-Jets und Yachten besitzt... und... ich fühlte mich neben dir wie ein wertloser Versager. Und jedes Mal, wenn ich dir erzählen wollte, was los war, wurde es schlimmer. Also habe ich mich immer weiter in meinen Lügen verstrickt. Irgendwann wusste ich einfach nicht mehr, wie ich mich aus diesem Netz aus Lügen befreien könnte.“ „Wani...“ Seinen Kosenamen zu hören war ein wundervolles Gefühl. Mit der rechten Hand griff Doflamingo nach der seinen, mit der linken versuchte er die noch immer brüllende Nozomi ein wenig zu beruhigen. „Du bist kein Versager. Ich begreife nicht, wie du jemals zulassen konntest, dass sich diese Gedanken in deinem Kopf ausbreiten. Du bist ein wundervoller Mensch. Ich liebe dich. Und mir ist es egal, ob du viel oder wenig Geld hast.“ „Es ist nur...“ Crocodile windete sich aus der Berührung seines Partners, um sich mit der rechten Hand über sein tränennasses Gesicht zu fahren. „Wie wirkt das denn auch, wenn die Leute plötzlich erfahren hätten, dass ich kein Geld mehr habe? Kluger Junge, er nutzt die Gefühle seines reichen Lovers aus, um an sein Vermögen zu kommen und solche Dinge würden sie sagen. Ich... das wollte ich nicht.“ „Niemand außer Gecko Moria sagt solche Dinge“, versuchte Doflamingo ihn zu trösten. „Und auf Gecko Moria gebe ich einen Scheißdreck.“ „Ich wollte nie, dass es soweit kommt“, sagte Crocodile und senkte den Blick. „Ich... Am Anfang, da waren wir beide gerade erst sechs Monate zusammen, da wollte ich es dir nicht sagen. Das Vertrauen war noch nicht groß genug. Später, als wir beide verlobt und dann verheiratet waren, habe ich bereut, dass ich nicht von Anfang an ehrlich zu dir war, Doffy. Es war nie meine Absicht... Ohne dass ich es wollte, führte eine Lüge zur anderen...Wie ein Netz, das mich nach und nach erstickte... Ich... Es tut mir leid, Doffy! Es... tut mir leid!“ Und ehe Crocodile sich versah, lag er in Doflamingos Armen. Er konnte gerade noch verhindern, dass er mit dem Knie gegen Nozomi, die immer noch zwischen ihnen auf dem Bett lag, stieß. Er weinte, schluchzte und schniefte bitterlich, doch für nichts in der Welt wollte er das Gefühl von Doflamingos Armen, die seinen Oberkörper umklammerten, aufgeben. Sie lösten sich erst dann wieder voneinander, als Nozomis Weinen so bitterlich wurde, dass man es nicht mehr länger unbeachtet lassen konnte. Behutsam hob Crocodile seine kleine Nichte hoch und versuchte sie zu beruhigen, indem er sie langsam hin- und herwiegte. Doflamingo warf nur einen kurzen Blick auf Nozomi, ehe er erneut in das Gesicht seines Partners schaute. Crocodile, der Doflamingos unangenehmen Röntgtenblick nie lang standhalten konnte, runzelte die Stirn. „Was ist?“, fragte er mit schwacher Stimme. „Ist das alles gewesen?“ „Was meinst du damit?“ „Dass Sengoku dich rausgeworfen hat... das ist alles gewesen?“ „Wenn du es so ausdrückst, klingt es fast wie eine Bagatelle“, erwiderte Crocodile. „Es... Ich... Sicher habe ich dir erzählt, dass ich erst eineinhalb Jahre, bevor ich dich kennenlernte, in meine Loft-Wohnung gezogen war. Es gab einige Dinge, die ich noch nicht bezahlt hatte. Designer-Möbel und andere Sachen... Die Forderungen saßen mir natürlich die ganze Zeit über im Nacken.“ „Und ich habe dich dazu gedrängt bei mir einzuziehen und all deine Möbel zurückzulassen...“ „Es waren nicht nur Möbel“, versuchte Crocodile seinen Ehemann angesichts seiner Gewissensbisse zu trösten. „Sondern?“, hakte Doflamingo sogleich hastig nach. „Sondern was?“, gab Crocodile irritiert zurück. „Das... das ist alles?“ Doflamingo sah ihm tief in die Augen. Selbst Nozomi, die sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben schien, schien von diesem intensiven Blick wieder aufgewühlt zu werden. „Das, was du mir eben erzählt hast, ist alles gewesen, was dich belastet? Nichts weiter?“ „Nein, nichts weiter“, sagte Crocodile. Und da fing sein Ehemann plötzlich laustark zu lachen an. Doflamingo hielt sich beide Hände vor den Mund, als wollte er das Lachen daran hindern zu entkommen, doch es gelang ihm nicht. Wie ein Verrückter lachte er aus vollem Halse. Crocodile, der bei seinen exzentrischen Partner schon die eine oder andere seltsame Eigenart hatte beobachten können, wusste überhaupt nicht wie er dieses Verhalten einordnen sollte. Mit besorgtem Gesichtsausdruck musterte er Doflamingo, dessen lautes Gelächter sich inzwischen in ein verrücktes Kichern verwandelt hatte. Irgendwann beruhigte Doflamingo sich wieder. Zumindest einigermaßen. Er warf Crocodile das breiteste Lächeln zu, das dieser jemals gesehen hatte. „Ich freue mich so sehr“, sagte er und klang tatsächlich als wäre ihm soeben ein schwerer Stein vom Herzen gefallen. „Und wieso?“ Crocodile konnte beim besten Willen kein Grund zur Freude erkennen. Doflamingo hatte erfahren, dass er ihn ein Jahr lang angelogen hatte. Und Nozomi würden sie wahrscheinlich mit einem schweren Traumata an Hancock zurückgeben müssen. Insgesamt waren das alles andere als Anlässe, um laut zu lachen. „Ich bin froh, dass es nur um Geld ging“, meinte Doflamingo, der noch immer selig lächelte. „Um Geld brauche ich mir keine Sorgen zu machen.“ „Was meinst du damit?“, wollte Crocodile wissen. Für ihn sprach sein Ehemann in Rätseln. „Nun...“ Doflamingo senkte den Kopf ein klein wenig. Sein Stimme wurde leise und sein Blick wurde weich. Er erweckte einen eigenartig melancholischen Eindruck. „Ich habe natürlich gemerkt, dass mit dir etwas nicht stimmt. Um ehrlich zu sein, habe ich mir schreckliche Sorgen gemacht. Du.. du hattest in letzter Zeit so oft Magenschmerzen... und so viel Gewicht verloren... Ich hatte die Befürchtung, dass du vielleicht krank bist. Weißt du, ich habe mit Law gesprochen und er sagte mir, dass es ganz schön viele schlimme Erkrankungen gibt, die mit dem Magen zusammenhängen können...“ „Du hast geglaubt, dass ich schwer krank sei...?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Es war nur eine Vermutung... Du hast auch die eine oder andere Andeutung in dieser Richtung fallengelassen... Oder zumindest habe ich mir eingebildet, dass du das getan hättest...“ „Es geht mir gut!“ Crocodiles Stimme hatte lauter geklungen als beabsichtigt. Er schreckte selbst zusammen. „Ich... Ich bin nicht krank. Ich meine... früher oder später wird mich das Rauchen wahrscheinlich ins Grab bringen, aber... ansonsten, nein, mir geht es gut.“ Und ohne dass er es verhindern konnte, brachen erneut die Tränen aus ihm hervor und liefen über sein Gesicht. Kapitel 30: Kapitel 15 (zensiert) --------------------------------- Seit drei Wochen war Crocodile ein verheirateter Mann. Und um ganz ehrlich zu sein, hatte sich bisher nur sehr wenig für ihn verändert. Er fuhr jeden Morgen mit seinem Mercedes C 216 zu Tom's Workers und kehrte jeden Nachmittag nach Hause zurück, um gemeinsam mit Doflamingo zu essen. Am Wochenende wurde er hin und wieder zu einem Disko- oder Kino-Besuch genötigt, doch auch das war nicht außergewöhnlich. Einmal passierte es ihm bei der Arbeit, dass er einen wichtigen Vertrag mit Sir Crocodile statt Donquixote Crocodile unterschrieb, doch dieses Problem war schnell beseitigt, indem er die entsprechende Seite ein zweites Mal ausdruckte. Dieser Fehler passierte ihm nur einmal, auch wenn der Name auf dem Papier noch immer einen seltsam fremden Eindruck auf ihn machte. Sein Leben wäre perfekt, würde nicht immer wieder die Angst an seinen Eingeweiden nagen. Crocodile hatte den Entschluss, den er auf seiner Hochzeitsfeier gefasst hatte, nicht vergessen. Doch umgesetzt hatte er ihn auch noch nicht. Immer wieder ging er im Kopf die verschiedenen Szenarien durch: Doflamingo, der vor Wut schäumte und ihn aus der Villa warf. Doflamingo, der kaum fassen konnte, was er da hörte, und darauf wartete, dass Crocodile „April April!“ rief. Und sogar Doflamingo, der in Tränen ausbrach und ihm mit verzweifelter Stimme vorwarf ein Lügner und Betrüger zu sein. Doch er konnte seinen Partner nicht ewig belügen. Irgendwann würden alle Unwahrheiten in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Crocodile wusste, dass es besser war, wenn er selbst auf Doflamingo zuging und ihm die Wahrheit erzählte. Wenn es doch nur nicht so viel Überwindung kosten würde... * Er stand gerade unter der Dusche, shampoonierte sein dunkles Haar ein und sinnierte darüber, wie er Doflamingo möglichst behutsam an die Wahrheit heranführen könnte, als ebenjener auf einmal hektisch an die Badezimmertüre klopfte. „Crocodile? Crocodile! Hörst du mich?“ Unweigerlich spürte Crocodile, wie sich ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete. Sein Ehemann sprach ihn nur dann mit seinem richtigen Namen an, wenn es um eine ernste Sache ging. „Ja“, gab er zurück und bemühte sich um einen selbstsicher klingenden Tonfall. „Was ist denn?“ „Beeil dich!“, erwiderte Doflamingo wie aus der Pistole geschossen. „Mihawk hat mich gerade angerufen. Bei Hancock haben Wehen eingesetzt! Wir müssen sofort ins Krankenhaus!“ Crocodile unterdrückte ein erleichtertes Aufseufzen. Dass seine jüngere Schwester ihr Baby zur Welt brachte, sah er persönlich nicht unbedingt als Grund an, um sich uso schnell wiemöglich das Shampoo aus den Haaren zu waschen und sich unverzüglich auf den Weg zu machen. Doch er war sich sicher, dass sein Partner eine ganz andere Ansicht vertrat. „Nun mach schon!“, herrschte Doflamingo, als Crocodile nichts weiter sagte. „Ich will los!“ „Warum hast du es so eilig?“, gab er zurück. „Warum ich es so eilig habe?“, wiederholte sein Ehemann mit ungläubiger Stimme. „Oh, ich weiß nicht: Vielleicht weil meine Schwägerin jetzt gerade ihr Baby auf die Welt bringt?! Verdammt nochmal, Croco, jetzt steig endlich aus der Dusche und zieh dich an!“ „Wir dürfen doch wahrscheinlich sowieso überhaupt nicht mit in den Kreißsaal. Ganz abgesehen davon, dass Hancock das vielleicht auch gar nicht möchte. Es nützt also nichts, wenn wir jetzt schon ins Krankenhaus fahren.“ Jedenfalls konnte Crocodile sich gut vorstellen, dass es angenehmere Dinge gab, als von drei Männern beobachtet zu werden, während man unter schrecklichen Schmerzen ein Kind aus seinem Unterleib herauspresste. In der neunten Klasse hatte er sich im Biologie-Unterricht einmal ein Geburts-Video ansehen müssen. Und auch wenn dies nun schon etwa zwanzig Jahre her war, erinnerte er sich noch überraschend genau an einige Details. (Dieser Tag war der erste, aber bei weitem nicht letzte gewesen, an dem er Gott dafür dankte, ihn nicht zu einer Frau gemacht zu haben.) „Hancock freut sich bestimmt, wenn wir kommen“, versuchte Doflamingo unbeirrt auf ihn einzureden. „Sie hat doch keinen außer uns. Es wird sie aufmuntern, wenn wir ihr beistehen.“ „Ist ja gut“, gab Crocodile klein bei. Er wusste aus Erfahrung, dass es am Ende nichts bringen würde, seinem Ehemann zu widersprechen. Wenn Doflamingo sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es kein Entrinnen mehr. „Aber gib mir wenigstens zehn Minuten, um mir die Haare zu föhnen. Ich möchte nicht mit nassen Haaren losfahren.“ „Von mir aus“, hörte er Doflamingo unwillig sagen. „Aber beeil dich, ja?! Nicht dass wir dort auftauchen und das Kind ist längst schon auf der Welt!“ Augenrollend wusch Crocodile das Shampoo aus. Man könnte glatt meinen, dachte er teils belustigt, teils genervt, dass Doflamingo derjenige wäre, der ein Kind bekam. Es stellte sich heraus, dass Hancock noch nicht im Kreißsaal lag. Stattdessen war sie in einem Zweibett-Zimmer untergebracht, das im Moment allerdings sie allein belegte. Sie lächelte, als Crocodile und sein Ehemann hereinkamen. Mihawk saß auf einem Stuhl an ihrem Bett. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, stürzte Doflamingo sich sofort breit lächelnd auf seine Schwägerin. „Hancock, wie geht es dir?“, fragte er sie aufgeregt und ergriff ungefragt ihre Hand. „Ich bin okay“, antwortete sie und erwiderte sein Lächeln. Crocodile bemerkte, dass ihre Stirn feucht glänzte. „Die Wehen kommen in Abständen von ein paar Minuten. Hoffentlich läuft nachher alles gut.“ „Mit Sicherheit“, sagte Doflamingo sofort und drückte aufmunternd ihre Hand. „Ist das Baby denn schon in der richtigen Position?“ „Es bringt sich gerade noch in die Schädellage“, erklärte Hancock. „Eine Hebamme hat das eben überprüft.“ „Sehr schön“, trällerte Doflamingo, ohne Hancock loszulassen. Crocodile, der nur Bahnhof verstand, wandte sich derweil an seinen Bruder. „Gehst du nachher mit Hancock in den Kreißsaal? Oder möchte sie das Baby ohne Publikum auf die Welt bringen?“, fragte er ihn. Sie hatten vorher noch nicht über dieses Thema gesprochen gehabt. „Sie hat mir gesagt, dass sie gerne dich dabei haben möchte“, sagte Mihawk mit ruhiger Stimme und ohne seinem Blick auszuweichen. Crocodiles blieb der Atem weg. Seine Brust fühlte sich an als hätte jemand mit voller Wucht dagegen getreten. „Mich?“, japste er panisch. „Aber... Ich... das geht nicht! Ich kenne mich doch gar nicht aus mit... mit Babies bekommen... Doflamingo ist derjenige, der zig Bücher zu diesem Thema verschlungen hat!“ Hilfesuchend blickte er zu seinem Ehemann hinüber, der sich noch immer mit Hancock unterhielt. Mihawk zuckte mit den Schultern. „Da musst du Hancock fragen, nicht mich“, sagte er schließlich. Sofort stürzte Crocodile zu seiner hochschwangeren Schwester hinüber. Sie verzog gerade schmerzerfüllt das Gesicht (eine Wehe?), als Crocodile unvermittelt zu ihr meinte: „Willst du wirklich, dass ich mit in den Kreißsaal komme? Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist! Vielleicht sollten lieber Mihawk oder Doflamingo mit dir gehen!“ Die Wehe schien abzuflauen. Hancocks Gesichtszüge entspannten sich wieder. „Möchtest du nicht dabei sein?“, fragte sie ihn mit verwunderter Stimme. „Naja“, gab Crocodile verunsichert zurück. „Ich weiß nicht, ob ich der richtige Mann dafür bin. Ich kenne mich überhaupt nicht aus mit... mit Wehen... und dem Pressen... der richtigen Atmung... und, naja, mit allem eben. Bestimmt ist es besser, wenn Doflamingo bei dir ist. Er weiß viel mehr als ich über diese Dinge!“ Plötzlich brach Hancock in Gelächter aus. „Keine Sorge“, meinte sie. Ihr Atem ging schwerer als üblich. „Ich bin diejenige von uns, die die Wehen ertragen und das Baby herauspressen muss. Du sollst nur danebenstehen. Also gibt es keinen Grund, um in Panik auszubrechen, ja?“ „Aber warum soll denn ausgerechnet ich dabei sein? Warum nicht Doflamingo? Oder Mihawk?“ „Am liebsten hätte ich euch alle im Kreißsaal mit dabei, aber die Hebamme meinte, das wäre nicht möglich“, erklärte Hancock ihm. „Normalerweise ist nämlich nur eine Begleitperson erlaubt.“ „Das ist kein Problem“, schaltete sich plötzlich Doflamingo ein. „Ich kann mit der Stationsleitung sprechen. Dann werden wir auch zu dritt in den Kreißsaal gelassen.“ „Möchtest du die Leute hier etwa bestechen?“, fragte Crocodile und kreuzte die Arme vor der Brust. Er wusste nicht so recht, was er von diesem Vorschlag halten sollte. Doch sein Ehemann schüttelte den Kopf. „Nicht nötig“, meinte er und präsentierte breit grinsend seine weißen Zähne. „Zufälligerweise gehört mir die Miracle-Sakura-Klinik. Ich bin mir sicher, dass man mir hier keinem Wunsch abschlagen wird.“ „Das hatte ich ganz vergessen“, gab Crocodile perplex zu und beobachtete, wie Doflamingo rasch das Zimmer verließ, um die Stationsleitung ausfindig zu machen. Crocodile hielt ihn nicht auf. Wenn er ehrlich war, dann beruhigte ihn die Vorstellung, dass er seiner Schwester nicht ganz allein würde beistehen müssen. Es dauerte Stunden. Stunden, ehe Hancock in den Kreißsaal verlegt wurde. Und weitere Stunden, in denen sie presste. Es war neunzehn Uhr gewesen, als Doflamingo und Crocodile im Krankenhaus angekommen waren. Inzwischen zeigte die Uhr fast halb zwei nachts an und noch immer war seine Nichte nicht auf der Welt. Crocodile fragte sich, ob es normal war, dass eine Geburt so unfassbar lange dauerte. Doch als er die Hebamme darauf ansprach, erklärte diese ihm freundlich, dass die erste Geburt einer Frau durchschnittlich dreizehn Stunden lang dauerte. Crocodile, der sich in spätestens sechseinhalb Stunden auf den Weg zur Arbeit machen musste, hoffte, dass Hancock sich nicht ganz so viel Zeit lassen würde. Es war kurz vor drei in der Früh, als seine Schwester es endlich geschafft hatte. Ein knallrotes, mit Schleim und Blut überzogenes Kind kam laut schreiend auf die Welt. Crocodile schlich vorsorglich hinüber zu dem Mülleimer, der in der Ecke neben der Tür stand. Sein Magen fühlte sich schrecklich flau an. Wer hatte noch einmal behauptet die Geburt eines Menschen sei wunderschön? Crocodile jedenfalls war sich sicher, dass derjenige niemals bei einer echten Geburt mit dabei gewesen war. Leider kam Crocodile nicht so leicht davon wie er es sich gewünscht hätte. Die Hebamme, die Hancock ihre neugeborene Tochter auf die Brust gelegt hatte, hielt ihm auffordernd eine Schere hin. Crocodile brauchte einen Augenblick, um eins und eins zusammenzuzählen. „I-ich soll die Nabelschnur durchschneiden?“, fragte er verdattert nach, doch nahm nichtsdestotrotz die Schere entgegen. Zögerlich schritt Crocodile zu Hancock und seiner Nichte hinüber. Die Hebamme hatte mit einem weichen Tuch den größten Teil des Bluts und des Schleims abgewischt. Trotzdem musste er sich ernsthaft zusammenreißen, damit sich ihm beim Anblick des Säuglings nicht der Magen umdrehte. Die Nabelschnur, die dick und bläulich am Bauch des kleinen Mädchens klebte, schaute nicht sonderlich appetitlich aus. Weil alle Blicke auf ihn gerichtet waren, gab Crocodile sich einen Ruck und schnitt rasch die Nabelschnur durch. Anschließend klippte die Hebamme an den kleinen Rest, der am Bauch kleben blieb, einer Klemme, mit der man seiner Ansicht nach genausogut auch eine angebrochene Corneflakes-Packungen hätte wiederverschließen können. „Hast du dir schon einen Namen überlegt?“, fragte Mihawk leise. Hancock, die völlig erschöpft wirkte und ihre Augen nicht von ihrer neugeborenen Tochter lassen konnte, schüttelte langsam den Kopf. „Ich hab mich noch nicht entschieden“, antwortete sie mit ungewohnt kratziger Stimme. Weil er gemeinsam mit Mihawk und Doflamingo noch bis frühmorgens bei seiner Schwester und seiner neugeborenen Nichte im Krankenhaus blieb, fühlte Crocodile sich im Büro ziemlich gerädert. Offenbar merkte man ihm an, dass er nicht sonderlich viel geschlafen hatte, denn Kiwi und Mozz fragten ihn kichernd, ob er die Nacht in einer Diskothek verbracht hätte. Crocodile schnaubte. Er war ein sehr verantwortungsbewusster, fleißiger Mitarbeiter und ging nie feiern, wenn er wusste, dass er am nächsten Morgen zur Arbeit musste. Doch wahrscheinlich waren sich die beiden Sekretärinnen dessen bewusst und wollten ihn bloß necken. „Ich bin gestern Nacht das erste Mal Onkel geworden“, erklärte er nichtsdestotrotz. „Oh? Wirklich?“, kreischte Kiwi sofort begeistert. „Davon hast du uns ja gar nichts erzählt!“, fügte Mozz in einem anklagenden Tonfall hinzu. „Nun ja, ich bin nur Onkel geworden, nicht Vater“, verteidigte Crocodile sich. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die beiden Sekretärinnen ein solch großes Interesse an seinem Privatleben zeigen würden. Ihn persönlich juckte es stets herzlich wenig, wenn irgendein Arbeitskollege Urlaub in den USA machte, eine neue Frau kennengelernt hatte oder sich einen Hund zulegte. Klatsch und Tratsch waren nie seine Stärken gewesen. „Junge oder Mädchen?“, fragte Kiwi sofort. „Mädchen.“ „Hat sie schon einen Namen?“ „Nein, noch nicht.“ „Hauptsache die kleine Maus ist gesund! Wie sind denn Größe und Gewicht?“ „Ähm, das habe ich mir nicht gemerkt“, gestand Crocodile, der sich ein wenig überfordert fühlte. Warum wollten denn die beiden Sekretärinnen so viel über ein Baby wissen, das sie überhaupt nicht kannten? War dies eine der Sachen, die man nur verstand, wenn man selbst eine Frau war? Mozz gab einen entrüsteten Pfeiflaut von sich und stemmte beide Hände in die Hüfte. „Crocodile!“, schimpfte sie mit ihm, „so etwas weiß man doch, wenn man bei einer Geburt mit dabei gewesen ist!“ „Beruhige dich, Mozz“, versuchte ihre Zwillingsschwester die Wogen wieder zu glätten. „Das Wichtigste ist doch, dass das Baby gesund und munter ist. Möchtest du uns nicht ein Foto von ihr zeigen, Crocodile? Neugeborene haben immer so zerknautschte Gesichter, total niedlich!“ „Ich... naja... ich habe auch kein Foto gemacht. Aber...“ Crocodile schluckte, als er Mozz' entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte. „Aber bestimmt hat Doflamingo mir sowieso welche geschickt.“ Als Crocodile auf sein Handy blickte (der Display war noch immer zersplittert), stellte er erleichtert fest, dass sein Ehemann ihm tatsächlich einige Schnappschüsse zugesendet hatte. Rasch hielt er seinen beiden neugierigen Arbeitskolleginnen ein Foto unter die Nase, auf dem seine Nichte gekleidet in einen rosafarbenen Strampelanzug zu sehen war. Crocodile konnte die begeisterten „Aww!“-Laute von Kiwi und Mozz nicht so recht nachvollziehen (seiner Meinung nach hatte seine Nichte auf dem Bild gewisse Ähnlichkeit mit einem hellen Laib Brot oder einer gekochten Kartoffel), doch zumindest wurde er den restlichen Arbeitstag über von den beiden in Ruhe gelassen. Es wunderte Crocodile nicht, dass Doflamingo am liebsten jede freie Minute mit ihrer kleinen Nichte verbringen wollte. Mehrmals pro Woche überredete er ihn zu einem Besuch bei Hancock. Dann machten sie alle zusammen einen kleinen Kaffeeklatsch, erledigten den Haushalt und hielten das kleine Baby, das noch immer keinen Namen hatte, abwechselnd im Arm. Zu Beginn war Crocodile noch sehr ängstlich im Umgang mit seiner Nichte gewesen. Sie war absolut winzig und wirkte zerbrechlich wie trockenes Laub. Er musste sich ernstlich zusammenreißen, um nicht nervös loszubrabbeln, als seine Schwester ihm das kleine Baby zum ersten Mal in den Arm legte. Als irgendwann zu ihm durchdrang, dass Kinder doch robuster waren als zuerst gedacht, wurde er sicherer bei allem, was mit der Kleinen zutun hatte. „Hast du dich endlich für einen Namen entschieden?“, fragte Crocodile, während er seiner Nichte sanft über den von einem dünnen Pflaum Haare bedeckten Kopf streichelte. Sie trug heute einen der zahlreichen Strampelanzüge, die Doflamingo und er ihr bei der Schwangerschafts-Party geschenkt hatten. Es war ein furchtbar hässliches Modell (Altrosa mit aufgenähten Rüschen). Um ehrlich zu sein, war Crocodile sich sicher, dass Hancock ihr dieses furchtbare Ding bloß angezogen hatte, um Doflamingo eine Freude zu machen. „Noch nicht“, erklärte seine Schwester, die unruhig an ihrer Tasse Tee nippte. Ihre Augen waren bläulich umschattet und ihre ansonsten makellose Haut wirkte ein wenig blasser als üblich. Offensichtlich raubte ihre Tochter ihr viel Schlaf. „Aber muss man denn den Babies keine Namen geben, bevor man sie mit nach Hause nimmt?“ „Im Krankenhaus wurde mir gesagt, dass ich mir ruhig noch ein bisschen Zeit lassen könnte.“ Crocodile wendete sich wieder dem Säugling in seinem Schoß zu. Allmählich ähnelte das kleine Mädchen immer weniger einem zerknautschten Lederball. Er erwischte sich dabei wie er hoffte, dass sie später mehr wie Hancock und weniger wie Luffy aussehen würde. „Es gibt einige Namen, die in der engeren Auswahl sind“, fuhr Hancock mit leiser Stimme fort. „Aber es ist nicht leicht sich zu entscheiden.“ „Welche denn?“ hakte Doflamingo sofort nach. Er machte eine Geste, die bedeutete, dass Crocodile ihre Nichte an ihn weitergeben sollte. „Nun ja, ich denke, Aiko wäre ein ganz guter Name. Oder Kazumi. Ruri klingt auch nett.“ „Wie wäre es mit Nozomi?“, schlug Crocodile vor, während er das kleine Mädchen behutsam in den Schoß seines Ehemanns legte. „Das bedeutet Hoffnung.“ „Nozomi...“, wiederholte Hancock bedächtig. „Das ist ein wirklich schöner Name. Gut, dann heißt sie nun Nozomi.“ Crocodile hatte nicht damit gerechnet, dass seine Schwester den Namensvorschlag so schnell und widerstandslos annehmen würde, doch widersprach nicht. Er wusste selbst zwar nicht, wie er so plötzlich auf diesen Namen gekommen war, doch er fand, dass er gut passte. Es dauerte nicht lange, ehe Nozomi zu schreien begann. Mit einem rücksichtsvollen Lächeln gab Doflamingo sie an ihre Mutter zurück. „Das war nur eine Frage der Zeit“, meinte Hancock leise seufzend. „Immerhin hat sie drei Stunden am Stück geschlafen. Ich glaube, das ist ein neuer Rekord.“ * „Ich habe eine Überraschung für dich“, kündigte Doflamingo mit absolut freudestrahlendem Gesicht an. Crocodile, der gerade erst von der Arbeit heimgekommen war und eigentlich bloß seine Ruhe haben wollte, unterdrückte ein genervtes Seufzen, ehe er erwiderte: „Danke, aber ist das dringend? Weiß du, ich hatte heute wirklich sehr viel zu tun und würde gern duschen...“ „Papperlerpapp“, unterbrach ihn sein Ehemann und machte eine wegwerfende Handbewegung. Noch immer zierte ein breites Grinsen seine Lippen. „Wenn ich geduscht habe...“ Doch Doflamingo ließ keine Ausrede durchgehen. Aufgeregt ergriff er Crocodile rechte Hand und lotste diesen in einen Gang, der rechts vom Foyer abzweigte. Hierher verschlug es sie beide eher selten. (Zu Beginn hatte Crocodile es ziemlich seltsam gefunden, dass es Orte innerhalb der Villa gab, an denen sowohl Doflamingo als auch er sich nicht oft aufhielten. Doch irgendwann hatte er sich an diesen Umstand gewöhnt. Wirklich regelmäßig nutzten sie eigentlich nur ihr Wohn-, Schlaf- und Esszimmer sowie Crocodiles Raum. Und natürlich das große Badezimmer, das an das Schlafzimmer angrenzte.) Vor einer recht unscheinbar wirkenden Türe blieben sie stehen. Crocodile, der sich immer mehr nach einer entspannenden Dusche sehnte, ließ seinen irritierten Blick zwischen seinem Partner und der Holztüre hin- und herschweifen. „Mach deine Augen zu“, befahl Doflamingo mit sanfter Stimme. Crocodile erlaubte sich einen ungeduldigen Seufzer, doch tat wie ihm geheißen. Anschließend öffnete Doflamingo die Türe und führte ihn bedächtig hindurch. Als er seine Augen wieder öffnen durfte, erblickte Crocodile etwas, womit er unter keinen Umständen gerechnet hätte: Er befand sich in einer (zugegebenermaßen sehr hübschen) Küche. Mit hochgezogener Augenbraue schaute er sich um. Die Fronten der Schränke waren hell lackiert; es gab einen Gasherd und eine Spülmaschine; der Kühlschrank war zweitürig. „Und?“, hörte er seinen Ehemann aufgeregt fragen. Er schien eine begeisterte Reaktion zu erwarten. „Gefällt dir die Küche?“ „Sie ist hübsch“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Um ehrlich zu sein, begriff er nicht so recht, worauf Doflamingo hinauswollte. Er hatte ihm diese (offenbar komplett neue) Küche gezeigt. Und nun? Was wollten sie beide hier überhaupt? „Mir ist nicht entgangen, wie gern du kochst, wenn wir bei Hancock zu Besuch sind“, erklärte sein Partner ihm. „Und früher, als du noch in deiner Loft-Wohnung gelebt hast, hast du dein Essen auch immer so gern selbst zubereitet. Deswegen dachte ich mir, dass du dich über eine eigene Küche freuen würdest!“ „Du... du willst mir diese Küche schenken?“, hakte Crocodile verdattert nach. „Einfach so?“ Doflamingo nickte begeistert. „Ich habe sie nur für dich einbauen lassen“, erklärte er ihm mit fröhlicher Stimme. „Ich meine: Klar, wir haben eine Küche. Dort kochen ja unsere Angestellten für uns. Aber das ist so eine Großküche wie im Restaurant. Ich habe mir überlegt, dass du dich über eine kleinere und, nun ja, einfach heimeligere Küche eher freuen würdest.“ „Das... das wäre doch nicht nötig gewesen!“, meinte Crocodile, der nicht so recht wusste, was er sonst sagen könnte. Mit entgeisterter Miene ließ er seinen Blick über die edle Arbeitsplatte aus Marmor gleiten. Doflamingo, der seine Reaktion misszuverstehen schien, grinste breit. „Aber ich mache dir gerne eine Freude“, erwiderte er. „Erinnerst du dich noch an die Küche in deiner alten Wohnung? Ich weiß noch, wie ich dich das erste Mal Zuhause besucht habe und du mich bekocht hast.“ Crocodile nickte langsam. Er fühlte sich völlig überrollt. „Ich habe Spaghetti mit Tomaten, Feta-Käse und Oliven gemacht.“ „Dein Leibgericht“, fügte Doflamingo hinzu. „Einmal habe ich auch Lebensmittel mitgebracht und wir haben zusammen gekocht. Wirklich unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht. Es kommt mir vor wie gestern, dass wir vor dem Ofen gehockt und dem Lammfleisch beim Brutzeln zugeschaut haben.“ „Hast du dir nicht sogar in den Finger geschnitten?“ Crocodile erinnerte sich vage. „Beim Zwiebel hacken“, gab sein Ehemann ihm Recht und lachte laut über sich selbst. „Ich bin in der Küche nicht halb so geschickt wie du.“ „Wahrscheinlich hast du einfach nie gelernt zu kochen“, spielte er das Kompliment hinunter. „Du wirst doch seit frühester Kindheit von Bediensteten bekocht, oder?“ „Warum bringst du mir das Kochen nicht bei?“, bat Doflamingo ihn. „Wir könnten gleich heute anfangen. Wie wär's, wenn wir dasgleiche Gericht zubereiten wie damals: Lamm mit Gemüse und Reis?“ „Also gut, von mir aus“, ließ Crocodile sich erweichen. „Aber zuerst möchte ich duschen.“ Zusammen zu kochen machte genauso viel Spaß wie damals. Das lag vor allem daran, dass Doflamingo sich immer noch ganz genauso talentlos gab. Um eine einzige Zwiebel zu hacken, benötigte er fast zehn Minuten; das kleine Schneidemesser hielt er so unsicher in der Hand wie ein Kindergartenkind die Bastelschere. Doch es machte Crocodile nichts aus, dass die Zubereitung des Essens doppelt so lang dauerte wie sonst. Es war schön gemeinsam mit seinem Ehemann in der Küche zu stehen. Sie machten viele Scherze und unterhielten sich zwischendurch über irgendwelche Belanglosigkeiten. „Vielleicht können wir auch mal ein paar Gäste zu uns einladen“, schlug Doflamingo vor, während er die Auflaufform vorsichtig in den Ofen schob. „Ich habe noch nie für jemand Anderen gekocht; das wäre echte Premiere. Bestimmt würden sich Law und Kid oder deine Geschwister freuen.“ „Klar, warum nicht“, gab Crocodile zurück. „Ich finde den Namen, den du für das Baby ausgesucht hast, übrigens sehr schön. Das habe ich dir noch gar nicht gesagt, glaube ich. Wie bist du auf Nozomi gekommen?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht so genau. Ich fand einfach, dass der Name sich gut anhört.“ Doflamingo schmunzelte. „Es war wirklich lustig, wie aufgeregt du im Kreißsaal gewesen bist. Man hat gemerkt, dass du total überfordert warst.“ „Nun ja, ich habe auch absolut nicht damit gerechnet gehabt, dass ich dabei sein würde“, verteidigte Crocodile sich. „Davon hatte Hancock vorher nie ein Wort gesagt!“ „Ich vermute, dass es eine Art Wiedergutmachung sein sollte“, sagte sein Ehemann. „Du weißt schon, wegen eures großen Streits. Sie hat sich wirklich schlecht gefühlt deswegen.“ Crocodile rollte mit den Augen. „Diese Sache ist doch längst vergessen“, meinte er. „Ich habe ihr vergeben und fertig. Es wäre wirklich nicht notwendig gewesen, mich die Nabelschnur durchschneiden zu lassen.“ „Weiß du, das ist eine Sache, die ich sehr gern an dir mag: Du bist nicht nachtragend. Du kannst zwar wirklich wütend werden, aber wenn du jemandem vergeben hast, dann meinst du das auch ernst. Ich kann nämlich Menschen nicht ausstehen, die nach vorne hin so tun als wäre alles in Ordnung, aber hintenrum dann immer noch böse Worte fallen lassen.“ „Bist du denn nachtragend?“, fragte Crocodile mit leiser Stimme. Doflamingo hielt für einen Moment inne, ehe er mit den Schultern zuckte. „Nun ja“, meinte er mit unsicherer Stimme, „es kommt natürlich drauf an, worum es geht. Ich kann es zum Beispiel gar nicht leiden, wenn mich jemand anlügt.“ Bei dieser Aussage bildete sich automatisch ein schmerzhafter Knoten in Crocodiles Magen. „Oder wenn Leute heuchlerisch sind. Ich musste in meinem Leben leider schon sehr viele Menschen kennenlernen, die nur meines Geldes wegen mit mir befreundet sein wollten. Eine Exfreundin von mir hat mich sogar einmal bestohlen. Es ist nicht leicht mit solchen Dingen umzugehen.“ „Menschen machen Fehler“, wandte Crocodile ein. „Niemand ist perfekt. Auch wir beide nicht. Wenn derjenige bereut, was er getan hat, versuche ich immer ihm zu vergeben. Schließlich möchte ich auch, dass man mit mir nachsichtig ist, wenn ich etwas falsch gemacht habe.“ „Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“, neckte ihn Doflamingo. „Ich dachte immer, du seist nicht religiös, Croco.“ „Bin ich auch nicht“, erwiderte Crocodile pikiert. „Für mich hat das auch nichts mit Christlichkeit zu tun, sondern einfach mit Menschlichkeit. Wir... wir alle machen Fehler. Tun Dinge, die wir hinterher bereuen. Deswegen sollten wir versuchen Nachsicht zu üben, wenn Andere sich entschuldigen.“ „Wahrscheinlich hast du Recht“, meinte Doflamingo. „Aber nur, wenn es den Leuten auch wirklich leid tut! Diese Exfreundin, die mich beklaut hat, hatte absolut kein schlechtes Gewissen. Sie hat sich nur geärgert, weil ich sie erwischt habe.“ „Und wenn es anders gewesen wäre?“, hakte Crocodile nach. „Du besitzt so viele wertvolle Gegenstände... Stell dir einmal vor, dir wäre gar nicht aufgefallen, dass sie etwas gestohlen hat. Eine deiner vielen Armbanduhren zum Beispiel. Später gesteht sie dir dann, dass sie die Uhr geklaut hat und bringt sie wieder zurück. Würde ihre Reue für dich einen Unterschied machen? Oder zählt für dich nur der Diebstahl?“ „Das ist eine schwierige Frage“, sagte sein Ehemann. „Wie kommst du darauf?“ Crocodile zuckte unbeholfen mit den Schultern. „Du hast doch mit diesem Thema angefangen, oder nicht?“, meinte er schließlich. „Wenn mir meine Exfreundin etwas bedeutet hätte, dann hätte ihre Reue für mich wohl einen Unterschied gemacht“, sagte Doflamingo zum Schluss. * Weil sie wussten, dass Hancock sich darüber freuen würde, organisierten ihre beiden älteren Brüder eine Überraschungsparty zu ihrem einunddreißigsten Geburtstag. Es sollte keine große Feier werden (das wäre allein schon wegen der erst wenige Wochen alten Nozomi schwierig gewesen), doch sie machten sich wenigstens die Mühe einige Freunde einzuladen, das Haus zu dekorieren und eine schöne Geburtstagstorte zu besorgen. Hancock, die als Vorwand von ihrer besten Freundin Sondersonia zum Kaffetrinken fortgelockt wurde, war absolut begeistert, als sie zurückkehrte und die geheime Partygesellschaft vorfand. Crocodile war zwar kein sonderlich großer Freund von kitschigen Feiern, doch er freute sich für seine Schwester und gönnte ihr diesen Abend. Weil er sie in letzter Zeit sehr häufig besuchte, wusste er aus erster Hand wie nervenaufreibend die Pflege eines Neugeborenen sein konnte. Ständig musste Nozomi gefüttert, gewickelt oder getröstet werden. Er war sich sicher, dass Hancock seit der Geburt ihrer Tochter nie länger als vier Stunden am Stück geschlafen hatte. Es wäre ein schöner Abend geworden, hätte sein Bruder Mihawk nicht wieder einmal ungefragt Gecko Moria eingeladen. Normalerweise machte Crocodile keinen Hehl aus seiner Abscheu, doch um Hancocks Willen bemühte er sich darum sich anständig zu verhalten und sich Morias gehässigen Sticheleien nicht zu Herzen zu nehmen. Leider spürte Crocodile, dass sein Geduldsfaden immer dünner wurde, je länger die kleine Feier andauerte. Moria, der sich nur dann gut fühlte, wenn er andere Menschen erniedrigen konnte, machte sich einen Spaß daraus Crocodile auf den Kieker zu nehmen. „Schickes Hemd“, meinte er und stopfte sich genüsslich eine mit Torte beladene Gabel in den Mund, „hat dein Ehemann dir das gekauft?“ „Nein, hat er nicht“, erwiderte Crocodile kühl und nahm einen Schluck Wasser. Zu seinen Ungunsten hatte Gecko Moria ein echtes Talent dafür, die Schwächen seiner Mitmenschen ausfindig zu machen, ganz gleich wie gut man sie zu verbergen versuchte. Natürlich war ihm bewusst, dass Crocodiles es nicht ausstehen konnte, wenn Doflamingo ihn einlud oder ihm teure Geschenke machte. „Und freust du dich über die Geburt deiner Nichte? Ich habe gehört, du hättest im Kreißsaal beinahe gekotzt.“ Moria lachte spöttisch und schob sich ein weiteres Stück der Geburtstagstorte in den Mund. „Es war ein wunderschöner Moment.“ Lass dich nicht provozieren, redete er sich selbst gut zu. Unauffällig blickte er zu seiner Schwester hinüber, die sich mit ihren Freundinnen Sondersonia und Ran unterhielt und dabei fröhlich lächelte. Verdirb Hancock nicht die Feier. „Wirklich ein hübsches Kind, genauso schön wie die Mutter“, fuhr Moria fort. „ Hoffentlich bereit die kleine Nozomi ihrer Familie nicht so viel Kummer und Sorgen wie du deiner.“ Nun hatte Crocodile endgültig genug. Er zwang sich mit aller Kraft dazu Moria keinen bösen Blick zuzuwerfen (damit hätte er bloß bewiesen, dass seine Worte ihn trafen) und stand von seinem Platz auf. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren ging er hinüber ins Badezimmer und schloss die Türe hinter sich. Crocodile schloss für eine Weile seine Augen und bemühte sich darum Morias grausame Bemerkung einfach abzutun. Doch je länger er versuchte sich einzureden, dass ihm die Meinung dieses gemeinen Fettwanstes egal sein konnte, desto stärker wurden seine Wut und seine Frustration. Stimmte es, dass er seiner Familie oft Kummer und Sorgen bereitet hatte? Moria hat nicht Unrecht, gestand Crocodile sich schließlich ein und öffnete seine Augen wieder. Sein Blick schweifte eine Weile im feminin eingerichteten Badezimmer umher, ehe er am mit Stoff überzogenen Toilettendeckel hängenblieb. Seine Eltern hassten ihn und ignorierten seine Existenz, seitdem er sich vor ihnen geoutet hatte. Seine beiden Geschwister hatten sich furchtbare Sorgen um ihn gemacht, während es ihm einfach nicht gelingen wollte, sich aus seiner gewalttäigen Beziehung mit Enel zu befreien. Seinem Bruder Mihawk hatte er ein halbes Jahr praktisch auf der Tasche gelegen; ganz abgesehen davon, dass ihn Crocodiles fataler Motorradunfall und die Tatsache, dass es ihm so schwer gefallen war sich an ein Leben mit nur einer Hand zu gewöhnen, sehr belastet hatte. Und sein Ehemann... Wie würde Doflamingo reagieren, wenn er von seinen Lügen erzählte? Crocodile wandte den Blick vom Toilettendeckel ab und betrachtete stattdessen sein eigenes Spiegelbild. Zwei hellbraune (Doflamingo sagte immer bernsteinfarbene) Augen schauten ihn aus einem bleichem Gesicht heraus an. Mit seinem Armstumpf fuhr Crocodile bedächtig über die schmale Narbe, die quer über seine Nase verlief. Er hatte sich so sehr an diesen Anblick gewöhnt, dass er oft vergaß, dass er anders ausschaute als die meisten Menschen. Hoffentlich wird es Nozomi im Leben anders ergehen, dachte er und unterdrückte ein Seufzen. Er hatte seine kleine Nichte schneller ins sein Herz geschlossen als er es je für möglich gehalten hätte. Eines abends taten sie tatsächlich, was Doflamingo vorgeschlagen hatte: Sie luden ein paar Freunde ein und bekochten sie. Law, Kid, Kuma, Bellamy, Cirkies und Dellinger wirkten ziemlich argwöhnisch, als Doflamingo ihnen verkündete, dass er höchstpersönlich in der Küche stehen würde. (Crocodile konnte es ihnen nicht verübeln, denn immerhin hatten sich die Kochkünste seines Ehemannes nicht signifikant verbessert). Mihawk und Daz, die es durchaus gewöhnt waren von Crocodile bekocht zu werden und das Ergebnis für gewöhnlich als gut befanden, freuten sich auf leckeres Abendessen in einer geselligen Runde. Hancock, die ursprünglich ebenfalls eingeladen gewesen war, hatte kurzfristig absagen müssen, weil Nozomi Fieber bekommen hatte. „Ich bin wirklich gespannt wie das Essen wird“, neckte sie Bellamy. „Hoffentlich müsst ihr keinen Krankenwagen für mich rufen.“ „Crocodile kann ausgezeichnet kochen“, nahm Daz ihn in Schutz und nippte an seinem Wasserglas. „Als wir beide noch Studenten waren, hat sich praktisch die ganze Nachbarschaft um eine Essenseinladung gerissen.“ „Übertreib bitte nicht“, ermahnte Crocodile seinen alten Freund peinlich berührt. Gemeinsam mit seinem Mann hatte er ein recht simples Gericht zubereitet; deshalb wollte er die Erwartungen nicht zu weit nach oben schrauben. Es gab Rumpsteak-Rouladen mit grüner Pfeffersauce und diversen Beilagen. Crocodile war zwar der Meinung, dass Doflamingo den Knoblauch ein wenig feiner hätte hacken können, doch ihren Gästen schien es zum Glück trotzdem zu schmecken. „Angesichts der Tatsache, dass Doflamingo mitgeholfen hat, hätte ich es nie für möglich gehalten“, meinte Law, der gerade eine kleine Scheibe Baguette in die Pfeffersauce tauchte, „aber das schmeckt wirklich fantastisch. Ich wusste gar nicht, dass du so gut kochen kannst, Crocodile. Davon hat Doflamingo nie etwas erzählt. Und normalerweise kann er gar nicht aufhören von dir zu reden.“ Diese Aussage brachte alle Anwesenden zum Schmunzeln. Crocodile, der sich zwar über das Kompliment freute, doch gleichzeitig auch unwohl zu fühlen begann, erwiderte: „Nun ja, ich bin in letzter Zeit nicht sonderlich häufig dazu gekommen selbst zu kochen. Meistens übernehmen das Doflamingos Angestellten.“ „Ich weiß noch, wie ich früher immer von der Arbeit heimkam und du mich jeden Tag mit einem frisch gekochten Abendessen erwartet hast“, seufzte Mihawk wehmütig. „Manchmal vermisse ich diese Zeiten.“ „Vielleicht solltest du dir auch endlich mal einen Partner suchen“, sagte Doflamingo grinsend und stupste seinen Schwager mit dem Ellenbogen an. „Das sagst du so leicht“, gab Mihawk zurück. „Aber bisher habe ich noch keinen Menschen getroffen, mit dem ich mir ein dauerhaftes Zusammenleben vorstellen kann. Letzte Woche erst hatte ich eine Verabredung mit einer Frau, die anfangs einen sehr sympathischen Eindruck erweckte. Leider hat sich das Ganze hinterher als totaler Reinfall herausgestellt. Aber nun ja, so ist eben das Leben.“ „Irgendwann wirst du die Richtige finden“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern. Mihawk zuckte mit den Schultern. „Vielleicht“, sagte er schließlich. „Vielleicht auch nicht. Es geht im Leben -zumindest in meinem Leben- nicht nur darum eine Frau zu finden. Ich habe eine wunderbare Familie und eine Arbeit, die mir Spaß macht. Das ist auch einiges wert.“ „Wohl war“, stimmte Kuma, der (soweit Crocodile wusste) ebefalls single war, ihm zu. * Es war Samstagabend. Und es war das erste Mal seit über zehn Jahren, dass Crocodile Eustass Kids kleine Wohnung in der Nähe der Gold-Roger-Brücke betrat. Verwundert stellte er fest, dass sich nur wenig verändert hatte. Im Flur stand sogar noch dieselbe Kommode wie früher. Sie hatten geplant gemeinsam mit ein paar Freunden in Shakkys Bar zu gehen. Weil Kids Wohnung nicht weit entfernt war, warteten Crocodile und Doflamingo dort gemeinsam mit ihm auf Law, der noch bis zweiundzwanzig Uhr Dienst im Krankenhaus hatte und nachkommen wollte. „Möchtet ihr etwas trinken?“, fragte Kid, nachdem sie auf dem alten, gemütlichen Sofa im Wohnzimmer Platz genommen hatten. Im Fernsehen lief irgendein Musiksender, den Crocodile nicht kannte. „Ein Wasser, bitte.“ „Und für mich ein Bier!“ Während Kid kurz in der Küche verschwand, blickte Crocodile sich neugierig um. Hätte man ihm nur ein Bild dieses Wohnzimmers gezeigt und gefragt Welchen Beruf übt der Bewohner aus?, dann hätte er vermutlich ein verrückter Künstler geantwortet. Überall lagen eng beschriftete Skizzenpapiere, Stifte, Pinsel, Fläschchen mit bunter Farbe, dickes Papier und allerlei andere Dinge herum. Sogar die Tapeten waren an einigen Stellen als Leinwände zweckentfremdet worden. Unweigerlich kam Crocodile in den Sinn, wie Kid nachts aus dem Schlaf gerissen wurde, hektisch aufstand und auf dem Weg ins Wohnzimmer nach irgendwelchen Stiften oder Pinseln griff, um schnellstmöglich seine neueste Idee zu Papier zu bringen. Oder eben zur Tapete, falls kein Papier schnell genug zur Hand war. Es fiel Crocodile nicht schwer nachzuvollziehen, welchen Reiz der exzentrische Tätowierer auf Trafalger Law ausübte. „Danke“, sagte er, als Kid ihm ein Glas kühles Mineralwasser reichte. Gierig trank er es ihn zwei Zügen leer. „Law hat mir eben eine Nachricht geschrieben“, meinte Kid, während er für sich und Doflamingo zwei Bierflaschen öffnete. „Offenbar kann er sich etwas früher loseisen.“ „Großartig“, erwiderte Doflamingo gut gelaunt und stieß mit seinem Gastgeber an. Sie plauderten ein wenig über dieses und jenes, ehe schließlich Law ihr Quartett vervollständigte. Angesichts des chaotischen Zustands des Wohnzimmers warf er seinem Freund einen tadelnden Blick zu. „Du hättest ein wenig Ordnung schaffen sollen“, sagte er anstelle einer Begrüßung. „Immerhin wusstest du, dass wir Gäste erwarten.“ „Ordnung braucht nur der Dumme“, gab Kid keck zurück und schenkte Law ein warmes Lächeln, „das Genie beherrscht das Chaos.“ Daraufhin gab Law bloß einen Brummlaut von sich, ehe er hinüber in die Küche ging, um sich ebenfalls ein Bier zu besorgen. „Mir gefällt's hier“, versicherte Crocodile ihm, als Law zurückkehrte und sich neben ihm auf dem alten Sofa niederließ. „Diese Wohnung hat Charme.“ „Ich weiß, was du meinst“, sagte er seufzend und nippte an seiner Flasche. „Als ich Kid das erste Mal Zuhause besuchte, war ich total überwältigt. Vorher bin ich eigentlich bloß mit irgendwelchen langweiligen Medizinern oder Juristen ausgegangen. Aber Kid ist ganz anders. Viel interessanter. Ich erinnere mich noch daran, wie er mir bei seinem ersten Besuch eines seiner alten Skizzen-Alben zeigte. Das hier ist es gewesen, glaube ich.“ Law stand kurz auf, um ein abgegriffenes, ledergebundenes Album aus dem Wohnzimmerschrank hervorzuholen. Als er es aufschlug, warf Crocodile gleich neugierig einen Blick hinein. Die meisten Skizzen waren äußerst detailliert, doch unfertig. Alle schauten wahnsinnig interessant aus. Obwohl Crocodile nicht gerade über eine künstlerische Ader verfügte, konnte er sich gar nicht satt sehen. „Wenn Kid ein Bild vor Augen hat, dann wird er zum Teufel“, erklärte Law ihm mit leister Stimme. „Dann muss er einfach zu Stift und Papier greifen und aufzeichnen, was er im Kopf hat. Er kann gar nicht anders. Einmal habe ich ihn gefragt, wozu er das macht. Irgendwelche Skizzen aufmalen, nicht fertigstellen und dann diese Seite im Album nie wieder anrühren. Er meinte bloß zu mir: Weil es mich quält, wenn ich es nicht tue. Ich bin mir nie sicher, ob er Erinnerungen aufmalt oder Träume. Vielleicht auch beides. Ich habe noch keinen Menschen wie ihn getroffen.“ Crocodile nickte bedächtig. Er konnte sich ganz genau vorstellen, was Law meinte. Während Law sich eine zweite Flasche Bier besorgte, nahm Crocodile das ledergebundene Album auf den Schoß und blätterte umsichtig durch die vergilbten Seiten. Und dann fand er sie: Die Skizze eines verunglückten Motorradfahrers, dessen linke Hand zwischen einem steilen Hang und dem Heck eines Volvo eingequetscht worden war. Crocodile stockte der Atem. Mit großen Augen begutachtete er die Situation. Es war das erste Mal, dass er seinen verheerenden Unfall aus einer anderen Perspektive sah. Neugierig ließ er den Blick über sein verdreht da liegendes Bein, seine zerrissene Motorradbekleidung schweifen. Sogar das Nummernschild seiner CBR 650 F hatte Kid richtig in Erinnerung behalten. Crocodile empfand weder Schmerz noch Kummer, als er diese Skizze begutachtete. Er hatte schon vor vielen Jahren seinen Frieden mit diesem schlimmen Unfall geschlossen gehabt. Um ehrlich zu sein, konnte er sich kaum noch vorstellen wie es war, einen Bericht für die Arbeit mit zehn Fingern statt nur fünf abzutippen. Plötzlich hörte er, wie Kid scharf die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. Er sprang von seinem Platz auf und hetzte zu Crocodile hinüber. Offenbar hatte er bemerkt, welches Album dieser in der Hand hielt. „Tut mir leid“, sagte Kid in einem Tonfall, den Crocodile noch nie zuvor bei ihm gehört hatte. „Ich... Tut mir leid! Ich weiß nicht,was ich sagen soll...Ich... Es tut mir so leid! Du solltest das nicht sehen!“ „Ist schon gut“, gab Crocodile zurück, der Kids Panik überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Es ging doch bloß um eine Zeichnung. Noch dazu eine Zeichnung, die zehn Jahre alt war. „Nein, ist es nicht!“, meinte Kid und versuchte ihm das Album abzunehmen. „Ich... Das...Ich... Das ist respektlos! Es tut mir leid!“ „Beruhige dich“, redete Crocodile, der noch immer vollkommen gelassen war, ihm gut zu. Längst hatten auch Doflamingo und Law ihre Aufmerksamkeit auf die Skizze im Buch gerichtet. Natürlich zählten sie sofort eins uns eins zusammen. „Oh- oh nein“, meinte Law und schlug entsetzt die Hände vor dem Mund zusammen. „Bist du das etwa, Crocodile!?“ „Es tut mir leid“, wiederholte Kid zum x-ten Mal. „Es gibt nichts, was dir leidtun müsste“, gab Crocodile gelassen zurück. Nun schien Kid endgültig die Nerven zu verlieren. „Ich habe dich gezeichnet!“, heulte er mit verzweifelter Stimme auf und startete einen erneuten Versuch, ihm das Album abzunehmen. „Du lagst dort auf dem Boden, schwerverletzt, hattest Schmerzen und Todesangst! Und ich habe diesen Augenblick auf Papier festgehalten. Das hätte ich nicht tun sollen. So etwas ist respektlos. Ich... ich wollte nie, dass du diese Zeichnung siehst, Crocodile. Bitte ich... ich sollte sie wohl am besten verbrennen.“ „Verbrennen?“ Irritiert zog Crocodile eine Augenbraue hoch. „Wieso das denn?“ Seine pure Gelassenheit schien Kid noch weiter in den Wahnsinn zu treiben. „Was ist bloß los mit dir?“, brüllte er. „Du solltest wütend sein. Aufgebracht. Traurig. Empört. Wie kannst du in dieser Situation bloß so ruhig bleiben?!“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich mit diesem Unfall schon lange abgefunden“, sagte er schließlich in Ermangelung einer besseren Antwort. „Und ich finde deine Zeichnung überhaupt nicht respektlos. Ganz im Gegenteil: Es ist interessant, diese Sache mal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Die Details sind wirklich unglaublich. Sogar an mein kaputtes Handy hast du gedacht.“ Erschöpft ließ Kid sich zurück auf seinen Platz sinken. Den Versuch, an das Album zu kommen, schien er inzwischen aufgegeben zu haben. „Ich habe diese Skizze nicht angefertigt, um dich bloßzustellen“, erklärte er mit matter Stimme. „Sondern... ich... ich konnte nicht aufhören an diesen Unfall zu denken. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich nicht mehr hätte tun können. Ob ich nicht schneller hätte reagieren müssen. Als ich hörte, dass die Ärzte deine Hand amputieren mussten, haben mich lange Zeit Schuldgefühle geplagt.“ „Aber dieser Unfall ist doch überhaupt nicht deine Schuld gewesen“, hielt Crocodile dagegen. Er hatte nie gewusst, wie sehr Kid sich durch diese Sache belastet fühlte. Das war ihm in über zehn Jahren niemals in den Sinn gekommen. „Ganz im Gegenteil: Du warst mein Retter. Hättest du mich nicht gefunden und die Ambulanz alarmiert, wäre ich wahrscheinlich gestorben. Ich habe für dich niemals etwas Anderes als Dankbarkeit empfunden.“ Kid senkte den Blick. „Ich... Als ich dich dort liegen sah... Ich konnte mich gar nicht rühren. Wertvolle Sekunden verstrichen, in denen ich bloß wie ein Trottel da stand. Ich... ich hätte sofort den Notarzt anrufen müssen. Aber ich stand bloß da. Und dann hab ich mir auf die Füße gekotzt. Ich... Wie du da lagst... Mit der eingequetschten Hand und dem weggeknickten Bein... Dieses Bild hat mich in meinen Träumen verfolgt. Ich... Ich musste es einfach irgendwo lassen. Damit ich wieder schlafen konnte. Kannst du das verstehen?“ Crocodile nickte verständnisvoll. „Mir macht diese Zeichnung nichts aus“, sagte er. „Irgendwie gefällt sie mir sogar.“ Er warf einen letzten Blick auf die Seite, ehe er das Skizzen-Album zuschlug und an Law zurückgab. „Wollen wir dann jetzt los zu Shakky's Bar?“, fragte er mit gelassener Stimme in die Runde. Crocodile hatte seine Schulden inzwischen auf 85.000 Berry reduziert. Das war in Ordnung. Franky war von der Arbeit, die er leistete, noch immer hellauf begeistert und er verdiente gutes, sicheres Geld. Die dringendsten Schulden hatte er längst bezahlt. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis er endlich wieder schwarze Zahlen schreiben konnte. Allmählich fühlte Crocodile sich besser. Die schwere Last auf seinen Schultern schien weniger zu werden. Er war dazu in der Lage sein Leben etwas mehr zu genießen: Sein Normalgewicht hatte er vor einigen Wochen bereits erreicht. Er lachte öfter und neckte gern seinen Ehemann. Zurzeit gingen sie fast jedes Wochenende aus; manchmal mit Freunden, manchmal nur zu zweit. Nozomi lernte zu krabbeln und das letzte Mal, als er seine Nichte besuchte, erkannte sie sein Gesicht wieder und lachte freudig. Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein. Ich würde alles kaputt machen, wenn ich Doflamingo erzähle, dass ich ihn seit über einem Jahr anlüge, dachte Crocodile resigniert. Und wenn er ihm nur die halbe Wahrheit erzählte? Er könnte Doflamingo auftischen, dass er bei der Bank gekündigt habe, weil er mit Sengoku nicht mehr zurechtkam, und nun stattdessen bei Tom's Workers arbeitete. Dann müsste er nicht mehr so penibel genau darauf achten bloß keine verräterischen Einzelheiten von sich zu geben, wenn sein Ehemann ihn fragte, wie es heute bei der Arbeit gelaufen war. Auf der anderen Seite würde er damit das Netz aus Lügen, das er so mühevoll aufgebaut hatte, noch stärker verkomplizieren. Crocodile war hin- und hergerissen. * Es war Mittwochnachmittag und Crocodile war gerade erst von der Arbeit heimgekommen, als Doflamingo ihn unsanft am linken Unterarm packte und hastig in Richtung Tiefgarage schleifte. „Was ist denn los?“, fragte Crocodile teils irritiert, teils verärgert und versuchte sich aus dem Griff herauszuwinden. Er war vollkommen überrumpelt und verstand gar nicht, was überhaupt Sache war. Doch Doflamingo ließ nicht von ihm ab. „Kid hat mich gerade eben angerufen“, sagte sein Partner mit ernster Stimme und ohne innezuhalten. Er ging zügigen Schrittes zu dem Fahrzeug, das am nächsten stand, und bedeutete Crocodile sich auf dem Beifahrersitz niederzulassen. „Law hatte auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall mit seinem Motorrad. Wir müssen sofort ins Krankenhaus.“ Noch während er sprach, ließ Doflamingo den Motor des Wagens an. Weil er viel zu unkonzentriert war, touchierte er beim Ausparken zwei andere Fahrzeuge (unter Anderem Crocodiles Mercedes C 213),doch darauf verschwendete keiner von ihnen beiden einen Gedanken. „Law hatte einen Verkehrsunfall?“, wiederholte Crocodile mit entsetzter Stimme. Er konnte überhaupt nicht fassen, was sein Ehemann ihm gerade eben mitgeteilt hatte. Doflamingo nickte stumm. Mit zitternden Fingern klammerte er sich an das Lenkrad des BMW M6 Coupe. Auch er wirkte völlig fassungslos. „Was hat Kid noch gesagt?“, wollte Crocodile wissen. „Ist Law schwerverletzt? Schwebt er in Lebensgefahr?“ „Ich weiß es nicht“, erwiderte sein Ehemann mit tonloser Stimme und fuhr über zwei rote Ampeln hintereinander. „Er hatte auch gerade erst davon erfahren und ist selbst auf dem Weg zum Krankenhaus.“ Danach sagte keiner von ihnen mehr ein Wort. Stattdessen breitete sich im Inneren des BMW M6 ein schrecklich banges Schweigen aus. Crocodile wollte schlucken, doch sein Mund war zu trocken. Er versuchte etwas Speichel unter seiner Zunge hervorzukramen, doch er konnte keinen finden. Beklommen griff er mit seiner rechten Hand nach dem Armstumpf auf der anderen Seite und umfasste ihn sanft. Er hoffte innig, dass Law nicht schwerverletzt oder gar tot war. Im Foyer des Krankenhauses traten sie auf Kid, der mit seinen feuerroten Haaren und dem dunklen Lippenstift in jeder Menchenmenge sofort hervorstach. „Zimmer 204“, brüllte er ihnen mit aufgewühlter Stimme entgegen. „Er kommt gerade aus der Notaufnahme.“ Zu dritt machten sie sich so schnell sie nur konnten auf den Weg in den zweiten Stock. Kid stolperte beinahe über seine eigenen Beinen, als er die Türe zu Zimmer 204 aufstieß. Es war ein Zweibettzimmer. Auf dem Bett am Fenster saß Trafalgar Law - er trug einen dicken Gipsverband um den linken Unterarm und hatte einen missmutigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Erleichtert atmete Crocodile auf. Offenbar hatten sie sich völlig umsonst so große Sorgen gemacht: Law schien zum Glück nur leicht verletzt zu sein. Sofort stürzte Kid auf seinen Freund zu und schloss diesen in die Arme. „Law! Um Himmels Willen! Ich hatte schon mit dem Schlimmsten gerechnet! Zum Glück geht es dir gut!“ Er sprach ihnen allen aus der Seele. Law seufzte leise und erwiderte die Umarmung seines völlig überwältigten Freundes halbherzig. „Gut ist anders“, maulte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf seinen eingegipsten Arm. „Mehrfach gebrochen. Ich werde monatelang nicht arbeiten können.“ „Aber das wird wieder heilen, oder nicht?“, fragte Crocodile mit vorsichtiger Stimme. Er war so frei und ließ sich auf dem leeren, gegenüberliegenden Krankenhausbett nieder. Law arbeitete als Chirug. Wenn sein Arm nicht wieder vollständig hergesellt werden konnte, bedeutet dies das Ende seiner Karriere. „Bleibende Schäden sind auszuschließen“, erwiderte er. Im Zimmer war ein kollektives Aufatmen zu hören. „Aber wie ist das passiert?“, wollte Doflamingo wissen, der sich neben Crocodile niederließ. „Du hattest doch noch nie einen Unfall.“ „Keine Ahnung, ich hab einfach die Kontrolle über mein Motorrad verloren“, gestand Law mit gesenktem Blick. „Die Straße war nass und ich war unkonzentriert...“ „Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn du mal ein paar Monate nicht arbeiten musst“, meinte Kid angesichts dieser dubios klingenden Aussage. „Du hast dir eine Auszeit verdient.“ Law rollte mit den Augen. „Ich freue mich darüber ganz und gar nicht“, meinte er missgelaunt. „Wegen meines gebrochenen Arms mussten zig Operationen verschoben werden. Außer mir haben nicht viele Gehirnchirugen Dienst.“ „Irgendwie werden sie schon ohne dich auskommen. Wenigstens für ein paar Monate.“ „Das müssen sie“, meinte Law und presste die Lippen aufeinander. „Eine Wahl haben sie nicht.“ Man merkte Law sehr deutlich an, dass er mit seiner derzeitigen Lebenssituation alles andere als zufrieden war. Anstatt sich über sein überraschend gewonnenes Mehr an Freizeit zu freuen und sich ein wenig zu erhohlen, nervte er alle um sich herum pausenlos mit seinem Gejammere. An diesem Abend hatten sie sich gemeinsam mit ein paar weiteren Freunden bei Kid Zuhause getroffen. Später wollten sie sich noch ins Nachtleben stürzen und ein paar Diskotheken besuchen. Ursprünglich war Crocodile mit recht guter Laune erschienen. Er hatte den gesamten Nachmittag gemeinsam mit Doflamingo im Schlafzimmer verbracht. Zwei Orgasmen und ein reichhaltiges Abendessen, das sie nackt im Bett zu sich genommen hatten, später war von seinem Frohsinn allerdings nicht mehr viel übrig. Law badete ohne Unterlass in Selbstmitleid. Crocodile, der dem Abend wenigstens eine faire Chance geben wollte, versuchte ihn ein wenig aufzumuntern. „Mir gefällt deine Hose“, meinte er und deutete mit seinem Armstumpf auf besagtes Kleidungsstück. „Danke. Ich brauche zurzeit dreimal solange wie sonst, um hineinzuschlüpfen“, maulte Law, der links neben ihm saß, und nippte mit einem miesepetrigen Gesichtsausdruck an seinem Bier. „Wo wollen wir nachher eigentlich hin?