April. Children can be cruel! von Dankness-is-all (Die April-Zwillinge) ================================================================================ Kapitel 4: Er wird sie umbringen -------------------------------- Es wurde später und später und irgendwann hielt sie es so alleine mit ihren Gedanken im Bett nicht mehr aus, schlug die Decke zurück, stand auf und verließ das Zimmer. Sie lief den Flur hinunter, bis sie an die Tür ihres Bruders kam, klopfte leise und trat dann ein, als keine Antwort von drinnen kam. Sie schlich auf das große Bett zu, ließ sich auf die Kante nieder und legte ihrem Bruder eine Hand auf die Schulter, wodurch dieser sofort erwachte. Sie hatten beide nie einen wirklich tiefen Schlaf gehabt, schon gar nicht nach den Schlägen und der Angst, dass ihr Vater jeden Moment das Zimmer betreten konnte und seiner Wut Luft machen würde. Melodie verschonte er meistens, da sie ein Mädchen war und höflich und den Mund hielt. Anders als Chris. Er wurde fast täglich geschlagen und es war ein Wunder, dass doch niemand aus ihrer Umgebung auf die blauen Flecken aufmerksam geworden war. Einmal hatte jemand nachgefragt, doch sie hatten einfach behauptet er hätte Stress mit ein paar Jugendlichen gehabt. Jetzt jedoch reichte es ihr. Sie konnte diese Lügen nicht mehr ertragen und wollte nur noch hier weg. Chris sah sie verschlafen und auch ein wenig ängstlich an, bis er sie erkannte und sein Blick sofort ruhiger und fragend wurde. „Was gibt es Mel?“ Er setzte sich auf und verzog kurz das Gesicht. Melodie schluckte und sah ihrem Bruder fest in die Augen. „Ich will hier weg. Jetzt.“ Das letzte Wort betonte sie extra um ihren Wunsch deutlicher zu machen und ein Lächeln huschte über das Gesicht ihres Bruders, dann nickte er. „Was haben wir schon zu verlieren? Wir könnten zu Justus, Bob und Peter. Sie werden wahrscheinlich überwacht, aber das ist mir so was von schnuppe. Sie könnten die Polizei informieren.“ Mel schüttelte den Kopf. „Keine Polizei! Vater wird Sam töten. Das weißt du.“ Der Name Sam war im Hause der Aprils verboten, doch wenn die Zwillinge unter sich waren, sprach sie oft über das Mädchen, welches irgendwo hier im Haus lebte und nie das Sonnenlicht erblickte. Niemand wusste genau, wer Sam eigentlich war, doch als die Geschwister noch klein gewesen waren hatten sie sie einmal gesehen. Und danach wurde sie regelrecht als Druckmittel benutzt. Wieder nickte Chris, schlug dann die Decke zurück um aufzustehen. „Hol deine Sachen, wir hauen durch das Badezimmerfenster ab.“ Mel nickte, stand auf und ging zurück zur Tür, blieb jedoch noch einmal stehen und sah sich noch einmal um. „Wir erzählen aber nichts von den wahren Umständen. Wir sagen einfach, wir hätten Streit mit unseren Eltern gehabt und müssten da einfach weg und du hast dich mit ein paar Studenten geprügelt. Bitte, ja?“ Wiederwillig nickte ihr Bruder und schlurfte zum Kleiderschrank, während seine Schwester das Zimmer verließ und in ihr eigenes zurück schlich. Sie packte so schnell und so leise wie sie nur konnte die wichtigsten Dinge zusammen, zog sich warme Kleider an und traf sich fünf Minuten später mit Chris auf dem Flur. Er hatte ebenfalls einen Rucksack auf dem Rücken und öffnete die Badezimmertür. Sie traten gemeinsam ein, Mel öffnete das Fenster und kletterte hinaus auf die Mülltonnen und von dort aus auf den Boden. Chris folgte ihr nur Sekunden später, hielt sich jedoch ein wenig verkrampft die Seite, auch brauchte er ein wenig länger, bis er endlich neben ihr stand und sie gemeinsam das Grundstück verlassen konnten. Wenn