Mesh Of Lies von kleines-sama (DoflamingoxCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 19: Kapitel 10 ---------------------- Crocodile saß draußen auf dem Balkon seines Lesezimmers. Obwohl die Temperaturen angenehm waren und die Sonne schien, fühlte er sich schrecklich niedergeschlagen. Auf dem kleinen, runden Tischchen vor ihm lagen die beiden Briefe, die seine Versicherung ihm zugeschickt hatte. Er hatte sie inzwischen schon mindestens einhundertmal gelesen. Und noch immer musste er jedes Mal schlucken, sobald sein verzweifelter Blick auf die Summe fiel, die er zahlen sollte: 120.000 Berry. Wenn er sie mit den anderen Schulden, die ja sowieso noch ausstanden, addierte, kam er auf insgesamt 383.000 Berry. Der Autounfall, den er verursacht hatte, warf ihn also verdammt weit zurück. Dreihundertdreiundachtzigtausend Berry, dachte Crocodile und biss sich auf die Unterlippe. Natürlich war er kein naiver Idiot; er war nicht untätig geblieben: Crocodile hatte sich die Forderungen seiner Versicherung ganz genau angesehen. Er hatte unzählige Bücher gewälzt und sorgsam nachgeprüft, ob alles mit rechten Dingen zuging. Mühsam hatte er nach irgendeiner Art von Schlupfwinkel gesucht, nach einer undichten Stelle im Vertrag, doch am Ende musste er sich wohl oder übel eingestehen, dass er um die Zahlung der geforderten 120.000 Berry nicht herumkommen würde. Diese Erkenntnis traf ihn hart. Crocodile hatte eigentlich das Gefühl gehabt, dass es allmählich wieder bergauf ging: Er hatte eine neue Arbeitsstelle gefunden und mehr als die Hälfte seiner Schulden bereits getilgt. Doch anscheinend war ihm das Schicksal nicht wohlgesonnen: Für nur wenige Sekunden, in denen er unaufmerksam gewesen war, wurde er mit einer Zahlung von mehr als einhunderttausend Berry bestraft. Nicht zum ersten Mal in seinem Leben fragte Crocodile sich, womit er diesen furchtbaren Schicksalsschlag verdient hatte. Er war stets ein anständiger, fleißiger und pflichtbewusster Mensch gewesen. Er hatte noch niemals gestohlen, nicht einmal ein paar Steuern hinterzogen. Während andere junge Leute sich die Nächte in irgendwelchen zwielichtigen Discotheken um die Ohren schlugen, hatte er Zuhause über seinen Büchern gehockt und für die nächste Klausur gelernt. Und wozu: Nur um als Erwachsener in einem riesigen Berg von Schulden zu ertrinken. So hatte er sich seine Zukunft definitiv nicht vorgestellt. Je länger Crocodile darüber nachdachte, desto frustrierter wurde er: Mit gerade einmal achtzehn Jahren wurde er von seinen Eltern wegen seiner Homosexualität verstoßen. Als er Mitte zwanzig war, verlor er bei einem Motorradunfall seine rechte Hand. Fünf Jahre später schlitzte sein gewalttätiger Exfreund Enel ihm das Gesicht auf. Vor kurzem hatte er seine Arbeitsstelle bei der Bank verloren. Und nun vergrößerte sich sein sowieso schon riesiger Schuldenberg um weitere 120.000 Berry. Zynisch fragte Crocodile sich selbst, ob es denn eigentlich noch schlimmer kommen konnte. Erst als Doflamingo ihn am Abend zum Essen rief, zwang Crocodile sich dazu, sein Lesezimmer zu verlassen. Mehr denn je verschanzte er sich in dem Raum: Wenn er nachmittags von der Arbeit nach Hause kam, machte er sich sofort auf den Weg hierher. Im Extremfall kam Crocodile nur dann aus seiner Höhle, wenn es Abendessen gab oder es Zeit fürs Bett war. Doflamingo hieß es nicht gut, dass er sich zurückzog, doch respektierte zumindest für den Anfang dieses Verhalten. Crocodile war dankbar für den Freiraum, den sein Verlobter ihm gewährte, auch wenn er vermutete, dass dessen Rücksichtnahme nicht ewig währen würde. Doflamingo hasste es, wenn ihm keine hundertprozentige Aufmerksamkeit gezollt wurde. Früher oder später würde sein Geduldsfaden auf jeden Fall reißen. Crocodile hoffte bloß, dass dieser Tag heute noch nicht gekommen war. "Es gibt Spaghetti mit Tomaten, Oliven und Fetakäse", verkündete sein Partner breit lächelnd, als Crocodile sich zu ihm an den Tisch setzte. "Dein Leibgericht!" "Hm-hm", machte Crocodile, der sich nicht in der Stimmung für Jubelausbrüche befand. Er stützte sein Kinn auf der rechten Hand ab und wartete ungeduldig darauf, dass das Essen serviert wurde. Am liebsten wollte er so schnell wie möglich zurück in sein Lesezimmer, um sich dort erneut seinem grenzenlosen Selbstmitleid hinzugeben. "Wie war die Arbeit heute?", fragte Doflamingo, der sich nichtsdestotrotz um eine freundliche Unterhaltung zu bemühen schien. "Gut", antwortete Crocodile, ohne den Blick mit dem seines Partners zu kreuzen. Es lief auf der Arbeit tatsächlich ganz gut (sein Chef Franky war regelrecht begeistert von ihm), doch auch diese Tatsache vermochte Crocodile nicht aufzuheitern. Bei Tom's Workers verdiente er im Monat durchschnittlich um die 30.000 Berry. Davon gingen etwa fünfundachtzig Prozent für die Tilgung seiner Altschulden ab. Ihm blieb also beileibe nicht genug übrig, um die neu hinzugekommenen 120.000 Berry zu bezahlen. "Das ist schön zu hören", meinte Doflamingo. "Ähm, sag mal, hast du Lust morgen Nachmittag deine Geschwister zu besuchen? Hancock hat mich angerufen und gefragt, ob wir beide nicht mal wieder vorbeikommen wollen. Sie ist jetzt im fünften Monat und hat inzwischen einen richtigen kleinen Babybauch bekommen." Um ehrlich zu sein, war Crocodile nicht sonderlich angetan von der Idee, Mihawk und Hancock zu besuchen. Seinen beiden Geschwistern würde sofort auffallen, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Aus Sorge würden sie ihn solange mit Fragen bombardieren, bis er schlussendlich nachgab und ihnen vom Autounfall berichtete. Dieses Szenario wollte Crocodile unbedingt vermeiden. (Er hatte zuvor sowohl Doflamingo als auch Daz darum gebeten, Mihawk und Hancock nichts zu erzählen.) "Ich weiß nicht", murmelte er darum. "Ich möchte nicht, dass die beiden vom Autounfall und meinen Schulden erfahren. Diesen Schock kann ich ihnen nicht zumuten; vor allem Hancock in ihrem momentanen Zustand nicht." "Wir müssen ihnen ja nichts davon erzählen, wenn du das nicht möchtest", wandte Doflamingo ein. "Von mir aus können wir auch einfach nur über harmlose Themen sprechen. Wie zum Beispiel über das Baby." "Sie werden sofort bemerken, dass es mir nicht gut geht", entgegnete Crocodile kopfschüttelnd. "Aber ich habe nichts dagegen, wenn du Mihawk und Hancock ohne mich besuchst. Du kannst ihnen ja einfach erzählen, ich hätte mir eine Erkältung eingefangen." "Dellinger, Bellamy, Circies und Diamante wollen am Wochenende etwa trinken", wagte sein Verlobter tapfer einen weiteren Versuch. "Hast du Lust mitzukommen? Das wird bestimmt ein lustiger Abend!" "Lieber nicht", gab Crocodile zurück und rollte mit den Augen. "Wollt ihr etwa wieder ins Skypia? Nein danke, ich möchte nicht noch einmal vergiftet werden und im Krankenhaus landen." "Quatsch", meinte Doflamingo mit eindringlicher Stimme. "Wir haben vor, in Shakky's Bar zu gehen. Das Skypia existiert sowieso nicht mehr." Die letzte Aussage erregte Crocodiles Aufmerksamkeit. "Das Skypia existiert nicht mehr?", wiederholte er und zog ungläubig eine Augenbraue hoch. "Wie kommt denn das? Ich dachte eigentlich, der Laden würde gut laufen!" "Oh, er lief gut", erwiderte Doflamingo gehässig. Er grinste breit und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Aber, nun ja, was soll ich sagen? Es ist nun einmal keine gute Idee, sich mit dem Freund eines reichen und einflussreichen Mannes anzulegen." "Was meinst du damit?", hakte Crocodile nach und beugte sich ein Stück weit über den Esstisch. Er fragte sich, was hinter den geheimnisvollen Andeutungen seines Verlobten stecken könnte. Hatte Doflamingo sich etwa mit Enel angelegt? "Nun rück schon raus mit der Sprache!", drängte Crocodile ungeduldig, als dieser noch immer schwieg. "Muss ich dir denn jedes Wort aus der Nase ziehen?" Doflamingo lachte leise, ehe er endlich meinte: "Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass ich schrecklich wütend auf diesen Hurensohn war. Nicht nur wegen der Vergiftung, sondern vor allem, weil er dich fünf Jahre lang misshandelt hat. Du bist ein wundervoller Mensch, Crocodile, und hast es wirklich nicht verdient, so respektlos behandelt zu werden! Also habe ich mir überlegt, wie ich mich an Enel rächen könnte..." "Aber wie?", fragte Crocodile irritiert nach. "Wie ist es dir gelungen, das Skypia zu schließen?" "Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir davon erzählen sollte", erwiderte Doflamingo, ohne dass das breite Grinsen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde von seinem Gesicht verschwand. "Du würdest mich für einen Kriminellen halten." Crocodile winkte ab und gab mit ernster Stimme zurück: "Mach dir darum keine Sorgen. Egal, was du getan haben solltest: Enel tut mir nicht leid. Er hat mich fünf Jahre lang jeden Tag gedemütigt und geschlagen. Bei unserer Trennung hat er mir den Arm gebrochen. Und als ich ihn vor kurzem wiedersah, hat er mich vergiftet. Er ist der Kriminelle, nicht du, Doffy! Ich bin mir sicher, er hat nichts Besseres verdient! Aber jetzt erzähl doch endlich mal, was überhaupt geschehen ist!" "Also gut", sagte Doflamingo. Plötzlich erweckte er einen sehr eifrigen Eindruck. "Ich wollte Enel, diesen Wichser, unbedingt bestrafen. Und ich wollte dafür sorgen, dass er aus dem Verkehr gezogen wird." "Aus dem Verkehr gezogen?", unterbrach Crocodile seinen Verlobten mit skeptischer Stimme. "Er ist nicht tot", warf Doflamingo rasch ein. "Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte nicht mit dem Gedanken gespielt ihn umzubringen, aber nein, er ist nicht tot. Ich habe mir etwas Anderes ausgedacht." Crocodile nickte. Die Tatsache, dass er die Worte seines Partners überinterpretiert hatte, erleichterte ihn ungemein. Er war sich dessen bewusst, dass diesem vermutlich genug Mittel und Wege zur Verfügung standen, um jemanden aus dem Verkehr zu ziehen. Beinahe jedes Problem ließ sich mit ausreichend Geld lösen; und Geld besaß Doflamingo mehr als genug. Es täte ihm nicht im Mindesten leid, wenn Enel tot wäre, doch Crocodile wünschte sich nicht, dass dabei Doflamingo seine Finger mit ihm Spiel hatte. "Für die Umsetzung meines Plans benötigte ich ein paar Leute, die Einbrüche verüben können, ohne äußerliche Spuren zu hinterlassen, und Drogen im Wert von mehreren zehntausend Berry. An beides kommt man relativ leicht, wenn man so reich ist wie ich." Doflamingo kicherte laut. "Ich engagierte zwei Einbrecher, die das Skypia über mehrere Wochen hinweg observierten. Sie stellten fest, dass montags kein einziger Mitarbeiter im Hause ist. Außerdem fanden sie heraus, dass das Skypia weitläufig unterkellert ist. Ich glaube, du ahnst schon, was geschehen ist: Meine Leute sind montags eingebrochen und haben die Drogen in den Kellerräumen deponiert. Natürlich haben sie dafür gesorgt, dass alles realistisch wirkt. Anschließend gaben sie über Umwege der Polizei einen Hinweis. Die stieß dann relativ schnell auf die Drogen und nahm den Besitzer des Skypia fest. Enel saß in der Falle: Allein die riesige Menge Drogen (sie hatten einen Wert von ungefähr fünfzigtausend Berry, glaube ich) in seinem Keller belastete ihn ungemein. Dazu kamen dann noch einige falsche Beweise, welche die von mir beauftragten Leute in Umlauf gebracht hatten, und ein paar bestochene Zeugen, die gegen ihn aussagten." "Was... was ist aus ihm geworden?", fragte Crocodile mit leiser Stimme. Er konnte nicht so recht fassen, was sein Verlobter ihm gerade erzählte. Erlaubte Doflamingo sich etwa einen geschmacklosen Scherz? Oder hatte er tatsächlich 50.000 Berry aufgewendet, nur um den Exfreund seines Verlobten in einen Hinterhalt zu locken? Crocodile wollte schlucken, doch er stellte fest, dass seine Kehle staubtrocken war. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo ein sehr egoistischer und rücksichtsloser Mensch sein konnte, doch mit einer solchen Tat hätte er niemals gerechnet gehabt. Crocodile war völlig geschockt. "Er wurde wegen Drogenbesitz und -handel zu elf Jahren Haft verurteilt", sagte sein Verlobter. Seine Stimme klang so gelassen, dass man genausogut auch glauben könnte, er würde über das Wetter sprechen. "Das Skypia hat seinen Besitzer verloren und durch den Drogenskandal natürlich auch einen starken Imageschaden erlitten. Es ist bereits seit einigen Wochen geschlossen." Doflamingo schwieg für einen Moment, ehe er hinzufügte: "Möchtest du nun also mit ins Shakky's Bar? Bellamy war schon einmal dort und meinte, dass der Laden wirklich gute Musik spielt." Crocodile brachte kein Wort heraus. Anstatt auf die Frage seines Partners zu antworten, starrte er diesen einfach bloß mit großen Augen an. Er wusste überhaupt nicht, wie er sich fühlen sollte: Angewidert, weil Doflamingo zu einer solchen Tat fähig war? Freudig und dankbar, weil Enel nach all den Jahren endlich seiner gerechten Strafe zugeführt wurde? Crocodile fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar und senkte den Blick. Er betrachtete die Spaghetti, die vor ihm auf den Teller lagen, als handelte es sich dabei um ein faszinierendes Kunstobjekt. "Du hast dir gesagt, Enel würde dir nicht leid tun", warf Doflamingo mit verunsicherter Stimme ein, als er bemerkte, dass Crocodile mit seiner Verfassung rang. "Dass er nichts Besseres verdient hat." Er hielt einen kurzen Moment inne, ehe er in einem gefestigter klingenden Tonfall hinzufügte: "Und er hat auch nichts Besseres verdient! Er hat dich über Jahre hinweg jeden Tag gequält. Er hat dir den Arm gebrochen, als du dich von ihm trennen wolltest! Und er hat dir ein Gift verabreicht, das dich tagelang außer Gefecht gesetzt hätte. Stell dir nur einmal vor, was geschehen wäre, wenn Daz dich nicht aufgegriffen hätte! Mir wird schlecht, wenn ich daran denke, was Enel womöglich mit dir angestellt hätte. Bestimmt war er auch derjenige, der dein Gesicht aufgeschlitzt hat, nicht wahr!? Es ist nur gerecht, dass er nun im Gefängnis ist und für seine Taten büßen muss! Hast du etwa wirklich Mitleid mit ihm, Wani? Es erstaunt mich wirklich, wie sanftmütig du bist." Die Nennung seines Kosenamens holte Crocodile in die Wirklichkeit zurück. Er zögerte für einen Augenblick, ehe er schließlich sagte: "Du hast recht, Doffy. Er hat nichts Besseres verdient. Ich habe auch kein Mitleid mit ihm ihm. Ich bin... ich bin nur geschockt. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Wie bist du denn überhaupt an Drogen im Wert von fünfzigtausend Berry gekommen? Dabei handelt es sich doch schließlich um eine riesige Menge Geld!" "Für mich nicht", gab Doflamingo schulterzuckend zurück. "Wenn man die Bezahlung der Einbrecher und der angeblichen Zeugen dazurechnet, kommt man übrigens auf insgesamt etwa einhunderttausend Berry." "Einhunderttausend Berry?", wiederholte Crocodile ungläubig. Doflamingo nickte. "Das sind für mich nur Peanuts", meinte er mit ruhiger Stimme. "Außerdem war es mir das auf jeden Fall wert. Enel musste einfach bestraft werden für die schlimmen Dinge, die er dir angetan hat. Stimmt es eigentlich wirklich, dass er dein Gesicht aufgeschlitzt hat? Du hast mir zwar erzählt, dass du deine Geschwister und die Anderen in dieser Hinsicht angelogen hast, aber die Wahrheit kenne ich trotzdem immer noch nicht." "Du liegst richtig mit deiner Vermutung", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu. Nun, da Doflamingo von selbst auf die richtige Lösung gekommen war, sah er keinen Sinn mehr darin, dessen Behauptung abzustreiten. "Ich war erst vor kurzem aus dem Krankenhaus entlassen worden", erklärte Crocodile. "Mein Arm war noch immer eingegipst und auch meine gebrochene Rippe war noch nicht gänzlich verheilt. Enel lauerte mir auf, als ich abends allein unterwegs war. Ich hatte keine Chance gegen ihn. Die Geschichte mit den Jugendlichen, die mich überfallen haben, habe ich mir bloß ausgedacht. Um glaubwürdiger zu erscheinen, habe ich anschließend meine Geldbörse und meinen Mantel in die nächste Mülltonne geworfen. Enel hat mich nicht bestohlen. Es ging ihm nicht um Geld, sondern um Rache für die Trennung. Er wollte mich entstellen, damit ich nie mehr einen neuen Partner finde." "Ich hätte nicht so geizig sein sollen", murmelte Doflamingo. "Warum habe ich nicht Drogen im Wert vonzweihundert- oder zweihundertfünfzigtausend Berry im Skypia verstecken lassen? Bei einer solchen Menge hätte man ihn bestimmt zu zwanzig Jahren Haft verurteilt!" Zum ersten Mal seit Wochen konnte Crocodile ein Lachen nicht unterdrücken. "Es ist schon gut, Doffy", sagte er und war selbst überrascht, weil seine Stimme deutlich sanfter klang als beabsichtigt. "Enels Plan ist sowieso nicht aufgegangen", gab Doflamingo keck zurück. Er grinste breit. "Du hast nicht nur einen neuen Partner gefunden, sondern gleich den besten, den es überhaupt gibt!" "Wie kann man bloß so furchtbar eingebildet sein?", gab Crocodile zurück. Er rollte mit den Augen, auch wenn er der Aussage seines Verlobten insgeheim natürlich zustimmte. * Es war dreizehn Uhr fünfzehn, als Crocodile sein Büro verließ, um Pause zu machen. Die Arbeit war anstrengend, doch er kam gut voran. Die große Elektronikmesse Tom's Workers würde in zwei Wochen stattfinden und bis auf ein paar Kleinigkeiten hatte er bereits alles geregelt. Und gestern erst war Franky persönlich vorbeigekommen, um ihn für seinen Fleiß und seine gute Arbeit zu loben. Außerdem hatte er wieder stark angedeutet, dass er ihn gerne dauerhaft mit ins Boot holen wollte. Es waren Situationen wie diese, die Crocodile Hoffnung gaben. Wenn er tatsächlich als Manager für Tom's Workers fest angestellt wurde, gelang es ihm früher oder später, all seine Schulden zu tilgen. Auch die 120.000 Berry, die kürzlich neu dazugekommen waren. "Hey, Crocodile", grüßte ihn Kiwi, als sie beide sich im Gang begegneten. Sie trug einen dicken Stapel Ordner unter ihren Arm geklemmt und wirkte ein wenig gehetzt. Trotzdem nahm sie sich die Zeit für einen kleinen Plausch: "Wie läuft es bei dir?" "Gut", entgegnete Crocodile und bemühte sich darum, einen freundlichen Eindruck zu erwecken. "Heute komme ich mit der Arbeit wirklich schnell voran. Ähm, ich wollte mir ein bisschen die Beine vertreten und dann einen Abstecher in den Supermarkt machen. Soll ich dir irgendetwas mitbringen?" "Oh, danke, aber ich brauche nichts", antwortete Kiwi lächelnd. Nur wenige hundert Meter die Straße hinunter befand sich ein kleiner Supermarkt, den die Mitarbeiter von Tom's Workers in der Mittagspause hin und wieder aufsuchten. Crocodile besorgte sich dort häufig ein paar Flaschen stilles Mineralwasser. Um produktiv arbeiten zu können, musste er täglich mindestens zwei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Wenn sein Körper dehydriert war, bekam Crocodile nämlich schnell Kopfschmerzen und konnte sich dann überhaupt nicht mehr konzentrieren. "Okay", meinte er. "Wir sehen uns sicher heute Abend im Meeting. Bis nachher!" "Bis nachher", erwiderte Kiwi und huschte hinüber zu den Aufzügen. Im Supermarkt war nicht allzu viel los. Crocodile schnappte sich eine große Flasche stilles Mineralwasser und machte sich gleich danach auf den Weg zur Kasse. Früher war ein Besuch im Supermarkt bei ihm häufig darauf hinausgelaufen, dass er deutlich mehr einkaufte als ursprünglich beabsichtigt. Da ihm genug Geld zur Verfügung stand, hatte er nicht darüber nachdenken müssen, wie viel seine Einkäufe kosteten. Selbst wenn sein Bargeld knapp wurde, hatte er noch immer mehrere Kreditkarten in der Tasche gehabt. Inzwischen hatte sich seine Lebenssituation jedoch um einhundertachtzig Grad gewendet: Crocodile zwang sich selbst dazu, wirklich nur das Allernötigste zu kaufen. Nicht einmal eine Packung Kaugummis oder seine Lieblingscracker gönnte er sich. Jeder Berry, den er sparte, half ihm bei der Tilgung seiner Schulden. Da Crocodile ein sehr disziplinierter Mensch war, gelang es ihm meistens auch ganz gut, sich an seinen Vorsatz zu halten. Vor ihm an der Kasse stand eine ältere Dame mit langem, leicht ergrautem Haar. Sie legte eine Packung Karamellbonbons und ein paar Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung auf das Band. Ohne dass Crocodile sich dagegen wehren konnte, wurde er sofort an seinen Vater erinnert: Vor seinem geistigen Auge tauchte das Bild eines dunkelhaarigen Mannes auf, der in einem gemütlichen Fernsehsessel saß und Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung verputzte, während er sich einen Spielfilm ansah. Seitdem er vor rund siebzehn Jahren wegen seiner Homosexualität von ihnen verstoßen worden war, hatte Crocodile seine Eltern nicht mehr wiedergesehen. Zumeist vermied er es, an sie zu denken. Die Erinnerung erfüllte ihn mit Schmerz und (auch wenn er es niemals zugeben würde) Sehnsucht. Doch manchmal konnte Crocodile einfach nicht anders. Wenn er Gegenstände sah oder Situationen erlebte, die ihn an frühere Zeiten erinnerten, dann musste er unweigerlich an seine Eltern zurückdenken: An seinen Vater, der sich jeden Abend einen Spielfilm im Fernsehen anschaute und dabei ein ganzes Dutzend Donuts mit Kirschcremefüllung verputzen konnte. Wie er ihm das Fahrradfahren beibrachte oder in einer Menschenmenge auf seine Schultern hob. An seine Mutter, die ihm mittags bei den Hausaufgaben half und abends eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas. Um ehrlich zu sein, wusste Crocodile nicht mehr ganz genau, wie das Gesicht seiner Mutter aussah. Er erinnerte sich an einzelne Details (ihre bernsteinfarbenen Augen, das auffällige Muttermal an ihrer rechten Wange, die Form ihrer Lippen), doch diese wollten sich nicht zu einem Gesamtbild zusammenfügen lassen. Wer könnte es ihm verübeln? Seitdem er seine Mutter zum letzten Mal gesehen hatte, waren nahezu zwanzig Jahre vergangen. Es schockierte Crocodile ein klein wenig, als er darüber nachdachte, dass sie inzwischen einundsechzig Jahre alt sein musste. Die ältere Dame, dir vor ihm an der Kasse stand, griff in ihre Handtasche und holte ein Portemonnaie hervor. Als Crocodile in ihr Gesicht blickte, fühlte er sich, als hätte ihm jemand mit voller Wucht in den Bauch getreten. Alle Luft wich auch seinen Lungen, in seinem Magen bildete sich ein schmerzhafter Knoten und sein Rachen war mit einem Mal so trocken, dass er laut zu husten begann. Seine Mutter sah zu ihm hinüber, während sie dem Kassierer einen Zwanzig-Berry-Schein reichte. Und erst als ihre Blicke sich kreuzten, wurde Crocodile klar, dass sie ihn nicht wiedererkannte. Er stand hinter ihr an der Kasse, sie war kaum eine Armlänge von ihm entfernt, und doch sah sie ihn an als wäre er nicht ihr eigener Sohn, sondern bloß irgendein völlig Fremder. Völlig entsetzt beobachtete Crocodile, wie seine Mutter die Schokoladendonuts und die Karamellbonbons in ihre Handtasche packte, dem Kassierer einen schönen Tag wünschte und anschließend den Ausgang ansteuerte. Ihre Bewegungen waren nicht hektisch oder ungelenk. Sie zeigte nicht das Verhalten einer Person, die gerade jemandem begegnet war, den sie nicht leiden konnte. Sie benahm sich vollkommen normal. Sie war sich überhaupt nicht dessen bewusst, dass sie eben zum ersten Mal seit siebzehn Jahren ihrem zweitältesten Sohn begegnet war. "Das macht zwei Berry." Erst die Stimme des Verkäufers holte Crocodile in die Wirklichkeit zurück. Hastig kramte er seine Geldbörse hervor, reichte dem Kassierer die gewünschten zwei Berry, schnappte sich seine Wasserflasche und verließ geradezu fluchtartig den kleinen Supermarkt. Auch als er nach draußen in die Sonne trat und zweimal tief ein- uns ausatmete, konnte er noch immer nicht fassen, was er gerade eben erlebt hatte. Wenn Crocodile ehrlich war, dann hatte er sich schon hunderte Male ausgemalt, wie seine Eltern reagieren würden, falls er sie jemals wiedersah. Hin und wieder hatte Hoffnung in seinem Herzen zu keinem begonnen und er hatte geglaubt, sie würden bereuen, wie sie sich bei seinem Outing verhalten hatten. Dass sie sich bei ihm entschuldigten und ihn in ihre Arme schlossen. Da Crocodile allerdings kein naiver Idiot war, hatte er sie sich meistens natürlich mit wütenden und angewiderten Gesichtern vorgestellt. Er war davon ausgegangen, dass sie ihn beschimpfen und bespucken würden. Vielleicht sogar den Tag seiner Geburt verfluchen würden. Doch dass seine eigene Mutter ihm in die Augen sah und ihn nicht wiedererkannte... Crocodile wollte schlucken, doch der schmerzhafte Kloß in seinem Hals hinderte ihn daran. Als er spürte, dass seine Augen schwer wurden, bedeckte er sie mit seiner rechten Hand. Hatte seine Mutter ihn tatsächlich vollkommen aus ihrem Gedächtnis gelöscht? Mit zittriger Hand griff Crocodile in seine Hosentasche, holte sein Handy hervor und drückte auf die Kurzwahlnummer 5. Während er darauf wartete, dass sein Verlobter am anderen Ende der Leitung abnahm, versuchte er sich ein wenig zu beruhigen und seine Gedanken zu ordnen. Es gelang ihm nicht sonderlich gut. "Hey, Wani", begrüßte ihn Doflamingo mit fröhlicher Stimme. "Was gibt's?" "Ich..." Crocodile wollte erklären, wieso er anrief. Er wollte von der Begegnung mit seiner Mutter erzählen. Doch als er es versuchte, versagte ihm die Stimme. "Ich... ich...", stammelte er und schaffte es einfach nicht, einen vollständigen Satz über die Lippen zu bringen. "Ganz ruhig", sagte Doflamingo mit sanfter Stimme. Glücklicherweise schien er sofort den Ernst der Lage zu begreifen. "Beruhige dich, Crocodile. Atme tief ein uns aus." Crocodile befolgte die Anweisung seines Partners: Er zwang sich selbst dazu, mehre tiefe Atemzüge zu nehmen. Und tatsächlich spürte er, wie sich allmählich seine Zunge löste. "Kannst du... kannst du heute früher mit der Arbeit Schluss machen? U-und nach Hause kommen? Ich... ich brauche dich jetzt unbedingt in meiner Nähe! Es ist... ist etwas passiert. Ich... ich.... i-ich kann es dir nicht am Telefon erklären. Wir sprechen darüber, wenn wir Z-zuhause sind, ja?" "Klar", sagte Doflamingo mit ernster Stimme. Anscheinend hatte er verstanden, dass irgendetwas wirklich Schlimmes vorgefallen war. Es kam nur sehr selten vor, dass Crocodile ihn bei der Arbeit anrief. Und so aufgelöst wie er jetzt gerade war, hatte sein Verlobter ihn zuletzt erlebt, als die Sache mit dem Autounfall geschehen war. "Wo bist du momentan?", fragte Doflamingo ihn. "In der Bank? Ich schicke meinen Fahrer zu dir, damit er dich abholt." "Nein, ich..." Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Doflamingo wusste immer noch nicht, dass er eine neue Arbeitsstelle gefunden hatte und nun schon seit einigen Wochen nicht mehr bei der Bank arbeitete. Unglücklicherweise lag das Bürogebäude, in dem Tom's Workers untergebracht war, in einem komplett anderen Stadtteil. "Ich kann selber fahren." Weil sein Mercedes C 216 durch den Autounfall, den er verursacht hatte, praktisch einen Totalschaden erlitten hatte und nicht mehr fahrtauglich war, fuhr Crocodile inzwischen mit einem der zahlreichen Wagen seines Verlobten zur Arbeit und wieder zurück. "Bist du dir sicher?", hakte Doflamingo zweifelnd nach. "Du erweckst einen ziemlich aufgewühlten Eindruck. Ich denke, dass es besser wäre, wenn dich mein Fahrer abholt. Bitte leg deinen verdammten Stolz zur Seite, nur dieses eine Mal, ja? Ich würde mir wirklich große Sorgen um dich machen, wenn du dich in diesem Zustand hinters Steuer setzt." "I-ich werde mir ein Taxi nehmen", versprach Crocodile. Und um nicht allzu verdächtig zu wirken, fügte er hinzu: "Ich schaffe es nicht, genug Geduld aufzubringen, um auf deinen Fahrer zu warten. Ich... ich muss weg von hier. Sofort. Wann bist du Zuhause?" "So schnell wie möglich", antwortete Doflamingo. "Ich mache mich sofort auf dem Weg. Rufst du mich gleich noch einmal an, wenn du im Taxi sitzt? Oder schickst mir wenigstens eine Nachricht? Damit ich weiß, dass du okay bist?" Crocodile nickte. Als ihm einfiel, dass sein Partner diese Geste nicht sehen konnte, meinte er schnell: "Ja, okay, mache ich. Bis gleich, Doffy!" "Bis gleich, Crocodile." Crocodile legte auf und zählte im Kopf langsam bis zwanzig, ehe er die Telefonnummer von Kiwi wählte. Sie nahm nach dem fünften oder sechsten Mal Klingeln endlich ab. "Kiwi", sagte Crcodile und war selbst überrascht angesichts der Tatsache, wie schwach seine Stimme klang. "Kannst du Franky bitte mitteilen, dass ich nach Hause fahre? Ich habe mich eben auf dem Weg zum Supermarkt erbrochen und fühle mich furchtbar schlecht." "Natürlich", meinte Kiwi sofort. Sie klang sehr besorgt. "Du Armer, eben ging es dir doch noch gut!" "Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist", erwiderte Crocodile. "Es hat mich einfach von einer Sekunde auf die nächste überkommen! Ich denke, dass ich auch morgen nicht zur Arbeit kommen werde. Aber bis Montag bin ich bestimmt wieder fit!" "Nimm dir ruhig so viel Zeit wie du brauchts, um dich auszukurieren", meinte Kiwi. "Seine Gesundheit sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen! Außerdem sind ja sowieso bereits so gut wie alle Vorbereitungen für die Messe in zwei Wochen getroffen worden. Du hast in letzter Zeit wirklich gute Arbeit geleistet; ich will mir gar nicht vorstellen, wie weit wir im Ruckstand lägen, wenn du nicht eingesprungen wärst. Du hast es wirklich nicht verdient, dich zur Arbeit zu schleppen, wenn du krank bist!" "Ich werde mich morgen noch einmal melden und wegen Montag Bescheid geben." "Gut, mach das", sagte Kiwi. "Gute Besserung!" "Danke", gab Crocodile zurück. "Bis morgen!" "Bis morgen!" Auch wenn Crocodile schrecklich aufgewühlt war, brachte er es nicht über sich, mehr Geld als unbedingt notwendig auszugeben. Er wusste, dass es ganz in der Nähe eine U-Bahnstation gab und machte sich rasch auf den Weg dorthin. Er löste ein Ticket, das vier Berry kostete, und fuhr mit der Bahn in das Stadtgebiet, in dem Doflamingo und er wohnten. Um den Schein zu wahren, nahm er sich dort dann ein Taxi. Für die kurze Fahrt bis zur Villa bezahlte er knapp zehn Berry. Sein Verlobter wartete bereits vor der Eingangstüre. Als er das Taxi in der Auffahrt stehen sah, kam er zu ihm hinübergeeilt. Damit Doflamingo nicht sah, wie günstig die Fahrt gewesen war und Verdacht zu schöpfen begann, schickte er das Taxi rasch wieder fort. "Crocodile", begrüßte ihn sein besorgt wirkender Partner. Er gab ihm einen liebevollen Kuss auf den Mund. "Was ist denn passiert? Du klangst am Telefon ganz aufgelöst." Crocodile nickte. "Können wir uns hinsetzen?", bat er. Noch immer klang seine Stimme untypisch schwach und erschüttert. "Klar", erwiderte Doflamingo, nahm ihm die mitgebrachte Wasserflasche ab, fasste ihn bei der Hand und führte ihn zügig hinüber ins Wohnzimmer. Ohne einander loszulassen, ließen sie sich auf der teuren Couch nieder. Crocodile schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich einigermaßen zu sammeln. Der erste Schock war zwar überwunden, doch er fühlte sich noch immer absolut verzweifelt. Jedes Mal, wenn ihm der Blick seiner Mutter in den Sinn kam, musste er schwer schlucken. Sie hatte einfach durch ihn hindurch gesehen. "Ganz ruhig", sagte Doflamingo und strich sanft eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. "Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst. Und wenn du so weit bist, erzählst du mir der Reihe nach, was passiert ist." Crocodile fixierte die Spitzen seiner schwarzen Lederschuhe, als er mit zittriger Stimme zu sprechen begann: "Ich... ich... ich, ähm, ich... ich habe Mittagspause gemacht und bin in einen naheliegenden Supermarkt gegangen, um mir eine Flasche stilles Mineralwasser zu holen. Vor mir an der Kasse stand eine... eine Frau. Sie hat Schokoladendonuts mit Kirschcremefüllung gekauft. Genau dieselben, die mein Vater immer gegessen hat. Ich musste sofort an meine Eltern denken. Ich erinnere mich noch genau daran, wie Mihawk und Hancock sich jedes Mal freuten, wenn meine Mutter die Schokoladendonuts vom Einkaufen mitbrachte. Jedenfalls... also... a-also..." Seine Stimme überschlug sich. "Ruhig", sagte Doflamingo neben ihm und drückte seine Hand. "Du warst im Supermarkt und wurdest an deine Eltern zurückerinnert. Was ist dann passiert, Crocodile?" "Die Frau, die vor mir an der Kasse stand, hat zu mir hinübergesehen", erzählte er. "Ich musste husten und deswegen hat sie mich angeschaut." Crocodile hielt für einen Moment inne, ehe er meinte: "Sie ist meine Mutter gewesen." Er konnte hören, dass Doflamingo scharf die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. "Deine Mutter?", wiederholte er mit regelrecht schockiert klingender Stimme. "Du hast deine Mutter wiedergesehen?! Was ist passiert? Wie hat sie auf dich reagiert? Habt ihr euch unterhalten?" Crocodile schüttelte den Kopf. Der Kloß in seinem Hals begann schrecklich zu schmerzen, als er sagte: "Sie hat mich nicht erkannt." "Was?" Doflamingo wirkte ganz verdutzt. "Ich stand genau hinter ihr", flüsterte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass der Schmerz, den er fühlte, ganz deutlich herauszuhören war. "Wir waren kaum einen Meter voneinander entfernt. Sie hat mir direkt ins Gesicht gesehen. Aber sie hat mich nicht wiedererkannt. Sie hat mich angeblickt als wäre ich ein völlig Fremder. In ihren Augen war ich bloß irgendein Fremder." "Ich... Crocodile... ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll.... es tut mir so leid!" Es kam nicht oft vor, dass Doflamingo die Worte fehlten. In diesem Moment allerdings wirkte er genauso fassungslos wie sein Partner sich fühlte. Weil er spürte, dass sie erneut heiß und schwer zu werden begannen, bedeckte Crocodile seine Augen mit der rechten Hand. Doflamingo legte beide Arme um seinen Körper und zog ihn nah zu sich heran. Als Crocodile seinen Kopf in die Halsbeuge seines Verlobten bettete, konnte er die Tränen nicht länger zurückhalten: Heiß und schwer rollten sie über seine Wangen. Crocodile schämte sich und kam sich selbst furchtbar jämmerlich vor, doch es gelang ihm einfach nicht, seinen Gefühlen Einhalt zu gebieten. Doflamingo nahm es ihm nicht übel. Er hielt ihn fest, strich ihm zärtlich über den Rücken und flüsterte ihm ein paar tröstende Worte ins Ohr. Es dauerte ein paar Minuten, bis Crocodile sich einigermaßen wieder gefasst hatte. "Danke", sagte er mit belegter Stimme und rieb sich über die Augen, als er sich von seinem Partner löste. "Es gibt nichts, wofür du dich bedanken könntest", erwiderte Doflamingo mit ehrlich klingender Stimme. "Wegen mir musstest du früher mit der Arbeit Schluss machen", wandte Crocodile ein. Plötzlich überfielen ihn Gewissensbisse: Es war sehr egoistisch von ihm gewesen, seinen Verlobten zu drängen, auf der Arbeit alles stehen und liegen zu lassen und nach Hause zu fahren. "Das macht nichts", meinte Doflamingo und winkte ab. "Ich hatte heute sowieso keinen sonderlich produktiven Tag. Und außerdem bist du viel wichtiger. Geht es dir jetzt ein bisschen besser?" Crocodile nickte. "Allmählich finde ich wieder zu mir", sagte er. "Es ist nur... mir kommt alles so surreal vor: Siebzehn Jahre lang habe ich sie nicht mehr gesehen... und plötzlich steht sie vor mir an der Kasse im Supermarkt." "Bist du dir denn ganz sicher, dass sie es war?", hakte Doflamingo vorsichtig nach. "Dass du sie nicht bloß verwechselt hast?" "Ja, ganz sicher", antwortete Crocodile. "Es waren nicht nur die Donuts, die sie für meinen Vater gekauft hat. Sie hat dieselben Augen wie ich. Und ein auffälliges Muttermal auf der Wange. Ich bin mir absolut sicher, dass sie es war!" Erneut zog Doflamingo ihn in eine enge Umarmung. "Sie ist es sowieso nicht wert gewesen!", flüsterte er in einem energisch klingenden Tonfall. "Auf Menschen, die dich wegen deiner sexuellen Orienierung verstoßen, kannst du getrost verzichten! Versuch dieses Ereignis einfach zu vergessen. Und konzentriere dich stattdessen auf deine echte Familie: Mihawk, Hancock und mich. Wir sind diejenigen, die wirklich zählen. Und wir sind immer für dich da!" Crocodile nickte und krallte sich fest an seinen Partner. Seine Fingernägel gruben sich tief in Doflamingos Hüfte, doch dieser hütete sich, auch nur den geringsten Schmerzenslaut von sich zu geben. "Ich bin trotzdem völlig fertig", sagte Crocodile, nachdem er sich von seinem Verlobten wieder gelöst hatte. "Ich meine... sie hat mich nicht beleidigt oder beschimpft. Sie hat mich angeblickt als hätte sie mich noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen. Als hätte sie mich nicht geboren, mir das Laufen und Sprechen beigebracht... Anscheinend hat sie die achtzehn Jahre, die ich gemeinsam mit ihr in einem Haus gelebt habe, vollkommen aus ihrem Gedächtnis gestrichen." "Vielleicht ist es besser so", erwiderte Doflamingo mit eindringlicher und kaltherziger Stimme. "Wie gesagt, Crocodile: Sie ist es nicht wert. Ich kann verstehen, dass dich ihre Ignoranz schmerzt. Aber am Ende kommst du ohne sie besser zurecht. Menschen, die so furchtbar oberflächlich bist, kannst du nicht gebrauchen. Du solltest versuchen, es ihr gleich zu tun, und sie endlich komplett vergessen! Du kommst auch ohne sie gut aus. Weil dich Menschen unterstützt haben, denen du wirklich wichtig bist, ganz gleich ob du Männer oder Frauen magst." "Vermutlich hast du recht", sagte Crocodile mit leiser Stimme. Die Worte seines Verlobten trösteten ihn ein wenig. "Ich habe meine Geschwister, ich habe Daz und vor allen Dingen habe ich dich, Doffy. Auf euch kommt es an; nicht auf meine Eltern, die mich vor so langer Zeit verstoßen haben. Eigentlich kann es mir auch egal sein, ob meine Mutter sich an mich erinnert oder nicht. Ich werde mich sowieso nie wieder mit ihr versöhnen. Es ist längst zu spät." Doflamingo nickte eifrig. "Ganz genau!", sagte er. "Konzentriere dich auf die Dinge, die wichtig sind! Du solltest keine Gedanken an Menschen verschwenden, die es sowieso nicht wert sind!" Crocodile schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Als er sie wieder öffnete, fühlte er sich deutlich besser. "Danke", sagte er und griff nach der Hand seines Verlobten. "Wie gesagt", erwiderte Doflamingo und küsste ihn sanft auf die Stirn, "du musst dich nicht bedanken. Du bist mein zukünftiger Ehemann. Es ist doch wohl selbstverständlich, dass ich mich um dich kümmere, wenn es dir schlecht geht!" Er schwieg für einen kurzen Augenblick, ehe er hinzufügte: "Du solltest versuchen, auf andere Gedanken zu kommen. Warum schauen wir beide uns nicht einfach einen Film an und verdrücken dabei ein paar Cracker? Schließlich sollten wir es ausnutzen, dass wir beide so früh von der Arbeit wieder Zuhause sind." Doflamingo gluckste leise und Crocodile konnte gar nicht anders als dem Vorschlag seines Partners zuzustimmen. * Am folgenden Wochenende stiegen die Temperaturen auf beinahe 30 Grad Celsius und Doflamingo kam prompt auf die Idee, eine Grill- und Gartenparty zu schmeißen. Crocodile war von diesem Vorschlag zwar nicht sonderlich angetan, aber zwang sich um seines Verlobten willen dazu, gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Erst die Nachricht, dass sein Schuldenberg um weitere 120.000 Berry gestiegen war, und kurz darauf die Begegnung mit seiner Mutter waren beileibe nicht spurlos an ihm vorbei gegangen: Tagsüber verschanzte er sich in seinem Lesezimmer und nachts lag er oft stundenlang wach. Crocodile fühlte sich die meiste Zeit über niedergeschlagen und kraftlos. Weil er allerdings die Ansicht vertrat, dass sein Partner, der sich wirklich viel Mühe gab bei dem Versuch ihn zu trösten und aufzuheitern, ein bisschen Spaß verdient hatte, tat er so als würde er sich auf die bevorstehende Party freuen. Wie immer hatte Doflamingo eine Vielzahl von Gästen eingeladen. Es überraschte Crocodile jedoch, als er mitbekam, dass es sich nicht ausschließlich um die Freunde und Bekannten seines Verlobten handelte: Doflamingo hatte sich die Freiheit genommen, auch Daz, Mihawk, Shanks, Hancock und Luffy einzuladen. "Das wird ja eine wirklich riesige Party", sagte Crocodile; er bemühte sich darum enthusiastisch zu klingen, doch es gelang ihm nicht sonderlich gut. Sein Partner nickte. "Es kommen ungefähr achtzig Leute", erwiderte er mit fröhlicher Stimme. Sie beide standen im Garten und beaufsichtigten die Angestellten, die gerade damit beschäftigt waren, Sitzgelegenheiten aufzubauen. Doflamingo war ein zuvorkommender Hausherr: Natürlich mutete er seinen Gästen keine ungemütlichen Klappstühle zu; stattdessen ließ er Sessel und Bänke aus Korbgeflecht aufstellen und mit gemütlichen Kissen bestücken. Bei den Gartenmöbeln handelte es sich um Sonderanfertigungen, die ein namenhafter Designer ganz nach den Wünschen seines extravaganten Kunden gestaltet hatte, und sie waren teurer gewesen als der Wagen, den Mihawk fuhr. "Findest du eine lange Tafel oder kleine Tischgruppen besser?", fragte Doflamingo, während sie Hand in Hand durch den Garten spazierten. "Ähm, kleine Tischgruppen?"", erwiderte Crocodile (dem diese Entscheidung relativ gleichgültig war) in einem eher unbeholfen klingenden Tonfall. "Wirklich?" Doflamingo zog die Augenbrauen zusammen. "Ich habe die Befürchtung, dass jeder bei seinem Tisch bleiben wird und die Menschen nicht miteinander ins Gespräch kommen. Und mir ist es sehr wichtig, dass meine und deine Leute sich gut verstehen. Es ist heute ja das erste Mal, dass sie sich begegnen." "Darum musst du dir keine Sorgen machen", erwiderte Crocodile, obwohl er sich selbst nicht ganz sicher war. Bei dieser Gartenparty würden zwei Welten aufeinandertreffen. Seine Geschwister und Freunde waren den unermesslichen Luxus, der ihnen hier geboten wurde, überhaupt nicht gewohnt. Trotzdem bemühte er sich darum, positiv zu denken. Er wollte seinem Partner, der sich sehr auf den Abend zu freuen schien, nicht die Laune verderben. "Mihawk und Daz sind zwar eher zurückhaltende Menschen, aber eigentlich kommen sie mit fast jedem gut klar. Und Hancock, Luffy und Shanks sind ja sowieso sehr offen und kontaktfreudig. Ich bin mir sicher, dass sie gut zurecht kommen werden." "Hoffentlich", meinte Doflamingo mit zweifelnder Stimme. Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er plötzlich fragte: "Findest du, dass ich bei dieser Party zu dick auftrage?" Verwundert zog Crocodile eine Augenbraue hoch. "Wie kommst du denn darauf?", hakte er nach. "Normalerweise heißt es bei dir doch: Je pompöser, desto besser. Oder nicht?" "Schon", gab Doflamingo kleinlaut zu. "Mir sind meine Freunde sehr wichtig und ich bemühe mich immer darum, ein guter Gastgeber zu sein. Meinen Gästen soll es an nichts fehlen. Aber nun ja... ich bin schon zweimal auf Parties gewesen, die deine Geschwister gegeben haben. Und beide Male war es eine völlig andere Art von Feier als ich es gewohnt bin. Versteh mich bitte nicht falsch! Mihawks Geburtstagsparty und Hancocks Schwangerschaftsparty waren toll und ich hatte wirklich sehr viel Spaß, nur... du weißt schon... ich möchte vermeiden, dass die beiden sich von mir in den Schatten gestellt vorkommen. Erinnerst du dich noch daran, wie wir uns damals auf den Weg zu Mihawks Party gemacht haben? Ich wollte eigentlich mit meinem Aston Martin fahren, aber du warst ganz entsetzt und meintest, dieser Wagen würde viel zu aufschneiderisch wirken. Da ist mir wieder richtig bewusst geworden, wie viel reicher ich bin als du. Und dass ich oft (ohne es zu beabsichtigen) arrogant und eingebildet erscheine. Einfach weil für mich viele Dinge, die Andere als Luxus betrachten, eine absolute Selbstverständlichkeit sind. Dabei ist es mir gar nicht wichtig, wie viel Geld jemand besitzt! Und ich möchte auch nicht den Eindruck des eingebildeten und aufgeblasenen Multimillionärs erwecken." "Keine Panik", versuchte Crocodile seinen Partner zu besänftigen. "Meine Geschwister und Freunde kennen dich doch schon längst. Sie wissen, dass du kein herablassender Wichtigtuer bist." "Wissen sie denn überhaupt, dass ich reich bin?", hakte Doflamingo skeptisch nach. "Nicht, dass sie alle den Schock ihres Lebens bekommen, wenn sie heute Abend hier ankommen." "Klar wissen sie, dass du Millionär bist", erwiderte Crocodile. "Ich habe ihnen schon von dir erzählt, lange bevor du sie kennengelernt hast. Mach dir keinen Kopf, Doffy! Ich bin mir sicher, dass die Party ein Erfolg wird. Meine Freunde und Familie sind diesen exklusiven Lebensstandard zwar nicht gewohnt, aber dafür werden sie ihn heute Abend umso mehr genießen. Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen." "Das ist leichter gesagt als getan", meinte Doflamingo. Er wirkte noch immer ein wenig besorgt, doch lächelte inzwischen wieder. "Ich wünsche mir, dass all meine Gäste sich wohlfühlen und untereinander gut verstehen. Schließlich handelt es sich um ungefähr die gleiche Gruppe, die wir auch zu unserer Hochzeit einladen werden." Bei der Erwähnung ihrer bevorstehenden Hochzeit musste Crocodile unweigerlich schlucken. Seit er erfahren hatte, dass sein Autounfall ihn satte 120.000 Berry kosten würde, hatten sie beide nicht mehr über dieses Thema gesprochen. Insgeheim hatte Crocodile beinahe schon gehofft gehabt, Doflamingo würde sich mit dem Gedanken anfreunden, ihre Hochzeit zu verschieben. Immerhin wusste sein Partner doch Bescheid über die riesige Geldsumme, die er aufbringen musste. Wie sollte er in seiner momentanen finanziellen Situation auch noch eine Hochzeitsfeier bezahlen? "Kommen heute denn auch deine Verwandten?", fragte Crocodile seinen Verlobten. "Wir hatten ja ausgemacht, dass ich sie kennenlerne, bevor wir sie auch auf die Gästeliste setzen." Vielleicht, kam es Crocodile plötzlich in den Sinn, ging Doflamingo davon aus, dass es für ihn überhaupt kein Problem darstellte, mehr als 100.000 Berry zu bezahlen. Er hatte mit seinem Partner niemals im Detail über seine finanzielle Möglichkeiten gesprochen; auch nicht, ehe er seine Arbeitsstelle verloren hatte und in einem riesigen Schuldenberg versunken war. Womöglich glaubte Doflamingo, dass ihm mehr als genug Geld zur Verfügung stand, um sowohl die Rechnung über 120.000 Berry als auch die Kosten für ihre Hochzeitsfeier zu stemmen. Bei diesem furchtbaren Gedanken lief es Crocodile eiskalt den Rücken hinunter. Wie sollte er seinem schwer reichen Verlobten erklären, dass er definitiv nicht dazu in der Lage war, für beides aufzukommen? "Ich habe zwei meiner Cousinen und ihre Eltern eingeladen", meinte Doflamingo. "Ich dachte mir, dass es einfacher für dich ist, wenn du meine Familie nach und nach kennenlernst. Du sollst dir nicht vorkommen wie auf dem Präsentierteller." "Danke", erwiderte Crocodile und brachte ein schwaches Lächeln zustande. "Das ist sehr rücksichtsvoll von dir. Ich hoffe, dass deine Tante, dein Onkel und deine Cousinen mich mögen werden." "Darum mache ich mir überhaupt keine Sorgen", sagte Doflamingo und winkte breit grinsend ab. "Sie sind sehr nette Menschen. Und ich habe ihnen schon viel von dir erzählt. Sei einfach du selbst; dann kann nichts schiefgehen!" Ob er seinem Verlobten erzählen sollte, dass er aufgrund der neu hinzugekommenen Schulden nicht die Möglichkeit hatte, sich an den Kosten für ihre Hochzeit zu beteiligen? Würde Doflamingo Verständnis für ihn aufbringen? Crocodile senkte den Blick. Konnte ein so unfassbar reicher Mann wie sein Verlobter seine problematische Lage überhaupt nachvollziehen? Mit Sicherheit hatte Doflamingo in seinem ganzen Leben noch niemals vor dem Problem gestanden, sich irgendetwas nicht leisten zu können. Er war praktisch mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden. "Ist alles in Ordnung?", fragte Doflamingo plötzlich und zog die Augenbrauen zusammen. "Du erweckst nicht gerade einen sonderlich fröhlichen Eindruck. Ist dir nicht gut?" "Mit meinem Magen ist alles in Ordnung, falls du darauf anspielen willst", erwiderte Crocodile rasch und lächelte wacker. "Ich bin nur ein wenig nervös. Du weißt schon, wegen deiner Familie. Ich möchte auf jeden Fall einen guten Eindruck hinterlassen." "Wie gesagt", meinte sein Verlobter in einem sehr sanft und verständnisvoll klingenden Tonfall, "darum musst du dir keine Sorgen machen. Es gibt absolut keinen Grund, um aufgeregt zu sein: Meine Verwandten sind wirklich sehr, sehr freundlich. Und außerdem musst du dich ja nicht den ganzen Abend lang nur mit ihnen unterhalten. Es kommen ungefähr achtzig Gäste; du wirst also oft genug die Gelegenheit haben, um auch mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen." Crocodile nickte. Doch wenn er davon ausging, dass Doflamingo Verständnis für seine miserable finanzielle Situation aufbringen würde... wäre dann nicht alles umsonst gewesen? Die vielen Lügen, die er seinem Verlobten erzählt hatte. Die Farce, die er nun schon seit vier oder fünf Monaten aufrecht erhielt. All die Sorgen, die Quälerei, die harte Arbeit... Wenn er davon ausging, dass Doflamingo sich nicht von ihm abwenden würde... Wozu hatte er denn dann diese furchtbare Zeit durchgestanden? Ich hätte ihm sofort die Wahrheit erzählen sollen, dachte Crocodile und verzog den Mund, so als läge ein bitterer Geschmack auf seiner Zunge. Ich hätte ihm gleich am ersten Tag von meiner Kündigung und meinen Schulden erzählen sollen. Er wäre nicht wütend geworden. Er hätte sich nicht von mir getrennt. Er hätte mich unterstützt und versucht mir so gut wie möglich zu helfen. Diese Erkenntnis traf ihn hart. "Ich, ähm, ich werde mal nachfragen, ob man in der Küche das Grillfleisch