“, fragte Bellamy in die Runde, um das Thema zu wechseln und die Stimmung etwas anzuheben. „Wie wäre es mit dem Mariejois?“, schlug Doflamingo vor. „Klingt super“, pflichtete Bellamy seinem Cousin bei. „Ich will nicht ins Mariejois“, jammerte Law. „Das ist ein total snobbiger Laden. Da laufen nur aufgeblasene Affen herum.“ „Wo würdest du denn gerne hin?“, fragte Crocodile mit freundlicher Stimme; zum Einen, weil er es Law gerne recht machen würde und zum Anderen, weil ihm die Getränkepreise im Mariejois die Haare zu Berge stehen ließen. Law hatte nicht Unrecht: Es handelte sich tatsächlich um einen „snobbigen Laden“, in dem sich die Oberklasse traf, um Champagner aus Kristallgläsern zu trinken. „Keine Ahnung“, murmelte Law abweisend. „Aber nicht ins Mariejois.“ „Wie wäre es mit Shakky's Bar?“, schlug Crocodile als Alternative vor. Die Preise dort waren deutlich moderater. „Finde ich auch gut“, meinte Bellamy grinsend. „Erinnert ihr euch noch an dieses dumme Mädchen, das wir dort mal getroffen haben? Wie hieß sie noch gleich? Porsche? Die glaubte, dass Crocodile mit seiner Schwester zusammen wäre?“ Der Gedanke an die lustige Situation, die damals in Shakky's Bar zustande gekommen war, sorgte für allgemeines Gelächter. Ausgenommen einer Person natürlich. „Ich will auch nicht in Shakky's Bar...“ Allmählich riss Crocodile der Geduldsfaden. Er kam mit Menschen, die durchgehend schlecht drauf waren, nur sehr schwer zurecht. Nicht umsonst war er mit einem Mann, der vor allem wegen seines ständig präsenten Lächelns auffiel, zusammen. Außerdem grauste es ihm bei dem Gedanken, dass sich ihre Gruppe doch noch für einen Ausflug ins Mariejois entscheiden würde. Er konnte gut und gerne darauf verzichten 30 Berry für ein stinknormales Bier zu bezahlen. „Sag mal, was ist denn nur los mit dir?“, meinte er an Law gewandt. Ungeduldig zog er die Augenbrauen zusammen. „Das kann man sich ja wohl denken, oder nicht?“, gab Law nicht minder verärgert zurück. „Mein Arm ist gebrochen!“ „Das ist doch noch lange kein Grund, um durchgehend schlechte Stimmung zu verbreiten“, gab Crocodile pikiert zurück. Diese Aussage schien das Fass zum überlaufen gebracht zu haben. Wütend richtete sich Law auf und spie ihm mit giftiger Stimme entgegen: „Du verstehst einfach nicht, wo das Problem liegt! Ich kann meinen linken Arm nicht benutzen! Hast du eigentlich auch nur den Hauch einer Ahnung wie schwierig dadurch mein Alltag geworden ist?! Ich brauche jeden Morgen allein eine halbe Stunde, um mich anzuziehen! Ich kann kein Steak essen, ohne dass es vorher jemand für mich klein schneidet! Um eine Email zu schreiben, brauche ich doppelt so lange wie sonst! Einfach alles ist mühselig und frustrierend geworden! Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie ich mich fühle!“ Im ersten Moment wusste Crocodile überhaupt nicht, wie er darauf reagieren sollte. Schließlich hob er beide Arme hoch, sodass Law sowohl die Hand auf der rechten als auch den Armstumpf auf der linken Seite sehen konnte, und erwiderte spöttisch: „Ach nein? Kann ich nicht?“ Nun schien auch Law seinen Gedankenfehler einzusehen. Betreten senkte er den Blick. „Tut mir leid“, sagte er und fuhr sich mit der rechten Hand über den Mund. „Ich... das war dumm von mir.“ „Ist schon gut“, erwiderte Crocodile. „Nur hör bitte endlich auf so schrecklich zu jammern. Das geht mir gehörig auf den Zeiger! Sei einfach dankbar dafür, dass diese Verletzung wieder heilen wird und du bald in dein normales Leben zurückkehren kannst, okay? Wo waren wir stehen geblieben? Shakky's Bar, oder nicht?“ Tatsächlich verbrachten sie dann den ersten Teil dieser Nacht gemeinsam in Shakky's Bar. Die Stimmung in ihrer Gruppe hatte sich wieder gebessert. Law jammerte nicht mehr fortwährend nur herum, sondern schien sich ehrlich Mühe zu geben wenigstens etwas Spaß zu haben. Er ging gerade hinüber zur Theke, um die Bardame Shakky nach seinem Lieblings-Cocktail zu fragen, als Doflamingo mit erleichterter Stimme sagte: „Ich bin wirklich froh, dass er sich wieder eingekriegt hat.“ „Ich auch“, stimmte Kid ihm prompt zu. Er trank den doppelten Whiskey, den er sich bestellt hatte, in einem Zug leer und fügte hinzu: „Um ganz ehrlich zu sein, ist mir sein Selbstmitleid mit der Zeit extrem auf die Nerven gegangen. Zum Glück konntest du ihn zur Besinnung bringen, Crocodile.“ „Naja“, meinte Crocodile, dem dieses Thema etwas unangenehm war, recht ausweichend, „ich kann ihn auch ein Stück weit verstehen. Es ist wirklich nicht leicht seinen Alltag mit nur einer Hand zu bewerkstelligen. Ich hatte damals auch so meine Probleme damit. Manchmal ist es wirklich sehr frustrierend.“ „Das Problem ist gar nicht seine Hand“, winkte Kid ab und ließ seinen Blick zu Law, der an der Theke auf seinen bestellten Spezial-Cocktail wartete, hinüber schweifen. „Sondern dass er nichts mit sich anzufangen weiß. Normalerweise arbeitet er sehr viel. Er hat oft Vierundzwanzig-Stunden-Dienste im Krankenhaus und solche Geschichten. Und jetzt, da er plötzlich arbeitsunfähig ist und deswegen ein paar Monate frei hat, weiß er nicht, was er tun soll. Er fängt schnell an sich zu langweilen und jammert dann herum.“ „Das glaube ich dir gern“, erwiderte Doflamingo. „Law bräuchte wirklich ein Hobby. Aber es ist schwer ihn für etwas zu begeistern, das nichts mit Medizin zu tun hat.“ „Definitiv“, brummte Kid. „Er fährt aber doch Motorrad, oder nicht?“, warf Crocodile ein, weil er das Bedürfnis verspürte Law ein wenig in Schutz zu nehmen. Wenn man ganz ehrlich war, dann sah es bei ihm selbst auch nicht besser aus: Seine Arbeit war sein größtes Hobby. Er hielt das nicht für verwerflich. „Eigentlich schon“, gestand Kid ihm zu, „aber wegen der gebrochenen Hand fällt das im Moment auch aus.“ „Wie wäre es, wenn ihr euch gemeinsam ein Hobby sucht?“, schlug Doflamingo mit freundlicher Stimme vor. „Crocodile und ich kochen zum Beispiel in letzter Zeit gern zusammen.“ „Crocodile kocht“, erwiderte Kid, der inzwischen oft genug von ihnen bekocht worden war, „du hackst dir beim dem Versuch eine Zwiebel zu schälen fast selbst die Finger ab.“ „Dass ich mir aus Versehen in den Daumen geschnitten habe, ist nur zweimal passiert“, verteidigte sich Doflamingo pikiert. „Worüber redet ihr?“, fragte Law, der sich mit seinem Cocktail zurück an ihren Tisch setzte. „Über unsere Hobbies“, sagte Crocodile schnell, ehe sein Ehemann oder Kid die Gelegenheit dazu bekamen sich zu verplappern. „Ich würde gerne mal wieder ins Fitness-Studio“, sagte Law und saugte am Strohhalm seines Cocktails. „Ich glaube, ich bin etwas aus der Form geraten.“ „Keine schlechte Idee“, meinte Kid sofort begeistert, woraufhin Law seinem Freund einen bösen Blick zuwarf. „Also, ich... so war das nicht gemeint... Ich dachte nur daran, dass ich ja auch trainiere... Wir könnten also zusammen gehen.“ „Klappt das denn trotz deiner Verletzung?“, warf Crocodile ein. Noch immer war Laws linke Hand dick bandagiert. „Cardio-Training dürfte kein Problem sein“, meinte Law schulterzuckend. „Und beim Krafttraining fokussiere ich mich dann eben erstmal auf die Beine und den Bauch.“ Plötzlich fragte Crocodile sich, was Doflamingo davon halte würde, wenn er selbst ebenfalls ins Fitness-Studio gehen würde. Mit Anfang zwanzig hatte er seinen Studienfreund Daz, der sehr gerne Kraftsport machte, ab und an mal zum Training begleitet. Doch das vor langer Zeit. Sein letzter Fitness-Studio-Besuch war über zehn Jahre her. Um ganz ehrlich zu sein, hatte er den Kraftsport nie sonderlich vermisst. Es hatte damals Spaß gemacht mit Daz zu trainieren, aber in dieser Hinsicht hatte ihn der Ehrgeiz nie so wirklich gepackt. Stattdessen versuchte er durch eine ausgewogene Ernährung auf eine gute Figur zu achten. Bisher hatte sich nie einer seiner Partner darüber beschwert. (Nicht einmal Enel, der beinahe täglich ins Fitness-Studio gegangen war.) Doch Doflamingo fände es bestimmt nicht schlecht, wenn er sich fit hielt. Niemand mochte es gern, wenn sein Partner sich nach der Heirat gehen ließ. „Vielleicht könnten wir mal zusammen ins Fitness-Studio gehen“, schlug Crocodile also vor. „Früher bin ich immer ganz gerne zum Training gegangen.“ „Naja“, warf Doflamingo mit unwilliger Stimme ein, „ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Law und Kid wohnen doch in einem ganz anderen Stadtteil als wir. Du müsstest also jedes Mal lange Auto fahren, um in dasselbe Fitness-Studio zu gehen wie die beiden.“ „Warum trainierst du nicht mal zusammen mit Doflamingo, wenn du Lust hast?“, sagte Law. „Ich trainiere meistens mittags“, erwiderte Doflamingo sofort. „Da ist Crocodile noch bei seiner Arbeit. Das passt also nicht.“ „Aber du hast doch auch Zuhause einen Trainingsraum! Wir könnten uns alle abends bei euch Zuhause treffen und gemeinsam trainieren. Was hältst du davon?“ „Trainingsraum?“, wiederholte Crocodile irritiert und warf seinem Ehemann einen ungläubigen Blick zu. „Seit wann haben wir denn einen Trainingsraum?“ „Schon immer“, antwortete Doflamingo und winkte ab. „Davon weiß ich gar nichts! Warum hast du mir nie erzählt, dass wir einen Trainingsraum Zuhause haben?“ „Weil du bis gerade eben nie auch nur im allermindesten angedeutet hast, dass du Lust hättest Sport zu treiben“, erwiderte Doflamingo mit angesäuerter Stimme. „Außerdem benutze ich ihn selbst auch nur selten. Normalerweise trainiere ich in meiner Mittagspause auf der Arbeit.“ „Früher haben wir öfter mal bei Doflamingo Zuhause trainiert“, erklärte ihm Law. „Also Bellamy, Cirkies, Vergo, Diamante, Pica, Violet und... und die Anderen halt. Das hat wirklich Spaß gemacht. Aber irgendwann haben wir das dann wieder schleifen lassen. Es ist nicht leicht einen Termin zu finden, an dem mehrere Leute Zeit haben.“ „Das wird dieses Mal nicht anders sein“, warf Doflamingo ein. „Du musst zwar wegen deiner Verletzung im Moment nicht arbeiten, aber Croco, Kid und ich sind beruflich voll eingespannt. Dazu kommt, dass Kid oft auch nachmittags und am Wochenende arbeiten muss.“ „Wir können auch einfach zu zweit bei mir im Fitness-Studio um die Ecke trainieren“, sagte Kid an Law gewandt. „Dienstag habe ich frei. Ich kann gleich morgen dort anrufen und fragen, wie es mit einem Probe-Training aussieht, wenn du möchtest.“ „Klar, gerne“, erwiderte Law sofort begeistert. „Ich freue mich schon drauf. Immer nur Zuhause rumzusitzen, macht mich wahnsinnig.“ Als Crocodile früh am Morgen des nächsten Tages leicht angetrunken ins Bett fiel, fragte er sich immer noch, was Doflamingo so vehement dagegen einzuwenden hatte, dass er ein wenig Kraftsport trieb. Mit müdem Blick verfolgte er die Bewegungen seines Ehemanns, der sich im Schlafzimmer entkleidete. Nicht übermäßig muskulöse, aber gut trainierte Oberarme, feste Brustmuskeln und ein flacher Bauch mit Sixpack-Ansatz kamen zum Vorschein. Crocodile musste sich eingestehen, dass sein Partner einen wirklich sexy Körper hatte. Auch Enel war oft im Fitness-Studio gewesen, doch dessen mit Muskeln vollkommen überladener Körper hatte Crocodile irgendwann nicht mehr gefallen. Er hätte es niemals gewagt die Lebensweise seines Exfreunds zu kritisieren, doch als die Arme viel zu dick wurden und man jede Vene am Körper sehen konnte, war ihm die Lust vergangen. Es war eine körperliche Veränderung, die auf natürlichem Wege nicht zu erreichen gewesen wäre. Aber Doflamingo sah anders aus. Athletisch, fit, muskulös, aber nicht aufgeblasen. Er gefiel Crocodile viel besser als Enel, Smoker oder einer seiner anderen Exfreunde. Um ehrlich zu sein, war er etwas neidisch. Er selbst war zwar alles andere als unförmig, aber vom tollen Adonis-Körper seines Ehemanns weit entfernt. Unweigerlich fragte er sich, wie oft Doflamingo pro Woche Sport trieb. Er hatte überhaupt gar nicht gewusst, dass dieser in seiner Mittagspause bei der Arbeit trainierte. Eigentlich macht es Sinn, dachte Crocodile, während er Doflamingo dabei zusah, wie dieser schwankend (er hatte sich beim Alkoholkonsum nicht unbedingt zurückgehalten) aus seiner Hose schlüpfte. Immerhin hatte er Doflamingo nie sagen hören Wani, ich fahre ins Fitness-Studio oder Croco, ich verziehe mich ein bisschen in unseren Trainingsraum. Noch immer konnte Crocodile es nicht ganz fassen, dass sie Zuhause über einen voll ausgestatten Trainingsraum verfügten. Sein Ehemann hatte nie zuvor davon gesprochen. Und in der weitläufigen Villa war er nie zufällig darüber gestolpert. „Esch tud mit l...leid“, nuschelte Doflamingo plötzlich. Inzwischen trug er nur noch seine Boxershorts. „Isch bin su bedrunken für Sex.“ „Ich habe doch gar nicht gefragt“, erwiderte Crocodile verwundert. Daran hatte er tatsächlich gar nicht gedacht gehabt. „Aber du hasch mich so angesehen“, gab Doflamingo zurück. Um die drei Schritte bis zum Bett zu sicher überwinden, brauchte er doppelt so lange wie sonst. „Ist schon gut“, sagte Crocodile und fuhr mit der rechten Hand sanft durch Doflamingos kurzes, blondes Haar. Es fühlte sich unfassbar weich an. „Wir haben beide Alkohol getrunken und sollten uns erstmal ordentlich ausschlafen.“ Noch ehe er zu Ende gesprochen hatte, war ein leises Schnarchen von der anderen Seite des Bettes zu hören. Nachdem Crocodile am nächsten Morgen gefrühstückt, die Zeitung gelesen und sich eine Zigarre gegönnt hatte, lag Doflamingo immer noch im Bett und schlief seinen Rausch auf. Crocodile beschloss seinen Ehemann nicht aufzuwecken und machte sich stattdessen auf den Weg zu dem Trainingsraum, den Law gestern Abend erwähnt hatte. Auch wenn er ein Dienstmädchen nach dem Weg fragte, brauchte er mehrere Anläufe, bis er endlich die Türe fand, die zu besagtem Raum führte. Wobei das Wort Raum eine deutliche Untertreibung darstellte, wie Crocodile feststellte, kaum hatte er die weitläufige Anlage betreten. Er hatte nicht viel erwartet. Vielleicht eine Hantelbank, eine Multistation und ein paar Cardio-Geräte. Doch zu seiner Überraschung befand sich in den Kellerräumen seines Zuhauses ein komplett ausgestattetes Fitness-Studio. Crocodile war sich sicher, dass hier unten mehr Geräte zu finden waren als in dem Studio, das er früher mit Daz besucht hatte. Der Anblick überwältigte ihn wie eine Welle, die ihn von den Füßen riss. Ungläubig ließ Crocodile den Blick durch den Fitness-Raum schweifen. Es gab mehrere Laufbänder, Crosstrainer, Stepper, Fahrräder und Rudergeräte. Dazu eine Freihantelbank, einen Lang- und Kurzhantelständer, eine Kabelzugstation, eine Beinpresse, Klimmzugbügel, sogar einen Boxsack... Er konnte sich gar nicht sattsehen. Einige Sekunden vergingen, ehe Crocodile sich weiter in den Raum hineinwagte. Es kam ihm komisch vor, dass sich dieses modern und vielseitig ausgestatte Fitness-Studio bei ihm Zuhause befand. Obwohl Doflamingo behauptet hatte, er wäre lange nicht mehr hier gewesen, lag nirgendwo auch nur ein Körnchen Staub. Offenbar wurde der Raum vom Personal weiterhin regelmäßig gesäubert. Unweigerlich fragte Crocodile sich, wie viele Orte es noch in der Villa gab, von deren Existenz er nichts wusste. Obwohl ihr Zuhause über mehrere tausend Quadratmeter Wohnfläche verfügte, nutzen Doflamingo und er nur wenige Räume. Wirklich häufig hielten sie sich eigentlich bloß im Schlafzimmer, im angrenzenden Bad, Wohnzimmer, Esszimmer und der neuen Küche auf, die sein Ehemann ihm vor kurzem geschenkt hatte. Und Crocodile zog sich ab und an in sein Zimmer, das ihm als Rückzugsort diente, zurück. Eigentlich würde uns eine geräumige Vier-Zimmer-Wohnung mit Balkon vollkommen reichen, schoss es ihm durch den Kopf. Weil er nicht so recht wusste, wo er beginnen sollte, versuchte Crocodile sich als Erstes an dem Laufband. Er startete mit einer langsamen Geschwindigkeit, begann dann bald zu traben und ehe er sich versah joggte er ein wenig. Eigentlich tat es ganz gut sich zu bewegen. Ihm kam der Gedanke, dass er seiner Gesundheit sicher auch keinen Gefallen damit tat, dass er die meiste Zeit des Tages sitzend verbrachte. Der Display am Laufband zeigte ihm an, dass er seit einer halben Stunde joggte und 210 Kilokalorien verbrannt hatte, als sich plötzlich die Tür des Fitness-Raums öffnete und sein Ehemann hereinkam. Offenbar war Doflamingo gerade erst aus dem Bett gestiegen. Er hatte sich lose das Hemd, das er auch gestern Abend getragen hatte, über die Schultern geworfen. Eine Hose trug er nicht und auch seine charakteristische Sonnenbrille hatte er nicht aufgesetzt. Crocodile schaltete das Laufband ab und wandte sich seinem Partner zu, der mit einem untypisch mürrischem Gesichtsausdruck auf ihn zukam. „Guten Morgen, Doffy“, begrüßte er ihn und gab ihm einen Kuss. „Wie geht es dir?“ „Ziemlich beschissen, um ehrlich zu sein“, erwiderte Doflamingo und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „So einen schlimmen Kater hatte ich lange nicht mehr.“ „Tja, du wirst halt einfach alt“, witzelte Crocodile und vermied es die muskulöse Brust und den straffen Bauch seines Ehemanns zu lange zu mustern. In seinem angeschlagenen Zustand hatte Doflamingo sicher keine Lust auf Sex. „Ich glaube, seit ich die Dreißig erreicht habe, lasse ich wirklich etwas nach“, gab er schwach zurück. „Früher habe ich mich jedes Wochenende in Bars und Nachtclubs herumgetrieben. Aber einen Kater hatte ich nur selten.“ „Du hast gestern wirklich viel getrunken.“ Doflamingo nickte langsam. „Und was ist mit dir? Du bist auch nicht abstinent geblieben. Und jetzt treibst du plötzlich Sport?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ich fühle mich gut. Und, naja, ich wollte mir mal diesen Raum hier anschauen. Die Vorstellung, dass wir Zuhause ein eigenes Fitness-Studio haben, das ich noch nie betreten habe, hat mich irgendwie nicht losgelassen.“ Spaßhaft fügte er hinzu: „Gibt es noch irgendetwas, wovon ich wissen sollte? Einen geheimen Darkroom oder so etwas in der Art?“ Diese Aussage zauberte seinem verkaterten Ehemann ein Grinsen auf die Lippen. „Da muss ich dich leider enttäuschen“, gab er schmunzelnd zurück. „Ich kann nur einen geheimen BDSM-Keller anbieten.“ „Ist der auch so gut ausgestattet?“, gab Crocodile lachend zurück und ließ seinen Blick erneut über die vielen Fitness-Geräte wandern. „Noch viel besser“, griff Doflamingo den Witz auf. „Es gibt eine riesige Auswahl an Lederpeitschen. Von den Mundknebeln und Fesseln will ich gar nicht erst anfangen.“ „Klingt nach einer guten Möglichkeit, um dich mal zum schweigen zu kriegen“, meinte Crocodile lachend und stupste seinem Ehemann spaßhaft gegen den Bauch. Die gebräunte Haut fühlte sich warm und weich an. „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte er Doflamingo. Vielleicht bekam sein Ehemann Lust auf etwas Zweisamkeit, nachdem er ein wenig gegessen und getrunken hatte. Wenigstens ein Glas Wasser. Er hatte sich gestern alles andere als zögerlich verhalten und ein alkoholisches Getränk nach dem nächsten bestellt. Dunkle Schatten lagen unter seinen funkelnden, grünen Augen. Anstatt seine Frage zu beantworten, beugte sein Ehemann sich zu ihm hinunter und versiegelte ihre Lippen miteinander. Crocodile ließ sich sowohl den Kuss als auch die Hände, die sich gierig um seine Hüften legten, gefallen. „Wir könnten zusammen im Bett frühstücken“, schlug Crocodile vor, „und … nun ja... dann noch eine Weile im Bett liegen bleiben.“ Crocodile, der ein sehr prüden Menschen war, hoffte, dass sein Partner diese Andeutung verstehen würde. Er konnte es nicht über sich bringen, noch deutlicher auszudrücken, dass er Lust auf Sex hatte. Also musste er darauf setzen, dass Doflamingo zwischen den Zeilen lesen würde. „Warum denn den weiten Weg ins Schlafzimmer zurücklegen?“, meinte Doflamingo mit leiser, lüsterner Stimme. Er hatte Crocodile noch immer nicht losgelassen und ließ seine beiden Hände ungeniert unter das Shirt seines Partners schlüpfen. Rücksichtslos streichelten sie seine warme, verschwitzte Haut. „Ich würde gerne duschen“, erklärte Crocodile, der sich hin- und hergerissen fühlte. Auf der einen Seite erregten ihn die Berührungen seines Partners, doch gleichzeitig begann er sich unwohl zu fülen. Bei Crocodile handelte es sich um einen sehr reinlichen Menschen. Er duschte mindestens einmal täglich, verfügte über ein ganzes Arsenal von Herren-Kosmetik und ließ niemals zu, dass seine Schamhaare länger als einen halben Zentimeter wuchsen. Der Gedanke, verschwitzt nach dem Sport Sex mit seinem Partner zu haben, war für ihn ein Graus. Zumindest theoretisch. Wären da nicht diese beiden sanften Hände, die sich inzwischen weiter nach oben vorgearbeitet hätten. Zwei Daumen streiften seine Brustwarzen und Crocodile spürte wie sich, fast gegen seinen Willen, die Männlichkeit in seiner Hose aufrichtete. Doflamingo saugte verführerisch an seinem Hals, während er die Brustwarzen seines Ehemanns zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und rieb. „Nur... nur ganz kurz duschen“, keuchte Crocodile und versuchte sich (zugegebenermaßen recht halbherzig) aus dem Griff zu lösen. „Ich muss mir auch nicht die Haare waschen. Ich will nur ganz schnell den Schweiß abspülen.“ „Entspann dich“, gurrte Doflamingo, als er für einen kurzen Moment von Crocodiles Hals abließ. Seine Hände wanderten wieder nach unten in Richtung Hosenbund. [zensiert] Aufgeschreckt löste er sich von seinem Ehemann und brachte einen kleinen Abstand zwischen sie beide. „Was ist los?“, fragte Doflamingo und musterte ihn zärtlich. Wie immer, wenn er seine Sonnenbrille nicht trug, kam es Crocodile so vor als würde er geröntgt werden. Auf unangenehme Weise wurde ihm bewusst, dass sich vorne auf seinem Shirt ein kleiner Schweißfleck gebildet hatte. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn Doflamingo seine Brille aufgesetzt hätte, so wie er es normalerweise jeden Morgen tat. „Ich möchte duschen“, wiederholte Crocodile erneut. „Nur ganz kurz. Ich bin sofort wieder für dich da. Bestimmt gibt es auch hier unten eine Dusche, oder?“ „Wozu denn?“, gab Doflamingo irritiert zurück. „Wenn ich dich vögle, brichst du sowieso gleich wieder in Schweiß aus. Also spar dir die Dusche lieber für hinterher auf.“ „Ich fühle mich eklig... Schau dir nur mein Shirt an! Vorne ist es ganz nassgeschwitzt!“ „Dann zieh es eben aus.“ Und ohne weiter Zeit zu vergeuden, griff Doflamingo nach dem Saum des Shirts und zog es seinem Partner über den Kopf. Kalte Luft traf auf seine warme, verschwitzte Haut. Doflamingo presste seine rechte Hand auf die Brust seines Partners und schubste diesen mit sanfter Gewalt nach hinten. Crocodile hatte gar nicht gemerkt, dass gleich hinter ihm eine Hantelbank stand, auf der er prompt landete. [zensiert] „Wovon hattest du eben gesprochen? Eine Dusche und anschließend Frühstück im Bett? Ich bin dabei, Crocobaby.“ Sie gönnten sich ein reichhaltiges Frühstück. Crocodile, der heute ausnahmsweise einmal Lust auf etwas Süßes und Fettiges hatte, tunkte eine Seite seines Croissants in ein kleines Schälchen Marmelade, ehe er genüsslich abbiss. Er fühlte sich so gut wie schon seit Tagen nicht mehr. Vor allem die warme und gründliche Dusche hatte ihm gutgetan. Doflamingo hatte sich kurzerhand angeschlossen und dabei geholfen seinen mit Sperma befleckten Rücken zu reinigen. Wer hätte geglaubt, dass so überaus simple Dinge wie eine halbe Stunde auf dem Laufband, zwei Orgasmen, eine Dusche und ein Frühstück im Bett sich so unwahrscheinlich gut anfühlen könnten? Doflamingo war zu Beginn ungewohnt still. Ohne viel zu sprechen verdrückte er in kürzester Zeit zwei Körnerbrötchen und etwas Rührei mit Speck. Dazu trank er ein großes Glas Wasser und eine Tasse Kaffee. „Du hättest gestern Abend nicht so viel trinken sollen“, sagte Crocodile, der sich einen schnippigen Kommentar nicht ganz verkneifen konnte. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „So etwas muss ab und zu mal sein. Ich bin heute Morgen zwar nicht so fleißig gewesen wie du, aber dafür hole ich meinen Sport ein anderes Mal nach.“ „Wir könnten morgen zusammen trainieren“, schlug Crocodile mit freundlicher Stimme vor. Die halbe Stunde auf dem Laufband hatte ihm überraschend viel Spaß gemacht. Eine Weile lang konnte er einfach nur ganz entspannt seinen Gedanken nachhängen. Doflamingo zögerte. Schließlich meinte er: „Wie kommt es, dass du auf einmal so viel Interesse an Sport zeigst? Wir sind jetzt seit fast eineinhalb Jahren ein Paar und ich habe noch nie erlebt, dass du Sport treibst. Nicht mal Golf oder eine andere Schnösel-Sportart.“ „Schnösel-Sportart?“, wiederholte Crocodile lachend und tunkte sein Croissant erneut in die Marmelade. Sie schmeckte gut. Fruchtig, aber nicht überzuckert. „Naja“, meinte Doflamingo und brachte sogar ein Grinsen zustande, „wenn überhaupt Sport, dann hätte ich bei dir an eine totale Schnösel-Sportart gedacht. Golf, Tennis, Kricket, solche Sachen eben. Weil du ein kleiner Snob bist.“ „Wie soll ich denn mit nur einer Hand Golf, Tennis oder Kricket spielen?“, gab Crocodile verwundert zurück. „Oh... oh“, machte Doflamingo und senkte betreten den Blick. „Daran hatte ich gar nicht gedacht.“ „Du scheinst oft zu vergessen, dass ich nur eine Hand habe“, warf Crocodile schmunzelnd ein. Er war ziemlich hungrig und griff nach einem halben Brötchen, das er ebenfalls mit der leckeren Marmelade bestrich. „Naja, du kommst im Alltag gut zurecht“, vertedigte sein Partner sich. „Zu Beginn unserer Beziehung habe ich sehr oft daran denken müssen, was diese Einschränkung für dich bedeutet. Aber inzwischen habe ich mich einfach daran gewöhnt.“ Nur zu gut erinnerte Crocodile sich daran, wie sehr ihn Doflamingo am Anfang mit seiner übertriebenen Hilfsbereitschaft und Fürsorge genervt hatte. Er hatte sich förmlich erdrückt gefühlt. Ihm war klar, dass sein Freund es nur gut gemeint hatte, aber meistens hatten dessen Gesten ihn eher behindert als geholfen. Er war durchaus dazu in der Lage selbst eine Autotüre zu öffnen, eine SMS zu schreiben oder sein Hemd zuzuknöpfen. „Die erste Zeit nach dem Motorrad-Unfall war nicht leicht“, gab Crocodile schließlich zu. „Ich musste mich in vielerlei Hinsicht umgewöhnen. Dinge, die ich früher in wenigen Sekunden geschafft habe, stellten plötzlich eine riesige Herausforderung dar. Allein um mein Hemd mit nur einer Hand zu knöpfen brauchte ich mehrere Minuten. Oft ist es wirklich sehr frustrierend gewesen. Aber inzwischen komme ich gut klar. Es gibt wenige Dinge, die mir immer noch schwerfallen. Oder die ich gar nicht machen kann.“ „Zum Beispiel?“, hakte Doflamingo neugierig nach. „Golf, Tennis oder Kricket spielen“, gab Crocodile glucksend zurück. Sein Ehemann verzog den Mund. „Sei nicht so gemein zu mir. Niemand kann immer an alles denken.“ „Ich kann kein Fleisch schneiden. Keine Schuhe binden. Keinen Staub vom Boden auffegen“, zählte er schließlich unbekümmert auf. „Keine Gitarre spielen. Nozomi nicht wickeln.“ „Und kein Motorrad fahren“, fügte Doflamingo mit bitterer Stimme hinzu. Crocodile winkte ab. „Das macht nichts“, sagte er. „Aber du bist doch früher gern Motorrad gefahren, oder nicht?“, wandte sein Partner ein. „Du hast mir erzählt, dass du oft tagelange Touren gemacht hast. Fehlt dir dein Hobby nicht manchmal?“ Diese Frage war Crocodile ein wenig unangenehm. „Ich habe mich seit meinem Unfall nicht mehr auf ein Motorrad gesetzt“, erklärte er seinem Partner. „Auch nicht als Beifahrer. Ich interessiere mich immer noch ein bisschen dafür. Aber ich möchte nie wieder auf einer Maschine sitzen, glaube ich.“ „Also hast du so etwas wie eine Motorrad-Phobie entwickelt“, schlussfolgerte sein Ehemann. Crocodile zuckte mit den Schultern. „Nenn es wie du möchtest. Jedenfalls komme ich auch ohne ein Motorrad ganz gut zurecht. Es gibt ja auch noch andere Dinge, die man in seiner Freizeit tun kann.“ „Ins Fitness-Studio gehen zum Beispiel?“, erwiderte Doflamingo mit einem sauren Gesichtsausdruck. „Warum missfällt es dir so sehr, dass ich vielleicht Lust hätte etwas mehr Sport zu treiben?“, fragte Crocodile und zog eine Augenbraue hoch. Ihm fiel kein vernünftiges Argument ein. Sport war gesund. Sport machte Spaß. Sport half dabei nicht aus der Form zu geraten. „Naja“, druckste sein Partner herum. Er schien sich ein wenig unwohl zu fühlen. Schließlich gestand er: „Um ehrlich zu sein, stehe ich nicht so sonderlich auf muskulöse Typen.“ Diese Aussage verwunderte Crocodile. „Aber du bist doch selbst muskulös“, warf er ein. „Ich habe auch kurze, blonde Haare. Grüne Augen. Gebräunte Haut“, erwiderte Doflamingo augenrollend. „Trotzdem bin ich mit einem Kerl zusammen, der blass ist und lange, dunkle Haare hat. Und bernsteinfarbene Augen. Nur weil ich bestimmte Eigenschaften bei meinem Partner attraktiv finde, muss ich sie ja nicht zwingend selbst verkörpern, oder?“ „Okay, da hast du nicht Unrecht“, gab Crocodile sich geschlagen. „Übrigens habe ich hellbraune Augen, keine bernsteinfarbenen.“ „Ich habe noch nie zuvor einen Menschen mit einer solchen Augenfarbe gesehen“, sagte sein Ehemann mit zärtlicher Stimme. „Als ich das erste Mal in deiner Gegenwart meine Sonnenbrille abgenommen und dir in die Augen geschaut habe, lief mir ein warmer Schauer über den Rücken. Daran erinnere ich mich noch ganz genau. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so eine besondere Augenfarbe haben würdest.“ Plötzlich wurde Crocodile klar, dass sein Ehemann die Welt immer durch einen violetten Filter sah. Seine Sonnenbrille, die zusammen mit seinem hässlichen Federmantel sozusagen zu seinem Markenzeichen gehörte, nahm er normalerweise nur zu drei Gelegenheiten ab: beim Schlafen, beim Duschen und beim Sex. Vielleicht war Doflamingo deswegen meistens so gut drauf, mutmaßte Crocodile. Es war sicher schwer ernst zu bleiben, wenn man alles in der rosa-roten Variante sah. „Ich glaube nicht, dass ich sonderlich muskulös werde, auch wenn ich Sport treibe.“ „Wie kommst du darauf?“, wollte Doflamingo wissen. „Erstens bin ich ein echter Hardgainer“, erklärte Crocodile. „Daz ist früher an mir verzweifelt. Obwohl wir oft zusammen ins Fitness-Studio gegangen sind, habe ich einfach viel weniger Masse aufgebaut als er.“ „Das lag bestimmt an einer falschen Ernährung“, unterbrach sein Partner ihn mit einer ziemlich besserwisserisch klingenden Stimme. „Du hast sicher zu wenig Proteine zu dir genommen. Denk nur einmal an dein Lieblingsgericht, Spaghetti mit Feta-Käse, Tomaten und Oliven: viele Kohlenhydrate, kaum Proteine. Und dein liebster Zwischensnack sind Cracker. Da ist die Eiweißzufuhr gleich null.“ „Wie auch immer“, meinte Crocodile und rollte mit den Augen. „Außerdem müssen beim Krafttraining viele Geräte mit beiden Händen bedient werden, damit kein Ungleichgewicht entsteht. Dasgleiche gilt natürlich für die Benutzung von Freihanteln. Also müsste ich eine Hand-Prothese tragen.“ „Und?“ Doflamingo legte den Kopf schief. „Was wäre dann an einer Prothese so schlimm?“ „Ich mag das nicht“, erklärte Crocodile unwillig. „Ich habe es probiert eine Hand-Prothese zu tragen, aber kam damit nicht so gut zurecht. Ist einfach nichts für mich.“ „Shanks hat mir erzählt, dass er manchmal eine Prothese trägt.“ „Shanks hatte nach dem Verlust seines Arms auch mit Phantomschmerzen zu kämpfen. In so einem Fall ist das Tragen einer Prothese zur Schmerztherapie sinnvoll. Zum Glück bin ich aber davon verschont geblieben.“ Um zum eigentlichen Gesprächsthema zurückzukehren, fügte Crocodile hinzu: „Jedenfalls würde ich hauptsächlich Cardio-Training machen. Das ist gut für den Kreislauf. Vielleicht manchmal noch die Beinpresse dazunehmen oder etwas für meinen Rücken tun. Ist bestimmt nicht gesund, die Hälfte des Tages sitzend zu verbringen.“ „Meistens sitzt doch sowieso Robin auf deinem Stuhl, oder nicht?“, witzelte sein Partner. Dieser Kommentar versetzte Crocodile einen Stich ins Herz. Doflamingo wusste immer noch nicht, dass er schon seit Monaten nicht mehr mit seiner ehemaligen Sekretärin Robin zusammenarbeitete. Kiwi und Moz kannte er überhaupt nicht. „Ich hab das sehr niedlich an euch gefunden. Ich weiß noch, dass ich früher, bevor wir ein Paar wurden, oft an deiner offenen Bürotüre vorbeigegangen bin. Meistens saß Robin auf deinem Chefsessel, während du gestanden hast. Wie geht es Robin eigentlich? Ich habe lange nichts mehr von ihr gehört.“ „Sie hat jetzt einen neuen Freund“, erklärte Crocodile. „Ein Typ namens Cutty Franky. Er soll wohl ein ganz hohes Tier bei Tom's Workers sein. Du weißt schon, die jedes Jahr diese große Elektonik-Messe organisieren. Dort musste ich auch hin. Erinnerst du dich?“ Doflamingo nickte. „Eine Beziehung tut ihr sicher gut“, meinte er. „Sie wirkt oft ein bisschen unterkühlt.“ „So ist sie eben.“ Ganz anders als die quierligen Schwestern Kiwi und Moz, fügte Crocodile in Gedanken hinzu. * Crocodile hielt sich allein in seinem Zimmer auf. Er sichtete seine Finanzlage: Mit klopfendem Herzen kramte er Kontoauszüge hervor, überflog Mahnungen, kontrollierte seine Kreditkartenabrechnungen. Als er zu dem Schluss kam, dass sich sein aktueller Schuldenberg auf 23.450 Berry belief, konnte er nicht verhindern, dass sich Enttäuschung in seiner Brust ausbreitete. Er hatte darauf gehofft, endlich wieder schwarze Zahlen schreiben zu können. Dass immer noch ein - zugegebenermaßen für seine Verhältnisse kleiner - Rest überblieb, wurmte ihn. „Dreiundzwanzigtausendvierhundertfünfzig Berry.“ Crocodile nahm sich die Freiheit heraus, die Summe laut auszusprechen. Diese Zahl wumte ihn, doch sie trieb ihn nicht in die Verzweiflung, wie ihre Vorgängerinnen es getan hatten. Diese Forderung konnte er in ein oder zwei Monaten vollständig beglichen; je nachdem, wie groß das finanzielle Polster für seine Privatausgaben sein sollte. Eigentlich war es ein gutes Gefühl. 23.450 Berry waren okay. Damit konnte er leben. Das war nicht allzu viel Geld. Nicht nur für Doflamingo, sondern selbst für Crocodile nicht. Vielleicht konnte er es sich sogar leisten, seinen Ehemann mit einer Einladung ins Baratie zu überraschen? * Zusammen Sport zu treiben, wurde für Doflamingo und Crocodile zu einem gemeinsamen Hobby. Zwei- bis dreimal pro Woche verzogen sie sich für eine oder zwei Stunden in den Fitness-Raum in ihrer Villa. Während Doflamingo sich nur zum Aufwärmen auf den Crosstrainer schwang und sich ansonsten hauptsächlich um sein Krafttraining kümmerte, stellte Crocodile fest, dass das Ausdauertraining ihm großen Spaß zu machen begann. Vor allen Dingen das Laufband hatte es ihm angetan: Es war auf seine ganz eigene Art entspannend nach einem langen Arbeitstag für ein Stündchen zu joggen und einfach nur seinen Gedanken nachzuhängen. Er hörte dabei auch gerne Musik. Ab und an machte er gemeinsam mit seinem Ehemann ein paar Crunches oder benutzte die Beinpresse. Natürlich war Doflamingo, der schon viel länger Sport trieb als er, kräftiger und konnte deutlich höhere Gewichte stemmen, doch daraus machte Crocodile sich nichts. Es ging ihm nicht darum, sich mit seinem Partner zu messen. Da konnte er nur verlieren, allein schon, weil er immer noch keine Prothese tragen wollte und deshalb einige Übungen für ihn überhaupt nicht machbar waren. Trotzdem merkte er, dass der Sport ihm guttat. Nach dem Training aß er gemeinsam mit Doflamingo zu Abend. Er hatte wieder mehr Appetit. Lachte öfter. Schlief nachts besser. „Hast du Lust heute Nachmittag mit mir einkaufen zu gehen?“, fragte Crocodile seinen Ehemann beim Frühstück. Crocodile aß ungewürztes Rührei mit Tomaten, während Doflamingo Naturjoghurt mit frischen Früchten löffelte. „Ich dachte mir, dass wir ein paar Sportklamotten für mich kaufen könnten. Wenigstens ein Paar gute Laufschuhe wären nicht schlecht.“ Doflamingo setzte einen überraschten Gesichtsausdruck auf. „Du möchtest freiwillig shoppen gehen?“, meinte er mit erstaunter Stimme. „Wer bist du? Ein Alien, das meinen Mann entführt hat?“ Diese Aussage brachte Crocodile zum schmunzeln. „Du hast mich durchschaut“, erwiderte er unbekümmert und kratzte auf seinem Teller den letzten Bissen Rührei zusammen. „Ich fordere einhunderttausend Berry Lösegeld. Wenn du nicht zahlst, wirst du deinen Ehemann nie wiedersehen.“ „Du bist viel mehr Wert als hunderttausend Berry“, sagte Doflamingo lachend. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Ich finde es gut, dass du wieder besser drauf bist. Ich... Also... In den letzten Monaten... Ich hatte das Gefühl, dass du oft deprimiert warst. Aber jetzt lachst du wieder. Ist also alles in Ordnung?“ Diese unerwartete Aussage versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich ins Herz. Dass Doflamingo sich zwischenzeitlich große Sorgen um ihn gemacht hatte, bereitete ihm ein schlechtes Gewissen. Er hasste es, wenn Andere sich um ihn sorgten oder ihn bemitleideten. Er kam allein gut zurecht. „Ich glaube, das lag hauptsächlich an meiner Arbeit“, log er Doflamingo an. „Die Arbeit in der Bank hat mir in letzter Zeit keinen Spaß mehr gemacht. Ständig werde ich von Sengoku schikaniert und mit Aufgaben gequält, die weit unter meiner Kompetenz liegen. Ich... Um ehrlich zu sein, habe ich mich schon nach etwas Anderem umgeschaut. Letzte Woche hatte ich ein Bewerbungsgespräch bei Tom's Workers. Robin hat mich empfohlen. Sie ist ja jetzt mit Cutty Franky zusammen, erinnerst du dich? Ich hoffe, dass ich dorthin wechseln kann.“ „Du hattest ein Bewerbungsgespräch und hast mir nichts davon erzählt?“ „Ich wollte nicht gleich Hoffnungen bei dir wecken“, erwiderte Crocodile rasch. „Es ist nur ein Gespräch gewesen, keine Jobzusage.“ „Wäre wirklich toll, wenn du die Stelle dort kriegen würdest“, meinte Doflamingo lächelnd. „Ich glaube, das ist viel näher, oder? Dann müsstest du nicht mehr jeden Tag eine Stunde zur Arbeit fahren.“ Crocodile nickte. „Wenn du möchtest, dann kann ich versuchen ein paar Verbindungen spielen lassen“, fuhr sein Ehemann, noch immer lächelnd, fort. „Um deine Chancen zu erhöhen.“ „Nein!“, erwiderte Crocodile hektisch und viel zu schnell. „Nein... Ich... Das will ich nicht. Das würde gegen meinen Stolz gehen. Ich will das allein schaffen. Aber... Ich glaube, ich habe ganz gute Karten. Die Bank hat mich ja auf die Messe geschickt, weißt du noch? Dort bin ich bereits mit Cutty Franky ins Gespräch gekommen. Ich denke, dass meine Chancen gutstehen.“ „Ich drücke dir die Daumen.“ „Du scheinst das ja echt gelassen zu nehmen“, sagte Crocodile mit erstaunter Stimme. „Naja, warum denn auch nicht?“, gab Doflamingo schulterzuckend zurück. „Was sollte ich dagegen haben?“ „Ein Jobwechsel ist eine ziemlich große Sache“, gab Crocodile zu bedenken. „Ich... Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich dort genausoviel verdienen werde wie in der Bank...“ Sein Ehemann machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du hast einen reichen Mann geheiratet“, meinte er schmunzelnd. „Darum brauchst du dir also keine Gedanken zu machen.“ „Ich will mich nicht auf deinem Geld ausruhen“, gab Crocodile pikiert zurück. „Mir ist es wichtig, mein eigenes Gehalt zu haben. Hoffentlich muss ich bei Tom's Workers nicht allzu große Abstriche machen.“ „Selbst wenn...“, sagte Doflamingo. „Ich finde es gut, dass du dich nach einer anderen Arbeit umschaust. Was nützt dir ein gutes Gehalt, wenn du an deinem Arbeitsplatz nur schikanierst wirst? Du hast in letzter Zeit kaum noch von deiner Arbeit geredet. Hast immer ausweichend reagiert, wenn ich dich gefragt habe, was du heute gemacht hast. Du warst so oft niedergeschlagen und schlecht gelaunt. Ich möchte dich lachen sehen, Crocodile. Und wenn dir ein Jobwechsel dabei hilft, dann werde ich dich unterstützen, wo ich nur kann!“ „Danke“, sagte Crocodile. „Das ist sehr lieb von dir.“ Die Worte seines Partners versetzten ihm einen zweiten Stich. Es war so unfassbar dumm von ihm gewesen, Doflamingo nicht gleich von seiner Kündigung erzählen. Er wusste nun, dass er sich nicht abgewendet hätte. Stattdessen hätte er ihn getröstet, ihn unterstützt und bei der Suche nach einer neuen Arbeit mit allen Mitteln unterstützt. Das war Crocodile nun klar. Doch diese Erkenntnis kam zu spät. * Nozomi war vier Monate alt, als Hancock ihnen ihre Tochter zum ersten Mal für eine Übernachtung überließ. Crocodile wurde ein bisschen flau im Magen bei dem Gedanken, sich ohne die Unterstützung seiner Schwester um sie zu kümmern, doch er gönnte Hancock auch einen Abend mit Freundinnen. Das hatte sie sich nach den schweren Zeit, die sie durchlebt hatte, wirklich verdient. Doflamingo unterdessen freute sich sehr darauf seine Nichte zu betreuen. Tatsächlich musste Crocodile ihm die Idee, im Babyfachgeschäft eine komplette Kinderzimmerausstattung zu kaufen, ausreden. Doch zumindest von einem völlig überteuerten Babybett, das sie in ihr Schlafzimmer gestellt hatten, und einer Wickelkommode ließ sein Ehemann sich nicht abbringen. „Ich bin per Handy immer erreichbar“, erklärte ihnen Hancock, während Doflamingo die Babyschale, in welcher die kleine Nozomi saß, auf der Rückbank ihres Autos sicher befestigte. „Wenn ihr mit ihr nicht zurechtkommen solltet, dann scheut euch bitte nicht mich anzurufen.“ Doflamingo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Mach dir keine Sorgen“, versuchte er seine Schwägerin zu beruhigen. „Wir haben ja schließlich über alles Wichtige gesprochen. Und ich habe Erfahrungen im Umgang mit Babies. Früher habe ich mich oft um Sugar, Monets kleine Schwester, gekümmert.“ „Und du hast dir wirklich einen Abend für dich verdient“, fügte Crocodile hinzu. „Jeder braucht mal eine Auszeit. Selbst eine Mutter. Man kann nicht rund um die Uhr einhundert Prozent geben.“ „Ich freue mich wirklich darauf, endlich mal wieder mit Ran und Sondersonia in eine Cocktail-Bar zu gehen“, gestand Hancock ihnen. „Ich habe das Gefühl, dass meine Freundschaften ein wenig leiden, seitdem Nozomi auf der Welt ist. Manche Dinge sind mit Baby nicht so leicht möglich.“ „Dafür sind ja Onkels da“, erwiderte Doflamingo strahlend und packte eine riesengroße Tasche in den Kofferraum. (Crocodile fragte sich, was alles darin war. Sie nahmen Nozomi doch nur für eine Nacht? Da brauchte man doch nicht viel mehr als ein paar Windeln und Fläschchen, oder?) „Danke euch“, sagte Hancock lächelnd. Sie gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn und ehe Crocodile sich versah, waren er und sein Partner allein mit dem wenige Monate alten Säugling. Er warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu, als er feststellte, dass dieser sich nach hinten auf die Rückbank zu Nozomi setzte. Sein Verlobter, der seinen pikierten Gesichtsausdruck bemerkte, erklärte rasch: „Ich bleibe während der Autofahrt lieber bei Nozomi. Du weißt schon, falls sie anfangen sollte zu weinen oder so etwas in der Art.“ Unwillig setzte Crocodile sich allein nach vorne und startete den Motor. Selbstverständlich verhielt seine Nichte sich während der gesamten Autofahrt ruhig und friedlich. Zuhause angekommen, hatte Doflamingo nur Augen für Nozomi. Begeistert lauschte er jedem Gebrabbel, das die Kleine von sich gab, und kitzelte voller Wonne ihre winzigen Füße. Crocodile, der es gewohnt war stets die volle Aufmerksamkeit seines Partners zu genießen, kam nicht umhin ein bitteres Stechen in seinem Brustkorb wahrzunehmen. Er schämte sich selbst dafür, doch er konnte nicht verhindern, dass er ein wenig eifersüchtig auf seine kleine Nichte wurde. „Ist sie nicht süß?“, meinte Doflamingo mit freudestrahlender Stimme, während er Nozomi zärtlich über ihren zarten Pflaum Haare streichelte. Sie saßen gemeinsam auf dem Sofa im Wohnzimmer. Doflamingo hatte einen Kindersender eingeschaltet; das fand Crocodile zwar unsinnig, weil Nozomi noch viel zu jung war, um die Sendung zu verstehen, doch er behielt seine Meinung lieber für sich. „Sie sieht Hancock sehr ähnlich. Darüber bin ich ziemlich froh, wenn ich ehrlich bin. Ich hoffe, dass Nozomi nicht nach ihrem Vater kommen wird.“ „Ja, das wäre schön“, erwiderte sein Ehemann. „Ich fasse es immer noch nicht, dass Luffy einfach abgehauen ist und seine schwangere Freundin im Stich gelassen hat. So hätte ich ihn gar nicht eingeschätzt.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Mich hat das alles in allem nicht sonderlich überrascht. Luffy ist noch sehr jung. Siebzehnjährige Jungen haben andere Dinge im Kopf als sich um Babies zu kümmern. Es ist sehr leichtsinnig von Hancock gewesen, sich auf ihn einzulassen.“ „Ich finde es nicht gut, dass du ihn so in Schutz nimmst“, meinte Doflamingo und wippte Nozomi, deren gute Laune sich allmählich zu verflüchtigen schien, sanft hin und her. „Wenn man ein Kind in die Welt setzt, muss man sich darum kümmern. Es ist nicht richtig sich ans andere Ende der Welt zu verziehen und sein Kind allein zu lassen.“ „Natürlich ist es nicht richtig“, lenkte Crocodile ein. „Ich möchte Luffy auch gar nicht verteidigen. Aber... nun ja... Ich meine, man hätte mit so etwas rechnen müssen. Manche Dinge sind einfach vorhersehbar. Er hatte doch noch nicht einmal einen Schulabschluss. Wie hätte er Hancock denn unterstützen sollen, selbst wenn er es gewollt häte? Sie war blind vor Liebe und hat eine unüberlegte Entscheidung getroffen. Das hätte ich nicht von ihr erwartet. Eigentlich ist Hancock eine sehr kluge Frau.“ „Jeder macht mal einen Fehler. Auch der klügste Mensch auf Erden. Und gerade, wenn man frisch verliebt ist, neigt man dazu nur die positiven Dinge zu sehen. Du weißt schon, rosarote Brille und so.“ „Keine Ahnung“, gab Crocodile lahm zurück. „Mich hat meine Vernunft glücklicherweise nie verlassen, auch wenn ich frisch verliebt war. Ich kann nicht nachvollziehen, wie sich jemand Intelligentes plötzlich in einen naiven und leichtsinnigen Menschen verwandeln kann.“ Angesichts dieser Aussage begann Doflamingo zu kichern. „Genau so jemand bin ich“, gab er fröhlich grinsend zu. „Weißt du noch, dass ich den Verlobungsring für dich schon nach drei Monaten Beziehung gekauft hatte?“ „Sei froh, dass du keinen Fehltritt gelandet bist“, gab Crocodile zu bedenken. „Viele Andere hätten deine Gefühle schamlos für ihre Zwecke ausgenutzt. Hätten dich geheiratet, gleich nach der Hochzeit die Scheidung eingereicht und wären mit der Hälfte deines Vermögens verschwunden.“ „Da habe ich ja Glück, dass du nicht zu dieser Sorte gehörst“, warf Doflamingo noch immer kichernd ein. „Auch wenn es mich manchmal tierisch genervt hast, wenn du dich nicht von mir einladen lassen wolltest. Ich bin froh, dass du in dieser Hinsicht endlich etwas lockerer wirst. Erinnerst du dich noch an den Mantel, den ich dir geschenkt hatte? Du hast unbedingt darauf bestanden, mir das Geld daür wiederzugeben. Das hat mich wirklich geärgert.“ „Mir sind solche Geschenke immer etwas unangenehm“, sagte Crocodile. „Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich käuflich sei. Sicher denken viele Leute, dass ich nur deines Geldes wegen mit dir in einer Beziehung bin.“ „Ich fand es unfassbar schön, wie sehr du dich über den Mantel gefreut hattest“, seufzte Doflamingo. „Dass du mir unbedingt das Geld wiedergeben wolltest, hat den ganzen Moment kaputt gemacht.“ „Es ist ein hübscher Mantel. Ich trage ihn gerne. Aber ich lasse mich eben nicht gerne beschenken. Stell dir nur einmal vor, in der Bank hätte mich jemand gefragt woher ich den neuen Mantel habe, und ich hätte sagen müssen, dass mein Freund ihn mir geschenkt hat. Das wäre furchtbar gewesen.“ „Wieso das denn?“ Seine Ehemann verzog den Mund. „Es ist doch normal, dass man Geschenke von seinem Freund bekommt.“ „Ja. Zu Weihnachten, zum Gebuststag, am Valentienstag und so weiter. Aber doch nicht einfach so zwischendurch.“ „Du schenkst mir manchmal Blumen ohne Anlass“, warf Doflamingo ein. „Blumen... Aber keinen Nerzmantel für über zwanzigtausend Berry. Solche teuren Geschenke erwecken den Eindruck du seist mein Sugardaddy. Das kann ich überhaupt nicht leiden. Ich finde es furchtbar, wenn Menschen sich von ihren Lebenspartnern aushalten lassen.“ „Das hat doch damit nichts zu tun“, widersprach ihm Doflamingo. „Ich liebe dich, Wani. Und Leuten, die man liebt, macht man gerne Geschenke. Das ist doch ein völlig normales Verhalten. Ich möchte einfach, dass es meinem Liebsten gutgeht. Und mir keine Vorwürfe anhören müssen, ich würde dich schlecht behandeln.“ Ihr Gespräch wurde von Nozomi, die plötzlich zu weinen anfing, unterbrochen. Verwundert blickte Crocodile zu seiner kleinen Nichte hinüber. „Was hat sie denn auf einmal?“, fragte er seinen Ehemann. „Ich glaube, ihre Windel muss gewechselt werden“, erklärte Doflamingo und erhob sich vom Sofa. Der Wickeltisch, den er extra für Hancocks Tochter gekauft hatte, stand in ihrem Haupt-Badezimmer. „Ruf doch eines der Dienstmädchen“, schlug Crocodile vor. „Dann musst du dich nicht selbst drum kümmern.“ Doch sein Ehemann winkte ab. „Ach Quatsch, ich wickle sie eben schnell. Da ist doch nichts dabei.“ „Und wenn sie... du weißt schon... groß gemacht hat? Das stinkt doch zum Himmel!“ „Mir macht das nichts aus“, gab Doflamingo, der sich prompt auf den Weg ins Badezimmer machte, mit gelassener Stimme zurück. „Ich habe schon öfters Babies gewickelt.“ „Ich verstehe nicht, warum du das freiwillig machst...“, murmelte Crocodile, der nichtsdestotrotz seinem Partner folgte. Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich dran. Außerdem muss ich das auch machen, wenn ich selbst mal Vater bin. Da ist es nicht schlecht, wenn ich schon etwas Übung habe.“ Crocodile, der aufgrund seiner fehlenden Hand Schwierigkeiten beim Wickeln hatte, machte es überhaupt nichts aus, seinem Partner in dieser Hinsicht den Vortritt zu gewähren. Es handelte sich bei ihm um eine sehr reinliche Person, die Schwierigkeiten mit fast allen Arten von fremden Körpersekreten hatte. Er konnte sogar spüren, wie sich die Übelkeit seinen Hals hochkroch, während Doflamingo die Windeln ihrer kleinen Nichte wechselte. „Wenn wir irgendwann mal Kinder haben sollten, will ich mit diesem Part nichts zu tun haben!“, sagte Crocodile sofort und sah erst dann wieder hin, als sein Ehemann Nozomis Strampler zuknöpfte. „Da habe ich nichts gegen“, gluckste Doflamingo ohne seinen Blick von dem Baby in seinem Arm abzuwenden. Am Abend lagen sie zu dritt gemütlich im Bett. Links Crocodile, rechts Doflamingo, in die Mitte hatten sie Nozomi genommen. Es war ein sehr angenehmes Gefühl so entspannt dazuliegen und nichts zu tun außer Nozomos kleinen Körper und die Wärme, die sein Ehemann ausstrahlte, zu spüren. Crocodile merkte, dass er mit jeder Minute, die verging, ruhiger wurde. Erinnerungen an seine frühe Kindheit überfluteten ihn wie eine seichte Welle. Er dachte daran zurück, wie in der Nacht manchmal Hancock, mit der er sein Zimmer geteilt hatte, in sein Bett gestiegen war und sie beide dicht aneinander gekuschelt geschlafen hatten. Oder wie Mihawk ihm abends aus einem Buch vorlas. Das waren schöne Zeiten gewesen. Crocodile schreckte auf, als er spürte, wie eine winzige Hand seinen Daumen umklammerte. Dies war einer der ganz wenigen Momente in seinem Leben, in denen er sich dachte, dass es vielleicht gar nicht so schlecht wäre mit einem Kind zusammenzuleben. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass Doflamingo seinen jüngeren Bruder Corazon sehr vermissen musste. Sicher war auch er als Kind ab und an in das Bett seines älteren Bruders gekrabbelt. Es war nicht leicht, wenn man sein einziges Geschwisterkind so früh verlor. Crocodile konnte nachvollziehen, wieso sein Partner sich so sehr nach einem behüteten Familienleben mit Ehemann, Schwager, Schwägerin, Nichte und am besten noch ein paar eigenen Kindern sehnte. Behutsam veränderte Crocodile seine Liegeposition, sodass sein Kopf nah an Doflamingos Brust lag. Er konnte sein Herz in einem gleichmäßigen Rhythmus schlagen hören. Ein beruhigendes Geräusch. „Ich liebe dich.“ Erst als die Worte bereits ausgesprochen waren, realisierte Crocodile, dass sie von ihm stammten. „Ich liebe dich auch“, erwiderte Doflamingo mit sanfter Stimme und küsste zärtlich sein Haar. „Wenn ich dir etwas verrate, versprichst du dann, nicht wütend zu werden?“ Erneut überraschte es Crocodile, dass diese Worte von ihm selbst gesprochen worden waren. Es war als hätte seine Zunge sich verselbstständigt. „Klar“, antwortete sein Ehemann ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern. Seine Stimme klang ernst, aber nicht hart. Crocodile spürte, wie Doflamingos nackte Zehen seine in Socken eingehüllten Füße streiften. Es war eine winzige Berührung, aber sie spendete mehr Trost als jedes Wort es je vermocht hätte. „Ich arbeitete schon seit einer Weile nicht mehr bei der Bank“, sagte Crocodile, „sondern bei Tom's Workers.“ Während er sprach, blickte er Doflamingo nicht in die Augen, sondern fixierte Nozomis friedliches Baby-Gesicht. Im Geiste hatte Crocodile sich zig verschiedene Reaktionen seines Partners ausgemalt. Einen wütenden Doflamingo, der ihn beschimpfte. Einen enttäuschten Doflamingo, der sich betrogen vorkam. Ein ungläubiger Doflamingo, der ihm vorwarf ihn auf den Arm nehmen zu wollen. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass sein Ehemann schwieg. Er schwieg einfach, sagte kein Wort, blickte ihm auch nicht ins Gesicht, sondern fuhr mit seinen Zehen über Crocodiles Unterschenkel. „Du arbeitest nicht mehr bei der Bank? Was soll das heißen?“, fragte Doflamingo schließlich. Seine Stimme klang aufgewühlt, aber nicht wütend. „Mir ist ganz plötzlich gekündigt worden“, gestand Crocodile. Ein bitterer Geschmack legte sich auf seine Lippen, während er sprach. „Sengoku hat mich mehr oder weniger einfach rausgeschmissen. Keine Ahnung wieso. Jetzt arbeite ich stattdessen bei Tom's Workers.“ „Einfach rausgeschmissen?“, wiederholte Doflamingo. Obwohl Crocodile nicht hinsah, wusste er, dass sein Partner eine Augenbraue hochzog. Crocodile nickte. „Ich hab einen Fehler bei der Arbeit gemacht“, gestand er schließlich. „Die Bank hat Geld verloren und ein paar Leute mussten entlassen werden. Ich hätte das Problem lösen können. Aber dazu bekam ich keine Gelegenheit mehr. Stattdessen hat Sengoku mir gekündigt. Ich bin mir sicher, dass er nur darauf gewartet hat, dass mir so etwas passiert. Er konnte mich nie leiden.“ „Oh, ich... Crocodile...“ Es war eine der wenigen Momente in Doflamingos Leben, in denen er keine passenden Worte zu finden schien. „Das... das tut mir so leid für dich...!“ Dann schwieg er für eine Weile. Sie lagen da, zu dritt, mit der kleinen Nozomi zwischen ihnen beiden. Crocodile spürte überdeutlich die winzigen Fingerchen, die seinen Daumen umschlossen. Doflamingos Herzschlag tönte laut in seinem Ohr. Weil sein Partner das Wort nicht ergriff, tat es schließlich Crocodile. „Aber ich habe ja eine neue Arbeit. Meine Sekretärin Robin hat mich Franky, dem Geschäftsführer von Tom's Workers vorgestellt. Ich... ähm... ich verdiene dort zwar etwas weniger als zu meinen Zeiten bei der Bank... aber ich fühle mich dort sehr wohl. Franky ist nett und die anderen Kollegen auch. Und...“ „Warum hast du mich angelogen?“ Doflamingos Stimme war leise, doch seine Worte versetzten Crocodile einen Stich ins Herz. Er spürte, dass sein Ehemann ein Stück von ihm und Nozomi abrückte. Als Crocodile es noch immer vermied die Blicke zu kreuzen, umfasste Doflamingo mit der rechten Hand seinen Unterkiefer und zwang ihn dazu aufzublicken. Es war kein harter Griff, doch Crocodile kam diese Berührung übergriffig, fast schon gewaltsam vor. Es kostete ihn extrem viel Überwindung in die grünen Iridien seines Partners zu blicken. Wie immer, wenn Doflamingo seine Sonnenbrille nicht trug, überkam Crocodile das Gefühl geröntgt zu werden. „Du hast mir erzählt, dass du vor zwei Wochen ein Bewerbungsgespräch bei Tom's Workers hattest. Dass du in der Bank schikaniert wirst und deswegen wechseln möchtest. Wieso hast du mir nicht von Anfang an die Wahrheit erzählt? Crocodile!“ „Ich... ich wollte nicht, dass du davon erfährst...“ Wieder kamen ihm die Worte über die Lippen, ohne dass er es verhindern konnte. „Ich dachte, ich könnte meine Probleme allein lösen. So wie immer... Ich... ich wollte mich nicht vor dir blamieren.“ Doflamingos Finger ließen sein Kinn los, streichelte stattdessen über seine Wange. „Du brauchst dich nicht dafür zu schämen, dass du gefeuert wurdest“, sagte sein Ehemann mit sanfter Stimme. Der zärtliche Ton war wie Balsam für Crocodiles Seele. „Ich hätte Verständnis für dich aufgebracht... versucht dir zu helfen. Es tut weh, zu wissen, dass du mir so wenig Vertrauen entgegenbringst, Crocodile. Immerhin sind wir beide verheiratet.“ „Ich weiß“, erwiderte er. Seine Zunge fühlte sich schwer an und in seinem Hals steckte ein dicker Kloß. „Das ist mir selbst auch klar geworden. Ich wollte es dir sagen... Aber irgendwie hat sich die Situation nicht ergeben. Und die Zeit ging ins Land und... und da konnte ich es dir nicht mehr sagen.“ Doflamingo ließ von seiner Wange ab, runzelte die Stirn, warf ihm einen abschätzenden Blick zu, der mehr schmerzte als jeder Fausthieb es getan hätte. Schließlich wollte er wissen: „Von was für einem Zeitraum sprechen wir hier, Crocodile? Wie lange hast du mich angelogen?“ Als Crocodile nicht antwortete, griff er nach seinem rechten Arm und schüttelte diesen. „Wie lange?! Crocodile! Sag es mir!“ Nozomis Hand rutschte von Crocodiles Daumen und seine Nichte fing angesichts der plötzlich gekippten Stimmung zu weinen an. Als Doflamingos Blick auf das brüllende Kind fiel, ließ er den Arm seines Partners wieder los. „Das Ganze ist vor etwas mehr als einem Jahr passiert.“ Seine Worte schlugen ein wie eine Bombe. Das pure Entsetzen, das in Doflamingos grünen Augen lag, war schlimmer als jede Reaktion, auf die Crocodile sich eingestellt hatte. Er nahm es selbst gar nicht wahr als Tränen auf der Bettdecke in seinem Schoß landeten. „Du... du hast mich ein Jahr lang angelogen?“ Doflamingos Stimme war wie Säure. „Du hast versprochen, dass du nicht wütend wirst...“ Seine Worte wurden vom lauten Weinen seiner Nichte beinahe übertönt. „Wie, bitteschön, soll ich denn sonst reagieren?!“, schleuderte Doflamingo ihm geradezu vor Wut schäumend entgegen. „Mein Ehemann hat mich ein Jahr lang angelogen! Jedes Mal, wenn ich dich gefragt habe wie heute die Arbeit war, hast du gelogen! Jeden Tag bist du zu einem komplett anderen Arbeitsplatz gefahren als du mir weißgemacht hast! Und warum? Darum! Es gibt keinen vernünftigen Grund für deine Lügen!“ „Ich habe mich geschämt!“ Nun brüllte auch Crocodile. Er fühlte sich von seinem Partner in die Ecke gedrängt. „Sag mir: Wie hätte ich meinem Freund, der ein erfolgreicher Multimillionär ist, erklären sollen, dass mein monatlichen Einkommen von einem Moment auf den nächsten auf null gesunken ist?!“ „Dein verdammtes Geld ist mir scheißegal“, schrie Doflamingo. Eine Ader pulsierte an seiner Stirn. „Ich brauche das Geld meines Freundes nicht. Ich habe selbst mehr als ich in zehn Leben ausgeben könnte. Aber... aber dass du mir so wenig Vertrauen entgegenbringst... dass du mir so erst ein Jahr später erzählst... Ich... das kann ich nicht verstehen!