es doch so einfach war, warum hatten sie dies hier nicht schon viel früher gemacht? Weil wir vorher niemand hatten, zu dem wir gehen konnten. Mel biss sich auf die Lippe, schluckte kurz und lächelte dann, während sie, mit ihrem Bruder neben sich, auf dem Fahrrad durch das nächtliche Rocky Beach fuhr. ** Die drei Fragezeichen waren zwar erst vor kurzem in den Schlaf gefallen, dafür jeder von ihnen in einen sehr tiefen und es würde einiges brauchen um sie daraus wieder zurück in die Realität zu holen. In den letzten Wochen hatten sie zwei Fälle bearbeitet, die nicht immer mit viel Schlaf verbunden gewesen waren. Ganz im Gegenteil. Den Letzten der beiden hatten sie erst vor drei Tagen hinter sich gebracht und alle drei waren unendlich erschöpft danach gewesen. Justus hatte mal wieder sein ganzes Wissen gebraucht, Peter war fast zehn Minuten durch Rocky Beach gehetzt um nicht von einem schwarzen Van überfahren zu werden und Bob hatten die Typen in einer Seitengasse niedergeschlagen, was glücklicherweise ohne weitere Schäden geblieben war. Der Fall saß ihnen noch ein wenig in den Knochen, was verständlich war und das die Vorfälle ihre Träume beherrschten war auch kein Wunder. Genaugenommen war dies hier die erste Nacht seit Tagen, in der sie wieder Albtraumlos schlafen konnten und genau in dieser wundervollen Nacht wurden sie von einem lauten Schrei geweckt. Sofort waren alle drei in Alarmbereitschaft, sprangen auf und stürzten zum Fenster. Sie hatten mit so einigem gerechnet, aber hiermit nicht. Ein Mann im dunklen Mantel hielt ein Mädchen am Oberarm fest und drückte sich eng an sich. Ein Fahrrad war zu Boden gefallen und ein zweites folgte, als ein Junge bremste, das seine hinwarf und auf den Mann zu rannte. Es schien als würde er ihn treten, schlagen und ihn anschreien, er solle das Mädchen loslassen und langsam wurde es dem Mann zu bunt, denn er packte den Jungen am Kragen und stieß ihn von sich, so dass dieser hart auf dem Boden landete. Peter war der Erste, der sich aus seiner Schockstarrte löste, dann folgten auch Bob und Justus. Sie rannten die Treppe runter, aus der Haustür und auf die Straße. Als der Mann sie erblickte fluchte er kurz, dann stieß er das Mädchen gegen die Hauswand und rannte die Straße hinunter, bis er nicht mehr zu sehen war. Der Junge rappelte sich auf und rannte zu dem Mädchen. „Mel! Geht es dir gut?“ Die drei Fragezeichen blieben stehen und rissen die Augen auf. Das hier waren die April-Zwillinge. „Fuck.“, murmelte Peter und beschleunigte seine Schritte, als er sah, dass Melodie begonnen hatte zu weinen und sich an ihren Bruder klammerte. „Was macht ihr denn hier? Geht es euch gut?“, brach es aus Justus hervor, als er nah genug war und blieb stehen. Seine beiden Freunde traten noch etwas näher, dann hielt sich auch Bob zurück, nur Peter rannte weiter und legte Melodie sanft eine Hand auf die Schulter. „Melodie? Bist du in Ordnung?“ Sie sah auf, hatte Tränen in den Augen, lächelte aber. „Ja, alles klar.“ Peter atmete erleichtert aus und strich ihr sanft über die Wange, was zwar niemandem verborgen blieb, es sagte aber in dem Moment niemand etwas dagegen. „Alles klar?“, fragte Mel nach wenigen Sekunden des Schweigens ihren Bruder und der nickte nur stumm. Justus und Bob hatten in der Zwischenzeit die Fahrräder aufgesammelt und begannen sie in Richtung Haus zu schieben. „Kommt erst einmal rein. Da könnt ihr alles in Ruhe erzählen.