April. Children can be cruel! von Dankness-is-all (Die April-Zwillinge) ================================================================================ Kapitel 5: Grausamkeiten ------------------------ Sie rannten die Treppe hinunter, rissen die Haustür auf und überquerten den Hof. Ihre Fahrräder standen nicht weit entfernt vom Tor, also brauchten sie keine Minute um sie zu erreichen, doch gerade, als sie sie auf die Straße schieben wollten, wurden beide von starken Händen gepackt. Peter war ihnen hinterher gerannt, genau wie die anderen, doch da er der schnellste war, erreichte er sie logischerweise auch als Erster. „Was denkt ihr denn was ihr jetzt vorhabt?“, rief er erschrocken und nun kamen auch die anderen bei ihnen an, mehr oder weniger aus der Puste. „Zurück! Wir werden uns entschuldigen, Vater wird ihr nichts tun, so lange wir wieder zu Hause sind.“, schluchzte Melodie, während sich ihr Bruder versuchte loszureißen, allerdings ohne Erfolg. „Damit er dich wieder schlägt oder was?“, fragte Justus aufgebracht und Chris ließ verzweifelt das Fahrrad zu Boden fallen, wo es scheppernd liegen blieb. „Was soll ich denn machen verdammt?“, schrie er wütend und Mel neben ihm zuckte zusammen. Sie hatte ihren Bruder noch nie so die Beherrschung verlieren sehen, sogar wenn ihr Vater mit ihnen schimpfte war er immer der, der seine ruhige Maske über dem Gesicht bewahrte, während sie daran zerbrach. Nie hätte sie gedacht, dass die Situation so eskalieren konnte. „Zur Polizei gehen! Die wird euch helfen! Wir kennen da einen, der macht das bestimmt und ihr werdet sehen, alles kann sich ändern.“, den letzten Satz sagte Justus ruhig, nicht so aufgebracht wie die davor und die Zwillinge wurden still. Natürlich war dies eine Option, die beste sogar, doch das bedeutete, dass sie mit Jemandem über die Ereignisse der letzten Jahre sprechen mussten und das gefiel ihnen gar nicht. Was war schon schlimm genug, dass die drei Detektive und Justus verwandten davon wussten, doch sie wollten nicht mit einem völlig Fremden reden. Naja, welche andere Option hatten sie, es gab keinen anderen Ausweg, zumindest keinen, der sie wirklich rettete. Doch was würde der Preis sein? Sams Tod? Wenn überhaupt, dann war sie bereits gestorben, daran würde dann auch der Besuch bei der Polizei nichts mehr ändern und wenn nicht, konnte sie so gerettet werden. Das vielleicht der erste Fall, Sams Tod bereits eingetreten war, ließ Mel all ihren Mut verlieren und sie begann hemmungslos zu weinen. Chris nahm sie in den Arm, seine Wut war verschwunden, mit ihr auch die Verzweiflung. Am liebsten wäre Peter nun auf seine neue Freundin zugegangen, doch er wollte sie nicht von ihrem Bruder wegreißen und er bezweifelte, dass er sie besser trösten könnte. Chris atmete einmal tief durch, dann nickte er Justus zu. „Ok.“ Dieser lächelte und rannte zurück ins Haus um bei der Polizei anzurufen, während Tante Mathilda die Zwillinge in die Küche brachte und ihnen heiße Schokolade machte. „Justus, wusste ich es doch, dass ich dich in dieser Woche noch einmal spreche, was gibt es?“, ertönte Kommissar Reynolds Stimme am anderen Ende der Leitung. „Guten Abend Herr Kommissar. Dieses Mal ist es leider weniger erfreulich.“, begrüßte Justus ihn, dann erzählte er die ganze Geschichte, oder zumindest dass, was er wusste so schnell es ging und wartete am Ende auf eine Reaktion. „Ok, ich schicke sofort ein paar Leute zu diesem April und komme jetzt persönlich zu euch. Ich würde gerne mit den beiden Kindern sprechen, wenn das geht.“ Justus stimmte zu, verabschiedete sich und legte auf, dann ging er zurück in die Küche. Melodie hatte sich inzwischen wieder beruhigt und trank ihre Schokolade schweigend, während Chris vor sich hin starrte und die seine kalt werden ließ. „Also, ich habe mit Kommissar Reynolds telefoniert, er schickt einige seiner Leute zu eurem Vater und kommt jetzt persönlich hier her. Er hatte gefragt, ob er mit euch reden könne und ich sagte, dass sei in Ordnung.“ Die Zwillinge nickten Stumm und sie verbrachten die Zeit, bis es endlich an der Tür klingelte schweigend. Bob machte auf und begleitete den Mann in die Küche, wo dieser seinen Hut abnahm und freundlich in die Runde lächelte. „Kommissar Reynolds.“, begrüßte ihn Justus freudig und gab ihm, genau wie die anderen die Hand. „Darf ich vorstellen, Chris und Melodie April.