“ Nun flossen auch Doflamingo Tränen über das Gesicht. Ob aus Wut oder Trauer vermochte Crocodile nicht zu sagen. „Wann hätte ich es dir denn erzählen sollen?“ Nun ging Crocodile in die Defensive. Er fühlte sich von seinem Ehemann ungerecht behandelt. „Als du mich gefragt hast, ob ich bei dir einziehen möchte? Als du mir einen Antrag gemacht hast? Als wir geheiratet haben? Oh, das sind alles wirklich tolle Gelegenheiten gewesen. Ach übrigens, Doffy, ich hab meine Arbeit verloren. Keine Ahnung, wie ich meine Designer-Wohnzimmermöbel bezahlen soll, die ich gekauft habe. Oh, und klar, gerne: Der Stein in meinem Ehering soll grüner Musgravite sein. Wow! Das klingt wirklich nach einem ganz wunderbaren Gespräch!“ „Was glaubst du denn wie ich reagiert hätte?“ Doflamingo war leiser geworden, doch beruhigt hatte er sich keineswegs. „Meinst du, ich hätte dich verachtet? Dich ausgelacht?“ „Keine Ahnung...“ Crocodile schluckte. Verzweifelt ließ er sein Blick zwischen seinem Ehemann und seiner weinenden Nichte hin- und herschweifen. „Ich... ich wollte es dir sagen. Das wollte ich wirklich! Mir war schon lange klar, dass du mich deswegen nicht abwerten würdest. Aber irgendwie... es wurde alles so viel. Ich hatte dann erfahren, dass du noch viel reicher bist als ich ursprünglich gedacht hatte... Dass du eigene Privat-Jets und Yachten besitzt... und... ich fühlte mich neben dir wie ein wertloser Versager. Und jedes Mal, wenn ich dir erzählen wollte, was los war, wurde es schlimmer. Also habe ich mich immer weiter in meinen Lügen verstrickt. Irgendwann wusste ich einfach nicht mehr, wie ich mich aus diesem Netz aus Lügen befreien könnte.“ „Wani...“ Seinen Kosenamen zu hören war ein wundervolles Gefühl. Mit der rechten Hand griff Doflamingo nach der seinen, mit der linken versuchte er die noch immer brüllende Nozomi ein wenig zu beruhigen. „Du bist kein Versager. Ich begreife nicht, wie du jemals zulassen konntest, dass sich diese Gedanken in deinem Kopf ausbreiten. Du bist ein wundervoller Mensch. Ich liebe dich. Und mir ist es egal, ob du viel oder wenig Geld hast.“ „Es ist nur...“ Crocodile windete sich aus der Berührung seines Partners, um sich mit der rechten Hand über sein tränennasses Gesicht zu fahren. „Wie wirkt das denn auch, wenn die Leute plötzlich erfahren hätten, dass ich kein Geld mehr habe? Kluger Junge, er nutzt die Gefühle seines reichen Lovers aus, um an sein Vermögen zu kommen und solche Dinge würden sie sagen. Ich... das wollte ich nicht.“ „Niemand außer Gecko Moria sagt solche Dinge“, versuchte Doflamingo ihn zu trösten. „Und auf Gecko Moria gebe ich einen Scheißdreck.“ „Ich wollte nie, dass es soweit kommt“, sagte Crocodile und senkte den Blick. „Ich... Am Anfang, da waren wir beide gerade erst sechs Monate zusammen, da wollte ich es dir nicht sagen. Das Vertrauen war noch nicht groß genug. Später, als wir beide verlobt und dann verheiratet waren, habe ich bereut, dass ich nicht von Anfang an ehrlich zu dir war, Doffy. Es war nie meine Absicht... Ohne dass ich es wollte, führte eine Lüge zur anderen...Wie ein Netz, das mich nach und nach erstickte... Ich... Es tut mir leid, Doffy! Es... tut mir leid!“ Und ehe Crocodile sich versah, lag er in Doflamingos Armen. Er konnte gerade noch verhindern, dass er mit dem Knie gegen Nozomi, die immer noch zwischen ihnen auf dem Bett lag, stieß. Er weinte, schluchzte und schniefte bitterlich, doch für nichts in der Welt wollte er das Gefühl von Doflamingos Armen, die seinen Oberkörper umklammerten, aufgeben. Sie lösten sich erst dann wieder voneinander, als Nozomis Weinen so bitterlich wurde, dass man es nicht mehr länger unbeachtet lassen konnte. Behutsam hob Crocodile seine kleine Nichte hoch und versuchte sie zu beruhigen, indem er sie langsam hin- und herwiegte. Doflamingo warf nur einen kurzen Blick auf Nozomi, ehe er erneut in das Gesicht seines Partners schaute. Crocodile, der Doflamingos unangenehmen Röntgtenblick nie lang standhalten konnte, runzelte die Stirn. „Was ist?“, fragte er mit schwacher Stimme. „Ist das alles gewesen?“ „Was meinst du damit?“ „Dass Sengoku dich rausgeworfen hat... das ist alles gewesen?“ „Wenn du es so ausdrückst, klingt es fast wie eine Bagatelle“, erwiderte Crocodile. „Es... Ich... Sicher habe ich dir erzählt, dass ich erst eineinhalb Jahre, bevor ich dich kennenlernte, in meine Loft-Wohnung gezogen war. Es gab einige Dinge, die ich noch nicht bezahlt hatte. Designer-Möbel und andere Sachen... Die Forderungen saßen mir natürlich die ganze Zeit über im Nacken.“ „Und ich habe dich dazu gedrängt bei mir einzuziehen und all deine Möbel zurückzulassen...“ „Es waren nicht nur Möbel“, versuchte Crocodile seinen Ehemann angesichts seiner Gewissensbisse zu trösten. „Sondern?“, hakte Doflamingo sogleich hastig nach. „Sondern was?“, gab Crocodile irritiert zurück. „Das... das ist alles?“ Doflamingo sah ihm tief in die Augen. Selbst Nozomi, die sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben schien, schien von diesem intensiven Blick wieder aufgewühlt zu werden. „Das, was du mir eben erzählt hast, ist alles gewesen, was dich belastet? Nichts weiter?“ „Nein, nichts weiter“, sagte Crocodile. Und da fing sein Ehemann plötzlich laustark zu lachen an. Doflamingo hielt sich beide Hände vor den Mund, als wollte er das Lachen daran hindern zu entkommen, doch es gelang ihm nicht. Wie ein Verrückter lachte er aus vollem Halse. Crocodile, der bei seinen exzentrischen Partner schon die eine oder andere seltsame Eigenart hatte beobachten können, wusste überhaupt nicht wie er dieses Verhalten einordnen sollte. Mit besorgtem Gesichtsausdruck musterte er Doflamingo, dessen lautes Gelächter sich inzwischen in ein verrücktes Kichern verwandelt hatte. Irgendwann beruhigte Doflamingo sich wieder. Zumindest einigermaßen. Er warf Crocodile das breiteste Lächeln zu, das dieser jemals gesehen hatte. „Ich freue mich so sehr“, sagte er und klang tatsächlich als wäre ihm soeben ein schwerer Stein vom Herzen gefallen. „Und wieso?“ Crocodile konnte beim besten Willen kein Grund zur Freude erkennen. Doflamingo hatte erfahren, dass er ihn ein Jahr lang angelogen hatte. Und Nozomi würden sie wahrscheinlich mit einem schweren Traumata an Hancock zurückgeben müssen. Insgesamt waren das alles andere als Anlässe, um laut zu lachen. „Ich bin froh, dass es nur um Geld ging“, meinte Doflamingo, der noch immer selig lächelte. „Um Geld brauche ich mir keine Sorgen zu machen.“ „Was meinst du damit?“, wollte Crocodile wissen. Für ihn sprach sein Ehemann in Rätseln. „Nun...“ Doflamingo senkte den Kopf ein klein wenig. Sein Stimme wurde leise und sein Blick wurde weich. Er erweckte einen eigenartig melancholischen Eindruck. „Ich habe natürlich gemerkt, dass mit dir etwas nicht stimmt. Um ehrlich zu sein, habe ich mir schreckliche Sorgen gemacht. Du.. du hattest in letzter Zeit so oft Magenschmerzen... und so viel Gewicht verloren... Ich hatte die Befürchtung, dass du vielleicht krank bist. Weißt du, ich habe mit Law gesprochen und er sagte mir, dass es ganz schön viele schlimme Erkrankungen gibt, die mit dem Magen zusammenhängen können...“ „Du hast geglaubt, dass ich schwer krank sei...?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Es war nur eine Vermutung... Du hast auch die eine oder andere Andeutung in dieser Richtung fallengelassen... Oder zumindest habe ich mir eingebildet, dass du das getan hättest...“ „Es geht mir gut!“ Crocodiles Stimme hatte lauter geklungen als beabsichtigt. Er schreckte selbst zusammen. „Ich... Ich bin nicht krank. Ich meine... früher oder später wird mich das Rauchen wahrscheinlich ins Grab bringen, aber... ansonsten, nein, mir geht es gut.“ Und ohne dass er es verhindern konnte, brachen erneut die Tränen aus ihm hervor und liefen über sein Gesicht. Kapitel 31: Kapitel 16 ---------------------- Es war als wäre Crocodile eine schwere Last von den Schultern genommen worden. Seit er Doflamingo seine Lügen gebeichtet und dieser ihm verziehen hatte, fühlte sich sein Herz so leicht an wie eine Feder. Es tat unwahrscheinlich gut nicht mehr penibel genau auf jedes Wort achten zu müssen, das er von sich gab. Ganz ohne jede Angst konnte er seinem Ehemann von seinen Arbeitstag erzählen. Von dem aufdringlichen Kunden, mit dem er hatte telefonieren müssen, und von Kiwi und Mozz, die ihm zwischendurch Getränke brachten und die Gelegenheit nutzten, um ein wenig mit ihm zu plaudern. Seine Schulden beliefen sich nur noch auf 8.564 Berry - ein relativ kleiner Betrag, den er diesen Monat würde begleichen können. Crocodile konnte es kaum erwarten. 8.564 Berry und dann wäre dieser Alptraum endlich vorüber. Ein warmes Kribbeln breitete sich ausgehend von seinem Herzen in seinem ganzen Körper aus.Das Leben könnte nicht besser sein. Crocodile fühlte sich so wohl wie seit Jahren nicht mehr. Selbst damals, als er noch bei der Bank gearbeitet und ein wenig mehr Geld verdient hatte, war es ihm nicht besser gegangen. Das einzige, was er von dort vermisste, war seine ehemaliges Sekretärin Robin. Eine äußerst intelligente und kompetente Frau. Er sah sie hin und wieder, wenn sie seinen Chef Franky von der Arbeit abholte. Offenbar waren die beiden nun offiziell zusammen. Crocodile gönnte es ihnen von Herzen. Von Tashigi, die nach ihrem Praktikum eine Vollzeit-Stelle bei der Bank angenommen hatte, erfuhr er, dass sein Nachfolger sich als völliger Versager herausgestellt hatte. „Sein Name ist Buggy“, erklärte sie ihm mit leidiger Stimme, als er ihr kurz bei Mihawk Zuhause begegnete, „und er hat sich als echter Reinfall entpuppt. Sengoku hat ihn auf Empfehlung seines guten Bekannten Borsalino eingestellt. Er versicherte ihm, dass es sich bei Buggy um einen äußerst erfahrenen Manager handelt. Aber um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl, dass er es aus purem Glück geschafft hat soweit aufzusteigen. Seit er deine Stelle besetzt hat, geht jedenfalls alles den Bach runter. Ich glaube, Sengoku bereut es inzwischen dir gekündigt zu haben.“ Diese Neuigkeiten verschafften Crocodile eine gehörige Portion Genugtuung. Er kam nicht umhin sich vorzustellen, wie Buggy seinen ehemaligen Vorgesetzten in die Verzweiflung trieb. Angesichts dessen, dass es Sengoku war, mit dem das Leid der letzten Monate begonnen hatte, schämte er sich nicht einmal für seine Schadenfreude. Ganz im Gegenteil: Er erwischte sich sogar dabei, wie er darauf zu hoffen begann, dass Buggy die Bank in den Ruin treiben würde. Als er Doflamingo von seinem Gespräch mit Tashigi berichtete, erzählte dieser ihm, dass er schon länger mit dem Gedanken spielte sein Vermögen woanders verwalten zu lassen. „Ich bin bloß bei dieser Bank geblieben, weil du dort gearbeitet... weil ich dachte, du würdest dort noch arbeiten. Ich hatte die Befürchtung, dass du Ärger mit Sengoku bekommen könntest, wenn dein Freund -der immerhin einer der wichtigsten Kunden ist- die Bank wechselt. Das wollte ich dir natürlich nicht antun. Aber da sich diese Sache ja nun von selbst gelöst hat, spricht nichts mehr dagegen mein Geld woanders unterzubringen.“ „Ich würde zu gern Sengokus Gesicht sehen, wenn er erfährt, dass du dich von ihm abwendest“, warf Crocodile böse lachend ein. Eigentlich handelte es sich bei ihm um keinen sonderlich missgünstigen oder nachtragenden Menschen, doch für Sengoku konnte er kein Mitleid aufbringen. „Das glaube ich dir gern“, erwiderte Doflamingo, der sich überraschenderweise kein Stück an diesem rachsüchtigen Kommentar seines Partners zu stören schien. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck hinzufügte: „Ich verstehe immer noch nicht, wieso er dich überhaupt loswerden wollte. Laut deiner Aussage hat es sich bei diesem Fehler, den du gemacht hast, ja bloß um einen Vorwand für deine Kündigung gehandelt. Und dein Nachfolger, dieser Buggy, scheint ja nun auch keine Verbesserung zu sein.“ „Sengoku konnte mich nie leiden“, gab Crocodile schulterzuckend zurück. Irgendwann in seinem Leben hatte er aufgehört ständig nach dem Warum zu fragen. Vielleicht hatte er sich, nachdem er seine linke Hand verloren hatte und sein Gesicht von seinem Exfreund mit einem Messer bearbeitet worden war, einfach damit abgefunden, dass sich nicht hinter allen schlimmen Dingen ein logischer Grund verbarg. Manchmal war das Schicksal ein mieser Verräter, nichts weiter. „Keine Ahnung, wieso. Ich habe ihm nie etwas getan. Vielleicht hasst er Schwule. Oder einfach nur mich ganz persönlich.“ Doch mit dieser Antwort gab sein Ehemann sich nicht zufrieden. „Sengoku wusste von unserer Beziehung“, gab er zu bedenken. „Als er dir gekündigt hat, waren wir beide schon seit sechs Monaten ein Paar. Hältst du es nicht für ziemlich gewagt, den festen Freund deines besten Kunden zu feuern? Er muss doch damit gerechnet haben, dass du mir davon erzählst und ich mir aus Wut eine andere Bank nehme.“ Dieser Gedanke war ihm damals auch schon gekommen. „Sengoku kennt mich gut. Vielleicht setzte er darauf, dass mein angeschlagener Stolz es mir nicht erlauben würde dir davon zu erzählen.“ „Nun ja, wie auch immer. Jedenfalls werde ich morgen mit meinen Beratern sprechen. Sie sollen mir eine andere Bank vorschlagen.“ Er zögerte kurz, ehe er grinsend anfügte: „Vielleicht werde ich meinen Assistenten darum bitten, eine geheime Kamera zu tragen. Du weißt schon, so wie Detektive sie benutzen. Dann könntest du live miterleben, wie Sengokus Gesichtszüge entgleisen, wenn mein Assistent ihm mitteilt, dass ich die Bank wechsle.“ Bei dieser Vorstellung brachen sie beide in rachsüchtiges Gelächter aus. ~ Ihre Nichte Nozomi verbrachte inzwischen jeden Samstag bei ihnen. Crocodile, der sich selbst zuvor nie als einen sonderlich kinderfreundlichen Menschen eingeschätzt hatte, musste zugeben, dass er es sehr genoss Zeit mit dem kleinen Mädchen zu verbringen. Außerdem gelang es ihm auf diese Weise seine Schwester Hancock zu unterstützen, die ihre Tochter zwar über alles liebte, doch trotzdem für einige Stunden Ruhe überaus dankbar war. Crocodile konnte gut nachvollziehen, dass es anstrengend war, sich allein um einen Säugling zu kümmern. Zum Glück hatte er immer Doflamingo an der Seite, der ihn bei der Pflege von Nozomi unterstützte so gut es ging. Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Die Tage wurden kürzer und kälter. Crocodile, der sehr schnell fror, hatte längst wieder seinen Nerzmantel hervorgekramt, während Doflamingo immer noch seinen leichten Federmantel über seinem nur bis zur Brust geknöpftem Hemd trug. Diesen Samstagnachmittag verbrachten sie alle gemeinsam im städtischen Zoo. Es war kein schöner, heller Herbsttag. Der Himmel war mit Wolken bedeckt und mit knapp dreizehn Grad Celsius war es für Crocodiles Geschmack zwar deutlich kühl, doch zumindest hatten sie fast den gesamten Zoo für sich allein. Außer ihrer bunt gemischten Gruppe waren nur wenige andere Besucher gekommen, um sich die Tiere anzuschauen. „Laut Wetterbericht wird es erst heute Abend regnen“, meinte Doflamingo in einem mokierenden Tonfall, als er den besorgten Blick bemerkte, den sein Ehemann gen Himmel warf. Sie hielten sich im Moment in der Nähe der Pinselohrschweine auf. Das waren lustig anzuschauende Tiere mit rötlich-braunem Fell, weißem Backenbart und natürlich den namensgebenden langen, pinselartigen Ohren. Es war lange her, seit Crocodile das letzte Mal einen Nachmittag im Zoo verbracht hatte. „Hoffentlich“, gab Crocodile unwillig zurück. „Ich habe keine Lust nass zu werden. Und kalt ist mir auch.“ „Da vorne ist ein Cafe“, meinte Mihawk, der ihr Gespräch mitbekommen zu haben schien. „Warum legen wir nicht eine Pause ein und wärmen uns auf?“ Mit diesem Vorschlag waren sie alle einverstanden. Im Cafe sicherte Crocodile sich sogleich den wärmsten Platz in der Nähe der Heizung. Er nahm Nozomi, die bisher im Kinderwagen gelegen hatte, auf seinen Schoß. Seine Nichte war inzwischen sieben Monate alt und normalerweise handelte es sich bei ihr um ein sehr aufgewecktes Mädchen. Heute jedoch war sie zum Glück ganz ruhig und kuschelte sich prompt in seinen weichen Nerzmantel. Ausnahmsweise bestellte Crocodile sich kein stilles Mineralwasser, sondern einen Pfefferminz-Tee. Gerade als er seine Finger um die warme Tasse legte, hörte man die ersten Regentropfen, die geräuschvoll auf das mit Tonziegeln bedeckte Dach des kleinen Zoo-Cafes aufschlugen. „So viel zum Wetterbericht“, meinte er mit spöttischer Stimme in Doflamingos Richtung gewandt. „Wenigstens haben wir uns rechtzeitig in Sicherheit gebracht“, gab sein Ehemann gelassen zurück und nahm einen großen Schluck seines heißen Kakaos. „Und bestimmt ist es nur ein kleiner Schauer, der gleich wieder aufhört.“ Entgegen Doflamingos Prophezeiung regnete es die nächsten eineinhalb Stunden ohne Unterlass wie aus Kübeln. Dicke Tropfen trafen auf die Erde und bald waren alle Wege des Zoos mit großen Pfützen bedeckt. Dichte, dunkle Wolken bedeckten den Himmel und ließen kaum einen Sonnenstrahl hindurch. Doch daraus machten sie sich nichts. Nach seinem Pfefferminz-Tee bestellte Crocodile sich einen Roiboos- und anschließend noch einen Kamillen-Tee. Zu viert (nein - Nozomi eingerechnet zu fünft) saßen sie im kleinen Zoo-Cafe, plauderten ohne Unterlass miteinander, lachten und ließen sich vom schlechten Wetter nicht die Laune verderben. Mihawk erzählte davon, wie sein Schüler Zoro bei der Landesmeisterschaft letztes Wochenende die Goldmedaille gewonnen hatte. „Er ist ein außerordentlich talentierter Fechter“, erklärte er ihnen. „Wenn er seine Motivation beibehält und regelmäßig trainiert, könnte er in einigen Jahren bei Olympia mitmachen.“ Normalerweise lag stets eine stoische Ruhe in Mihawks Stimme, doch als er von seinem vielversprechenden Schüler berichtete, wurde sie von einer ungewöhnlichen Wärme erfüllt. „Einer deiner Schüler bei den olympischen Spielen...“, sagte Crocodile und nippte an seinen Roiboos-Tee. „Das wäre wirklich was, nicht wahr?“ Mihawk nickte. „Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Den Erfolg bekommt man nicht geschenkt. Zoro muss weiter am Ball bleiben. Ich hoffe nur, dass er sein Training nicht schleifen lässt so wie Tashigi.“ „Nimmt Tashigi keine Stunden mehr bei dir?“, hakte Crocodile verwundert nach. Er hatte die junge Frau doch letztens erst bei Mihawk Zuhause gesehen gehabt. „Unregelmäßig“, antwortete sein älterer Bruder und verzog das Gesicht. „Sie hat nun eine Festanstellung bei der Bank bekommen und kann nur noch wenig Zeit für das Training erübrigen. Wenn sie kommt, ist sie oft sehr unkonzentriert. Einmal erzählte sie mir, dass ihr Vorgesetzter Akainu ihr zu schaffen macht.“ „Oh, das glaube ich ihr auf's Wort. Akainu kann ein echter Hund sein.“ Mihawk zuckte mit den Schultern. „Es ist schade, dass sie die Fechtstunden nicht mehr so ernst zu nehmen scheint. Aus ihr hätte auch eine wirklich gute Fechtmeisterin werden können. Doch inzwischen hinkt sie hinterher. Zoro ist viel weiter als sie, obwohl sie beide zeitgleich mit dem Training angefangen haben.“ „Vielleicht hat sie nicht das gleiche Talent wie Zoro?“, warf Hancock ein und blickte hinüber zu ihrer kleinen Tochter, die inzwischen auf Doflamingos Schoß saß. Mihawk winkte ab. „Zugegebenermaßen spielt das natürliche Talent auch eine Rolle“, erwiderte er, „aber am wichtigsten ist und bleibt das Training. Der talentierteste Fechter der Welt würde gegen ein Kind verlieren, wenn er nicht an sich arbeitet und seine Fähigkeiten ausreift. Übung macht den Meister. Und da Zoro nun einmal deutlich mehr trainiert als Tashigi, wird er das Rennen machen.“ „Du klingst wie diese furchtbaren Mütter in Nozomis Spielgruppe“, sagte Hancock. Sie seufzte leise und stützte den Kopf auf ihre Hand auf. „Was meinst du damit?“, hakte Doflamingo nach, während er Nozomi ein kleines Stück des Kekses, den er zu seinem Capuccino erhalten hatte, gab. „Ich gehe zweimal in der Woche mit Nozomi in eine Gruppe für Kleinkinder“, erklärte Hancock. „Du weißt schon, damit sie mit Kindern in ihrem Alter spielen kann und man Gelegenheit bekommt sich mit anderen Eltern auszutauschen. Eigentlich eine nette Idee, dachte ich zu Beginn. Aber inzwischen werde ich verrückt dort. Frühförderung scheint das einzige Thema der Eltern zu sein. Es gibt Kinder, die gehen montags zum Klavierunterricht, dienstags zur Spanischstunde, mittwochs zum Kinderyoga und so weiter. Dabei sind die Kleinen nicht mal zwei Jahre alt. Letztens habe ich zufällig mitbekommen, wie sich zwei Mütter gegenseitig beinahe die Augen ausgekratzt hätten, weil das Kind der einen Mutter schon weiter auf Spanisch zählen konnte als das Kind der anderen Mutter. Übung, Training, Förderung... Wenn ich diese Wörter nur höre, bekomme ich schon schlechte Laune.“ „Ohje“, meinte Doflamingo und legte den Kopf schief. „Das klingt ja alles andere als nett.“ „Ist es auch nicht“, pflichtete seine Schwägerin ihm dabei. „Ich möchte doch nur, dass Nozomi dort etwas Kontakt zu anderen Kindern aufnimmt und Spaß hat. Doch von allen Seiten kommt nichts als Druck. Ich erinnere mich noch genau an den entsetzten Blick einer Mutter, als ich ihr erzählte, dass Nozomi keine musikalische Frühförderung bekommt. Was bitte erwarten die Leute von einem sieben Monate alten Baby? Dass sie lernt Geige zu spielen?“ „Mach dir nichts draus“, versuchte Doflamingo sie zu trösten. „Diese ganzen Lernangebote bringen sowieso nichts, wenn das Kind damit bloß überfordert wird. Weißt du, ich habe schon als kleines Kind professionellen Klavierunterricht bekommen. Es hat mir keinen Spaß gemacht und ich habe seit über fünfzehn Jahren keine einzige Taste mehr berührt. Lass dich nicht so unter Druck setzen. Wenn Nozomi etwas älter ist, kannst du sie ja selbst entscheiden lassen, ob sie vielleicht ein Instrument oder eine Fremdsprache lernen möchte.“ „Danke“, sagte Hancock und wirkte erleichtert. „Es freut mich, dass endlich mal jemand meine Meinung teilt. Ich habe das Gefühl, dass man ein bisschen verrückt wird, wenn man zu viel Zeit mit den Eltern kleiner Kinder verbringt. Ich liebe meine Tochter, aber ich kann nicht den ganzen Tag nur über selbstgemachten Brei aus ökologisch angebautem Gemüse oder die Entscheidung, ob das Kind mittwochs zum Musik- oder Sprachunterricht gehen soll, reden.“ Diese Aussage ließ Crocodile schmunzeln. Er konnte sich gut vorstellen, wie seine Schwester mit genervtem Gesichtsausdruck zwischen miteinander diskutierenden Müttern saß. Um ehrlich zu sein, war er selbst nie auf die Idee gekommen Nozomi in besonderem Maße zu fördern. Wenn Doflamingo und er ihre kleine Nichte am Samstag zu sich holten, kuschelten sie einfach bloß mit ihr oder gingen spazieren. Ihm wäre es nicht in den Sinn gekommen eine Spanisch-DVD mit ihr durchzugehen. „Wie geht es eigentlich Law?“, fragte Mihawk. „Er hatte sich den Arm gebrochen, oder nicht?“ Crocodile nickte langsam. „Er arbeitet seit letzter Woche wieder“, erklärte er seinem älteren Bruder. „Zum Glück ist der Bruch wieder vollständig verheilt.“ „Das ist schön zu hören“, schaltete sich auch Hancock ein. „Es ist wirklich schade, wenn sich ausgerechnet ein Chirug den Arm bricht. Bestimmt mussten viele Operationen verschoben werden.“ „Er ist auch nur ein Mensch“, meinte Doflamingo und gab Nozomi, die auf seinem Schoß saß, einen Kuss auf den Scheitel. „Obwohl er das selbst nicht wahrhaben möchte. Er legt freiwillig Doppelschichten ein und möchte so viele Operationen wie möglich nachholen. Hoffentlich übernimmt er sich nicht.“ „Ohje...“ Das hatte Crocodile gar nicht gewusst. „Davon ist Kid sicher nicht begeistert.“ „Ich auch nicht“, gestand sein Ehemann. „Aber so ist Law eben. Ein echter Workahalic. Genauso wie du.“ Während er diese letzte Aussage tätigte, musste er schmunzeln. „Kid und Law werden zusehen müssen, dass sie eine Lösung finden, die zu ihnen passt.“ „Ich bin kein Workaholic“, verteidigte sich Crocodile. „Zumindest kein schlimmer mehr. Ich arbeite acht oder neun Stunden pro Tag. Das ist völlig normal.“ „Der Regen hört allmählich auf“, unterbrach Mihawk ihr Gespräch. Als Crocodile seinen Blick durch das Fenster nach draußen warf, stellte er fest, dass sein Bruder Recht hatte. Nur noch ein paar Tropfen fielen vereinzelt herab. Und sogar ein paar Sonnenstrahlen kämpften sich durch die dichte Wolkendecke. „Wollen wir weitergehen?“ Gegen diesen Vorschlag hatte niemand etwas einzuwenden. Sie erhoben sich von ihrem Tisch und Doflamingo bezahlte die Rechnung. Hancock setzte ihre Tochter zurück in den Kinderwagen, während Mihawk zur Toilette ging. Als Crocodile nach draußen trat und seinen Mantel enger um den Körper schlang, konnte er am Himmel einen großen, wunderschönen Regenbogen ausmachen. „Hübsch, nicht wahr?“, meinte Doflamingo, der neben ihm stand und ebenfalls den Regenbogen betrachtete. Crocodile nickte. „Die Farben erinnern mich an meinen Heiratsantrag“, sagte er mit leiser, verträumter Stimme. „Hm?“ Sein Ehemann warf ihm einen verwunderten Blick zu. „Wieso das denn?“ Doflamingos perplexer Gesichtsausdruck brachte Crocodile zum Lachen. „Erinnerst du dich etwa nicht mehr? Als du vor mir auf die Knie gegangen bist, ging gerade die Sonne unter. Sie tauchte das Meer in bunte Farben... Weißt du das wirklich nicht mehr? Du hattest doch sogar deine Sonnenbrille abgenommen, oder nicht?“ Es war äußerst untypisch für Doflamingo so etwas zu vergessen. Sein Partner kratzte sich verlegen am Kopf. „Um ganz ehrlich zu sein, habe ich nicht wirklich auf das drumherum geachtet. Ich war viel zu nervös, um irgendetwas anderes als dein Gesicht wahrzunehmen. Ich weiß noch, wie mir das Herz in die Hose gerutscht ist, als du so lange dagestanden und kein Wort herausgebracht hast. Zum Glück hast du am Ende doch ja gesagt.“ „Ich war ziemlich geschockt“, versuchte Crocodile sein Verhalten zu erklären. „Ich hatte noch nicht mit einem Heiratsantrag gerechnet.“ Doflamingo kicherte. „Weiß ich doch. Hauptsache du hast ihn angenommen. Das ist das einzige, was zählt.“ Crocodile nickte ohne den Blick vom Regenbogen abzuwenden. „Es war wirklich ein schöner Moment, den du dir ausgesucht hast. Nur wir beide... Ganz allein am Meer bei Sonnenuntergang... Ich glaube, ich selbst hätte mir nichts Schöneres einfallen lassen können.“ Diese Aussage ließ Doflamingo nicht los. „Ach ja?“, hakte er breit grinsend nach. „Wie hättest du denn den Heiratsantrag gestaltet? Wolltest du derjenige sein, der auf die Knie geht? Sorry, dass ich dir zuvor gekommen bin, Wani.“ „Nein“, gab Crocodile hastig zurück. „Es ist schon gut, dass du ihn gemacht hast. Du weißt doch, dass ich nicht sonderlich romantisch veranlagt bin. Ich habe keinen Sinn für solche Momente. Bestimmt hätte ich dich bloß enttäuscht.“ „Das glaube ich nicht... Ich hätte mich auf jeden Fall über einen Antrag von dir gefreut. Egal, wie oder wo er stattgefunden hätte. Der Gedanke zählt.“ „Tatsächlich?“ Dessen war Crocodile sich nicht so sicher. Er warf seinem Partner einen zweifelnden Blick zu. Doflamingo war ein echter Romantiker, der alles liebte, was mit Kitsch zu tun hatte. „Auch wenn ich dich... sagen wir... ich hätte dich in so einer Situation wie jetzt hier gefragt. Während wir beide im Zoo vor dem Gehege der Pinselohrschweine stehen und uns der aufgeweichte Boden die Schuhe versaut... Würdest du wirklich ja sagen, wenn ich dich frage: Doffy, möchtest du mich heiraten? Das kann ich mir kaum vorstellen.“ „Ja!“, platzte es unbeherrscht aus seinem Ehemann heraus. „Ja! Ja, ich will!“ Crocodile brach erneut in Gelächter aus. „Das glaube ich dir nicht“, sagte er und hielt sich die Hand vor dem Mund. „Wärst du nicht enttäuscht, dass es nicht romantischer gewesen ist?“ „Nun ja“, gab Doflamingo mit gespielt vorwurfsvoller Stimme zurück, „du bist nicht einmal vor mir auf die Knie gegangen!“ „Ich möchte mir meinen schönen Mantel nicht versauen“, erwiderte Crocodile lachend. „Er ist ein Geschenk von dir gewesen.“ „Ist er nicht“, widersprach ihm Doflamingo. „Du hast darauf bestanden, mir das Geld wiederzugeben.“ Er zögerte einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Und einen Ring hast du auch nicht mitgebracht!“ Crocodile, der gut gelaunt war, hatte Lust das Spiel mitzumachen. Er nahm den Ring am Zeigefinger seiner rechten Hand ab. Anschließend ging er vor seinem Ehemann auf die Knie, wobei er versuchte seinen teuren Mantel vor dem dreckigen Boden zu schützen. Die beiden Pinselohrschweine, die nah ans Gitter ihres Geheges gekommen waren und freudig grunzten, waren ihre einzigen Zeugen. „Doffy“, sagte Crocodile und räusperte sich, „möchtest du mich heiraten?“ Und während er sprach, öffnete er seine Faust mit dem goldenen Ring. „Ja!“, kreischte Doflamingo mit begeisterter Stimme. „Ja, ich will!“ Er stürmte auf ihn zu und umarmte ihn so heftig, dass sie beide zu Boden gingen und Crocodile der Ring aus der Hand glitt. Als sie beide sich wieder aufrichteten, warf Crocodile einen leidigen Blick auf seinen verdreckten Mantel. Und der Ring war auch fort. Schließlich verfolgte er Doflamingos Blick, der hinüber zum Gehege der Schweine geglitten war. Der goldene Ring war zwischen die Gitter des Geheges gerutscht und lag nun im Matsch zwischen den Hufen der Pinselohrschweine. „Oh nein“, jammerte Crocodile und richtete sich auf. Er ging hinüber zum Gitter und versuchte verzweifelt an den Ring zu kommen, doch es gelang ihm nicht. Gerade als Doflamingo, der schmalere Finger hatte, ihm zur Hilfe eilen wollte, konnte er beobachten, wie eines der Schweine mit seinem Rüssel im Dreck wühlte und den Ring prompt verschluckte. „Siehst du“, sagte Crocodile mit angesäuerter Stimme und gesenktem Blick, „das wäre passiert, wenn ich dir den Antrag gemacht hätte.“ „Zum Glück war es nicht dein Ehering“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern. Wie er sich fühlen würde, wenn ein Ring im Wert von weit über einer Millionen Berry im Magen eines Schweines gelandet wäre, wollte Crocodile sich nicht einmal vorstellen. Ihn schmerzte schon der Verlust dieses Ringes, für den er damals etwa viertausend Berry beim Juwelier gelassen hatte. „Was ist denn mit euch beiden passiert?“ Mihawk, der von der Toilette zurückgekehrt war, blieb mit einem irritierten Gesichtsausdruck neben ihnen stehen. „Wieso kniet ihr vor den Schweinen? Und warum ist eure ganze Kleidung so eingesaut?“ „Wani hat versucht sich von seiner romantischen Seite zu zeigen“, meinte Doflamingo breit grinsend. Angesichts dieser Aussage griff Crocodile prompt nach einer Portion Matsch und pfefferte diesem seinen Ehemann ins Gesicht. Sie beide war nun sowieso schon verdreckt, also was sollte es? „Hey!“, beschwerte sich Doflamingo und wischte den braunen Matsch mit dem Hemdsärmel fort. Sein ganzes Gesicht war eingesaut. „Sorry“, log Crocodile. „Ich hab den Blumenstrauß im Auto vergessen.“ Für diesen Spruch kassierte er einen Matschball von Doflamingo, der ihn an der Brust traf und sein Lieblingshemd verunstaltete. Gerade wollte er zurückschlagen, als Hancock, den Kinderwagen vor sich her schiebend, in seinem Blickfeld erschien. Als seine Schwester sie beide dort im Dreck sitzen saß, brach sie in lautes Gelächter aus. „Was ist denn mit euch los?“, wollte sie prustend wissen. „Ich dachte, Nozomi sei das Kleinkind in dieser Familie.“ „Doflamingo hat angefangen“, erklärte Crocodile, während er sich langsam erhob, „er hat mich zu Boden gestoßen!“ Mihawk bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Zum Glück sind wir hier so gut wie allein.“ „Zwei erfolgreiche Geschäftsmänner, die neben den Schweinen eine Matsch-Schlacht starten“, sagte Hancock lachend. „Damit wärt ihr die Sensation des Zoos, noch vor den Sibirischen Tigern.“ ~ Es war Dienstagabend. Crocodile saß auf dem Sofa im Wohnzimmer; auf dem Schoß hatte er seinen Laptop. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck ging er eine Email durch, die sein Chef Franky an ihn weitergeleitet hatte. Es ging um die Wünsche eines neuen Kunden namens Foxy. Foxy stellte elektronisches Kinderspielzeug her und wollte dieses bei der nächsten Tom's Workers-Messe präsentieren. Besonders erfolgsversprechend erschien das Spiel Davy Back Fight, eine Art modifiziertes Brettspiel, bei dem man in Teams bestimmte Aufgaben erfüllen musste. Crocodile war so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er seinen Ehemann, der gerade hereingekommen war und sich neben ihn gesetzt hatte, gar nicht bemerkte. Erst als dieser sich räusperte, schreckte Crocodile auf. „Ich will dich nicht lange stören“, meinte Doflamingo sofort. „Ich möchte nur wissen, ob du etwas dagegen hättest, wenn morgen Law und Kid zum Abendessen kommen würden?“ „Ähm“, machte Crocodile und warf einen unwilligen Blick auf den Bildschirm seines Laptops. „Eigentlich habe ich morgen keine Zeit, um etwas zu kochen. Weißt du, ich muss diesen neuen Kunden betreuen und...“ „Es geht nicht darum, dass du für uns kochst“, winkte sein Partner rasch ab. „Von mir aus können wir uns von unseren Angestellten bekochen lassen. Ich möchte bloß, dass Law und Kid uns Gesellschaft leisten.“ „Gibt es dafür einen besonderen Grund?“, hakte Crocodile nach, der nun doch neugierig wurde. Sie hatten die beiden das letzte Mal erst am Freitag gesehen gehabt. Doflamingo zögerte für einen Moment, ehe er sagte: „Morgen ist Corazons vierter Todestag.“ „Oh.“ Crocodile hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte. Er hatte nicht gewusst, wann genau der jüngere Bruder seines Partners gestorben war. Schließlich sammelte er sich wieder und meinte: „Du.. du willst nicht allein sein an diesem Tag, oder? Wenn du möchtest, dann verschiebe ich die Arbeit mit meinem Kunden auf's Wochenende und...“ „Es geht nicht um mich“, unterbrach ihn Doflamingo, „sondern um Law.“ Als Crocodile seinem Ehemann daraufhin einen verwunderten Blick zuwarf, fuhr dieser fort: „Du weißt, dass Law und mein Bruder lange ein Paar waren, bis Corazon schließlich gestorben ist. Und, nun ja, auch wenn Law nun mit Kid zusammen ist, habe ich das Gefühl, dass er nicht hundertprozentig über ihn hinweg ist. Es fiel ihm sehr schwer Corazons Tod zu akzeptieren und er ist allein geblieben, bis er Kid kennengelernt hat. Ich möche nicht, dass es an Corazons Todestag zu einem Streit zwischen den beiden kommt. Ich mag Kid sehr gerne und ich denke, dass er Law gut tut. Und wenn die beiden den Tag morgen hier verbringen, bekommen sie gar nicht erst die Gelegenheit, über Corazon zu sprechen.“ „Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, fragte Crocodile mit zweifelnder Stimme. Doch Doflamingo nickte energisch. „Wir werden sie den ganzen Nachmittag unterhalten. Zuerst schauen wir uns die neuen Folgen von Pandaman im Fernsehen an. Danach essen wir zusammen ein Menü mit mehreren Gängen. Währenddessen reden wir die ganze Zeit über harmlose Themen. Über unsere Nichte oder deine neue Arbeit oder so etwas in der Art. Und ehe Law und Kid auch nur die Gelegenheit bekommen haben ein Wort über Corazon zu verlieren, ist der Tag auch schon vorbei und die beiden liegen erschöpft im Bett.“ „Ich bin mir nicht sicher, ob es der Beziehung von Law und Kid sonderlich zuträglich ist, ein solch wichtiges Thema einfach totzuschweigen“, wandte Crocodile ein. „Der Konflikt wird doch dadurch nicht gelöst, sondern nur verlagert. Meinst du nicht, wir sollten die beiden morgen vielleicht lieber in Ruhe lassen, damit sie unter sich ausmachen können, wie sie mit diesem Tag umgehen?“ Doch davon wollte Doflamingo nichts wissen. „Du weißt nicht, wie Law über Corazon denkt...“ „Ich erinnere mich noch gut daran, wie Law völlig aufgelöst hierher kam“, erwiderte Crocodile kühl. „Wie sehr ihn seine Schuldgefühle belastet haben, weil er glaubte, seinen verstorbenen Freund zu betrügen, indem er sich auf Kid einlässt. Doffy, mir ist völlig klar, dass diese Geschichte mit Corazon nicht einfach ist. Aber wir können Law und Kid diese Bürde nicht abnehmen. Wie soll das funktionieren?“ Sein Ehemann schüttelte den Kopf. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie die Beziehung von Law und Corazon gewesen ist. Law hat ihn regelrecht verehrt. Was zwischen ihnen lief, war etwas ganz Besonderes. Und nun wird Law jedes Mal, wenn er an Corazon erinnert wird, von negativen Gefühlen übermannt. An den letzten drei Jahrestagen war es schrecklich schlimm. Law versank regelrecht in einer depressiven Episode. Das möchte ich Kid nicht antun; das hat er nicht verdient.“ Crocodile seufzte leise. „Kid befindet sich nicht in einer leichten Situation“, gab er schließlich zu. „Um ehrlich zu sein, wüsste ich nicht, wie ich mich an seiner Stelle verhalten würde. Sicher möchte er nicht, dass sein Freund traurig ist und würde versuchen ihn zu trösten... doch auf der anderen Seite ist er womöglich auch eifersüchtig auf Corazon. Das ist zwar unvernünftig, aber immerhin waren Law und er sehr lange ein Paar und ihre Beziehung wurde nicht... nun ja... einvernehmlich getrennt.“ „Ich weiß, was du meinst“, sagte Doflamingo. „Kid hat keine Ahnung, wie er sich in Bezug auf Corazon verhalten soll. Es fühlt sich falsch an, seinen Freund wegen einer anderen Liebe zu trösten. Aber es fühlt sich auch falsch an, eifersüchtig auf einen Toten zu sein.“ „Stell dir nur einmal vor, Law würde weinen wegen Corazons Tod... Was sollte Kid da sagen? Dass er sich wünscht, dass Corazon nicht gestorben wäre? Aber wenn er noch leben würde, dann wären Law sicher immer noch mit ihm anstatt mit Kid zusammen.“ Crocodile wollte nicht in Kids Haut stecken. „Es ist wie es ist“, sagte Doflamingo schließlich. „Corazon ist tot. Niemand kann ihn zurückholen. Es macht keinen Sinn zu spekulieren, was wäre und was nicht wäre... Das einzige, was am Ende zählt, ist das Hier und Jetzt. Ich mag Kid. Er tut Law gut und die beiden sind ein tolles Paar. Ich möchte nicht, dass ihre Beziehung leidet, weil morgen Corazons Todestag ist.“ „Also gut“, gab Crocodile sich geschlagen. „Dann laden wir sie morgen ein. Aber ich habe keine Lust zu kochen.“ Am folgenden Nachmittag war es das erste Mal in Crocodiles Leben, dass er sich darüber freute im Stau zu stehen. Er schrieb Doflamingo eine Nachricht, dass sich wegen eines Unfalls auf der Autobahn seine Ankunft verzögerte; insgeheim betete er darum, dass es Stunden dauern würde, bis man wieder schneller als mit Schrittgeschwindigkeit vorankam. Er könnte aus dem Stehgreif mindestens einhundert Dinge aufzählen, die er lieber tat als gemeinsam mit Corazons Bruder, Ex-Freund und seinem Nachfolger dessen Todestag zu verbringen. Als er schließlich mit leider bloß einer halben Stunde Verspätung Zuhause ankam, waren Kid und Law bereits anwesend. Sie wirkten beide nicht besonders gut gelaunt. Crocodile begrüßte sie mit leiser Stimme und setzte sich schließlich neben seinem Ehemann auf das Sofa. Im Fernsehen lief Pandaman. Doflamingo versuchte Konversation zu betreiben, doch die meisten seiner Versuche blieben erfolglos. Die Stimmung wurde immer unangenehmer. Crocodile wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte Corazon nie gekannt. Doflamingos jüngerer Bruder war zwei Jahre, ehe sie sich das erste Mal beim Geschäftsessen mit Sengoku gesehen hatten, gestorben. In der ersten Hälfte ihrer Beziehung war Crocodile sogar davon ausgegangen, dass es sich bei seinem Partner um ein Einzelkind handelte. Von einem Bruder hatte er nie etwas erzählt. Auch bei Tisch verbesserte sich die Atmosphäre nicht. Obwohl das Essen hervorragend schmeckte, stocherte jeder bloß lutslos mit der Gabel darin herum. Crocodile vermied den Blickkontakt mit Kid und Law. Wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich hier völlig fehl am Platz. Um acht Uhr abends verabschiedeten sich ihre Gäste bereits wieder. Doflamingo, der seinen ausgeklügelten Plan in Gefahr sah, versuchte die beiden zum Bleiben zu überreden. Doch Law ließ sich nicht beirren. „Ich möchte noch auf den Friedhof“, erklärte er mit ruhiger Stimme. „Corazons Grab besuchen.“ Letztendlich war es dieser Satz, der das Eis brach. „Hältst du das wirklich für eine gute Idee?“, wollte Doflamingo wissen. Seine Augen wurden durch die dunkel getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt, doch Crocodile war sich sicher, dass sein Ehemann einen zweifelnden Blick in Kids Richtung geworfen hatte. „Ich weiß, dass du mit Corazons Tod anders umgehst als ich“, sagte Law. „Dass dir sein Grab und sein Todestag nicht viel bedeuten. Aber für mich ist das wichtig.“ Doflamingo versuchte Law die Worte im Mund umzudrehen. „Wenn dir dieser Tag so wichtig ist, wieso bist du dann hierher gekommen, anstatt dich gleich auf den Weg zum Friedhof zu machen? Pandaman zu schauen ist nun wirklich keine pietätvolle Art, um Corazon zu gedenken.“ Diese Aussage schien Law wütend zu machen. „Du bist derjenige gewesen, der uns darum gebeten hat zu kommen“, erwiderte er mit giftiger Stimme. „Deinetwegen sind wir hier!“ „Weil ich nicht wollte, dass du mit Kid über Corazon sprichst“, gab Doflamingo nicht minder aufgebracht zurück. Doflamingos Worte fächerten Laws Zorn weiter an. „Worüber ich mit meinem Freund spreche, geht dich einen Scheißdreck an, Doflamingo! Hör endlich auf, dich ständig in meine Angelegenheiten einzumischen!“ „Ich versuche doch nur dich zu beschützen“, gab Doflamingo verzweifelt zurück. „Ich weiß, wie hart dich Corazons plötzlicher Tod getroffen hat und dass es dir auch nach vier Jahren noch schwer fällt, damit umzugehen. Aber ich möchte nicht, dass deine Beziehung zu Kid darunter leidet.“ „Du hast doch überhaupt keine Ahnung von mir und Kid!“, zischte Law. „Hör auf dich einzumischen! Das ist eine Sache zwischen meinem Freund und mir!“ Crocodile, der bisher nur schweigend zugschaut hatte, beschloss das Wort zu ergreifen. „Ich denke, dass Law nicht Unrecht hat, Doffy. Wir sollten uns zurückhalten. Wenn die beiden Corazons Grab besuchen möchten, dann sollten wir nicht versuchen sie davon abzuhalten.“ „Jetzt fall du mir nicht auch noch in den Rücken!“, fuhr sein Ehemann ihn mit giftiger Stimme an. „Was meinst du denn, wie Kid sich fühlen wird, wenn Law weinend vor dem Grab seines toten Freundes steht?!“ „Doflamingo“, nun mischte sich zum ersten Mal auch Kid ein, „versuch dich zu beruhigen. Law und ich haben schon öfter über Corazon gesprochen. Ich bin damit einverstanden, gemeinsam mit ihm zum Friedhof zu gehen. Es gibt also keinen Grund, um sich so aufzuregen.“ „Du weißt nicht, worauf du dich einlässt!“, erwiderte Doflamingo mit harter Stimme. „Du weißt nicht, wie sehr Corazons Tod ihn mitgenommen hat! Glaub mir, wenn ich dir sage, dass es keine gute Idee ist, gemeinsam mit ihm das Grab meines Bruders zu besuchen!“ „Das ist nicht deine Entscheidung!“, schnaubte Law. Er griff seinen Freund beim Handgelenk und gemeinsam verließen sie das Esszimmer. Doflamingo wollte ihnen hinterherlaufen, doch als Crocodile ihn an der Rückseite seines Hemdes festhielt, blieb er stehen. „Du hättest auf meiner Seite sein müssen!“, schimpfte Doflamingo, nachdem Law und Kid verschwunden waren. „Wenn du mir nicht in den Rücken gefallen wärst, hätte ich die beiden bestimmt dazu überreden können, hierzubleiben.“ „Das glaube ich nicht“, erwiderte Crocodile, der sich darum bemühte ruhig zu bleiben. „Offenbar hatten sie fest geplant zum Friedhof zu gehen.“ „Wir hätten überzeugender sein müssen...“ „Kid und Law müssen ihren eigenen Weg finden“, versuchte Crocodile seinem aufgelösten Ehemann zu erklären. „Corazons Tod kann nicht für immer zwischen ihnen stehen. Sie scheinen sich sehr zu lieben und ich bin mir sicher, dass sie einen Möglichkeit finden werden, um damit zurechtzukommen.“ Doch Doflamingo schüttelte den Kopf. Erschöpft ließ er sich auf einem Stuhl nieder und bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr Law unter Corazons Tod gelitten hat“, flüsterte er. „Er ist wahnsinnig geworden. Es klingt bescheuert, aber ich habe damals sogar ein schlechtes Gewissen bekommen, weil ich Laws Reaktionen nicht nachvollziehen konnte.“ „Wie hat er denn reagiert?“, fragte Crocodile mit vorsichtiger Stimme. „Er... er... ich... eines abends kam ich in seine Wohnung und er war kurz davor, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufzuschneiden. Nachdem ich ihn davon abbringen konnte, ließ er sich zig Tätowierungen als Erinnerung an Corazon stechen. Er begann sich zu ritzen, Alkohol zu trinken... Einige Monate lang tat er praktisch nichts Anderes außer zu arbeiten und sich dann Zuhause unter Drogeneinfluss die Haut aufzuschneiden... Es war eine furchtbare Zeit...“ Die Worte seines Partners schockierten Crocodile. So hatte er Law, der meistens ganz ruhig und vernünftig wirkte, gar nicht eingeschätzt. Es dauerte eine Weile, bis er seine Worte wiederfand. Schließlich sagte er: „Das klingt schrecklich. Aber das ist nun vier Jahre her. Law hat sich verändert. Und mit Kid hat er einen guten Freund an seiner Seite. Gemeinsam werden sie es schaffen dieses Kapitel zu beenden. Du... du musst einfach etwas Vertrauen haben, Doffy!“ Doflamingo schnaubte. „Ich bin nicht sonderlich gut darin zu vertrauen“, gab er schließlich zu. Er nahm die Hände vom Gesicht und richtete den Blick auf Crocodile. „Und in letzter Zeit habe ich auch nicht die Erfahrung gemacht, dass es sich auszahlt, wenn man jemandem vertraut.“ Das tat weh. Crocodile, dem klar war, dass niemand außer ihm selbst mit diesen verletzenden Worten gemeint war, senkte den Blick. ~ Mit einem leeren Gesichtsausdruck betrachtete Crocodile den Kontoauszug, den er sich soeben am Automaten gezogen hatte. Normalerweise erledigte er seine Finanzen online, doch an diesem besonderen Tag hatte er unbedingt ein Stück Papier in der Hand halten wollen. Zum ersten Mal seit über einem Jahr schrieb er wieder schwarze Zahlen. Crocodile konnte es kaum fassen. Eigentlich hatte er erwartet, dass die pure Ekstase ihn ergreifen würde, wenn er den Beweis, dass seine Schulden alle getilgt waren, zwischen seinen Fingern fühlte, doch dem war nicht so. Stattdessen fühlte er sich seltsam leer. Er stopfte den Kontoauszug in die Tasche seines Mantels und verließ die kleine Bankfiliale. Erst als er mit seinem Mercedes C 216 die Autobahnauffahrt erreichte, spürte er, dass sich ausgehend von seinem Herzen die Erleichterung in seinem ganzen Körper ausbreitete. Kleine Wellen strömten warm durch seine Glieder. Seine Fingerspitzen kribbelten. Es fühlte sich fast wie ein Orgasmus an. Er war gerade erst ein paar Kilometer auf der Autobahn gefahren, als Crocodile bei einer Tankstelle anhielt. Als er noch verschuldet gewesen war, hatte er die Pflege seines geliebten Autos vernachlässigt. Angesichts des hohen Schuldenbergs, den er abzubauen hatte, war er nicht auf die Idee gekommen viel Geld für Autowäsche auszugeben. Nur zweimal hatte er seinen Mercedes C 216 durch die Waschanlage geschickt; dabei hatte er jeweils das günstigste Programm ausgewählt. Die Pflege des Innenraums hingegen war absolut zu kurz gekommen. Crocodile war kein Mensch, der ständig Müll in seinem Wagen hinterließ, doch der Fahrzeugboden hatte definitiv schon bessere Tage gesehen. Crocodile überließ seinen Mercedes C 216 dem dafür zuständigen Mitarbeiter an der Waschanlage, die sich gleich neben der Tankstelle befand. Es handelte sich um einen Mann mittleren Alters, der sich ihm als Kinemon vorstellte. Ein kleiner Junge (wahrscheinlich Kinemons Sohn) saß im kleinen Büroraum der Waschanlage und spielte mit einer veralteten Version des Gameboys. Crocodile, der ein wenig Mitleid mit dem Familienvater bekam, bestellte das komplette Pflegeprogramm inklusive Unterbodenwäsche und gab dazu noch ein recht großzügiges Trinkgeld. Als er nach seinem Besuch bei der Tankstelle, wo er sich eine Flasche stilles Mineralwasser und eine Tageszeitung besorgt hatte, zurückkehrte, strahlte sein Mercedes C 216 wie neu. Crocodile konnte ein Lächeln nicht verhindern, als er die im Sonnenlicht glänzender Karosserie betrachtete. Im Nachhinein tat es ihm wirklich leid, dass er die Pflege seines Wagens so stark vernachlässigt hatte. Der Mercedes C 216 war ein großer Wunsch von ihm gewesen, den er sich erfüllt hatte, nachdem er die Stelle als Manager bei der Bank angenommen hatte. Als Crocodile sich von Kinemon die Autoschlüssel zurückgeben lassen wollte, begegnete dieser ihm mit einem unwilligen Gesichtsausdruck. Sofort schrillten bei Crocodile die Alarmglocken. War etwas mit seinem Auto nicht in Ordnung? „Bei der Unterbodenwäsche ist mir etwas aufgefallen“, sagte Kinemon. Ihre Finger berührten sich, als er Crocodile die Autoschlüssel zurückgab. „Etwas aufgefallen?“, hakte Crocodile mit trockener Stimme nach. Von der Euphorie, die er eben noch empfunden hatte, war nichts mehr übrig geblieben. Kinemon griff in seine Tasche und holte ein kleines, schwarzes Kästchen hervor. Es war nicht größer als eine Ringbox. „Das hier habe ich am Unterboden ihres Wagens gefunden“, erklärte er und überreichte ihm das Kästchen. Mit einem Schlag wurde Crocodile klar, worauf Kinemon hinauswollte. „Ein GPS-Sender“, sagte er mit tonloser Stimme. Kinemon nickte. „Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, haben Sie den Sender nicht selbst dort angebracht. Ich möchte Ihnen etwas im Vertrauen sagen: Ich habe diese Waschanlage vor etwas mehr als fünf Jahren gekauft und seitdem finde ich mehr an Unterböden angeheftete GPS-Sender als man meinen dürfte. Aber dieses Ding hier - das ist kein billiger Sender, den eine eifersüchtige Frau für dreißig Berry im Internet bestellt hat, sondern ein absolutes High-End-Gerät. Ich will Sie nicht beunruhigen... aber offenbar haben Sie das Interesse eines reichen Typen auf sich gezogen.“ „Danke“, sagte Crocodile. Er fühlte sich wie betäubt. „Danke, dass Sie mir das mitgeteilt haben.“ Er steckte den GPS-Sender zu dem Kontoauszug in seine Manteltasche. Und noch bevor er auf die Idee kam, Kinemon ein zusätzliches Trinkgeld zu geben, hatte er sich schon in seinen Wagen gesetzt und fuhr zurück auf die Autobahn. Zuhause wartete Doflamingo auf ihn. Crocodile hätte sich auf den Weg zu seinen Geschwistern oder Daz machen können, doch wie von selbst dirigierte ihn sein Mercedes C 216 in die Tiefgarage der Villa. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, holte Crocodile den GPS-Sender aus seiner Tasche hervor. Es handelte sich um ein kleines, filigranes Gerät, das beinahe gewichtslos in seiner Hand lag. Unwillig ließ Crocodile den Blick über die anderen Fahrzeuge, die hier unten standen, wandern. Sein Ehemann besaß mehr als ein Dutzend Autos; jedes einzelne hatte einen Wert von mehreren hunderttausend Berry. Gleich rechts von ihm stand einer von Doflamingos besonderen Lieblingen: sein Aston Martin DBS V12. Im Halbdunkeln war die dunkelblaue Metallic-Lackierung des 250.000 Berry teuren Wagens kaum zu erkennen. Ohne den GPS-Sender loszulassen, stieg Crocodile aus und machte sich auf den Weg hinüber zum Fahrstuhl. Seine Beine fühlten sich so schwer an, dass man meinen könnte, er trüge Gewichts-Manschetten. Während der Fahrstuhl beinahe geräuschlos nach oben fuhr, schloss er für einen Moment die Augen. Die Vermutung, die immer drückender wurde, lag wie ein schwerer Stein in seinem Magen. War es möglich... dass Doflamingo diesen Sender an den Unterboden seines Mercedes C 216 angebracht hatte? Als die Türen des Fahrstuhls sich wieder öffneten, stopfte Crocodile das kleine Kästchen rasch zurück in seine Tasche. Und wenn er sich irrte? Vielleicht hatte sein Ehemann damit ja überhaupt nichts zu tun? Aber wer könnte sonst dahinter stecken? Sengoku? Aber warum sollte dieser ihn überwachen, nachdem er ihm gekündigt hatte? Angestrengt durchforstete Crocodile sein Gedächtnis. Hatte womöglich Enel bei ihrem Wiedertreffen im Skypia den Sender angebracht? Nein, das war unmöglich. Sie waren mit Doflamingos Rolly-Royce dorthin gefahren. Im Wohnzimmer erwartete ihn sein Partner, der ihn mit einem strahlenden Lächeln begrüßte. Crocodile setzte sich schweigend neben ihn auf das Sofa. Konnte es wirklich sein, dass Doflamingo sein Auto mittels eines GPS-Senders überwachte? Seit wann? Seit er ihm seine Lügen gebeichtet hatte? Crocodile legte den Kopf schief. Hatte sein Ehemann nicht letztens erst angedeutet, dass ihr Vertrauensverhältnis durch dieses Geständnis geschädigt worden war? Wollte er ihn überwachen, weil er ihm keinen Glauben mehr schenken konnte, wenn er sagte, dass er hierhin oder dorthin fuhr? „Ist alles in Ordnung, Wani?“, unterbrach ihn die besorgt klingende Stimme seines Partners in seinen Gedankengängen. Doflamingos Lächeln war ein wenig schmaler geworden. „Du wirkst durcheinander. Ist etwas passiert?“ „Ähm“, gab Crocodile unbeholfen von sich. Und wenn der GPS-Sender nicht erst seit ein paar Wochen am Unterboden seines Mercedes C 216 klebte? Er besaß den Wagen seit fast drei Jahren. Theoretisch könnte jeder Mensch, den er kannte, zu irgendeinem Zeitpunkt den Sender dort angebracht haben. Crocodile fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar, ehe er in seine Manteltasche griff. „Ich.. ähm... Ich habe mir eben einen Kontoauszug geholt“, sagte er schließlich. „Mir ist es endlich gelungen alle Forderungen zu bezahlen. Endlich bin ich schuldenfrei.“ Er zeigte Doflamingo den zerknitterten Kontoauszug. Sein Ehemann warf nur einen kurzen Blick auf das Papier. „Das freut mich für dich“, sagte er und zog ihn in eine Umarmung. Obwohl Crocodile das mulmige Gefühl, das ihn überkommen hatte, nicht abschütteln konnte, ließ er es mit sich geschehen. Seinen Kopf legte er an Doflamingos Brust. Überdeutlich nahm er den schnellen Herzschlag seines Partners wahr. Wie konnte er herausfinden, ob Doflamingo etwas mit diesem Sender zu tun hatte, ohne ihn direkt zu konfrontieren? ~ Es war Sonntagmittag. Crocodile und Doflamingo waren auf den Weg zu Daz Bones. Crocodiles alter Studienfreund hatte ihn tags zuvor angerufen und gefragt, ob sie beide ihn nicht besuchen wollten. Weil es schon eine ganze Weile her war, seitdem sie sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte Crocodile sogleich zugesagt. Doflamingo schien besonders gute Laune zu haben. Crocodile hatte sich schon früh in ihrer Beziehung an das breite Grinsen, das ständig auf den Lippen seines Partners klebte, gewöhnt. Doch heute lachte und witzelte Doflamingo ohne Unterbrechung. Unwillig musste Crocodile zugeben, dass ihn das alberne Verhalten seines Partners allmählich annervte. Daz wohnte in einer anderen Stadt und die Fahrt zu ihm dauerte etwas über eine Stunde. Sie hatten etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als Doflamingo sich entschied die Geduld seines Ehemanns auf eine andere Art und Weise zu strapazieren. „Ich habe Hunger“, verkündete er und drehte sich mit einem auffordernden Gesichtsausdruck zu seinem Partner um. „Und was soll ich jetzt tun?“, gab Crocodile gereizt zurück ohne den Blick von der Fahrbahn abzuwenden. Er hielt seinen Mercedes C 216 sehr sauber und hatte deshalb üblicherweise keine Snacks im Handschuhfach verstaut. Was sein Ehemann eigentlich auch wissen sollte. „Na, fahr durch einen Drive-in“, forderte Doflamingo ihn auf. „Wir sind mitten auf der Autobahn“, erwiderte Crocodile geplättet. „Dann fahr halt bei der nächsten Ausfahrt runter“, verlangte Doflamingo und streckte auf dem Beifahrersitz seine langen Beine aus. „In der Nähe von Abfahrten gibt es doch immer irgendwelche Fast-Food-Restaurants. Magst du Burger King?“ „Ist das dein Ernst?“ „Klar, wieso nicht?“, gab sein Partner zurück. „Fahr die Nächste runter. Wenn mich nicht alles täuscht, ist hier ein Popeyes.“ „Wieso hast du eigentlich Hunger? Hast du Zuhause nichts gegessen?“ „Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gehabt.“ „Daz erwartet uns“, erwiderte Crocodile mit unwilliger Stimme. „Wir fahren doch nur durch den Drive-in“, hielt Doflamingo dagegen. „Das dauert nicht lange.“ „Also gut.“ Schlussendlich ließ Crocodile sich erweichen und steuerte die nächste Autobahnabfahrt an. Hoffentlich würde sich wenigstens die zweite Hälfte ihrer Fahrt etwas angenehmer gestalten, wenn sein Ehemann mit seinem Fast-Food beschäftigt war. „Weißt du schon, was du essen willst?“, fragte ihn Doflamingo. „Ich möchte nichts“, gab Crocodile rasch zurück. Obwohl die Augen seines Partners durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt waren, spürte Crocodile, dass dieser ihm einen ungläubigen Blick zuwarf. „Ist das dein Ernst? Wir fahren zu Popeyes und du willst nichts haben?“ „Was verkaufen die überhaupt? Wahrscheinlich nichts, was mein Magen verträgt, oder?“ „Du kennst Popeyes nicht?“ So entsetzt wie Doflamingo sich anhörte, könnte man meinen, dass Crocodile soeben verkündet hätte, dass er in seiner Freizeit gerne Hundewelpen mit Elektroschocks quälte. Popeyes Lousina Kitchen? Das muss man doch kennen!“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Ich esse eigentlich gar kein Fast Food“, gestand er. „Die meisten Sachen sind viel zu fettig oder salzig für mich.“ Als Kind war er mit seinen Eltern und seinen Geschwistern ganz selten einmal bei McDonald's oder Burger King gewesen. Doch er konnte sich nicht daran erinnern als erwachsener Mann jemals einen solchen Laden betreten zu haben. Wie so oft schien Doflamingo vergessen zu haben, dass sein Ehemann einen äußerst empfindlichen Magen hatte und deshalb auf viele Lebensmittel verzichten musste. „Popeyes hat, ähm, Kartoffelpürree. Chickennuggets... Darfst du Nuggets essen?“ Sie hatte die Drive-in-Einfahrt erreicht. Crocodile winkte ab. „Bestell einfach, was du haben möchtest. Ich will nichts.“ „Ganz sicher?“, hakte Doflamingo noch einmal nach. „Auch nichts zu trinken?“ „Ein Wasser“, antwortete Crocodile. Eigentlich hatte er keinen Durst; er wollte bloß, dass sein Partner ihn endlich in Ruhe ließ. Sie erreichten die Sprechanlage. „Willkommen bei Popeyes“, drang eine freundliche, weibliche Stimme aus der Anlage. „Was darf es für Sie sein?“ Doflamingo hatte sich abgeschnallt und beugte sich über Crocodile hinweg, um seine Bestellung aufgeben zu können. „Ich hätte gerne einen Double Whopper“, sagte Doflamingo mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Sie sind hier bei Popeyes, nicht Burger King“, erwiderte die Stimme aus der Anlage. „Dann nehme ich einen normalen Cheeseburger.“ „Wir führen keine Burger.“ Allmählich klang die Stimme nicht mehr so freundlich, sondern gereizt. „Wenn Sie möchten, dann kann ich Ihnen ein Sandwich anbieten, zum Beispiel das Chicken Po'Boy Sandwich.“ „Ist das mit Rindfleisch?“ „Nein. Hähnchenfleisch.“ „Ich möchte etwas mit Rindfleisch.“ „Wir sind eine Hähnchen-Kette“, erklärte die inzwischen ein wenig verzweifelt klingende Stimme. „Wir führen keine Rindfleisch-Burger.“ Crocodile, der Mitleid mit dem armen Mädchen auf der anderen Seite der Sprechanlage bekam, gab seinem Ehemann einen Klaps gegen die Seite. Er hatte als Student zwar nicht bei einer Fast-Food-Kette gearbeitet, doch oft gekellnert oder an der Theke bedient. Noch gut konnte er sich daran erinnern wie sehr es gehasst hatte, wenn die Kunden sich blöde Scherze auf seine Kosten erlaubt hatten. Doch Doflamingo schien seinen Hinweis nicht zu verstehen oder er setzte sich ganz einfach darüber hinweg. „Dann nehme ich einen McChicken Classic. Das ist doch Hähnchen, oder nicht?