Mein Prinz, sein Krieg und sieben Königreiche von dissendium ================================================================================ Kapitel 1: Ein Fremder auf der Königsstraße ------------------------------------------- Nun da es wieder kälter wurde, verwelkten die Blätter, die den Bäumen seitlich der Königsstraße im Jahr des falschen Frühlings gewachsen waren und fielen orangerot und golden zu Boden. Dort ritten zahllose Reisende über sie hinweg, ungeachtet ihrer Schönheit und der Botschaft von Hoffnung, die sie einst gebracht hatten. Sie endeten zerfetzt, zerdrückt oder an Hufen und Wagenrädern klebend. Jetzt waren sie nichts mehr als unerwünscht. Auch Robert Baratheon hatte anderes im Sinn als auf Blätter acht zu geben, die er unter den Hufen seines Pferdes zurückließ. Er war auf dem Weg nach King’s Landing und das zum ersten Mal in seinem Leben. Jung und stark wie er war, hatte er gerade erst seinen zwanzigsten Geburtstag gefeiert und war zum Lord über Storm’s End ernannt worden. Endlich stand er nicht mehr unter der Entscheidungsgewalt seines Vormunds Jon Arryn, der seinem größten Wunsch – nur einmal die Hauptstadt der sieben Königslande zu besuchen – bis jetzt immer Einhalt geboten hatte. Unendlich viele Legenden und Gerüchte hatte Robert über den irren König Aerys Tagaryen gehört und ihn doch niemals mit eigenen Augen gesehen. Dabei war er sein Großonkel. Er konnte gar nicht so unausstehlich sein wie Jon sagte, auf jeden Fall nicht so sehr, dass es Grund genug dafür wäre, Robert sein Leben lang aus King’s Landing fernzuhalten. Ihn, den Erben eines der einflussreichsten Häuser in ganz Westeros. Sein Bruder Stannis hatte selbstredend darauf gedrängt ihn begleiten zu dürfen, doch Robert hatte ihn abwimmeln können. Er hatte ihm einfach nur für die Zeit seiner Abwesenheit die Gewalt über Storm’s End überlassen müssen. Die Herrschsüchtigkeit seines Bruders kannte keine Grenzen. Dieses eine Mal ist das ein Glück, dachte Robert, denn er und Stannis standen sich nicht sonderlich nah. In Wahrheit war der jüngere Bruder in Roberts Augen die unausstehlichste Person, die er sich vorstellen konnte. Da hätte er sogar lieber seinen zweiten Bruder, Renly, als Begleitung gehabt und der war gerade einmal fünf Jahre alt. Trotzdem hatte er Stannis Rede und Antwort darüber stehen müssen, was er in der Stadt wollte, die sowohl sein Vormund als auch der verstorbene Vater so verteufelt hatten. Der gute Wein, das Essen und die Freudenhäuser hätten den abgestumpften Stannis wohl kaum überzeugen können, deshalb traf es sich, dass die Reise auf der Königsstraße von Storm’s End nach Winterfell genau durch King’s Landing führte. In Winterfell sollte Robert mit Lyanna Stark bekannt gemacht werden und es stand im Interesse aller Beteiligten, dass eine schnelle Verlobung folgte. Robert empfand diese Verbindung als große Ehre für sich und sein Haus, denn Lyanna war die einzige Tochter des Hauses Stark, das den gesamten Norden regierte. Zudem war sie die schönste Frau, deren Bildnis seine Augen jemals erblickt hatten. So würde er in Winterfell endlich seinen langjährigen Freund Eddard Stark, Lyannas Bruder, wiedersehen und sich einer unglaublichen Frau versprechen. Eddard und Robert waren gemeinsam Mündel von Jon Arryn auf der Eyre gewesen, wo sie den größten Teil ihrer Kindheit zusammen verbrachten. Eddard war ihm mehr ein Bruder als es seine Brüder des Blutes nach jemals sein könnten. Der Wunsch Winterfell schnell zu erreichen und der, so lange