Eine beschwerliche Reise von Kawaii_Fruit (Kratos & Anna) ================================================================================ Kapitel 10: Palmacosta ---------------------- Als die ersten Sonnenstrahlen das mit Reif benetzte Gras berührten, hatte die ungewöhnliche Reisegruppe ihr Lager bereits verlassen. Eilig folgten sie dem Weg in Richtung Palmacosta. Anna hatte ihren Umhang fest um ihren hageren Körper geschlungen. Sie beschleunigte ihren Schritt mit einem Gedanken an Kratos‘ morgendliches Versprechen. „Wenn wir in Palmacosta sind, suchen wir uns ein Hotelzimmer, bevor du mir erfrierst.“, hatte er behauptet und sie nahm ihn beim Wort. Interessiert hatte sie über seine Schulter gelugt, während er seine Karte studierte. Palmacosta war ungefähr drei Tagesmärsche entfernt schätzte sie. Anna schauderte bei dem Gedanken weitere drei Tage in der Kälte zu verbringen, doch welche Wahl blieb ihr. Noch immer wurde sie von Alpträumen geplagt und die Gedanken an Luin verfolgten sie ständig. Doch in ihrer aktuellen Lage konnten sie keinem der Einwohner helfen. Traurig schob sie die Sorgen beiseite und versuchte sich abzulenken. Es war sinnlos sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Missmutig folgte sie ihrem Retter.   Die Tage vergingen. Mit Erstaunen, hatte Anna festgestellt, dass Kratos‘ Verletzungen wie durch ein Wunder verschwunden waren. Noch viel verblüffter allerdings hatte sie bemerkt, dass er scheinbar kaum schlief. Misstrauisch hatte sie ihn mit Fragen gelöchert, doch die Antworten blieben aus. Mittlerweile hatte sie sich beinahe an sein ungewöhnliches Verhalten gewöhnt. Er war mürrisch, seine stoische Ruhe wirkte beinahe unmenschlich und er hielt sich stets distanziert. Nur selten zeigte er ein Anzeichen von Verständnis oder gar Mitgefühl. Noch viel seltener aber erhaschte man einen Blick auf ein Lächeln. Unwillkürlich hatte sie zu grübeln begonnen. Hatte seine Vergangenheit seinen Charakter geprägt? Was musste einem Menschen wiederfahren sein, der sich dermaßen abschottete? Sie wagte es nicht, ihn nach seiner Vergangenheit zu fragen. Es erschien ihr unangemessen und aufdringlich. Eine Antwort würde sie ohnehin nicht erhalten.   Schon von Weitem erkannte man die Hafenstadt am Horizont. Wie ein zerklüftetes Gebirge ragte ihre dunkle Silhouette empor in den rötlichen Abendhimmel. Die Landschaft hatte sich sichtlich verändert. Die Hügel waren abgeflacht, die raue, salzige Meeresluft fegte über die Felder und die dichten Wälder reduzierten sich zu einzelnen Baumgrüppchen. Annas Herz machte einen Sprung, als eine Brise den sanften Klang von Musik an ihr Ohr trug. „Das Volksfest! Wir sind ja tatsächlich rechtzeitig!“, rief sie und verfiel in einen Laufschritt. „Anna!“, hörte sie Kratos protestieren, doch ihre Aufmerksamkeit galt der Musik.   Luftschnappend erreichte sie das Stadttor und ihre Augen begannen zu leuchten. Eine prachtvoll geschmückte Straße erstreckte sich vor ihr in das Innere der Stadt. Viele kleine Buden und Marktstände säumten den Straßenrand und die Luft war erfüllt von köstlichen Düften. Ohne zu zögern schritt sie durch das Tor. Ihr Blick sprang von einem Verkaufsstand zum nächsten. Alles wurde angeboten. Schmuck. Die verschiedensten Speisen. Kleidung. Stoffe. Es war überwältigend. Sie tauchte in die Menge und schlug die Richtung der Musik ein. Wie magisch angezogen folgte sie den rhythmischen Klängen. Erschrocken fuhr sie herum, als jemand sie bestimmt am Handgelenk packte und aus der Menge zerrte. Am Straßenrand kam sie zwischen zwei Ständen zum Stehen. Perplex blickte sie in Kratos‘ düsteres Gesicht. „Anna, wie um Himmels Willen soll ich dich hier wiederfinden, wenn du einfach losrennst?“, begann er. „Du bist doch kein kleines Kind!“ Beschämt senkte sie den Kopf. „Ich war noch nie auf so einem großen Volksfest.“, erwiderte sie und biss sich auf die Unterlippe. „Ich wollte sehen wie die Leute tanzen.“ Mit einem Seufzen ließ er ihr Handgelenk los. „Du wirst noch genug Zeit haben, dir das anzusehen, wenn wir ein Hotelzimmer gefunden haben. Es wird sich ohnehin schwierig gestalten hier noch ein Zimmer zu bekommen.“, murmelte er mit einem Blick auf die Menschenmassen. „Außerdem müssen wir ein bisschen mit dem Gald haushalten. Ich schätze über die nächste Woche kann ich das Nötigste finanzieren, aber dann wird es wirklich knapp.“ Anna zog einen Schmollmund. „Anna… ich würde mich gern umziehen, bevor du hier in der Stadt dein Unwesen treibst. Alleine lasse ich dich hier sicher nicht spazieren gehen, das ist viel zu riskant.