“ „Doflamingo“, zischte Crocodile. „Hör auf dieses Mädchen zu verarschen.“ „Also gut“, gab sein Ehemann sich schließlich geschlagen. „Ich nehme das kleine Chicken-Menü mit milder Würzung. Eine große Cola, Pommes, Kartoffepürree und Buttermilch-Kekse. Und ein großes Wasser extra.“ „Das sind 18,99 Berry am nächsten Schalter“, sagte die Stimme aus der Sprechanlage mit matter Stimme. Doflamingo ließ sich wieder auf dem Beifahrersitz nieder. Crocodile warf seinem Partner einen vernichtenden Blick zu. Doch Doflamingo schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. „Was ist?“, fragte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „War das unbedingt nötig?“ „Nein“, gab sein Ehemann schmunzelnd zurück. „Aber es hat Spaß gemacht.“ „Es war bloß peinlich! Am liebsten würde ich einfach wegfahren!“ „Nun hab dich nicht so.“ Allmählich schien Doflamingo zu begreifen, dass er ernsthaft sauer war. „Das Mädchen wird bestimmt ständig auf den Arm genommen.“ „Und deshalb ist es in Ordnung? Das arme Mädchen versucht nur seinen Job richtig zu machen und du veranstaltest so einen Blödsinn!“ „Nun hab dich nicht so. Ich mach es wieder gut, okay?“ Crocodile wäre am liebsten vor Scham im Boden verschwunden, als er vorfuhr, um zu bezahlen. Am Schalter saß ein hübsches, vielleicht achtzehnjähriges Mädchen, das ihnen einen genervten Blick zuwarf. „18,99“, sagte es ohne auch nur einen Hauch von Freundlichkeit in der Stimme und hielt die rechte Hand hin. Wieder beugte sich Doflamingo über den Fahrersitz. Er holte aus seiner Brieftasche drei Hundert-Berry-Scheine hervor. „Das stimmt so“, sagte er und drückte dem Mädchen die Scheine in die Hand. Und ehe die Kassiererin reagieren konnte, fuhr Crocodile rasch zum nächsten Schalter vor, um die Bestellung entgegenzunehmen. „Ist es jetzt okay?“, fragte Doflamingo, während er auf dem Beifahrersitz Hähnchenschenkel futterte und Cola schlürfte. Mit einem unwilligen Gesichtsausdruck beobachtete Crocodile wie eine Pommes auf der Fußmatte landete. Es hatte schon seinen Grund, dass er es normalerweise vermied im Auto zu essen. Trotzdem nahm er, als sie an einer roten Ampel halten mussten, von Doflamingo ein Löffelchen Kartoffelpürre entgegen und ließ sich sogar zu einem Bissen mild gewürztem Hähnchenfleisch hinreißen. „Okay“, sagte Crocodile. „Trotzdem hätte ich nichts dagegen, wenn du anfangen würdest dich wie ein erwachsener Mann zu benehmen.“ Crocodile mochte das Zuhause von Daz sehr gerne. Sein bester Freund bevorzugte eine stilvolle und simple Einrichtung. Alle Gegenstände, die sich in seinem Haus finden ließen, waren funktional und zeitlos. Hier war es nicht so bunt und überladen wie in Doflamingos Villa. Man hatte mehr Raum zum atmen. Crocodile und Doflamingo ließen sich auf dem gemütlichen Sofa im Wohnzimmer nieder, während Daz ihnen Tee servierte. Seine Hündin Fiffie, ein cremefarbener Golden Retriever, erhob sich aus ihrem Körbchen und schlenderte zu ihnen hinüber, um gestreichelt zu werden. Obwohl Crocodile für Hunde eigentlich nicht allzu viel übrig hatte, ließ er sich dazu hinreißen Fiffie zu liebkosen. Natürlich kam sein Ehemann nicht umhin diesen Umstand zu kommentieren. „Hätte ich gewusst, dass du Hunde so gerne magst, hätte ich damals zwei Hundewelpen anstatt der beiden Kitten angeschleppt“, neckte er ihn. „Ich bin kein großer Hunde-Fan“, gestand Crocodile ohne von der Hündin abzulassen. „Aber Fiffie ist eine Ausnahme.“ „Er hat Fiffie schon immer gemocht“, sagte Daz und ließ sich zu einem Schmunzeln herab. „Ich hab sogar ein Foto von dir mit Fiffie auf dem Arm. Da war sie noch ein kleiner Welpe; ich hatte sie gerade erst vom Züchter geholt. Weißt du noch?“ Crocodile gab es nur ungern zu, doch er erinnert sich noch äußerst gut an den niedlichen Hundewelpen, den Daz eines Tages adoptiert hatte. Auch wenn er selbst nie auf den Gedanken gekommen war sich ein Haustier zuzulegen (für so etwas hatte er keine Zeit), hatte er sich gegen Fiffies plüschiges Fell und Knopfaugen nicht zur Wehr setzen können. Daz klappte seinen Laptop auf, der auf dem Wohnzimmertisch lag. Es dauerte nicht lange, bis er das Foto fand, von dem er gesprochen hatte. Crocodile errötete leicht, als er das Bild von sich mit dem zuckersüßen Welpen im Arm sah. Doflamingo war natürlich sofort begeistert und bat Daz darum ihm weitere Fotos zu zeigen. Eine Weile saßen sie einfach nur da, streichelten Fiffie, schauten sich Fotos an und redeten über alte Zeiten. Irgendwann klingelte Doflamingos Handy. Crocodile erkannte sofort, dass es sich um das Diensthandy seines Partner handelte. Er machte eine Geste, die bedeutete, dass dieser ruhig das Zimmer verlassen durfte, um in Ruhe zu telefonieren. „Ein wichtiges Dienstgespräch“, erklärte er Daz, der ihm einen verwunderten Blick zuwarf. Nun waren sie allein. Plötzlich wurde Crocodile klar, dass sein Freund sich ziemlich gut mit Technik auskannte. Ob er ihm womöglich etwas über den GPS-Sender, den er am Unterboden seines Wagens gefunden hatte, sagen konnte? Letztendlich traf Crocodile die Entscheidung im Bruchteil einer Sekunde. „Daz“, sagte er, ohne dass er dagegen etwas hätte unternehmen können, „du kennst dich mit solchen Dingen doch gut aus, oder nicht? Kannst du mir etwas darüber sagen?“ Er hielt ihm das kleine Kästchen hin, das er aus seiner Hosentasche hervorgekramt hatte. Seitdem er es gefunden hatte, schleppte Crocodile es mit sich herum wie einen Talisman. Es ließ ihm einfach keine Ruhe. „Nun, das ist ein GPS-Sender“, sagte Daz. Er warf ihm einen sorgenvollen Blick zu. „Woher hast du den?“ „Jemand hat ihm am Unterboden meines Mercedes angebracht“, erklärte Crocodile. „Ich weiß nicht, wie lange schon oder wer dafür verantwortlich ist. Bist du dazu in der Lage das herauszufinden?“ „Solche GPS-Sender übermitteln Daten üblicherweise an ein Trackingportal. Dort kann sich derjenige, der den Sender angebracht hat, einloggen und den Aufenthaltsort deines Wagens ausfindig machen. Wenn ich das Portal hacken würde, könnte ich womöglich herausfinden, um wen es sich dabei handelt.“ „Würdest du das für mich tun?“, bat Crocodile sofort. Augenblicklich ergriff ihn helle Aufregung. „Der Gedanke, dass irgendjemand seit... seit... ich weiß nicht... vielleicht schon seit Monaten oder Jahren auf seinem Computer verfolgen kann, wo mein Wagen steht... das macht mich verrückt. Das ist doch krank, Daz!“ Der Blick seines alten Studienfreunds wanderte zu der Türe, durch die Doflamingo soeben verschwunden war, hinüber. „Du verdächtigst deinen Ehemann“, stellte er mit ruhiger Stimme fest. „Ich...“ Crocodile wusste nicht so recht, was er darauf erwidern sollte. Unrecht hatte Daz nicht. „Es könnte jeder gewesen sein. Vielleicht Sengoku. Enel. Oder irgendein anderer Exfreund von mir. Ich habe niemanden konkret im Visier. Dieser GPS-Sender ist mein einziger Anhaltspunkt.“ „Du hast gewartet, bis Doflamingo das Zimmer verlassen hat, um dieses Thema anzusprechen.“ Wie fast immer wirkte Daz so gelassen wie eine Bronzestatue. „Das hättest du nicht getan, wenn du ihn nicht auch verdächtigen würdest.“ Betreten senkte Crocodile den Blick. „Doflamingo... Er wird schnell eifersüchtig“, sagte er schließlich. „Und er macht sich schnell Sorgen“, fügte Daz hinzu. Diese Aussage erregte Crocodiles Aufmerksamkeit. „Was willst du damit sagen?“, wollte er mit scharfer Stimme wissen. „Ich habe nicht das Gefühl, dass Doflamingo dir nicht vertraut. Oder dass er dir etwas Böses will. Vielleicht hat er aus Sorge um dich diesen Sender an deinen Wagen anbringen lassen. Damit er sehen kann, dass dir zum Beispiel auf dem Arbeitsweg nichts zustößt. Seit du bei Doflamingo wohnst, hast du eine ziemlich lange Anfahrt, oder nicht?“ Crocodile konnte kaum fassen, was er da hörte. „Du tust ja glatt so als wäre es das Normalste auf der Welt seinen Partner per GPS zu überwachen!“, fauchte er. „Geht's dir noch gut?!“ „Ich behaupte nicht, dass es richtig ist“, erwiderte Daz. „Das ist es selbstverständlich nicht. Zumindest nicht, ohne es mit dir abzusprechen. Ich möchte nur sagen, dass der Grund hierfür nicht Eifersucht sein muss. Vielleicht hat er einfach nur Angst um dich. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie aufgewühlt Doflamingo war, als du im Skypia vergiftet wurdest...“ „Jetzt komm mir nicht damit!“, unterbrach Crocodile seinen besten Freund. „Die Sache im Skypia ist schon über ein Jahr her. Und außerdem hat das nichts miteinander zu tun. Ich finde es wirklich unfassbar, dass du jemanden verteidigst, der ohne mein Einverständnis einen Sender an mein Auto angebracht hat!“ „Hättest du es denn zugelassen, wenn er dich darum gebeten hätte?“ „Natürlich nicht“, gab Crocodile entrüstet zurück. „Ich bin doch kein kleines Kind, das immer angeben muss, wohin es unterwegs ist.“ „Dann kannst du ihm schwerlich vorwerfen, es ohne dein Einverständnis getan zu haben.“ „Er hätte es gar nicht tun sollen!“ Diese Diskussion strapazierte Crocodiles Nerven. „Wie auch immer“, sagte er schließlich. „Wir wissen ja gar nicht, ob er dafür verantwortlich ist. Vielleicht verdächtige ich ihn auch völlig zu Unrecht. Könntest du das für mich herausfinden?“ „Das könnte ich wohl“, sagte Daz. „Allerdings wird das eine Weile dauern. Dieser Sender ist kein billiges Teil. Ich bin mir sicher, dass das zugehörige Tracking-Portal nicht leicht zu knacken sein wirst. Du wirst dich also gedulden müssen.“ Crocodile kam nicht umhin zu spüren, wie sich Enttäuschung ausgehend von seinem Magen in seinem ganzen Körper ausbreitete. Er hatte darauf gehofft, gleich hier und jetzt eine Antwort zu bekommen. „Ruf mich an, sobald du etwas weißt, ja?“ „Sobald er was weiß?“ Ohne dass Crocodile es bemerkt hatte, war Doflamingo wieder im Raum erschienen. Sein Diensthandy ließ er in seine Hosentasche gleiten. Hektisch warf Crocodile einen Blick hinüber zum GPS-Sender, den Daz in der Hand hielt; zum Glück hatte dieser schnell reagiert und seine Hand unauffällig zur Faust geballt. „Ich habe einen Freund, der als Manager für Brook arbeitet“, log Daz ohne rot zu werden. „Ein bekannter Musiker, du hast sicher schon mal von ihm gehört. Crocodile hatte mich gebeten ihm sofort Bescheid zu geben, sobald ich weiß, wo er als Nächstes auftritt. Es kommt ja nicht selten vor, dass Brook irgendwo ein kleines Überrraschungs-Konzert gibt.“ Doflamingo schien ihm diese Lüge abzukaufen. „Hattest du damals von Daz die VIP-Karten für das Konzert bekommen?“, fragte er, während er sich auf dem Sofa niederließ und gelassen eine Hand nach Fiffie ausstreckte. „Es ist wirklich schade gewesen, dass wir es verpasst hatten. Ich hätte nichts dagegen das nachzuholen.“ Crocodile, der froh war, dass sein Ehemann keinen Verdacht schöpfte, nickte. „Durch seinen Freund kommt Daz immer an gute Karten“, sagte er. Er vermied es den Blick mit seinem alten Studienfreund zu kreuzen, während er sprach. ~ Es war Donnerstagnachmittag. Wieder einmal hatte Doflamingo ihn gegen seinen Willen ins Einkaufszentrum geschleppt. Crocodile hätte seine Zeit lieber Zuhause damit verbracht ein paar Dinge für die Arbeit zu erledigen, doch weil er genau wusste, dass Widerstand zwecklos war, trottete er nun schlecht gelaunt hinter seinem Partner her. Gerade schaute Doflamingo einen Ständer mit Hemden durch (allesamt in schrillen Farben), während Crocodile nach einer Sitzgelegenheit, auf der er sich niederlassen konnte, Ausschau hielt. „Welches findest du besser?“, wollte sein Ehemann wissen. In der rechten Hand hielt er ein rosafarbenes und in der linken ein dunkelblaues Hemd mit wirrem Muster. Crocodile warf Doflamingo einen genervten Blick zu. „Ist das dein ernst? Die sehen beide furchtbar aus.“ „Aber welches findest du besser?“ Natürlich ließ Doflamingo nicht locker. „Hast du nicht schon genug Hemden?“, erwiderte Crocodile, ohne auf die Frage seines Ehemannes einzugehen. Doflamingo verfügte über einen begehbaren Kleiderschrank, der größer war als eine Dreizimmerwohnung. Crocodile war sich sicher, dass er ein Jahr lang jeden Tag ein anderes Hemd tragen könnte und nicht einmal waschen müsste. „Man hat nie genug Klamotten“, meinte Doflamingo glucksend, doch legte die beiden Kleidungsstücke wieder zurück. „Du lebst im totalen Überfluss“, seufzte Crocodile und fuhr sich mit der Hand durch's Haar. „Viel zu viel Kleidung, zu viele Autos, Angestellte, ein Haus mit zu vielen Zimmern... Manchmal frage ich mich, wie du dich überhaupt wohlfühlen kannst. Wird dir das nicht manchmal selbst alles zu viel, Doffy?“ Diese Aussage schien seinen Ehemann zu irritieren. Er warf ihm unter den dunkel getönten Gläsern seiner Sonnenbrille einen verwunderten Blick zu und schwieg für eine Weile, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme sagte: „Nein, nie. Wie kommst du darauf?“ „Naja...“ Crocodile suchte nach den richtigen Worten. „Meinst du denn, dass es normal ist, in seiner Garage mehr als zwei Dutzend Autos stehen zu haben, obwohl man selbst ein schlechter Fahrer ist? Oder in einer Villa zu wohnen, die so groß ist, dass man einige Zimmer schon seit Jahren nicht mehr betreten hat?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Was ist schon normal?“, erwiderte er schließlich gelassen. „Ich führe kein normales Leben, habe. Das habe ich nie. Ich bin es nicht anders gewöhnt. Immerhin bin ich ein Kind reicher Eltern.“ „Hast du dich als Kind nie verloren gefühlt in der großen Villa?“ Sein Ehemann schüttelte den Kopf. „Wie gesagt, ich kenne es nicht anders. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich ein sehr priviligiertes Leben führe. Auf der anderen Seite ist Luxus für mich schon immer Normalität gewesen. Als Kind hatte ich drei Spielzimmer. Ich weiß, dass die meisten nur ein Kinderzimmer haben. Aber ich kannte es eben nicht anders und habe mein Leben nicht hinterfragt.“ „Ich hatte als Kind nicht immer ein eigenes Zimmer“, murmelte Crocodile mit leiser Stimme und schüttelte ungläubig den Kopf. „Eine Zeit lang musste ich es mir mit Hancock teilen.“ Er konnte Doflamingos wahnsinnige Dekadenz kaum fassen. Unweigerlich fragte er sich, ob sein Ehemann ihre eigenen Kinder -sollten sie jemals welche bekommen- ebenfalls so schrecklich verwöhnen würde. Gott bewahre, schoss es Crocodile sofort durch den Kopf, er wollte keine verzogenen Gören als Kinder haben. „Du musstest dir ein Kinderzimmer teilen?“, hakte Doflamingo nach. „Das Haus, in dem wir lebten, hatte nur drei Schlafzimmer“, erklärte Crocodile. „Eines gehörte meinen Eltern und das andere war Mihawks Zimmer. Also mussten Hancock und ich uns ein Kinderzimmer teilen. Erst als Mihawk ausgezogen ist, hatten wir dann getrennte Zimmer.“ Doflamingo legte den Kopf schief. „Warum haben deine Eltern denn drei Kinder in die Welt gesetzt, wenn sie nur zwei Kinderzimmer zur Verfügung hatten?“ Diese Frage empfand Crocodile, ehrlich gesagt, als ein wenig übergriffig. „Keine Ahnung“, meinte er mit platter Stimme. „Warum denn nicht? Klar, es war ein bisschen nervig sich das Zimmer mit Hancock teilen zu müssen. Aber es hat mich nicht umgebracht. Und hinterher hatte dann ja auch jeder sein eigenes Zimmer.“ „Wenn man sich nur zwei Kinder leisten kann, sollte man sich kein weiteres anschaffen“, schnaubte Doflamingo. Er griff nach einem neuen Hemd, das er aufmerksam begutachtete. „Wie kannst du so etwas nur sagen?“ Zornig verschränkte Crocodile die Arme vor der Brust. Er empfand die Aussage seines Ehemannes als absolut unverschämt. „Meine Eltern konnten sich drei Kinder leisten! Keiner von uns musste je hungern und wir haben auch jedes Jahr ein Weihnachtsgeschenk bekommen. Wir wohnten nur eben in einem Haus mit drei Schlafzimmern. Das ist doch nicht schlimm!“ „Ich sehe auf der Straße immer wieder ärmliche Familien“, sagte Doflamingo und hängte das Hemd zurück. „Deren Kinder tragen gebrauchte Klamotten und heulen, weil sie nicht in den Fußballverein dürfen, da für so etwas das Geld nicht reicht. Da komme ich nicht umhin mich zu fragen, wieso solche Leute immer weiter Kinder zu produzieren. Es reicht doch nicht einmal für die Kinder, die schon da sind, und trotzdem ist die Mutter wieder schwanger. Ist es nicht besser, nur ein oder zwei Kinder zu haben und diesen alles bieten zu können als noch mehr Kinder in die Welt zu setzen, sodass das Geld nicht mehr für alle reicht?“ „So läuft das aber nicht immer ab“, erwiderte Crocodile. „Eine Lebenssituation kann sich auch ändern. Man kann auch arbeitslos werden oder steht plötzlich ohne Partner da. Nicht jeder hat das Glück von Geburt an so unfassbar wohlhabend zu sein wie du, Doflamingo.“ „Es gibt auch viele Paare, die Kinder in die Welt setzen, obwohl sie schon seit Jahren von Sozialhilfe leben“, hielt Doflamingo dagegen. „Tu nicht so als gäbe es das nicht.“ „Das will ich nicht bestreiten“, lenkte Crocodile ein. „Aber ich finde es nicht richtig, dass du Familien mit mehreren Kindern pauschal verurteilst. Und du bist doch selbst auch kein Einzelkind gewesen.“ „Meine Eltern hatten auch mehr als genug Geld, um sich zwei Kinder leisten zu können.“ „Also sollten in deinen Augen nur reiche Leute Kinder bekommen?“ Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was sein Ehemann da von sich gab. „Denk doch nur mal an Hancock. Sie ist auch in finanzielle Not geraten. Und trotzdem ist sie eine gute Mutter und würde alles für Nozomi tun!“ „Sie spielt aber auch nicht mit dem Gedanken in dieser Situation noch ein zweites Kind zu bekommen“, erwiderte Doflamingo schnippisch. „Weil sie sich dessen bewusst ist, dass es im Moment ein schlechter Zeitpunkt ist.“ „Naja, sie hat ja gerade auch keinen Partner“, gab Crocodile zu bedenken. „Zum Kinderkriegen gehören immer zwei dazu. Hancock hat, als sie mit Luffy zusammen gewesen ist, alles durch eine rosarote Brille gesehen. Wer weiß, wie sie zu dem Thema stehen würde, wenn sie einen neuen Freund hätte.“ „Ich denke nicht, dass sie noch einmal so leichtfertig wäre“, meinte Doflamingo. „Bestimmt hat sie aus dieser Sache mit Luffy gelernt. Auf den nächsten Typen fällt sie nicht so einfach rein.“ „Jedenfalls weiß ich nichts davon, dass sie wieder in einer Beziehung wäre oder sich mit einem Mann trifft“, erklärte Crocodile. „Wahrscheinlich hat sie für so etwas im Augenblick auch einfach keine Zeit. Sie hat mit Nozomi wirklich alle Hände voll zu tun.“ „Die Straße runter gibt es ein süßes Babyfachgeschäft“, meinte sein Ehemann. „Wollen wir dort mal nach ein paar Sachen für Nozomi schauen?“ „Sie hat doch alles, was sie braucht“, wandte Crocodile sofort ein. „Was möchtest du ihr denn noch holen?“ „Ach, ich weiß nicht, einfach ein paar süße Kleider oder etwas Spielzeug. Bestimmt finden wir etwas Schönes für sie.“ „Ich finde es nicht gut, dass du Nozomi so sehr mit Geschenken überhäufst“, merkte Crocodile an. Seine Nichte war noch nicht einmal ein Jahr alt und besaß schon mehr Spielzeug als ein durchschnittlicher Kindergarten. Oft genug erlebte Crocodile, dass sie an vielen Dingen kaum Interesse zeigte. Ihr Kinderzimmer war bis oben hin vollgestopft mit Spielzeug und Kleidung, die Doflamingo gekauft hatte. „Sie ist eben meine einzige Nichte“, verteidigte er sich. „Es ist doch normal, dass man als Onkel die Kinder in seiner Familie verwöhnt, oder nicht?“ „Ich denke nicht, dass es gut ist, wenn ein so kleines Kind schon so viel Spielzeug besitzt. Nozomi ist doch völlig überfordert mit all den Dingen. Sie kann sich gar nicht richtig auf eine Sache konzentrieren.“ „Nun übertreib doch nicht. Ich bringe ihr gern Spielzeug mit, stimmt schon, aber das schadet ihr doch nicht. Ich habe als Kind auch alles bekommen, was ich wollte, und mir ging es immer gut.“ „Du hast sogar schon ein Laufrad für sie geholt“, wandte Crocodile mit zweifelnder Stimme an. „Was soll sie denn damit? Sie kann schließlich noch nicht einmal laufen.“ „Hancock kann es für später aufbewahren“, hielt Doflamingo dagegen. „In ein paar Monaten wird Nozomi mit dem Laufrad sicher viel Spaß haben.“ „Sie hat sehr viele Spielsachen, mit denen sie erst später etwas anfangen können wird. Ich finde, wir sollten es mal gut sein lassen, Doflamingo. Glaub mir: Hancock wird sich nicht bei uns bedanken, wenn wir aus Nozomi eine verzogene Göre machen, die ein Theater veranstaltet, wenn man ihr die Wünsche nicht von den Augen abliest.“ „Ich bin auch nicht verzogen“, meinte Doflamingo. „Obwohl ich auch immer alles bekommen habe.“ Angesichts dieser Aussage konnte Crocodile ein verächtliches Schnauben nicht unterdrücken. „Du willst nicht verzogen sein?“ „Das bin ich auch nicht!“ „Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie du dich zu Beginn unserer Beziehung oft genug aufgeführt hast? Du konntest es überhaupt nicht ertragen, wenn es mal nicht nach dir ging. Ständig wolltest du ohne Rücksicht auf Verluste deinen Willen durchsetzen. Das ist wirklich anstrengend gewesen. Zum Glück läuft es inzwischen ein bisschen besser.“ Doflamingos Lächeln gefror auf seinen Lippen. Verlegen kratzte er sich den Kopf. „Da hast du nicht ganz Unrecht“, gab er schließlich zu. Dann grinste er wieder breit. „Aber mit dir bin ich ja an den Richtigen geraten. Du hast dir wirklich alle Mühe gegeben mich richtig zu erziehen...“ Crocodile reagierte mit einem genervten Augenrollen auf den lasziven Unterton seines Partners. Er wollte seinen Ehemann nicht auf dumme Ideen bringen. „Wir sind nun schon seit über einer Stunde hier“, sagte er. „Ich würde gerne wieder nach Hause und ein Bad nehmen. Kaufst du nun ein Hemd oder nicht?“ ~ Als Crocodile von der Arbeit heimkam, fand er Doflamingo im Wohnzimmer vor. Sein Ehemann hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und surfte ein wenig im Internet. Bei dem Laptop, der auf seinem Schoß lag, handelte es sich um ein Gerät, das Doflamingo ausschließlich für private Zwecke nutzte. „Was machst du da?“, wollte Crocodile mit neugieriger Stimme wissen und ließ sich neben seinem Partner nieder. „Ich gucke ein paar Online-Shops durch“, antwortete Doflamingo mit gelassener Stimme und ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. „Online-Shops?“, wiederholte Crocodile verwundert. Er hatte noch nie erlebt, dass sein Partner etwas online bestellte. Doflamingo liebte es, stundenlang durch die verschiedensten Läden zu stromern und die Dinge, die er kaufen wollte, vorher gründlich zu begrapschen. „Was denn für Online-Shops?“ „Naja, da hätten wir adultshop.com, erotic-gigant.com, cosmic ware...“ „Das... das sind alles Sexshops, Doflamingo!“, unterbrach Crocodile seinen Partner mit aufgebrachter Stimme. Ein selbstgefälliges Grinsen breitete sich auf Doflamingos Gesicht aus. „Warum klingst du denn so entsetzt, Baby?“, meinte er schmunzelnd und scrollte völlig ungerührt durch das Angebot des nächsten Shops. „Hast du etwa noch nie online erotisches Spielzeug eingekauft?“ „Nun, um ehrlich zu sein nicht“, gab Crocodile zu. Während er sprach, legte sich eine leichte Röte auf seine Wangen. Es handelte sich bei ihm um eine sehr prüde Person und es fiel ihm schwer mit seinem Partner über solche Themen zu sprechen. Allein schon neben seinem Ehemann zu sitzen, während dieser sich im Internet zig verschiedene Sextoys und erotische Outfits anschaute, fiel ihm schwer. Doflamingo setzte einen irritierten Gesichtsausdruck auf. „Wirklich nicht? Wow. Ich hätte dich nicht für einen Typen gehalten, der so etwas vor Ort im Laden kauft. Genau deswegen habe ich gar nicht erst versucht dich dazu zu überreden in einen Sexshop zu gehen.“ „Ich... ich... ich gehe auch nicht in solche Läden!“, verteidigte Crocodile sich pompt. Er spürte, dass sich ein unangenehmer Kloß in seinem Hals bildete. „Und wo hast du dann bisher immer Sextoys und Dessous gekauft?“, hakte Doflamingo mit absolut gelassen klingender Stimme nach. Unter den Gläsern seiner Sonnenbrille warf er ihm einen neugierigen Blick zu. „G-gar nicht“, antwortete Crocodile hastig und versuchte den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Er fühlte sich sehr unwohl. Er konnte über solche Themen nicht so ungezwungen sprechen wie andere Menschen. Was sein Ehemann auch ganz genau wusste. Wie so oft wollte dieser ihn bloß ein wenig necken. „Du bist Mitte dreißig“, hielt Doflamingo dagegen. „Du kannst mir nicht erzählen, du hättest (bevor wir beide ein Paar wurden) nie irgendwelche Sextoys benutzt. Oder wenigstens etwas schöne Wäsche besessen.“ „Selten.“ Endlich gelang es Crocodile den Kloß loszuwerden. „Und... und wenn, dann hat mein Partner so etwas besorgt.“ „Ernsthaft? Du hast selbst noch nie etwas in einem Sexshop eingekauft?“ Doflamingo wirkte ehrlich erstaunt. „Naja, warum sollte ich auch?“, hielt Crocodile dagegen. „Es hat bisher eigentlich immer gut auch ohne... ohne irgendwelche Hilfsmittel funktioniert.“ „Wenn ich dich mit Toys überrascht habe, hat es dir aber immer gefallen“, wandte Doflamingo grinsend ein. „Was hatten wir da schon? Einen Vibrator, eine Analkette...“ „Hör auf“, jammerte Crocodile und warf seinem Ehemann einen unwilligen Blick zu. „Wie kannst du bloß so unverblümt darüber sprechen!?“ Dieser Kommentar brachte Doflamingo zum Lachen. „Wieso denn nicht?“, meinte er und zuckte mit den Schultern. „Sex ist eine völlig normale Sache.“ „Aber doch diese Hilfsmittel nicht!“ „Klar.“ Doflamingo winkte ab. „Fast alle Paare, die schon länger zusammen sind, benutzen Sextoys. Das ist doch ganz selbstverständlich. Dafür muss man sich nicht schämen.“ Crocodile senkte den Blick. Sein Gesicht brannte unangenehm heiß. Er war sich sicher, dass es inzwischen knallrot angelaufen war. Aus dem Augenwinkel heraus warf er einen Blick auf den Bildschirm des Laptops. Doflamingo hatte wohl gezielt nach erotischer Wäsche gesucht; jedenfalls wurden reihenweise Schuldmädchen- und Krankenschwester-Outfits angezeigt. „Das sind ja gar keine Spielzeuge“, stellte Crocodile verwundert fest. „Scheinst ja doch nicht abgeneigt zu sein“, neckte Doflamingo ihn, ehe er mit gelassener Stimme erklärte:„Ich habe nach ein paar Klamotten für ein Schüler-Lehrer-Rollenspiel gesucht.“ „Bitte was?“ Es fühlte sich an als hätte man Crocodile den Boden unter den Füßen weggerissen. Entsetzt blickte er zu seinem Partner hinüber, der fortfuhr: „Als du letztens erzählt hast, ich würde mich aufgrund deiner Erziehung nicht mehr aufführen wie ein verzogenes Balg, hat mich das zum Nachdenken gebracht. Und inzwischen lässt mich die Vorstellung von dir als meinem Lehrer einfach nicht mehr los. Deswegen habe ich mir überlegt, dass ich ja ein paar Outfits für uns besorgen könnte und wir schauen, wo uns das Spiel hinführt...“ „Ich weiß nicht, ob ich in so etwas sonderlich gut bin“, merkte Crocodile zögerlich an. Er hatte überhaupt keine Erfahrungen im Rollenspiel. Insgeheim befürchtete er, seinen Partner mit seinen schlechten schauspielerischen Qualitäten abzuturnen. Oder sogar von diesem ausgelacht zu werden. Doch sein Ehemann winkte bloß ab. „Ich bin mir sicher, dass es dir auch Spaß machen würde. Du bist ein Mensch, der sehr autoritär wirken kann, wenn er möchte.“ Da hatte Doflamingo nicht ganz unrecht. „Wie stellst du dir das denn vor?“, fragte Crocodile mit verunsicherter Stimme. „Oh, da gibt es viele Möglichkeiten“, sagte Doflamingo und richtete sich in seiner Position ein wenig auf. „Wir könnten zum Beispiel so tun als wäre ich dein Schüler. Und weil ich im Unterricht Blödsinn angestellt habe, muss ich nachsitzen. Wir sind allein im Klassenzimmer. Du bist einer von der alten Schule... willst mir eine Lektion erteilen... hältst eine Rede und erklärst mir, dass ich unerzogen bin und Disziplin benötige... Wir könnten auch einen Rohrstock für dich besorgen...“ Doflamingos Eifer schreckte Crocodile ein wenig ab. Sein Partner schien ja bereits sehr konkrete Vorstellungen für dieses Rollenspiel zu haben. „Dir würden ein weißes Hemd und eine Krawatte gut stehen“, fuhr Doflamingo fort und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Seine Stimme klang lüstern und gierig. „Oh, und du bräuchtest auch einen Aktenkoffer!“ „Und was würdest du tragen?“, wollte Crocodile wissen. Er warf einen missgünstigen Blick auf die Schulmädchen-Outfits, die angezeigt wurden. Um ehrlich zu sein, stand er nicht auf Männer, die sich wie Frauen oder Mädchen anzogen. Er hatte nie verstanden welchen Sinn es machte, mit einem feminin wirkenden Mann auszugehen. Da konnte man es mit der Homoexualität auch gleich bleiben lassen. Sein Ehemann schien seine Zweifel zu spüren. „Ich kann eine ganz normale Schuluniform tragen, wenn du möchtest“, meinte er. „Eine für Jungen. Ich hätte zwar nichts dagegen einen Rock zu tragen, aber wenn dich das stört, kann ich auch mit einer ganz normalen Uniform vorlieb nehmen.“ „Werden überhaupt Uniformen in deiner Größe verkauft? Du bist über zwei Meter groß.“ Doflamingo winkte ab. „So etwas kann man sich auch schneidern lassen“, meinte er. „Das dürfte kein Problem sein.“ „Es gibt auch Schulen ohne Uniformen“, wandte Crocodile ein. „Möchtest du nicht, dass ich eine Schuluniform trage?“ Doflamingo legte für einen kurzen Moment die Stirn in Falten, ehe er neugierig fragte: „Was würdest du dir für mich wünschen? Hast du auch eine Vorstellung?“ Crocodile senkte den Blick. „Vielleicht etwas rowdy-haftes“, schlug er schließlich mit zögerlicher Stimme vor. „Du wärst ein aufmüpfiger Schüler, nicht wahr? Ein Rebell, ein jugendlicher Delinquent. Du könntest eine Lederjacke tragen. Zerrissene Jeans. Und Stiefel!“ Doflamingo gluckste. „Darauf könnte ich mich einlassen“, meinte er breit grinsend. Crocodile, dem plötzlich in aller Deutlichkeit klar wurde, was sie gerade besprachen, bedeckte mit der rechten Hand sein dunkelrot angelaufenes Gesicht. Sein Ehemann lachte bloß angesichts dieser Reaktion. ~ Crocodile hielt sich allein in seinem Büro auf, als Daz ihn auf seinem privaten Handy anrief. Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu verlieren, nahm er ab. „Hast du etwas heraugefunden?“, sagte er anstelle einer Begrüßung. Eigentlich war es nicht seine Absicht gewesen seinem Freund so über den Mund zu fahren, doch er konnte seine Neugierde nicht zurückhalten. Ungeduldig wartete er eine Antwort ab. „Ja“, erwiderte Daz. Wie immer klang er völlig unberührt. Oft genug hatte Crocodile seinen alten Studienfreund schon um seine stoische Ruhe beneidet. „Mir ist es gelungen das Tracking-Portal zu hacken und herauszufinden, wer für den GPS-Sender verantwortlich ist.“ „Und?“ Nervös tigerte Crocodile in seinem Büro auf und ab. „Nun lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen, Daz! Wer hat diesen Sender an meinen Mercedes angebracht? Und wie lange werde ich schon überwacht?!“ Er spürte seinen Puls so deutlich in seinem Schädel, dass man meinen könnte, sein Herz und sein Gehirn hätten die Plätze getauscht. Blut rauschte in seinen Ohren. „Doflamingo“, sagte Daz ohne einen Hauch von Emotion in der Stimme. Crocodile schwor, dass ihm für einen kurzen Moment schwarz vor Augen wurde. Seine Knie fühlten sich so schwach hin, dass er sich mit letzter Kraft zu seinem Schreibtischstuhl schleppte und darauf niederließ. „Seit wann?“ Seine Stimme war leise, fast tonlos. Es war nicht seine Absicht gewesen zu flüstern, doch er brachte nicht genug Kraft auf, um lauter zu sprechen. „Die ersten Aufzeichnungen stammen aus der Anfangszeit eurer Beziehung“, erklärte ihm Daz. „Wenn ich mich nicht irre, müsstet ihr zu diesem Zeitpunkt etwa seit einem Monat ein Paar gewesen sein.“ So lange schon? Crocodiles Zunge lag schwer und bewegungsunfähig in seinem Mundraum. Es gelang ihm nicht sie zu bewegen. Als er es versuchte, musste er husten. Er konnte überhaupt nicht fassen, was Daz ihm soeben mitgeteilt hatte. Bedeutete es, dass Doflamingo von Anfang an gewusst hatte, dass er nicht länger bei der Bank, sondern stattdessen bei Tom's Workers arbeitete? Hatte Doflamingo von allem gewusst, es ihm aber verschwiegen? Aber warum sollte er so etwas tun? Auf der anderen Seite hatte er den GPS-Sender bereits fünf Monate, bevor Crocodile gekündigt wurde, angebracht gehabt. Warum? Wegen seiner krassen Eifersucht? Hatte Doflamingo ihm nie vertraut? Es ist alles gelogen gewesen, schoss es Crocodile durch den Kopf. Selbst seine Wut, als ich ihm berichtete habe, dass ich schon seit Monaten nicht mehr bei der Bank arbeite. Nichts davon ist ehrlich gewesen. „Ich glaube nicht, dass er das aus Eifersucht getan hat“, meinte Daz. „Außerdem würde ich davon ausgehen, dass er sich den Verlauf des GPS-Signals schon seit vielen Monaten nicht mehr angeschaut hat.“ „Wie kommst du darauf?“, hakte Crocodile mit zittriger Stimme nach. „Konntest du den letzten Abruf der Daten ermitteln?“ Hoffnung keimte in ihm wie ein zartes Pflänzchen. Handelte es sich bei dem GPS-Sender lediglich um eine irre Idee, auf die ein betrunkener Doflamingo gekommen war, als ihre Beziehung noch jung und fragil gewesen war? Hatte sein Ehemann längst vergessen, dass er dieses Ding jemals besorgt hatte? „Nein“, erwiderte Daz. „Aber es erscheint mir logisch. Erinnerst du dich noch an den Autounfall, den du gebaut hast, als du auf dem Weg zu mir gewesen bist? Du warst stundenlang fort und Doflamingo hatte sich schreckliche Sorgen um dich gemacht. Wenn er den Standort deines Autos einfach über per GPS ermittelt hätte, wäre er wohl nicht erst Stunden nach eurem Streit bei mir Zuhause aufgeschlagen. Er hat erzählt, dass er überall herumtelefoniert hat, um dich ausfindig zu machen. Warum sollte er das tun, wenn er auf einfach deinen Mercedes hätte orten können?“ Crocodile musste zugeben, dass diese Vermutung seines besten Freundes durchaus Sinn ergab. „Aber sicher weißt du es nicht?“, fragte er trotzdem noch einmal nach. „Nein“, gab Daz zu. „Das Tracking-Portal ist extrem gut gesichert. Doflamingo hat für diese Sache definitiv eine Menge Geld ausgegeben. Es hat Wochen gedauert, bis es mir gelungen ist, in das System einzudringen. Ich konnte herausfinden, von welchem Computer aus der Sender registriert wurde. Aber auf Daten wie den Verlauf oder den letzten Login konnte ich nicht zugreifen.“ Crocodile schloss seine Augen. Hunderte Gedanken schossen wild durch seinen Kopf, doch er bekam keinen von ihnen so recht zu fassen. Sein Ehemann überwachte sein privates Auto seit mehr als einem Jahr per GPS. Er wollte irgendetwas sagen, doch ihm fiel nichts ein. „Bitte überstürz jetzt nichts, Crocodile“, hörte er Daz mit ruhiger Stimme sagen. Crocodile fragte sich, wie sein alter Freund so gelassen mit dieser Situation umgehen konnte. Er wurde seit Monaten ohne sein Wissen überwacht! Von dem Menschen, der ihm eigentlich am meisten vertrauen sollte! Begriff Daz das etwa nicht?! „Du weißt nicht, wieso Doflamingo diesen Sender an deinen Wagen angebracht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dir nicht vertraut. Vielleicht ist er einfach nur besorgt um dich gewesen.“ „Über seine Motive können wir nur spekulieren“, erwiderte Crocodile. Allmählich überwand er den großen Schock und kehrte zu seinem alten Selbst zurück. Er lehnte sich in seinem mit teurem Leder überzogenen Schreibtischstuhl zurück und richtete den Blick nach oben. „Du möchtest ihn also zur Rede stellen?“ Daz kannte ihn gut. „Habe ich eine andere Wahl?“, gab Crocodile mit verzweifelter Stimme zurück. „Wie soll ich denn mit mit dieser Sache leben, wenn ich nicht einmal sein Motiv kenne? Ich brauche Gewissheit.“ „Natürlich ist es am Ende deine Entscheidung“, sagte Daz, „aber ich würde dir raten nichts zu überstürzen. Beruhige dich erst einmal, bevor du einen riesigen Streit vom Zaun brichst.“ Dass Daz ihm empfahl Ruhe zu bewahren, wunderte Crocodile nicht. „Danke für deinen Rat“, sagte er trotzdem. „Ich... ich muss jetzt weitermachen, ja? Ich bin gerade bei der Arbeit.“ Er beendete den Anruf, legte das Handy auf dem Schreibtisch ab und bedeckte seine untere Gesichtshälfte mit der rechten Hand. Sein Blick drückte pure Verzweiflung aus. ~ Wie fast jeden Samstag holten Crocodile und Doflamingo ihre kleine Nichte für eine Übernachtung zu sich. Doflamingo war absolut vernarrt in das inzwischen zehn Monate alte Mädchen. Mit einem Gesichtsausdruck, der nichts Anderes als pure Wonne ausdrückte, hob er Nozomi aus ihrem Hochstuhl und drückte ihr ein halbes Dutzend Küsse auf den Scheitel, während er sie fragte, ob sie sich darauf freue den Tag mit ihrem Onkel Doffy zu verbringen. Das fröhliche Glucksen, dass seine kleine Nichte von sich gab, schien ihm Antwort genug zu sein. Es waren Momente wie diese, in denen Crocodile zu zweifeln begann. Unwillig biss er sich auf die Unterlippe, während er mit seinen Fingern über den GPS-Sender in seiner Hosentasche fuhr. Er trug das kleine schwarze Kästchen mit sich herum wie einen Talisman. Wie konnte es nur sein, dass Doflamingo, der seine Freunden nie etwas anderes als Liebe und Fürsorge zeigte, ihn seit Beginn ihrer Beziehung überwachte? „Vielleicht machen wir einen kleinen Ausflug mit ihr“, sagte Doflamingo an Hancock gewandt. „Du hast doch letztens erzählst, dass ihr jetzt in einem Baby-Schwimm-Kurs seid, nicht wahr? Croco und ich könnten also mit ihr ins Schwimmbad fahren.“ „Das halte ich für keine so gute Idee“, lenkte Hancock ein, noch ehe ihr Bruder Gelegenheit dazu bekam, seinen Unmut zu äußern. „Crocodile geht nie schwimmen.“ Mit einem überraschten Gesichtsausdruck wandte Doflamingo sich an seinen Ehemann. „Du kannst nicht schwimmen, Wani?“ „Ich kann schwimmen“, erwiderte Crocodile sofort. „Ich mag es bloß nicht. Lass uns lieber etwas Anderes machen.“ „Ist es wegen deiner fehlenden Hand?“, hakte Doflamingo mit leiser Stimme nach. „Hast du Angst, dass du deswegen angestarrt wirst?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein. Jedenfalls geht es nicht hauptsächlich darum.“ „Und was ist dann das Problem?“ Es war typisch für seinen Partner, dass dieser einfach nicht locker ließ. „Ist das so wichtig?“ Allmählich fühlte Crocodile sich von diesem Gespräch angenervt. „Lass uns einfach einen anderen Ausflug machen. Kinderbauernhof oder so.“ Doch Donquixote Doflamingo wäre nicht Donquixote Doflamingo, wenn er ein unangenehmes Thema einfach auf sich beruhen ließe. Ein wissendes Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. „Gib zu“, meinte er mit süffisant klingender Stimme und zeigte mit dem Finger auf ihn. „Es ist, weil du prüde bist!“ Crocodile zog eine Augenbraue hoch. „Was?“ „Du bist verklemmt“, stichelte sein Ehemann. „Du kannst es nicht haben, wenn viele halb nackte Menschen um dich herum sind. Ganz abgesehen davon, dass du dich unwohl fühlst, wenn du selbst nur ein Paar Badeshorts trägst.“ „Das stimmt überhaupt nicht“, gab Crocodile empört zurück. Dass Doflamingo vielleicht nicht ganz Unrecht hatte, wollte er sich nicht eingestehen. „Wohl!“, hielt dieser dagegen. „Du trägst nie kurze Klamotten. Selbst im Hochsommer hast du immer ein langärmliges Hemd an. Und in Shorts habe ich dich auch noch nie gesehen.“ „Ist halt nicht jeder so exhibitionistisch veranlagt wie du“, verteidigte Crocodile sich und deutete auf das offene Hemd seines Partners. Nozomi patschte mit ihren kleinen Händchen ungeniert auf seiner nackten Brust herum. Doch Doflamingo kicherte bloß. Ebenso wie Hancock, die allerdings zumindest genug Anstand besaß, um ihr Grinsen hinter vorgehaltenen Hand zu verstecken. „Das ist kein Problem“, meinte Doflamingo. „Wenn du möchtest, dann miete ich einfach ein komplettes Schwimmbad nur für uns an. Dann musst du vor fremden Leuten nicht so viel Haut zeigen.“ „Hatte ich nicht erst mit dir darüber gesprochen, dass du Nozomi zu sehr verziehst?“, hielt Crocodile dagegen. „Ein ganzes Schwimmbad nur für uns drei?“ „Ist ja nicht für sie“, meinte Doflamingo, „sondern für dich. Und dich darf ich doch immer noch verziehen, oder nicht, Liebling?“ Crocodile rollte genervt mit den Augen. „Ich gehe eben nicht gerne schwimmen. Kannst du das nicht einfach akzeptieren?“ „Aber warum denn nicht?“ „Da kann ich dir ein ganzes Dutzend Gründe nennen!“ „Na dann los!“ „Ich werde beim schwimmen schnell müde“, fing Crocodile an. „Ich mag es nicht über Stunden so kletschnass zu sein. Wenn ich aus dem Becken steige, ist mir immer kalt. Und es ist eklig in derselben Suppe wie zig andere Menschen zu schwimmen.“ „Das waren aber noch kein Dutzend Gründe“, neckte Doflamingo ihn. „Es dauert lange, bis meine Haare trocken geföhnt sind“, fuhr Crocodile fort. „Und meine Haut verträgt das Chlor im Wasser nicht.“ „Da wären wir jetzt bei sechs“, sagte sein Ehemann und streckte ihm die Zunge raus. „Echs, echs, echs“, ahmte Nozomi ihren Onkel mit heiterer Stimme nach. „Man sieht ständig Leute, die man lieber nicht in Badekleidung sehen möchte!“ „Das ist fies“, tadelte Hancock ihn. „Als wärst du der Meinung, dass Gecko Moria in knapper Badeshorts ein schöner Anblick wäre!“ „Sieben“, sagte Doflamingo. „Ich habe keine Badeshorts.“ „Das ist kein richtiger Grund.“ „Klar ist es das.“ „Wir könnten dir einfach eine kaufen.“ „Das will ich aber nicht!“ „Jetzt ist aber gut“, meinte Hancock schließlich lachend. „Eure ewigen Streitereien sind ja nicht auszuhalten.“ „Dann fahren wir eben zum Kinderbauernhof“, gab Doflamingo sich endlich geschlagen (nicht ohne ihm die Zunge herauszustrecken). „Aber ich bin mir sicher, dass Nozomi lieber schwimmen als ponyreiten würde!“ „Po-ny“, machte Nozomi und klatschte giggelnd in ihre kleinen Händchen. „Da siehst du's!“, gab Crocodile triumphierend zurück. Am Ende schien Doflamingo auch der Ausflug zum Kinderbauernhof gut zu gefallen. Während Crocodile ein paar Ziegen mit Futter zu sich lockte, streichelte Doflamingo gemeinsam mit Nozomi, die er fest im Arm hielt, deren weiches Fell. Ihre Nichte hatte heute außerordentlich gute Laune. Als Crocodile ihr ein paar Futterpellets in die Hand legte und eine kleine Ziege diese abschleckte, lachte sie laut auf. „Ich finde, du machst das wirklich gut“, sagte Doflamingo und lächelte. „Was? Die Ziege füttern?“ „Wie du mit Nozomi umgehst“, meinte sein Ehemann. Crocodile legte den Kopf schief. „Nun, warum sollte ich das nicht gut machen?“ Doflamingo schwieg für einen kurzen Augenblick, ehe er schließlich erklärte: „Um ehrlich zu sein, war ich mir zu Beginn nicht sicher, ob du gut mit ihr zurechtkommen würdest. Du bist ja eigentlich nicht gerade ein kinderfreundlicher Typ.“ „Das stimmt so nicht“, wandte Crocodile ein, während er eine Ziege mit hellbraunem Fell fütterte. „Nur weil ich mal zu dir gesagt habe, dass ich nicht weiß, ob ich selbst Vater werden möchte, heißt das nicht, dass ich Kinder partout nicht mag.“ „Aber du hattest nie etwas mit Kindern zu tun.“ „Naja, Nozomi ist eben das erste Kind in meinem Familien- und Freundeskreis. Vorher hat sich nie die Möglichkeit gegeben mit einem kleinen Kind etwas zu unternehmen.“ Doflamingo senkte den Blick. Schließlich fragte er in einem untypisch zaghaften Tonfall: „Hat denn Nozomi deine Perspektive geändert? Also, in der Hinsicht, ob du selbst Kinder haben möchtest?“ Crocodile erstarrte in seiner Bewegung. Die feuchte Zunge der Ziege, die über seine Handfläche schleckte, fühlte sich beinahe schon außerirdisch an. Ist das sein ernst?!, schoss es Crocodile unweigerlich durch den Kopf. Er konnte nicht verhindern, dass er wütend wurde. Er vertraut mir so wenig, dass er einen verdammten Sender an mein Auto anbringt, aber will gemeinsam mit mir ein Kind haben? Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, Doflamingo entgegenzuschleudern, dass er mit ihm nie Kinder haben wollte. Die Vorstellung, aus Rache die Hoffnungen seines Partners zu zerstören, reizte Crocodile ungemein. Er wusste selbst nicht genau, wieso er stattdessen bloß mit den Schultern zuckte, sich erhob und das restliche Futter vor die Füße der Ziegen warf. „Lass uns zu den Ponys gehen“, sagte er. „Die sind dahinten. Ich glaube, man darf sie mit Möhren füttern.“ Es war eine der seltenen Situationen, in denen Doflamingo beschloss nicht weiter nachzubohren, obwohl er keine eindeutige Antwort erhalten hatte. Weil sie heute viel erlebt hatte, schlief Nozomi schon auf der Rückfahrt ein. Crocodile betrachtete seine kleine Nichte im Rückspiegel seines Mercedes C 216. Sie war ein hübsches Kind mit langen Wimpern und rosigen Wangen. Glücklicherweise kam Nozomi kaum nach ihrem Vater und sah stattdessen Hancock sehr ähnlich. Zum ersten Mal in seinem Leben fragte Crocodile sich, wie ein leibliches Kind von ihm aussehen würde. Vermutlich dunkelhaarig. Und relativ groß gewachsen. Der Rest hinge wohl stark von der Kindsmutter ab. Und wenn Doflamingo einen Sohn oder eine Tochter hätte? Crocodile stellte sich unweigerlich ein blondes, wild grinsendes Kind vor, dessen Lieblingsworte Ich will! waren. Er verzog den Mund und warf einen unwilligen Blick zu seinem Ehemann herüber. Sie beide könnten niemals ein gemeinsames Kind haben. Es bestand lediglich die Option, dass höchstens einer von ihnen beiden mit dem Kind verwandt war. Oder keiner, wenn sie sich nicht für eine Leihmutterschaft, sondern für die Adoption eines fremden Kindes entschieden. „Worüber denkst du nach?“ Es war Doflamingos neugierige Stimme, die Crocodile aus seinen Gedanken riss. „Ach, nichts weiter“, log er hastig. „Ich war nur etwas gedankenverloren.“ „Konzentrier dich lieber auf's Fahren“, gluckste Doflamingo und streckte im Fußraum seine Beine aus. „Nicht, dass du noch einen Unfall baust, während Nozomi hinten im Auto sitzt.“ Crocodile drehte sich mit einem völlig entsetzten Blick zu seinem Partner um. Doflamingo, dem erst im Nachhinein klar wurde, was er gerade gesagt hatte, lenkte hastig ein: „So ist das nicht gemeint gewesen! Ich... Das sollte bloß ein Scherz sein... Nicht, dass... Tut mir leid. Das habe ich blöd ausgedrückt.“ Crocodile richtete den Blick wieder auf die Fahrbahn. „Mal im Ernst“, sagte er nach kurzem Zögern. „Hältst du mich für einen schlechten Autofahrer?“ Er lenkte das Gespräch ganz bewusst auf dieses empfindliche Thema. Vielleicht halfen ihm Doflamingos Ansichten bei seiner Suche nach Antworten. Wieso hatte sein Ehemann einen Sender an seinen Mercedes geheftet? „Nein, natürlich nicht“, antwortete Doflamingo sofort. „Du fährst gut. Am Anfang hatte ich Bedenken, wenn ich ganz ehrlich bin. Du weißt schon, wegen deiner fehlenden Hand. Aber ich habe schnell gemerkt, dass du sehr sicher und besonnen fährst.“ „Ich habe aber auch mal einen schlimmen Unfall verursacht...“, wandte Crocodile ein. Sein Partner verzog das Gesicht. „Erinnere mich nicht daran“, sagte er mit leiser Stimme. „Mir lief es kalt den Rücken herunter, als ich die Fotos gesehen habe, die deine Versicherung geschickt hat. Aber das hatte nichts damit zu tun, dass du ein schlechter Autofahrer wärst. Dieser Unfall hätte jedem passieren können.“ Sein Mercedes C 216 war in Reparatur gewesen, fiel Crocodile plötzlich ein. Die rechte Fahrzeugtüre musste ausgetauscht werden. Die Kosten hatte Doflamingo übernommen. Hätte er sich, wenn er den Sender zwischenzeitlich ganz vergessen hatte, nicht spätestens zu diesem Anlass daran erinnern müssen? Crocodile konnte sich kaum vorstellen, dass der Sender den Männern in der Werkstatt nicht aufgefallen war. Vielleicht haben sie ihn darauf angesprochen, überlegte er. Kalte Wut schäumte in seinem Magen, als er sich ausmalte, wie sein Ehemann mit gelassener Stimme erwiderte: Das ist in Ordnung so. Der GPS-Sender soll bleiben, wo er ist. Doflamingo hob Nozomi, die tief und fest schlief, behutsam aus ihrem Kindersitz und trug sie nach oben ins Schlafzimmer. Er legte sie in das Gitterbett, welches er eigens für seine Nichte angeschafft hatte, und gab ihr zum Abschluss einen Kuss auf ihr Haar. „Sie ist so ein süßes Kind“, sagte er an Crocodile gewandt. Er nickte, doch sagte nichts weiter dazu. Stattdessen ging er hinüber ins Badezimmer und wusch sich den Ziegensabber von den Fingern. Während das Wasser lief, fragte er sich, ob es sich lohnen würde bei der Werkstatt anzurufen und nachzufragen. Doch er war sich sicher, dass Doflamingo die Leute dort bestochen hatte. Bestimmt hat er sie großzügig bezahlt, damit sie dicht halten, falls ich jemals nach dem Sender frage. Sein Ehemann war der Meinung, dass sich mit Geld so gut wie alles regeln ließe. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Doflamingo, der nach ihm das Bad betrat. „Du verhältst dich irgendwie komisch.“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Ich bin bloß müde“, sagte er lahm. „Es ist erst achtzehn Uhr“, wandte sein Partner mit zweifelnder Stimme ein. „Alles okay. Wirklich.“ „Ist es wegen dem, was ich gesagt habe? Das war...“ „Alles. Okay. Doffy.“ Allmählich verlor Crocodile die Geduld. „Ich glaube, ich lege mich heute etwas früher schlafen. Die Arbeitswoche ist ziemlich anstrengend gewesen.“ Das war nicht einmal gelogen. Foxy, der Hersteller für elektronisches Kinderspielzeug, hatte ihn fast stündlich mit nervenaufreibenden Anrufen gequält. Crocodile fuhr sich mit der Hand durch sein Haar und machte sich daran sein Hemd aufzuknöpfen. Vielleicht täte ihm ein ruhiger Abend wirklich ganz gut. Sein Ehemann schien mit sich zu hadern. Offenbar war er sich nicht sicher, ob er diese Sache auf sich beruhen lassen oder weiter nachbohren sollte. Schließlich trat er noch einmal nah an Nozomis Babybett heran und sagte mit verträumter Stimme: „Sie hat kaum etwas von Luffy, nicht wahr? Ich finde, sie sieht stattdessen dir sehr ähnlich.“ „Ich bin bloß ihr Onkel, nicht ihr Vater“, erwiderte Crocodile matt und schälte sich aus seiner Hose. Nur in Boxershorts bekleidet schlüpfte er ins Bett. „Trotzdem“, hielt Doflamingo dagegen und ließ sich auf der Bettkante nieder. „Ihr habt dieselben Haare. Meinst du, wenn wir beide irgendwann ein Kind haben sollten, dass es auch diese Haare haben wird?“ „Wir beide können gar kein Kind zusammen haben.“ „Wir könnten aber eine Leihmutter suchen, die unser Kind austrägt.“ „Entweder dein Kind oder mein Kind“, hielt Crocodile dagegen. „Unser Kind kann es nicht geben.“ Doch Doflamingo ließ sich nicht beirren. „Man könnte es so machen, dass du mit dem Kind verwandt bist und ich es dann nach der Geburt adoptiere. Dann wäre es unser Kind.“ Verwundert zog Crocodile eine Augenbraue hoch. „Eher anders herum, oder nicht?“ „Du meinst, dass ich das Kind zeuge und du es adoptierst?“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Mir ist die biologische Verwandtschaft nicht so wichtig. Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich lieber ein Kind mit deinen Haaren.“ „Und wenn es die Haarfarbe der Leihmutter bekommt?“ „Dann wäre das auch nicht schlimm“, gluckste Doflamingo. „Von mir aus könnten wir auch ein Kind adoptieren. Also eines, das weder mit dir noch mit mir blutsverwandt ist. Dann könnten wir uns sogar an Baby aussuchen.“ „Was für ein schräge Vorstellung.“ Es war schon zu spät, als Crocodile auffiel, dass er diesen Gedanken laut ausgesprochen hatte. „Ist es dir denn gar nicht wichtig mit deinem Kind verwandt zu sein, Doffy? Du redest oft davon, dass dir deine Familie fehlt.“ „Familie bedeutet nicht unbedingt, dass man miteinander verwandt ist“, meinte sein Ehemann nach kurzem Zögern. „Ein gemeinsamer Nachname reicht mir schon.“ „Machst du dir gar keine Sorgen, dass deine Kinder gehänselt werden könnten?“ „Gehänselt? Weswegen? Weil sie zum Zeitpunkt ihrer Geburt schon reicher sein werden als alle Menschen, die wir kennen? Das kann ich mir kaum vorstellen.“ „Ist sicher nicht immer leicht, die Kinder eines Multimillionärs zu sein“, gab Crocodile zu Bedenken und schlang die Bettdecke noch ein wenig enger um seinen Körper. „Es würde ein hoher Druck auf ihnen lasten.“ Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Ich bin immer gut zurecht gekommen. Und Corazon eigentlich auch.“ „Ist sicher auch nicht so toll, wenn man zwei Väter hat“, fuhr Crocodile fort. „Eine Mutter und ein Vater wären wohl besser.“ Diese Aussage handelte ihm einen ungläubigen Blick seitens seines Partners ein. „Meinst du das ernst?“, wollte er mit entsetzter Stimme wissen. „Du bist der Meinung, dass zwei Männer schlechtere Eltern wären als ein Hetero-Paar?!“ „Naja“, meinte Crocodile und zog die Augenbrauen zusammen. „In gewisser Weise schon. Stell dir mal vor, wir beide bekämen eine Tochter. Ist bestimmt blöd, wenn man das erste Mal seine Periode bekommt und dann keine Mutter hat, zu der man dann hingehen kann.“ „Es gibt auch Familien, in denen die Mutter verstorben ist oder sich getrennt hat“, wendete Doflamingo ein. „Ideal ist das aber wohl nicht“, hielt Crocodile dagegen. „Ich kann mir jedenfalls schon vorstellen, dass es am besten ist, wenn man bei einem Vater und einer Mutter aufwächst. So hat es die Natur schließlich eingerichtet.“ „Deine Eltern sind ein Mann und eine Frau. Sie haben dich wegen deiner Homosexualität verstoßen, als du achtzehn Jahre alt warst und seitdem kein einziges Wort mehr mit dir gewechselt! Nicht einmal, als du nach einem schweren Verkehrsunfall in Lebensgefahr schwebtest, haben sie sich für dich interessiert!“, sagte sein Ehemann mit aufgebrachter Stimme. „Ich würde immer zu meinem Kind stehen, egal was passiert! Und wenn es jemanden umgebracht hätte!“ „Nicht so laut“, sagte Crocodile, weil er nicht wusste, was er sonst erwidern sollte. „Sonst weckst du Nozomi noch auf.“ „Ich verstehe einfach nicht, wie du als schwuler Mann so eine homo-feindliche Ansicht haben kannst“, meinte Doflamingo mit leiser, aber energischer Stimme. „Die Frage, ob man dazu in der Lage ist Kinder großzuziehen, hat doch nichts mit der Sexualität zu tun.“ „Meinst du denn, dass du das Zeug zum Vater hättest?“, wollte Crocodile wissen und warf seinem Ehemann einen zweifelnden Blick zu. „Ich glaube, du würdest dein Kind von vorne bis hinten verziehen. Viele reiche Eltern haben Versager als Kinder, oder nicht? Gören, denen ihr ganzes Leben lang jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird und die nie einen Finger rühren müssen. Am Ende schaffen sie nicht einmal ihr Studium und werden abhängig von irgendwelchen Partydrogen.“ Doflamingo legte den Kopf schief. „Meinst du nicht, dass das eine ziemlich schwarzgemalte Vorstellung ist?“ „Ich habe während meines Studiums sehr oft Leute kennengelernt, die zwar erfolgreiche Eltern hatten, aber selbst kaum etwas auf die Reihe bekamen“, erklärte ihm Crocodile. „Da muss ich nur an Phoenix Marco denken: Sein Vater betreibt eine große Anwaltskanzlei. Aber Marco dachte, er könnte sich auf dem Namen seines Vaters ausruhen und ist ständig nur auf irgendwelchen Parties gewesen, anstatt sich um sein Studium zu kümmern. Er brauchte doppelt so viele Fachsemester wie planmäßig vorgesehen, um abzuschließen.“ Da begann Doflamingo plötzlich zu kichern. Er schlug die Beine übereinander, stützte sein Kinn auf die Hand und gab zu: „Okay, ganz Unrecht hast du vielleicht nicht. Ich habe damals auch die eine oder andere Prüfung verhauen, weil ich am Abend zuvor mit Freunden unterwegs gewesen bin. Aber aus mir ist trotzdem ein erfolgreicher Mensch geworden, oder nicht?“ Crocodile rollte mit den Augen. „Ein erfolgreicher, aber kein einfacher Mensch“, sagte er schließlich, was seinen Ehemann zum Lachen brachte. „Ich weiß, dass ich dazu neige, unsere Nichte zu verziehen. Als du mich letztens zurechtgewiesen hast wegen der vielen Geschenke, hat mich das schon zum Nachdenken gebracht. Aber ich glaube, dass wir beide ein gutes Team wären, Croco. Du wärst streng und konsequent. Und ich wäre der liebe Papa, der alles durchgehen lässt. Zusammen würden wir das Ding schon schaukeln.“ „Kinder sind anstrengend.“ Crocodile schloss für eine Weile die Augen und atmetete den angenehmen Geruch der frisch gewaschenen Bettwäsche ein. „Wir haben das Glück, dass wir Nozomi nur einmal in der Woche bei uns haben. Im Alltag zehrt es dagegen echt an den Nerven, wenn du ständig ein kleines Kind um dich herum hast. Ich glaube, Hancock ist sehr dankbar, dass wir ihr Nozomi hin und wieder abnehmen.“ „Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass du gerne Zeit mit Nozomi verbringst.“ „Das tue ich auch“, erwiderte Crocodile. „Aber wenn wir Nozomi samstags abholen, machen wir ja oft tolle Ausflüge mit ihr. Sie hat dann gute Laune und schläft abends auch schnell ein. Das ist einfach eine ganz andere Situation.“ „Aber man hat ja auch als Elternteil sein Kind nicht rund um die Uhr um sich“, wandte Doflamingo ein. „Die Kinder gehen ja auch in die Schule oder verbringen Zeit bei Freunden.“ „Ja, wenn sie älter sind“, hielt Crocodile dagegen und öffnete langsam wieder die Augen. „Aber ein Kleinkind hat man in der Regel ja schon die meiste Zeit um sich.“ „Naja, es gibt heutzutage auch die Möglichkeit sein Kind recht früh in einer Kindertagesstätte betreuen zu lassen“, meinte Doflamingo. „Oder man stellt ein Kindermädchen ein. Gerade wenn beide Eltern beruflich sehr erfolgreich sind -so wie wir beide-, wird das oft gemacht. Dann muss auch keiner im Beruf so arg zurückstecken.“ Crocodile fixierte Doflamingo. Jetzt kam seine Ehemann also mit dieser Tour. Er konnte es kaum fassen. Wieso versuchte Doflamingo ihm mit allen Mitteln ein Kind anzudrehen? „Wenn man sein Kind gleich nach der Geburt den ganzen Tag fremdbetreuen lässt, kann man das Kinderkriegen doch auch gleich bleiben lassen, oder nicht?“, gab er garstig zurück. „Du widersprichst dir selbst“, erwiderte sein Partner. „Eben meintest du noch, dass es furchtbar anstrengend sei, wenn man den ganzen Tag ein Kind um sich herum hat. Aber von einem Erzieher willst du es auch nicht betreuen lassen.“ „Ich finde einfach, dass es wenig Sinn macht, ein kleines Kind von morgens bis abends fremdbetreuen zu lassen. Was habe ich denn von meinem Kind, wenn ich es täglich bloß eine Stunde vor dem Zubettgehen sehe? Ganz abgesehen davon, dass es sicher auch für ein Kleinkind nicht schön ist, wenn die Eltern den ganzen Tag fort sind. Man kann dann doch gar keine echte Bindung zueinander aufbauen.“ „Es könnte auch einer von uns Zuhause bleiben und sich um das Kind kümmern, bis es alt genug ist, um in den Kindergarten zu gehen. Und dann geht man wieder ganz normal arbeiten.“ „Und mit einer von uns meinst du mich.“ Crocodile hatte keine Lust mehr um den heißen Brei herumzureden. Es ärgerte ihn, dass sein Ehemann ihn wieder einmal mit diesem Thema nervte. Sie beide waren doch seit noch nicht einmal zwei Jahren ein Paar. Sie waren noch lange nicht bereit dazu, Eltern zu werden. „Nun ja...“ Man konnte Doflamingo ganz deutlich ansehen, dass er sich auf den Schlips getreten fühlte. „Ich verdiene deutlich mehr als du. Und im Gegensatz zu dir bin ich nicht angestellt, sondern Geschäftsführer zahlreicher Unternehmen. Es wäre für dich viel leichter ein oder zwei Jahre aus dem Job auszusteigen.“ „Ich könnte mich von meinem Job komplett verabschieden, wenn ich mir eine mehrjährige Auszeit nehme“, hielt Crocodile mit zorniger Stimme dagegen. „Franky müsste sich einen neuen Manager besorgen, der die Tom's Workers-Messe organisiert. Und wenn der Typ gut ist, wird Franky sicher kein Risiko eingehen und ihn zwei oder drei Jahre später wieder gegen mich austauschen. Das könnte ich ihm nicht mal verübeln.“ „Aber du bist ein kompetenter und erfahrener Manager. Du würdest schnell eine andere Arbeit finden.