wie möglich die Freuden von King’s Landing zu genießen, kämpften in Roberts Brust gegeneinander an. Doch er schob diese unnötigen Gedanken beiseite und entschloss sich einfach den Moment zu leben, wie er es immer tat. So gab er seinem Pferd die Sporen und preschte voran. Er zügelte das Tempo erst wieder, als die Dächer von King’s Landing schon in Sichtweite waren. Ehrfürchtig sah er zum Red Keep hinauf. Er war noch majestätischer als Robert ihn sich in seinen wildesten Träumen ausgemalt hatte. Er verspürte Vorfreude und Lust in jedem einzelnen Knochen seines Körpers aufsteigen. Dieses Prickeln, das nur die Hauptstadt der sieben Königslande in einem Menschen verursachte, der Geschmack von Leidenschaft und Macht. „Hallo Fremder“, riss ihn die Stimme eines Mannes aus seinen Gedanken. Verwirrt wandte er sich zu dem um, der da geredet hatte. Es war eindeutig die Stimme eines Mannes gewesen, doch war sie so sanft und zart wie er es bisher nur in der Stimme der Frauen gehört hatte. Als er ihn sah, empfand er etwas, was er noch nie zuvor gespürt hatte. Es war wie ein Blitz, der in seinen Magen einschlug und die Lust, die er schon aufgrund der Stadt in seinen Knochen verspürt hatte, breitete sich in jede Partie seines Körpers aus, die zuvor noch unberührt geblieben war. Womöglich war der, der da vor ihm stand, ein Engel von den Sieben gesandt oder gar einer der Sieben in Person, aber unmöglich konnte er nur ein Mann sein. Solche Männer gab es nicht. Alles an ihm war wunderschön: Die lieblichen Gesichtszüge, das silberblonde Haar, das langsam im Wind wehte, der zierliche und dennoch muskulöse Körper der sich mit aller Leichtigkeit der Welt auf dem weißen Pferd hielt, das nur für ihn geschaffen schien. „Du kannst deinen Mund wieder schließen, Fremder. Ich bin der, den du zu sehen glaubst. Deine Augen trügen dich nicht“, sagte er. Seine Stimme klang wie pures Gold. Robert schloss schnell den Mund, es war ihm unangenehm, dass der göttliche Mann seine Bewunderung bemerkt hatte. Er wollte etwas zu seiner Entschuldigung sagen, doch sein Mund sprach entgegen seiner Wünsche: „Wer seid Ihr?“ Der Mann lächelte ein schiefes Lächeln. Dieses Lächeln war so süß und unwiderstehlich, dass Roberts Mund sich beinahe wieder geöffnet hätte. Doch er musste stark bleiben. „Darf ich Euch die gleiche Frage stellen, Fremder?“ Roberts Brust schwoll an. Er musste sich von seiner besten Seite zeigen, irgendetwas trieb ihn dazu, den fremden Mann beeindrucken zu wollen. „Ich bin Robert, erstgeborener Erbe des Hauses Baratheon, Lord über Storm’s End“ „Das ist ja hochinteressant.“ „Und Ihr?“ Der Reiter seufzte. „Ich würde mich jemanden nennen, der dann und wann am Hofe des Königs zugegen ist.“ Am Hof des Königs. Wie hatte Robert jemals daran zweifeln können, natürlich war das der Platz an den dieser Mann gehörte. „Was habt Ihr dort zu schaffen? Seid Ihr ein Ritter der Königsgarde?“ Das schien der einzig angemessene Rang für ein solches Bild an Eleganz und Anmut. „Seht Ihr einen weißen Mantel? Der einzige Dienst meinerseits, der dem König zur Freude gereicht, ist mein Harfenspiel.“ „Ich würde Euch gerne Spielen hören. Zufällig bin ich auch gerade auf dem Weg zum König“, Die Stelle in Roberts Magen, an der der Blitz eingeschlagen hatte, zog sich angesichts dieser Erwartung zusammen. „Ich bin mir sicher, Euer Gesang ist ebenfalls fabelhaft.“ „Das ließe sich sicherlich einrichten, Robert aus dem Hause Baratheon. Kommt, reitet ein Stück mit mir, der König erwartet mich bereits.