“ Beide nickten und folgten den drei Fragezeichen ins Haus und schließlich die Treppe nach oben in Justus’ Zimmer. Weder Tante Mathilda, noch Onkel Titus hatten von den Ereignissen etwas mitbekommen und so blieben sie von nervigen Fragen verschont. Die Zwillinge ließen sich auf Justus’ Bett nieder und die Fragezeichen nahmen vor ihnen auf dem Boden Platz. „Also. Jetzt sagt mal was da gerade passiert ist und warum ihr überhaupt hier seid.“ Es entstand eine Pause, in der die Geschwister sich kurz ansahen und dann ein wenig herumdrucksten. „Also, wir hatten einen Streit mit unseren Eltern und mussten da einfach weg. Wir wussten nicht wohin, also wollten wir zu euch. Allerdings bin ich in der Dunkelheit in den Mann da draußen gefahren und der war allem Anschein nach betrunken, daher hat er auch so reagiert.“ Sie wurde zum Ende des Satzes immer leiser und außer Peter, der immer noch voller Sorge war, kaufte ihr niemand diese Lüge ab. Unbewusst rieb sich Chris die Schulter und verzog immer mal wieder das Gesicht, was Justus natürlich sofort stutzen ließ. „Hast du dich verletzt?“, fragte er vorsichtig und sofort schüttelte der Braunhaarige den Kopf, doch Mel neben ihm nickte nur. „Er ist an ein paar Studenten geraten. Ich glaube nicht, dass das ohne Verletzungen geendet hat.“ Sie warf ihrem Bruder einen bestimmten Blick zu und dieser murrte nur etwas, während er die Augen verdrehte. „Soll ich mir das mal ansehen?“, fragte Justus nach und Chris zuckte nur mit den Schultern, was seinem verzerrten Gesicht danach zu urteilen, keine gute Idee gewesen war. Melodie erhob sich ruckartig und sah in die Runde. „Kann ich vielleicht etwas zu trinken haben?“ Peter sprang auf und führte sie in die Küche. Sie wollte nicht sehen was der Mann, der sich ihr Vater nannte ihrem Bruder angetan hatte. Es reichte ihr schon zu vermuten. Justus und Bob blieben oben im Zimmer und der erste Detektiv sah sich erst einmal das blaue Auge und die aufgeplatzte Lippe an, dann forderte er Bob auf etwas zum Kühlen zu holen und wartete, bis dieser den Raum verlassen hatte. „Kannst du dein Oberteil ausziehen?“, bat er vorsichtig und wartete, Chris zögerte etwas, dann nickte er und streifte das T-Shirt ab. Es war zu warm um ein Unterhemd zu tragen, aber in diesem Moment wünschte er sich, er hätte es doch getan. Auch wenn Justus sich nur seine Schulter ansehen wollte, er sah viel mehr als das und das wollte er nicht. Die ganzen Blutergüsse, Schrammen Prellungen waren deutlich auf der gebräunten Haut zu sehen und Justus stockte in seinen Bewegungen. „Die sind aber nicht von heute.“, murmelte er dann leise und starrte noch immer auf den Jungen vor ihm, der bei den Worten noch kleiner geworden war. Bob trat wieder in den Raum, doch der Jonas nahm ihm schnell das Gelkissen aus der Hand und schob ihn durch die Tür wieder in den Flur. „Ich muss etwas mit Chris alleine besprechen.“ Erst sah es so aus, als wolle der dritte Detektiv etwas fragen, zuckte dann jedoch nur die Schultern und ging zurück in die Küche, wo Peter und Melodie sich leise unterhielten. Justus schloss die Türe wieder und kam zurück zum Bett, wo er das kühle Kissen dann dem Zwilling überreichte, welcher sich dieses an die Lippe legte. Der erste Detektiv ließ sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder und musterte seinen neuen Freund aufmerksam. Diesem wurde noch unwohler als noch vor wenigen Minuten und zog sich schließlich sein T-Shirt wieder über, als würde dies alles wieder aus dem Gedächtnis seines Gegenübers löschen. „Das ist nichts, was euch etwas angehen würde.