“ Crocodile war nicht naiv genug, um sich von seinem Partner Honig um's Maul schmieren zu lassen. „Ich werde garantiert nicht meinen Job bei Tom's Workers aufgeben, Doffy! Ich fühle mich sehr wohl dort. Die Kollegen sind nett und die Arbeit macht mir Spaß. Außerdem möchte ich nicht von anderen Menschen abhängig sein. Mir ist es wichtig mein eigenes Geld zu verdienen.“ „Was wäre denn so schlimm daran, wenn du von mir abhängig wärst?“ Allmählich schien Doflamingo die Geduld zu verlieren. „Wir sind immerhin verheiratet. Ich bin dein Ehemann! Vertraust du mir nicht?“ „Darum geht es nicht“, lenkte Crocodile sofort ein. „Ich... Es ist nur... Ich habe keine guten Erfahrungen damit gemacht, von einem anderen Menschen abhängig zu sein. Als ich wegen meines Motorradunfalls bei Mihawk gewohnt und auf seine Kosten gelebt habe, kam ich mir vor wie unnötiger Ballast. Das war eine echt harte Zeit für mich. Heißt aber nicht, dass ich meinem Bruder nicht vertraue! Und später... Enel hat mich auch dazu gedrängt meine Arbeit aufzugeben und Zuhause zu bleiben... Wie diese Sache ausging, weißt du ja. Mir ist es wichtig für mich selbst sorgen zu können, Doffy. Kannst du das nicht verstehen?“ „Schon...“ Doflamingo fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Auf seiner Stirn waren zwei Sorgenfalten zu sehen. „Mir ist klar, wie du das meinst.“ Er hielt kurz inne, ehe er interessiert nachfragte: „Wollte Enel auch Kinder mit dir haben?“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Er war nicht sonderlich kinderfreundlich. Und noch dazu extrem eifersüchtig. Er konnte es nicht ertragen, wenn meine Aufmerksamkeit nicht zu einhundert Prozent nur bei ihm lag. Ich glaube, er hätte es nicht ausstehen können, wenn in unserem Haushalt ein Kind gelebt hätte. Du bist generell der erste Partner, der gerne Kinder mit mir haben möchte. Für meine früheren Freunde ist das nie ein ernstes Gesprächsthema gewesen.“ „Damals bist du auch jünger gewesen“, merkte sein Ehemann an. „Vor fünf Jahren hätte ich es mir auch noch nicht vorstellen können eine Familie zu gründen.“ „Und warum möchtest du dann jetzt auf einmal unbedingt Kinder haben?“ „Weil ich endlich den richtigen Partner gefunden habe“, antwortete Doflamingo sofort. „Die Männer und Frauen, mit denen ich vorher zusammen war, hätten alle wahrscheinlich nur zu gern ein Kind mit mir gehabt. Aber bloß, weil goldene Berryzeichen in ihren Augen leuchteten beim Gedanken an Unterhaltszahlungen im sechs- oder siebenstelligen Bereich. Mit so einer Person hätte ich nie ein Kind gewollt. Aber bei dir habe ich ein gutes Gefühl, Crocodile. Du bist nicht hinter meinem Geld her. Und ich denke, dass du ein wunderbarer Vater wärst. Ich sehe doch, wie liebevoll du mit Nozomi umgehst. Und wenn wir beide ein Kind hätten, dann würde aus ihm sicher auch kein verzogener Taugenichts werden.“ Crocodile senkte den Blick. Er gab es nur ungern zu, doch die Worte seines Partners rührten ihn. Trotzdem konnte er es sich nicht vorstellen seine Arbeit bei Tom's Workers einfach aufzugeben. „Vielleicht könnten wir eine Kompromisslösung finden“, fuhr sein Ehemann fort. Aufgeregt leckte er sich über die Unterlippe. „Wir beide könnten unsere Arbeitsstunden reduzieren. Dann müsste unser Kind nicht bis nachmittags betreut werden. Wäre das in Ordnung für dich? Ich meine, in einer Kindertagesstätte ist ein Kind ja grundsätzlich auch nicht schlecht aufgehoben. Dort kann es mit anderen spielen und wird von den Erziehern gefördert. Das ist doch gut, oder nicht? Wir könnten uns wochenweise abwechseln, wenn...“ „Stopp! Stopp, Stopp!“, unterbrach Crocodile seinen Partner. „Bleib bitte auf dem Teppich, Doflamingo. Warum musst du bei manchen Dingen so überstürzen? Du bist gerade erst Anfang dreißig. Dir rennt doch die Zeit nicht davon!“ „Weiß ich doch“, sagte Doflamingo, aber Crocodile fand, dass er nicht ganz überzeugt wirkte. „Ich möchte nur gern wissen, ob es grundsätzlich für dich infrage käme. Mir ist dieses Thema sehr wichtig. Ich hätte wirklich gerne irgendwann eine eigene Familie.“ „Vielleicht in ein paar Jahren“, antwortete Crocodile. Er musste an den GPS-Sender denken. „Wenn die Umstände stimmen.“ Er schwieg für einen kurzen Moment. „Aber wir haben ja im Moment Nozomi. Sie gehört doch auch zur Familie, oder nicht?“ „Natürlich“, sagte Doflamingo und wirkte beschwichtigt. Er warf einen Blick hinüber zum Gitterbett, in dem ihre Nichte friedlich schlief, und lächelte. ~ In der darauf folgenden Woche trafen sie sich mit Hancock, Mihawk und einigen Freunden in einem Restaurant. Doflamingo, der das gemeinsame Essen vorgeschlagen hatte, hatte einen Tisch im Flying Lamb reserviert. Es war das selbe Restaurant, in dem er damals Crocodile gefragt hatte, ob er nicht bei ihm einziehen wollte. Er erinnerte sich noch sehr genau an diesen Abend. Sein Freund hatte nicht einfach bloß den besten Tisch, sondern gleich das gesamte Restaurant gemietet. Diese Situation war äußerst unangenehm gewesen; das hatte Crocodile noch sehr deutlich in Erinnerung. Er kam sich neben seinem reichen Partner vor wie ein ungehobelter Bauer. Zum Glück hatte Doflamingo inzwischen dazu gelernt. Dieses Mal hatte er lediglich einen Tisch in einem abgesperrten Separee reserviert. So hatten sie ihre Ruhe, ohne dass die Anderen sich blöd vorkamen. Ein seltsames Gefühl breitete sich in Crocodiles Bauch aus, als er bemerkte, dass sie vom selben Kellner wie vor einem Jahr bedient wurden. Der junge, blonde Mann mit der kunstvoll geformten Augenbraue war aufmerksam genug, um einen Kinderstuhl zu besorgen, als sein Blick auf Nozomi fiel. Seine kleine Nichte saß vor Kopf. Auf der rechten Seite saßen Hancock und Mihawk; auf der linken Seite Doflamingo und er (sein Ehemann hatte sich ganz bewusst gleich neben Nozomi gesetzt). Links neben Crocodile hatten sich Shanks und Ben niedergelassen; ihnen gegenüber saßen Ran und Sondersonia, zwei sehr gute Freundinnen von Hancock. Es herrschte eine ziemlich ausgelassene Stimmung. Nozomi, die ihre ersten Sprechversuche unternahm, unterhielt die Erwachsenen mit ihrem fröhlichen Gebrabbel. Man sprach über dieses und jenes. Mihawk lobte seinen Schüler Zoro in höchsten Tönen. Sondersonia erzählte von einem Kinofilm, den sie sich vor kurzem gemeinsam mit ihrer Schwester Marigold angesehen hatte. Doflamingo erwiderte Nozomis Gebrabbel in Babysprache und gab ihr den Keks, den er zu seinem Kaffeegetränk bekommen hatte. Als Hancock den Kellner um ein Zitronentuch bat, fiel Crocodiles Blick auf den attraktiven Mann mit den glatten, blonden Haaren und dem Dreitagebart. Er schien nicht gerade einen Hehl daraus zu machen, dass Hancock ihm gefiel, und holte in Windeseile die Zitronentücher. „Sieht so aus als hättest du einen neuen Verehrer“, kommentierte Shanks das Schauspiel und lachte schelmisch. Hancock rollte mit den Augen und winkte ab. „Nicht mein Typ“, sagte sie mit platter Stimme. „Ich finde dunkelhaarige Männer besser.“ „Ach, stimmt ja“, erwiderte Shanks und wandte sich breit grinsend zu Crocodile um. „Du bist derjenige in der Familie, der auf Blond steht, nicht wahr?“ Entrüstet ließ Angesprochener von seiner Bruschetta ab. „Das kann man so allgemein nicht sagen“, verteidigte sich Crocodile sofort. Shanks aufmerksamer Blick wanderte zu Doflamingo hinüber, der ihrem Gespräch gefolgt war. Wie fast immer lag ein freches Grinsen auf seinen Lippen. „Nur weil ich einen blonden Mann geheiratet habe, heißt das nicht automatisch, dass ich nur auf blonde Männer stehe!“ „Hat nicht letztens erst Moria dieses Thema aufgegriffen“, schaltete sich auf einmal Mihawk ein. „Er meinte, du würdest nur auf große und blonde Männer stehen.“ „Und seit wann ist Gecko Moria eine zuverlässige Quelle?“, gab Crocodile zurück und verzog den Mund. Ihm war diese Diskussion ziemlich unangenehm. Es fiel ihm schwer offen über sexuelle Präferenzen zu sprechen. „Nun ja, gelogen hat er jedenfalls nicht“, meinte Hancock. „Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass du jemals einen Typen getroffen hättest, der dunkle Haare hat.“ Crocodile durchforstete sein Gedächtnis, doch musste zu seinem Unmut feststellen, dass seine Schwester mit dieser Aussage nicht Unrecht hatte. Ihm selbst fiel auf Anhieb auch kein dunkelhaariger Mann ein, mit dem er sich verabredet hatte. Oder... „Es gab da mal einen names Gin“, meinte Crocodile mit nachdenklicher Stimme. „Der hatte braune Haare.“ Eigentlich zählte der gar nicht wirklich, weil sie sich bloß ein einziges Mal getroffen hatten, doch Crocodile wollte seinen Geschwistern eins auswischen. „Gin“, wiederholte Mihawk und legte die Stirn in Falten. „Kann mich nicht erinnern, dass du jemals einen Gin erwähnt hättest.“ „Bestimmt denkst du dir das bloß aus“, warf Hancock ihm sogar lachend vor. „Ich denke mir das nicht aus“, gab Crocodile spitz zurück. „Er hing früher immer mit Don Creek rum, weißt du nicht mehr?“ „Das lasse ich nicht gelten“, schaltete sich nun wieder Mihawk ein. „Der trug doch immer so ein breites Stirnband. Seine Haare hat man kaum gesehen.“ „Absalom, Marco, Sabo, Basil, Enel, Smoker, Doflamingo“, zählte Shanks an der Hand ab. „Alle haben helle Haare.“ „Ich... So viele waren das gar nicht, mit denen ich zusammen gewesen bin“, verteidigte sich Crocodile. „Mit Basil war ich nie wirklich in einer Beziehung. Das war nur... eine Bekanntschaft.“ „Bekanntschaft“, wiederholte Shanks immer noch neckisch grinsend. „Mein erster fester Freund ist Absalom gewesen“, erklärte Crocodile. „Im Studium habe ich Marco kennengelernt. Und danach war ich mit Sabo zusammen. Aber das hielt nicht lange. Drei Monate oder so.“ „Der war aber auch wirklich schräg“, lenkte Hancock ein. „Warum war er schräg?“, wollte Doflamingo wissen, der bisher nur interessiert zugehört hatte. Es überraschte Crocodile, dass sein eifersüchtiger Ehemann dieses Gespräch nicht rasch abwürgte, sondern sogar mit einstieg. „Er hatte total viele seltsame Angewohnheiten“, meinte Hancock und verzog das Gesicht. „Und er war ein furchtbarer Geizhals.“ „Ein Geizhals?“ „Wenn sich selbst Crocodile darüber beschwert, dass jemand zu vieles aufrechnet und mal etwas großzügiger sein könnte, dann weiß man, dass der Typ wirklich richtig schlimm geizig sein muss“, ließ Mihawk verlauten. „Was hat er denn getan?“, hakte Doflamingo neugierig nach. Crocodile zuckte ausweichend mit den Schultern. Ihm war dieses Thema etwas unangenehm. Warum mussten seine Geschwister auch in Anwesenheit seines Partners von seinen Exfreunden sprechen? Das war ziemlich unangebracht. „Naja, zum Beispiel wollte absolut alles ganz strikt getrennt bezahlen“, erklärte er schließlich. „Ich habe ihn mal bei einem Wocheneinkauf begleitet. Und als ich eine Packung Cracker, die nicht mal zwei Berry kostet, auf das Kassenband gelegt habe, hat er einen Warentrenner dazwischen getan. Das war schon echt seltsam.“ „Ernsthaft?“ Doflamingo brach in lautes Gelächter aus. „Hat dich das nicht gestört?“ Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein Mensch, der sich ungern einladen lässt oder Geschenke annimmt. Von daher hatte ich eigentlich nichts dagegen, getrennt zu bezahlen. Nur manchmal kam es mir komisch vor. Sabo war selbst bei absoluten Kleinigkeiten unfassbar geizig.“ „Erinnerst du dich noch daran, wie wir mal zu dritt in eine Diskothek gegangen sind?“, sagte Hancock und beugte sich ein klein wenig über den Tisch. „Ich weiß noch genau, dass er unbedingt vor zweiundzwanzig Uhr da sein wollte, weil bis dahin der Eintritt frei gewesen ist. Stundenlang waren wir praktisch die einzigen Gäste dort und haben uns furchtbar gelangweilt.“ Crocodile seufzte leise auf. Tatsächlich hatte er besagten Abend noch recht gut in Erinnerung. Ihm fiel außerdem noch eine andere Anekdote ein: „Einmal bat er mich darum für ihn eine Tasche zu kaufen. Die gab es nur im Ausverkauf in einem speziellen Laden am anderen Ende der Stadt. Ich bin mit dem Motorrad hingefahren und hab für neunundvierzig Berry diese blöde Tasche gekauft. Als ich sie ihm gab, fragte er mich, ob ich ihm einen Berry geben könnte. Dann könnte er mir ja nämlich glatt einen Fünzig-Berry-Schein zurückgeben.“ Die Geschichte sorgte für allgemeines Gelächter am Tisch. „Es wundert mich wirklich nicht, dass du es nicht lange mit diesem Typen ausgehalten hast“, meinte Doflamingo lachend. „Im Nachhinein kann ich gar nicht mehr genau sagen, was ich an Sabo gefunden habe“, gestand Crocodile und senkte den Blick. „Er ist ein wirklich komischer Typ gewesen.“ „Aber er war nun mal blond“, stichelte Shanks und stupste ihn mit dem Ellenbogen an. Crocodile gab sich schließlich geschlagen. „Ja und?“, erwiderte er, ohne den Blick mit Shanks zu kreuzen. „Dann habe ich halt eben gewisse Präferenzen. Was ist daran schlimm? Fast jeder hat bei der Partnerwahl einen bestimmten Typen.“ „Da hast du wohl Recht“, stimmte Doflamingo ihm zu. „Ich stehe zum Beispiel total auf lange Haare. Wenn eine Frau oder ein Mann raspelkurze Haare hat, ist man bei mir sofort unten durch.“ „Ich mag Männer, die eine Brille tragen“, schaltete sich Sondersonia ein. „Damit wirken sie irgendwie ruhig und gemütlich, finde ich. Nicht so prollig wie viele andere Männer.“ „Und ich“, meinte Shanks strahlend, „stehe auf Frauen mit großer Oberweite. Und Sinn für Humor!“ „Wenn Crocodile sich die Haare abschneiden würde“, fragte Mihawk mit ruhiger, interessierter Stimme, „würde er dir dann nicht mehr gefallen?“ Doflamingo zögerte. Crocodile, der diese Frage für ziemlich fies hielt, warf seinem älteren Bruder einen bösen Blick zu. Er fand es nicht fair, seinen Ehemann in eine solche Zwickmühle zu bringen. Und das auch noch vor ihren Freunden. „Ich liebe Crocodiles Haare“, meinte Doflamingo schließlich. „Und ich wäre alles andere als begeistert, wenn er auf einmal auf die Idee käme, sie sich raspelkurz schneiden zu lassen. Natürlich würde ich mich deswegen nicht von ihm trennen; unsere Beziehung basiert schließlich nicht bloß auf Äußerlichkeiten. Aber ich fände es sehr schade. Er hat so schönes Haar.“ Crocodile bemühte sich darum sich seine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. An Doflamingos Antwort hatte er nichts auszusetzen; er empfand dessen Einstellung als völlig legitim. Doch es war ihm immer ein wenig unangenehm, wenn sein Partner ihm in Anwesenheit von anderen Menschen Komplimente machte. Doch Mihawk legte den Kopf schief. „Und wenn er kurzes Haar gehabt hätte, als ihr euch kennengelernt habt... Hättest du dich trotzdem in ihn verliebt?“ Crocodile wollte seinen Bruder gerade entrüstet zurechtweisen, als sein Ehemann sagte: „Ja, definitiv. Ich habe mich doch in Crocodile verliebt, nicht bloß in seine Frisur. Mir hat sofort alles an ihm gefallen. Ich weiß noch, wie umwerfend ich ihn fand, als ich wir uns das erste Mal sahen. Sein Blick, seine blasse Haut und sein Geruch... Eigentlich entsprechen kurzhaarige Männer nicht meinem Geschmack. Aber als ich Crocodile kennenlernte, ging es um viel mehr als bloße Äußerlichkeiten. Es war die wahre Liebe. Und die lässt sich natürlich nicht durch einen schlechten Haarschnitt oder ein unpassendes Outfit beirren. Nichtsdestotrotz“, fügte er lustig grinsend an, „bin ich froh, dass er bisher noch nicht auf die Idee gekommen ist, sich eine Glatze zu rasieren.“ „Ich denke, das wird auch nicht passieren“, meinte Hancock, die ganz gerührt von Doflamingos offensichtlichen Liebesbekundungen war. „Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass Crocodile jemals kurze Haare gehabt hätte. Schon als Kind trug er sie allermindestens kinlang.“ „Können wir bitte das Thema wechseln“, bat Crocodile, den dieses Gespräch allmählich zu nerven begann. Es mochte wohl niemand, wenn andere Leute sich über seinen Haarschnitt ausließen. Doch Doflamingo grinste bloß. Natürlich interessiere es ihn nicht im Mindesten, dass seinem Ehemann diese Situation unangenehm war. Ganz im Gegenteil: Eher amüsierte er sich noch über seine Verlegenheit. ~ Mit einem leidenden Gesichtsausdruck betrachtete Crocodile den kleinen, schwarzen Sender, der in seiner Handinnenfläche lag. Er war so leicht, dass er sein Gewicht kaum spürte. Wie war es möglich, dass ein so unscheinbares Ding ihm so viel Kummer bereitete? Crocodile hielt sich auf seinem Balkon auf, der gleich an sein Lesezimmer grenzte. Das Wetter war sehr angenehm. Die Sonne schien, aber es war nicht schwül. Er saß in einem bequemen Sessel. Ein paar Vögel zwitscherten. Doch er fand keine Ruhe. Immer wieder kreisten seine Gedanken um den GPS-Sender. Ungemütlich saß er im Schneidersitz und betastete das kleine, schwarze Kästchen. Doflamingo hatte ihn dazu gedrängt, bei ihm Zuhause einzuziehen. Er hatte ihm nach noch nicht einmal einem Jahr Beziehung einen Heiratsantrag gemacht und darauf bestanden, dass die Hochzeit bald vollzogen wurde. Jetzt sprach er von Kindern. Obwohl er mir so wenig vertraut, dass er mein Auto per GPS überwachen lässt, sagte eine bitter klingende Stimme in Crocodiles Kopf. Er wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen, als er hörte, wie sich die gläserne Balkontüre öffnete. Plötzlich stand Doflamingo gleich neben ihm. In den Händen hielt er eine Flasche Wein und zwei Gläser. „Ich dachte, du könntest vielleicht ein Glas vertragen“, sagte sein Ehemann mit unbekümmerter Stimme und ließ sich ungebeten auf dem Sessel gegenüber von Crocodile nieder. Den Wein und die Gläser stellte er auf das kleine Tischlein zwischen ihnen ab. Ohne Crocodiles Reaktion abzuwarten, schenkte er in beide Gläser ein. „Du wirkst in letzter Zeit so angespannt.“ Doflamingo hielt einen kurzen Moment inne, griff nach einem der Weingläser, nippte daran und fragte anschließend: „Was hälst du da in der Hand?“ „Den GPS-Sender, den du an der Unterseite meines Mercedes angebracht hast“, antwortete Crocodile ohne nachzudenken. Das Weinglas in Doflamingos Hand zerplatzte mit einem lauten Knall. Die Augen seines Partners wurden durch die dunkel getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt, doch Crocodile benötigte nicht viel Fantasie, um sich seinen völlig entsetzten Blick vorzustellen. Doflamingo verschlug es nicht oft die Sprache, doch jetzt gerade brachte er kein einziges Wort hevor. Auch seine wegen der Glassplitter blutende Hand und sein durchnässtes Hosenbein schien er gar nicht zu registrieren. Mit einer Gelassenheit, die ihn selbst überraschte, legte Crocodile den Sender auf den Tisch neben die Weinflasche und blickte seinem Ehemann ins Gesicht. „Ich weiß, dass du diesen Sender schon kurze Zeit nach Beginn unserer Beziehung hast anbringen lassen. Was hast du dazu zu sagen?“ Doflamingo fing sich relativ schnell wieder. Er zog sich die beiden größten Splitter selbst aus der Hand, atmete ein paar Mal tief ein und aus, ehe er meinte: „Vertrauen entsteht erst mit der Zeit. Ich war von der ersten Sekunden in dich verliebt, Crocodile, aber natürlich kannte ich dich noch nicht gut genug, um dich richtig einschätzen zu können. In meinem Leben bin ich schon oft belogen und betrogen worden. Also hielt ich es für eine gute Idee diesen Sender anzubringen, um zu überprüfen, ob ich dir vertrauen kann oder nicht.“ „Du hast geglaubt, ich würde meine Nächte bei anderen Männern verbringen?“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Ehemann da sagte. Hatte er wirklich eine solch geringe Meinung von ihm? Hielt er ihn für einen Lügner und Fremdgänger? „Zu Beginn unserer Beziehung wolltest du nicht viel Zeit mit mir verbringen“, warf Doflamingo ihm vor. „Wir haben uns bloß zwei- oder dreimal in der Woche getroffen. Du hattest keine Lust darauf mich öfter zu sehen. Da habe ich angefangen, mir Gedanken zu machen“ „Damals haben wir auch noch nicht zusammen gelebt“, verteidigte sich Crocodile entrüstet. „Meine Wohnung lag fast ein Autostunde entfernt.“ „Es gibt viele Menschen, die einer Beziehung heutzutage keinen großen Stellenwert einräumen“, meinte Doflamingo. Er schien den Schock gut verdaut zu haben und klang sehr gefasst. Offenbar fühlte er sich völlig im Recht. „Ich hatte Angst, dass ich dir vielleicht nicht wichtig genug bin. Viele Leute treffen sich mit Liebhabern und haben Affären. Crocodile, du hast mir von Anfang an so am Herzen gelegen... Ich wollte einfach nur Gewissheit haben, dass da nichts ist!“ „Warum sollte ich mich mit einem Anderen treffen?“ Crocodile erschrak selbst darüber, wie verletzt seine Stimme klang. Es kam ihm so vor, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Insgeheim hatte er an die Vermutungen von Daz geglaubt. Dass Doflamingo den Sender angebracht hatte, weil er sich um ihn sorgte. Sicherlich hatte ein einflussreicher und reicher Geschäftsmann wie Donquixote Doflamingo viele Feinde. Die Vorstellung, dass sein Ehemann nicht chronisch eifersüchtig, sondern lediglich fürsorglich war, hatte ihn getröstet. Doch die Wahrheit war für Crocodile wie ein Schlag ins Gesicht. Es war Doflamingo nie um seine Sicherheit gegangen. Er befürchtete einfach bloß, dass er mit einem anderen Mann ins Bett stieg. Wie konnte Doflamingo es wagen, so von ihm zu denken? Noch nie in seinem Leben hatte Crocodile einen seiner Partner betrogen. Nicht einmal Enel. „Wenn wir beide einen Tag nicht zusammen waren, konnte ich nur an dich denken“, sagte sein Partner. „Es ist für mich völlig unbegreiflich gewesen, wieso du deine Freizeit nicht mit mir verbringen wolltest. Manchmal saß ich abends Zuhause und habe mich richtig elendig gefühlt, weil du nicht bei mir warst. Ich habe immer daran gedacht, wie gut du riechst und wie schön es sich anfühlt, wenn wir beide miteinander schlafen. Ich hatte Angst, dass du mich nicht wirklich liebst und bloß die Beziehung mit mir eingegangen bist, weil ich dich so sehr gedrängt habe. Und wenn ich dich angerufen habe und du mir gesagt hast, dass du heute keine Zeit hast, um dich mit mir zu treffen, konnte ich nicht verhindern, dass...“ Doflamingo wurde von der scheppernden Ohrfeige, die Crocodile ihm wutentbrannt verpasste, unterbrochen. Er hatte mit einer solchen Wucht zugeschlagen, dass er seinem Ehemann die lächerlich aussehende Sonnenbrille vom Gesicht gerissen hat. Ihre Blicke kreuzten sich. Wut pulsierte durch Crocodiles Körper; er konnte sie bis in seine Fingerspitzen fühlen. Es waren heiße Wellen, die immer stärker wurden. Völlig außer sich vor Zorn fixierte er das Gesicht seines Partners. Doflamingos Wange zierte ein dunkelroter Handabdruck. „Du verdammtes Arschloch!“, brüllte Crocodile und erhob sich vom Tisch, über den er sich eben gebeugt hatte. „Wie kannst du es wagen, so von mir zu denken! Nur weil du es nicht schaffst deinen Schwanz länger als drei Tage in deiner Hose zu behalten, heißt das nicht, dass das auch für mich gilt! Du bist derjenige von uns, der ständig seine Expartner betrogen hat. Du bist derjenige, der seine beste Freundin gefickt und mir davon kein Wort erzählt hat! Nicht ich! Noch nie...“ Er musste nach Luft schnappen, weil er so laut schrie und vor Wut zitterte. „Noch nie in meinem ganzen Leben hat mich jemand dermaßen beleidigt! Nicht einmal Enel hat jemals so etwas zu mir gesagt! Du bist ein Widerling, Doflamingo! Und nur weil du selbst immer der schlechteste Freund warst, den man sich vorstellen kann, glaubst du, dass ich genauso wäre. Das ist das Allerletzte!“ „Wani...“ Doflamingos bemühte sich darum leise zu sprechen. Er machte mit den Händen eine beschwichtigende Geste. Obwohl er gerade eben von seinem Ehemann ins Gesicht geschlagen wurde, schien er sich darum zu bemühen, nicht die Fassung zu verlieren. Offenbar wollte er verhindern, dass die Situation noch weiter eskalierte. „Diese Gedanken hatte ich zu Beginn unserer Beziehung. Doch irgendwann ist mir klar geworden, dass du anders bist. Anders als... als ich; in diesem Punkt hast du vielleicht nicht Unrecht. Ich habe begriffen, dass dein Libido schwächer ist als meins. Dir ist Sex nicht so wichtig wie mir. Deshalb habe ich nach fünf oder sechs Monaten aufgehört in den Verlauf des GPS-Senders zu schauen und....“ „So ist das also!“, zischte Crocodile. „Du hast gemerkt, dass ich im Gegensatz zu dir keinen Kreislaufkollaps bekomme, wenn ich nicht täglich ejakuliere! Und aus diesem Grund bist du zu dem Schluss gekommen, dass ich doch nicht mit fremden Männern ins Bett steige, sondern manchmal vielleicht einfach keinen Bock auf dich habe. Diese Erkenntnis hat ja auch bloß ein halbes Jahr gedauert, in dem ich permanent von dir überwacht wurde ohne es zu wissen! Dann wüsste ich gerne: Wenn dem so ist, wieso hast du den Sender nicht irgendwann wieder abgenommen? Warum fahre ich noch weitere eineinhalb Jahre mit einem verdammten GPS-Sender an meinem Auto herum? Offenbar bist du immer noch der Meinung, ich würde dich jederzeit betrügen!“ „Ich... Um ehrlich zu sein... Ich habe da nicht mehr so richtig dran gedacht“, sagte Doflamingo und warf ihm einen bitteren Blick zu. „Erst als ich von diesem Autounfall erfahren habe, in dem du verwickelt gewesen warst, fiel mir das mit dem Sender wieder ein.“ Plötzlich fiel es Crocodile wie Schuppen von den Augen. „Deshalb wolltest du dich damals um die Forderungen der Versicherung kümmern“, sagte Crocodile mit giftiger Stimme. Er fühlte sich verraten. „Darum hast du die 120.000 Berry bezahlt! Du wolltest diese Sache übernehmen, damit ich bloß nichts von dem GPS-Sender erfahre! Wie viel hast du der Werkstatt unter der Hand zusätzlich bezahlt, damit sie stillschweigen?!“ „Ich hätte das Geld auch bezahlt, wenn es den Sender nie gegeben hätte“, meinte Doflamingo und schluckte. Er versuchte nicht einmal zu leugnen, dass er Schmiergeld bezahlt hatte. „Trotz allem hast du den Sender nicht entfernen lassen“, zischte Crocodile und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Mit jedem neuen Detail, das er erfuhr, wurde er wütender. „Inzwischen wohnen wir zusammen und haben geheiratet und du überwachst mich immer noch mit einem beschissenen GPS-Sender!“ „Nein, das tue ich nicht!“ Nun erhob auch Doflamingo die Stimme. Er stand von seinem Sessel auf und warf Crocodile einen zornigen Blick zu. „Wenn ich dich immer noch überwachen würde, hätte ich doch wohl längst gewusst, dass der Sender nicht mehr an deinem Mercedes befestigt ist. Und ich hätte auch schon längst gewusst, dass du seit vielen Monaten nicht mehr bei der Bank, sondern bei Tom's Workers arbeitest. Ist dir das mal in den Sinn gekommen, verdammt noch mal?! Du bist wirklich nicht in der Position, um mir Geheimniskrämerei vorzuwerfen, Crocodile! Immerhin ist dir gekündigt worden und du hast dich um über eine halbe Millionen Berry verschuldet, ohne mir auch nur ein Wörtchen davon zu erzählen! Du hast mir nicht vertraut und mich belogen, Crocodile, also halte dich gefälligst zurück mit deinen Anschuldigungen!“ Das saß. Crocodile wandte den Blick ab und fuhr sich mit der rechten Hand über seine Augen, die sich heiß und schwer anfühlten. Er zitterte am ganzen Körper. „Ich habe mich dir anvertraut“, sagte Crocodile im Flüsterton. Er fühlte sich so schwach, dass er nicht lauter sprechen konnte. „Als mir gekündigt wurde, habe ich dir nichts erzählt, weil ich damals nicht so viel Vertrauen zu dir hatte wie ich es jetzt habe. Du hast Recht, wenn du sagst, dass Vertrauen erst mit der Zeit wächst. Doch irgendwann habe ich mir ein Herz gefasst und dir meine Lügen gebeichtet. Das hätte ich nicht tun müssen. Meine Schulden waren fast beglichen und meinen Jobwechsel hätte ich dir glaubhaft erklären können. Aber ich habe mich hundeelend dabei gefühlt. Ich wollte dich nicht länger anlügen. Ich war der Ansicht, dass du es verdient hättest, von mir mit Anstand behandelt zu werden und die Wahrheit zu erfahren. Ich habe meinen Fehler bereut und dir alles erzählt. Nur um jetzt zu herauszufinden, dass das Vertrauen nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Wir haben beide Fehler gemacht, Doflamingo. Aber du hast es nie für nötig gehalten, deine Fehler einzusehen und mit mir zu sprechen.“ Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Ich weiß nicht, ob ich dir je wieder vertrauen kann, Doffy. Ob ich mit einem Menschen zusammen sein kann, der so geringschätzig von seinem eigenen Ehemann denkt.“ Doflamingo hob den Kopf. In seinen grünen Augen spiegelte sich die pure Verzweiflung. „Crocodile...“, flüsterte er und kam ein wenig näher. Crocodile wich dieselbe Anzahl Schritte zurück, bis er die gläserne Balkontüre in seinem Rücken spürte. Das fröhliche Gezwitscher der Vögel kam ihm plötzlich sehr weit weg vor. „Was soll das bedeuten, Crocodile? Bitte sag mir nicht... Sag mir nicht, dass es heißt... Bitte sag das nicht, Crocodile! Ich... Ich flehe dich an....! Bitte... Nein, tu mir das nicht an. Das... das darfst du mir nicht antun, Crocodile!“ Noch nie zuvor hatte Crocodile Doflamingo betteln hören. Er gab ein absolutes Bild des Elends ab. Aber Crocodile war so verletzt und wütend, dass er dem keine Beachtung schenkte. „Ich werde Hancock fragen, ob ich eine Weile bei ihr bleiben darf. Sie kann etwas Unterstützung sicher gut gebrauchen. Ich muss ein wenig nachdenken. Mir mal über einige Dinge klar werden.“ Mit diesen Worten öffnete er die Türe und stürzte in sein Lesezimmer. Draußen ließ er seinen am Boden zerstörten Ehemann zurück. bye sb Kapitel 32: Kapitel 17 ---------------------- Crocodile fühlte sich wie betäubt. Es war, als würde er die Welt um sich herum durch einen dicken, grauen Schleier wahrnehmen. Das Weinen seiner kleinen Nichte kam ihm sehr weit weg vor, obwohl sie bloß wenige Schritte von ihm entfernt in ihrem Laufstall saß. Schwerfällig erhob Crocodile sich vom Sofa. Nozomi trug ein pinkes Shirt, das vorne mit einem lachenden Smiley bestickt worden war. Die Erinnerung daran, wie er gemeinsam mit Doflamingo dieses winzige Shirt zu einem horrenden Preis gekauft hatte, hinterließ ein stechendes Gefühl in seiner Brust. Das kleine Mädchen richtete sich mühevoll in seinem Laufstall auf und streckte beide Arme nach ihm aus, als es sein Gesicht erkannte. Leise seufzend hob Crocodile Nozomi hoch. Sie fühlte sich schwer an. Vage erinnerte er sich daran, dass Hancock irgendetwas von neun Kilogramm erwähnt hatte; doch dieses Gespräch schien Ewigkeiten zurückzuliegen, obwohl es nicht länger als eine Woche her sein konnte. Mit Nozomi im Arm ging Crocodile im Wohnzimmer auf und ab. Als sie sich nicht beruhigen ließ, kam er auf die Idee, einen Blick auf die Uhr zu werfen. Es war ein Uhr nachmittags. Ihm fiel ein, dass Hancock gesagt hatte, Nozomi würde zu dieser Zeit immer ihren Brei bekommen. Seine Schwester hatte die Hilfe, die er ihr angeboten hatte, dankend angenommen und ihn für ein paar Stunden mit ihrer Tochter alleingelassen. Sie nutzte die Gelegenheit, um in ihrem Nagelstudio nach dem Rechten zu sehen. Es dauerte nicht mehr lange bis zum ersten Geburtstag seiner Nichte; dann wollte Hancock gerne wieder in ihren Beruf zurückkehren. Hatte sie nicht erzählt gehabt, dass sie auf der Suche nach einer netten Kinderkrippe war? Crocodile erinnerte sich nicht mehr so ganz an das Gespräch, das er mit seiner Schwester geführt hatte. ~ Auf der Arbeit konnte er ein wenig klarer denken. In seinem Büro fühlte er sich deutlich wohler als in Hancocks Haus. Der Geruch von Papier frisch aus dem Drucker und staubigen Aktenordnern half ihm dabei, bei sich zu bleiben. Trotzdem machte er immer öfter Fehler. Er vergaß sogar wichtige Telefontermine mit einigen Kunden. Foxxy, der Hersteller von elektronischem Kinderspielzeug, war so erbost darüber, dass er bei seinem Chef Franky anrief, um sich über ihn zu beschweren. Zum Glück war der zu diesem Zeitpunkt gar nicht da gewesen. Stattdessen hatte Kiwi den Anruf entgegengenommen. Doch obwohl Crocodile sich sicher war, dass sie Franky nichts davon erzählt hatte, fühlte er sich hundeelend. Er unterschrieb gerade ein paar wichtige Dokumente (es tat weh, den Namen Donquixote Crocodile auf die Papiere setzen zu müssen), als Kiwi und Mozz in sein Büro kamen und die Türe leise hinter sich schlossen. Mozz hielt in ihren Händen ein Tablett, auf dem zwei Tassen Kaffee und ein Glas stilles Mineralwasser standen. Crocodile, der ahnte, worauf die beiden Sekretärinnen hinauswollten, bedeckte seine Augen mit der rechten Hand. Er fühlte sich schwach und ausgebrannt und war in keinster Weise bereit zu einem solchen Gespräch. „Wir wollten mal nachfragen, ob bei dir alles in Ordnung ist“, meinte Kiwi mit weicher Stimme und bestätigte damit sogleich Crocodiles Befürchtung. „Du wirkst seit ein paar Wochen ziemlich niedergeschlagen“, fuhr Mozz fort. Die beiden ließen sich ungebeten auf der anderen Seite seines Schreibtisches nieder. „Ist irgendetwas passiert?“ Crocodile nahm die Hand wieder herunter. Stattdessen griff er nach einem Kugelschreiber, der neben seiner Tastatur lag. Aus Erfahrung wusste er, dass es ihn beruhigte, wenn er in unangenehmen Situationen einen Gegenstand festhalten konnte. Er gab sich selbst zwei tiefe Atemzüge, ehe er mit möglichst gefasst klingender Stimme meinte: „Kiwi, Mozz, ihr wisst, dass ich euch beide wirklich sehr schätze. Und ich danke euch für eure Fürsorge. Aber ich denke, dass meine privaten Probleme nicht hierher gehören.“ „Wir sehen uns jeden Tag mindestens acht Stunden“, erwiderte Kiwi und ließ ihn nicht aus den Augen. „Glaubst du, wir können einfach ignorieren wie es dir geht?“ „Du hast nicht bloß einfach einen schlechten Tag“, fügte Mozz hinzu. „Dir geht es schon seit Wochen dreckig. Wir sind doch nicht blind. Und wir machen uns Sorgen. Du kannst ruhig mit uns sprechen, Crocodile.“ Crocodile senkte seinen Blick. Als er ihn wieder hob, schaute er Kiwi und Mozz ins Gesicht. Die beiden Schwestern sahen sich unfassbar ähnlich. Hätten die beiden keine unterschiedlichen Frisuren, könnte er sie wohl kaum auseinanderhalten. „Ich... es... ich habe zurzeit ein paar Probleme mit meinem Ehemann“, sagte er schließlich. „Es tut mir leid, dass meine Arbeit darunter leidet.“ Kiwi und Mozz blickten ihn aufmerksam schweigend an. Offenbarten warteten sie darauf, dass er fortfuhr. Crocodile klickte einmal mit dem Kugelschreiber. Er fühlte sich schrecklich unwohl. „Ich habe ihm gesagt, dass ich Abstand brauche und wohne deshalb seit drei Wochen bei meiner Schwester“, erklärte er schließlich. „Nun ja... und bisher bin ich noch nicht wirklich weitergekommen.“ Crocodile fand, dass dies mehr als genug Informationen waren. „Oh nein“, sagte Kiwi und setzte einen mitfühlenden Gesichtsausdruck auf. „Ihr seid doch noch nicht lange verheiratet gewesen! Du Armer!“ „Ich weiß, wie du dich fühlst“, fügte Mozz hinzu. „Ich bin auch mal von einem Mann betrogen worden. Drei Jahre waren wir zusammen. Es hat sich herausgestellt, dass er seit sechs Monaten eine Affäre mit einer Arbeitskollegin hatte. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich kann verstehen...“ „Nein“, unterbrach Crocodile sie rasch und winkte ab. „Doflamingo hat keine Affäre; das ist es nicht. Es geht um eine andere Sache.“ „Hat er dich belogen?“ „Im Grunde schon“, antwortete Crocodile. Er legte den Kugelschreiber zur Seite und und griff nach dem Glas Wasser. „Aber letztendlich ist seine Eifersucht das Hauptproblem gewesen. Und... nun ja... ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich jetzt tun soll. Ich hätte ihm das, was geschehen ist, niemals zugetraut.“ „Hat er dein Handy oder deinen PC durchsucht?“, horchte Kiwi nach. „Manche Menschen verlangen ja Zugang zu allen Informationen, wenn sie in einer Beziehung sind...“ „Er hat einen GPS-Sender an mein Auto angebracht.“ Plötzlich brach es auch Crocodile heraus. Er konnte es nicht verhindern. „Schon ganz zu Beginn unserer Beziehung. Und er hat diesen Sender nie abgenommen oder mir irgendwann mal davon erzählt... Diese Sache ist erst herausgekommen, als ich den Sender zufällig entdeckt habe.“ Entsetzen und Unverständnis waren in Kiwis und Mozz' Gesichtern zu sehen. „Er hat dich die ganze Zeit lang ohne dein Wissen per GPS überwacht?!“ Crocodile nickte beklommen. „Als ich ihn zur Rede stellte, hat er sich sogar noch verteidigt. Ich... ich meine... mir war immer bewusst, dass Doflamingo kein einfacher Mann ist. Aber so etwas habe ich nicht erwartet. Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin verschwunden und komme momentan bei meiner Schwester unter.“ „Hast du ihn seitdem noch einmal gesehen?“, wollte Kiwi wissen. Sie wirkte völlig überwältigt. „Nein“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. „Er hat versucht mich zu erreichen... aber ich habe mir ein neues Handy mit einer neuen Nummer zugelegt. Ich bin seitdem auch nicht mehr Zuhause gewesen. Ich habe mir alles, was ich im Alltag brauche, einfach neu gekauft. Ihr wisst schon: Kleidung, Rasierer und so weiter. So konnte ich eine Begegnung mit ihm bisher vermeiden.“ Mozz bedeckte den Mund mit ihrer Hand. „Oh, Crocodile, das hört sich ja schrecklich an...! Gibt es irgendetwas, was wir tun können? Brauchst du vielleicht eine oder zwei Wochen Urlaub, um deine Angelegenheiten zu ordnen? Eigentlich können wir nicht auf dich verzichten, aber wenn wir mit Franky sprechen, dann...“ „Nein“, winkte Crocodile sofort energisch ab. „Ich will keinen Urlaub. Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Arbeitsleistung zurzeit unter meinem Niveau ist. Aber Zuhause... also... bei Hancock Zuhause werde ich verrückt. Hier geht es mir viel besser.“ Kiwi nickte verständnisvoll. „Wenn wir dir irgendwie helfen können, Crocodile, dann gib uns bitte Bescheid, ja?“ ~ In Hancocks hübschem, heimelig eingerichtetem Haus fiel ihm die Decke auf den Kopf. Crocodile hatte sich inzwischen daran gewöhnt, von seinem Ehemann ständig zu Disko-, Kino- oder Restaurantbesuchen genötigt zu werden. Doch seit vier Wochen pendelte er bloß zwischen seinem Arbeitsplatz und dem Heim seiner Schwester hin und her. Und abgesehen von Mihawk, der manchmal vorbeischaute, hatte er auch keinen Besuch empfangen. Crocodile gab es nur ungern zu, doch er vermisste die lustigen Abende, die er gemeinsam mit Doflamingo und ihren Freunden in Shakky's Bar verbracht hatte. Nachmittags und am Wochenende ließ Hancock ihn häufig für einige Stunden mit Nozomi alleine, weil sie sich um ihr Nagelstudio kümmern musste. Crocodile machte ihr keinen Vorwurf (schließlich hatte er ihr seine Hilfe angeboten), doch um ehrlich zu sein, fühlte er sich dann oft einsam. An diesem Samstagvormittag beschloss Crocodile etwas zu tun, was er sehr lange nicht mehr getan hatte. Er setzte Nozomi in ihren Kinderwagen und ging draußen an der frischen Luft eine Runde spazieren. Es war ein heller, freundlicher Tag und Crocodile folgte ohne nachzudenken dem Weg, den seine Füße ihm vorgaben. Irgendwann erreichte er eine kleine Parkanlage, in deren Mitte sich ein See befand. Bunte Enten watschelten am Ufer entlang. Weil das Wetter so schön war, waren hier viele Menschen unterwegs. Verliebte Paare und Familien mit kleinen Kindern und Hunden. Crocodile, der so viel Trubel nicht leiden konnte, hielt nach einem abgeschiedenen Plätzchen Ausschau. Schließlich fand er eine kleine Holzbank, die versteckt hinter ein paar Bäumen gleich in Ufernähe stand. Crocodiles Blick wanderte hinüber zu Nozomi, die gut gelaunt in ihrem Kinderwagen saß. Plötzlich musste er daran denken, wie er gemeinsam mit seinem Ehemann den teuren Wagen gekauft hatte. Er erinnerte sich daran, dass die Verkäuferin im Babyfachgeschäft sie beide für werdende Eltern gehalten hatte. Und Doflamingo hatte mitgespielt. Crocodile konnte nicht verhindern, dass ein schwaches Lächeln über seine Mundwinkel huschte. Nozomi gab eine Reihe von brabbelnden Geräuschen von sich. Mit ihren blauen Augen musterte sie neugierig ihre Umgebung. Zum Glück war Crocodiles Wunsch wahr geworden: Sie sah ihrer hübschen Mutter ausgesprochen ähnlich; von Luffy hatte sie kaum etwas an sich. Leise seufzend hob Crocodile seine Nichte aus dem Kinderwagen und setzte sich sie sich auf den Schoß. Sie trug ein pinkes Kleidchen, das selbstverständlich ebenfalls Doflamingo gekauft hatte. Unweigerlich fragte Crocodile sich, Nozomi auch Kleidungsstücke im Schrank hatte, die sie nicht von seinem übermütigen Ehemann geschenkt bekommen hatte. Es verging vielleicht eine Viertelstunde, ehe Crocodile plötzlich auffiel, dass er sich nicht zum ersten Mal an diesem kleinen See aufhielt. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, als ihm klar wurde, dass er nach seinem Streit mit Hancock hierher geflohen war. War es nicht sogar genau dieser Platz gewesen, an dem am Ende Doflamingo ihn gefunden hatte? Crocodile blickte sich zaghaft um. Doch, es musste so sein: Er konnte sich sehr genau daran erinnern, wie er dort drüben ein Entenpärchen entdeckt hatte. Überraschend gut hatte er die braune Entendame und ihren bunten Partner in Erinnerung. Crocodile blickte vorsichtig nach links und rechts, ehe er Nozomi, die auf seinem Schoß zappelte, auf die Wiese setzte. Während das kleine Mädchen lachend die kitzelnden Grashalme betatschte, zündete Crocodile sich eine Zigarre an und nahm einen tiefen Zug. Der altbekannte Geschmack des teuren Tabaks beruhigte ihn ein wenig. Wehmütig betrachtete er Nozomi, die auf der Wiese umherkrabbelte und versuchte gelbe Löwenzahnblüten (und einmal auch einen Marienkäfer) in den Mund zu nehmen. Es überraschte ihn, doch es erstaunte ihn nicht, als er hinter sich ein paar Zweige knacken hörte. Crocodile brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer dort drüben stand. Genauso wie Doflamingo den Qualm seiner Zigarre roch, konnte er das fruchtig-süße Parfuem seines Partners wahrnehmen. Für eine Weile sagte keiner von ihnen beiden ein Wort. Doch irgendwann ließ Doflamingo sich stumm neben ihm auf der Bank nieder. Nicht zu nah; er hielt einen kleinen Abstand ein. So als wären sie kein Ehepaar, sondern bloß zwei Fremde, die sich zufällig begegneten. Lange (Crocodile konnte nicht sagen wie lange; vielleicht eine Stunde, vielleicht auch nur fünf Minuten) saßen sie stumm nebeneinander und sprachen kein Wort. Das einzige Geräusch, das sie hörten, war Nozomis zufriedenes Schmatzen, als sie sich ein bisschen Erde in den Mund stopfte. „Es tut mir leid.“ Crocodile war sich nicht sicher, ob er sich diese Worte bloß eingebildet hatte oder ob sein Ehemann sie tatsächlich ausgesprochen hatte. Aufmerksam drehte er seinen Kopf nach links. Es schockierte ihn, wie miserabel und jämmerlich Doflamingo aussah. Sein normalerweise sonniger, hellbrauner Teint war verflogen; stattdessen wirkte seine Haut ungesund blass und fahl. Seine Augen waren bläulich umschattet. Obwohl er seine Sonnenbrille trug, konnte Crocodile die tief liegenden Schatten überdeutlich erkennen. Er grinste nicht und lächelte auch nicht. Mit hängenden Schultern und überkreuzten Knöcheln bot er ein Bild des Elends. So hatte Crocodile seinen Ehemann noch nie erlebt. „Es tut mir leid“, wiederholte er mit schwacher, leiser Stimme und ohne zu ihm hinüber zu schauen. „Ich weiß, die Chancen, dass du mir irgendwann verzeihst, sind gering. Ich kann es dir nicht einmal verübeln, Crocodile. Aber ich will, dass du weißt, dass... es mir ehrlich leid tut. Was ich getan habe, war falsch. Das habe ich nun erkannt.“ Als Crocodile schwieg, fuhr Doflamingo zögerlich fort: „Du trägst keine Schuld. Du hast nichts getan, was es gerechtfertigt hätte, einen Sender an dein Auto anzubringen. Du wärst nie auch nur auf die Idee gekommen etwas mit einem anderen Mann anzufangen, während du in einer Beziehung mit mir bist. Ich war... ein Idiot. Verblendet. Ich bin ein nymphomanischer Dummkopf gewesen, der nicht dazu in der Lage war zu erkennen, dass sein Partner ein viel besserer Mensch ist als er selbst. Du bist ein liebevoller, ehrlicher Mann und hast es nicht verdient so hintergangen zu werden. Ich war zerfressen von Eifersucht und irrationalen Ängsten. Es tut mir leid, Crocodile. Wahrscheinlich ist es jetzt sowieso zu spät für uns beide, aber ich muss es dir trotzdem sagen: Es tut mir leid. Und ich hoffe, dass du mir irgendwann verzeihen kannst.“ Crocodile setzte die Zigarre an seine Lippen und nahm einen tiefen Zug. Er schloss für einen kurzen Moment die Augen. Während er einen Rauchring in die Luft bließ, nahm er überdeutlich das Gequake der Enten und Nozomis Gebrabbel war. „Woher weiß ich, dass du diese Entschuldigung ernst meinst?“, fragte er schließlich mit ruhiger Stimme. „Vielleicht versuchst du ja bloß, mich auf diese Tour wieder zurückzubekommen?“ Doflamingo seufzte gequält auf und begrub sein Gesicht in den Händen. Crocodile konnte nicht verhindern, dass er ein Quentchen Mitleid für seinen gebeutelten Ehemann empfand. „Es gibt keine Möglichkeit dir einen Beweis zu liefern“, antwortete Doflamingo verzweifelt. „Ich kann bloß darauf hoffen, dass du mir glaubst. Aber ich werde meine Entschuldigung nicht zurücknehmen, auch wenn du dich gegen mich entscheidest. Mir ist es wichtig, dass du weißt, wie leid es mir tut. Ich sage das nicht, um meine Chancen bei dir zu erhöhen. Ich sage es, weil ich es ehrlich so meine und weil du es verdient hast.“ Doflamingos Worte rührten Crocodile, doch er war zu stolz und zu argwöhnisch, um seinem Partner einfach zu vergeben. „Als ich mit Enel zusammen war“, sagte er mit ruhiger Stimme, „kam Enel nach einem Streit oft zu mir und entschuldigte sich. Er sagte immer, dass er einen Fehler gemacht hätte und sich ändern würde. Bis er mich beim nächsten Streit dann wieder verprügelte. Jedes Mal lief es so ab. Selbst als es schwer wurde an meinem Körper noch eine heile Stelle zu finden, brachte ich es nicht über mich unsere Beziehung zu beenden.“ „Das kannst du nicht vergleichen!“, warf Doflamingo entsetzt ein. „Ich würde dir niemals wehtun, Crocodile! So ein Mensch bin ich nicht. Das weißt du!“ „Und ich bin auch nicht mehr derselbe Mensch wie damals.“ Sein Magen schmerzte, als er diese Worte aussprach. Doch Crocodile blieb standhaft. Er ignorierte die Schmerzen in seinem Bauch, als er weitersprach: „Ich bin nicht mehr so leichtgläubig und naiv wie damals. Ich werde mich niemals wieder in so eine Situation bringen.“ „Es ist nicht richtig, dass du mich für das, was Enel dir angetan hat, büßen lässt“, erwiderte sein Ehemann mit verzweifelter Stimme. „Crocodile... Wani...“ Das tat weh. Als er den Kosenamen hörte, den Doflamingo am liebsten für ihn verwendete, zogen sich Crocodiles Eingeweide schmerzhaft zusammen. Für einen Moment keimte in ihm das Verlangen auf, Doflamingo an seinen Haaren zu packen und ihn zu küssen. Doch er hatte sich gut unter Kontrolle. Anstatt seinem Ehemann in die Arme zu fallen, umkrallte er mit der rechten Hand die Kante der Holzbank, auf der sie beide saßen. „Und wenn ich dir zeigen würde, dass ich mich ändere?“ Doflamingo wollte einfach nicht aufgeben. „Ich habe mit einem Psychologen gesprochen. Er meinte, die Ursache für meine Eifersucht... meiner krankhafte Eifersucht... könnte in meinen Verlustängsten liegen. Du weißt schon... wegen meinen Eltern und meinem kleinen Bruder. Man kann das behandeln. Wenn du möchtest, Crocodile, dann gehe ich regelmäßig zur Therapie. Ich würde keinen Termin verpassen. Meine Eifersucht... meine Angst, dass du dich von mir abwenden könntest... ist krankhaft. Und was krankhaft ist, lässt sich auch heilen. Ich bin mir sicher, dass wir dieses Problem in den Griff kriegen würden.“ Crocodile stöhnte gequält auf; er ließ von dem harten Holz der Bank ab und bedeckte mit der Hand stattdessen sein Gesicht. Fast verbrannte er sich an der glühenden Zigarre, die immer noch in seinem Mund steckte. Es war typisch für Doflamingo, dass er eine Absage nicht einfach hinnehmen konnte. Nie gab er auf. Immer bohrte er weiter nach und strapazierte seine Nerven, bis sein Widerstand irgendwann zu bröckeln begann. Wie damals, dachte Crocodile und konnte ein winziges Lächeln nicht unterdrücken, als er ihn immer wieder um Date gebeten hatte, nachdem sie sich bei einem Geschäftsessen kennengelernt hatten. „Hast du mit dieser Therapie schon angefangen?“, wollte Crocodile schließlich wissen. „Wenn du möchtest, dann mache ich gleich für heute Abend die erste Sitzung aus“, antwortete Doflamingo sofort. „Bitte, Crocodile: Gib mir wenigstens eine Chance, um mich zu beweisen. Ich werde alles tun, was nötig ist, um unsere Ehe zu retten.“ „Ich möchte nichts überstürzen“, bremste Crocodile seinen Ehemann. „Sondern abwarten und sehen, was die Zeit bringt.“ „Noch länger warten?“, jammerte Doflamingo. „Ich habe dich seit über einem Monat nicht zu Gesicht bekommen...“ Er wollte nach seinem linken Unterarm greifen, doch Crocodile zog ihn hastig weg. Er könnte es jetzt nicht ertragen, wenn Doflamingo ihn berührte. Vor allem nicht so nah an seinem Armstumpf. Als er seine Zurückhaltung bemerkte, senkte sein Ehemann den Blick. Crocodile konnte es trotz der Sonnenbrille erkennen. Nachdem sie nun schon länger als zwei Jahre zusammen waren, war es für ihn ein Leichtes die Mienen seines Partners zu deuten. „Ich werde mich nicht aufdrängen“, sagte Doflamingo. Crocodile war sich nicht sicher, ob er zu ihm oder zu sich selbst sprach. Anschließend hob er den Blick und bat: „Nur... könnte ich vielleicht deine neue Handynummer bekommen? Ich fände es wirklich schön, wenn wir wenigstens mal telefonieren könnten. Einfach über den Alltag reden.“ „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, erklärte Crocodile und blickte hinüber zu Nozomi, die im Gras saß und fröhlich gluckte. „Im Moment verbringe ich nach der Arbeit die meiste Zeit mit Nozomi.“ „Sie ist gewachsen“, stellte Doflamingo mit wehmütiger Stimme fest. „Ein Monat ist eine lange Zeit für ein Baby. Sie hat sich verändert, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen habe.“ „Findest du?“ Crocodile zog eine Augenbraue hoch und betrachtete seine Nichte etwas genauer. Um ehrlich zu sein, fiel ihm kein Unterschied auf. Aber für solche Dinge hatte er sowieso kein Auge. Angesichts seiner Reaktion brach Doflamingo in sanftes Gelächter aus. Es war ein schönes Geräusch. Es weckte Sehnsüchte in Crocodile. Er vermisste seinen ständig grinsenden, neckischen Ehemann ganz schrecklich. „Darf ich sie mal hochnehmen?“ Doflamingos Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Zuerst verstand er gar nicht, worauf sein Ehemann hinaus wollte. Erst als er bemerkte, dass dieser immer noch zu Nozomi schaute, wurde es ihm klar. „Natürlich“, antwortete er hastig. „Das brauchst du mich doch nicht zu fragen. Du bist ihr Onkel.“ Seine Worte schienen Doflamingo zu freuen. Sofort ging er zu Nozomi hinüber, um sie auf seinen Arm zu heben. Leider fing das kleine Mädchen ängstlich zu schreien und zu weinen an, kaum hatte Doflamingo es hochgenommen. „Was hat sie denn auf einmal?“ Dieses Verhalten war sehr untypisch für Nozomi. Eigentlich liebte sie Doflamingo über alles. Früher hatte es nie ein Problem gegeben, wenn er sie getragen hatte. „Vielleicht erkennt sie dich nicht?“, mutmaßte Crocodile. Er stand von der Bank auf, löschte seine Zigarre und ging zu den beiden hinüber. „Sie hat dich jetzt über vier Wochen nicht gesehen. Für sie ist das eine lange Zeit.“ Nozomi beruhigte sich schlagartig, als Crocodile sie übernahm. Seine Fingerspitzen berührten kurz Doflamingos, als dieser mit einem bitteren Gesichtsausdruck ihre Nichte an ihn übergab. „Nimm es nicht persönlich“, versuchte Crocodile seinen Ehemann ein wenig zu trösten. Er wusste, dass Doflamingo sehr an dem kleinen Mädchen hing. „Bei mir würde sie genauso reagieren, wenn ich sie eine längere Zeit nicht gesehen hätte.“ „Ja“, sagte Doflamingo und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Er wirkte schrecklich niedergeschlagen. „Das verstehe ich schon.“ „Du könntest uns ja vielleicht mal besuchen.“ Ehe Crocodile es verhindern konnte, waren die Worte schon aus seinem Mund gekommen. „Hancock und mich. Sie würde sich bestimmt freuen, dich zu sehen.“ Es wunderte ihn nicht, dass Doflamingo sein Angebot begeistert annahm. „Das wäre wundervoll“, meinte er sofort und nickte hastig. „Deine Geschwister fehlen mir auch sehr. Für mich sind sie längst zu einem Teil meiner Familie geworden - so wie du.“ Crocodile schluckte. Er fragte sich, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war, seinen Ehemann einzuladen. Sicherlich würde Doflamingo sich Hoffnungen machen. Doch Crocodile war sich nicht sicher, ob er je dazu in der Lage sein würde, wieder in einer Beziehung mit ihm zu leben. „Ich sollte jetzt langsam nach Hause... Also, du weißt schon, zurück zu Hancock“, sagte Crocodile. „Sie ist bestimmt schon wieder da und fragt sich, wo wir sind.“ Er ging hinüber zum Kinderwagen und setzte seine Nichte hinein. Nozomi, die wohl darauf gehofft hatte weiter auf der Wiese spielen zu dürfen, zog ein grimmiges Gesicht. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob die Löwenzahnblüten, die sie sich fröhlich in den Mund geschaufelt hatte, so gut geschmeckt hatten. „Ich bin mit dem Auto hier. Ich könnte euch bei Hancock Zuhause absetzen“, bot Doflamingo ihm an. Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein, danke“, lehnte er hastig ab, „es ist nicht weit von hier.“ „O-okay.“ Doflamingo schien nicht so recht zu wissen, wie er reagieren sollte. „Dann, ähm... bis später. Bestimmt kann ich morgen oder übermorgen einen kleinen Besuch bei Hancock einrichten.“ „Ja“, sagte Crocodile. Er hatte genausowenig wie Doflamingo eine Ahnung, was er nun am besten sagen sollte. „Bis dann.“ Als Crocodile Hancocks Haus betrat, stellte er fest, dass seine Schwester doch noch nicht zurück war. Er hob Nozomi aus dem Kinderwagen und setzte sie in den Laufstall, ehe er sich kraftlos auf dem Sofa fallen ließ. Sein Körper fühlte sich schwach an; als befänden sich darin keine harten Knochen, sondern nur eine wabbelige Masse. Erschöpft legte Crocodile den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Seine Begegnung mit Doflamingo kam ihm plötzlich sehr surreal vor. Er hatte seinen Ehemann über einen Monat lang nicht gesehen... und nun trafen sie sich zufällig im Park. Aber es war eine ganz besondere Stelle, rief er sich ins Gedächtnis. Dort hatte Doflamingo ihn aufgegriffen, nachdem er sich mit Hancock gestritten hatte. Bei der er Trost gesucht hatte, nachdem er herausfand, dass sein Ehemann kurz vor Beginn ihrer Beziehung Sex mit seiner besten Freundin gehabt hatte. Eine komplizierte Geschichte. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob Doflamingo öfters dorthin kam. Er seufzte, richtete sich auf dem Sofa auf und holte sein Handy aus seiner Hosentasche hervor. Hancock hatte ihm eine Nachricht geschrieben. Im Nagelstudio gab es viel zu tun und sie würde etwas später nach Hause kommen. Er hatte sich nach seiner Trennung von seinem Ehemann ein neues Handy zugelegt, nachdem dieser nicht aufgehört hatte ihn mit Anrufen und Textnachrichten zu bombardieren. Wie auch bei seinem alten Handy hatte er die Nummern der wichtigsten Menschen in seinem Leben über Kurzwahltasten gespeichert: Auf der 1 war die Nummer von seinem Bruder Mihawk gespeichert, auf der 2 die von seiner Schwester Hancock und auf der 3 die Nummer von seinem Studienkollegen Daz. Früher hatte seine Sekretärin Robin die 4 und Doflamingo die 5 gehabt, doch weil das nun keinen Sinn mehr machte, hatte Crocodile darauf verzichtet diese beiden Kurzwahltasten zu vergeben. Nico Robin war nicht länger seine Sekretärin und Donquixote Doflamingo nicht länger sein... Partner. Sie beide waren immer noch verheiratet. Crocodile war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, sich scheiden zu lassen. Ihm fehlte die nötige Energie, um sich mit einem Anwalt und dem ganzen Papierkram auseinanderzusetzen. Eine Scheidung bedeutete immer eine Menge Aufwand; vor allem natürlich, wenn man sich von einem Multimillionär scheiden ließ. Aber... er hatte es auch nicht gewollt. Um ehrlich zu sein, hatte er überhaupt nicht daran gedacht. Sich von seinem Ehemann vor Gericht scheiden zu lassen, war gar keine Option gewesen, die er im Kopf hatte. Lag es daran, dass er Doflamingo immer noch liebte? Oder war er einfach bloß zu verletzt und durcheinander gewesen? Crocodile betrachtete den Display seines Handys. Wie von selbst bewegten sich seine Finger und fügten Doflamingo mit seiner Handynummer als neuen Kontakt in das Adressbuch ein. Doch die Kurzwahltaste Nummer 5, wie früher, vergab er nicht an ihn. Hancock kam spät am Abend nach Hause. Sie wirkte geschafft, aber auch glücklich. Aufgeregt erzählte sie von dem Besuch in ihrem Nagelstudio. „Der Betrieb läuft wirklich gut. Zum Glück sind mir viele Stammkunden erhalten geblieben. Es sieht ganz so aus, als könnte ich zusammen mit meiner Vertretung weiterarbeiten und das Studio sogar vergrößern. So wie Doflamingo es damals vorgeschlagen hat.“ „Das sind ja tolle Neuigkeiten“, meinte Crocodile. „Apropos Doflamingo... ich, ähm... wir haben uns heute gesehen. Und, nun ja, es könnte sein, dass er morgen oder übermorgen zum Essen kommt. Ich hoffe, dass das okay für dich ist. Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass es ziemlich unhöflich gewesen ist, ihn ohne dich zu fragen hierher einzuladen.“ Doch seine Schwester wirkte überhaupt nicht verärgert. Ganz im Gegenteil: Sie setzte eine begeisterte Miene auf: „Das ist ja wundervoll, Crocodile! Konntet ihr beide euch wieder vertragen?“ „Nein“, antwortete Crocodile sofort. „Er... er hat sich bei mir entschuldigt. Aber vertragen haben wir uns nicht.“ „Oh...“ Hancocks erfreutes Lächeln erstarb auf ihren Lippen. „Nun ja, ihr beide habt euch wochenlang nicht gesehen. Ich denke, ihr braucht einfach noch etwas Zeit, um zueinander zu finden. Aber ich finde es gut, dass ihr wieder miteinander redet und dass Doflamingo zu Besuch kommen wird.“ „Mach dir nicht zu viele Hoffnungen“, gab Crocodile mit gesenktem Blick zurück. „Mir ging es hauptsächlich darum, dass er die Möglichkeit bekommt, Zeit mit dir und deiner Tochter zu verbringen. Er ist lange eine wichtige Bezugsperson für Nozomi gewesen und ich finde es nicht richtig, ihm den Kontakt zu verwehren.“ Hancock nickte. „Er... Ihr beide seid mir wirklich eine große Hilfe gewesen. Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr mich mit Nozomi immer so gut unterstützt habt. Ich weiß gar nicht, was ich ohne euch gemacht hätte.“ Crocodile winkte ab. „Nein, du musst dich nicht bedanken. Das ist doch selbstverständlich.“ „Sogar in deiner momentanen Lage passt du ständig auf Nozomi auf“, redete Hancock weiter auf ihn ein. „Ohne deine Hilfe wäre es mir gar nicht möglich gewesen, heute so viel Zeit im Nagelstudio zu verbringen und all die Vorbereitungen zu treffen.“ „Ich finde es gut, dass du in deinen Beruf zurückkehren möchtest“, erklärte Crocodile. „Und natürlich unterstütze ich dich, wo ich kann.“ Hancock nickte. „Ich freue mich schon sehr darauf wieder zu arbeiten. Ich liebe Nozomi und mir ist es sehr wichtig gewesen, dass sie ihr erstes Lebensjahr mit mir verbringen konnte. Aber allmählich fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich... Manchmal denke ich, dass ich eine schlechte Mutter bin. Weil ich mich darauf freue, dass Nozomi bald in die Krippe geht und ich wieder arbeiten kann. Eigentlich möchte man ja so viel Zeit wie möglich mit seinem Kind verbringen...