schon vorbereitet hat", sagte Crocodile an seinen Verlobten gewandt. "Bereits in einer Stunde erwarten wir die ersten Gäste, nicht wahr?" Doflamingo nickte. "Gute Idee", meinte er, beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen kurzen, doch liebevollen Kuss auf die Lippen. "Dann sehe ich nach den Getränken. Ich habe mir gedacht, dass ich keine Theke aufbauen lassen, sondern die Leute von ein paar Kellnern bedient werden. Dann müssen sie nicht jedes Mal aufstehen, wenn sie ein Getränk bekommen wollen." "Du bist ein wirklich zuvorkommender Gastgeber", entgegnete Crocodile. "Wenn man bei dir zu Gast ist, fühlt man sich gleich wie prominenter Besuch." "Genau dieses Gefühl versuche ich ja auch zu vermitteln", meinte Doflamingo mit geschmeichelt klingender Stimme, ehe er sich auf den Weg machte, um mit seinen Angestellten über den Getränkeausschank zu sprechen. In der Küche waren Doflamingos Bediensteten bereits überaus fleißig gewesen. Das hochwertige Fleisch, das heute Abend auf dem Grill landen würde, war längst fertig vorbereitet worden. Dasselbe galt auch für die vielen anderen Gerichte und Lebensmittel, die gereicht werden sollten: Salat, Brot, Nudeln, Reis, Fisch, Gemüse, Pilze, Couscous, Dips und Saucen in endlosen Variationen. Wie üblich hätte das Aufgebot an Nahrungsmitteln ausgereicht, um mindestens die dreifache Anzahl der Gäste mehr als satt zu bekommen. Crocodile wurde ein wenig übel, als er daran zurückdachte, dass er als Student manchmal tagelang nichts außer Corneflakes oder Instant-Nudeln gegessen hatte, weil sein Geld für eine bessere Ernährung nicht ausgereicht hatte. Da in der Küche alles rund zu laufen schien, nutzte Crocodile die Zeit, um sich ein letztes Mal zurückzuziehen und seine Gedanken zu ordnen, ehe die Gartenparty losging. Er verschanzte sich in einem der zahlreichen Gästebäder der Villa und ließ sich in einer sehr kraftlos wirkenden Bewegung auf dem heruntergeklappten Toilettensitz nieder. Um ehrlich zu sein, war seine Laune absolut miserabel. Nicht bloß, weil er überhaupt keine Lust auf die bevorstehende Party hatte, sondern vor allem wegen Doflamingo. Es ärgerte Crocodile, dass dieser ihre Hochzeit nicht verschieben zu wollen schien. Schließlich hatte Doflamingo den Brief, der die Forderung von 120.000 Berry enthielt, selbst gelesen gehabt! Ging er tatsächlich davon aus, dass er einen Geldbetrag in dieser immensen Höhe einfach aus dem Ärmel schütteln konnte? Aber sein Verlobter müsste doch wissen, dass er lange nicht so reich war wie er! Immerhin waren sie beide schon seit etwa zehn Monaten ein Liebespaar. Doflamingo hatte doch mit eigenen Augen gesehen, unter welchen Umständen er gelebt hatte, ehe sie beide zusammengezogen waren: Er hatte in einer Mietwohnung gewohnt, keine Köche oder Putzkräfte eingestellt gehabt, nur ein einziges Fahrzeug besessen... Wie kam sein Partner dann nur auf den verrückten Gedanken, dass satte 120.000 Berry für ihn nichts weiter als Peanuts waren? Crocodile presste die Zähne fest aufeinander. Zum ersten Mal, seit ihm gekündigt worden war, spürte er, wie er nicht auf sich selbst, sondern auf Doflamingo wütend wurde. Offensichtlich hatte sein Verlobter sich überhaupt nicht die Mühe gemacht, sich in ihn hineinzuversetzen. Immerhin wusste Doflamingo doch darüber Bescheid, dass ihm sämtliche Kosten, die durch den Autounfall entstanden waren, in Rechnung gestellt wurden. Er wusste ganz genau, dass Crocodile 120.000 Berry zu zahlen hatte! Und er wusste auch, dass diese Summe für seinen Verlobten alles andere als eine Kleinigkeit darstelle! Und trotzdem sprach er noch immer davon, ihn so bald wie möglich zu heiraten! "Du bist so ein verdammter Egoist!", brüllte Crocodile zornig, erhob sich und schlug mit der rechten Faust gegen den Spiegel, der über dem Waschbecken hing. "Du mieses Arschloch! Du willst nur wieder deinen Willen durchsetzen! Dass ich kein Geld habe, ist dir vollkommen egal! Du gottverdammter Wichser!" Es dauerte nicht lange, bis Crocodile wieder zu sich gekommen war. Entsetzt ließ er seinen Blick zwischen den am Boden liegenden Spiegelscherben und seiner blutenden, schmerzenden Faust hin- und herwandern. Crocodile war sich dessen bewusst, dass er gelegentlich ein sehr temperamentvolles Verhalten an den Tag lag, doch in einem Wutanfall wahllos Gegenstände kurz und klein zu hauen, sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Normalerweise hatte er sich selbst recht gut unter Kontrolle. Wie sollte er Doflamingo diesen Schaden nur erklären? Dass er gestolpert und mit der Faust aus Versehen gegen den Spiegel gekommen war, würde ihm sein Verlobter mit Sicherheit nicht glauben. Sollte er also einfach das Badezimmer verlassen und darauf hoffen, dass niemand den zerbrochenen Spiegel auf ihn zurückführen würde? "Wani?" Sofort spürte Crocodile, wie sich die Haare in seinem Nacken und an seinen Unterarmen aufstellen. Oh nein, bitte nicht, dachte er verzweifelt und ließ seinen Blick unwirsch über den mit Spiegelscherben übersäten Boden schweifen. Was machte sein Partner denn hier? Hatte er nicht nach den Getränken sehen wollen? Crocodile hörte, wie jemand gegen die Tür klopfte. "Wani?", wiederholte Doflamingo in einem besorgt klingenden Tonfall. "Geht es dir gut? Ich habe eben ein lautes Scheppern gehört." "Ich bin okay", antwortete Crocodile, doch seine Stimme klang so halbherzig, dass sie nicht einmal ihn selbst überzeugen konnte. "Mach bitte die Türe auf", erwiderte aus diesem Grund sein Partner in einem gleichzeitig sanft und energisch klingenden Tonfall. Crocodile seufzte. Er war sich dessen bewusst, dass es aus dieser Situation kein Entkommen geben würde. Zu Doflamingos prägnantesten Eigenschaften gehörte definitiv seine unfassbare Sturheit. Er würde so lange vor der Badtüre stehen bleiben, bis sie sich öffnete. Ganz egal, wie lange dies auch dauern mochte. Also ergab Crocodile sich seinem Schicksal und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Seine Hand pochte unangenehm und blutete stark. Erst jetzt fiel ihm auf, dass eine kleine Spiegelscherbe in seinem Fleisch steckte. Doflamingo saugte scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als er das kleine Badezimmer betrat. "Was ist denn hier passiert?", fragte er mit schockiert klingender Stimme. "Ich hatte einen Wutanfall", gestand Crocodile und senkte den Blick. "Tut mir leid. Es... es hat mich einfach überkommen. Ich werde den Spiegel natürlich bezahlen." "Der verdammte Spiegel ist mir scheißegal!", erwiderte sein Verlobter energisch. "Ich... Crocodile... Oh Mann, ich... mir fehlen die Worte! Was ist denn der Grund für deinen Wutanfall gewesen?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Um ehrlich zu sein, hatte er im Moment keine große Lust auf irgendwelche tiefschürfenden Gespräche. Doflamingo berührte ihn an den Schultern und blickte ihm tief in die Augen. Crocodile seufzte laut auf und biss sich auf die Unterlippe, bis sie zu schmerzen begann. "Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst", meinte Doflamingo. "Auch über unangenehme Dinge. Bitte sag mir die Wahrheit, Crocodile: Wieso bist du wütend? Und auf wen?" "Wir sollten ein anderes Mal darüber sprechen", erwiderte Crocodile und hoffte insgeheim, dass sie dieses Gespräch niemals nachholen würden. "Die Gäste kommen gleich. Es wäre sehr unhöflich, sie nicht zu begrüßen. Komm: Wir verbinden meine Hand und danach gehen wir wieder nach draußen in den Garten." Doch Doflamingo ließ ihn nicht los. "Wir reden jetzt darüber!", meinte er. "Die Gäste können warten!" Crocodile zögerte einen Moment, ehe er schließlich zugab: "Ich war wütend auf dich." "Auf mich?" Mit dieser Antwort schien sein Verlobter nicht gerechnet zu haben. "Aber wieso denn das? Was habe ich falsch gemacht?" "Das würdest du nicht verstehen", erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. "Können wir jetzt bitte meine Hand verbinden? Sie tut weh." Das war nicht gelogen: Je ruhiger er wurde, desto intensiver spürte Crocodile den Schmerz in seiner rechten Hand. Er hatte nicht gerade leicht zugeschlagen. Doflamingo öffnete die Schublade eines hohen, schmalen Schrankes, der links neben dem Waschbecken stand, und holte einen Verbandskasten hervor. Crocodile hielt seinem Partner den rechten Arm hin; da ihm die linke Hand fehlte, war er leider nicht dazu in der Lage, die Wunde selbst zu versorgen. Während Doflamingo mit einer Pinzette die kleinen Spiegelscherben aus seinem Handrücken entfernte und die Verletzung desinfizierte, sprach keiner von ihnen beiden ein Wort. Erst als er den Verband um seine Hand zu wickeln begann, meinte Doflamingo mit leiser Stimme: "Ich glaube nicht, dass es genäht werden muss." Crocodile nickte. Er hätte nicht gewusst, was er auf die Aussage seines Partners erwidern sollte. Mit jeder Sekunde, die verging, wurde die Luft dicker und ihr Schweigen unangenehmer. "Bist du jetzt wütend auf mich?", fragte Crocodile, als Doflamingo von seiner Hand abließ. Sein Partner schüttelte den Kopf. "Ich bin nicht wütend", sagte er. "Ich frage mich nur... nun ja... was ich falsch gemacht haben könnte. Und wieso du sagtest, ich würde den Grund nicht verstehen." Crocodile senkte den Blick. Als er die vielen Scherben registrierte, die auf dem Fußboden verstreut lagen, sagte er: "Ich war wütend, weil du von unserer Hochzeit gesprochen hast. Es klang nicht so als würdest du sie verschieben wollen." "Aber warum sollten wir unsere Hochzeit denn verschieben?", hakte Doflamingo nach und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Er klang nicht zornig oder beleidigt; er schien einfach bloß nicht zu verstehen, worauf sein Verlobter hinauswollte. "Ich meine, ich erinnere mich daran, wie du mit mir darüber gesprochen hattest, dass ich bei den Hochzeitsvorbereitungen hetze und dass wir uns ein bisschen mehr Zeit lassen sollen. Und ich habe mich auch wirklich darum bemüht, dich nicht unter Druck zu setzen. Mir ist ja auch nicht entgangen, wie aufgewühlt und niedergeschlagen du seit deinem Autounfalll bist. Aber das bedeutet doch nicht gleich, dass wir unsere Hochzeit um Monate oder Jahre verschieben müssen, oder nicht? Ich verstehe nicht, wo genau dein Problem liegt." "Mein Problem ist, dass ich keine Ahnung habe, wie ich die Kosten für unsere Hochzeit stemmen soll!" Plötzlich konnte Crocodile nicht mehr an sich halten. Doflamingos absolut dreiste Ignoranz fachte seinen Zorn neu an. All die Sorgen, die sich in ihm aufgestaut hatten, seit er von der Forderung seiner Versicherung erfahren hatte, brachen wie stürmische Wellen aus ihm hervor: "Wegen dem Autounfall, den ich verursacht habe, muss ich einhundertzwanzigtausend Berry bezahlen! Einhundertzwanzigtausend Berry! Wo soll ich denn nur so viel Geld hernehmen, verdammt nochmal?! Selbst wenn ich die nächsten drei Monate mein komplettes Gehalt aufwenden würde, könnte ich diesen Betrag nicht aufbringen! Wie soll ich dann zusätzlich auch noch unsere Hochzeit bezahlen? Verdammt, ich bin nicht so reich wie du, Doflamingo! So unfassbar viel Geld habe ich ganz einfach nicht!" Dieses Geständnis schien seinen Partner zu schockieren. Überrascht zog Doflamingo die Augenbrauen zusammen; mit recht unbeholfen und überfordert klingender Stimme meinte er: "Aber warum hast du denn nichts gesagt?" "Du hast die beiden Briefe doch selbst gelesen!", entgegnete Crocodile scharf. "Du weißt über die Forderung meiner Versicherung genau Bescheid!" "Schon", lenkte Doflamingo ein, "aber ich war mir nicht dessen bewusst, dass die Zahlung der einhundertzwanzigtausend Berry dir solch große Probleme bereitet. Ich bin davon ausgegangen, dass dein Gehalt ausreichen würde, um die Forderung zu begleichen, oder dass du vielleicht ein paar Rücklagen hättest." "Du überschätzt meine finanziellen Möglichkeiten", sagte Crocodile mit leiser Stimme. Er hätte es selbst niemals geglaubt, doch um ehrlich zu sein, tat es unfassbar gut diese Worte auszusprechen. Endlich konnte er seinem Verlobten klarmachen, dass dieser ein völlig falsches Bild von ihm hatte. "Ich bin kein Millionär so wie du! Wenn ich sechsstellige Geldbeträge einfach aus dem Hemdsärmel schütteln könnte, hätte ich mir längst selbst eine riesige Villa und ein Dutzend Luxuskarossen zugelegt! Mann, Doflamingo, ist dir denn nicht aufgefallen, wie verzweifelt ich in den letzten Wochen gewesen bin?!" "Natürlich ist mir das aufgefallen!", hielt Doflamingo dagegen. "Allerdings dachte ich mir, dass du immer noch unter Schock stündest wegen des Unfalls. Ich meine... ich habe die Fotos gesehen, die deine Versicherung gemacht hat. Die komplette rechte Seite deines Mercedes ist demoliert worden; du hättest genausogut auch tot sein können! Mir war überhaupt nicht klar, dass nicht der seelische, sondern der finanzielle Schaden dir zu schaffen macht!" "Jetzt kennst du jedenfalls den Stand der Dinge", seufzte Crocodile. "Es wird Monate dauern, bis ich die einhundertzwanzigtausend Berry zusammen habe. Und deshalb ist es mir in nächster Zeit auch nicht möglich, die Kosten für unsere Hochzeit zu stemmen. Ich befürchte, dass wir sie verschieben müssen. Eine andere Möglichkeit lässt meine finanzielle Situation einfach nicht zu." "Wir hätten früher über dieses Thema sprechen sollen", murrte Doflamingo und fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar, "dann hätten wir beide uns den Ärger der letzten Wochen erspart. Wenn du nicht genug Geld hast, dann bezahle eben ich die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry. Und von mir aus kann ich auch die Kosten für unsere Hochzeit übernehmen. Für mich sind das doch sowieso nur Peanuts." "Nein!" Crocodile konnte kaum fassen, was sein Verlobter da von sich gab. "Nein, nein, nein! Auf gar keinen Fall! Ich möchte nicht, dass du mir so viel Geld leihst! Das kommt überhaupt nicht infrage! Ich will nicht mit hunderttausenden Berry bei dir in der Kreide stehen, Doflamingo!" "Ich kann mich nicht daran erinnern, erwähnt zu haben, dass du mir das Geld zurückzahlen sollst", erwiderte Doflamingo; und auch wenn dessen Blick wie üblich durch die getönten Gläser einer Sonnenbrille verdeckt wurden, war Crocodile sich sicher, dass sein Partner mit den Augen rollte. "Du schuldest mir überhaupt nichts, Baby. Ich begleiche die Forderung und damit hat sich das Problem erledigt. Ende aus, Mickey Maus!" Crocodile schüttelte hektisch den Kopf. "Nein, nein, nein", wiederholte er mit energischer Stimme. "Dieses Angebot kann ich nicht annehmen! Es handelt sich einfach um eine viel zu große Summe! Das geht nicht, Doflamingo!" "Es macht mir nichts aus", beteuerte sein Verlobter. "Für mich sind einhundertzwanzigtausend Berry eine Kleinigkeit! Mir würde das Geld nicht fehlen!" "Für mich sind einhundertzwanzigtausend Berry aber keine Kleinigkeit!", hielt Crocodile verzweifelt dagegen. "Überleg es dir." Doflamingo beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf den Mund. Seine Lippen waren warm und schmeckten süß. "Ich weiß, dass du es hasst eingeladen zu werden, aber ich bin mir sicher, dass du mein Angebot letztendlich annehmen wirst. Immerhin ergibt sich überhaupt kein Nachteil für dich. Aber jetzt sollten wir dieses Thema beenden. In ein paar Minuten kommen die ersten Gäste. Heute Abend genießt du die Party! Und morgen, wenn du genug Zeit hattest, um dich mit diesem Gedanken anzufreunden, sprechen wir beide noch einmal ganz in Ruhe über die Sache mit dem Geld. Einverstanden?" Crocodile war mit diesem Vorschlag überhaupt nicht einverstanden, doch er wusste, dass es nichts bringen würde, auf seinen störrischen Verlobten einzureden. Also nickte er ergeben. Als sie beide inbegriff waren, das Gästebadezimmer zu verlassen, fiel Crocodiles Blick erneut auf den zerschlagenen Spiegel und die Scherben, die den Fußboden übersäten. "Bitte erzähl keinem von meinem Wutanfall", bat er Doflamingo mit leiser Stimme. "Ich möchte nicht, dass Daz oder meine Geschwister sich Sorgen um mich machen. Vor allem auf Hancock sollten wir Rücksicht nehmen." Sein Partner nickte. "Ich schweige wie ein Grab", versprach er und küsste ihn erneut, ehe sie beide in den weitläufigen Garten der Villa zurückkehrten. Die Party wurde ein voller Erfolg. Crocodile stellte erleichtert fest, dass sich sowohl seine beiden Geschwister als auch Daz, Shanks und Luffy wohlzufühlen schienen, obgleich sie alle zu Beginn ein wenig eingeschüchtert wirkten angesichts der glitzernden Welt aus Reichtum und unermesslicher Dekadenz, in die sie hineingestoplert waren. Mihawk, der normalerweise alles Andere als schwer von Begriff war, reagierte ganz verwirrt, als ein Page ihn um seinen Autoschlüssel bat, damit er seinen Ford Mondeo in der weitläufigen Tiefgarage unterbringen konnte. „Als du sagtest, dass Doflamingo reich ist“, flüsterte Hancock ihm zur Begrüßung in einem ganz verdattert klingenden Tonfall ins Ohr, „da dachte ich an Villa mit Pool und Tennis-Feld, aber nicht an... an diesen Palast. Verdammt nochmal, Crocodile, wie reich ist dein Freund denn nur!?