“, murmelte er dann leise und sah auf seine Hand, die den Rand des Bettes umklammert hielt. Herr Gott, er kannte diese drei Jungen erst seit wenigen Stunden und sie wussten schon mehr als ihm lieb war und wesentlich mehr als ihnen guttat. Man wusste nie, zu was Mr. April fähig war. Justus atmete tief durch und sah ihn durchdringlich an. „Ich denke schon. Wir sind Detektive, also Bob, Peter und ich. Wir sind ziemlich erfolgreich und haben bis jetzt noch jeden Fall gelöst…“ „Verdammt! Das hier ist aber keiner eurer Fälle! Das ist persönlich!“ Chris war, ohne das er es wollte lauter geworden und den letzten Satz hatte er geschrien, so dass nun wahrscheinlich auch Justus’ Verwandten wach waren. Schnelle Schritte auf der Treppe wurden laut und Sekunden später stürmte Melodie, gefolgt von Peter und Bob in den Raum. Sie sah hektisch auf ihren Bruder, der wütend auf dem Bett saß und Justus anstarrte, der am Schreibtisch saß und ebenfalls erschrocken wirkte. „E-Entschuldigung.“, stotterte er dann. „Ich will doch nur helfen. Das sind keine Verletzungen, die man bei einer einzigen Straßenprügelei abbekommt. Das ist etwas…“ „Etwas persönliches, ganz genau!“, fiel Chris ihm laut ins Wort und niemanden der fünf Kinder wunderte es noch, als sie Mathilda und Titus vor der Tür erblickten, die stumm, aber verwirrt dem Streit folgten. Beschwichtigend hob Melodie die Hände und trat einen Schritt näher. „Eben wolltest du doch noch, dass sie es erfahren, sie können uns helfen, das hast du selbst gesagt.“ Sie sprach leise und beruhigend. „Jetzt habe ich es mir aber anders überlegt. Wir machen verdammt noch mal alles schlimmer. Der Typ von gerade wird ihm alles erzählen und dann tanzt hier eine ganze Armee an. Du weißt, dass er das macht, er geht über Leichen und ich will nicht, dass jemand stirbt.“ Er sprach immer noch sehr laut, jedoch jetzt nicht mehr wütend, sondern verzweifelt. „Wir können eine Aussage machen, Dad wird noch am selben Tag verhaftet und alles wird gut. Das hast du selber gesagt.“, erwiderte Mel ruhig und schlug sich im nächsten Moment die Hand vor den Mund. „Euer Vater war das?“, fragte Justus erschrocken und zeigte auf Chris, der aufgestanden war und seine Schwester mit einem schwer zu deutenden Blick ansah, welche Tränen in den Augen hatte. „Dein Vater hat dich so geschlagen?“, fragte er dann noch einmal etwas lauter und trat einen Schritt näher. „Ja verdammt.“, zischte Chris zurück und ließ sich dann zurück auf Bett fallen. „Tun mir leid.“, flüsterte Mel und senkte den Blick. „Wurdest du auch geschlagen?“ Peter war neben sie getreten und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Früher ja, jetzt nicht mehr.“, murmelte sie und starrte noch immer den Boden an. Gerade wollte sie noch etwas sagen, da trat Tante Mathilda näher und erhob die Stimme. „So wie ich das hier sehe, ist das eine ernste Sache und man sollte die Polizei einschalten. Ich kann sie jetzt gleich anrufen, dann hat das hier bald alles ein Ende.“ Chris sprang auf und Melodie wirbelte herum. „NEIN!“, schrien beide wie aus einem Munde. „Nein.“, wiederholte Mel ruhiger. „Nein, er wird sie umbringen und das können wir nicht zulassen.“ Die letzten Worte waren von Tränen erstickt worden. „Wen? Wen wird er umbringen?“ Justus trat hektisch einen Schritt näher. „Sam.“, murmelte Mel. „Ein Mädchen. Sie lebt mit uns in einem Haus. Wir haben sie nur einmal gesehen. Er wird sie töten, wenn er merkt, dass etwas nicht stimmt.“ Sie stockte und riss die Augen auf. Auch Chris wirkte erschrocken, fast schon panisch. „Wir haben ihn wütend gemacht.“, hauchte Mel. „Er wird sie umbringen.“, hauchte Chris und beide stürmten los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)