“ „Du bist eine gute Mutter“, warf Crocodile sofort ein. „Schlag dir diese negativen Gedanken gleich wieder aus dem Kopf, Hancock. Du hast es nicht leicht gehabt. Du bist in der Schwangerschaft verlassen worden und standest plötzlich völlig allein da mit deinem Kind und deinem Nagelstudio. Aber du hast eine Lösung gefunden, die allen gerecht geworden ist. Du solltest stolz auf dich sein.“ Crocodile stellte bestürzt fest, dass er mit seinen Worten seine Schwester zum Weinen gebracht hatte. Unvermittelt brach Hancock vor ihm in Tränen aus. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Hatte er etwas Falsches gesagt? „Ich danke dir“, schluchzte Hancock und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Bluse über die tränennassen Augen. „Du bist der beste Bruder, den man sich wünschen kann.“ „Lass das nicht Mihawk hören.“ „Nein, ich...“ Hancock lächelte. „Ihr beide seid tolle Brüder. Aber du... du hast in deinem Leben so viele schlimme Dinge erlebt, Crocodile... Ich meine... Du wurdest von unseren Eltern verstoßen... Hast bei einem Unfall deine Hand verloren... Bist in diese Beziehung mit Enel geraten... Und nun ist sogar deine Ehe mit Doflamingo in die Brüche gegangen... Und trotzdem hast du genug Kraft, um mich zu unterstützen und mir gut zuzureden. Egal was passiert: Du gibst niemals auf. Du kämpfst dich immer wieder zurück ins Leben. Obwohl du es so schwer hattest, ist aus dir ein so erfolgreicher und anständiger Mensch geworden. Seit Luffy mich verlassen hat, gab es genug Nächte, in denen ich mich in den Schlaf geweint habe. Mich gefragt habe, wie ich das hinkriegen soll mit meinem Kind und meiner Selbstständigkeit. Aber mir ging es wieder besser, wenn ich an dich gedacht habe, Crocodile.“ „Du übertreibst, Hancock.“ Crocodile empfand die überschwänglichen Lobpreisungen seiner Schwester als unangenehm. Sie stellte ihn ja fast als eine Art Held dar. Dabei war er bloß ein ganz normaler Mann, der es mit Ehrgeiz und harter Arbeit geschafft hatte, sich ein gutes Leben aufzubauen. „Es ist wirklich schön zu wissen, dass man unterstützt wird. Auch in meinem Beruf... Weißt du, in Nozomis Spielgruppe haben mich einige Mütter völlig entsetzt angeschaut, als ich erzählt habe, dass ich wieder arbeiten gehen werde. Sie haben so getan als wäre es eine ganz schreckliche Sache sein Kind in die Krippe zu geben und zu arbeiten. Aber was habe ich denn für eine Wahl? Ich habe keinen Mann, der mich finanziert. Ich muss ganz allein für mich und mein Kind sorgen. Und um ehrlich zu sein, freue ich mich auch darauf. Seit einem Jahr sitze ich nur Zuhause und habe keinen anderen als Nozomi um mich herum... Mir fehlt mein Beruf einfach. Ich möchte wieder etwas zu tun haben und nicht nur einfach so mit meiner kleinen Tochter in den Tag hinein leben. Wenn ich das noch weitere zwei Jahre machen soll, dann werde ich verrückt.“ „Hör doch nicht auf das, was diese Frauen sagen!“ Crocodile war entsetzt angesichts dieser altmodischen Einstellung. Wie konnte man bloß so intolerant sein? Und um ehrlich zu sein, konnte er seine Schwester in dieser Hinsicht gut verstehen: Ihm würde er wohl nicht anders ergehen, wenn er seit einem Jahr jeden Tag mit dem Kind Zuhause verbrachte. Er fand es absolut nachvollziehbar, dass Hancock auch mal wieder erwachsene Menschen um sich herum haben wollte. Sie hatte ja nicht einmal einen Partner, mit dem sie sich abends unterhalten konnte. „Jeder muss für sich den richtigen Weg finden. Und wenn du es für richtig hältst, Nozomi betreuen zu lassen und wieder arbeiten zu gehen, dann lass dich davon nicht abbringen. Schon gar nicht wegen dem Geschwätz irgendwelcher Frauen, die du kaum kennst.“ „Ja.“ Hancock leckte sich über die Lippen. „Eigentlich hast du Recht, Crocodile. Ich sollte mich nicht so verunsichern lassen. Ich freue mich darauf, wieder mein Nagelstudio zu führen. Und Nozomi wird sich in der Krippe bestimmt auch wohlfühlen. Ich hoffe bloß, dass alles gut klappt. Ich habe sie bei drei Krippen hier in der Nähe angemeldet, aber noch keine feste Zusage bekommen.“ „Mach dir darum mal keine Sorgen“, meinte Crocodile sofort. „Das wird schon werden. Mach dich nicht verrückt, Hancock. Manchmal... manchmal lösen sich einige Probleme von selbst, wenn man ihnen etwas Zeit gibt.“ ~ Zwei Tage später war es soweit. Doflamingo stand vor Hancocks Haustüre. In den Händen hielt er ein kleines Geschenk - nicht für Crocodile, sondern für Nozomi. Es handelte sich um eine CD mit Kinderliedern. Crocodile war erleichtert, als er feststellte, dass das in grünes Papier eingewickelte Päckchen für seine Nichte gedacht war. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, wenn Doflamingo für ihn etwas mitgebringen würde. War es unhöflich das Geschenk seines Ex-Mannes abzulehnen? Ex-Mann... Ein komischer Gedanke. War Doflamingo eigentlich sein Ex-Mann? Sie beide waren immer noch verheiratet. Aber kein Paar mehr. Oder betrachtete Doflamingo ihre Trennung lediglich als temporär, als eine Art Beziehungspause? Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Es wäre wohl besser gewesen, wenn er die Grenzen damals genau abgesteckt hätte. Hancock bat ihren Schwager freundlich herein. Doflamingo nahm sich die Freiheit sie zu umarmen und sich überschwänglich für die Einladung zu bedanken. Außerdem gab er Nozomi, die Hancock im Arm hielt, einen Kuss auf die Stirn. Als es darum ging, Crocodile zu begrüßen, zeigte er sich zurückhaltender. Für eine Weile standen sie beide einfach nur unbeholfen da und blickten einander verunsichert ins Gesicht. Wie begrüßte man seinen Ex-Partner, mit dem man immer noch verheiratet war, aber nicht wusste, ob sie nun endgültig getrennt waren oder vielleicht wieder zueinander finden würden? Mit einem Handschlag? Schließlich deutete Doflamingo eine lockere Umarmung an, auf die Crocodile sich einließ. Es tat unwahrscheinlich gut, die warmen Hände seines Ex-Partners an seinem Körper zu spüren, und fast störte es ihn, als Doflamingo wieder von ihm abließ. Hancock, die zu spüren schien, dass sie beide peinlich berührt waren, bat sie hinüber ins Wohnzimmer. Dort standen Tee, Kaffee und selbst gebackene Plätzchen bereit. (Crocodile hatte sie gebacken, doch er vermied es, diesen Umstand zu erwähnen.) Hancock ließ sich mit Nozomi auf dem Sessel nieder; damit überließ sie ihrem Bruder und ihrem Schwager das Sofa. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob es sich hierbei um Absicht handelte. Oder interpretierte er zu viel in Hancocks Verhalten hinein? Jedenfalls hatte sie ihre Trennung sehr schade gefunden. Nozomi brabbelte fröhlich. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ihr erstes Wort von sich gab. Doflamingo schien seine kleine Nichte sehr vermisst zu haben. Mit einem seligen Gesichtsausdruck lauschte er jedem Geräusch und kitzelte ihre besockten Füße. Heute trug sie pink-violett gestreifte Socken. Crocodile konnte sich noch genau daran erinnern, wie er im Laden versucht hatte seinen Ehemann vom Kauf dieser grässlichen Socken abzubringen. Er wollte ihm stattdessen ein Paar neutrale, cremefarbene Söckchen aufschwatzen. Am Ende hatte Doflamingo einfach beide gekauft. „Möchtest du sie mal halten?“, fragte Hancock ihn. Doflamingo nickte begeistert und stellte sofort seine Kaffeetasse zur Seite. Dieses Mal war Nozomi besser drauf; sie schien sich auf dem Schoß ihres Onkels wohlzufühlen. Es war beinahe wie früher und Crocodile spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Brust. Mit einem wehleidigen Gesichtsausdruck betrachtete er seinen Ex-Partner, der Nozomi liebkoste und sich fröhlich mit Hancock unterhielt. Es könnte so einfach sein, dachte er. Er müsste bloß zu Doflamingo sagen, dass er ihm verzieh. Dann wären sie beide wieder ganz offiziell ein Paar und alles würde wie früher werden. Würde es das? Crocodile seufzte leise. Könnte er jemals wieder in sein Auto einsteigen ohne an den GPS-Sender zu denken? Könnte er sich jemals wieder mit einem Freund treffen ohne sich zu fragen, auf welche Weise sein Ehemann ihn nun überwachte? „Sie wird demnächst in eine Krippe gehen“, hörte er Hancock erzählen. „Ich möchte gerne wieder arbeiten. Und ich denke, dass es Nozomi guttut, wenn sie jeden Tag mit anderen Kindern spielen kann. Sie kommt ja auch in ihrer Spielgruppe gut zurecht.“ „Hast du sie schon angemeldet? Ich habe gehört, dass es nicht so einfach ist einen Betreuungsplatz zu finden. Immer mehr Eltern geben ihre Kinder in eine Krippe.“ „Hier im Ort gibt es drei Krippen“, meinte Hancock mit verunsichert klingender Stimme. „Bisher habe ich noch keine Zusage bekommen, aber ich hoffe, dass eine sie nehmen wird. Ich möchte mich wirklich gerne wieder um mein Nagelstudio kümmern. Aber wenn ich für Nozomi keinen Betreuungsplatz finde, dann geht das natürlich nicht.“ „Wenn du möchtest, dann kann ich dir helfen“, bot Doflamingo süffisant grinsend an. „Sicher wird meine Nichte in der besten Krippe der Stadt einen Platz bekommen, wenn ich mich bereiterkläre die Einrichtung mit einer netten Geldspende zu unterstützen.“ Crocodile senkte den Blick. Dies war eine Eigenschaft an seinem Ehemann, die er immer gehasst hatte: Doflamingo war davon überzeugt, dass jeder käuflich war und sich mit Geld alles regeln ließ. Was ihn als Multimillionär natürlich in eine überaus vorteilhafte Lage brachte. Doch nicht nur Crocodile, auch seiner Schwester Hancock schien dieser Wesenszug unangenehm zu sein. „Warten wir erst einmal ab“, meinte sie ausweichend und nippte an ihrer Tasse Tee. „Vielleicht habe ich ja auch Glück und bekomme bald die Zusage für einen Platz.“ Sie redeten eine Weile über dieses und jenes. Hauptsächlich unterhielten sich Doflamingo und Hancock miteinander. Crocodile wusste nicht so recht, wie er mit Doflamingo umgehen sollte. Eigentlich war es wirklich sehr schade. Früher hatte er sich in seiner Nähe immer ganz leicht und ungezwungen gefühlt. Nun allerdings war es schwierig den richtigen Ton zu treffen. Irgendwann klingelte Hancocks Handy. Sie sprang sofort auf, erklärte hektisch: „Das muss meine Vertretung aus dem Nagel-Studio sein, da muss ich rangehen. Entschuldigt mich!“, und verschwand in die Küche, ehe sie abnahm. Crocodile und Doflamingo blieben allein im Wohnzimmer zurück. Eine unangenehmes Stille breitete sich aus. Erst als das Schweigen absolut unerträglich wurde, fragte Crocodile: „Wie geht es eigentlich Law und Kid? Ich habe schon eine Weile nichts mehr von ihnen gehört.“ „Gut“, antwortete Doflamingo und knetete mit seinen Händen nervös Nozomis Füße. „Sie möchten zusammenziehen und halten nach einer passenden Wohnung Ausschau.“ Er zögerte für einen Moment, ehe er hinzufügte: „Du kannst dich natürlich gerne bei ihnen melden und dich mit ihnen treffen. Ich weiß, dass du Law durch mich kennengelernt hast, aber ich meine... ich sehe das so... ihr könnt ruhig den Kontakt aufrecht erhalten. Du hast ja auch kein Problem damit, wenn ich mich mit Hancock treffe. Ich möchte nicht, dass unsere Freundeskreise auseinanderbrechen.“ Crocodile nickte. „Das klingt vernünftig“, meinte er. Nachdem sie dieses Thema abgehakt hatten, breitete sich erneut Schweigen aus. Es hing in der Luft und war so dick, dass man es mit Händen hätte greifen können. Dieses Mal war es Doflamingo, der irgendwann das Wort ergriff: „Ich habe regelmäßige Termine mit meinem Psychotherapeuten ausgemacht. Wir treffen uns zweimal in der Woche zu unseren Sitzungen. Du weißt schon, um meine Eifersucht in den Griff zu bekommen. Es ist derselbe Psychotherapeut, der mir damals geholfen hat über Corazons Tod hinwegzukommen. Er kennt sich also... mit den Ursachen für meine Verlustangst ziemlich gut aus.“ „Das ist doch gut“, sagte Crocodile, weil er nicht wusste, was er sonst erwidern sollte. Was bezweckte Doflamingo mit dieser Aussage? Wollte er ihm zeigen, dass er ehrlich vorhatte sich für ihn zu ändern? „Du trägst immer noch deinen Ehering.“ Dieser Satz schreckte Crocodile auf. Verunsichert blickte er in das Gesicht seines Ehemannes. „Das ist mir schon das letzte Mal aufgefallen“, fuhr Doflamingo fort. „Stört es dich?“, fragte Crocodile. Er war gar nicht auf die Idee gekommen seinen Ehering abzulegen. Genausowenig wie er an Scheidung gedacht hatte, war ihm in den Sinn gekommen, seinen über alle Maßen wertvollen Ring beim nächsten Juwelier zu verschachern. „Nein, nein, auf keinen Fall!“, warf Doflamingo sofort mit panischer Stimme ein. „Ich finde es gut, dass du ihn trägst. Ich trage meinen auch.“ Und er zeigte ihm seine rechte Hand, an der ein goldener Ring mit pinkem Stein funkelte. Ehe sie ihr Gespräch fortsetzen konnten, kehrte Hancock zurück. „Entschuldigt bitte, dass ich verschwunden bin“, meinte sie und ließ sich wieder auf dem Sessel nieder. „Aber es gab ein Missverständnis bei der Anlieferung von Materialien für... ach, das interessiert euch Männer wahrscheinlich sowieso nicht. Nageldesign wird ja wahrscheinlich nicht gerade euer Thema sein.“ ~ In der nächsten Zeit kam er immer wieder mit Doflamingo in Kontakt. Fast glaubte Crocodile, dass seine Geschwister es darauf anlegten, dass sie beide sich so oft wie möglich über den Weg liefen. Am Dienstag war er im Hausflur mit seinem Ex-Freund zusammengestoßen, als er Mihawk besuchen wollte. Und gestern hatte Doflamingo Nozomi abgeholt, um mit ihr eine Runde spazieren zu gehen, während Crocodile mit Hancock Tee trank. Es war schwierig den richtigen Umgang mit seinem Ehemann zu finden. Ein Teil von Crocodile wollte ihm gerne verzeihen. Wollte seine warmen Hände auf seinem Körper spüren, ihn küssen und einfach vergessen, was geschehen war. Doch ein anderer -stärkerer- Teil, konnte sich dazu nicht überwinden. Crocodile war in seinem Leben schon häufig verletzt worden; das hatte ihn vorsichtig und misstrauisch werden lassen. Er achtete darauf, sein Herz nicht an einen Menschen zu verschenken, der damit nicht sorgsam umging. Doflamingo wiederum machte sehr deutlich, dass er seinen Partner um jeden Preis zurückgewinnen wollte. Er drängte sich nicht auf, aber er gab ständig deutliche Hinweise. Wenn sie beide sich allein begegneten, berichtete er ihm außerdem oft von den Sitzungen mit seinem Therapeuten. Allem Anschein nach schien die Therapie recht erfolgreich zu verlaufen. Es war Freitagnachmittag. Crocodile kehrte gerade von der Arbeit nach Hause... nein, zum Haus seiner Schwester zurück. Hancock hatte sich die Mühe gemacht ein leckeres Essen zuzubereiten, aber Crocodile fühlte sich so elendig, dass er kaum etwas herunterbekam. Früher hatte er sich immer auf das Wochenende gefreut. Gemeinsam mit Doflamingo war er in ein Restaurant oder in einen Nachtclub gegangen. Es hatte eigentlich immer großen Spaß gemacht. Doch nun stand ihm ein einsames Wochenende in Hancocks Gästezimmer bevor. Crocodile unterdrückte ein Seufzen. Ihm fiel die Decke auf den Kopf. Er wollte ausgehen. Vielleicht etwas trinken. „Ich gehe heute in eine Bar“, meinte er beiläufig zwischen zwei Bissen. „Oder brauchst du mich, um auf Nozomi aufzupassen?“ „Nein, ich bin ja hier“, erwiderte Hancock. Sie wirkte überrascht. Crocodile konnte es ihr nicht verübeln, denn in den letzten Wochen hatte er nur selten freiwillig das Haus verlassen. „Mit wem bist du denn verabredet?“ „Mit Law und Kid“, log er. Es hätte ziemlich erbärmlich geklungen, wenn er seiner Schwester gegenüber zugeben müsste, dass er sich allein in eine Bar setzen und betrinken wollte. „Vielleicht gehen wir in Shakky's Bar.“ „Das hört sich gut an“, sagte Hancock und fütterte Nozomi mit einem Löffelchen Reis. „Ihr habt euch früher oft dort getroffen, oder nicht? Dein ganzer Freundeskreis, meine ich. Du, Doflamingo, Kid, Law, Bellamy und wie die alle heißen.“ Crocodile nickte. Bei der Erwähnung von Doflamingos Namen konnte er einen stechenden Schmerz spüren. Plötzlich fragte er sich, ob es ihm jemals gelingen würde über seinen Ehemann hinwegzukommen oder ob es für immer so schwierig und schmerzhaft bleiben würde. Er betrat gegen zwanzig Uhr Shakky's Bar. Noch war das Lokal relativ leer. Crocodile erkannte hier und da einen Stammkunden wieder, aber niemanden, mit dem er näher etwas zu tun hatte. Als er feststellte, dass weder Doflamingo noch irgendjemand anderes aus seinem Freundeskreis hier war, breitete sich Enttäuschung in seinem Körper aus. Fast hatte er gehofft, tatsächlich auf Law und Kid oder einen der anderen zu treffen. Crocodile gab es nur ungern zu, doch ihm fehlten seine Freunde wirklich sehr. Es tat ihm nicht gut, jede freie Minute nur mit Hancock und Nozomi zu verbringen. Vielleicht sollte ich einen von ihnen mal anrufen, überlegte er und ließ sich auf einen Hocker an der Bar nieder. Zu Beginn hatten sich Kid, Law, Bellamy, Cirkies und Dellinger oft bei ihm gemeldet; versucht ihn anzurufen oder ihm Textnachrichten geschrieben. Doch seit er sich ein neues Handy zugelegt hatte, hatten sie seine Nummer natürlich nicht mehr. Crocodile hatte einfach ein wenig Abstand gebraucht. Doch jetzt tat es ihm leid, dass er sie alle so vor den Kopf gestoßen hatte. Im Grunde bestanden seine einzigen Bekanntschaften noch aus seinen Geschwistern und Daz. So wie früher, bevor er Doflamingo kennengelernt hatte. Was hatte er damals bloß das ganze Wochenende lang gemacht? Bücher gelesen? Papierkram erledigt? Ein schuldig wirkendes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sich eingestehen musste, dass Doflamingo nicht ganz Unrecht gehabt hatte, wenn er ihn Langeweiler schimpfte. „Crocodile“, es war die sanfte und tiefe Stimme der Barkeeperin Shakky, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Wie schön dich mal wiederzusehen.“ „Ich hatte in letzter Zeit viel zu tun“, entschuldigte er sich bei der Betreiberin seiner Stammkneipe. Der Blick, den sie ihm zuwarf, machte Crocodile klar, dass sie seine Lüge sofort durchschaut hatte. Leise seufzend fuhr er sich mit der rechten Hand durch sein zurückgekämmtes Haar. Wusste jeder hier von seiner Trennung von Doflamingo? Verdammt, sein Ehemann war zwar reich, aber doch kein Superstar, dessen Liebesleben in irgendwelchen Klatschzeitschriften auseinandergenommen wurde. „Man braucht einfach nur eins und eins zusammenzählen“, erklärte Shakky ihm. „Es ist nicht schwer zu erraten, was passiert sein muss, wenn zwei Gäste, die immer zusammen hierher gekommen sind, plötzlich nur noch getrennt voneinander da sind.“ Crocodile senkte den Blick. Also war Doflamingo oft hier mit Kid, Law, Bellamy, Cirkies, Dellinger, Vergo, Monet, Violet und all den anderen Leuten, die er mochte? Die Vorstellung, dass Doflamingo sich mit einer Runde Freunde amüsierte, während Crocodile seine Abende zumeist allein verbrachte, versetzte ihm einen Stich. Offensichtlich nahm ihre Trennung seinen Ehemann nicht so sehr mit, wie er geglaubt hatte. Vielleicht kam Doflamingo ja allmählich über ihn hinweg? Eigentlich war er ja kein Kind von Traurigkeit. „Außerdem hat Doflamingo mir erzählt, was passiert ist, und mir 5.000 Berry angeboten, damit ich ihn anrufe, falls ich dich hier sehe“, fügte Shakky schnippisch grinsend hinzu. „Doflamingo hat dich bestochen, um zu erfahren, ob ich hierher komme?“, wiederholte Crocodile mit ungläubiger Stimme. Damit hatte er nicht gerechnet. „Er hat es versucht“, schnaubte Shakky, während sie Schnaps in ein Glas schüttete und es dann mit dem Kommentar „Der geht auf's Haus“ zu ihrem Gast hinüber schob. „Aber ich bin nicht käuflich.“ „Wie hat Doflamingo reagiert?“, fragte Crocodile interessiert nach und trank das Schnapsglas in wenigen Schlücken leer. Der Alkohol brannte in seiner Kehle. Ein gutes Gefühl. „Sein Angebot auf 10.000 Berry erhöht. Da hab ich ihm gesagt, wenn er das noch einmal versucht, erteile ich ihm lebenslanges Hausverbot.“ Die Vorstellung, wie Doflamingo sich frustriert eingestehen musste, dass man mit Geld eben nicht immer weiterkam, brachte Crocodile zum Lachen. Das war wirklich eine nette Lektion für seinen reichen Ehemann. „Ich meine, wofür hält er mich?“ Shakky schüttelte den Kopf und befüllte Crocodiles Glas ungebeten neu. „Ich habe schließlich auch meinen Stolz.“ Das konnte Crocodile gut verstehen. Obwohl Shakky ihn nicht angerufen hatte, tauchte sein Ehemann später am Abend in der Bar auf. Im Schlepptau hatte er Bellamy, Cirkies, Dellinger, Kuma, Violet und Vergo. Crocodile, der immer noch an der Bar saß und sich in der Zwischenzeit schon so einige Drinks bestellt hatte, beobachtete die bunte Truppe aus dem Augenwinkel heraus. Doflamingo hatte ihn offensichtlich nicht bemerkt. Seine Gruppe steuerte einen Tisch am Rand an. Es war nicht der Tisch, an den sie sich üblicherweise setzten, obwohl ihr Stammtisch durchaus frei war. Unweigerlich fragte Crocodile sich, wo Law und Kid waren. Vielleicht mussten die beiden arbeiten. Oder sie wollten den Abend allein als Paar verbringen. Bei diesem Gedanken wendete Crocodile sich wieder seinem Getränk zu. Es tat weh allein an der Bar zu sitzen und außer Shakky keinen zum Reden zu haben, während sein Ehemann zwischen zahlreichen Freunden saß, die sich lustige Geschichten erzählten und lachten. Doflamingo wirkte nicht so fröhlich und ausgelassen wie sonst, doch immerhin war er umringt von Menschen, die ihn mochten und sich mit ihm amüsierten. Crocodile leerte sein x-tes Glas Schnaps, als sich jemand auf den Barhocker neben ihm niederließ. Er kam sich dumm vor, weil er enttäuscht war, als er sich umdrehte und feststellte, dass es sich nicht um seinen Ehemann handelte. Neben ihm saß ein großer, breitschultriger Mann mit einem kräftigen Kinn. Über seine schwarze, uniformartige Kleidung trug er einen langen, weißen Mantel. Komplementiert wurde sein Outfit durch schwarze Lederstiefel, Handschuhe und eine Schirmmütze. In Shakky's Bar verirrte sich oft die eine oder andere sonderbare Gestalt. Selbst Doflamingo mit seinem schrillen Federmantel fiel hier nicht sonderlich auf. Trotzdem war der erste Gedanke, der Crocodile beim Anblick dieses Mannes durch den Kopf schoss, Perversling. Vage erinnerte er sich daran ihn schon das eine oder andere Mal hier gesehen zu haben. Sogar ein Name fiel ihm ein: Shiryu. Crocodile versuchte den Mann zu ignorieren. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, trank er sein Glas Schnaps leer. Zum Glück sah Crocodile nicht aus wie ein klischeebehafteter Homosexueller. Dann würde ihn Shiryu sicher in Ruhe lassen. Leider irrte er sich. „Du sitzt ja heute gar nicht bei deinem Mann“, meinte Shiryu plötzlich und verschlechterte Crocodiles Laune damit noch um ein Vielfaches. Gab es überhaupt noch jemanden in dieser Bar, der nicht über seine Trennung von Doflamingo Bescheid wusste? Eigentlich war er doch hierher gekommen, um sich abzulenken. „Heißt das, du bist heute Abend auf der Suche nach einem Anderen?“ Auch wenn es so wäre, würde ich garantiert nicht mit einem Typen, der offensichtlich auf Rollenspiele und Lederuniformen steht, ins Bett gehen, erwiderte Crocodile gedanklich. Er war so extrem niedergeschlagen, dass er nicht einmal Lust hatte, Shiryu eine fiese Absage zu erteilen. Ihm fielen so einige Sprüche ein (immerhin war es nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er in einer Bar angeflirtet wurde), doch anstatt seinem perversen Tischnachbarn eins auszuwischen, erhob er sich stumm von seinem Hocker und ging hinüber zu den Toiletten. Er hatte vor sich zu erleichtern und danach den Weg zurück nach Hause einzuschlagen. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Shiryu ihm einfach folgte. Es fiel Crocodile erst auf, als er sich bereits in der Herrentoilette befand. Die große, mächtige Gestalt des uniformierten Mannes versperrte die Türe. Was hatte er vor? Wollte er Crocodile begaffen, während er das Pissoir benutzte? Bei dieser Vorstellung lief es ihm eiskalt den Rücken herunter. Das war ja widerwärtig. Crocodiles Blick wanderte zu den Toilettenkabinen hinüber. Eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen, als er sich plötzlich daran erinnerte, dass er in einer der Kabinen mal Sex mit Doflamingo gehabt hatte. Vielleicht sollte er andere Menschen nicht vorschnell als pervers bezeichnen, gestand er sich beschämt ein, wenn er selbst jemand war, der Geschlechtsverkehr auf dreckigen Kneipentoiletten hatte. „Also?“, riss ihn Shiryus Stimme aus seinen Gedanken. „Also was?“, entgegnete Crocodile. Seine Stimme klang eher irritiert als angewidert. „Was tun wir jetzt?“, wollte Shiryu wissen und leckte sich über die Lippen. „Machst du Oralsex? Du könntest anfangen. Willst du hier bleiben? Sonst können wir auch in meine Wohnung gehen. Da habe ich auch Kondome.“ Crocodile verzog das Gesicht. Die Unverschämtheit seines Gegenübers war für ihn absolut unbegreiflich. Wie konnte man einfach einer völlig fremden Person auf die Toilette folgen und diese dann so unverblümt zum Sex auffordern? Crocodile hatte auch keine weiße Weste. In den Lebensjahren, in denen er in keiner festen Beziehung gewesen war, hatte er durchaus den einen oder anderen One-Night-Stand gehabt. Auch wenn sein Libido nicht so stark wie das anderer Männer war, konnte auch er nicht ganz auf Sex verzichten. Aber es war nie so abgelaufen wie hier. Lud man den Anderen nicht mal mehr zum Essen ein, bevor man Sex miteinander hatte? „Lass mich bloß in Ruhe“, sagte Crocodile mit abweisender Stimme. „Was soll das jetzt?!“, fuhr Shiryu ihn böse an und kam einen Schritt näher. „Wozu sind wir denn hierhin gekommen?“ Crocodile wäre am liebsten ein Stück zurückgewichen, doch hinter ihm befanden sich nur noch die Urinale. Der Ausgang wurde von Shiryus breiter Gestalt versperrt. Im Grunde saß Crocodile in der Falle. „Keine Ahnung, wozu du hierhin gekommen bist“, meinte er und hoffte darauf, seinem Gegenüber endgültig klarmachen zu können, dass er kein Interesse hatte. „Ich für meinen Teil wollte jedenfalls einfach nur pissen.“ „Hör auf mich zu verarschen“, knurrte Shiryu und kam noch etwas näher. Er packte Crocodile am Unterarm seiner rechten Hand und versuchte ihn zu sich zu zerren. Shiryu hatte so schnell nach ihm gegriffen, dass er überhaupt keine Gelegenheit hatte, um zu reagieren. Crocodile stemmte sich mit seinem gesamten Körpergewicht gegen den Zug an seinem Arm. Er versuchte sich zu wehren so gut es ging, doch im Grunde hatte er keine Chance. Seine einzige Hand befand sich in Shiryus schraubstockartigem Griff. „Zier dich nicht so“, gurrte sein Gegenüber. Inzwischen war er ihm so nah, dass er seinen üblen Mundgeruch riechen konnte. Crocodile verzog das Gesicht. In diesem Moment öffnete sich die Türe der Herrentoilette. Ein junger, blonder Mann in einem rosafarbenem T-Shirt stand im Türrahmen. Es war nicht Doflamingo. Es war Dellinger. Doflamingos jüngerer Cousin betrachtete die ihm gebotene Szene mit erschütterter Miene. Und ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, rannte er nach draußen. Die Toilettentüre fiel krachend ins Schloss. Nein, dachte Crocodile verzweifelt. Beinahe schossen ihm Tränen in die Augen. Warum hatte Dellinger nicht versucht ihm zu helfen? Sie beide waren doch befreundet. Oder wollte Dellinger nun, da er sich von dessen Cousin getrennt hatte, nichts mehr mit ihm zu tun haben? Crocodile fühlte sich verraten und hilflos. Panik breitete sich in seinem Körper aus, als er spürte, dass Shiryu begann mit seiner freien Hand das Hemd aus Crocodiles Hose zu zupfen. Weil er selbst keine Hand hatte, mit der er sich wehren könnte, trat er mit aller Kraft gegen das Schienbein seines Gegenübers. Unglücklicherweise trug Shiryu hochgeschlossene Lederstiefel und schien sich durch den festen Tritt nicht allzu sehr gestört zu fühlen. Crocodiles Unterarm schmerzte. Der Griff, in dem Shiryu ihn festhielt, tat höllisch weh. Ihm kam der Gedanke, dass er so etwas hier sicher nicht zum ersten Mal tat. Warum waren solche Menschen nicht hinter Gittern? Als er eine Hand an seinem nackten Bauch spürte, schloss Crocodile verzweifelt die Augen. Als Shiryu versuchte ihn in eine der Toilettenkabinen zu zerren, hörte er, dass sich die Türe zur Herrentoilette abermals öffnete. Hatte Dellinger sich besonnen und war zurückgekehrt, um ihm zu helfen? Crocodile öffnete seine Augen wieder und sah, wie sein Ehemann mit voller Wucht und ohne auch nur einen Moment lang zu zögern gegen Shiryus Unterarm trat. Obwohl Doflamingo -wie üblich- bloß flache, offene Schuhe trug, war der Tritt so stark, dass Crocodile sich sofort aus dem Griff befreien konnte. Mit aufeinander gepressten Lippen betrachtete er sein malträtiertes Handgelenk: Es pochte schmerzhaft und war blau angelaufen. Sofort fragte Crocodile sich, ob er am Montag überhaupt dazu in der Lage sein würde, ohne Schmerzen eine Tastatur oder Maus zu bedienen. „Was s...“ Shiryu bekam keine Gelegenheit, um auszusprechen. Doflamingos Faust traf ihn mitten ins Gesicht. Doch er war ein großer, breitschultriger Mann; größer und kräftiger sogar als Doflamingo. Ihn zwang so schnell keiner in die Knie. Zum Glück war Doflamingo nicht allein. Bellamy und Vergo packten sich jeweils einen Arm und drehten ihn auf Shiryus Rücken. Als es ihm dennoch beinahe gelang sich aus diesem Griff zu befreien, wurden sie von Kuma, der ein echter Riese war, unterstützt. Nun konnte selbst Shiryu sich nicht mehr wehren. Crocodile beobachte, wie Doflamingo wutentbrannt auf Shiryu einschlug. Immer wieder trafen zwei harte Fäuste seinen Körper und sein Gesicht. Um ehrlich zu sein, konnte Crocodile sich nicht daran erinnern, seinen Ehemann jemals so außer sich erlebt zu haben. Am Ende mussten Monet und Violet auf ihn einreden und ihn darum bitten aufzuhören, damit er Shiryu nicht völlig zu Brei schlug. In der Zwischenzeit wendeten sich ihm Dellinger und Cirkies zu. „Geht es dir gut?“, fragte ihn Doflamingos Cousin. Cirkies griff ungebeten nach seinem Unterarm und betrachtete skeptisch das bunt angelaufene Fleisch. „Das sieht wirklich schlimm aus. Kannst du deine Hand bewegen?“ „Ja“, antwortete Crocodile, der allmählich wieder zu sich fand. Sein Handgelenk tat schrecklich weh, doch glücklicherweise konnte er alle Finger bewegen. (Nicht auszumalen, was wäre, wenn er weder links noch rechts eine funktionierende Hand hätte.) „Alles in Ordnung. Mir geht es gut.“ „Von diesem Typen habe ich schon mal gehört“, sagte Bellamy, nachdem er den krankenhausreif geschlagenen Shiryu losgelassen hatte. Sein malträtierter Körper sackte auf den Boden; offensichtlich war er ohnmächtig geworden. „In der Szene nennt man ihn Ame no Shiryu. Ein ekliger Typ. Hat in fast allen Clubs Hausverbot, weil er sich an Männern und Frauen vergreift.“ „Mir hat man auch schon vieles von ihm erzählt“, fügte Dellinger hinzu. „Richtige Horrorgeschichten. Angeblich wäre er auf Bewährung draußen, nachdem er wegen einigen Sexualdelikten verurteilt wurde. Keine Ahnung, ob das stimmt.“ „Die sollen ihn lieber wieder hinter Gitter stecken“, knurrte Doflamingo. Es war ein angsteinflößendes Geräusch, das Crocodile noch nie bei seinem Ehemann gehört hatte. „Dort ist er sicher vor mir. Ich kann nicht garantieren, dass ich ihn nicht ins Grab prügle, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.“ Es breitete sich ein betretenes Schweigen aus, das irgendwann durch das erneute Öffnen der Türe durchbrochen wurde. Shakky betrat mit einem scharfen Gesichtsausdruck die Herrentoilette ihrer Bar. „Was ist passiert?“, wollte sie mit ernster, aber ruhiger Stimme wissen und blickte in die Runde. Shiryu, der bewusstlos und blutend am Boden lag, war natürlich nicht zu übersehen. „Der Typ hat versucht sich an Crocodile zu vergreifen“, erklärte Violet. „Stimmt das?“, fragte Shakky und wandte sich direkt an ihn. Crocodile zögerte. Er stand unter Schock und außerdem war ihm die ganze Sache furchtbar unangenehm. Er brachte kein Wort heraus. Schließlich griff Cirkies nach seinem Hemdsärmel, schob ihn nach oben und präsentierte Shakky seinen gequetschten Unterarm. Das schien der Barkeeperin Beweis genug zu sein. Während Shakky gemeinsam mit Kuma, Vergo und Bellamy den bewusstlosen Shiryu vor die Türe setzte, kam Doflamingo zu ihm herüber. „Geht es dir gut?“, fragte er. Man merkte ihm deutlich an, dass er immer noch aufgewühlt war, doch seine Stimme klang sanft. Crocodile nickte stumm. Er musste daran denken, wie sein Ehemann mit voller Wucht gegen Shiryus Bein getreten hatte, um ihn aus seiner schwierigen Lage zu befreien. „Danke, ich... dass du...“ „Du musst dich nicht bedanken“, meinte Doflamingo und winkte ab. „Du bist mein Mann. Ich würde nie zulassen, dass dir etwas zustößt.“ Crocodile senkte den Blick. Er fühlte sich immer noch ein wenig benommen. Gedankenverloren strich er sich eine verrutschte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin wirklich froh, dass ihr aufgetaucht seid“, flüsterte er. „Als Dellinger verschwunden ist... Da dachte ich für einen Moment wirklich, dass ich Shiryu nicht entkommen kann. Zum Glück habt ihr... mir geholfen.“ Crocodile war kein Mensch, der gerne Hilfe annahm; doch er sah ein, dass diese Sache ohne das beherzte Eingreifen seiner Freunde schlimm hätte ausgehen können. „Dellinger hat uns sofort Bescheid gegeben“, erklärte Doflamingo das Verhalten seines Cousins. „Dieser Typ war wirklich ein Ungeheuer und Dellinger ist, nun ja, nicht gerade ein Muskelpaket. Allein hätte er wohl kaum etwas ausrichten können. Er ist gegangen, um Hilfe zu holen. Es ist nicht seine Absicht gewesen dich im Stich zu lassen.“ „Das ist mir im Nachhinein auch klar geworden“, erwiderte Crocodile. „Darf ich mir mal deinen Arm ansehen?“, fragte Doflamingo. Crocodile zögerte nur einen kurzen Augenblick lang, ehe er seinem Ehemann seinen rechten Arm hinhielt. Behutsam schob Doflamingo den Ärmel nach oben und betrachtete Crocodiles Unterarm; die Haut oberhalb des Handgelenks leuchtete rot und blau. So vorsichtig, als wollte er die Flügel eines Schmetterlings berühren, fuhr Doflamingo mit dem Zeigefinger über die gequetschte Haut. Auch wenn die Verletzung weh tat, fühlten sich die Berührungen seines Ehemannes angenehm an. „Ich weiß, dass du nicht gerne zum Arzt gehst“, hörte er Doflamingo sagen, „aber bitte versprich mir, dass du da jemanden draufschauen lässt. Das sieht wirklich übel aus.“ Crocodile nickte. „Hoffentlich kann ich damit am Montag zur Arbeit. Aber ich sollte mich nicht beschweren. Das hätte auch anders ausgehen können. Zum Glück ist Dellinger zufällig zur selben Zeit zur Toilette gegangen.“ „Eigentlich war es kein Zufall“, meinte sein Ehemann und ließ seinen Arm los. „Ich habe ihn hinter dir her geschickt.“ Crocodile horchte auf. „Was? Wieso?“,wollte er wissen. Doflamingo schien sich mit einem Mal sehr unwohl in seiner Haut zu fühlen. „Shiryu ist mir von Anfang an aufgefallen“, erklärte er schließlich. „Ich kannte ihn zwar nicht, aber er kam mir irgendwie verdächtig vor. Als er dir dann gefolgt ist, obwohl du kein einziges Wort mit ihm gewechselt hast, habe ich angefangen mir Sorgen zu machen. Also habe ich Dellinger gebeten nach dem Rechten zu sehen. Offensichtlich hat sich mein Instinkt nicht getäuscht.“ „Warum bist du nicht selbst gegangen?“, war der erste Gedanke, der Crocodile kam. Doflamingo verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf's andere. „Ich wollte mich nicht aufdrängen“, sagte er nach einem kurzen Moment des Zögerns. „Stell dir mal vor, es wäre gar nichts gewesen und ich stünde in der Toilette auf einmal hinter dir. Weißt du, mein Therapeut hat mir geraten, dass ich mich dir nicht übertrieben annähern soll. Es schadet nur, wenn man sich dem Anderen aufdrängt.“ Crocodile nickte. Das klang einleuchtend. Offenbar nimmt Doflamingo diese Sitzungen mit seinem Psychotherapeuten sehr ernst. „Was heute passiert ist, wird mich bei der Bewältigung meiner Ängste allerdings ein Stück zurückwerfen“, meinte er und lachte halb ernst. Als Crocodile ihm einen fragenden Blick zuwarf, erklärte er: „Mein Therapeut sagt, dass meine Eifersucht und mein Kontrollwahn zu großen Teilen auf der Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte, basieren. Das muss ich in den Griff kriegen. Dabei helfen Vorfälle wie dieser hier natürlich nicht unbedingt.“ „Tut mir leid, dass mir ständig etwas passiert“, sagte Crocodile ebenfalls halb ernst. „Du bist wirklich ein Pechvogel, Wani“, gluckste Doflamingo. „Aber ich komme immer mit einem blauen Auge davon“, gab er schmunzelnd zurück. „Möchtest du dich zu uns an den Tisch setzen?“, fragte sein Ehemann. „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile. Das Lächeln auf Doflamingos Lippen erstarb angesichts dieser Absage schlagartig. „Um ehrlich zu sein, möchte ich einfach nur nach Hause. Also zu Hancock. Mir ist wirklich nicht mehr nach Feiern zumute. Aber danke für das Angebot.“ „Ich rufe für dich ein Taxi“, meinte Doflamingo und ehe Crocodile etwas dagegen einwenden konnte, hatte er bereits sein Handy hervorgeholt. Gemeinsam gingen sie vor die Türe, um auf das Taxi zu warten. Es war kühl geworden und Crocodile schlang seinen Mantel eng um seinen Körper. Es handelte sich um den teuren Nerzmantel, den sein Partner ihm einst geschenkt hatte. „Wegen meiner Handynummer...“, begann Crocodile, doch da sah er schon das Taxi um die Ecke biegen. „Ich schicke dir morgen eine SMS mit meiner neuen Nummer, ja?“ „Ja“, antwortete Doflamingo. Zu einer längeren Erwiderung blieb keine Zeit, denn Crocodile stieg rasch in das Taxi ein. ~ Hancock hatte Mihawk, Daz und Doflamingo zu einem gemeinsamen Abendessen bei sich Zuhause eingeladen. Crocodile fand die Vorstellung mit seinem Bruder, seinem besten Freund und seinem Ehemann gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und so zu tun als wäre nie etwas gewesen, sehr befremdlich. Er war sich auch nicht sicher, ob seine Schwester hierbei nicht irgendwelche Hintergedanken hatte - doch was sollte er tun? Hancock konnte in ihr Haus einladen, wen auch immer sie wollte. Es stand Crocodile nicht zu ihr Vorschriften zu machen; immerhin war er selbst auch nur ein Gast. Crocodile hatte sich noch nicht auf Wohnungssuche begeben. Keine Inserate in der Zeitung oder im Internet durchgeschaut. Er brachte es einfach nicht über sich diesen Schritt zu gehen. Eine eigene Wohnung zu beziehen, bedeutete, dass er sich vollkommen von seinem Ehemann lossagte. Dass eine Versöhnung in der Zukunft einhundertprozentig ausgeschlossen war. Dass sie von nun an absolut getrennte Wege gehen würden. Und Crocodile war sich nicht sicher, ob er das wollte. Überraschenderweise gestaltete sich der Abend weniger unangenehm und komisch als Crocodile es befürchtet hatte. Er begrüßte seinen Ehemann mit einer kurzen Umarmung, genauso wie seinen Freund Daz. Es gab zwischen ihnen kein peinliches Schweigen und auch keine verlegenen Blicke. Hancock hatte geschmortes Lammfleisch mit Kartoffeln und Sauce vorbereitet - das Essen war nicht schlecht, aber schmeckte nicht so gut wie aus Crocodiles Hand. (Die Sauce war nicht selbstgemacht.) Nachdem Hancock ihre Tochter zu Bett gebracht hatte, holte sie eine gute Flasche Wein aus dem Keller und schenkte jedem ein Glas ein. Crocodile, dem eigentlich nicht nach Alkohol zumute war, war zu höflich, um den Wein abzulehnen. Er wollte Hancock, die sich für diesen Abend viel Mühe gemacht hatte, nicht verletzen. Selbst Daz, der nachher mit dem Auto zurück nach Hause fahren wollte, genehmigte sich ein Glas. Der Wein schmeckte gut und löste die Zungen. Es dauerte nicht lange, bis sich alle ausgelassen über dieses oder jenes unterhielten. Mihawk berichtete davon, dass seine Fechtschülerin Tashigi zur Besinnung gekommen war und sich endlich wieder auf ihr Training konzentrierte. Daz hatte eine Gehaltserhöhung bekommen. Für Nozomi würde ab nächsten Monat die Eingewöhnung in die Krippe starten, damit Hancock ihre Arbeit als Nageldesignerin wieder aufnehmen konnte. Crocodile, über dessen Privatleben nicht viel zu berichten war, weil er faktisch kaum etwas Anderes tat als in seinem Bett zu liegen oder Nozomis Kinderwagen durch die Gegend zu schieben, erzählte ein paar lustige Anekdoten von seiner Arbeit. Hancock, Daz und Doflamingo konnten sich kaum halten vor Lachen als er beschrieb wie sein Chef Franky zu einem wichtigen Kundengespräch in Badeshorts und Hawaii-Hemd erschienen war. Gegen elf Uhr abends verabschiedete sich Daz und machte sich auf den Heimweg. Crocodile fand es sehr schade, dass er ihre lustige Runde bereits wieder verließ. Die Anwesenheit seines alten Studienfreundes hatte ihm unwahrscheinlich gutgetan. Mihawk rief sich eineinhalb Stunden und zwei Flaschen Wein später ein Taxi. Und als Nozomi um ein Uhr nachts plötzlich aufwachte und laut schrie, sodass Hancock nach oben ins Kinderzimmer huschen musste, um nach ihr zu sehen, waren nur noch Crocodile und Doflamingo übrig geblieben. Nun wurde es doch ein wenig komisch. Crocodiles Geist war vom Alkohol vernebelt. Er hatte deutlich mehr Wein getrunken als ursprünglich geplant. Aber er hatte sich in ihrer geselligen und lustigen Runde mit seinem lachenden Ehemann an seiner Seite nicht zurückhalten können. Ungeniert ließ Crocodile seinen Blick über die Gestalt seines Partners wandern. Doflamingo sah wieder besser aus. Seine Haut hatte ihren gräulichen Unterton verloren und auch die Augenringe waren deutlich zurückgegangen. Das fröhliche Grinsen auf seinen Lippen stand ihm außerordentlich gut. Völlig unerwartet musste Crocodile an die ersten Verabredungen, die er damals vor etwa zwei Jahren mit Doflamingo gehabt hatte, zurückdenken. Viel schneller als er es je für möglich gehalten hätte, war er dem Charme dieser süßen Lippen verfallen. Er erinnerte sich daran wie unfassbar wohl er sich in der Nähe des anderen Mannes gefühlt hatte. Ihr zweites Date hatte nur zwei Tage nach dem ersten stattgefunden. Und jedes Treffen hatte sich federleicht angefühlt. „Woran denkst du?“ Es war die sanfte Stimme seines Partners, die ihn aus seinen Gedanken riss. „An das Outfit, das du bei unserem ersten Date getragen hast“, gab Crocodile schmunzelnd zurück. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mir vorgenommen hatte, diesen pinken Federmantel in den Müll zu schmeißen, sobald wir ein Paar geworden wären.“ „Einmal hast du mit deiner Zigarre ausversehen ein Loch hineingebrannt“, meinte Doflamingo und lachte leise. Es war ein sanftes, schönes Geräusch, das Sehnsüchte in Crocodile weckte. „Es war wirklich ausversehen“, verteidigte er sich. Keiner von ihnen beiden wandte den Blick ab. Am Ende wusste Crocodile nicht mehr, von wem der Kuss ausgegangen war. In diesem Moment existierten bloß die warmen, weichen Lippen seines Partners. Als Doflamingos Zunge über seine Unterlippe strich, öffnete Crocodile ohne nachzudenken den Mund. Leise seufzend schloss er seine Augen und genoss, wie die fremde Zunge neugierig seinen Mundraum erkundete. Eigentlich war Crocodile nie ein Freund vom Knutschen gewesen. Ihn erregten Zungenküsse beim Sex, aber davon ab hatte er sie immer als irgendwie unangenehm empfunden. Doch jetzt gerade war alles anders. Crocodile war wie in Trance. Er wehrte sich nicht, als Doflamingos feingliedrige Finger das Hemd aus seiner Hose zupften und unter den teuren Stoff schlüpften. Tatsächlich genoss er es, als sein Partner sanft die Haut an seinem Bauch streichelte und liebkoste, ohne den intensiven Kuss zu unterbrechen. Es dauerte nicht lange, bis die Hände auch seine Hüften, seinen Rücken und seine Brust erreicht hatten. Gänsehaut breitete sich auf Crocodiles Unterarmen aus, als Doflamingos Finger zärtlich über seine Brustwarzen strichen. Die Berührung war federleicht, doch weckte in Crocodile eine Gier, die er nicht hätte in Worte fassen können. Er spürte, wie sein Glied steif zu werden begann. Ohne sich zu schämen griff er mit seiner rechten Hand in Doflamingos sowieso nur lose bis zum Bauchnabel geknöpftes Hemd. Seine Haut fühlte sich warm und unfassbar weich an. Sehnsüchtig ertastete Crocodile die definierten Bauchmuskeln, die er darunter spüren konnte. Er löste den Kuss auf und nahm stattdessen die linke Brustwarze seines Partners zwischen die Lippen und saugte herzhaft daran. Das überwältigte Stöhnen, das er von Doflamingo zu hören bekam, ließ sein erigiertes Glied zu seiner vollen Größe anschwellen. Geschickt öffnete Crocodile mit nur einer Hand den Gürtel seines Ehemannes, während sich Doflamingo wiederum an seinem Gürtel zu schaffen machte. Crocodile wartete nicht ab, bis Doflamingo aufgeholt hatte. Ungeduldig griff er nach dem steifen Glied seines Partners; es fühlte sich unwahrscheinlich warm an und pulsierte in seiner Hand. Ohne auch nur einen weiteren Gedanken zu verschwenden, beugte Crocodile sich hinunter und nahm die feucht glänzende Eichel vollständig in den Mund. Er musste nicht lange saugen - zwei kurze Stöße mit seinem Kopf reichten aus, um Doflamingo zum Höhepunkt zu bringen. Einen Moment lang wunderte sich Crocodile über die warme, dicke Flüssigkeit auf seiner Zunge, denn eigentlich war sein Ehemann kein Mensch, der übermäßig früh kam. Dann fiel ihm allerdings ein, dass Doflamingo ihm während ihrer Trennung womöglich treu geblieben war. Ein angenehmer und irgendwie rührender Gedanke. Für einen Mann wie ihn war es sicher nicht leicht enthaltsam zu leben. Crocodile, der allein mindestens die Hälfte des Weins getrunken hatte, wollte sich bei Doflamingo dafür revanchieren. Ohne sich zu beschweren schluckte er das Sperma seines Partners hinunter. „Tut mir leid“, hörte er diesen jedoch mit beschämt und angetrunken klingender Stimme sagen. „Ich... Das war nicht...“ „Mascht doch nicks...“, lallte Crocodile und winkte ab. Es machte wirklich nichts. Doflamingo besaß das Libido eines Achtzehnjährigen und auch dessen Energie: Kaum war sein Orgasmus abgeebbt, stellte sich sein Glied erneut auf. Vielleicht lag es daran, dass Crocodile betrunken war. Oder daran, dass er wochenlang keinen Sex gehabt hatte. Jedenfalls überkam ihn mit einem Mal das unfassbare Bedürfnis, Doflamingos Männlichkeit in sich zu spüren. „Hascht du Gleitgel tabei?“, wollte er ungeniert wissen. Eine Frage, die man ihn nüchtern niemals in diesem Tonfall würde stellen hören. „In meiner Jacke“, antwortete Doflamingo. „Die hängt im Flur. Wir könnten das Gleitgel holen und uns in dein Zimmer verziehen.“ Crocodile, der nur schwer den Blick von dem Organ seines Partners abwenden konnte, nickte. Das klang nach einem guten Plan. Doflamingo stützte ihn auf dem Weg hinüber in den Flur und auch während sie die Treppe hochstiegen. Crocodile war so betrunken, dass er zweimal beinahe stürzte. In seinem Zimmer (eigentlich war es Hancocks Gästezimmer) ließ Crocodile sich sofort auf das Bett fallen. Ungeduldig schleuderte er seine Hose fort, die bloß noch lose um seine Hüften gehangen hatte. Zeitgleich benetzte Doflamingo seine Finger und sein Glied mit der Gleitcreme, die er hastig aus seiner Manteltasche gefischt hatte. Als Doflamingo seine Sonnenbrille abnahm und sie auf den Nachttisch legte, lief Crocodile ein heißer Schauer über den Rücken. Sie stürzten sich förmlich aufeinander. Für einen Außenstehenden wäre nicht mehr erkennbar gewesen, welches Bein oder welcher Arm zu welchem Körper gehörte. Sehnsüchtig, ungeduldig, völlig von ihrer Lust übermannt berührten sie alles, was sie erreichen konnten, mit ihren Fingern und Zungen. Crocodile fühlte sich unwahrscheinlich wohl. Der Wein hatte in seinem Torso eine angenehme Wärme hinterlassen. Doflamingos Körper war schwer und roch gut. Und als er einen Finger in seinem Eingang spürte, tanzten Sterne vor seinen Augen. Am Ende machte er keine wesentlich bessere Figur als sein Ehemann. Doflamingo musste nur wenige Male ihn in stoßen, bis er zum Orgasmus kam. Crocodile genoß jede einzelne Sekunde. Er atmetete tief den Geruch seines Partners ein, spürte sein Gewicht auf ihm, sein Glied in ihm und lauschte begierigt seinen Liebesbekundungen. Wie sehr er ihn vermisste... dass er sein Ein und Alles war... dass alles wie früher werden würde... Wenige Augenblicke später kam Doflamingo ein zweites Mal zum Höhepunkt. Völlig erschöpft und berauscht glitt Crocodile in einen tiefen Schlaf über, noch ehe sein Ehemann sich aus ihm entfernt hatte. Es war ein traumloser Schlaf, doch zum ersten Mal fühlte Crocodile sich in Hancocks Gästebett wirklich wohl und geborgen. Wochenlang hatte er nicht mehr so ruhig geschlafen wie in dieser Nacht. So schön wie die Nacht gewesen war, so grässlich war der nächste Morgen. Crocodiles Schädel fühlte sich an als wäre jemand mit einer Dampfwalze drübergefahren und sein Mund war so trocken, dass er nicht schlucken konnte. Ihm war hundeelend zumute. Die rechte Seite des großen Bettes in Hancocks Gästezimmer war verwaist. Es erstaunte Crocodile, dass ihn diese Tatsache enttäuschte. Er hatte nicht vergessen, was gestern Abend geschehen war. Berauscht vom Wein war er mit Doflamingo im Bett gelandet. Crocodile wandte den Blick von der freien Bettseite ab. Das Kissen war aufgeschüttelt und das Laken sorgsam glatt gestrichen worden. Offenbar war Doflamingo nicht hastig aufgestanden, sondern hatte sich die Mühe gemacht, das Bett so ordentlich wie möglich zu hinterlassen. Als wäre er nie hier gewesen. Als hätte der gestrige Abend nicht stattgefunden. Plötzlich kam Crocodile ein beängstigender Gedanke: Betrachtete Doflamingo ihre gemeinsam verbrachte Nacht womöglich als einen Fehler? War er in Begriff gewesen über ihre Ehe hinwegzukommen und sah diesen Sex als einen Rückschlag an? Die Vorstellung, dass Doflamingo nicht länger verzweifelt auf seine Rückkehr wartete, sondern sich allmählich mit der Situation zu arrangieren begann, jagte Crocodile Angst ein. Er war von seinem Ehemann immer wie ein König verehrt worden. Von ihrer ersten Verabredung bis zum Ende ihrer Beziehung war er von Doflamingo stets auf Händen getragen worden. Jeden Wunsch hatte er ihm erfüllen wollen. Dass genau derselbe Mann nun ihr Bett verließ ohne irgendeine Spur zu hinterlassen, verletzte Crocodile. Mühsam erhob er sich und sammelte seine verstreut auf dem Boden liegende Kleidung auf. Unter normalen Umständen hätte Crocodile erst einmal geduscht und wäre dann in frische Sachen geschlüpft, doch er fühlte sich so elend, dass er dazu keine Kraft aufbrachte. Stattdessen gab er sich mit einer Katzenwäsche zufrieden. Im Badezimmerspiegel blickte ihm eine bleiche, unglücklich dreinschauende Gestalt entgegen. Seine Augen waren bläulich umschattet. Leise seufzte er auf. Crocodile trank eigentlich keinen Kaffee, doch heute war er ausnahmsweise der Meinung, dass ihm eine Tasse sicherlich guttun würde. Müde stolperte Crocodile unten in die Küche. Nachdem er den Kaffee ausgesetzt hatte, schenkte er Wasser in ein großes Glas ein. Er durchsuchte Hancocks Schubladen nach einer Aspirintablette, doch konnte keine finden. „Du musst keinen Kaffee kochen. Hancock ist nicht da.“ Crocodile erschreckte sich so sehr, dass er das Glas Wasser, das er in der Hand gehalten hatte, fallen ließ. Es landete laut krachend auf dem Fliesenboden und zersprang in hundert Scherben. Doflamingo saß auf einem Stuhl am Küchentisch. Crocodile hatte ihn überhaupt nicht bemerkt. „Tut mir leid“, sagte er und erhob sich, „ich wollte dich nicht erschrecken.“ Stumm begann er die Scherben vom Fußboden aufzulesen. „Wo ist denn Hancock?“, war die erste Frage, die Crocodile in den Sinn kam. „Sie hat einen Anruf aus dem Nagelstudio bekommen“, antwortete Doflamingo und warf die Scherben in den Mülleimer. „Es gibt irgendein Problem mit Materialen, die sie bestellt hatte und darum musste sie schnell hin, um die Sache zu klären.“ Crocodile nickte. Doflamingo war fast fertig mit dem Aufsammeln der Scherben, als Crocodile einfiel, dass er ihm vielleicht helfen sollte. Mühsam bückte er sich und hob, so gut es mit einer Hand eben ging, zwei Glasscherben auf. Doch Doflamingo winkte ab. „Ich mache das schon“, sagte er und nahm ihm das Glas ab. Der Kaffee war fertig, als alle Scherben entsorgt und der Boden gekehrt war, doch Crocodile war die Lust auf's Kaffeetrinken vergangen. „Warum bist du noch hier?“, fragte er seinen Ehemann mit leiser Stimme. Hatte Hancock ihn gebeten auf Nozomi aufzupassen, während sie im Nagelstudio war? Aber er war doch auch noch da. Seine Frage schien Doflamingo sauer aufzustoßen; er verzog unangenehm berührt das Gesicht. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen“, sagte er schließlich. Er nahm seine Brille ab, klappte sie zusammen und legte sie auf den Küchentresen. Wie immer, wenn Doflamingo seine Sonnenbrille nicht trug, überkam Crocodile das Gefühl geröntgt zu werden. Die beiden grünen Iridien übten eine geradezu magische Anziehungskraft auf ihn aus. „Bei mir entschuldigen?“, wiederholte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass ihm das Herz in die Hose rutschte. Doflamingo nickte mit schuldbewusster Miene. „Was ich getan habe, war falsch“, sagte er. „Die gestrige Nacht... das hätte so nie passieren dürfen. Es tut mir leid.“ Diese Entschuldigung versetzte Crocodile einen Stich ins Herz. Unweigerlich musste er an das aufgeschüttelte Kissen und das glattgezogene Bettlaken denken. Doflamingo betrachtete es also tatsächlich als Fehler, dass sie sich wieder angenähert hatten. „Es ist nicht allein deine Schuld gewesen“, erwiderte Crocodile. „Wir waren beide betrunken...“ „Ich hätte es auch getan, wenn ich nüchtern gewesen wäre“, unterbrach ihn sein Ehemann. „Ich habe ausgenutzt, dass du betrunken warst. Und das ist nicht richtig gewesen. Ich... Es ist nur...“ Plötzlich geriet seine Stimme, die vorher so sicher und fest geklungen hatte, ins Stocken. „Ich habe dich so schrecklich vermisst, Crocodile. Ich kann nicht in Worte fassen wie sehr du mir fehlst. Deine Stimme und dein Geruch... Als du allein neben mir gesessen hast, konnte ich dir einfach nicht widerstehen. Ich schäme mich dafür sehr. Natürlich möchte ich dich zurück, das möchte ich mehr als alles andere. Aber... aber doch nicht so. Ich habe mich hinreißen lassen, Crocodile, und es tut mir aufrichtig leid.“ Oh. Dieses Geständnis überraschte Crocodile. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Doflamingo war kein Mann, dem es leicht fiel über seinen Schatten zu springen und sich zu entschuldigen. Eigentlich gestand er bloß dann einen Fehler ein, wenn man ihn dazu zwang. „Es ist wirklich nicht allein deine Schuld gewesen“, versuchte Crocodile ihn ein wenig zu trösten. „Du hast Recht damit, dass ich betrunken war. Aber ich wollte es ebenso sehr wie du. Du stellst diese Nacht falsch dar, wenn du so tust, als wärst du über mich hergefallen. So war es nicht.“ Seine Worte schienen Doflamingo ein wenig zu besänftigen. Ein zaghaftes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Hast du eben eine Kopfschmerztablette gesucht?“, fragte er ihn. „Ich habe welche in meiner Manteltasche, wenn du eine möchtest.“ Crocodile, der sich allmählich zu fragen begann, was sein Ehemann noch alles in seinem Mantel mit sich herumschleppte, nickte stumm. Doflamingo holte die Tablette und gab sie in ein Glas Wasser, das er ihm reichte. Für sich selbst goss er den Kaffee ein, von dem er ausgegangen war, dass Crocodile ihn für Hancock aufgesetzt hatte. Eine Weile lang sagte keiner von ihnen ein Wort. Crocodile nahm schlückchenweise das Wasser zu sich, während Doflamingo seine Tasse Kaffe trank. „Ist mit deinem Arm alles in Ordnung?“, fragte Doflamingo irgendwann. Crocodile, dessen Schädel schrecklich pochte, brauchte einen Moment, um zu verstehen, worauf die Frage seines Ehemannes anspielte. Er nickte und hielt Doflamingo seinen rechten Arm hin. Behutsam schob dieser den Ärmel nach oben und begutachtete die mit Hämatomen übersäte Haut; inzwischen hatten sie zum Glück bloß noch eine hellgelbe Färbung. Es würde nicht lange dauern, bis sie vollkommen verschwunden waren. „Kurz bevor du aufgewacht bist, hat Hancock mich angerufen. Diese Sache mit der falsch bestellten Ware scheint sich wohl etwas hinzuziehen. Sie hat mich gebeten nach Nozomi zu sehen. Hättest du vielleicht Lust ein bisschen mit uns spazieren zu gehen?“ „Warum nicht?“, antwortete Crocodile. Ein bisschen frische Luft würde ihm sicher guttun. ~ Heute Abend würde Crocodile sich mit Doflamingo treffen. Sein Ehemann hatte ihn um eine gemeinsame Verabredung gebeten; er wollte mit ihm im Flying Lamb zu Abend essen. Es war dasselbe Restaurant, das Doflamingo damals komplett nur für sie beide gebucht hatte, um ihren neunten Monatstag zu feiern und ihn zu fragen, ob er nicht bei ihm einziehen wollte. Crocodile kam dieser Abend sehr weit entfernt vor. In der Zwischenzeit war so unfassbar viel passiert. Crocodile war mit seinem Mercedes C 216 durch die Waschanlage gefahren und hatte sich ein neues, teures Hemd gekauft. Wahrscheinlich war es dämlich, aber er wollte bei diesem Date einen guten Eindruck machen. Doflamingo, der im Eingangsbereich des Lokals auf ihn gewartet hatte, begrüßte ihn mit einer Umarmung und einem kurzen, aber zärtlichen Kuss auf den Mund. Er half ihm aus seinem Mantel und nahm ihn an die Hand, um ihn zu ihrem Tisch zu führen. Dieses Mal hatte sein Ehemann das Flying Lamb nicht allein für sich angemietet. Wie damals, als sie mit einigen Freunden zu Besuch kamen, hatte er stattdessen den besten Tisch reserviert. Im kleinen, eleganten Separee fühlte Crocodile sich viel wohler. Noch gut konnte er sich daran erinnern, wie unangenehm es ihm vorgekommen war, in einem völlig ausgestorbenen Restaurant zu speisen. „Du siehst gut aus“, sagte Doflamingo, nachdem sie sich gesetzt hatte. Der blonde Kellner zündete die Kerzen an ihrem Tisch an. „Ist das Hemd neu?“ Crocodile nickte. „Ich bin mit Hancock einkaufen gewesen“, erzählte er. „Sie hat ein Kleid gesucht, das sie beim Elternabend in der Krippe tragen kann.“ „Wie macht Nozomi sich? Fühlt sie sich in der Krippe wohl?“ Er zuckte mit den Schultern. „Bisher sind sie immer nur eine oder zwei Stunden dort gewesen. Die Erzieherinnen sagen, dass man ein Kind in Nozomis Alter lieber langsam eingewöhnt. Erst ab nächster Woche wird sie zum ersten Mal ohne Hancock dort bleiben.“ „Bestimmt wird Nozomi sich gut machen. Sie ist es ja schön gewöhnt, mal ein paar Stunden ohne ihre Mutter zu verbringen. Wir sind ja auch oft mit ihr unterwegs gewesen“, warf sein Partner ein. Der Kellner kam zu ihrem Tisch, um nach ihren Wünschen zu fragen. Crocodile hatte sich für Schweinefilet entschieden; Doflamingo nahm Hummer. Außerdem bestellten sie eine Flasche des besten Weins des Hauses. „Und wie läuft es bei der Arbeit?“, fragte sein Ehemann, während er sich ein Stück Brot mit Knoblauchsauce in den Mund stopfte. „Bestimmt hast du beide Hände voll zu tun... Also... Ich meine, du bist sicher im Stress, oder? Der Erfolg der letzten Messe hat die Erwartungshaltung erhöht.“ Crocodile verzog das Gesicht. Er hasste es jemanden zu küssen, der kurz zuvor Knoblauch gegessen hatte. „Ich komme zurecht“, antwortete er und winkte ab. „Und ab nächsten Monat bekomme ich Unterstützung durch eine neue Sekretärin. Franky und ich machen so viel Arbeit, dass Kiwi und Moz alleine nicht mehr hinterherkommen.“ „Eine neue Sekretärin?“, hakte Doflamingo nach. „Hört sich gut an. Weißt du schon, wer es ist?