“ „Ziemlich reich“, gab Crocodile, dem die Verwunderung seiner Schwester beinahe schon unangenehm war, kleinlaut zurück. Gemeinsam mit Doflamingo führte er die neu angekommenen Gäste hinüber in den Garten, wo die Party stattfand. Ungefähr die Hälfte der eingeladenen Leute war bereits anwesend; dazu zählten auch Monet, Kuma und Law, die sogleich zu ihnen herüberkamen. Es überraschte Crocodile, wie freundschaftlich Kuma von seinem Bruder begrüßt wurde, bis ihm einfiel, dass die beiden sich ja bereits kannten. Shanks war der Erste, der sich von seiner anfänglichen Verunsicherung loslöste und dazu überging, den Luxus, der ihm geboten wurde, in vollen Zügen zu genießen: Er griff sich einen Drink vom Tablett eines vorbeilaufenden Kellners und ließ sich prompt auf ein Gespräch mit einer jungen und äußerst attraktiven Frau ein. Mihawk, Hancock, Luffy und Daz folgtem dem Beispiel ihres sehr offenherzigen Freundes und tauten nach und nach auf. Als Crocodile eine dreiviertel Stunde später nach ihnen sah, schienen sich alle prächtig zu amüsieren; sie lachten, tranken und unterhielten sich fröhlich mit den anderen Gästen der Party. Crocodile saß an einem Tisch gemeinsam mit Hancock, Monet, Law und Doflamingo. Er war der einzige aus der Gruppe, der keinen Teller gefüllt mit schmackhaften Leckereien vor sich stehen hatte, doch weil das Hauptaugenmerk momentan sowieso eher auf seiner Schwester als auf ihm lag, sprach ihn glücklicherweise niemand auf diesen Umstand an. Es war das erste Mal, dass Crocodile so etwas wie Erleichterung verspürte, weil Doflamingo sich voll und ganz auf Hancock anstatt auf ihn konzentrierte; er hatte keine Lust auf ein weiteres ernstes Gespräch über seine ungesundes Essverhalten. Dennoch konnte er nicht verhehlen, dass er wie immer ein klein wenig eifersüchtig wurde, als sein Verlobter sich mit seiner attraktiven Schwester unterhielt. „Hast du ein neues Ultraschall-Bild dabei?“, fragte Doflamingo und klang so begeistert, dass man meinen könnte, er spräche nicht von einem Stück Papier, auf dem nichts weiter als verschwommene Flecken zu sehen waren, sondern von einem berühmten Kunstwerk. Hancock nickte und griff nach ihrer Handtasche, um das Foto hervorzuholen. Obwohl sie den Schwangerschaftsbauch, der sich deutlich unter ihrem violetten Kleid abzeichnete, nicht verstecken konnte, sah sie wie immer wunderhübsch aus. Wenn Crocodile sich nicht irrte, dann waren die sowieso schon stattlichen Brüste seiner Schwester noch ein Stück größer geworden, wohingegen sie -abgesehen vom Bauch natürlich- an keiner anderen Stelle zugenommen zu haben schien. Es versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz, als bemerkte, mit welch begeisterter Miene Doflamingo das Ultraschall-Bild betrachtete. Unweigerlich wurde er daran zurückerinnert, dass auch sein Verlobter gerne eine Familie gründen würde. Crocodile presste die Lippen fest aufeinander, als er daran dachte, dass er Doflamingo diesen Wunsch niemals erfüllen könnte. Seine sowieso schon schlechte Laune erreichte einen Tiefpunkt, als Crocodile sich an diejenigen seiner Exfreunde zurückerinnerte, die ebenfalls bisexuell gewesen waren: Jeder einzelne von ihnen hatte ihn wegen seiner Schwester verlassen. „Warum lächelst du auf einmal?“ Crocodile schreckte auf und sah hinüber zu Law, der gleich neben ihm saß und von Doflamingo angesprochen worden war. „Ich lächle doch gar nicht“, gab Law zurück, doch selbst Crocodile, der bisher überhaupt nicht auf seinen Sitznachbarn geachtet hatte, fielen dessen kleine Grübchen auf. Dabei war Law (ähnlich wie Mihawk) eigentlich ein eher zurückhaltender Mensch, der nur sehr selten seine Gefühle äußerte. „Klar tust du das“, erwiderte sein Verlobter breit grinsend. „Du hast auf dein Handy geschaut und dann gelächelt!“ „Blödsinn!“, meinte Law, doch verstaute sein Handy sicherheitshalber in seiner Hosentasche, ehe Doflamingo auf die Idee kam, es vor lauter Neugier an sich zu reißen. „Jemand, der es schafft dich zum Lächeln zu bringen, muss etwas ganz Besonderes sein“, stichelte dieser fröhlich weiter. Law verschränkte die Arme, blies die Backen auf und wich Doflamingos Blick aus, ehe er nach einer Weile mit beinahe verschämt klingender Stimme zugab: „Ich habe tatsächlich jemanden kennengelernt.“ Dieses Geständnis schien Doflamingo den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sein Partner zog verwundert die Augenbrauen zusammen und stockte für einen Moment, ehe er mit verdattert klingender Stimme wiederholte: „Du hast jemanden kennengelernt?“ Law, auf dessen Wangen sich inzwischen zarte Schamesröte ausgebreitet hatte, nickte. „Warum ist das so schwer zu glauben?“, fragte er und klang ein wenig beleidigt. „Nun ja“, gab Doflamingo zurück, „du weißt schon: Meistens meidest du Orte, an denen man andere Menschen kennenlernt. Dich trifft man etwa genauso oft wie Croco in einem Nachtclub. Und vor allen Dingen in letzter Zeit hast du dich ja praktisch in Arbeit vergraben.“ „Er ist mein neuer Tätowierer“, erklärte Law. Er, dachte Crocodile verwundert, doch sprach den Gedanken nicht laut aus. Er hatte gar nicht gewusst, dass Law an Männern interessiert war. „Dein neuer Tätowierer?“ „Bist du schwerhörig?“, erwiderte Law, dem Doflamingos ständige Nachfragen allmählich auf die Nerven zu gehen schienen. „Ja, er ist mein neuer Tätowierer. Wir haben uns vor ein paar Wochen kennengelernt.“ „Aber warum hast du denn nichts davon erzählt?“, hakte sein Verlobter verwundert nach. Law wich dem Blick seines Gesprächpartners aus; offensichtlich war es ihm unangenehm, über seine Gefühle zu sprechen. „Es ist noch nichts Festes“, meinte er schließlich. „Hattet ihr schon ein Date?“ Nun schaltete sich auch Monet ein, die mindestens ebenso interessiert wie Doflamingo wirkte. Law schüttelte den Kopf. „Wir treffen uns morgen Abend“, gestand er und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, dunkles Haar. „Wie schön“, meinte Monet, die zu seiner Linken saß. „Und was macht ihr? Geht ihr essen? Oder vielleicht ins Kino?“ „Wir gehen zusammen auf den Jahrmarkt.“ „Aber du magst Jahrmärkte doch gar nicht!“, hielt Doflamingo dagegen und legte den Kopf schief. „Er hat es nun einmal vorgeschlagen“, gab Law schulterzuckend zurück. „Und ich wollte mich nicht blamieren, indem ich kleinlich erscheine.“ „Es freut mich, dass du endlich jemanden kennengelernt hast“, sagte Monet und lächelte freundlich. „In letzter Zeit bist du zu einem echten Eigenbrötler geworden. Eine Liebesbeziehung würde dir guttun.“ „Aber nur, wenn der Typ okay ist“, wandte Doflamingo mit untypisch ernster Stimme ein. „Fühl dich wegen uns nicht unter Druck gesetzt. Wenn er sich als echtes Arschloch herausstellen sollte, lässt du gefälligst die Finger von ihm!“ Crocodile konnte es Law nicht übel nehmen, als dieser mit den Augen rollte und seinem Verlobten einen leicht genervten Blick zuwarf. „Ich bin ein erwachsener Mann“, sagte er, „und kann gut auf mich selbst aufpassen.“ „Es spielt keine Rolle, wie alt man ist“, erwiderte Doflamingo. „In eine missbrauchende Beziehung kann jeder leicht hineingeraten. Pass einfach auf dich auf, okay?“ „Klar doch“, erwiderte Law und holte sein Handy wieder hervor, als es in seiner Hosentasche vibrierte. Jedem, der am Tisch saß, fiel auf, dass er sich sehr stark darum bemühte, absolut keine Miene zu verziehen, als er hastig die Nachricht las, die er soeben bekommen hatte. Der Abend schritt voran und Crocodile schien der einzige Mensch inmitten der mehr als achtzig Partygäste zu sein, der sich nicht amüsierte. Anstatt sich zu unterhalten und zu lachen, trank er still und einsam ein paar Gläser Wein und hing seinen Gedanken nach. Noch immer war er sich nicht sicher, was er von dem großzügigen Angebot seines Verlobten halten sollte. Er würde lügen, wenn er behauptete, dass es nicht verlockend klang: Die Forderung seiner Versicherung über 120.000 Berry würde sich dank Doflamingo einfach in Luft auflösen und ihn nicht länger belasten. Auf der anderen Seite war Crocodile eine sehr stolze Person. Ihm missfiel der Gedanke, Almosen anzunehmen. Und auch wenn sein Verlobter darauf bestand, dass er ihm die 120.000 Berry nicht zurückzuzahlen brauchte, würde das Geld doch immer zwischen ihnen stehen. Vor Crocodiles geistigem Auge tauchte ein wütender Doflamingo auf, der mit anklagender Stimme rief: „Ich will aber, dass du heute Abend mit in Shakky's Bar kommst! Du bist ein totaler Egoist! Ich habe dir einhundertzwanzigtausend Berry praktisch geschenkt, aber du tust nicht das Geringste für mich! Wenn du mir wirklich dankbar wärst, dann würdest du mitkommen!“ Und was würde (Gott behüte!) im Fall einer Trennung geschehen: Forderte Doflamingo das Geld zurück? Würde Crocodile es überhaupt behalten wollen? Er hatte schon die eine oder andere wirklich hässliche Trennung erlebt und kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass er in einem solchen Fall alles, was ihn an seinen Exfreund erinnerte, so schnell wie möglich loswerden wollen würde. Crocodile erinnerte sich noch lebhaft an Dutzende Fotos und Geschenke, die er in seiner grenzenlosen Wut verbrannt oder aus dem Fenster geschmissen hatte. Den teuren Ring, den Enel ihm zu seinem 28. Geburtstag geschenkt hatte, hatte er sogar die Toilette hinuntergespült. „Woran denkst du gerade?“ Es war die ruhige Stimme seines Bruders, die Crocodile aus seinen Gedanken riss. Er schreckte auf und kreuzte den Blick mit Mihawk. Im Gegensatz zu Hancock, welche die blauen Augen ihres Vaters geerbt hatte, teilten sie beide sich die Augenfarbe mit ihrer Mutter. Unweigerlich wurde Crocodile an seine Begegnung mit ihr zurückerinnert und seine sowieso schon schlechte Laune erreichte einen absoluten Tiefpunkt. „An nichts“, antwortete Crocodile, der nicht in der Stimmung war, um mit Mihawk über seine Probleme zu sprechen. Er mochte seinen Bruder sehr und wollte diesen nicht schockieren, indem er ihm von seinem Autounfall erzählte. Mihawk setzte sich auf den freien Stuhl neben ihn; Crocodile hatte sich den Tisch ausgesucht, der am weitesten weg vom lauten Partytrubel war. Hier waren sie beide ungestört. „Du weißt, dass ich es normalerweise vermeide, mich aufzudrängen“, sagte sein älterer Bruder, „aber ich spüre, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt. Du ziehst dich zurück, du hast noch überhaupt nichts gegessen und du trinkst ein Glas Wein nach dem anderen. Was ist los mit dir?“ „Mir sind die Sachen vom Grill zu fettig“, erwiderte Crocodile, „sie würden meinem Magen nicht sonderlich guttun.“ Um ehrlich zu sein, war ihm Mihawks Sorge unangenehm. Er hatte geglaubt, die Party würde seine Geschwister und Freunde gut genug von ihm ablenken, doch anscheinend hatte er sich in diesem Punkt geirrt. „Es gibt nicht nur Fleisch“, gab Mihawk zurück. „Du hättest auch von den gefühlt einhundert verschiedenen Beilagen, die Doflamingo aufgetischt hat, essen können. Rede dich bitte nicht raus, Crocodile. Erzähl mir stattdessen lieber, was los ist.“ Crocodile seufzte und senkte den Blick. Er zögerte einen Moment, ehe er sich dazu entschloss, seinem Bruder die Wahrheit zu erzählen. „In letzter Zeit ist so einiges schief gelaufen“, erklärte Crocodile und nahm einen großen Schluck Wein. „Ich habe das Gefühl, mein Leben ist eine einzige Abwärts-Spirale. Kaum habe ich das eine Problem gelöst, kommt das nächste neu hinzu. Ganz gleich, was ich auch tue: Es wird einfach immer schlimmer und ich kann nichts dagegen unternehmen.“ Besorgt zog Mihawk die Augenbrauen zusammen. „Wovon genau sprichst du?“, hakte er nach. „Ich habe bereits mehr als die Hälfte meiner Schulden bezahlt gehabt“, begann Crocodile mit bitterer Stimme. „Und durch meinen neuen Job bei Tom's Workers sollte es mir eigentlich gelingen, den Rest im Verlauf eines Jahres zu begleichen. Inzwischen bin ich allerdings wieder bei einer Summe von knapp dreihundertdreiundachtzigtausend Berry angekommen.“ „Aber wie ist das denn passiert?“, hakte Mihawk mit verwundert klingender Stimme nach. „Du bist doch immer sparsam gewesen!“ Crocodile schloss für einen Moment die Augen, ehe er sagte: „Ich habe einen Autounfall gehabt. Beim Linksabbiegen habe ich vergessen, vorher den Gegenverkehr durchzulassen. Ein anderer Wagen ist ungebremst in die rechte Seite meines Mercedes gedonnert. Es hat wohl ein Engel über mich gewacht, denn ich kann wirklich von Glück sprechen, dass ich mit meinem Leben und ohne schwere Verletzungen davongekommen bin. Meinen Mercedes hat es schlimmer getroffen: Die komplette rechte Seite ist demoliert, im Prinzip ist es ein Totalschaden. Die Kosten für den Sach- und Personenschaden belaufen sich auf insgesamt einhundertzwanzigtausend Berry.“ Crocodile konnte hören, wie sein Bruder scharf die Luft zwischen den Zähnen einsaugte. „Aber du bist doch versichert!“, warf Mihawk ein. „Wieso kommt denn deine Versicherung nicht für den Schaden auf?“ „Ich hatte vorher ein paar Gläser Wein getrunken“, gestand er, „und zum Unfallzeitpunkt 0,3 Promille im Blut. Deswegen weigert sich die Versicherung zu zahlen und alle Kosten bleiben an mir hängen.“ „Ach du heilige Scheiße“, flüsterte Mihawk und warf ihm einen entsetzten Blick zu. Er stockte kurz, ehe er meinte: „Du hast von einem Personenschaden gesprochen. Die Insassen des anderen Wagens...?“ „Gebrochene Nase“, antwortete Crocodile und konnte sehen, wie sein Bruder erleichtert aufatmete. „Aber der Autounfall ist nicht das einzige, was mir zu schaffen macht“, fuhr er fort. „Was ist denn noch passiert?“, wollte sein Bruder wissen. „Ich bin unserer Mutter begegnet.“ „Was?!“ Mihawks Augen weiteten sich entsetzt. „Wann? Wo? Davon hat sie mir überhaupt nichts erzählt!“ „Das glaube ich dir auf's Wort“, meinte Crocodile und konnte sich ein bitteres Lächeln nicht verkneifen. „Sie hat mich nämlich gar nicht wiedererkannt.“ Dieses Geständnis schien Mihawk den Wind aus den Segeln zu nehmen. Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, seinen älteren Bruder jemals dermaßen fassungslos erlebt zu haben. Er brachte keinen einzigen Laut über die Lippen, starrte ihn bloß aus großen Augen heraus an. Es dauerte fast eine halbe Minute, bis er wieder zu sich fand. „Ich...“, sagte er, „ich... ich... verdammt Crocodile... es tut mir so leid! Ich... ich kann gar nicht in Worte fassen, wie unfassbar leid es mir tut...“ „Eigentlich sollte es mich nicht überraschen“, flüsterte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme schrecklich schmerzerfüllt klang. „Sie hat mich das letzte Mal vor siebzehn Jahren gesehen. Damals wurde mein Gesicht noch nicht von einer Narbe entstellt und damals hatte ich auch meine linke Hand noch nicht verloren. Sie hat mich angeschaut und konnte den Jungen, an den sie sich vielleicht noch erinnert, in mir nicht erkennen. Für sie war ich bloß irgendein Fremder.“ Crocodile stockte für einen Moment, ehe er hinzufügte: „Vielleicht verstehst du jetzt, wieso mir nicht nach Party zumute ist. Und wenn du mich entschuldigen würdest: Mein Glas Wein ist leer, ich hole mir ein neues.“ Mit diesen Worten erhob er sich und ließ seinen völlig fassungslos wirkenden Bruder zurück. Crocodile griff nach dem Scotch, der auf dem Tablett eines vorbeilaufenden Kellners stand, und trank das Glas in einem Zug leer. Es war Mitternacht, als Crocodile zu dem Schluss kam, dass er seine Pflicht erfüllt hatte und sich nun endlich ins Bett legen konnte. Doflamingo zuliebe hatte er so getan, als würde er sich amüsieren und darüber freuen, dessen zahlreiche Freunde wiederzusehen. Sogar die Bekanntmachung mit den Verwandten seines Verlobten hatte Crocodile ohne zu jammern durchgestanden. Doch inzwischen hatte er nicht mehr genug Kraft, um weiterhin gute Miene zu bösem Spiel zu machen, und aus diesem Grund wollte sich er sich zurückziehen. Er verabschiedete sich von den anderen Gästen der Party und wenn man ihn fragte, wieso er jetzt schon ins Bett gehen wollte, log er und sagte, er hätte furchtbare Magenschmerzen bekommen. Die einzigen Menschen, die er nicht auffinden konnte, waren sein Partner und dessen guter Freund Vergo. Als Crocodile die beiden auch nach zehn Minuten noch nicht gefunden hatte, gab er die Suche schließlich auf und bat seine Schwester darum, Doflamingo über sein Verschwinden zu informieren. Er wollte vermeiden, dass dieser sich Sorgen um ihn machte. Gerade betrat er die erste Stufe der Treppe, die hinauf in den ersten Stock führte, als er aus dem Gang nebenan ein paar Stimmen vernahm, die sich leise miteinander unterhielten. Crocodile zog verwundert die Augenbrauen zusammen, als er die Stimmen von Doflamingo und Vergo wiedererkannte. Für einen kurzen Moment zögerte er: Warum sprachen die beiden so weit abseits von der Party miteinander? Worum es wohl ging? Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Am Ende entschied er sich allerdings dazu, seinen Weg hinauf ins Schlafzimmer fortzusetzen. Vertrauliche Gespräche, die Doflamingo mit seinen Freunden führte, gingen ihn nichts an. Es wäre sehr unhöflich zu lauschen. Er setzte seinen linken Fuß gerade auf die zweite Treppenstufe, als er hörte, dass leise sein Name fiel. Crocodile zögerte. Wenn man über ihn sprach, sah die Sache gleich ganz anders aus, nicht wahr? Schließlich war es doch sein gutes Recht zu wissen, was Doflamingo und Vergo hinter seinem Rücken über ihn sagten. Ein paar Sekunden lang blieb Crocodile zweifelnd an Ort und Stelle stehen, ehe er schließlich doch auf leisen Sohlen zu dem Gang hinüberhuschte, in dem sich sein Verlobter und dessen Kumpel aufhielten. „... schließt sich ständig in sein Lesezimmer ein“, hörte er Doflamingo sagen. „Nur zum Essen und zum Schlafen verlässt er es, ansonsten bekomme ich ihn kaum noch zu Gesicht. Und wenn, dann spricht er wenig und ist ständig niedergeschlagen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal ganz fröhlich und ungezwungen mit ihm unterhalten habe. Und selbst nachts wird es nicht besser: Er liegt ständig wach. Und wenn er mal schläft, dann nur sehr schlecht. Er hat oft Alpträume.“ Seine Stimme klang teils besorgt, teils anklagend. Crocodile konnte Vergo leise seufzen hören. „Um ehrlich zu sein, kann ich deinem Verlobten dieses Verhalten kaum verübeln“, meinte er, „nicht nach dem, was du mir erzählt hast. Erst der Autounfall und kurz danach diese Sache mit seiner Mutter... Jeder wäre völlig fertig an seiner Stelle.“ „Weiß ich doch“, murmelte Doflamingo. „Ich mache ihm deswegen auch keinen Vorwurf. Was mich wirklich stört, ist, dass er sich einfach überhaupt nicht von mir helfen lassen will! Heute erst habe ich ihm angeboten, die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry für ihn zu bezahlen, aber er hat sich sofort dagegen gewehrt. Sagte, das wäre viel zu viel Geld. Für mich sind das aber doch nur Peanuts. Wenn es ihm dadurch besser geht, würde ich auf eine Millionen Berry für ihn ausgeben! Ich kann nicht nachvollziehen, wieso er meine Unterstützung nicht annehmen möchte. Ich bin doch schließlich sein zukünftiger Ehemann“ „Du musst versuchen ihn zu verstehen“, redete Vergo mit eindringlicher Stimme auf ihn ein. „Er ist nicht so reich wie du. Für ihn sind ein paar hunderttausend Berry unheimlich viel Geld. Stell dir nur einmal vor, jemand würde dir einhundertzwanzig Millionen Berry anbieten; du würdest dich auch nicht wohl dabei fühlen, eine solch riesige Summe anzunehmen. Er lebt in einer ganz anderen Welt als du, Doflamingo. Überleg doch nur, wie viel Geld du für deine unzähligen Exfreunde und -freundinnen ausgegeben hast. Doch am Ende hat es dir nichts gebracht. Crocodile hingegen ist nicht an deinem Geld interessiert, sondern an dir als Person. Er ist ehrlich und möchte dich nicht ausnehmen. Das ist unheimlich viel wert!“ Vergo hielt für einen Moment inne, ehe er hinzufügte: „Du könntest ja auch versuchen, ihm anders als nur auf finanzieller Ebene zu helfen. Du hast doch gesagt, dass sich seine psychischen Probleme seit dem Autounfall wieder verschlimmert haben. Wieso suchst du nicht gemeinsam mit Crocodile einen Psychiater auf? Vielleicht kann ihm ein Professioneller dabei helfen, seine Probleme zu lösen.“ „Diesen Vorschlag habe ich ihm schon vor ein paar Monaten gemacht“, gestand Doflamingo. „Du weißt schon, nachdem er seinen Nervenzusammenbruch hatte. Aber er hat ganz entsetzt reagiert. Wenn ich hartnäckig bleibe, könnte ich ihn vermutlich dazu überreden, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber solange er sich innerlich dagegen wehrt, wird auch der beste Psychater nichts ausrichten können.“ Crocodile biss sich auf die Unterlippe und zwang sich selbst dazu, keinen Laut von sich zu geben. Dass sein Verlobter von ihm sprach, als handelte es sich bei ihm um ein seelisches Wrack, das ohne Hilfe von außen nicht mehr zu reparieren war, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz. „Da hast du nicht Unrecht“, gab Vergo zu. „Es macht mich total fertig, dass ich nichts tun kann, um ihm zu helfen!“ Diese Worte schienen geradezu aus Doflamingo herauszubrechen; er erweckte einen völlig verzweifelten Eindruck. „Egal, was ich ihm anbiete, er schmettert jeden Vorschlag sofort ab. Crocodile möchte all seine Probleme unbedingt im Alleingang lösen und bemerkt dabei gar nicht, dass er sich selbst zerstört. Sein Stolz und seine Sturheit verbauen ihm alle Auswege. Ich bin mir sicher, dass unsere Beziehung viel besser laufen würde, wenn er über seinen Schatten springen könnte.“ „Du darfst nicht vergessen, dass jeder seine Fehler hat“, wandte Vergo ein. „Niemand ist perfekt. Weder Crocodile noch du selber. Ich bin mir sicher, dass er es zum Beispiel mit deinem ausgeprägtem Egozentrismus aus nicht immer einfach hat. Außerdem versucht er doch sich zu bessern, oder nicht? Immerhin hat er dich sofort angerufen und um Hilfe gebeten, als er seiner Mutter begegnet ist. Erinnerst du dich?“ „Natürlich erinnere ich mich“, meinte Doflamingo und klang gleich wieder ein bisschen fröhlicher. „Ich musste zwar das Geschäftsessen mit Hogback sausen lassen und habe dadurch Verluste in Höhe von einer halben Millionen Berry gemacht, aber das war es mir auf jeden Fall wert. Ich wünschte, es wäre immer so einfach: Wenn irgendetwas los ist, sagt er mir Bescheid und wir finden gemeinsam eine Lösung. Alles wäre viel einfacher, wenn wir so offen und ehrlich miteinander wären.“ Verluste in Höher von einer halben Millionen Berry, wiederholte Crocodile gedanklich und konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter da gerade von sich gegeben hatte. Ihm gegenüber hatte dieser doch behauptet, er hätte sowieso keinen sonderlich produktiven Tag gehabt! Sofort spürte Crocodile, wie ihn Gewissensbisse überkamen. Es war nicht seine Absicht gewesen, Doflamingo beim Aushandeln eines wichtigen Deals zu stören. „Ihr seid kaum seit einem Jahr zusammen“, sagte Vergo. „Vertrauen wächst mit der Zeit, Doflamingo. Steh ihm bei und unterstütze ihn, so gut du kannst. Mehr steht nicht in deiner Macht. Und irgendwann wird eure Beziehung so weit sein, dass ihr einander uneingeschränkt vertraut. Du bist wie immer zu voreilig.“ „Crocodile sagt auch immer, dass ich hetze“, meinte Doflamingo und gab ein Geräusch von sich, das wie eine Mischung aus Glucksen und Seufzen klang. „Vermutlich hast du Recht, Vergo. Ich sollte ihm mehr Zeit geben. Es ist nur... früher, wenn meine Freunde und Freundinnen Probleme hatten, dann hat mich das auch immer gestört. Aber auf eine ganz andere Art und Weise als bei Crocodile. Ich habe mich genervt gefühlt und hatte überhaupt keine Lust, mich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen. Meine Freunde und Freundinnen waren für mich nichts anderes als Spielzeuge; sie sollten mich unterhalten und mir Spaß machen. Und wenn sie schlecht drauf waren oder ein Problem hatten, dann bekam ich das Gefühl, dass mein Spielzeug kaputt gegangen sei. Und ich tauschte es einfach gegen ein Neues aus. Dabei hatte ich auch kein schlechtes Gewissen: Die Frauen und Männer waren ja alle doch bloß hinter meinem Geld her. Ich kaufte sie und wenn sie nicht mehr funktionierten, warf ich sie weg. Aber bei Crocodile ist es anders. Er ist nicht bloß irgendein Spielzeug, sondern mein Verlobter. Ich möchte, dass es ihm gut geht und er keine Sorgen hat. Ich wünsche mir, dass er glücklich ist. Und zwar nicht für mich, sondern für ihn. Ich liebe ihn. Er ist etwas ganz Besonderes.“ Crocodile spürte, dass seine Knie weich wurden, und presste sich die rechte Hand fest auf den Mund, um ja kein Geräusch von sich zu geben. „Es quält mich zu sehen, dass er unglücklich ist“, fuhr Doflamingo fort. „Es quält mich, dass er sich nicht von mir helfen lassen will. Und vor allem quält mich, dass er mir nicht die Wahrheit sagt! Ich spüre, dass da noch irgendetwas ist. Seine psychischen Probleme haben nicht erst begonnen, als er den Autounfall hatte. Den Nervenzusammenbruch zum Beispiel hatte er schon vorher. Sein größtes Problem kenne ich noch gar nicht, da bin ich mir absolut sicher.“ „Gib ihm Zeit“, wiederholte Vergo mit eindringlich klingender Stimme. „Wenn du sein Vertrauen nicht missbrauchst, wird er sich dir irgendwann öffnen.“ „Ich sehne diesen Tag herbei“, sagte Doflamingo. „Und gleichzeitig fürchte ich mich vor ihm. Was ist, wenn es sich um ein Problem handelt, das sich nicht durch Geld oder einen Psychiater lösen lässt?“ „Jetzt steigere dich da nicht hinein“, warnte Vergo seinen Verlobten. „Als wir über einen Ehevertrag sprachen“, fuhr Doflamingo nichtsdestotrotz fort, „da meinte er, ein Grund für eine Scheidung könnte sein, dass einer der beiden Ehepartner schwer krank wird. Und er hat in letzter Zeit ständig Probleme mit seinem Magen. Früher hatte er höchstens ein- oder zweimal im Monat Magenschmerzen. Inzwischen manchmal fast jeden zweiten Tag.“ „Worauf willst du hinaus?“, fragte Vergo mit zögerlicher Stimme. „Vielleicht ist Crocodile krank“, sagte Doflamingo und es klang, als würde ein bitterer Geschmack auf seiner Zunge liegen. „Es passt alles zusammen: Genau zu dem Zeitpunkt, an dem es ihm psychisch schlechter zu gehen begann, verstärkten sich auch die Probleme mit seinem Magen. Ich habe mit Law über dieses Thema gesprochen: Er hat gesagt, es gibt unzählige schlimme Erkrankungen, die mit dem Magen zu tun haben können. Infektionen, Geschwüre... man kann sogar Magenkrebs bekommen!“ „Jetzt mal doch nicht gleich den Teufel an die Wand!“, versuchte Vergo Doflamingo zu zügeln. „Du hast überhaupt keine Beweise für diese Theorie. Der Grund für Crocodiles Magenbeschwerden kann genausogut auch relativ harmlos sein. Hat er dir nicht sogar zu Beginn eurer Beziehung erzählt, dass er einen sehr empfindlichen Magen hat? Vielleicht schlägt ihm einfach der Stress auf den Magen und mehr ist da nicht. Du solltest dich nicht verrückt machen, Doflamingo.“ „Also gut“, gab sein Verlobter sich geschlagen. „Vielleicht hast du Recht und ich übertreibe ein wenig.“ „Ein wenig?“, wiederholte Vergo und seufzte leise. „Ich finde, wir sollten dieses Gespräch beenden, bevor deine Theorie noch groteskere Züge annimmt. Komm schon, lass uns zurück zur Party gehen. Du hast dir genug Sorgen gemacht; jetzt solltest du dich amüsieren. Vielleicht gelingt es dir ja sogar, Crocodile zu einem Tanz zu überreden.“ „Das glaube ich nicht“, gab Doflamingo zurück und kicherte leise. „Er leidet nämlich an der Ich-bin-überzeugt-davon-dass-ich-nicht-tanzen-kann-obwohl-das-gar-nicht-stimmt-Krankheit. Und das meine ich wirklich ernst! Aber gut, von mir aus, lass uns zurück nach draußen gehen. Meine Gäste werden sich bestimmt schon fragen, wohin ich verschwunden bin.“ Erst nachdem Doflamingo seinen letzten Satz beendet hatte, fiel Crocodile ein, dass er sich besser schleunigst vom Acker machen sollte. Immerhin wussten weder sein Partner noch Vergo, dass sie belauscht worden waren; und um ehrlich zu sein, legte Crocodiles es nicht darauf an, erwischt zu werden. Es gelang ihm gerade noch, sich hinter einer großen und exotischen Zierpflanze zu verstecken, ehe Doflamingo und Vergo den Korridor verließen und zur Partygesellschaft zurückkehrten. Die ganze Nacht lang ging Crocodile die Unterhaltung, die er mitgehört hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass er in letzter Zeit wenig lachte und sich sehr häufig zurückzog, doch dass sein Verlobter so stark unter diesem Verhalten litt, hatte er nicht geahnt. Crocodile seufzte leise und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser, das angenehm auf seine blasse Haut prasselte, konnte ihn nicht aufmuntern. Er fühlte sich furchtbar schlecht. Dass Doflamingo sich solch große Sorgen um ihn machte, war wirklich nicht seine Absicht gewesen. Crocodile bereute es, seinen empfindlichen Magen so oft als Rechtfertigung für seine schlechte Laune missbraucht zu haben. Es hatte ihn ehrlich schockiert, als sein Partner begonnen hatte von Magenkrebs zu sprechen. Sein schlechtes Gewissen verstärkte sich, als er daran dachte, dass er vor ein paar Minuten erst seine angeblichen Magenschmerzen erneut vorgeschoben hatte, um mit der Wahrheit nicht herausrücken zu müssen. Crocodile stellte das Wasser ab und trocknete seine Haut mit einem flauschigen, weißen Handtuch. Ihm war klar, dass er irgendetwas tun musste. So konnte es nicht weitergehen. Er durfte nicht zulassen, dass seine Probleme sich nun auch schon auf seine Liebesbeziehung auswirkten. Er, er allein, und nicht sein Partner hatte diese Last zu tragen. Crocodile wollte um jeden Preis verhindern, dass Doflamingo sich zu große Sorgen um ihn machte. Er hatte es nicht verdient, wegen ihm unglücklich zu sein. Sein Stolz und seine Sturheit verbauen ihm alle Auswege, hörte Crocodile Doflamingo schimpfen. Ich bin mir sicher, dass unsere Beziehung viel besser laufen würde, wenn er über seinen Schatten springen könnte. Crocodile seufzte und ging hinüber ins Schlafzimmer. Nackt kroch er unter die Bettdecke und zog anschließend seine Knie hoch bis zu seiner Brust. Ohne seinem Verlobten kam ihm das riesige Bett unwahrscheinlich einsam vor. Er war der Grenze zum Einschlafen nahe, als er beschloss, die 120.000 Berry, die Doflamingo ihm anbot, anzunehmen. Sein Partner hatte Recht: Er musste über seinen Schatten springen. Wenigstens ein einziges Mal. Für sie beide. Denn Crocodile wollte auf keinen Fall zulassen, dass seine Beziehung zu Doflamingo an seiner furchtbaren Dickköpfigkeit zugrunde ging. Ich werde ihm meine Entscheidung gleich morgen früh mitteilen, dachte Crocodile, ehe der Schlaf ihn einholte. Crocodile schreckte auf, als er spürte, dass sich jemand zu ihm ins Bett legte. Ein kurzer Blick auf den Radiowecker, der auf dem Nachttisch links von ihm stand, verriet ihm, dass es bereits vier Uhr dreißig morgens war. Anscheind war Doflamingos Gartenparty ein voller Erfolg gewesen. Sein Verlobter rückte nah an ihn heran und legte den Arm um seine Hüfte. Zu Beginn hatte es Crocodile genervt, dass Doflamingo sich im Schlaf ständig an ihn klammerte und somit jeder Bewegungsfreiheit beraubte, doch inzwischen hatte er sich an diesen Umstand gewöhnt. Um ehrlich zu sein, genoss er es sogar, wenn er beim Aufwachen das Gewicht und die Körperwärme seines Partners so nah bei sich spürte. „Doffy?“, flüsterte Crocodile und drehte sich auf die andere Seite, sodass er seinem Bettnachbarn ins Gesicht schauen konnte. „Sorry“, meinte Doflamingo und gähnte leise, „ich wollte dich nicht aufwecken.“ „Ist schon gut, ich habe sowieso nicht sonderlich fest geschlafen.“ Crocodile zögerte einen Augenblick lang, ehe er hinzufügte: „Können wir beide miteinander reden? Oder bist du zu betrunken?“ Angesichts dieser in Doflamingos Ohren womöglich unheilvoll klingenden Worte wurde dieser sofort aufmerksam. „Klar können wir reden“, sagte er und fuhr sich mit einer Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Die meisten meiner Cocktails waren alkoholfrei; mir geht es gut. Worüber möchtest du denn sprechen?“ „Über dein Angebot“, antwortete Crocodile und bemühte sich um eine feste Tonlage. „Ich habe den ganzen Abend lang darüber nachgedacht. Und ich bin schlussendlich auch zu einer Entscheidung gekommen.“ „Zu welcher Entscheidung?“ Doflamingo fixierte aufgeregt sein Gesicht und wie immer, wenn dieser seine Sonnenbrille nicht trug, überkam ihn das merkwürdige Gefühl, geröntgt zu werden. Die grünen Iriden seines Verlobten schienen so intensiv zu strahlen, dass Crocodile unweigerlich den Blick senkte, als er mit leiser Stimme sagte: „Ich werde das Geld annehmen.