“ Der mysteriöse Harfenspieler setzte wieder sein wunderbares schiefes Lächeln auf und gab seinem weißen Prachtross die Sporen. Roberts Hengst hatte Probleme mit ihm Schritt zu halten, obwohl er das beste Pferd aus dem Stall in Storm’s End war. Nach einem Stück verfielen die beiden wieder in den Trab. „Was führt Euch also nach King’s Landing, Robert?“ „Die Durchreise“, sagte Robert und zögerte. Eigentlich war seine baldige Verlobung mit Lyanna Stark noch ein Geheimnis. Jon Arryn hatte ihn vor seiner Abreise ausdrücklich dazu ermahnt keinesfalls in King’s Landing darüber zu sprechen, doch er war sich sicher, dass er diesem Mann vertrauen könnte. Wer solch eine Ausstrahlung hatte, wer solch wundervolle Worte sprach und dazu auch noch ein famoser Sänger und Harfenspieler am Hof des Königs sein sollte, dem musste Robert einfach vertrauen. Wie es Robert auch drehte und wendete, es gab keinen Anlass es ihm zu verschweigen. „Durchreise? Wohin?“ Seine lockere und ehrliche Art bestätigte Roberts Entschluss. „Nach Winterfell. Es ist noch vertraulich, doch ich werde dort mit Lyanna Stark verlobt werden.“ „Lyanna Stark. Das ist ja hochinteressant“ Sein schiefes Lächeln wurde nun zu einem ausgewachsenen Grinsen. „Wieso sagt Ihr das?“ Robert war verwirrt. „Der Hirsch und der Schattenwolf. Der Schattenwolf und die Forelle. Und der Adler.“ Robert wusste nicht, was er mit dieser Aussage anfangen sollte. Natürlich kannte er alle großen Häuser von Westeros und deren Wappentiere, doch mit den Beziehungen untereinander kannte er sich wenig aus. Der irre König regierte und die Häuser, von denen Robert selbst nun eines repräsentierte, beeinflussten ihn dabei. Mehr wusste er nicht. Er hätte Jon Arryn einfach besser zuhören sollen, als der ihn und Ned in diesen Dingen unterrichtet hatte. „Ist der König wirklich verrückt?“, fragte er den Fremden nun geradeheraus. Schließlich würde Robert ihm bald gegenüberstehen und zu dem anderen Thema war es ihm doch nicht möglich etwas beizutragen. Das Grinsen auf dem Gesicht seines Begleiters wurde nur noch breiter. Robert konnte es sich nicht erklären. „Verrücktheit liegt im Auge des Betrachters. Ich habe Leute sagen hören, Jon Arryn sei verrückt, doch wie ich höre, werden im Norden große Stücke auf ihn gehalten.“ „Jon Arryn ist ein großartiger Mann“, verteidigte Robert seinen Vormund. „Ich vergaß, ihr ward sein Mündel. Verzeiht meine fehlende Umsicht.“ Robert verzieh ihm alles, schließlich konnte einem jeden ein solcher Fehler unterlaufen. Er hatte ihm nicht einmal gesagt, dass er das Mündel des kinderlosen Lords gewesen war. „Ich höre, Lyanna Stark sei ein ziemlicher Wildfang. Könnte Euch das hindern, sie zu Eurer Frau zu nehmen oder haben mich die Worte getrogen?“ Das machte Robert stutzig. Soviel er von Lyannas Schönheit gehört hatte, hatte er noch keinen Gedanken daran verschwendet, wie ihr Wesen sein mochte. Hörig und treu hatte er vermutet, wie es sich für eine Lady von ihrem Stand gehörte. „Ich muss gestehen, mir blieb es bis jetzt vergönnt ihr Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Doch bin ich sehr gut mit ihrem Bruder bekannt und der berichtete mir nichts dergleichen.“ Das schiefe Lächeln kam wieder zum Vorschein. „Brandon, also?“ „Nein, Eddard, er war ebenfalls ein Mündel Arryns“ „Ich verstehe.“ Der Mann schien in seine eigenen unerschließbaren Gedanken versunken. „Und Ihr denkt, dass Ihr sie lieben werdet?