“ Crocodile grinste. „Eigentlich ist es keine neue Sekretärin“, meinte er. „Sondern eine alte Sekretärin.“ Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. Crocodile wusste genau, dass er es nicht ausstehen konnte, wenn man in Rätseln sprach. „Was meinst du damit?“, wollte er wissen und tunkte sein Brot erneut in Knoblauchsauce. „Robin hat die Bank verlassen“, erklärte er freudestrahlend. „Stattdessen wird sie meine neue Sekretärin bei Tom's Workers!“ „Wirklich?“, meinte sein Partner überrascht und erwiderte sein Lächeln. „Das ist ja klasse! Du und Robin seid ein gutes Team gewesen. Ich weiß noch, dass sie oft auf deinem Bürostuhl saß. Das war wirklich niedlich anzusehen.“ Crocodile nickte begeistert. „Eine bessere rechte Hand als Robin kann man sich nicht wünschen. Ohne sie wäre ich damals bei der Bank aufgeschmissen gewesen. Ich bin wirklich froh, dass wir beide wieder zusammenarbeiten werden.“ „Aber warum hat sie die Bank verlassen?“ Der Kellner servierte ihre Speisen und Getränke. Crocodile nahm einen Schluck Wein. „Da hat es wohl mehrere Gründe gegeben“, meinte er schulterzuckend. „Zum Einen war sie unzufrieden mit ihrem neuen Vorgesetzten. Du erinnerst dich an Buggy, oder? Tashigi hatte von ihm erzählt. Dieser Versager hat wohl immer wieder versucht ihr seine Fehler in die Schuhe zu schieben. Nun, und zum Anderen ist sie ja nun mit Franky zusammen. Der Wechsel hat also ganz gut gepasst.“ „Sie ist mit Franky zusammen und wollte trotzdem lieber als deine Sekretärin arbeiten?“ Doflamingo hatte einen verwunderten Gesichtsausdruck aufgesetzt. „Nun ja, Robin und ich sind ein eingespieltes Team“, erklärte Crocodile ihm. „Genauso wie Franky und seine beiden Sekretärinnen. Never change a running system.“ Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Und wahrscheinlich hätte Franky es auch ein wenig seltsam gefunden, seine Freundin als seine persönliche Sekretärin einzustellen.“ „Ich hätte nichts dagegen, wenn du als mein Sekretär arbeiten würdest“, gab Doflamingo neckisch grinsend zurück. Crocodile verpasste ihm unter'm Tisch einen Tritt, doch sein Ehemann ließ sich davon nicht im Geringsten stören. „Aber nur wenn du ein sexy Sekretärinnen-Kostüm trägst“, fügte er hinzu und schmunzelte. „Wenn du so weitermachst, schütte ich dir gleich meinen Wein ins Gesicht“, drohte Crocodile, der von diesen anzüglichen Andeutungen nun wirklich genug hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und warf seinem Partner einen bösen Blick zu. „Ist ja gut. Ich halte mich zurück“, meinte Doflamingo, der sich allmählich wieder einkriegte. Irgendwann wurde er wieder ein bisschen ernster und sagte: „Deinem alten Arbeitgeber scheint es jedenfalls ziemlich schlecht zu gehen. Zuerst verliert die Bank dich. Nun auch Robin. Buggy hat sich als kompletter Fehlgriff erwiesen. Inzwischen habe natürlich auch ich als Kunde dort meine Koffer gepackt. Akainu und Sengoku sind förmlich in Panik geraten. Das war lustig anzusehen. Ich hätte es dir gegönnt dabei gewesen zu sein, nur um ihre Gesichter zu sehen.“ „Miese Arschlöcher“, hauchte Crocodile und nahm einen weiteren Schluck Wein. Doflamingo nickte. „Das kannst du laut sagen“, meinte er mit eindringlicher Stimme. „Weißt du, was ich herausgefunden habe, als ich dort aufgeschlagen, um meine Verträge zu kündigen?“ Crocodile ließ von seinem Weinglas ab und warf seinem Ehemann einen erwartungsvollen Blick zu. Wovon sprach Doflamingo? Was hatte er herausgefunden? „Die Bank hat einen großen Haufen meiner Kohle verzockt“, erklärte er ihm mit zorniger Stimme. „Achtzehn Millionen Berry - einfach verspekuliert.“ „Achtzehn Millionen Berry?!“ Crocodile glaubte sich verhört zu haben. Das konnte doch nicht wahr sein! Doch Doflamingo nickte mit zusammengepressten Lippen. „Das ist schon vor fast zwei Jahren passiert. Aber mir hat man nichts davon erzählt, dass mein Geld verzockt wurde. Stattdessen haben sie versucht die Sache geheimzuhalten und den Fehler irgendwie wieder glattzubügeln.“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Ehemann ihm da berichtete. Es fühlte sich an, als würde ihm jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Bestürzt senkte er den Blick. Das Bild der edlen Stoffserviette, die auf seinem Schoß lag, verschwamm vor seinen Augen. „Crocodile?“ Doflamingos Stimme klang plötzlich sehr weit weg, obwohl er doch gegenüber von ihm am Tisch saß. „Geht es dir gut? Du bist plötzlich so blass geworden.“ Er hörte, wie ein Stuhl nach hinten geschoben wurde. Einen Moment später war sein Partner an seiner Seite. Erst als Doflamingo seine rechte Hand nahm und in die seinen legte, schreckte Crocodile wieder auf. „Es ist für mich nicht so schlimm wie es sich anhört“, erklärte er ihm mit sanfer Stimme. „Ich kann einen Verlust von achtzehn Millionen Berry verkraften. Mich kotzt eher an, wie ich von meiner Bank behandelt wurde. So kann man mit mir nicht umgehen. Wani? Wani!“ Crocodile schüttelte langsam den Kopf. Mit einem Mal hatte er die Antwort erhalten, auf die er schon so lange wartete. „Doffy“, flüsterte und warf ihm einen intensiven Blick zu. „Verstehst du es denn nicht?! Alles passt zusammen!“ „Was meinst du...?“ Doflamingo schien nicht zu begreifen, worauf er hinauswollte. „Vor knapp zwei Jahren hat die Bank dein Vermögen verspekuliert“, erklärte Crocodile ihm mit leiser, ernster Stimme. „Und zu genau dieser Zeit ist mir damals gekündigt worden. Verdammt, Doffy: Deswegen wollten die Bank mich loswerden. Sengoku hatte Angst, dass ich von dem Verlust der achtzehn Millionen Berry erfahre und dir davon erzähle! Er hat doch gewusst, dass wir beide eine Paar gewesen sind.“ Nun endlich schien auch sein Ehemann den Zusammenhang zu verstehen. Sein Gesichtsausdruck wechselte von besorgt über schockiert bis hasserfüllt. „Diese Hurensöhne!“, zischte er und quetschte Crocodiles Hand, die noch immer zwischen seinen lag. „Diese verdammten Wichser! Aber natürlich... Du hast Recht! Verdammt, es ergibt alles einen Sinn. Das passt zusammen!“ Crocodile nickte hektisch. Er konnte nicht eindeutig einordnen, ob es ihn erleichterte oder aufregte, dass er endlich den Grund für seine Kündigung kannte. Eigentlich hatte er mit der Bank nichts mehr zu tun. Bei Tom's Workers fühlte er sich sowieso viel wohler. Auf der anderen Seite konnte er nachvollziehen, dass sein Ehemann sich von Sengoku verraten fühlte. Plötzlich breitete sich auf Doflamingos Lippen ein Grinsen aus. So hatte Crocodile seinen Ehemann noch nie grinsen sehen. Es war ein wahnsinniges, grausames Grinsen. „Dafür werde ich sie büßen lassen“, sagte Doflamingo. Und er sagte es mit einem solchen Unterton in der Stimme, dass Crocodile nicht auch nur für einen einzigen Moment an seinen Worten zweifelte. „Ich werde mir den besten Anwalt besorgen, den in es in diesem Land zu kaufen gibt. Nein - eine ganze Armada von Top-Anwälten. Und ich werde diese Bank verklagen, bis ihnen gerade noch genug Kohle bleibt, um ihr beschissenes Gebäude abzureißen!“ „Du willst Sengoku vor Gericht ziehen?“ Crocodile warf seinem Partner einen ungläubigen Blick zu. Doflamingo nickte energisch. „Ich werde mir meine achtzehn Millionen Berry zurückholen, die sie verzockt haben. Und ich werde Schadensersatz für die Kündigung meines Ehemannes verlangen, da diese nur ausgesprochen wurde, um zu verhindern, dass ich vom Verlust meines Geldes erfahre. Diese Klage wird die Bank ihre Existenz kosten! Nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch die Paparazzi werden sie zugrunde richten. Verdammter Sengoku! Das hat er verdient!“ „Erinnere mich daran, darauf zu achten, dass ich niemals deinen Zorn auf mich ziehe“, sagte Crocodile, halb amüsiert, halb ernst angesichts der hasserfüllten Reaktion seines Partners. ~ Seine Trennung von Doflamingo lag nun vier Monate zurück. Crocodile war noch immer nicht in die Villa, in der er gemeinsam mit seinem Ehemann gewohnt hatte, eingezogen. Er lebte auch nicht mehr bei seiner Schwester Hancock. Stattdessen hatten Doflamingo und er sich ein hübsches Haus im Vorort ausgesucht. Es lag verborgen hinter ein paar alten Bäumen, die einen großen Garten einrahmten. Doflamingo, der zeit seines Lebens zu den Reichen der Reichen gehört hatte, legte viel Wert auf die Wahrung seiner Privatsphäre. Darum hatten sie sich ein Haus ausgesucht, das sich ganz am Ende einer kleinen Nachbarschaft befand und von der Straße aus nicht einsehbar aus. Das Haus war um einiges größer als die Häuser, in denen Mihawk oder Hancock lebten, doch nicht so groß, dass Crocodile sich darin nicht hätte wohlfühlen können. Es gab keine unnötigen Räume mehr: Keine unzähligen Badezimmer, kein Zimmer nur zum Basteln und Geschenke einpacken, keine Einlieger-Wohnungen für Angestellte, keine Großraumküche mehr. Das Herzstück des Hauses stellte das große, lichtdurchflutete Wohnzimmer im Erdgeschoss dar. Mit seinen bodentiefen Fenstern und dem Kamin ähnelte es dem Wohnzimmer in ihrem Ferienhaus am Strand. Neben dem Wohnzimmer lag eine geräumige, moderne Küche, in der am zumeist Wochenende Crocodile und unter der Woche eine Haushälterin das Abendessen zubereitete. Oben befand sich ihr Schlafzimmer mit dem angrenzenden Badezimmer und den begehbaren Kleiderschränken. Mit dem Auto benötigte Crocodile fünfundzwanzig Minuten bis zur Arbeit, fünfzehn Minuten bis zu seiner Schwester oder seinem Bruder und auch wenn er Daz besuchen wollte, sparte er einen Großteil der Anfahrt. Das Haus war zur Häflte von Doflamingo und zur Hälfte von Crocodile bezahlt worden; sie standen beide im Grundbuch. Das war ihm wichtig gewesen. Sechs Monate nach ihrem gemeinsamen Einzug in das neue Haus begann der Gerichtsprozess, den die Bank verlor. Der Richter entschied, dass Sengoku und die anderen namenhaften Mitarbeiter der Bank fahrlässig mit Doflamingos Vermögen umgegangen waren und ihn betrogen hatten. Zusätzlich hatten sie durch die ungerechtfertigte Kündigung seines Ehemannes nicht nur einen erheblichen finanziellen Schaden verursacht, sondern auch das Vertrauen ihres Kunden massiv beschädigt. Die Bank wurde zur Zahlung einer Summe verurteilt, die so hoch war, dass sie sich unmöglich davon erholen könnte. Der mediale Aufruhr, den der Gerichtsprozess mit sich zog, tat sein Übriges. Crocodile wurde wegen seiner Kündigung Schadensersatz in Höhe von dreieinhalb Millionen Berry zugesprochen. Er konnte sein Glück kaum fassen, als der Richter das Urteil verlas. Doflamingo setzte die wöchentlichen Treffen mit seinem Psychotherapeuten fort. Er nahm die Behandlung seiner Probleme sehr ernst und arbeitete hart an sich. Seine Eifersucht und seine ständige Sorge um die Menschen, die ihm wichtig waren, ließen sich nicht vollständig kurieren. Das war auch nicht das Ziel; diese Eigenschaften waren Teile seine Persönlichkeit. Es ging darum zu lernen, sich in seinem Verhalten soweit zurückzuhalten, dass er sich Anderen nicht länger aufdrängte oder sie überwachte. Crocodile arbeitete gerne bei Tom's Workers. Als seine Sekretärin Robin das Büro betrat, war es gleich so als wäre sie niemals fort gewesen. Ab der ersten Sekunde waren sie beide wieder ein eingespielte Team. Franky war von der Arbeit, die sie leisteten, absolut begeistert - und von seiner (inzwischen) Verlobten sowieso. Hancock arbeitete wieder als Nageldesignerin. Ihr Studio lief so gut wie nie zuvor; sie dachte sogar darüber nach eine zweite Filialie zu eröffnen. Die 75.000 Berry, die ihr Schwager ihr geliehen hatte, konnte sie ihm innerhalb weniger Jahre problemlos zurückzahlen. Nozomi, für deren dritten Geburtstag Doflamingo bereits ein schönes Kinderfahrrad als Geschenk besorgt hatte, fühlte sich in der Krippe sehr wohl. In eine ihrer Erzieherinnen war sie sogar dermaßen vernarrt, dass Hancock zwischenzeitlich mit der Eifersucht zu kämpfen hatte. Im Großen und Ganzen war sie aber natürlich froh, dass sie eine gute Lösung für sich und ihre Tochter hatte finden können. Vor einer Weile hatte Luffy, Nozomis junger Vater, seine Weltreise unterbrochen und war in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Zwei Jahre lang wohnte er bei seinem älteren Bruder und jobbte hier und dort, ehe er genug Geld angespart hatte, um wieder zu reisen. Zu seiner Tochter hatte er nie den Kontakt gesucht, obwohl sie nicht weit von ihm entfernt lebte. Hancock hatte sich damit arrangiert und zog ihre kleine Tochter zwar ohne Vater, aber dafür mit der liebevollen Hilfe von drei Onkels groß. Mihawks bester Schüler Zoro entwickelte sich zu einer echten Korifähe in der Fechtkunst. Er gewann zahlreiche Turniere und galt als Favorit bei den kommenden Olympischen Spielen. Tashigi brachte es nie so weit nach oben, doch auch sie entwickelte sich zu einer guten Fechterin und nahm immer mal wieder an kleineren Meisterschaften teil. Law war vor einem Jahr bei seinem festen Freund Kid eingezogen. Sie arbeiteten beide sehr viel, aber versuchten sich so oft wie möglich auch etwas Zeit nur für sich einzuräumen. Das war gar nicht so leicht, denn fast jedes Wochenende versuchte Doflamingo sie dazu zu überreden, gemeinsam mit ihm und ein paar anderen Freunden in Shakky's Bar abzuhängen. Über den plötzlichen Unfalltod seiner ersten Liebe Corazon kam Law nie vollständig hinweg. Wenn er abends allein im Bett lag, weil Kid mit einem Kunden einen späten Termin ausgemacht hatte, musste er manchmal an Corazon denken und konnte nicht verhindern, dass sein Herz schmerzte. Aber er hatte gelernt, mit seiner Trauer umzugehen. Dann strich er mit seinen Fingern behutsam über die Tätowierungen, die er sich an Gedenken an seinen verstorbenen Freund hatte stechen lassen, und erinnerte sich ganz bewusst an die schöne Zeit, die er mit Corazon hatte verbringen dürfen. Und wenn dann irgendwann Kid nach Hause kam und sich neben ihn ins Bett legte, ging es ihm wieder ein wenig besser. ~ Heute war Nozomis dritter Geburtstag. Mittags hatte ein kleiner Kindergeburtstag mit ein paar ihrer Freunde aus der Krippe stattgefunden. Und am frühen Abend kamen Mihawk, Crocodile und Doflamingo zu Besuch. Hancock hatte eine wundervolle Torte vorbereitet. Sie war über und über mit Blumen aus Zuckerguss verziert und oben in der Mitte saß ein kleiner Teddybär aus Marzipan, der genauso aussah wie Nozomis Lieblingsplüschtier. (Man brauchte nicht zu erwähnen, dass es sich bei dem Teddybären um ein Geschenk von Doflamingo gehandelt hatte.) Sie ließen sich im Wohnzimmer nieder. Hancock schenkte Kaffee ein. Crocodile holte ein Feuerzeug hervor, um die Kerzen auf der Geburtstagstorte anzuzünden. Doflamingo bestand darauf Happy Birthday zu singen, ehe Nozomi versuchen durfte, die drei Kerzen auszupusten. Als es ihr nicht so recht gelingen wollte, half Hancock unauffällig nach. Ein wohliges Gefühl breitete sich in Crocodiles Magengegend aus, während er beobachtete, wie seine kleine Nichte ihre Geburtstagsgeschenke auspackte. Von Mihawk bekam sie ein Puppenhaus aus Holz mit hübschen, kleinen Puppenfiguren. Crocodile musste schmunzeln als er sah, dass Nozomi die Freude förmlich ins Gesicht geschrieben stand. Die Zeiten, in denen Crocodile ohne Pause besorgt und angespannt gewesen war, lagen weit zurück. Es gab nichts mehr zu verbergen; nichts, was ihm Sorgen machte oder ängstlich in die Zukunft blicken ließ. Er brauchte nichts weiter zu tun als den heutigen Tag zu genießen. Unbeschwert lächelnd betrachtete er Nozomi, die neugierig das Fahrrad, das er gemeinsam mit seinem Ehemann für sie besorgt hatte, auspackte. Natürlich hatte Doflamingo unbedingt ein knallpinkes Mädchenrad haben wollen. Zum Glück konnte ihn Crocodile zu der ein wenig zurückhaltenderen Variante in Hellblau überreden. Als Nozomi ihr neues Fahrrad vor sich stehen sah, begann sie aufgeregt zu hüpfen und bettelte ihre Mutter sofort an, draußen in der Einfahrt damit fahren zu dürfen. Hancock, bei der es sich eigentlich um eine eher strenge Mutter handelte, ließ sich schließlich erweichen. Crocodile ließ sich neben Mihawk auf der Bank, die im Vorgarten stand, nieder. Es war schön anzusehen, wie Doflamingo seiner kleinen Nichte auf das Kinderfahrrad half und ihr erklärte, wie die Pedale funktionierten. Die Begeisterung, die sein Ehemann für Nozomi empfand, war nie abgeebbt. Er war in sie noch immer ganz genauso vernarrt wie am ersten Tag. Das Kinderfahrrad verfügte natürlich über Stützräder und so fiel es Nozomi nicht schwer ihre ersten Runden zu drehen. Doflamingo ließ sich neben Crocodile auf der Gartenbank nieder und griff nach seiner Hand. Erst als die Sonne unterging und Hancock darauf bestand, dass Nozomi ins Bett müsste, machten sie sich auf den Heimweg. Kapitel 33: Kapitel 17 (zensiert) --------------------------------- Crocodile fühlte sich wie betäubt. Es war, als würde er die Welt um sich herum durch einen dicken, grauen Schleier wahrnehmen. Das Weinen seiner kleinen Nichte kam ihm sehr weit weg vor, obwohl sie bloß wenige Schritte von ihm entfernt in ihrem Laufstall saß. Schwerfällig erhob Crocodile sich vom Sofa. Nozomi trug ein pinkes Shirt, das vorne mit einem lachenden Smiley bestickt worden war. Die Erinnerung daran, wie er gemeinsam mit Doflamingo dieses winzige Shirt zu einem horrenden Preis gekauft hatte, hinterließ ein stechendes Gefühl in seiner Brust. Das kleine Mädchen richtete sich mühevoll in seinem Laufstall auf und streckte beide Arme nach ihm aus, als es sein Gesicht erkannte. Leise seufzend hob Crocodile Nozomi hoch. Sie fühlte sich schwer an. Vage erinnerte er sich daran, dass Hancock irgendetwas von neun Kilogramm erwähnt hatte; doch dieses Gespräch schien Ewigkeiten zurückzuliegen, obwohl es nicht länger als eine Woche her sein konnte. Mit Nozomi im Arm ging Crocodile im Wohnzimmer auf und ab. Als sie sich nicht beruhigen ließ, kam er auf die Idee, einen Blick auf die Uhr zu werfen. Es war ein Uhr nachmittags. Ihm fiel ein, dass Hancock gesagt hatte, Nozomi würde zu dieser Zeit immer ihren Brei bekommen. Seine Schwester hatte die Hilfe, die er ihr angeboten hatte, dankend angenommen und ihn für ein paar Stunden mit ihrer Tochter alleingelassen. Sie nutzte die Gelegenheit, um in ihrem Nagelstudio nach dem Rechten zu sehen. Es dauerte nicht mehr lange bis zum ersten Geburtstag seiner Nichte; dann wollte Hancock gerne wieder in ihren Beruf zurückkehren. Hatte sie nicht erzählt gehabt, dass sie auf der Suche nach einer netten Kinderkrippe war? Crocodile erinnerte sich nicht mehr so ganz an das Gespräch, das er mit seiner Schwester geführt hatte. ~ Auf der Arbeit konnte er ein wenig klarer denken. In seinem Büro fühlte er sich deutlich wohler als in Hancocks Haus. Der Geruch von Papier frisch aus dem Drucker und staubigen Aktenordnern half ihm dabei, bei sich zu bleiben. Trotzdem machte er immer öfter Fehler. Er vergaß sogar wichtige Telefontermine mit einigen Kunden. Foxxy, der Hersteller von elektronischem Kinderspielzeug, war so erbost darüber, dass er bei seinem Chef Franky anrief, um sich über ihn zu beschweren. Zum Glück war der zu diesem Zeitpunkt gar nicht da gewesen. Stattdessen hatte Kiwi den Anruf entgegengenommen. Doch obwohl Crocodile sich sicher war, dass sie Franky nichts davon erzählt hatte, fühlte er sich hundeelend. Er unterschrieb gerade ein paar wichtige Dokumente (es tat weh, den Namen Donquixote Crocodile auf die Papiere setzen zu müssen), als Kiwi und Mozz in sein Büro kamen und die Türe leise hinter sich schlossen. Mozz hielt in ihren Händen ein Tablett, auf dem zwei Tassen Kaffee und ein Glas stilles Mineralwasser standen. Crocodile, der ahnte, worauf die beiden Sekretärinnen hinauswollten, bedeckte seine Augen mit der rechten Hand. Er fühlte sich schwach und ausgebrannt und war in keinster Weise bereit zu einem solchen Gespräch. „Wir wollten mal nachfragen, ob bei dir alles in Ordnung ist“, meinte Kiwi mit weicher Stimme und bestätigte damit sogleich Crocodiles Befürchtung. „Du wirkst seit ein paar Wochen ziemlich niedergeschlagen“, fuhr Mozz fort. Die beiden ließen sich ungebeten auf der anderen Seite seines Schreibtisches nieder. „Ist irgendetwas passiert?“ Crocodile nahm die Hand wieder herunter. Stattdessen griff er nach einem Kugelschreiber, der neben seiner Tastatur lag. Aus Erfahrung wusste er, dass es ihn beruhigte, wenn er in unangenehmen Situationen einen Gegenstand festhalten konnte. Er gab sich selbst zwei tiefe Atemzüge, ehe er mit möglichst gefasst klingender Stimme meinte: „Kiwi, Mozz, ihr wisst, dass ich euch beide wirklich sehr schätze. Und ich danke euch für eure Fürsorge. Aber ich denke, dass meine privaten Probleme nicht hierher gehören.“ „Wir sehen uns jeden Tag mindestens acht Stunden“, erwiderte Kiwi und ließ ihn nicht aus den Augen. „Glaubst du, wir können einfach ignorieren wie es dir geht?“ „Du hast nicht bloß einfach einen schlechten Tag“, fügte Mozz hinzu. „Dir geht es schon seit Wochen dreckig. Wir sind doch nicht blind. Und wir machen uns Sorgen. Du kannst ruhig mit uns sprechen, Crocodile.“ Crocodile senkte seinen Blick. Als er ihn wieder hob, schaute er Kiwi und Mozz ins Gesicht. Die beiden Schwestern sahen sich unfassbar ähnlich. Hätten die beiden keine unterschiedlichen Frisuren, könnte er sie wohl kaum auseinanderhalten. „Ich... es... ich habe zurzeit ein paar Probleme mit meinem Ehemann“, sagte er schließlich. „Es tut mir leid, dass meine Arbeit darunter leidet.“ Kiwi und Mozz blickten ihn aufmerksam schweigend an. Offenbarten warteten sie darauf, dass er fortfuhr. Crocodile klickte einmal mit dem Kugelschreiber. Er fühlte sich schrecklich unwohl. „Ich habe ihm gesagt, dass ich Abstand brauche und wohne deshalb seit drei Wochen bei meiner Schwester“, erklärte er schließlich. „Nun ja... und bisher bin ich noch nicht wirklich weitergekommen.“ Crocodile fand, dass dies mehr als genug Informationen waren. „Oh nein“, sagte Kiwi und setzte einen mitfühlenden Gesichtsausdruck auf. „Ihr seid doch noch nicht lange verheiratet gewesen! Du Armer!“ „Ich weiß, wie du dich fühlst“, fügte Mozz hinzu. „Ich bin auch mal von einem Mann betrogen worden. Drei Jahre waren wir zusammen. Es hat sich herausgestellt, dass er seit sechs Monaten eine Affäre mit einer Arbeitskollegin hatte. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich kann verstehen...“ „Nein“, unterbrach Crocodile sie rasch und winkte ab. „Doflamingo hat keine Affäre; das ist es nicht. Es geht um eine andere Sache.“ „Hat er dich belogen?“ „Im Grunde schon“, antwortete Crocodile. Er legte den Kugelschreiber zur Seite und und griff nach dem Glas Wasser. „Aber letztendlich ist seine Eifersucht das Hauptproblem gewesen. Und... nun ja... ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich jetzt tun soll. Ich hätte ihm das, was geschehen ist, niemals zugetraut.“ „Hat er dein Handy oder deinen PC durchsucht?“, horchte Kiwi nach. „Manche Menschen verlangen ja Zugang zu allen Informationen, wenn sie in einer Beziehung sind...“ „Er hat einen GPS-Sender an mein Auto angebracht.“ Plötzlich brach es auch Crocodile heraus. Er konnte es nicht verhindern. „Schon ganz zu Beginn unserer Beziehung. Und er hat diesen Sender nie abgenommen oder mir irgendwann mal davon erzählt... Diese Sache ist erst herausgekommen, als ich den Sender zufällig entdeckt habe.“ Entsetzen und Unverständnis waren in Kiwis und Mozz' Gesichtern zu sehen. „Er hat dich die ganze Zeit lang ohne dein Wissen per GPS überwacht?!“ Crocodile nickte beklommen. „Als ich ihn zur Rede stellte, hat er sich sogar noch verteidigt. Ich... ich meine... mir war immer bewusst, dass Doflamingo kein einfacher Mann ist. Aber so etwas habe ich nicht erwartet. Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin verschwunden und komme momentan bei meiner Schwester unter.“ „Hast du ihn seitdem noch einmal gesehen?“, wollte Kiwi wissen. Sie wirkte völlig überwältigt. „Nein“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. „Er hat versucht mich zu erreichen... aber ich habe mir ein neues Handy mit einer neuen Nummer zugelegt. Ich bin seitdem auch nicht mehr Zuhause gewesen. Ich habe mir alles, was ich im Alltag brauche, einfach neu gekauft. Ihr wisst schon: Kleidung, Rasierer und so weiter. So konnte ich eine Begegnung mit ihm bisher vermeiden.“ Mozz bedeckte den Mund mit ihrer Hand. „Oh, Crocodile, das hört sich ja schrecklich an...! Gibt es irgendetwas, was wir tun können? Brauchst du vielleicht eine oder zwei Wochen Urlaub, um deine Angelegenheiten zu ordnen? Eigentlich können wir nicht auf dich verzichten, aber wenn wir mit Franky sprechen, dann...“ „Nein“, winkte Crocodile sofort energisch ab. „Ich will keinen Urlaub. Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Arbeitsleistung zurzeit unter meinem Niveau ist. Aber Zuhause... also... bei Hancock Zuhause werde ich verrückt. Hier geht es mir viel besser.“ Kiwi nickte verständnisvoll. „Wenn wir dir irgendwie helfen können, Crocodile, dann gib uns bitte Bescheid, ja?“ ~ In Hancocks hübschem, heimelig eingerichtetem Haus fiel ihm die Decke auf den Kopf. Crocodile hatte sich inzwischen daran gewöhnt, von seinem Ehemann ständig zu Disko-, Kino- oder Restaurantbesuchen genötigt zu werden. Doch seit vier Wochen pendelte er bloß zwischen seinem Arbeitsplatz und dem Heim seiner Schwester hin und her. Und abgesehen von Mihawk, der manchmal vorbeischaute, hatte er auch keinen Besuch empfangen. Crocodile gab es nur ungern zu, doch er vermisste die lustigen Abende, die er gemeinsam mit Doflamingo und ihren Freunden in Shakky's Bar verbracht hatte. Nachmittags und am Wochenende ließ Hancock ihn häufig für einige Stunden mit Nozomi alleine, weil sie sich um ihr Nagelstudio kümmern musste. Crocodile machte ihr keinen Vorwurf (schließlich hatte er ihr seine Hilfe angeboten), doch um ehrlich zu sein, fühlte er sich dann oft einsam. An diesem Samstagvormittag beschloss Crocodile etwas zu tun, was er sehr lange nicht mehr getan hatte. Er setzte Nozomi in ihren Kinderwagen und ging draußen an der frischen Luft eine Runde spazieren. Es war ein heller, freundlicher Tag und Crocodile folgte ohne nachzudenken dem Weg, den seine Füße ihm vorgaben. Irgendwann erreichte er eine kleine Parkanlage, in deren Mitte sich ein See befand. Bunte Enten watschelten am Ufer entlang. Weil das Wetter so schön war, waren hier viele Menschen unterwegs. Verliebte Paare und Familien mit kleinen Kindern und Hunden. Crocodile, der so viel Trubel nicht leiden konnte, hielt nach einem abgeschiedenen Plätzchen Ausschau. Schließlich fand er eine kleine Holzbank, die versteckt hinter ein paar Bäumen gleich in Ufernähe stand. Crocodiles Blick wanderte hinüber zu Nozomi, die gut gelaunt in ihrem Kinderwagen saß. Plötzlich musste er daran denken, wie er gemeinsam mit seinem Ehemann den teuren Wagen gekauft hatte. Er erinnerte sich daran, dass die Verkäuferin im Babyfachgeschäft sie beide für werdende Eltern gehalten hatte. Und Doflamingo hatte mitgespielt. Crocodile konnte nicht verhindern, dass ein schwaches Lächeln über seine Mundwinkel huschte. Nozomi gab eine Reihe von brabbelnden Geräuschen von sich. Mit ihren blauen Augen musterte sie neugierig ihre Umgebung. Zum Glück war Crocodiles Wunsch wahr geworden: Sie sah ihrer hübschen Mutter ausgesprochen ähnlich; von Luffy hatte sie kaum etwas an sich. Leise seufzend hob Crocodile seine Nichte aus dem Kinderwagen und setzte sich sie sich auf den Schoß. Sie trug ein pinkes Kleidchen, das selbstverständlich ebenfalls Doflamingo gekauft hatte. Unweigerlich fragte Crocodile sich, Nozomi auch Kleidungsstücke im Schrank hatte, die sie nicht von seinem übermütigen Ehemann geschenkt bekommen hatte. Es verging vielleicht eine Viertelstunde, ehe Crocodile plötzlich auffiel, dass er sich nicht zum ersten Mal an diesem kleinen See aufhielt. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, als ihm klar wurde, dass er nach seinem Streit mit Hancock hierher geflohen war. War es nicht sogar genau dieser Platz gewesen, an dem am Ende Doflamingo ihn gefunden hatte? Crocodile blickte sich zaghaft um. Doch, es musste so sein: Er konnte sich sehr genau daran erinnern, wie er dort drüben ein Entenpärchen entdeckt hatte. Überraschend gut hatte er die braune Entendame und ihren bunten Partner in Erinnerung. Crocodile blickte vorsichtig nach links und rechts, ehe er Nozomi, die auf seinem Schoß zappelte, auf die Wiese setzte. Während das kleine Mädchen lachend die kitzelnden Grashalme betatschte, zündete Crocodile sich eine Zigarre an und nahm einen tiefen Zug. Der altbekannte Geschmack des teuren Tabaks beruhigte ihn ein wenig. Wehmütig betrachtete er Nozomi, die auf der Wiese umherkrabbelte und versuchte gelbe Löwenzahnblüten (und einmal auch einen Marienkäfer) in den Mund zu nehmen. Es überraschte ihn, doch es erstaunte ihn nicht, als er hinter sich ein paar Zweige knacken hörte. Crocodile brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer dort drüben stand. Genauso wie Doflamingo den Qualm seiner Zigarre roch, konnte er das fruchtig-süße Parfuem seines Partners wahrnehmen. Für eine Weile sagte keiner von ihnen beiden ein Wort. Doch irgendwann ließ Doflamingo sich stumm neben ihm auf der Bank nieder. Nicht zu nah; er hielt einen kleinen Abstand ein. So als wären sie kein Ehepaar, sondern bloß zwei Fremde, die sich zufällig begegneten. Lange (Crocodile konnte nicht sagen wie lange; vielleicht eine Stunde, vielleicht auch nur fünf Minuten) saßen sie stumm nebeneinander und sprachen kein Wort. Das einzige Geräusch, das sie hörten, war Nozomis zufriedenes Schmatzen, als sie sich ein bisschen Erde in den Mund stopfte. „Es tut mir leid.“ Crocodile war sich nicht sicher, ob er sich diese Worte bloß eingebildet hatte oder ob sein Ehemann sie tatsächlich ausgesprochen hatte. Aufmerksam drehte er seinen Kopf nach links. Es schockierte ihn, wie miserabel und jämmerlich Doflamingo aussah. Sein normalerweise sonniger, hellbrauner Teint war verflogen; stattdessen wirkte seine Haut ungesund blass und fahl. Seine Augen waren bläulich umschattet. Obwohl er seine Sonnenbrille trug, konnte Crocodile die tief liegenden Schatten überdeutlich erkennen. Er grinste nicht und lächelte auch nicht. Mit hängenden Schultern und überkreuzten Knöcheln bot er ein Bild des Elends. So hatte Crocodile seinen Ehemann noch nie erlebt. „Es tut mir leid“, wiederholte er mit schwacher, leiser Stimme und ohne zu ihm hinüber zu schauen. „Ich weiß, die Chancen, dass du mir irgendwann verzeihst, sind gering. Ich kann es dir nicht einmal verübeln, Crocodile. Aber ich will, dass du weißt, dass... es mir ehrlich leid tut. Was ich getan habe, war falsch. Das habe ich nun erkannt.“ Als Crocodile schwieg, fuhr Doflamingo zögerlich fort: „Du trägst keine Schuld. Du hast nichts getan, was es gerechtfertigt hätte, einen Sender an dein Auto anzubringen. Du wärst nie auch nur auf die Idee gekommen etwas mit einem anderen Mann anzufangen, während du in einer Beziehung mit mir bist. Ich war... ein Idiot. Verblendet. Ich bin ein nymphomanischer Dummkopf gewesen, der nicht dazu in der Lage war zu erkennen, dass sein Partner ein viel besserer Mensch ist als er selbst. Du bist ein liebevoller, ehrlicher Mann und hast es nicht verdient so hintergangen zu werden. Ich war zerfressen von Eifersucht und irrationalen Ängsten. Es tut mir leid, Crocodile. Wahrscheinlich ist es jetzt sowieso zu spät für uns beide, aber ich muss es dir trotzdem sagen: Es tut mir leid. Und ich hoffe, dass du mir irgendwann verzeihen kannst.“ Crocodile setzte die Zigarre an seine Lippen und nahm einen tiefen Zug. Er schloss für einen kurzen Moment die Augen. Während er einen Rauchring in die Luft bließ, nahm er überdeutlich das Gequake der Enten und Nozomis Gebrabbel war. „Woher weiß ich, dass du diese Entschuldigung ernst meinst?“, fragte er schließlich mit ruhiger Stimme. „Vielleicht versuchst du ja bloß, mich auf diese Tour wieder zurückzubekommen?“ Doflamingo seufzte gequält auf und begrub sein Gesicht in den Händen. Crocodile konnte nicht verhindern, dass er ein Quentchen Mitleid für seinen gebeutelten Ehemann empfand. „Es gibt keine Möglichkeit dir einen Beweis zu liefern“, antwortete Doflamingo verzweifelt. „Ich kann bloß darauf hoffen, dass du mir glaubst. Aber ich werde meine Entschuldigung nicht zurücknehmen, auch wenn du dich gegen mich entscheidest. Mir ist es wichtig, dass du weißt, wie leid es mir tut. Ich sage das nicht, um meine Chancen bei dir zu erhöhen. Ich sage es, weil ich es ehrlich so meine und weil du es verdient hast.“ Doflamingos Worte rührten Crocodile, doch er war zu stolz und zu argwöhnisch, um seinem Partner einfach zu vergeben. „Als ich mit Enel zusammen war“, sagte er mit ruhiger Stimme, „kam Enel nach einem Streit oft zu mir und entschuldigte sich. Er sagte immer, dass er einen Fehler gemacht hätte und sich ändern würde. Bis er mich beim nächsten Streit dann wieder verprügelte. Jedes Mal lief es so ab. Selbst als es schwer wurde an meinem Körper noch eine heile Stelle zu finden, brachte ich es nicht über mich unsere Beziehung zu beenden.“ „Das kannst du nicht vergleichen!“, warf Doflamingo entsetzt ein. „Ich würde dir niemals wehtun, Crocodile! So ein Mensch bin ich nicht. Das weißt du!“ „Und ich bin auch nicht mehr derselbe Mensch wie damals.“ Sein Magen schmerzte, als er diese Worte aussprach. Doch Crocodile blieb standhaft. Er ignorierte die Schmerzen in seinem Bauch, als er weitersprach: „Ich bin nicht mehr so leichtgläubig und naiv wie damals. Ich werde mich niemals wieder in so eine Situation bringen.“ „Es ist nicht richtig, dass du mich für das, was Enel dir angetan hat, büßen lässt“, erwiderte sein Ehemann mit verzweifelter Stimme. „Crocodile... Wani...“ Das tat weh. Als er den Kosenamen hörte, den Doflamingo am liebsten für ihn verwendete, zogen sich Crocodiles Eingeweide schmerzhaft zusammen. Für einen Moment keimte in ihm das Verlangen auf, Doflamingo an seinen Haaren zu packen und ihn zu küssen. Doch er hatte sich gut unter Kontrolle. Anstatt seinem Ehemann in die Arme zu fallen, umkrallte er mit der rechten Hand die Kante der Holzbank, auf der sie beide saßen. „Und wenn ich dir zeigen würde, dass ich mich ändere?“ Doflamingo wollte einfach nicht aufgeben. „Ich habe mit einem Psychologen gesprochen. Er meinte, die Ursache für meine Eifersucht... meiner krankhafte Eifersucht... könnte in meinen Verlustängsten liegen. Du weißt schon... wegen meinen Eltern und meinem kleinen Bruder. Man kann das behandeln. Wenn du möchtest, Crocodile, dann gehe ich regelmäßig zur Therapie. Ich würde keinen Termin verpassen. Meine Eifersucht... meine Angst, dass du dich von mir abwenden könntest... ist krankhaft. Und was krankhaft ist, lässt sich auch heilen. Ich bin mir sicher, dass wir dieses Problem in den Griff kriegen würden.“ Crocodile stöhnte gequält auf; er ließ von dem harten Holz der Bank ab und bedeckte mit der Hand stattdessen sein Gesicht. Fast verbrannte er sich an der glühenden Zigarre, die immer noch in seinem Mund steckte. Es war typisch für Doflamingo, dass er eine Absage nicht einfach hinnehmen konnte. Nie gab er auf. Immer bohrte er weiter nach und strapazierte seine Nerven, bis sein Widerstand irgendwann zu bröckeln begann. Wie damals, dachte Crocodile und konnte ein winziges Lächeln nicht unterdrücken, als er ihn immer wieder um Date gebeten hatte, nachdem sie sich bei einem Geschäftsessen kennengelernt hatten. „Hast du mit dieser Therapie schon angefangen?“, wollte Crocodile schließlich wissen. „Wenn du möchtest, dann mache ich gleich für heute Abend die erste Sitzung aus“, antwortete Doflamingo sofort. „Bitte, Crocodile: Gib mir wenigstens eine Chance, um mich zu beweisen. Ich werde alles tun, was nötig ist, um unsere Ehe zu retten.“ „Ich möchte nichts überstürzen“, bremste Crocodile seinen Ehemann. „Sondern abwarten und sehen, was die Zeit bringt.“ „Noch länger warten?“, jammerte Doflamingo. „Ich habe dich seit über einem Monat nicht zu Gesicht bekommen...“ Er wollte nach seinem linken Unterarm greifen, doch Crocodile zog ihn hastig weg. Er könnte es jetzt nicht ertragen, wenn Doflamingo ihn berührte. Vor allem nicht so nah an seinem Armstumpf. Als er seine Zurückhaltung bemerkte, senkte sein Ehemann den Blick. Crocodile konnte es trotz der Sonnenbrille erkennen. Nachdem sie nun schon länger als zwei Jahre zusammen waren, war es für ihn ein Leichtes die Mienen seines Partners zu deuten. „Ich werde mich nicht aufdrängen“, sagte Doflamingo. Crocodile war sich nicht sicher, ob er zu ihm oder zu sich selbst sprach. Anschließend hob er den Blick und bat: „Nur... könnte ich vielleicht deine neue Handynummer bekommen? Ich fände es wirklich schön, wenn wir wenigstens mal telefonieren könnten. Einfach über den Alltag reden.“ „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, erklärte Crocodile und blickte hinüber zu Nozomi, die im Gras saß und fröhlich gluckte. „Im Moment verbringe ich nach der Arbeit die meiste Zeit mit Nozomi.“ „Sie ist gewachsen“, stellte Doflamingo mit wehmütiger Stimme fest. „Ein Monat ist eine lange Zeit für ein Baby. Sie hat sich verändert, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen habe.“ „Findest du?“ Crocodile zog eine Augenbraue hoch und betrachtete seine Nichte etwas genauer. Um ehrlich zu sein, fiel ihm kein Unterschied auf. Aber für solche Dinge hatte er sowieso kein Auge. Angesichts seiner Reaktion brach Doflamingo in sanftes Gelächter aus. Es war ein schönes Geräusch. Es weckte Sehnsüchte in Crocodile. Er vermisste seinen ständig grinsenden, neckischen Ehemann ganz schrecklich. „Darf ich sie mal hochnehmen?“ Doflamingos Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Zuerst verstand er gar nicht, worauf sein Ehemann hinaus wollte. Erst als er bemerkte, dass dieser immer noch zu Nozomi schaute, wurde es ihm klar. „Natürlich“, antwortete er hastig. „Das brauchst du mich doch nicht zu fragen. Du bist ihr Onkel.“ Seine Worte schienen Doflamingo zu freuen. Sofort ging er zu Nozomi hinüber, um sie auf seinen Arm zu heben. Leider fing das kleine Mädchen ängstlich zu schreien und zu weinen an, kaum hatte Doflamingo es hochgenommen. „Was hat sie denn auf einmal?“ Dieses Verhalten war sehr untypisch für Nozomi. Eigentlich liebte sie Doflamingo über alles. Früher hatte es nie ein Problem gegeben, wenn er sie getragen hatte. „Vielleicht erkennt sie dich nicht?“, mutmaßte Crocodile. Er stand von der Bank auf, löschte seine Zigarre und ging zu den beiden hinüber. „Sie hat dich jetzt über vier Wochen nicht gesehen. Für sie ist das eine lange Zeit.“ Nozomi beruhigte sich schlagartig, als Crocodile sie übernahm. Seine Fingerspitzen berührten kurz Doflamingos, als dieser mit einem bitteren Gesichtsausdruck ihre Nichte an ihn übergab. „Nimm es nicht persönlich“, versuchte Crocodile seinen Ehemann ein wenig zu trösten. Er wusste, dass Doflamingo sehr an dem kleinen Mädchen hing. „Bei mir würde sie genauso reagieren, wenn ich sie eine längere Zeit nicht gesehen hätte.“ „Ja“, sagte Doflamingo und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Er wirkte schrecklich niedergeschlagen. „Das verstehe ich schon.“ „Du könntest uns ja vielleicht mal besuchen.“ Ehe Crocodile es verhindern konnte, waren die Worte schon aus seinem Mund gekommen. „Hancock und mich. Sie würde sich bestimmt freuen, dich zu sehen.“ Es wunderte ihn nicht, dass Doflamingo sein Angebot begeistert annahm. „Das wäre wundervoll“, meinte er sofort und nickte hastig. „Deine Geschwister fehlen mir auch sehr. Für mich sind sie längst zu einem Teil meiner Familie geworden - so wie du.“ Crocodile schluckte. Er fragte sich, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war, seinen Ehemann einzuladen. Sicherlich würde Doflamingo sich Hoffnungen machen. Doch Crocodile war sich nicht sicher, ob er je dazu in der Lage sein würde, wieder in einer Beziehung mit ihm zu leben. „Ich sollte jetzt langsam nach Hause... Also, du weißt schon, zurück zu Hancock“, sagte Crocodile. „Sie ist bestimmt schon wieder da und fragt sich, wo wir sind.“ Er ging hinüber zum Kinderwagen und setzte seine Nichte hinein. Nozomi, die wohl darauf gehofft hatte weiter auf der Wiese spielen zu dürfen, zog ein grimmiges Gesicht. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob die Löwenzahnblüten, die sie sich fröhlich in den Mund geschaufelt hatte, so gut geschmeckt hatten. „Ich bin mit dem Auto hier. Ich könnte euch bei Hancock Zuhause absetzen“, bot Doflamingo ihm an. Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein, danke“, lehnte er hastig ab, „es ist nicht weit von hier.“ „O-okay.“ Doflamingo schien nicht so recht zu wissen, wie er reagieren sollte. „Dann, ähm... bis später. Bestimmt kann ich morgen oder übermorgen einen kleinen Besuch bei Hancock einrichten.“ „Ja“, sagte Crocodile. Er hatte genausowenig wie Doflamingo eine Ahnung, was er nun am besten sagen sollte. „Bis dann.“ Als Crocodile Hancocks Haus betrat, stellte er fest, dass seine Schwester doch noch nicht zurück war. Er hob Nozomi aus dem Kinderwagen und setzte sie in den Laufstall, ehe er sich kraftlos auf dem Sofa fallen ließ. Sein Körper fühlte sich schwach an; als befänden sich darin keine harten Knochen, sondern nur eine wabbelige Masse. Erschöpft legte Crocodile den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Seine Begegnung mit Doflamingo kam ihm plötzlich sehr surreal vor. Er hatte seinen Ehemann über einen Monat lang nicht gesehen... und nun trafen sie sich zufällig im Park. Aber es war eine ganz besondere Stelle, rief er sich ins Gedächtnis. Dort hatte Doflamingo ihn aufgegriffen, nachdem er sich mit Hancock gestritten hatte. Bei der er Trost gesucht hatte, nachdem er herausfand, dass sein Ehemann kurz vor Beginn ihrer Beziehung Sex mit seiner besten Freundin gehabt hatte. Eine komplizierte Geschichte. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob Doflamingo öfters dorthin kam. Er seufzte, richtete sich auf dem Sofa auf und holte sein Handy aus seiner Hosentasche hervor. Hancock hatte ihm eine Nachricht geschrieben. Im Nagelstudio gab es viel zu tun und sie würde etwas später nach Hause kommen. Er hatte sich nach seiner Trennung von seinem Ehemann ein neues Handy zugelegt, nachdem dieser nicht aufgehört hatte ihn mit Anrufen und Textnachrichten zu bombardieren. Wie auch bei seinem alten Handy hatte er die Nummern der wichtigsten Menschen in seinem Leben über Kurzwahltasten gespeichert: Auf der 1 war die Nummer von seinem Bruder Mihawk gespeichert, auf der 2 die von seiner Schwester Hancock und auf der 3 die Nummer von seinem Studienkollegen Daz. Früher hatte seine Sekretärin Robin die 4 und Doflamingo die 5 gehabt, doch weil das nun keinen Sinn mehr machte, hatte Crocodile darauf verzichtet diese beiden Kurzwahltasten zu vergeben. Nico Robin war nicht länger seine Sekretärin und Donquixote Doflamingo nicht länger sein... Partner. Sie beide waren immer noch verheiratet. Crocodile war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, sich scheiden zu lassen. Ihm fehlte die nötige Energie, um sich mit einem Anwalt und dem ganzen Papierkram auseinanderzusetzen. Eine Scheidung bedeutete immer eine Menge Aufwand; vor allem natürlich, wenn man sich von einem Multimillionär scheiden ließ. Aber... er hatte es auch nicht gewollt. Um ehrlich zu sein, hatte er überhaupt nicht daran gedacht. Sich von seinem Ehemann vor Gericht scheiden zu lassen, war gar keine Option gewesen, die er im Kopf hatte. Lag es daran, dass er Doflamingo immer noch liebte? Oder war er einfach bloß zu verletzt und durcheinander gewesen? Crocodile betrachtete den Display seines Handys. Wie von selbst bewegten sich seine Finger und fügten Doflamingo mit seiner Handynummer als neuen Kontakt in das Adressbuch ein. Doch die Kurzwahltaste Nummer 5, wie früher, vergab er nicht an ihn. Hancock kam spät am Abend nach Hause. Sie wirkte geschafft, aber auch glücklich. Aufgeregt erzählte sie von dem Besuch in ihrem Nagelstudio. „Der Betrieb läuft wirklich gut. Zum Glück sind mir viele Stammkunden erhalten geblieben. Es sieht ganz so aus, als könnte ich zusammen mit meiner Vertretung weiterarbeiten und das Studio sogar vergrößern. So wie Doflamingo es damals vorgeschlagen hat.“ „Das sind ja tolle Neuigkeiten“, meinte Crocodile. „Apropos Doflamingo... ich, ähm... wir haben uns heute gesehen. Und, nun ja, es könnte sein, dass er morgen oder übermorgen zum Essen kommt. Ich hoffe, dass das okay für dich ist. Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass es ziemlich unhöflich gewesen ist, ihn ohne dich zu fragen hierher einzuladen.“ Doch seine Schwester wirkte überhaupt nicht verärgert. Ganz im Gegenteil: Sie setzte eine begeisterte Miene auf: „Das ist ja wundervoll, Crocodile! Konntet ihr beide euch wieder vertragen?“ „Nein“, antwortete Crocodile sofort. „Er... er hat sich bei mir entschuldigt. Aber vertragen haben wir uns nicht.“ „Oh...“ Hancocks erfreutes Lächeln erstarb auf ihren Lippen. „Nun ja, ihr beide habt euch wochenlang nicht gesehen. Ich denke, ihr braucht einfach noch etwas Zeit, um zueinander zu finden. Aber ich finde es gut, dass ihr wieder miteinander redet und dass Doflamingo zu Besuch kommen wird.“ „Mach dir nicht zu viele Hoffnungen“, gab Crocodile mit gesenktem Blick zurück. „Mir ging es hauptsächlich darum, dass er die Möglichkeit bekommt, Zeit mit dir und deiner Tochter zu verbringen. Er ist lange eine wichtige Bezugsperson für Nozomi gewesen und ich finde es nicht richtig, ihm den Kontakt zu verwehren.“ Hancock nickte. „Er... Ihr beide seid mir wirklich eine große Hilfe gewesen. Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr mich mit Nozomi immer so gut unterstützt habt. Ich weiß gar nicht, was ich ohne euch gemacht hätte.“ Crocodile winkte ab. „Nein, du musst dich nicht bedanken. Das ist doch selbstverständlich.“ „Sogar in deiner momentanen Lage passt du ständig auf Nozomi auf“, redete Hancock weiter auf ihn ein. „Ohne deine Hilfe wäre es mir gar nicht möglich gewesen, heute so viel Zeit im Nagelstudio zu verbringen und all die Vorbereitungen zu treffen.“ „Ich finde es gut, dass du in deinen Beruf zurückkehren möchtest“, erklärte Crocodile. „Und natürlich unterstütze ich dich, wo ich kann.“ Hancock nickte. „Ich freue mich schon sehr darauf wieder zu arbeiten. Ich liebe Nozomi und mir ist es sehr wichtig gewesen, dass sie ihr erstes Lebensjahr mit mir verbringen konnte. Aber allmählich fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich... Manchmal denke ich, dass ich eine schlechte Mutter bin. Weil ich mich darauf freue, dass Nozomi bald in die Krippe geht und ich wieder arbeiten kann. Eigentlich möchte man ja so viel Zeit wie möglich mit seinem Kind verbringen...“ „Du bist eine gute Mutter“, warf Crocodile sofort ein. „Schlag dir diese negativen Gedanken gleich wieder aus dem Kopf, Hancock. Du hast es nicht leicht gehabt. Du bist in der Schwangerschaft verlassen worden und standest plötzlich völlig allein da mit deinem Kind und deinem Nagelstudio. Aber du hast eine Lösung gefunden, die allen gerecht geworden ist. Du solltest stolz auf dich sein.“ Crocodile stellte bestürzt fest, dass er mit seinen Worten seine Schwester zum Weinen gebracht hatte. Unvermittelt brach Hancock vor ihm in Tränen aus. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Hatte er etwas Falsches gesagt? „Ich danke dir“, schluchzte Hancock und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Bluse über die tränennassen Augen. „Du bist der beste Bruder, den man sich wünschen kann.“ „Lass das nicht Mihawk hören.“ „Nein, ich...“ Hancock lächelte. „Ihr beide seid tolle Brüder. Aber du... du hast in deinem Leben so viele schlimme Dinge erlebt, Crocodile... Ich meine... Du wurdest von unseren Eltern verstoßen... Hast bei einem Unfall deine Hand verloren... Bist in diese Beziehung mit Enel geraten... Und nun ist sogar deine Ehe mit Doflamingo in die Brüche gegangen... Und trotzdem hast du genug Kraft, um mich zu unterstützen und mir gut zuzureden. Egal was passiert: Du gibst niemals auf. Du kämpfst dich immer wieder zurück ins Leben. Obwohl du es so schwer hattest, ist aus dir ein so erfolgreicher und anständiger Mensch geworden. Seit Luffy mich verlassen hat, gab es genug Nächte, in denen ich mich in den Schlaf geweint habe. Mich gefragt habe, wie ich das hinkriegen soll mit meinem Kind und meiner Selbstständigkeit. Aber mir ging es wieder besser, wenn ich an dich gedacht habe, Crocodile.“ „Du übertreibst, Hancock.“ Crocodile empfand die überschwänglichen Lobpreisungen seiner Schwester als unangenehm. Sie stellte ihn ja fast als eine Art Held dar. Dabei war er bloß ein ganz normaler Mann, der es mit Ehrgeiz und harter Arbeit geschafft hatte, sich ein gutes Leben aufzubauen. „Es ist wirklich schön zu wissen, dass man unterstützt wird. Auch in meinem Beruf... Weißt du, in Nozomis Spielgruppe haben mich einige Mütter völlig entsetzt angeschaut, als ich erzählt habe, dass ich wieder arbeiten gehen werde. Sie haben so getan als wäre es eine ganz schreckliche Sache sein Kind in die Krippe zu geben und zu arbeiten. Aber was habe ich denn für eine Wahl? Ich habe keinen Mann, der mich finanziert. Ich muss ganz allein für mich und mein Kind sorgen. Und um ehrlich zu sein, freue ich mich auch darauf. Seit einem Jahr sitze ich nur Zuhause und habe keinen anderen als Nozomi um mich herum... Mir fehlt mein Beruf einfach. Ich möchte wieder etwas zu tun haben und nicht nur einfach so mit meiner kleinen Tochter in den Tag hinein leben. Wenn ich das noch weitere zwei Jahre machen soll, dann werde ich verrückt.“ „Hör doch nicht auf das, was diese Frauen sagen!“ Crocodile war entsetzt angesichts dieser altmodischen Einstellung. Wie konnte man bloß so intolerant sein? Und um ehrlich zu sein, konnte er seine Schwester in dieser Hinsicht gut verstehen: Ihm würde er wohl nicht anders ergehen, wenn er seit einem Jahr jeden Tag mit dem Kind Zuhause verbrachte. Er fand es absolut nachvollziehbar, dass Hancock auch mal wieder erwachsene Menschen um sich herum haben wollte. Sie hatte ja nicht einmal einen Partner, mit dem sie sich abends unterhalten konnte. „Jeder muss für sich den richtigen Weg finden. Und wenn du es für richtig hältst, Nozomi betreuen zu lassen und wieder arbeiten zu gehen, dann lass dich davon nicht abbringen. Schon gar nicht wegen dem Geschwätz irgendwelcher Frauen, die du kaum kennst.“ „Ja.“ Hancock leckte sich über die Lippen. „Eigentlich hast du Recht, Crocodile. Ich sollte mich nicht so verunsichern lassen. Ich freue mich darauf, wieder mein Nagelstudio zu führen. Und Nozomi wird sich in der Krippe bestimmt auch wohlfühlen. Ich hoffe bloß, dass alles gut klappt. Ich habe sie bei drei Krippen hier in der Nähe angemeldet, aber noch keine feste Zusage bekommen.“ „Mach dir darum mal keine Sorgen“, meinte Crocodile sofort. „Das wird schon werden. Mach dich nicht verrückt, Hancock. Manchmal... manchmal lösen sich einige Probleme von selbst, wenn man ihnen etwas Zeit gibt.“ ~ Zwei Tage später war es soweit. Doflamingo stand vor Hancocks Haustüre. In den Händen hielt er ein kleines Geschenk - nicht für Crocodile, sondern für Nozomi. Es handelte sich um eine CD mit Kinderliedern. Crocodile war erleichtert, als er feststellte, dass das in grünes Papier eingewickelte Päckchen für seine Nichte gedacht war. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, wenn Doflamingo für ihn etwas mitgebringen würde. War es unhöflich das Geschenk seines Ex-Mannes abzulehnen? Ex-Mann... Ein komischer Gedanke. War Doflamingo eigentlich sein Ex-Mann? Sie beide waren immer noch verheiratet. Aber kein Paar mehr. Oder betrachtete Doflamingo ihre Trennung lediglich als temporär, als eine Art Beziehungspause? Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. Es wäre wohl besser gewesen, wenn er die Grenzen damals genau abgesteckt hätte. Hancock bat ihren Schwager freundlich herein. Doflamingo nahm sich die Freiheit sie zu umarmen und sich überschwänglich für die Einladung zu bedanken. Außerdem gab er Nozomi, die Hancock im Arm hielt, einen Kuss auf die Stirn. Als es darum ging, Crocodile zu begrüßen, zeigte er sich zurückhaltender. Für eine Weile standen sie beide einfach nur unbeholfen da und blickten einander verunsichert ins Gesicht. Wie begrüßte man seinen Ex-Partner, mit dem man immer noch verheiratet war, aber nicht wusste, ob sie nun endgültig getrennt waren oder vielleicht wieder zueinander finden würden? Mit einem Handschlag? Schließlich deutete Doflamingo eine lockere Umarmung an, auf die Crocodile sich einließ. Es tat unwahrscheinlich gut, die warmen Hände seines Ex-Partners an seinem Körper zu spüren, und fast störte es ihn, als Doflamingo wieder von ihm abließ. Hancock, die zu spüren schien, dass sie beide peinlich berührt waren, bat sie hinüber ins Wohnzimmer. Dort standen Tee, Kaffee und selbst gebackene Plätzchen bereit. (Crocodile hatte sie gebacken, doch er vermied es, diesen Umstand zu erwähnen.) Hancock ließ sich mit Nozomi auf dem Sessel nieder; damit überließ sie ihrem Bruder und ihrem Schwager das Sofa. Unweigerlich fragte Crocodile sich, ob es sich hierbei um Absicht handelte. Oder interpretierte er zu viel in Hancocks Verhalten hinein? Jedenfalls hatte sie ihre Trennung sehr schade gefunden. Nozomi brabbelte fröhlich. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ihr erstes Wort von sich gab. Doflamingo schien seine kleine Nichte sehr vermisst zu haben. Mit einem seligen Gesichtsausdruck lauschte er jedem Geräusch und kitzelte ihre besockten Füße. Heute trug sie pink-violett gestreifte Socken. Crocodile konnte sich noch genau daran erinnern, wie er im Laden versucht hatte seinen Ehemann vom Kauf dieser grässlichen Socken abzubringen. Er wollte ihm stattdessen ein Paar neutrale, cremefarbene Söckchen aufschwatzen. Am Ende hatte Doflamingo einfach beide gekauft. „Möchtest du sie mal halten?“, fragte Hancock ihn. Doflamingo nickte begeistert und stellte sofort seine Kaffeetasse zur Seite. Dieses Mal war Nozomi besser drauf; sie schien sich auf dem Schoß ihres Onkels wohlzufühlen. Es war beinahe wie früher und Crocodile spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Brust. Mit einem wehleidigen Gesichtsausdruck betrachtete er seinen Ex-Partner, der Nozomi liebkoste und sich fröhlich mit Hancock unterhielt. Es könnte so einfach sein, dachte er. Er müsste bloß zu Doflamingo sagen, dass er ihm verzieh. Dann wären sie beide wieder ganz offiziell ein Paar und alles würde wie früher werden. Würde es das? Crocodile seufzte leise. Könnte er jemals wieder in sein Auto einsteigen ohne an den GPS-Sender zu denken? Könnte er sich jemals wieder mit einem Freund treffen ohne sich zu fragen, auf welche Weise sein Ehemann ihn nun überwachte? „Sie wird demnächst in eine Krippe gehen“, hörte er Hancock erzählen. „Ich möchte gerne wieder arbeiten. Und ich denke, dass es Nozomi guttut, wenn sie jeden Tag mit anderen Kindern spielen kann. Sie kommt ja auch in ihrer Spielgruppe gut zurecht.“ „Hast du sie schon angemeldet? Ich habe gehört, dass es nicht so einfach ist einen Betreuungsplatz zu finden. Immer mehr Eltern geben ihre Kinder in eine Krippe.“ „Hier im Ort gibt es drei Krippen“, meinte Hancock mit verunsichert klingender Stimme. „Bisher habe ich noch keine Zusage bekommen, aber ich hoffe, dass eine sie nehmen wird. Ich möchte mich wirklich gerne wieder um mein Nagelstudio kümmern. Aber wenn ich für Nozomi keinen Betreuungsplatz finde, dann geht das natürlich nicht.“ „Wenn du möchtest, dann kann ich dir helfen“, bot Doflamingo süffisant grinsend an. „Sicher wird meine Nichte in der besten Krippe der Stadt einen Platz bekommen, wenn ich mich bereiterkläre die Einrichtung mit einer netten Geldspende zu unterstützen.“ Crocodile senkte den Blick. Dies war eine Eigenschaft an seinem Ehemann, die er immer gehasst hatte: Doflamingo war davon überzeugt, dass jeder käuflich war und sich mit Geld alles regeln ließ. Was ihn als Multimillionär natürlich in eine überaus vorteilhafte Lage brachte. Doch nicht nur Crocodile, auch seiner Schwester Hancock schien dieser Wesenszug unangenehm zu sein. „Warten wir erst einmal ab“, meinte sie ausweichend und nippte an ihrer Tasse Tee. „Vielleicht habe ich ja auch Glück und bekomme bald die Zusage für einen Platz.“ Sie redeten eine Weile über dieses und jenes. Hauptsächlich unterhielten sich Doflamingo und Hancock miteinander. Crocodile wusste nicht so recht, wie er mit Doflamingo umgehen sollte. Eigentlich war es wirklich sehr schade. Früher hatte er sich in seiner Nähe immer ganz leicht und ungezwungen gefühlt. Nun allerdings war es schwierig den richtigen Ton zu treffen. Irgendwann klingelte Hancocks Handy. Sie sprang sofort auf, erklärte hektisch: „Das muss meine Vertretung aus dem Nagel-Studio sein, da muss ich rangehen. Entschuldigt mich!“, und verschwand in die Küche, ehe sie abnahm. Crocodile und Doflamingo blieben allein im Wohnzimmer zurück. Eine unangenehmes Stille breitete sich aus. Erst als das Schweigen absolut unerträglich wurde, fragte Crocodile: „Wie geht es eigentlich Law und Kid? Ich habe schon eine Weile nichts mehr von ihnen gehört.“ „Gut“, antwortete Doflamingo und knetete mit seinen Händen nervös Nozomis Füße. „Sie möchten zusammenziehen und halten nach einer passenden Wohnung Ausschau.“ Er zögerte für einen Moment, ehe er hinzufügte: „Du kannst dich natürlich gerne bei ihnen melden und dich mit ihnen treffen. Ich weiß, dass du Law durch mich kennengelernt hast, aber ich meine... ich sehe das so... ihr könnt ruhig den Kontakt aufrecht erhalten. Du hast ja auch kein Problem damit, wenn ich mich mit Hancock treffe. Ich möchte nicht, dass unsere Freundeskreise auseinanderbrechen.“ Crocodile nickte. „Das klingt vernünftig“, meinte er. Nachdem sie dieses Thema abgehakt hatten, breitete sich erneut Schweigen aus. Es hing in der Luft und war so dick, dass man es mit Händen hätte greifen können. Dieses Mal war es Doflamingo, der irgendwann das Wort ergriff: „Ich habe regelmäßige Termine mit meinem Psychotherapeuten ausgemacht. Wir treffen uns zweimal in der Woche zu unseren Sitzungen. Du weißt schon, um meine Eifersucht in den Griff zu bekommen. Es ist derselbe Psychotherapeut, der mir damals geholfen hat über Corazons Tod hinwegzukommen. Er kennt sich also... mit den Ursachen für meine Verlustangst ziemlich gut aus.“ „Das ist doch gut“, sagte Crocodile, weil er nicht wusste, was er sonst erwidern sollte. Was bezweckte Doflamingo mit dieser Aussage? Wollte er ihm zeigen, dass er ehrlich vorhatte sich für ihn zu ändern? „Du trägst immer noch deinen Ehering.“ Dieser Satz schreckte Crocodile auf. Verunsichert blickte er in das Gesicht seines Ehemannes. „Das ist mir schon das letzte Mal aufgefallen“, fuhr Doflamingo fort. „Stört es dich?“, fragte Crocodile. Er war gar nicht auf die Idee gekommen seinen Ehering abzulegen. Genausowenig wie er an Scheidung gedacht hatte, war ihm in den Sinn gekommen, seinen über alle Maßen wertvollen Ring beim nächsten Juwelier zu verschachern. „Nein, nein, auf keinen Fall!“, warf Doflamingo sofort mit panischer Stimme ein. „Ich finde es gut, dass du ihn trägst. Ich trage meinen auch.