“ Die Zwillinge nickten, wirkten etwas angespannt und atmeten dann einmal durch, als sich der Polizist zu ihnen an den Tisch setzte. Er räusperte sich und verschränkte die Hände auf der Tischfläche miteinander. „Justus hat mir da eine ziemlich üble Geschichte erzählt. Ich würde gerne eure Version hören, wenn das in Ordnung ist.“, begann er und ohne Aufforderung entfernten sich Onkel Titus und Tante Mathilda, die Fragezeichen setzten sich still daneben. Nach kurzem Schweigen nickte Melodie. „Ich fang am besten ganz vorne an.“, murmelte sie und begann dann etwas sicherer zu erzählen. „Also, wir waren kaum ein Jahr alt, da haben unsere Eltern uns zur Adoption frei gegeben. Wir kamen in ein Waisenhaus, das war damals noch in Texas. Niemand konnte uns da leiden, wir waren im Grunde die Außenseiter von den Außenseitern. Irgendwann, wir waren sieben oder acht glaube ich, kamen dann Herr und Frau April, beide noch sehr jung, aber leider unfähig eigene Kinder zu zeugen. Sie adoptierten uns. Anfangs dachten wir natürlich, jetzt würden wir das Leben in einer richtigen Familie kennen lernen, aber das war nur die ersten Wochen so.“ Sie machte eine Pause und setzte dann ihren Bericht fort. Reynolds und die anderen Kinder hörten aufmerksam zu. „Wir waren damals die besten der Klasse und auch so nicht unbedingt dumm. Vor allem Chris war den anderen immer weit voraus. Er hat im Internet über die Aprils recherchiert und so manchen Skandal aufgedeckt. Bei einem Streit mit unserem Vater warf er ihm dann all diese an den Kopf. Vater wurde wütend und auch Mutter war sich nicht sicher, wie sie mit der Situation umzugehen hatte, da es für gewöhnlich nicht vorkam, dass ein achtjähriges Kind mehr über die geheimen Machenschaften einer Firma wusste, als so manch anderer. Damals begannen auch die Schläge. Es hieß erst einen für jede Lüge, doch sie wurden immer öfter und grundloser.“ Eine Träne rollte über die Wange und Chris übernahm. „Er fragte mich nach einem Jahr noch einmal, ob ich irgendetwas über seine Firma zu sagen hätte, scheinbar wollte er mir die Erinnerungen mit Schlägen austreiben, allerdings vergesse ich nie etwas, was ich einmal gelesen hatte und so wurde das unmöglich. Anfangs schlug er auch Mel für falsche Dinge, wie Wiederworte, oder wenn wir etwas fallen ließen oder zu laut waren. Dann irgendwann ließ er sie in Ruhe, da sie älter wurde und er sagte, das Gesicht einer jungen Dame dürfe man nicht beschmutzen. Ich war ihm im Grunde egal, zumindest hasste er mich von da an noch mehr. Keine Ahnung warum. Als wir Mel sich dann vor zwei Jahren verletzte und ich krank wurde, entschieden sie sich dazu, uns zu Hause zu unterrichten, dort würden wir auch nicht zur Polizei gehen können oder so. Jetzt wo wir wieder raus dürfen überwachen sie jeden unserer Schritte. Achten darauf, dass wir auch ja nichts Falsches machen und am Ende des Tages wird alles dann Vater gemeldet.“ Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse und Mel sprach weiter. „Der Typ, der uns hier vor dem Gelände abgefangen hat, war einer von denen, die er beschäftigt. Er sollte uns wohl zurückholen, zumindest stand er genau hier. Vielleicht hatte er aber auch die Aufgabe euch drei zu überwachen, er könnte es sich schließlich nicht leisten wenn ihr etwas ausplaudert oder zu tief in die Sache hineinrutscht.“ „Und wer ist jetzt diese Sam, von der ihr spracht?“, fragte Justus, nachdem er sich sicher war, dass die beiden nichts mehr zu sagen hatten. Er verdaute die Worte der Zwillinge erst einmal und in seinem Kopf ratterte es schon seit Beginn der Geschichte. Wie konnte ein Vater so etwas seinen Kindern antun, auch wenn es nicht die eigenen waren. „Wir wissen nicht, wer Sam ist und auch nicht, woher sie kommt, noch wo sie ist. Vater brachte sie einmal in unser Zimmer, nachdem wir wieder einmal einen besonders heftigen Streit hatten. Er sagte sie sei genau wie wir und uns würde es, wenn wir nicht artig waren genauso ergehen. Sie war noch ziemlich klein, dünn und blass. Danach wurde sie wieder weggesperrt und immer wenn er mit Schlägen nicht weiter kam sagte er, sie würde leiden, sie würde irgendwann wegen uns sterben. Wir hatten Angst ihr könne etwas geschehen und so versuchten wir uns so gut wie möglich zu fügen.“, erklärte Mel mit Tränen in den Augen und dann schwiegen wieder alle. Nach fast fünf Minuten Stille sprang Reynolds auf, schlug die Faust in die Handfläche und nickte grimmig. „Ok, ich habe genug gehört um dieses Schwein einzubuchten!“, mit diesem Ausruf verabschiedete er sich schnell und verließ eilig das Haus. Daraufhin kehrte wieder Stille ein. Hoffnungsvolle Stille. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)