“ „Ich liebe sie bereits, zumindest glaube ich das. Ihr Abbild ist wunderschön und erregt große Gefühle der Zuneigung in mir“ Sein Gegenüber stieß etwas wie ein glucksendes Schnauben aus. „Wartet es ab.“ „Habt Ihr denn eine Dame in Eurem Herzen?“ Seine Reaktion hatte es bereits verraten. So resigniert und wissend wie sein Glucksen klang. „Ich wurde bereits vermählt“, sagte er ohne jegliche Gefühlsregung. „Dann wisst Ihr, wovon Ihr sprecht.“ „Allerdings. Sie ist eine Dornische.“ Nun war es an Robert zu lachen. „Sollte sie so zu Kopf steigen wie der dornische Wein, gratuliere ich Euch!“ „Sie bringt mich dazu Dinge zu tun, die ich ohne ihr Zutun als falsch empfände. Zumindest das hat sie mit dem Wein gemein.“ Die beiden lachten und hörten damit nicht auf, bis sie das Königstor passiert hatten. Robert wunderte sich kaum darüber, dass die postierten Wachen sich vor ihnen verneigten, schließlich war er der Lord von Storm’s End und somit in allen sieben Königslanden sehr geachtet. „Ich muss Euch leider hier schon verlassen“, sagte sein Begleiter, als sie eine Straßenkreuzung erreichten. „Ich vermute, Ihr findet allein in Euer Quartier.“ „Sicherlich“, sagte Robert und hob die Hand zum Gruß. „Ich hoffe, Euch noch einmal zu sehen, Robert aus dem Hause Baratheon. Wenn Ihr meinem Harfenspiel zu lauschen gedenkt, versteht sich.“ Und mit diesen Worten zügelte er sein Pferd und ritt die Straße in Richtung Red Keep hinauf. Das Gespräch mit dem Mann ging Robert auch dann nicht aus dem Kopf, als er bereits in seinem Quartier oberhalb der Gildenhalle der Alchemisten angekommen war. Er hätte den Fremden nach dessen Namen fragen sollen, doch dafür war es nun zu spät. Der Wunsch seinem Harfenspiel zu lauschen oder auch nur noch einmal in den überfüllten Straßen der Hauptstadt einen Blick auf ihn zu werfen, beherrschte Robert immer noch, als er Papier und Feder hervorholte um einen Brief an seinen Freund Ned zu schreiben, der seine baldige Ankunft in Winterfell ankündigte. „Lieber Ned, ich hoffe du bist wohlauf und in Winterfell ist alles im Recht. Ich habe King’s Landing heute nach einem Tagesritt erreicht und hoffe in wenigen Tagen in Richtung Norden aufbrechen zu können. Ich bin voller Erwartung dich sehen und auch endlich deine Schwester Lyanna – “ Er wusste nicht, was er noch schreiben sollte. Das erschütterte ihn, denn für gewöhnlich hatte er Eddard Stark so viel zu erzählen, dass seine Briefe gar nicht mehr enden wollten. Doch heute schweiften seine Gedanken immer wieder ab - zu dem wunderschönen Mann, den er auf der Straße getroffen hatte. „Ned - auf dem Weg in die Stadt, habe ich etwas Merkwürdiges gehört. „Der Hirsch und der Schattenwolf. Der Schattenwolf und die Forelle. Und der Adler.“ – Kannst du mir erklären, was das zu bedeuten hat? Du hast doch Jon immer viel besser zugehört als ich es jemals können werde. – “ Robert war sich unsicher, ob er das wirklich schreiben sollte. Zum einen würde Ned, wenn er das las, wissen, dass Robert die Sache mit der Verlobung ausgeplaudert hatte, zum anderen wollte er aus irgendeinem Grund, dass sein Gespräch mit dem Fremden ein Geheimnis blieb. Sogar Ned davon zu erzählen, erschien ihm eine außerordentliche Verletzung der Intimsphäre zwischen ihm und dem blonden Harfenspieler. Er zerknüllte den unfertigen Brief und warf ihn fort. Briefe waren ohnehin überbewertet, Ned würde schon merken, wenn er in Winterfell ankäme. Und er, Robert, würde sich besser schlafen legen, wenn er am nächsten Tag dem irren König Aerys Targaryen gegenübertreten wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)