“ Verdrossen musterte sie die dürftig geflickten Risse in seinem Oberteil. „Gut…“     Als die letzten Sonnenstrahlen den Himmel erhellten, betraten sie ein kleines Hotelzimmer am Rand der Stadt. Ein kleiner Tisch befand sich rechts von der niedrigen Eingangstür. Gegenüber von dem Tisch stand ein breites Bett, flankiert von zwei kleinen Nachttischen. Auf jedem war eine Kerze platziert. Mit einem Jauchzen nahm Anna Anlauf und schmiss sich auf die Matratze. Kichernd rollte sie sich auf den Rücken und schloss die Augen. Kratos stellte die Taschen in die Ecke und begann darin zu kramen. Er zog einen zusammengeschnürten Berg Stoff hervor. „Dürfte ich dich bitten wegzuschauen?“, bemerkte er mit einem flüchtigen Blick auf die neugierige Anna. Glucksend setzte sie sich auf und wandte ihm den Rücken zu. „Ich hätte nicht erwartet, dass du schüchtern bist.“ Sein gedämpftes „Hmpf“ ging im Rascheln des Stoffes unter. Erst als er ein Zeichen gab, drehte sie sich um und brach in lautes Gelächter aus. „So viele Gürtel?!“, prustete sie. „Hast du Angst, dass dir jemand die Kleider vom Leib reißt?“ Entrüstet verschränkte er die Arme. „Und dann auch noch in lila!“, lachte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Du weißt, dass dein Ausflug in die Stadt von meiner Laune abhängt, oder?“, entgegnete er tonlos. Kichernd rutschte sie vom Bett und schenkte ihm ein breites Grinsen. „Tut mir ja leid, aber du siehst damit einfach zu ulkig aus. Ich glaube wenn wir Zeit und Gald haben, dann berate ich dich mal in Sachen Mode. Rollkragen würden sicher wundervoll an dir aussehen.“ Ohne auf seine Antwort zu warten hüpfte sie zur Tür und hielt sie auf. „Jetzt komm schon, bevor wir alles verpassen.“   Mit großen Augen beobachtete Anna, wie Pärchen um Pärchen in wiegenden Bewegungen über den gepflasterten Platz schwebte. Laternen tauchten die Tanzenden in ein warmes, gedämpftes Licht. Der sanfte Rhythmus eines Walzers wogte durch die abendliche Luft. Kratos lehnte in einiger Entfernung an einer Hauswand und beobachtete das Spektakel desinteressiert. Ein Zupfen an seinem Ärmel ließ ihn nach unten blicken. Große, runde, braune Rehaugen schauten erwartungsvoll zu ihm auf. Er hob die Brauen. „Ich sagte ich tanze nicht.“ Anna machte einen Schmollmund. Kopfschüttelnd befreite er seinen Ärmel aus ihrem Griff. „Nein.“, wiederholte er bestimmt und verschränkte die Arme. Enttäuscht widmete sie sich erneut ihren Beobachtungen, als ein junger Mann eine knappe Verbeugung vollführte. „Entschuldigen Sie bitte, junge Dame.“ Überrascht musterte sie ihn. Sein blondes, lockiges Haar wippte bei jeder Bewegung und seine blauen Augen fixierten sie hoffnungsvoll. „Mit der Erlaubnis Ihres Begleiters würde ich Sie gerne zum Tanz auffordern.“ Mit einem kurzen, beleidigten Blick auf Kratos ergriff sie die ausgestreckte Hand und ließ sich auf die Tanzfläche geleiten. Stillschweigend beobachtete er, wie sie von der wogenden Masse tanzender Paare verschluckt wurde. Eine schier endlose Zeit verstrich, bis sie am Rande des Platzes wieder auftauchte. Ihr zerknautschter Gesichtsausdruck brachte ihn zum Schmunzeln. „Hat der Herr die Erwartungen der jungen Dame nicht erfüllen können?“, fragte er als Anna sich neben ihm an die Wand sinken ließ. „Der ‚Herr‘ hat mit seiner Ferse öfter meine Zehen erwischt als den Boden.“, murrte sie und richtete den Kragen ihres Kleides. „Aber ich wette du tanzt nicht besser.“, ergänzte sie mit einem schelmischen Grinsen. Er stemmte eine Hand in die Hüfte. „Bitte?“ Ihr Grinsen gewann an Breite. „Naja, wenn du es könntest, dann würdest du dich doch nicht so dagegen sträuben.“ „Meinst du?“, entgegnete er, griff nach ihrer zierlichen Hand und ehe sie sich versah befand sie sich erneut inmitten des Wirbels tanzender Paare. Sie zuckte zusammen, als seine große Hand ihre Hüfte berührte. Mit klopfendem Herzen fing sie seinen Blick und die ungewöhnliche Wärme darin verwandelte den blassen Ton ihrer Wangen in ein glühendes Rosa. Sie spürte ihren Magen absacken, als er sie behutsam ein Stück näher an seine Brust zog. Wortlos bewegte er sich im Rhythmus der Musik. Wie gebannt ließ sie sich führen, folgte jeder Drehung, jedem Schritt. Das Licht, die Tanzenden, die Häuser, ihre gesamte Umgebung verschwamm mit jeder seiner leidenschaftlichen Bewegungen zu einem wirbelnden Spiel von Farben und Formen. Sie spürte die Wärme seiner Hände. Sein sanfter Atem streifte ihre Haut. Sie schloss die Augen und widerstrebte dem wachsenden Bedürfnis sich dichter an ihn zu schmiegen. Das Gefühl von Geborgenheit war überwältigend. Wie sehr hatte sie sich in ihrer Gefangenschaft nach solchen Momenten gesehnt. Die Musik verklang. Intuitiv schlang sie ihre Arme um seinen Hals und presste ihr Gesicht in seine Schulter. Er erstarrte in der Bewegung. Stumm verharrten sie. Sie spürte ihren eigenen hämmernden Herzschlag, seine jähe Anspannung und schließlich zwei kräftige Hände auf ihrem bebenden Rücken. „Anna…“, wisperte er sanft und erwiderte ihre stürmische Umarmung zögerlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)