“ Für einen kurzen Moment war es totenstill im Schlafzimmer. Doflamingos Miene drückte Verwunderung gleichermaßen wie Entzückung aus. Als er schließlich wieder zu sich fand und laut „Das ist ja wundervoll!“, rief, klang seine Stimme ganz schrill in Crocodiles Ohren. „Ich bin absolut begeistert“, meinte sein Partner und drückte ihn so fest, dass seine Rippen zu schmerzen begannen. „Es freut mich, dass du dazu bereit bist, meine Hilfe anzunehmen! Ich verspreche dir, dass ich die ausstehenden einhundertzwanzigtausend Berry noch heute bezahlen werde.“ Crocodile nickte. „Zuerst wollte ich dein Angebot gar nicht annehmen“, gestand er und wich dem Blick seines Verlobten aus, während er sprach. Doflamingos ungeheure Fröhlichkeit schüchterte ihn ein wenig ein. Er hatte noch niemals zuvor erlebt, dass jemand so begeistert reagierte angesichts eines Verlusts von 120.000 Berry. „Aber als mir klar geworden ist, wie stark meine finanziellen Sorgen unsere Beziehung belasten, habe ich mich selbst dazu gezwungen, meinen Stolz beiseite zu legen. Es wäre sehr dickköpfig, dein Angebot auszuschlagen. Für dich sind einhundertzwanzigtausend Berry schließlich bei weitem nicht so viel Geld wie für mich. Ich habe unsere Situation in meinen Gedanken einfach umgedreht: Wenn ich dir durch eine Zahlung von, was weiß ich, fünfhundert Berry aus einer Notlage heraus helfen könnte, dann würde es mich vermutlich auch ärgern, wenn du das Geld aus Stolz nicht annimmst. Es ist unsinnig, aus einem solchen Grund unsere Beziehung zu belasten. Weder dir noch mir würde es helfen, wenn ich das Geld ausschlage.“ Doflamingo nickte eifrig. „Es freut mich, dass du zur Vernunft gekommen bist“, erklärte er breit grinsend. „Endlich verstehst du meine Lage! Ich finde es wirklich toll, dass du mir zuliebe über deinen Schatten gesprungen bist.“ „Du bist mein zukünftiger Ehemann“, sagte Crocodile mit leiser Stimme. „Du bist mehr wert als mein verdammter Stolz.“ Angesichts dieses Geständnisses verwandelte sich Doflamingos Grinsen in ein breites Lächeln und er küsste seinen Verlobten zärtlich auf den Mund. Crocodile schloss seine Augen und ließ sich auf den Kuss ein. Doflamingos Lippen fühlten sich warm und süß an. Einen Moment später spürte er, wie eine Hand seine Hüfte zu streicheln begann; just wurde Crocodile klar, dass er (im Gegensatz zu seinem Partner, der ein T-Shirt und eine scheußliche pinkfarbene Boxershorts trug) splitternackt war. Schamesröte breitete sich auf seinen Wangen aus, und ohne den Kuss zu unterbrechen, zog er die Bettdecke ein Stück nach oben, um seinen Schritt zu verbergen. „Was ist los?“, fragte Doflamingo, der die Bewegung aus dem Augenwinkel heraus mitbekommen zu haben schien. „Hast du keine Lust?“ „Ähm, doch, schon“, gestand Crocodile und senkte verlegen den Blick. „Aber ich dachte, du wärst müde.“ „Dafür bin ich nie zu müde“, grinste Doflamingo und bemühte sich nicht einmal darum, die eindeutige Lüsternheit, die seine strahlend grünen Augen ausdrückten, zu verbergen. Er schlüpfte mit seiner Hand unter die Bettdecke und tastete erneut nach der Hüfte seines Partners. Crocodile schloss seine Augen und schnurrte leise. Zwar hatte er es auf Sex eigentlich nicht angelegt gehabt, doch gegen ein wenig Zweisamkeit hatte er trotzdem nichts einzuwenden. Sein Körper reagierte unerwartet rasch auf die zärtlichen Berührungen seitens Doflamingo: Noch ehe dieser nach seinem Glied griff, hatte es sich bereits zu seiner vollen Größe aufgerichtet. Crocodile legte den Kopf in den Nacken und genoss es in vollen Zügen, als Doflamingo sein Glied zu pumpen begann. Sein Griff war fest und seine Bewegungen schnell. Wie eilig es sein Verlobter wirklich hatte, wurde Crocodile jedoch erst klar, als dieser schon nach kaum zwei Minuten in der obersten Schublade des Nachttisches nach Gleitcreme zu kramen begann. Als er die Tube gefunden hatte, ließ er den Penis seines Partners los und benetzte stattdessen seine Finger mit reichlich Gleitmittel. „Du hast es heute aber eilig“, meinte Crocodile mit verwunderter Stimme und fuhr sich schweratmend über den Mund. Doflamingo hielt für einen kurzen Moment inne. „Zu schnell?“, fragte er und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Crocodile schüttelte den Kopf. „Mir machte es nichts aus“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Ich wundere mich bloß ein bisschen. In den letzten Wochen sind wir den Sex ja meistens eher langsam angegangen.“ „Ich weiß“, meinte sein Verlobter und grinste breit. „Aber im Augenblick kann ich einfach nicht anders: Du ahnst gar nicht, wie sehr es mich freut, dass du mein Angebot angenommen hast! Eben war ich noch ganz müde, aber jetzt bin ich hellwach. Und ich schäume über vor Energie, die ich unbedingt loswerden muss!“ „Tu dir keinen Zwang an“, erwiderte Crocodile. Er gab es nur ungern zu, doch Doflamingos Entzückung rührte ihn unfassbar. Niemals im Leben hätte er damit gerechnet, dass sein Partner so begeistert reagieren würde, bloß weil er dessen Hilfe nicht ablehnte. Doflamingo war bei weitem nicht der oberflächliche Egoist, den viele in ihm sahen; manchmal war er auch absolut uneigennützig und freute sich darüber, wenn er den Menschen, die ihm am Herzen lagen, helfen konnte. Er ist ein wirklich toller Freund, schoss es Crocodile durch den Kopf. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, spürte er, wie ein glitschriger Finger gegen seinen Eingang drückte. Crocodile schreckte auf, fing sich jedoch gleich wieder, als Doflamingo ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen drückte. Die Zunge und der Zeigefinger seines Verlobten drangen gleichzeitig in ihn ein. Crocodile konnte nicht verhindern, dass er leise in den Kuss hineinstöhnte, was sein Gegenüber mit einem selbstzufriedenen Glucksen quittierte. Crocodile spürte, wie der Finger seines Partners sich in seinem Inneren bewegte. Es dauerte nicht lange, bis dieser einen zweiten und danach einen dritten hinzunahm. Obwohl Doflamingo es eilig hatte, nahm er sich ausreichend Zeit, um ihn zu dehnen und auf den Sex vorzubereiten. (Vermutlich wollte eine Wiederholung des blutigen Malheurs in Daz' Gästezimmer vermeiden.) Crocodile stöhnte, als sein Verlobter seine Finger in ihm drehte und spreizte. Gelegentlich streifte er mit einer Fingerspitze sogar seine Prostata, was ihm (zu Doflamingos Begeisterung) stets einen besonders lauten Stöhnlaut entlockte. „Du hörst dich so geil an“, hauchte sein Verlobter, während dieser mit der linken Hand sein Glied pumpte und mit der rechten seine Prostata massierte. „Ich kann es kaum erwarten, dich endlich zu ficken!“ „Warum tust du es nicht einfach“, gab Crocodile keck zurück, „anstatt bloß davon zu reden?“ Auf dieses dreiste Angebot reagierte sein Partner umgehend: Noch bevor Crocodile zu Ende gesprochen hatte, ließ Doflamingo von ihm ab und griff stattdessen erneut nach der Gleitcreme, um sein eigenes steinhartes Glied mit der durchsichtigen Flüssigkeit zu benetzen. Anschließend spreizte er mit der linken Hand die Beine seines Gegenübers, während er mit der rechten seinen Penis zu dessen Eingang führte. Crocodile blickte Doflamingo unverwandt in die Augen, als dieser langsam in ihn eindrang. Es überraschte ihn jedes Mal aufs Neue, über welch unfassbar dickes und großes Glied sein Verlobter verfügte. Da sein Eingang gut gedehnt und sehr glitschrig war, spürte Crocodile zwar keinen Schmerz, doch er hatte das Gefühl, restlos ausgefüllt zu werden. „Geht's?“, hörte er Doflamingo mit besorgt klingender Stimme fragen. Crocodile nickte. Er würde lügen, wenn er behauptete, dass er dieses Gefühl nicht liebte. Auch wenn Crocodile in der Öffentlichkeit häufig einen eher autoritären Eindruck erweckte, war er beim Sex sehr devot veranlagt: Er genoss es, dominiert zu werden. Als Doflamingo sich langsam in ihm zu bewegen begann, konnte er gar nicht anders, als den Kopf in den Nacken zu legen und laut aufzustöhnen. Sein Verlobter interpretierte diese Reaktion als Erlaubnis, die Geschwindigkeit seiner Stöße erhöhen zu dürfen. Für eine Weile war nichts Anderes zu hören als das laute Stöhnen zweier Stimmen und das klatschende Geräusch, das entstand, wenn Fleisch immer wieder aufeinanderstieß. Crocodile schwebte im siebten Himmel: Doflamingo drang mit seinem mächtigen Organ hart und schnell in ihn ein; bei fast jedem Stoß berührte er seine Prostata. Seine Haut schien zu brennen. Ihm war unfassbar warm und er bekam kaum Luft, doch beides fühlte sich unwahrscheinlich gut an. Erst als Doflamingo zusätzlich noch nach seinem vernachlässigten Glied griff und es im selben Ryhthmus zu pumpen begann, gab Crocodile zum ersten Mal wieder ein paar artikulierte Laute von sich. „Nicht“, keuchte er mit halbherziger Stimme, „das halte ich nicht aus...! Doffy...“ Anstatt seinem Wunsch zu folgen, stieß sein Verlobter nur umso fester in ihn und versiegelte ihre Lippen miteinander. Als Crocodile Doflamingos Zunge in seinem Mund spürte, hielt er es nicht länger aus: Der Orgasmus breitete sich in seinem Körper aus wie heiße Wellen. Er ergoss sich zwei- oder dreimal auf die Brust und den Bauch seines Partners. Kaum einen Augenblick später spürte er, wie Doflamingo warm in seinen Mund hineinstöhnte und anschließend selbst zum Höhepunkt kam. * Weil das Wetter heute sehr angenehm war und weil Crocodile seinem Verlobten gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte, ließ er sich von diesem am Nachmittag zu einem ausgedehnten Stadtbummel überreden. Crocodile hätte es nicht über's Herz gebracht, Doflamingo zu enttäuschen; nicht nach dem Gespräch, welches er bei der Grillparty vor ein paar Tagen belauscht hatte. Er schließt sich ständig in sein Lesezimmer ein, hörte er Doflamingo in seinen Gedanken mit vorwurfsvoller Stimme sagen. Nur zum Essen und zum Schlafen verlässt er es, ansonsten bekomme ich ihn kaum noch zu Gesicht. Und wenn, dann spricht er wenig und ist ständig niedergeschlagen. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal ganz fröhlich und ungezwungen mit ihm unterhalten habe. Es tat Crocodile leid, dass sein Partner so sehr unter seiner Zurückgezogenheit und seiner schlechten Laune litt; mit dem gemeinsamen Stadtbummel wollte er Doflamingo beweisen, dass er sehr gerne Zeit mit ihm verbrachte und durchaus auch fröhlich sein konnte. „Dort drüben gibt es ein Cafe“, meinte Crocodile und deutete auf ein gemütliches Lokal, das sich in einer gepflasterten Seitenstraße befand. „Wollen wir einen Kaffee trinken und ein bisschen Pause machen?“ „Man merkt es immer wieder: Du hast wirklich keine Kondition, wenn es um Shopping geht“, erwiderte Doflamingo. Doch er grinste, während er sprach, und ergriff seine Hand, als sie sich auf den Weg hinüber zu dem kleinen Cafe machten. Crocodile hatte sich heute sehr viel Mühe gegeben, um seinen Verlobten zufriedenzustellen: Ohne zu jammern hatte er diesen in jedes Geschäft und jeden Laden begleitet. Zufrieden stellt er fest, dass sein Plan aufgegangen zu sein schien: Doflamingo war bester Laune. Doch Crocodile spürte auch, dass er allmählich sein Limit erreichte; und eine kleine Pause würde keinem von ihnen beiden schaden. Sie ließen sich an einem Tisch im Außenbereich des Cafes nieder; die Temperatur war sehr angenehm, auch wenn es inzwischen früher Abend geworden war. Als Crocodile einen kurzen Blick auf den Display seines Handys warf (seit er seine linke Hand verloren hatte, trug er keine Armbanduhren mehr), stellte er fest, dass es achtzehn Uhr zehn war. Sie waren seit mehr als zweieinhalb Stunden unterwegs. „Wir können gleich nach Hause fahren, wenn du so erschöpft bist“, warf Doflamingo ein; er hatte den Blick auf die Uhrzeit wohl mitbekommen Auch wenn Crocodile -um ehrlich zu sein- gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden gehabt hätte, schüttelte er den Kopf. „Es geht schon“, sagte er und griff nach der Getränkekarte. „Wir müssen uns noch nicht auf den Rückweg machen.“ „Sicher?“, hakte Doflamingo nach. Wie so häufig in letzter Zeit schwang Besorgnis in seiner Stimme mit. „Wenn du dich nicht wohlfühlst, ist das in Ordnung. Ich möchte nicht, dass du dich wegen mir zu irgendetwas zwingst.“ „Unsinn“, wandte Crocodile ein und ließ für einen Moment von der Karte ob, um seinen Verlobten ins Gesicht zu schauen. „Ich unternehme gerne etwas mit dir. Meine Füße brauchen bloß eine kleine Pause.“ „Okay“, erwiderte Doflamingo, der seinen Worten zum Glück Glauben zu schenken schien. Als die Kellnerin an ihren Tisch kam, bestellte sein Partner eine große Tasse Kaffee, ein Stück Schokoladen-Torte und eine Waffel mit Vanilleeis und heißen Kirschen; Crocodile nahm wie immer bloß ein Glas stilles Mineralwasser. „Hast du gar keinen Appetit?“, fragte sein Gegenüber ihn verwundert, als die junge Kellnerin wieder verschwunden war. „Immerhin habe ich dich gut zwei Stunden lang mit mir durch die Stadt gezerrt. Also, ich könnte ein Pferd verdrücken.“ „Doch, schon“, gab Crocodile zu, „aber hier gibt es bloß süße Sachen. Kuchen, Waffeln, Eis und so weiter.“ „Hast du keine Lust auf was Süßes?“, hakte Doflamingo nach. „Du bist so ein Trottel, Doffy“, erwiderte Crocodile und schüttelte leise lachend den Kopf. „Du hast schon wieder vergessen, dass mein Magen keine Süßigkeiten verträgt.“ „Verdammt, du hast Recht.“ Sein Verlobter biss sich selbst auf die Unterlippe und fuhr sich schuldbewusst mit der Hand durch sein kurzes, blondes Haar. „Sorry. Ich vergesse es wirklich immer wieder; vermutlich weil ich es mir überhaupt nicht vorstellen kann, ein Leben ganz ohne Kuchen zu führen.“ Crocodile zuckte mit den Schultern. Ähnliche Aussagen hörte er schon sein halbes Leben lang. „Man gewöhnt sich dran“, meinte er mit gelassener Stimme. Er war nicht neidisch auf seinen Partner, weil dieser Lebensmittel zu sich nehmen durfte, auf die er verzichten musste; er kannte es nicht anders und hatte sich längst schon an diesen Umstand gewöhnt. Doflamingo schob sich gerade ein Stück Waffel in den Mund, als er die Stirn in Falten legte und das Kin auf die Hand aufstützte. „Was hast du?“, fragte Crocodile nach. „Schmeckt dir die Waffel nicht?“ „Die Waffel ist gut“, erwiderte Doflamingo mit ehrlicher Stimme, nachdem er das Stück hinuntergeschluckt hatte. „Es ist etwas Anderes, worüber ich mir Gedanken mache.“ „Was meinst du?“, wollte Crocodile wissen und zog eine Augenbraue hoch. „Also, du darfst ja keinen Kuchen essen“, meinte sein Verlobter, „und deswegen frage ich mich, wie wir dieses Problem bei unserer Hochzeit lösen werden: Normalerweise gibt es ja eine Hochzeitstorte, die vom Paar angeschnitten wird.“ „Ähm“, sagte Crocodile relativ unbeholfen. Über dieses Thema hatte er sich noch nie zuvor Gedanken gemacht. „Nun ja, dann esse ich eben nicht von der Torte. Mir macht das nichts aus; ich bin es ja gewohnt.“ „Nein, nein“, gab Doflamingo zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „So geht das nicht! Man kann doch nicht seine eigene Hochzeit feiern und dann nicht von der Hochzeitstorte essen. So etwas bringt Unglück!“ „Unglück?“, wiederholte Crocodile und konnte nicht verhindern, dass ein klein wenig Spott in seiner Stimme mitschwang. Er war alles andere als ein abergläubischer Mensch und hielt auch von alten Traditionen nicht sonderlich viel. Allerdings hatte er bereits feststellen müssen, dass sein Verlobter in einigen Dingen deutlich altmodischer war als er zuerst angenommen hatte. „Ja, Unglück!“, beteuerte Doflamingo und stopfte sich mit ernstem Gesichtsausdruck ein weiteres Stück Waffel in den Mund. „Es gibt eben bestimmte Hochzeitsbräuche, an die man sich halten muss. Diese Traditionen existieren bereits seit Jahrhunderten! Du weißt schon: Der Bräutigam darf die Braut vor der Trauung nicht sehen; wer den Brautstrauß fängt, der heiratet als nächstes; die Gäste werfen Reis, wenn das Paar aus der Kirche kommt...“ „Ich weiß ja nicht“, gab Crocodile zweifelnd zurück. In seinen Ohren klangen diese alten Bräuche nicht sonderlich verlockend. „Möchtest du denn wirklich eine traditionelle Hochzeit? Immerhin sind wir beide ja auch kein typisches Hochzeitspaar. Viele Bräuche und Traditionen werden sich doch gar nicht so leicht umsetzen lassen. Diese Sache mit dem Reis werfen zum Beispiel... Ich habe mal gehört, dass der Reis die Braut fruchtbar machen und ihr Kinder schenken soll. Bei zwei Männern allerdings verliert dieser Brauch völlig seinen Sinn. Dasgleiche gilt auch für den Brautstrauß oder, was weiß ich, dass die Schuhe der Braut in Münzen bezahlt werden müssen. In unserem Fall gibt es schließlich überhaupt keine Braut.