“ Und er zeigte ihm seine rechte Hand, an der ein goldener Ring mit pinkem Stein funkelte. Ehe sie ihr Gespräch fortsetzen konnten, kehrte Hancock zurück. „Entschuldigt bitte, dass ich verschwunden bin“, meinte sie und ließ sich wieder auf dem Sessel nieder. „Aber es gab ein Missverständnis bei der Anlieferung von Materialien für... ach, das interessiert euch Männer wahrscheinlich sowieso nicht. Nageldesign wird ja wahrscheinlich nicht gerade euer Thema sein.“ ~ In der nächsten Zeit kam er immer wieder mit Doflamingo in Kontakt. Fast glaubte Crocodile, dass seine Geschwister es darauf anlegten, dass sie beide sich so oft wie möglich über den Weg liefen. Am Dienstag war er im Hausflur mit seinem Ex-Freund zusammengestoßen, als er Mihawk besuchen wollte. Und gestern hatte Doflamingo Nozomi abgeholt, um mit ihr eine Runde spazieren zu gehen, während Crocodile mit Hancock Tee trank. Es war schwierig den richtigen Umgang mit seinem Ehemann zu finden. Ein Teil von Crocodile wollte ihm gerne verzeihen. Wollte seine warmen Hände auf seinem Körper spüren, ihn küssen und einfach vergessen, was geschehen war. Doch ein anderer -stärkerer- Teil, konnte sich dazu nicht überwinden. Crocodile war in seinem Leben schon häufig verletzt worden; das hatte ihn vorsichtig und misstrauisch werden lassen. Er achtete darauf, sein Herz nicht an einen Menschen zu verschenken, der damit nicht sorgsam umging. Doflamingo wiederum machte sehr deutlich, dass er seinen Partner um jeden Preis zurückgewinnen wollte. Er drängte sich nicht auf, aber er gab ständig deutliche Hinweise. Wenn sie beide sich allein begegneten, berichtete er ihm außerdem oft von den Sitzungen mit seinem Therapeuten. Allem Anschein nach schien die Therapie recht erfolgreich zu verlaufen. Es war Freitagnachmittag. Crocodile kehrte gerade von der Arbeit nach Hause... nein, zum Haus seiner Schwester zurück. Hancock hatte sich die Mühe gemacht ein leckeres Essen zuzubereiten, aber Crocodile fühlte sich so elendig, dass er kaum etwas herunterbekam. Früher hatte er sich immer auf das Wochenende gefreut. Gemeinsam mit Doflamingo war er in ein Restaurant oder in einen Nachtclub gegangen. Es hatte eigentlich immer großen Spaß gemacht. Doch nun stand ihm ein einsames Wochenende in Hancocks Gästezimmer bevor. Crocodile unterdrückte ein Seufzen. Ihm fiel die Decke auf den Kopf. Er wollte ausgehen. Vielleicht etwas trinken. „Ich gehe heute in eine Bar“, meinte er beiläufig zwischen zwei Bissen. „Oder brauchst du mich, um auf Nozomi aufzupassen?“ „Nein, ich bin ja hier“, erwiderte Hancock. Sie wirkte überrascht. Crocodile konnte es ihr nicht verübeln, denn in den letzten Wochen hatte er nur selten freiwillig das Haus verlassen. „Mit wem bist du denn verabredet?“ „Mit Law und Kid“, log er. Es hätte ziemlich erbärmlich geklungen, wenn er seiner Schwester gegenüber zugeben müsste, dass er sich allein in eine Bar setzen und betrinken wollte. „Vielleicht gehen wir in Shakky's Bar.“ „Das hört sich gut an“, sagte Hancock und fütterte Nozomi mit einem Löffelchen Reis. „Ihr habt euch früher oft dort getroffen, oder nicht? Dein ganzer Freundeskreis, meine ich. Du, Doflamingo, Kid, Law, Bellamy und wie die alle heißen.“ Crocodile nickte. Bei der Erwähnung von Doflamingos Namen konnte er einen stechenden Schmerz spüren. Plötzlich fragte er sich, ob es ihm jemals gelingen würde über seinen Ehemann hinwegzukommen oder ob es für immer so schwierig und schmerzhaft bleiben würde. Er betrat gegen zwanzig Uhr Shakky's Bar. Noch war das Lokal relativ leer. Crocodile erkannte hier und da einen Stammkunden wieder, aber niemanden, mit dem er näher etwas zu tun hatte. Als er feststellte, dass weder Doflamingo noch irgendjemand anderes aus seinem Freundeskreis hier war, breitete sich Enttäuschung in seinem Körper aus. Fast hatte er gehofft, tatsächlich auf Law und Kid oder einen der anderen zu treffen. Crocodile gab es nur ungern zu, doch ihm fehlten seine Freunde wirklich sehr. Es tat ihm nicht gut, jede freie Minute nur mit Hancock und Nozomi zu verbringen. Vielleicht sollte ich einen von ihnen mal anrufen, überlegte er und ließ sich auf einen Hocker an der Bar nieder. Zu Beginn hatten sich Kid, Law, Bellamy, Cirkies und Dellinger oft bei ihm gemeldet; versucht ihn anzurufen oder ihm Textnachrichten geschrieben. Doch seit er sich ein neues Handy zugelegt hatte, hatten sie seine Nummer natürlich nicht mehr. Crocodile hatte einfach ein wenig Abstand gebraucht. Doch jetzt tat es ihm leid, dass er sie alle so vor den Kopf gestoßen hatte. Im Grunde bestanden seine einzigen Bekanntschaften noch aus seinen Geschwistern und Daz. So wie früher, bevor er Doflamingo kennengelernt hatte. Was hatte er damals bloß das ganze Wochenende lang gemacht? Bücher gelesen? Papierkram erledigt? Ein schuldig wirkendes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sich eingestehen musste, dass Doflamingo nicht ganz Unrecht gehabt hatte, wenn er ihn Langeweiler schimpfte. „Crocodile“, es war die sanfte und tiefe Stimme der Barkeeperin Shakky, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Wie schön dich mal wiederzusehen.“ „Ich hatte in letzter Zeit viel zu tun“, entschuldigte er sich bei der Betreiberin seiner Stammkneipe. Der Blick, den sie ihm zuwarf, machte Crocodile klar, dass sie seine Lüge sofort durchschaut hatte. Leise seufzend fuhr er sich mit der rechten Hand durch sein zurückgekämmtes Haar. Wusste jeder hier von seiner Trennung von Doflamingo? Verdammt, sein Ehemann war zwar reich, aber doch kein Superstar, dessen Liebesleben in irgendwelchen Klatschzeitschriften auseinandergenommen wurde. „Man braucht einfach nur eins und eins zusammenzählen“, erklärte Shakky ihm. „Es ist nicht schwer zu erraten, was passiert sein muss, wenn zwei Gäste, die immer zusammen hierher gekommen sind, plötzlich nur noch getrennt voneinander da sind.“ Crocodile senkte den Blick. Also war Doflamingo oft hier mit Kid, Law, Bellamy, Cirkies, Dellinger, Vergo, Monet, Violet und all den anderen Leuten, die er mochte? Die Vorstellung, dass Doflamingo sich mit einer Runde Freunde amüsierte, während Crocodile seine Abende zumeist allein verbrachte, versetzte ihm einen Stich. Offensichtlich nahm ihre Trennung seinen Ehemann nicht so sehr mit, wie er geglaubt hatte. Vielleicht kam Doflamingo ja allmählich über ihn hinweg? Eigentlich war er ja kein Kind von Traurigkeit. „Außerdem hat Doflamingo mir erzählt, was passiert ist, und mir 5.000 Berry angeboten, damit ich ihn anrufe, falls ich dich hier sehe“, fügte Shakky schnippisch grinsend hinzu. „Doflamingo hat dich bestochen, um zu erfahren, ob ich hierher komme?“, wiederholte Crocodile mit ungläubiger Stimme. Damit hatte er nicht gerechnet. „Er hat es versucht“, schnaubte Shakky, während sie Schnaps in ein Glas schüttete und es dann mit dem Kommentar „Der geht auf's Haus“ zu ihrem Gast hinüber schob. „Aber ich bin nicht käuflich.“ „Wie hat Doflamingo reagiert?“, fragte Crocodile interessiert nach und trank das Schnapsglas in wenigen Schlücken leer. Der Alkohol brannte in seiner Kehle. Ein gutes Gefühl. „Sein Angebot auf 10.000 Berry erhöht. Da hab ich ihm gesagt, wenn er das noch einmal versucht, erteile ich ihm lebenslanges Hausverbot.“ Die Vorstellung, wie Doflamingo sich frustriert eingestehen musste, dass man mit Geld eben nicht immer weiterkam, brachte Crocodile zum Lachen. Das war wirklich eine nette Lektion für seinen reichen Ehemann. „Ich meine, wofür hält er mich?“ Shakky schüttelte den Kopf und befüllte Crocodiles Glas ungebeten neu. „Ich habe schließlich auch meinen Stolz.“ Das konnte Crocodile gut verstehen. Obwohl Shakky ihn nicht angerufen hatte, tauchte sein Ehemann später am Abend in der Bar auf. Im Schlepptau hatte er Bellamy, Cirkies, Dellinger, Kuma, Violet und Vergo. Crocodile, der immer noch an der Bar saß und sich in der Zwischenzeit schon so einige Drinks bestellt hatte, beobachtete die bunte Truppe aus dem Augenwinkel heraus. Doflamingo hatte ihn offensichtlich nicht bemerkt. Seine Gruppe steuerte einen Tisch am Rand an. Es war nicht der Tisch, an den sie sich üblicherweise setzten, obwohl ihr Stammtisch durchaus frei war. Unweigerlich fragte Crocodile sich, wo Law und Kid waren. Vielleicht mussten die beiden arbeiten. Oder sie wollten den Abend allein als Paar verbringen. Bei diesem Gedanken wendete Crocodile sich wieder seinem Getränk zu. Es tat weh allein an der Bar zu sitzen und außer Shakky keinen zum Reden zu haben, während sein Ehemann zwischen zahlreichen Freunden saß, die sich lustige Geschichten erzählten und lachten. Doflamingo wirkte nicht so fröhlich und ausgelassen wie sonst, doch immerhin war er umringt von Menschen, die ihn mochten und sich mit ihm amüsierten. Crocodile leerte sein x-tes Glas Schnaps, als sich jemand auf den Barhocker neben ihm niederließ. Er kam sich dumm vor, weil er enttäuscht war, als er sich umdrehte und feststellte, dass es sich nicht um seinen Ehemann handelte. Neben ihm saß ein großer, breitschultriger Mann mit einem kräftigen Kinn. Über seine schwarze, uniformartige Kleidung trug er einen langen, weißen Mantel. Komplementiert wurde sein Outfit durch schwarze Lederstiefel, Handschuhe und eine Schirmmütze. In Shakky's Bar verirrte sich oft die eine oder andere sonderbare Gestalt. Selbst Doflamingo mit seinem schrillen Federmantel fiel hier nicht sonderlich auf. Trotzdem war der erste Gedanke, der Crocodile beim Anblick dieses Mannes durch den Kopf schoss, Perversling. Vage erinnerte er sich daran ihn schon das eine oder andere Mal hier gesehen zu haben. Sogar ein Name fiel ihm ein: Shiryu. Crocodile versuchte den Mann zu ignorieren. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, trank er sein Glas Schnaps leer. Zum Glück sah Crocodile nicht aus wie ein klischeebehafteter Homosexueller. Dann würde ihn Shiryu sicher in Ruhe lassen. Leider irrte er sich. „Du sitzt ja heute gar nicht bei deinem Mann“, meinte Shiryu plötzlich und verschlechterte Crocodiles Laune damit noch um ein Vielfaches. Gab es überhaupt noch jemanden in dieser Bar, der nicht über seine Trennung von Doflamingo Bescheid wusste? Eigentlich war er doch hierher gekommen, um sich abzulenken. „Heißt das, du bist heute Abend auf der Suche nach einem Anderen?“ Auch wenn es so wäre, würde ich garantiert nicht mit einem Typen, der offensichtlich auf Rollenspiele und Lederuniformen steht, ins Bett gehen, erwiderte Crocodile gedanklich. Er war so extrem niedergeschlagen, dass er nicht einmal Lust hatte, Shiryu eine fiese Absage zu erteilen. Ihm fielen so einige Sprüche ein (immerhin war es nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er in einer Bar angeflirtet wurde), doch anstatt seinem perversen Tischnachbarn eins auszuwischen, erhob er sich stumm von seinem Hocker und ging hinüber zu den Toiletten. Er hatte vor sich zu erleichtern und danach den Weg zurück nach Hause einzuschlagen. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Shiryu ihm einfach folgte. Es fiel Crocodile erst auf, als er sich bereits in der Herrentoilette befand. Die große, mächtige Gestalt des uniformierten Mannes versperrte die Türe. Was hatte er vor? Wollte er Crocodile begaffen, während er das Pissoir benutzte? Bei dieser Vorstellung lief es ihm eiskalt den Rücken herunter. Das war ja widerwärtig. Crocodiles Blick wanderte zu den Toilettenkabinen hinüber. Eine leichte Röte legte sich auf seine Wangen, als er sich plötzlich daran erinnerte, dass er in einer der Kabinen mal Sex mit Doflamingo gehabt hatte. Vielleicht sollte er andere Menschen nicht vorschnell als pervers bezeichnen, gestand er sich beschämt ein, wenn er selbst jemand war, der Geschlechtsverkehr auf dreckigen Kneipentoiletten hatte. „Also?“, riss ihn Shiryus Stimme aus seinen Gedanken. „Also was?“, entgegnete Crocodile. Seine Stimme klang eher irritiert als angewidert. „Was tun wir jetzt?“, wollte Shiryu wissen und leckte sich über die Lippen. „Machst du Oralsex? Du könntest anfangen. Willst du hier bleiben? Sonst können wir auch in meine Wohnung gehen. Da habe ich auch Kondome.“ Crocodile verzog das Gesicht. Die Unverschämtheit seines Gegenübers war für ihn absolut unbegreiflich. Wie konnte man einfach einer völlig fremden Person auf die Toilette folgen und diese dann so unverblümt zum Sex auffordern? Crocodile hatte auch keine weiße Weste. In den Lebensjahren, in denen er in keiner festen Beziehung gewesen war, hatte er durchaus den einen oder anderen One-Night-Stand gehabt. Auch wenn sein Libido nicht so stark wie das anderer Männer war, konnte auch er nicht ganz auf Sex verzichten. Aber es war nie so abgelaufen wie hier. Lud man den Anderen nicht mal mehr zum Essen ein, bevor man Sex miteinander hatte? „Lass mich bloß in Ruhe“, sagte Crocodile mit abweisender Stimme. „Was soll das jetzt?!“, fuhr Shiryu ihn böse an und kam einen Schritt näher. „Wozu sind wir denn hierhin gekommen?“ Crocodile wäre am liebsten ein Stück zurückgewichen, doch hinter ihm befanden sich nur noch die Urinale. Der Ausgang wurde von Shiryus breiter Gestalt versperrt. Im Grunde saß Crocodile in der Falle. „Keine Ahnung, wozu du hierhin gekommen bist“, meinte er und hoffte darauf, seinem Gegenüber endgültig klarmachen zu können, dass er kein Interesse hatte. „Ich für meinen Teil wollte jedenfalls einfach nur pissen.“ „Hör auf mich zu verarschen“, knurrte Shiryu und kam noch etwas näher. Er packte Crocodile am Unterarm seiner rechten Hand und versuchte ihn zu sich zu zerren. Shiryu hatte so schnell nach ihm gegriffen, dass er überhaupt keine Gelegenheit hatte, um zu reagieren. Crocodile stemmte sich mit seinem gesamten Körpergewicht gegen den Zug an seinem Arm. Er versuchte sich zu wehren so gut es ging, doch im Grunde hatte er keine Chance. Seine einzige Hand befand sich in Shiryus schraubstockartigem Griff. „Zier dich nicht so“, gurrte sein Gegenüber. Inzwischen war er ihm so nah, dass er seinen üblen Mundgeruch riechen konnte. Crocodile verzog das Gesicht. In diesem Moment öffnete sich die Türe der Herrentoilette. Ein junger, blonder Mann in einem rosafarbenem T-Shirt stand im Türrahmen. Es war nicht Doflamingo. Es war Dellinger. Doflamingos jüngerer Cousin betrachtete die ihm gebotene Szene mit erschütterter Miene. Und ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, rannte er nach draußen. Die Toilettentüre fiel krachend ins Schloss. Nein, dachte Crocodile verzweifelt. Beinahe schossen ihm Tränen in die Augen. Warum hatte Dellinger nicht versucht ihm zu helfen? Sie beide waren doch befreundet. Oder wollte Dellinger nun, da er sich von dessen Cousin getrennt hatte, nichts mehr mit ihm zu tun haben? Crocodile fühlte sich verraten und hilflos. Panik breitete sich in seinem Körper aus, als er spürte, dass Shiryu begann mit seiner freien Hand das Hemd aus Crocodiles Hose zu zupfen. Weil er selbst keine Hand hatte, mit der er sich wehren könnte, trat er mit aller Kraft gegen das Schienbein seines Gegenübers. Unglücklicherweise trug Shiryu hochgeschlossene Lederstiefel und schien sich durch den festen Tritt nicht allzu sehr gestört zu fühlen. Crocodiles Unterarm schmerzte. Der Griff, in dem Shiryu ihn festhielt, tat höllisch weh. Ihm kam der Gedanke, dass er so etwas hier sicher nicht zum ersten Mal tat. Warum waren solche Menschen nicht hinter Gittern? Als er eine Hand an seinem nackten Bauch spürte, schloss Crocodile verzweifelt die Augen. Als Shiryu versuchte ihn in eine der Toilettenkabinen zu zerren, hörte er, dass sich die Türe zur Herrentoilette abermals öffnete. Hatte Dellinger sich besonnen und war zurückgekehrt, um ihm zu helfen? Crocodile öffnete seine Augen wieder und sah, wie sein Ehemann mit voller Wucht und ohne auch nur einen Moment lang zu zögern gegen Shiryus Unterarm trat. Obwohl Doflamingo -wie üblich- bloß flache, offene Schuhe trug, war der Tritt so stark, dass Crocodile sich sofort aus dem Griff befreien konnte. Mit aufeinander gepressten Lippen betrachtete er sein malträtiertes Handgelenk: Es pochte schmerzhaft und war blau angelaufen. Sofort fragte Crocodile sich, ob er am Montag überhaupt dazu in der Lage sein würde, ohne Schmerzen eine Tastatur oder Maus zu bedienen. „Was s...“ Shiryu bekam keine Gelegenheit, um auszusprechen. Doflamingos Faust traf ihn mitten ins Gesicht. Doch er war ein großer, breitschultriger Mann; größer und kräftiger sogar als Doflamingo. Ihn zwang so schnell keiner in die Knie. Zum Glück war Doflamingo nicht allein. Bellamy und Vergo packten sich jeweils einen Arm und drehten ihn auf Shiryus Rücken. Als es ihm dennoch beinahe gelang sich aus diesem Griff zu befreien, wurden sie von Kuma, der ein echter Riese war, unterstützt. Nun konnte selbst Shiryu sich nicht mehr wehren. Crocodile beobachte, wie Doflamingo wutentbrannt auf Shiryu einschlug. Immer wieder trafen zwei harte Fäuste seinen Körper und sein Gesicht. Um ehrlich zu sein, konnte Crocodile sich nicht daran erinnern, seinen Ehemann jemals so außer sich erlebt zu haben. Am Ende mussten Monet und Violet auf ihn einreden und ihn darum bitten aufzuhören, damit er Shiryu nicht völlig zu Brei schlug. In der Zwischenzeit wendeten sich ihm Dellinger und Cirkies zu. „Geht es dir gut?“, fragte ihn Doflamingos Cousin. Cirkies griff ungebeten nach seinem Unterarm und betrachtete skeptisch das bunt angelaufene Fleisch. „Das sieht wirklich schlimm aus. Kannst du deine Hand bewegen?“ „Ja“, antwortete Crocodile, der allmählich wieder zu sich fand. Sein Handgelenk tat schrecklich weh, doch glücklicherweise konnte er alle Finger bewegen. (Nicht auszumalen, was wäre, wenn er weder links noch rechts eine funktionierende Hand hätte.) „Alles in Ordnung. Mir geht es gut.“ „Von diesem Typen habe ich schon mal gehört“, sagte Bellamy, nachdem er den krankenhausreif geschlagenen Shiryu losgelassen hatte. Sein malträtierter Körper sackte auf den Boden; offensichtlich war er ohnmächtig geworden. „In der Szene nennt man ihn Ame no Shiryu. Ein ekliger Typ. Hat in fast allen Clubs Hausverbot, weil er sich an Männern und Frauen vergreift.“ „Mir hat man auch schon vieles von ihm erzählt“, fügte Dellinger hinzu. „Richtige Horrorgeschichten. Angeblich wäre er auf Bewährung draußen, nachdem er wegen einigen Sexualdelikten verurteilt wurde. Keine Ahnung, ob das stimmt.“ „Die sollen ihn lieber wieder hinter Gitter stecken“, knurrte Doflamingo. Es war ein angsteinflößendes Geräusch, das Crocodile noch nie bei seinem Ehemann gehört hatte. „Dort ist er sicher vor mir. Ich kann nicht garantieren, dass ich ihn nicht ins Grab prügle, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.“ Es breitete sich ein betretenes Schweigen aus, das irgendwann durch das erneute Öffnen der Türe durchbrochen wurde. Shakky betrat mit einem scharfen Gesichtsausdruck die Herrentoilette ihrer Bar. „Was ist passiert?“, wollte sie mit ernster, aber ruhiger Stimme wissen und blickte in die Runde. Shiryu, der bewusstlos und blutend am Boden lag, war natürlich nicht zu übersehen. „Der Typ hat versucht sich an Crocodile zu vergreifen“, erklärte Violet. „Stimmt das?“, fragte Shakky und wandte sich direkt an ihn. Crocodile zögerte. Er stand unter Schock und außerdem war ihm die ganze Sache furchtbar unangenehm. Er brachte kein Wort heraus. Schließlich griff Cirkies nach seinem Hemdsärmel, schob ihn nach oben und präsentierte Shakky seinen gequetschten Unterarm. Das schien der Barkeeperin Beweis genug zu sein. Während Shakky gemeinsam mit Kuma, Vergo und Bellamy den bewusstlosen Shiryu vor die Türe setzte, kam Doflamingo zu ihm herüber. „Geht es dir gut?“, fragte er. Man merkte ihm deutlich an, dass er immer noch aufgewühlt war, doch seine Stimme klang sanft. Crocodile nickte stumm. Er musste daran denken, wie sein Ehemann mit voller Wucht gegen Shiryus Bein getreten hatte, um ihn aus seiner schwierigen Lage zu befreien. „Danke, ich... dass du...“ „Du musst dich nicht bedanken“, meinte Doflamingo und winkte ab. „Du bist mein Mann. Ich würde nie zulassen, dass dir etwas zustößt.“ Crocodile senkte den Blick. Er fühlte sich immer noch ein wenig benommen. Gedankenverloren strich er sich eine verrutschte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin wirklich froh, dass ihr aufgetaucht seid“, flüsterte er. „Als Dellinger verschwunden ist... Da dachte ich für einen Moment wirklich, dass ich Shiryu nicht entkommen kann. Zum Glück habt ihr... mir geholfen.“ Crocodile war kein Mensch, der gerne Hilfe annahm; doch er sah ein, dass diese Sache ohne das beherzte Eingreifen seiner Freunde schlimm hätte ausgehen können. „Dellinger hat uns sofort Bescheid gegeben“, erklärte Doflamingo das Verhalten seines Cousins. „Dieser Typ war wirklich ein Ungeheuer und Dellinger ist, nun ja, nicht gerade ein Muskelpaket. Allein hätte er wohl kaum etwas ausrichten können. Er ist gegangen, um Hilfe zu holen. Es ist nicht seine Absicht gewesen dich im Stich zu lassen.“ „Das ist mir im Nachhinein auch klar geworden“, erwiderte Crocodile. „Darf ich mir mal deinen Arm ansehen?“, fragte Doflamingo. Crocodile zögerte nur einen kurzen Augenblick lang, ehe er seinem Ehemann seinen rechten Arm hinhielt. Behutsam schob Doflamingo den Ärmel nach oben und betrachtete Crocodiles Unterarm; die Haut oberhalb des Handgelenks leuchtete rot und blau. So vorsichtig, als wollte er die Flügel eines Schmetterlings berühren, fuhr Doflamingo mit dem Zeigefinger über die gequetschte Haut. Auch wenn die Verletzung weh tat, fühlten sich die Berührungen seines Ehemannes angenehm an. „Ich weiß, dass du nicht gerne zum Arzt gehst“, hörte er Doflamingo sagen, „aber bitte versprich mir, dass du da jemanden draufschauen lässt. Das sieht wirklich übel aus.“ Crocodile nickte. „Hoffentlich kann ich damit am Montag zur Arbeit. Aber ich sollte mich nicht beschweren. Das hätte auch anders ausgehen können. Zum Glück ist Dellinger zufällig zur selben Zeit zur Toilette gegangen.“ „Eigentlich war es kein Zufall“, meinte sein Ehemann und ließ seinen Arm los. „Ich habe ihn hinter dir her geschickt.“ Crocodile horchte auf. „Was? Wieso?“,wollte er wissen. Doflamingo schien sich mit einem Mal sehr unwohl in seiner Haut zu fühlen. „Shiryu ist mir von Anfang an aufgefallen“, erklärte er schließlich. „Ich kannte ihn zwar nicht, aber er kam mir irgendwie verdächtig vor. Als er dir dann gefolgt ist, obwohl du kein einziges Wort mit ihm gewechselt hast, habe ich angefangen mir Sorgen zu machen. Also habe ich Dellinger gebeten nach dem Rechten zu sehen. Offensichtlich hat sich mein Instinkt nicht getäuscht.“ „Warum bist du nicht selbst gegangen?“, war der erste Gedanke, der Crocodile kam. Doflamingo verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf's andere. „Ich wollte mich nicht aufdrängen“, sagte er nach einem kurzen Moment des Zögerns. „Stell dir mal vor, es wäre gar nichts gewesen und ich stünde in der Toilette auf einmal hinter dir. Weißt du, mein Therapeut hat mir geraten, dass ich mich dir nicht übertrieben annähern soll. Es schadet nur, wenn man sich dem Anderen aufdrängt.“ Crocodile nickte. Das klang einleuchtend. Offenbar nimmt Doflamingo diese Sitzungen mit seinem Psychotherapeuten sehr ernst. „Was heute passiert ist, wird mich bei der Bewältigung meiner Ängste allerdings ein Stück zurückwerfen“, meinte er und lachte halb ernst. Als Crocodile ihm einen fragenden Blick zuwarf, erklärte er: „Mein Therapeut sagt, dass meine Eifersucht und mein Kontrollwahn zu großen Teilen auf der Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte, basieren. Das muss ich in den Griff kriegen. Dabei helfen Vorfälle wie dieser hier natürlich nicht unbedingt.“ „Tut mir leid, dass mir ständig etwas passiert“, sagte Crocodile ebenfalls halb ernst. „Du bist wirklich ein Pechvogel, Wani“, gluckste Doflamingo. „Aber ich komme immer mit einem blauen Auge davon“, gab er schmunzelnd zurück. „Möchtest du dich zu uns an den Tisch setzen?“, fragte sein Ehemann. „Lieber nicht“, erwiderte Crocodile. Das Lächeln auf Doflamingos Lippen erstarb angesichts dieser Absage schlagartig. „Um ehrlich zu sein, möchte ich einfach nur nach Hause. Also zu Hancock. Mir ist wirklich nicht mehr nach Feiern zumute. Aber danke für das Angebot.“ „Ich rufe für dich ein Taxi“, meinte Doflamingo und ehe Crocodile etwas dagegen einwenden konnte, hatte er bereits sein Handy hervorgeholt. Gemeinsam gingen sie vor die Türe, um auf das Taxi zu warten. Es war kühl geworden und Crocodile schlang seinen Mantel eng um seinen Körper. Es handelte sich um den teuren Nerzmantel, den sein Partner ihm einst geschenkt hatte. „Wegen meiner Handynummer...“, begann Crocodile, doch da sah er schon das Taxi um die Ecke biegen. „Ich schicke dir morgen eine SMS mit meiner neuen Nummer, ja?“ „Ja“, antwortete Doflamingo. Zu einer längeren Erwiderung blieb keine Zeit, denn Crocodile stieg rasch in das Taxi ein. ~ Hancock hatte Mihawk, Daz und Doflamingo zu einem gemeinsamen Abendessen bei sich Zuhause eingeladen. Crocodile fand die Vorstellung mit seinem Bruder, seinem besten Freund und seinem Ehemann gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und so zu tun als wäre nie etwas gewesen, sehr befremdlich. Er war sich auch nicht sicher, ob seine Schwester hierbei nicht irgendwelche Hintergedanken hatte - doch was sollte er tun? Hancock konnte in ihr Haus einladen, wen auch immer sie wollte. Es stand Crocodile nicht zu ihr Vorschriften zu machen; immerhin war er selbst auch nur ein Gast. Crocodile hatte sich noch nicht auf Wohnungssuche begeben. Keine Inserate in der Zeitung oder im Internet durchgeschaut. Er brachte es einfach nicht über sich diesen Schritt zu gehen. Eine eigene Wohnung zu beziehen, bedeutete, dass er sich vollkommen von seinem Ehemann lossagte. Dass eine Versöhnung in der Zukunft einhundertprozentig ausgeschlossen war. Dass sie von nun an absolut getrennte Wege gehen würden. Und Crocodile war sich nicht sicher, ob er das wollte. Überraschenderweise gestaltete sich der Abend weniger unangenehm und komisch als Crocodile es befürchtet hatte. Er begrüßte seinen Ehemann mit einer kurzen Umarmung, genauso wie seinen Freund Daz. Es gab zwischen ihnen kein peinliches Schweigen und auch keine verlegenen Blicke. Hancock hatte geschmortes Lammfleisch mit Kartoffeln und Sauce vorbereitet - das Essen war nicht schlecht, aber schmeckte nicht so gut wie aus Crocodiles Hand. (Die Sauce war nicht selbstgemacht.) Nachdem Hancock ihre Tochter zu Bett gebracht hatte, holte sie eine gute Flasche Wein aus dem Keller und schenkte jedem ein Glas ein. Crocodile, dem eigentlich nicht nach Alkohol zumute war, war zu höflich, um den Wein abzulehnen. Er wollte Hancock, die sich für diesen Abend viel Mühe gemacht hatte, nicht verletzen. Selbst Daz, der nachher mit dem Auto zurück nach Hause fahren wollte, genehmigte sich ein Glas. Der Wein schmeckte gut und löste die Zungen. Es dauerte nicht lange, bis sich alle ausgelassen über dieses oder jenes unterhielten. Mihawk berichtete davon, dass seine Fechtschülerin Tashigi zur Besinnung gekommen war und sich endlich wieder auf ihr Training konzentrierte. Daz hatte eine Gehaltserhöhung bekommen. Für Nozomi würde ab nächsten Monat die Eingewöhnung in die Krippe starten, damit Hancock ihre Arbeit als Nageldesignerin wieder aufnehmen konnte. Crocodile, über dessen Privatleben nicht viel zu berichten war, weil er faktisch kaum etwas Anderes tat als in seinem Bett zu liegen oder Nozomis Kinderwagen durch die Gegend zu schieben, erzählte ein paar lustige Anekdoten von seiner Arbeit. Hancock, Daz und Doflamingo konnten sich kaum halten vor Lachen als er beschrieb wie sein Chef Franky zu einem wichtigen Kundengespräch in Badeshorts und Hawaii-Hemd erschienen war. Gegen elf Uhr abends verabschiedete sich Daz und machte sich auf den Heimweg. Crocodile fand es sehr schade, dass er ihre lustige Runde bereits wieder verließ. Die Anwesenheit seines alten Studienfreundes hatte ihm unwahrscheinlich gutgetan. Mihawk rief sich eineinhalb Stunden und zwei Flaschen Wein später ein Taxi. Und als Nozomi um ein Uhr nachts plötzlich aufwachte und laut schrie, sodass Hancock nach oben ins Kinderzimmer huschen musste, um nach ihr zu sehen, waren nur noch Crocodile und Doflamingo übrig geblieben. Nun wurde es doch ein wenig komisch. Crocodiles Geist war vom Alkohol vernebelt. Er hatte deutlich mehr Wein getrunken als ursprünglich geplant. Aber er hatte sich in ihrer geselligen und lustigen Runde mit seinem lachenden Ehemann an seiner Seite nicht zurückhalten können. Ungeniert ließ Crocodile seinen Blick über die Gestalt seines Partners wandern. Doflamingo sah wieder besser aus. Seine Haut hatte ihren gräulichen Unterton verloren und auch die Augenringe waren deutlich zurückgegangen. Das fröhliche Grinsen auf seinen Lippen stand ihm außerordentlich gut. Völlig unerwartet musste Crocodile an die ersten Verabredungen, die er damals vor etwa zwei Jahren mit Doflamingo gehabt hatte, zurückdenken. Viel schneller als er es je für möglich gehalten hätte, war er dem Charme dieser süßen Lippen verfallen. Er erinnerte sich daran wie unfassbar wohl er sich in der Nähe des anderen Mannes gefühlt hatte. Ihr zweites Date hatte nur zwei Tage nach dem ersten stattgefunden. Und jedes Treffen hatte sich federleicht angefühlt. „Woran denkst du?“ Es war die sanfte Stimme seines Partners, die ihn aus seinen Gedanken riss. „An das Outfit, das du bei unserem ersten Date getragen hast“, gab Crocodile schmunzelnd zurück. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mir vorgenommen hatte, diesen pinken Federmantel in den Müll zu schmeißen, sobald wir ein Paar geworden wären.“ „Einmal hast du mit deiner Zigarre ausversehen ein Loch hineingebrannt“, meinte Doflamingo und lachte leise. Es war ein sanftes, schönes Geräusch, das Sehnsüchte in Crocodile weckte. „Es war wirklich ausversehen“, verteidigte er sich. Keiner von ihnen beiden wandte den Blick ab. Am Ende wusste Crocodile nicht mehr, von wem der Kuss ausgegangen war. In diesem Moment existierten bloß die warmen, weichen Lippen seines Partners. Als Doflamingos Zunge über seine Unterlippe strich, öffnete Crocodile ohne nachzudenken den Mund. Leise seufzend schloss er seine Augen und genoss, wie die fremde Zunge neugierig seinen Mundraum erkundete. Eigentlich war Crocodile nie ein Freund vom Knutschen gewesen. Ihn erregten Zungenküsse beim Sex, aber davon ab hatte er sie immer als irgendwie unangenehm empfunden. Doch jetzt gerade war alles anders. Crocodile war wie in Trance. Er wehrte sich nicht, als Doflamingos feingliedrige Finger das Hemd aus seiner Hose zupften und unter den teuren Stoff schlüpften. Tatsächlich genoss er es, als sein Partner sanft die Haut an seinem Bauch streichelte und liebkoste, ohne den intensiven Kuss zu unterbrechen. Es dauerte nicht lange, bis die Hände auch seine Hüften, seinen Rücken und seine Brust erreicht hatten. Gänsehaut breitete sich auf Crocodiles Unterarmen aus, als Doflamingos Finger zärtlich über seine Brustwarzen strichen. Die Berührung war federleicht, doch weckte in Crocodile eine Gier, die er nicht hätte in Worte fassen können. Er spürte, wie sein Glied steif zu werden begann. Ohne sich zu schämen griff er mit seiner rechten Hand in Doflamingos sowieso nur lose bis zum Bauchnabel geknöpftes Hemd. Seine Haut fühlte sich warm und unfassbar weich an. Sehnsüchtig ertastete Crocodile die definierten Bauchmuskeln, die er darunter spüren konnte. [zensiert] Völlig erschöpft und berauscht glitt Crocodile in einen tiefen Schlaf über, noch ehe sein Ehemann sich aus ihm entfernt hatte. Es war ein traumloser Schlaf, doch zum ersten Mal fühlte Crocodile sich in Hancocks Gästebett wirklich wohl und geborgen. Wochenlang hatte er nicht mehr so ruhig geschlafen wie in dieser Nacht. So schön wie die Nacht gewesen war, so grässlich war der nächste Morgen. Crocodiles Schädel fühlte sich an als wäre jemand mit einer Dampfwalze drübergefahren und sein Mund war so trocken, dass er nicht schlucken konnte. Ihm war hundeelend zumute. Die rechte Seite des großen Bettes in Hancocks Gästezimmer war verwaist. Es erstaunte Crocodile, dass ihn diese Tatsache enttäuschte. Er hatte nicht vergessen, was gestern Abend geschehen war. Berauscht vom Wein war er mit Doflamingo im Bett gelandet. Crocodile wandte den Blick von der freien Bettseite ab. Das Kissen war aufgeschüttelt und das Laken sorgsam glatt gestrichen worden. Offenbar war Doflamingo nicht hastig aufgestanden, sondern hatte sich die Mühe gemacht, das Bett so ordentlich wie möglich zu hinterlassen. Als wäre er nie hier gewesen. Als hätte der gestrige Abend nicht stattgefunden. Plötzlich kam Crocodile ein beängstigender Gedanke: Betrachtete Doflamingo ihre gemeinsam verbrachte Nacht womöglich als einen Fehler? War er in Begriff gewesen über ihre Ehe hinwegzukommen und sah diesen Sex als einen Rückschlag an? Die Vorstellung, dass Doflamingo nicht länger verzweifelt auf seine Rückkehr wartete, sondern sich allmählich mit der Situation zu arrangieren begann, jagte Crocodile Angst ein. Er war von seinem Ehemann immer wie ein König verehrt worden. Von ihrer ersten Verabredung bis zum Ende ihrer Beziehung war er von Doflamingo stets auf Händen getragen worden. Jeden Wunsch hatte er ihm erfüllen wollen. Dass genau derselbe Mann nun ihr Bett verließ ohne irgendeine Spur zu hinterlassen, verletzte Crocodile. Mühsam erhob er sich und sammelte seine verstreut auf dem Boden liegende Kleidung auf. Unter normalen Umständen hätte Crocodile erst einmal geduscht und wäre dann in frische Sachen geschlüpft, doch er fühlte sich so elend, dass er dazu keine Kraft aufbrachte. Stattdessen gab er sich mit einer Katzenwäsche zufrieden. Im Badezimmerspiegel blickte ihm eine bleiche, unglücklich dreinschauende Gestalt entgegen. Seine Augen waren bläulich umschattet. Leise seufzte er auf. Crocodile trank eigentlich keinen Kaffee, doch heute war er ausnahmsweise der Meinung, dass ihm eine Tasse sicherlich guttun würde. Müde stolperte Crocodile unten in die Küche. Nachdem er den Kaffee ausgesetzt hatte, schenkte er Wasser in ein großes Glas ein. Er durchsuchte Hancocks Schubladen nach einer Aspirintablette, doch konnte keine finden. „Du musst keinen Kaffee kochen. Hancock ist nicht da.“ Crocodile erschreckte sich so sehr, dass er das Glas Wasser, das er in der Hand gehalten hatte, fallen ließ. Es landete laut krachend auf dem Fliesenboden und zersprang in hundert Scherben. Doflamingo saß auf einem Stuhl am Küchentisch. Crocodile hatte ihn überhaupt nicht bemerkt. „Tut mir leid“, sagte er und erhob sich, „ich wollte dich nicht erschrecken.“ Stumm begann er die Scherben vom Fußboden aufzulesen. „Wo ist denn Hancock?“, war die erste Frage, die Crocodile in den Sinn kam. „Sie hat einen Anruf aus dem Nagelstudio bekommen“, antwortete Doflamingo und warf die Scherben in den Mülleimer. „Es gibt irgendein Problem mit Materialen, die sie bestellt hatte und darum musste sie schnell hin, um die Sache zu klären.“ Crocodile nickte. Doflamingo war fast fertig mit dem Aufsammeln der Scherben, als Crocodile einfiel, dass er ihm vielleicht helfen sollte. Mühsam bückte er sich und hob, so gut es mit einer Hand eben ging, zwei Glasscherben auf. Doch Doflamingo winkte ab. „Ich mache das schon“, sagte er und nahm ihm das Glas ab. Der Kaffee war fertig, als alle Scherben entsorgt und der Boden gekehrt war, doch Crocodile war die Lust auf's Kaffeetrinken vergangen. „Warum bist du noch hier?“, fragte er seinen Ehemann mit leiser Stimme. Hatte Hancock ihn gebeten auf Nozomi aufzupassen, während sie im Nagelstudio war? Aber er war doch auch noch da. Seine Frage schien Doflamingo sauer aufzustoßen; er verzog unangenehm berührt das Gesicht. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen“, sagte er schließlich. Er nahm seine Brille ab, klappte sie zusammen und legte sie auf den Küchentresen. Wie immer, wenn Doflamingo seine Sonnenbrille nicht trug, überkam Crocodile das Gefühl geröntgt zu werden. Die beiden grünen Iridien übten eine geradezu magische Anziehungskraft auf ihn aus. „Bei mir entschuldigen?“, wiederholte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass ihm das Herz in die Hose rutschte. Doflamingo nickte mit schuldbewusster Miene. „Was ich getan habe, war falsch“, sagte er. „Die gestrige Nacht... das hätte so nie passieren dürfen. Es tut mir leid.“ Diese Entschuldigung versetzte Crocodile einen Stich ins Herz. Unweigerlich musste er an das aufgeschüttelte Kissen und das glattgezogene Bettlaken denken. Doflamingo betrachtete es also tatsächlich als Fehler, dass sie sich wieder angenähert hatten. „Es ist nicht allein deine Schuld gewesen“, erwiderte Crocodile. „Wir waren beide betrunken...“ „Ich hätte es auch getan, wenn ich nüchtern gewesen wäre“, unterbrach ihn sein Ehemann. „Ich habe ausgenutzt, dass du betrunken warst. Und das ist nicht richtig gewesen. Ich... Es ist nur...“ Plötzlich geriet seine Stimme, die vorher so sicher und fest geklungen hatte, ins Stocken. „Ich habe dich so schrecklich vermisst, Crocodile. Ich kann nicht in Worte fassen wie sehr du mir fehlst. Deine Stimme und dein Geruch... Als du allein neben mir gesessen hast, konnte ich dir einfach nicht widerstehen. Ich schäme mich dafür sehr. Natürlich möchte ich dich zurück, das möchte ich mehr als alles andere. Aber... aber doch nicht so. Ich habe mich hinreißen lassen, Crocodile, und es tut mir aufrichtig leid.“ Oh. Dieses Geständnis überraschte Crocodile. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Doflamingo war kein Mann, dem es leicht fiel über seinen Schatten zu springen und sich zu entschuldigen. Eigentlich gestand er bloß dann einen Fehler ein, wenn man ihn dazu zwang. „Es ist wirklich nicht allein deine Schuld gewesen“, versuchte Crocodile ihn ein wenig zu trösten. „Du hast Recht damit, dass ich betrunken war. Aber ich wollte es ebenso sehr wie du. Du stellst diese Nacht falsch dar, wenn du so tust, als wärst du über mich hergefallen. So war es nicht.“ Seine Worte schienen Doflamingo ein wenig zu besänftigen. Ein zaghaftes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. „Hast du eben eine Kopfschmerztablette gesucht?“, fragte er ihn. „Ich habe welche in meiner Manteltasche, wenn du eine möchtest.“ Crocodile, der sich allmählich zu fragen begann, was sein Ehemann noch alles in seinem Mantel mit sich herumschleppte, nickte stumm. Doflamingo holte die Tablette und gab sie in ein Glas Wasser, das er ihm reichte. Für sich selbst goss er den Kaffee ein, von dem er ausgegangen war, dass Crocodile ihn für Hancock aufgesetzt hatte. Eine Weile lang sagte keiner von ihnen ein Wort. Crocodile nahm schlückchenweise das Wasser zu sich, während Doflamingo seine Tasse Kaffe trank. „Ist mit deinem Arm alles in Ordnung?“, fragte Doflamingo irgendwann. Crocodile, dessen Schädel schrecklich pochte, brauchte einen Moment, um zu verstehen, worauf die Frage seines Ehemannes anspielte. Er nickte und hielt Doflamingo seinen rechten Arm hin. Behutsam schob dieser den Ärmel nach oben und begutachtete die mit Hämatomen übersäte Haut; inzwischen hatten sie zum Glück bloß noch eine hellgelbe Färbung. Es würde nicht lange dauern, bis sie vollkommen verschwunden waren. „Kurz bevor du aufgewacht bist, hat Hancock mich angerufen. Diese Sache mit der falsch bestellten Ware scheint sich wohl etwas hinzuziehen. Sie hat mich gebeten nach Nozomi zu sehen. Hättest du vielleicht Lust ein bisschen mit uns spazieren zu gehen?“ „Warum nicht?“, antwortete Crocodile. Ein bisschen frische Luft würde ihm sicher guttun. ~ Heute Abend würde Crocodile sich mit Doflamingo treffen. Sein Ehemann hatte ihn um eine gemeinsame Verabredung gebeten; er wollte mit ihm im Flying Lamb zu Abend essen. Es war dasselbe Restaurant, das Doflamingo damals komplett nur für sie beide gebucht hatte, um ihren neunten Monatstag zu feiern und ihn zu fragen, ob er nicht bei ihm einziehen wollte. Crocodile kam dieser Abend sehr weit entfernt vor. In der Zwischenzeit war so unfassbar viel passiert. Crocodile war mit seinem Mercedes C 216 durch die Waschanlage gefahren und hatte sich ein neues, teures Hemd gekauft. Wahrscheinlich war es dämlich, aber er wollte bei diesem Date einen guten Eindruck machen. Doflamingo, der im Eingangsbereich des Lokals auf ihn gewartet hatte, begrüßte ihn mit einer Umarmung und einem kurzen, aber zärtlichen Kuss auf den Mund. Er half ihm aus seinem Mantel und nahm ihn an die Hand, um ihn zu ihrem Tisch zu führen. Dieses Mal hatte sein Ehemann das Flying Lamb nicht allein für sich angemietet. Wie damals, als sie mit einigen Freunden zu Besuch kamen, hatte er stattdessen den besten Tisch reserviert. Im kleinen, eleganten Separee fühlte Crocodile sich viel wohler. Noch gut konnte er sich daran erinnern, wie unangenehm es ihm vorgekommen war, in einem völlig ausgestorbenen Restaurant zu speisen. „Du siehst gut aus“, sagte Doflamingo, nachdem sie sich gesetzt hatte. Der blonde Kellner zündete die Kerzen an ihrem Tisch an. „Ist das Hemd neu?“ Crocodile nickte. „Ich bin mit Hancock einkaufen gewesen“, erzählte er. „Sie hat ein Kleid gesucht, das sie beim Elternabend in der Krippe tragen kann.“ „Wie macht Nozomi sich? Fühlt sie sich in der Krippe wohl?“ Er zuckte mit den Schultern. „Bisher sind sie immer nur eine oder zwei Stunden dort gewesen. Die Erzieherinnen sagen, dass man ein Kind in Nozomis Alter lieber langsam eingewöhnt. Erst ab nächster Woche wird sie zum ersten Mal ohne Hancock dort bleiben.“ „Bestimmt wird Nozomi sich gut machen. Sie ist es ja schön gewöhnt, mal ein paar Stunden ohne ihre Mutter zu verbringen. Wir sind ja auch oft mit ihr unterwegs gewesen“, warf sein Partner ein. Der Kellner kam zu ihrem Tisch, um nach ihren Wünschen zu fragen. Crocodile hatte sich für Schweinefilet entschieden; Doflamingo nahm Hummer. Außerdem bestellten sie eine Flasche des besten Weins des Hauses. „Und wie läuft es bei der Arbeit?“, fragte sein Ehemann, während er sich ein Stück Brot mit Knoblauchsauce in den Mund stopfte. „Bestimmt hast du beide Hände voll zu tun... Also... Ich meine, du bist sicher im Stress, oder? Der Erfolg der letzten Messe hat die Erwartungshaltung erhöht.“ Crocodile verzog das Gesicht. Er hasste es jemanden zu küssen, der kurz zuvor Knoblauch gegessen hatte. „Ich komme zurecht“, antwortete er und winkte ab. „Und ab nächsten Monat bekomme ich Unterstützung durch eine neue Sekretärin. Franky und ich machen so viel Arbeit, dass Kiwi und Moz alleine nicht mehr hinterherkommen.“ „Eine neue Sekretärin?“, hakte Doflamingo nach. „Hört sich gut an. Weißt du schon, wer es ist?“ Crocodile grinste. „Eigentlich ist es keine neue Sekretärin“, meinte er. „Sondern eine alte Sekretärin.“ Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. Crocodile wusste genau, dass er es nicht ausstehen konnte, wenn man in Rätseln sprach. „Was meinst du damit?“, wollte er wissen und tunkte sein Brot erneut in Knoblauchsauce. „Robin hat die Bank verlassen“, erklärte er freudestrahlend. „Stattdessen wird sie meine neue Sekretärin bei Tom's Workers!“ „Wirklich?“, meinte sein Partner überrascht und erwiderte sein Lächeln. „Das ist ja klasse! Du und Robin seid ein gutes Team gewesen. Ich weiß noch, dass sie oft auf deinem Bürostuhl saß. Das war wirklich niedlich anzusehen.“ Crocodile nickte begeistert. „Eine bessere rechte Hand als Robin kann man sich nicht wünschen. Ohne sie wäre ich damals bei der Bank aufgeschmissen gewesen. Ich bin wirklich froh, dass wir beide wieder zusammenarbeiten werden.“ „Aber warum hat sie die Bank verlassen?“ Der Kellner servierte ihre Speisen und Getränke. Crocodile nahm einen Schluck Wein. „Da hat es wohl mehrere Gründe gegeben“, meinte er schulterzuckend. „Zum Einen war sie unzufrieden mit ihrem neuen Vorgesetzten. Du erinnerst dich an Buggy, oder? Tashigi hatte von ihm erzählt. Dieser Versager hat wohl immer wieder versucht ihr seine Fehler in die Schuhe zu schieben. Nun, und zum Anderen ist sie ja nun mit Franky zusammen. Der Wechsel hat also ganz gut gepasst.“ „Sie ist mit Franky zusammen und wollte trotzdem lieber als deine Sekretärin arbeiten?“ Doflamingo hatte einen verwunderten Gesichtsausdruck aufgesetzt. „Nun ja, Robin und ich sind ein eingespieltes Team“, erklärte Crocodile ihm. „Genauso wie Franky und seine beiden Sekretärinnen. Never change a running system.“ Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er hinzufügte: „Und wahrscheinlich hätte Franky es auch ein wenig seltsam gefunden, seine Freundin als seine persönliche Sekretärin einzustellen.“ „Ich hätte nichts dagegen, wenn du als mein Sekretär arbeiten würdest“, gab Doflamingo neckisch grinsend zurück. Crocodile verpasste ihm unter'm Tisch einen Tritt, doch sein Ehemann ließ sich davon nicht im Geringsten stören. „Aber nur wenn du ein sexy Sekretärinnen-Kostüm trägst“, fügte er hinzu und schmunzelte. „Wenn du so weitermachst, schütte ich dir gleich meinen Wein ins Gesicht“, drohte Crocodile, der von diesen anzüglichen Andeutungen nun wirklich genug hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und warf seinem Partner einen bösen Blick zu. „Ist ja gut. Ich halte mich zurück“, meinte Doflamingo, der sich allmählich wieder einkriegte. Irgendwann wurde er wieder ein bisschen ernster und sagte: „Deinem alten Arbeitgeber scheint es jedenfalls ziemlich schlecht zu gehen. Zuerst verliert die Bank dich. Nun auch Robin. Buggy hat sich als kompletter Fehlgriff erwiesen. Inzwischen habe natürlich auch ich als Kunde dort meine Koffer gepackt. Akainu und Sengoku sind förmlich in Panik geraten. Das war lustig anzusehen. Ich hätte es dir gegönnt dabei gewesen zu sein, nur um ihre Gesichter zu sehen.“ „Miese Arschlöcher“, hauchte Crocodile und nahm einen weiteren Schluck Wein. Doflamingo nickte. „Das kannst du laut sagen“, meinte er mit eindringlicher Stimme. „Weißt du, was ich herausgefunden habe, als ich dort aufgeschlagen, um meine Verträge zu kündigen?“ Crocodile ließ von seinem Weinglas ab und warf seinem Ehemann einen erwartungsvollen Blick zu. Wovon sprach Doflamingo? Was hatte er herausgefunden? „Die Bank hat einen großen Haufen meiner Kohle verzockt“, erklärte er ihm mit zorniger Stimme. „Achtzehn Millionen Berry - einfach verspekuliert.“ „Achtzehn Millionen Berry?!“ Crocodile glaubte sich verhört zu haben. Das konnte doch nicht wahr sein! Doch Doflamingo nickte mit zusammengepressten Lippen. „Das ist schon vor fast zwei Jahren passiert. Aber mir hat man nichts davon erzählt, dass mein Geld verzockt wurde. Stattdessen haben sie versucht die Sache geheimzuhalten und den Fehler irgendwie wieder glattzubügeln.“ Crocodile konnte kaum fassen, was sein Ehemann ihm da berichtete. Es fühlte sich an, als würde ihm jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Bestürzt senkte er den Blick. Das Bild der edlen Stoffserviette, die auf seinem Schoß lag, verschwamm vor seinen Augen. „Crocodile?“ Doflamingos Stimme klang plötzlich sehr weit weg, obwohl er doch gegenüber von ihm am Tisch saß. „Geht es dir gut? Du bist plötzlich so blass geworden.“ Er hörte, wie ein Stuhl nach hinten geschoben wurde. Einen Moment später war sein Partner an seiner Seite. Erst als Doflamingo seine rechte Hand nahm und in die seinen legte, schreckte Crocodile wieder auf. „Es ist für mich nicht so schlimm wie es sich anhört“, erklärte er ihm mit sanfer Stimme. „Ich kann einen Verlust von achtzehn Millionen Berry verkraften. Mich kotzt eher an, wie ich von meiner Bank behandelt wurde. So kann man mit mir nicht umgehen. Wani? Wani!“ Crocodile schüttelte langsam den Kopf. Mit einem Mal hatte er die Antwort erhalten, auf die er schon so lange wartete. „Doffy“, flüsterte und warf ihm einen intensiven Blick zu. „Verstehst du es denn nicht?! Alles passt zusammen!“ „Was meinst du...?“ Doflamingo schien nicht zu begreifen, worauf er hinauswollte. „Vor knapp zwei Jahren hat die Bank dein Vermögen verspekuliert“, erklärte Crocodile ihm mit leiser, ernster Stimme. „Und zu genau dieser Zeit ist mir damals gekündigt worden. Verdammt, Doffy: Deswegen wollten die Bank mich loswerden. Sengoku hatte Angst, dass ich von dem Verlust der achtzehn Millionen Berry erfahre und dir davon erzähle! Er hat doch gewusst, dass wir beide eine Paar gewesen sind.“ Nun endlich schien auch sein Ehemann den Zusammenhang zu verstehen. Sein Gesichtsausdruck wechselte von besorgt über schockiert bis hasserfüllt. „Diese Hurensöhne!“, zischte er und quetschte Crocodiles Hand, die noch immer zwischen seinen lag. „Diese verdammten Wichser! Aber natürlich... Du hast Recht! Verdammt, es ergibt alles einen Sinn. Das passt zusammen!“ Crocodile nickte hektisch. Er konnte nicht eindeutig einordnen, ob es ihn erleichterte oder aufregte, dass er endlich den Grund für seine Kündigung kannte. Eigentlich hatte er mit der Bank nichts mehr zu tun. Bei Tom's Workers fühlte er sich sowieso viel wohler. Auf der anderen Seite konnte er nachvollziehen, dass sein Ehemann sich von Sengoku verraten fühlte. Plötzlich breitete sich auf Doflamingos Lippen ein Grinsen aus. So hatte Crocodile seinen Ehemann noch nie grinsen sehen. Es war ein wahnsinniges, grausames Grinsen. „Dafür werde ich sie büßen lassen“, sagte Doflamingo. Und er sagte es mit einem solchen Unterton in der Stimme, dass Crocodile nicht auch nur für einen einzigen Moment an seinen Worten zweifelte. „Ich werde mir den besten Anwalt besorgen, den in es in diesem Land zu kaufen gibt. Nein - eine ganze Armada von Top-Anwälten. Und ich werde diese Bank verklagen, bis ihnen gerade noch genug Kohle bleibt, um ihr beschissenes Gebäude abzureißen!“ „Du willst Sengoku vor Gericht ziehen?“ Crocodile warf seinem Partner einen ungläubigen Blick zu. Doflamingo nickte energisch. „Ich werde mir meine achtzehn Millionen Berry zurückholen, die sie verzockt haben. Und ich werde Schadensersatz für die Kündigung meines Ehemannes verlangen, da diese nur ausgesprochen wurde, um zu verhindern, dass ich vom Verlust meines Geldes erfahre. Diese Klage wird die Bank ihre Existenz kosten! Nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch die Paparazzi werden sie zugrunde richten. Verdammter Sengoku! Das hat er verdient!“ „Erinnere mich daran, darauf zu achten, dass ich niemals deinen Zorn auf mich ziehe“, sagte Crocodile, halb amüsiert, halb ernst angesichts der hasserfüllten Reaktion seines Partners. ~ Seine Trennung von Doflamingo lag nun vier Monate zurück. Crocodile war noch immer nicht in die Villa, in der er gemeinsam mit seinem Ehemann gewohnt hatte, eingezogen. Er lebte auch nicht mehr bei seiner Schwester Hancock. Stattdessen hatten Doflamingo und er sich ein hübsches Haus im Vorort ausgesucht. Es lag verborgen hinter ein paar alten Bäumen, die einen großen Garten einrahmten. Doflamingo, der zeit seines Lebens zu den Reichen der Reichen gehört hatte, legte viel Wert auf die Wahrung seiner Privatsphäre. Darum hatten sie sich ein Haus ausgesucht, das sich ganz am Ende einer kleinen Nachbarschaft befand und von der Straße aus nicht einsehbar aus. Das Haus war um einiges größer als die Häuser, in denen Mihawk oder Hancock lebten, doch nicht so groß, dass Crocodile sich darin nicht hätte wohlfühlen können. Es gab keine unnötigen Räume mehr: Keine unzähligen Badezimmer, kein Zimmer nur zum Basteln und Geschenke einpacken, keine Einlieger-Wohnungen für Angestellte, keine Großraumküche mehr. Das Herzstück des Hauses stellte das große, lichtdurchflutete Wohnzimmer im Erdgeschoss dar. Mit seinen bodentiefen Fenstern und dem Kamin ähnelte es dem Wohnzimmer in ihrem Ferienhaus am Strand. Neben dem Wohnzimmer lag eine geräumige, moderne Küche, in der am zumeist Wochenende Crocodile und unter der Woche eine Haushälterin das Abendessen zubereitete. Oben befand sich ihr Schlafzimmer mit dem angrenzenden Badezimmer und den begehbaren Kleiderschränken. Mit dem Auto benötigte Crocodile fünfundzwanzig Minuten bis zur Arbeit, fünfzehn Minuten bis zu seiner Schwester oder seinem Bruder und auch wenn er Daz besuchen wollte, sparte er einen Großteil der Anfahrt. Das Haus war zur Häflte von Doflamingo und zur Hälfte von Crocodile bezahlt worden; sie standen beide im Grundbuch. Das war ihm wichtig gewesen. Sechs Monate nach ihrem gemeinsamen Einzug in das neue Haus begann der Gerichtsprozess, den die Bank verlor. Der Richter entschied, dass Sengoku und die anderen namenhaften Mitarbeiter der Bank fahrlässig mit Doflamingos Vermögen umgegangen waren und ihn betrogen hatten. Zusätzlich hatten sie durch die ungerechtfertigte Kündigung seines Ehemannes nicht nur einen erheblichen finanziellen Schaden verursacht, sondern auch das Vertrauen ihres Kunden massiv beschädigt. Die Bank wurde zur Zahlung einer Summe verurteilt, die so hoch war, dass sie sich unmöglich davon erholen könnte. Der mediale Aufruhr, den der Gerichtsprozess mit sich zog, tat sein Übriges. Crocodile wurde wegen seiner Kündigung Schadensersatz in Höhe von dreieinhalb Millionen Berry zugesprochen. Er konnte sein Glück kaum fassen, als der Richter das Urteil verlas. Doflamingo setzte die wöchentlichen Treffen mit seinem Psychotherapeuten fort. Er nahm die Behandlung seiner Probleme sehr ernst und arbeitete hart an sich. Seine Eifersucht und seine ständige Sorge um die Menschen, die ihm wichtig waren, ließen sich nicht vollständig kurieren. Das war auch nicht das Ziel; diese Eigenschaften waren Teile seine Persönlichkeit. Es ging darum zu lernen, sich in seinem Verhalten soweit zurückzuhalten, dass er sich Anderen nicht länger aufdrängte oder sie überwachte. Crocodile arbeitete gerne bei Tom's Workers. Als seine Sekretärin Robin das Büro betrat, war es gleich so als wäre sie niemals fort gewesen. Ab der ersten Sekunde waren sie beide wieder ein eingespielte Team. Franky war von der Arbeit, die sie leisteten, absolut begeistert - und von seiner (inzwischen) Verlobten sowieso. Hancock arbeitete wieder als Nageldesignerin. Ihr Studio lief so gut wie nie zuvor; sie dachte sogar darüber nach eine zweite Filialie zu eröffnen. Die 75.000 Berry, die ihr Schwager ihr geliehen hatte, konnte sie ihm innerhalb weniger Jahre problemlos zurückzahlen. Nozomi, für deren dritten Geburtstag Doflamingo bereits ein schönes Kinderfahrrad als Geschenk besorgt hatte, fühlte sich in der Krippe sehr wohl. In eine ihrer Erzieherinnen war sie sogar dermaßen vernarrt, dass Hancock zwischenzeitlich mit der Eifersucht zu kämpfen hatte. Im Großen und Ganzen war sie aber natürlich froh, dass sie eine gute Lösung für sich und ihre Tochter hatte finden können. Vor einer Weile hatte Luffy, Nozomis junger Vater, seine Weltreise unterbrochen und war in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Zwei Jahre lang wohnte er bei seinem älteren Bruder und jobbte hier und dort, ehe er genug Geld angespart hatte, um wieder zu reisen. Zu seiner Tochter hatte er nie den Kontakt gesucht, obwohl sie nicht weit von ihm entfernt lebte. Hancock hatte sich damit arrangiert und zog ihre kleine Tochter zwar ohne Vater, aber dafür mit der liebevollen Hilfe von drei Onkels groß. Mihawks bester Schüler Zoro entwickelte sich zu einer echten Korifähe in der Fechtkunst. Er gewann zahlreiche Turniere und galt als Favorit bei den kommenden Olympischen Spielen. Tashigi brachte es nie so weit nach oben, doch auch sie entwickelte sich zu einer guten Fechterin und nahm immer mal wieder an kleineren Meisterschaften teil. Law war vor einem Jahr bei seinem festen Freund Kid eingezogen. Sie arbeiteten beide sehr viel, aber versuchten sich so oft wie möglich auch etwas Zeit nur für sich einzuräumen. Das war gar nicht so leicht, denn fast jedes Wochenende versuchte Doflamingo sie dazu zu überreden, gemeinsam mit ihm und ein paar anderen Freunden in Shakky's Bar abzuhängen. Über den plötzlichen Unfalltod seiner ersten Liebe Corazon kam Law nie vollständig hinweg. Wenn er abends allein im Bett lag, weil Kid mit einem Kunden einen späten Termin ausgemacht hatte, musste er manchmal an Corazon denken und konnte nicht verhindern, dass sein Herz schmerzte. Aber er hatte gelernt, mit seiner Trauer umzugehen. Dann strich er mit seinen Fingern behutsam über die Tätowierungen, die er sich an Gedenken an seinen verstorbenen Freund hatte stechen lassen, und erinnerte sich ganz bewusst an die schöne Zeit, die er mit Corazon hatte verbringen dürfen. Und wenn dann irgendwann Kid nach Hause kam und sich neben ihn ins Bett legte, ging es ihm wieder ein wenig besser. ~ Heute war Nozomis dritter Geburtstag. Mittags hatte ein kleiner Kindergeburtstag mit ein paar ihrer Freunde aus der Krippe stattgefunden. Und am frühen Abend kamen Mihawk, Crocodile und Doflamingo zu Besuch. Hancock hatte eine wundervolle Torte vorbereitet. Sie war über und über mit Blumen aus Zuckerguss verziert und oben in der Mitte saß ein kleiner Teddybär aus Marzipan, der genauso aussah wie Nozomis Lieblingsplüschtier. (Man brauchte nicht zu erwähnen, dass es sich bei dem Teddybären um ein Geschenk von Doflamingo gehandelt hatte.) Sie ließen sich im Wohnzimmer nieder. Hancock schenkte Kaffee ein. Crocodile holte ein Feuerzeug hervor, um die Kerzen auf der Geburtstagstorte anzuzünden. Doflamingo bestand darauf Happy Birthday zu singen, ehe Nozomi versuchen durfte, die drei Kerzen auszupusten. Als es ihr nicht so recht gelingen wollte, half Hancock unauffällig nach. Ein wohliges Gefühl breitete sich in Crocodiles Magengegend aus, während er beobachtete, wie seine kleine Nichte ihre Geburtstagsgeschenke auspackte. Von Mihawk bekam sie ein Puppenhaus aus Holz mit hübschen, kleinen Puppenfiguren. Crocodile musste schmunzeln als er sah, dass Nozomi die Freude förmlich ins Gesicht geschrieben stand. Die Zeiten, in denen Crocodile ohne Pause besorgt und angespannt gewesen war, lagen weit zurück. Es gab nichts mehr zu verbergen; nichts, was ihm Sorgen machte oder ängstlich in die Zukunft blicken ließ. Er brauchte nichts weiter zu tun als den heutigen Tag zu genießen. Unbeschwert lächelnd betrachtete er Nozomi, die neugierig das Fahrrad, das er gemeinsam mit seinem Ehemann für sie besorgt hatte, auspackte. Natürlich hatte Doflamingo unbedingt ein knallpinkes Mädchenrad haben wollen. Zum Glück konnte ihn Crocodile zu der ein wenig zurückhaltenderen Variante in Hellblau überreden. Als Nozomi ihr neues Fahrrad vor sich stehen sah, begann sie aufgeregt zu hüpfen und bettelte ihre Mutter sofort an, draußen in der Einfahrt damit fahren zu dürfen. Hancock, bei der es sich eigentlich um eine eher strenge Mutter handelte, ließ sich schließlich erweichen. Crocodile ließ sich neben Mihawk auf der Bank, die im Vorgarten stand, nieder. Es war schön anzusehen, wie Doflamingo seiner kleinen Nichte auf das Kinderfahrrad half und ihr erklärte, wie die Pedale funktionierten. Die Begeisterung, die sein Ehemann für Nozomi empfand, war nie abgeebbt. Er war in sie noch immer ganz genauso vernarrt wie am ersten Tag. Das Kinderfahrrad verfügte natürlich über Stützräder und so fiel es Nozomi nicht schwer ihre ersten Runden zu drehen. Doflamingo ließ sich neben Crocodile auf der Gartenbank nieder und griff nach seiner Hand. Erst als die Sonne unterging und Hancock darauf bestand, dass Nozomi ins Bett müsste, machten sie sich auf den Heimweg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)