“ „Naja, nicht so richtig“, lenkte Doflamingo ein. „Aber viele der Bräuche finde ich trotzdem schön! Und wir könnten ja einfach so tun als ob es bei uns eine Braut und einen Bräutigam gäbe. Zum Beispiel trägst du weiß und ich schwarz, außerdem...“ „Ich lasse mich nicht schon wieder auf diese Diskussion ein!“, unterbrach Crocodile seinen Verlobten, ehe dieser übermütig wurde. „Wir sind Männer und damit basta. Keiner von uns beiden ist die Braut. Und ganz abgesehen davon steht mir weiß überhaupt nicht.“ „So ganz richtig ist das aber nicht“, wandte Doflamingo grinsend ein. Er beugte sich ein Stück über den Tisch und flüsterte ihm zu: „Beim Sex bin immer ich oben.“ Auch wenn sein Partner so leise gesprochen hatte, dass niemand der anderen Gäste etwas mitbekommen haben konnte, spürte Crocodile sofort, wie sich Röte heiß und schnell auf seinen Wangen ausbreitete. „Donquixote Doflamingo!“, zischte er mit teils beschämter, teils verletzter Stimme. Worauf wollte sein Verlobter hinaus? Dass er kein echter Mann war, bloß weil er beim Sex den passiven Part bevorzugte? „So habe ich es nicht gemeint!“, lenkte Doflamingo rasch ein, als er bemerkte, dass sein Gegenüber sich angegriffen fühlte. „Es war bloß ein Scherz! Ich... sorry! Es tut mir leid. Ich habe es wirklich nicht so gemeint.“ Die ehrlich klingende Entschuldigung seines Verlobten besänftigte Crocodile ein wenig. Er senkte den Blick und erwiderte anschließend keck: „Und dass ich immer unten liege, ist wohl nicht bloß mein Verdienst. Du lässt mich ja nie nach oben!“ Doflamingo setzte zu einer Erwiderung an, verstummte allerdings, als die Kellnerin an ihren Tisch kam, um nachzufragen, ob alles zu ihrer Zufriedenheit wäre. „Ich hätte gern ein Glas Eistee“, meinte Crocodile und bemühte sich darum, so gelassen wie nur möglich zu klingen. „Um nochmal auf die Hochzeitsbräuche zurückzukommen“, meinte Doflamingo, als die Kellnerin wieder verschwunden war (vermutlich wollte er keinen Streit provozieren, dachte Crocodile sich). „Es ist ja auch möglich, einiges einfach ohne Geschlechtertrennung zu machen. Den Brautstrauß könnten wir zum Beispiel zusammen werfen. Und zum Altar können wir gemeinsam und Hand in Hand gehen. Wir passen die alten Bräuche und Traditionen einfach unserer Situation an. Was hältst du davon, Wani?“ „Das ist in Ordnung, denke ich“, gab Crocodile wahrheitsgemäß zurück. Mit diesem Kompromiss würde er sich anfreunden können. „Aber das Problem mit der Hochzeitstorte“, warf er ein, „haben wir damit immer noch nicht gelöst. So etwas Süßes kann ich einfach nicht essen. Wir müssten...“ Crocodile kam nicht dazu, seinen Satz zu Ende zu bringen. Das laute Kreischen einer Frau, die auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig an ihnen beiden vorbeilief, machte jede weitere Kommunikation unmöglich. Überrascht blickte Crocodile zu der vielleicht zwanzigjährigen Frau hinüber: Sie trug ein weißes, bauchfreies Top, hatte rosa gefärbtes Haar und ein goldenes Piercing in der rechten Wange. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und ihr Gesicht war knallrot angelaufen. Crocodile verstand überhaupt nicht, was los war. Die Frau war offensichtlich allein unterwegs; niemand hatte ihr irgendetwas getan. Hatte sie womöglich irgendeine Art von Anfall? Oder stand sie unter Drogeneinfluss? Sollte er einen Krankenwagen rufen? „Oh shit!“, hörte Crocodile seinen Partner leise flüstern. Irritiert blickte er zu Doflamingo hinüber, der einen alles andere als glücklichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. „Kennst du diese Frau?“, fragte er verwundert nach. Sein Verlobter nickte. „Ihr Name ist Jewelry Bonney“, erklärte er mit unheilschwangerer Stimme. „Sie ist meine Exfreundin.“ Bonney kam auf sie beide zugerannt; ihre Gesichtszüge waren vor Wut ganz verzerrt. „Du!“, brüllte sie mit lauter, zorniger Stimme. „Du! Du! Du, gottverdammtes Arschloch!“ Und ehe Crocodile irgendetwas dagegen unternehmen konnte, hatte Bonney längst mit ihrer rechten Hand ausgeholt und ihm ins Gesicht geschlagen. Auch wenn sie eine Frau war, besaß Bonney eine Menge Kraft. Seine Wange schmerzte fürchterlich und außerdem glaubte Crocodile, Blut in seiner Mundhöhle zu schmecken. „Bonney!“, konnte er seinen Verlobten entsetzt aufschreien hören. Doflamingo war sofort von seinem Stuhl aufgestanden und hatte nach den Armen der jungen Frau gegriffen, um diese von weiteren Schlägen abzuhalten. „Bonney, beruhige dich!“, befahl Doflamingo mit energisch klingender Stimme. „Bonney! Verdammt! Bonney!“ Die hysterische Exfreundin seines Partners wollte nicht auf dessen Worte hören. Mit aller Kraft versuchte sie sich aus Doflamingos festem Griff zu befreien; laut schreiend trat sie nach ihm und biss ihm einmal sogar in den Unterarm. Verunsichert strich Crocodile mit der rechten Hand über seine Wange. Es war weniger der Schmerz und eher der Schock, der ihn paralysiert hatte. Eben noch unterhielt er sich mit seinem Verlobten über ihre geplante Hochzeit, und einen Moment später tauchte diese Furie aus heiterem Himmel auf und schlug ihm ins Gesicht. Mit einer solchen Attacke hatte Crocodile beim besten Willen nicht rechnen können. Schließlich kannte er diese Jewelry Bonney ja nicht einmal. „Lass mich los!“, hörte er die junge Frau kreischen. „Doflamingo! Lass mich los! Ich kratze ihm die Augen aus! Lass mich los!“ Zum ersten Mal wurde Crocodile wirklich bewusst, wie kräftig sein Partner eigentlich war. Doflamingos muskulöser Körper war ein Produkt jahrelangen, regelmäßigen Trainings. Auch wenn es sich bei Bonney -wie Crocodile am eigenen Leib erfahren hatte- um eine sehr kräftige Frau handelte, gelang es ihm augenscheinlich ohne viel Mühe, sie in Zaum zu halten. Ganz gleich wie sehr sie sich auch anstrengte: Es blieb ihr unmöglich, sich aus Doflamingos schraubstockartigen Griff zu befreien. Inzwischen waren auch andere Leute auf die Situation aufmerksam geworden: Die Gäste, die an den umliegenden Tischen saßen, begannen hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln und mit den Fingern auf die Frau mit den rosa Haaren und dem rot angelaufenen Gesicht zu zeigen. Zwei männliche Kellner kamen aus dem Inneren des Cafes, um Doflamingo zu unterstützen. Im Gegensatz zu seinem Verlobten gelang es ihnen nur mit sehr viel Mühe, die immer noch völlig hysterische Bonney unter Kontrolle zu halten. Crocodile stand auf und spuckte ein wenig Blut aus. So ganz leuchtete ihm das Geschehene noch immer nicht ein. Wenn diese Bonney Doflamingos Exfreundin war, warum hatte sie dann nicht diesem ins Gesicht geschlagen? Schließlich kannte er selbst sie doch überhaupt gar nicht. Als Doflamingo sicher war, dass die beiden Kellner mit Bonney zurechtkamen (ein dritter Mitarbeiter telefonierte bereits mit der Polizei), kam er zu ihm hinüber. „Geht es dir gut?“, fragte er mit besorgt klingender Stimme und legte behutsam die Arme um seine Hüfte. Crocodile nickte; eigentlich mochte er es nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschten, doch er ließ die tröstende Berührung trotzdem zu. Er spürte, dass er noch immer ein klein wenig unter Schock stand. Es war ihm in seinem ganzen Leben noch nie zuvor passiert, dass eine wildfremde Person ohne jede Vorwarnung einfach auf ihn losging. „Sie hat ziemlich fest zugeschlagen“, sagte Doflamingo und warf einen genaueren Blick auf die Wange seines Partners. „Ich werde fragen, ob man im Cafe ein Kühlakku für dich hat. Wenn du Glück hast, wird die Schwellung nicht groß.“ Crocodile schüttelte den Kopf. „Lass uns einfach gehen“, sagte er. „Ich glaube, jetzt möchte ich doch nach Hause.“ „Wir müssen warten, bis die Polizei da ist“, wendete Doflamingo ein. „Damit wir Anzeige erstatten können.“ „Ich möchte keine Anzeige erstatten“, erwiderte Crocodile. „Ich möchte bloß nach Hause. Alle Leute starren uns an.“ „Sollen sie doch starren!“, brummte sein Verlobter. „Wir können Bonney nicht davonkommen lassen, Crocodile! Sie darf dir nicht einfach ins Gesicht schlagen! So geht das nicht! Sie gehört dafür bestraft!“ „Es ist mir egal, ob sie bestraft wird oder nicht“, meinte Crocodile. Diese Meinung vertrat er tatsächlich. Die Schwellung an seiner Wange würde nicht zurückgehen, der Schmerz würde nicht nachlassen, bloß weil man Bonney zu zehn Sozialstunden oder zur Zahlung von 500 Berry veruteilen würde. Er wollte einfach bloß nach Hause fahren und versuchen, dieses merkwürdige Ereignis aus seinem Gedächtnis zu streichen. „Sobald wir mit der Polizei gesprochen haben, machen wir uns auf den Weg nach Hause“, sagte Doflamingo. Ein Kellner reichte ihm ein Kühlakku, das in ein sauberes Geschirrtuch gewickelt worden war, und er drückte es vorsichtig gegen die geschwollene Wange seines Verlobten. „Was ist denn überhaupt mit dieser Frau los?“, wollte Crocodile wissen und nahm Doflamingo das Kühlakku ab. (Dass er in aller Öffentlichkeit von seinem Partner so sehr betüttelt wurde, ging ihm dann doch ein Stück zu weit.) „Du hast gesagt, dass sie deine Exfreundin ist, nicht wahr?“ Doflamingo nickte und warf einen unwilligen Blick hinüber zu Bonney, die den beiden Kellnern, die sie festhielten, schwer zu schaffen machte. „Ich war sechs Wochen lang mit ihr zusammen“, erklärte er schließlich. „Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich um die längste Beziehung, die ich jemals geführt hatte.“ „Ich verstehe, dass sie wütend auf dich ist, weil eure Beziehung in die Brüche gegangen ist“, sagte Crocodile, „aber warum zur Hölle hat sie denn dann nicht dich, sondern mich geschlagen? Ich meine... Ich kenne sie doch gar nicht! Bis gerade eben wusste ich nicht einmal, dass sie existiert. Warum ist sie auf mich losgegangen?“ „Na, das ist doch ganz logisch“, antwortete Doflamingo. „Sie ist eifersüchtig, weil du mein neuer Partner bist.“ „Aber woher wusste sie das denn überhaupt?“, wendete Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen ein. „Dass ich schwul bin, sieht man mir doch wohl beim besten Willen nicht an! Ich hätte genausogut auch bloß ein Bekannter oder ein Geschäftspartner von dir sein können.“ Crocodile konnte Doflamingo laut seufzen hören. Es kam sehr selten vor, dass sein Verlobter seufzte, und es bedeutete niemals etwas Gutes. „Doflamingo“, hakte er mit eindringlicher Stimme nach, „woher kennt mich diese verrückte Frau?!“ Doflamingo zögerte für einen Moment. Erst nachdem er einen intensiven Blick auf die geschwollene Wange seines Partners geworfen hatte, antwortete er schließlich mit unwilliger Stimme: „Ich habe sie für dich verlassen.“ „Was?!“ Crocodile konnte kaum glauben, was Doflamingo ihm da sagte. Dass dieser seinetwegen mit seiner damaligen Freundin Schluss gemacht hatte, hatte er gar nicht gewusst. Darüber hatte sein Verlobter niemals ein Sterbenswörtchen verlauten lassen. „Ich habe sie sowieso nicht geliebt!“, warf Doflamingo hastig ein. „Ich dachte, dass ich es tun würde, aber ich habe mich geirrt. Am Ende war sie für mich bloß ein Zeitvertreib, so wie all die Anderen auch.“ „Du dachtest, dass du sie lieben würdest, aber du hast dich geirrt?“, wiederholte Crocodile mit ungläubiger Stimme. Er wusste nicht, was er von den Worten seines Partners halten sollte. Natürlich war ihm von Anfang an klar gewesen, dass (bevor sie beide sich kennengelernt hatten) Doflamingo seine Beziehungen nie sonderlich ernst genommen hatte, doch trotzdem schockierte ihn diese völlig skrupellos klingende Aussage. „Damals habe ich noch nicht gewusst, was Liebe ist“, versuchte Doflamingo sein Handeln zu erklären. „Wir hatten viel Spaß zusammen und guten Sex miteinander. Ich dachte, das würde reichen. Ich dachte, das wäre Liebe und mehr würde da einfach nicht kommen. Aber ich habe mich geirrt. Bei den Gefühlen, die ich für Bonney empfunden habe, hat es sich nicht um Liebe gehandelt. Was Liebe wirklich ist, habe ich erst herausgefunden, als ich dich das erste Mal gesehen habe, Crocodile! Während ich mich bei dem Geschäftsessen mit dir unterhalten habe, ist mir klar geworden, dass meine Gefühle für Bonney nicht echt gewesen sind. Ich kann kaum in Worte fassen, was ich bei unserem ersten Treffen gefühlt habe, Crocodile! Du warst so unfassbar schön... Alles an dir... Dein Gesicht, deine Haare, deine Augen... Ich weiß noch ganz genau, dass mir ein warmer Schauer über den Rücken lief, als ich dir das erste Mal in die Augen geschaut habe. Es war sofort um mich geschehen; ich war wie verzaubert. Bei all den anderen Männern und Frauen, mit denen ich zusammen gewesen bin, ging es mir nur darum, sie zu besitzen. Respekt hatte ich für sie nicht übrig. Du bist der Erste, der mir Ehrfurcht eingeflößt hat. Mir ist sofort klar gewesen, dass es mir niemals gelingen würde, dich zu besitzen. Das wollte ich auch überhaupt gar nicht. Ganz im Gegenteil: In mir kam sofort der Wunsch auf, mein Leben mit dir zu teilen. Da habe ich erkannt, dass ich nicht Bonney, sondern dich liebe. Und auch wenn du meine Bitte um ein Date nach dem Geschäftsessen abgewiesen hast, habe ich mich sofort von Bonney getrennt. Ich wusste, dass meine Beziehung zu ihr so oder so keine Zukunft haben würde; nicht, nachdem ich dich kennengelernt hatte.“ Crocodile ließ das Kühlakku sinken und seufzte leise auf. Auch wenn es sich nicht unbedingt um die feine englische Art handelte, konnte er das Verhalten seines Verlobten nachvollziehen. Er selbst hätte es vermutlich auch nicht über's Herz gebracht, seinem Partner etwas vorzugaukeln, wenn er sich längst in eine andere Person verliebt gehabt hätte. Außerdem hatte Doflamingo seine damalige Freundin ja nicht direkt für ihn verlassen; zwischen ihrem allerersten Treffen und ihrem ersten Date hatte immerhin mehr als ein Monat gelegen. „Trotzdem hättest du mir davon erzählen können!“, meinte Crocodile mit vorwurfsvoller Stimme. „Warum hätte ich das denn tun sollen?“, wendete sein Partner schulterzuckend ein. „Ich habe nicht damit gerechnet, Bonney jemals wiederzusehen. Wir haben sofort den Kontakt zueinander abgebrochen. Und außerdem ist es nicht sonderlich höflich, seinem Partner irgendwelche Geschichten über seine Exbeziehungen zu erzählen.“ „Und was ist mit Enel?“ Crocodile fand, dass Doflamingo sich selbst widersprach. „Du hast mich sogar dazu gedrängt, dir von ihm zu erzählen!“ „Das war doch eine völlig andere Situation“, meinte sein Verlobter und verschränkte die Arme vor der Brust. „Während euer Beziehung hat er dich misshandelt, bei eurer Trennung hat er dir den Arm gebrochen und vor kurzem erst hat er dich vergiftet! Es war absolut notwendig, darüber zu sprechen. Bei Bonney jedoch handelt es sich um einen ganz anderen Fall.“ „Nun ja“, erwiderte Crocodile und presste sich erneut das Kühlakku gegen die Wange. „Diese Bonney scheint mir aber auch ziemlich gewalttätig zu sein. Und verrückt obendrein.“ „Es tut mir leid, dass sie dich geschlagen hat“, meinte Doflamingo mit mitleidiger Stimme, als er einen erneuten Blick auf die geschwollene Wange seines Verlobten warf. „Aber genau aus diesem Grund gehört sie bestraft! Ich kann verstehen, dass sie wütend und verletzt ist, aber das gibt ihr noch lange kein Recht dazu, dir ins Gesicht zu schlagen.“ „Ist ja gut“, erwiderte er. „Ich warte mit dir auf die Polizei, damit wir Anzeige erstatten können. Aber danach möchte ich nach Hause fahren. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber die Lust auf Shopping ist mir wirklich vergangen!“ „Nach dem Gespräch mit der Polizei müssen wir noch einen kurzen Zwischenstopp beim Arzt einlegen“, wendete Doflamingo ein. „Wir müssen uns die Wunde in deinem Gesicht attestieren lassen, damit wir vor Gericht nicht ohne handfesten Beweis dastehen.“ Crocodile seufzte erneut laut auf, doch sparte sich eine Erwiderung. Er wusste genau, dass es ihm nicht gelingen würde, Doflamingo von seinem Vorhaben abzubringen. Manchmal konnte sein Verlobter ein echter Sturkopf sein. Trotzdem kam Crocodile nicht umhin sich zu fragen, ob dieser Vorfall den ganzen Aufwand wirklich wert war. Anstatt zuerst mit der Polizei und anschließend mit einem Arzt zu sprechen, würde er sich lieber sofort auf den Weg nach Hause machen und die Zeit nutzen, um ein wenig fernzusehen oder ein gutes Buch zu lesen. bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)