Der Wachhund Ihrer Majestät von Nivah ================================================================================ Kapitel 2: Alte Und Neue Pläne ------------------------------ „Herr.“ Das ist nicht möglich, ging es dem Earl zum wiederholten Male durch den Kopf. Ciel verfügte über keinerlei Erinnerungen mehr, welche in Zusammenhang mit seinem Verschwinden einhergingen, geschweige denn, dass er überhaupt einzelne Ereignisse noch zusortieren konnte. Ärger baute sich allmählich in ihm auf ob dieser ungewohnt hilflosen Situation, der er sich ausgesetzt sah. „Junger Herr ...“ Es verstimmte ihn maßlos, dass er nun vorläufig zu Unwissenheit verdammt war, nicht fähig, auch nur einen einzigen Schachzug zu planen oder gar auszuführen. Somit blieb ihm vorerst nichts Anderes als abzuwarten. Obwohl ... nicht einmal das. Sein Blick fiel für einen Augenblick auf seinen reglosen Leib, den Kopf leicht geneigt, als schliefe er lediglich und sei nicht zu einer seelenlosen Hülle geworden. Abrupt löste Ciel sich von diesem im höchsten Maße irritierenden Anblick. „Mylord.“ „Was?!“ fuhr Ciel den Butler ungehalten an. Es ärgerte den jungen Earl, dass Sebastian noch immer eine bedrohliche Ruhe ausstrahlte, obgleich in seinem Herrn die gefährlichsten Gefühle brodelten. Allerdings schien die gesamte Situation dem Teufel ebenso einiges abzuverlangen, schien sie für den Teufel ebenso zermürbend wie für Ciel beunruhigend zu sein. „Ihr solltet Euch ein wenig beruhigen“ antwortete Sebastian ruhig und warf einen bedeutungsschwangeren Blick auf den inzwischen durchgelaufenen Teppich. In seiner Unruhe und der Unfähigkeit, die augenblicklich enormen Kräfte korrekt einzuschätzen, war der Höllenhund umhergewandert und hatte besagten Teppich kurzerhand zerstört. Mit einem kurzen Wink wollte er dem Butler bedeuten, das Stück zu entfernen, doch es war ihm nicht möglich. Denn er besaß keinen Arm, keine Hand, mit der er kurze, aber prägnante Zeichen machen konnte. Zorn erfasste den Leib des schwarzen Tieres, ließ das Nackenfell zu Berge stehen. Nicht einmal mehr die einfachsten Dinge sind mir nun noch möglich, dachte Ciel zornesbebend, warf dem Teufel einen kurzen Blick zu und setzte seine unruhige Wanderung quer durch das Zimmer fort. Sebastian indess nutzte diesen Augenblick, um sich die neue Gestalt seines jungen Herrn genauer zu betrachten. Augenscheinlich war aus dem zarten Körper des Jungen ein schlanker Hundeleib geworden. Obschon weitaus größer als ein normal gewachsener Wachhund, besaß die augenblickliche Form des Earls noch immer die für ihn prägnante Schwäche. Dichtes, tiefschwarzes Fell hüllte den ungewöhnlich zart gebauten Körper des Tieres ein, wurde lediglich durch das in Königsblau gehüllte Auge durchbrochen und sonst bis in jede Haarspitze fortgesetzt. Lang und seidig fuhr der Schweif des Höllenhundes durch den Raum, die großen Ohren zuckten unbewusst in seine Richtung und jede Pore dieses gefährlichen Geschöpfs verströmte sowohl den berauschenden Duft der Seele, als auch die ungebündelte – und bisher noch ungenutzte – Macht Ciels. Wenngleich dieser vermutlich besagte Macht nicht einmal gespürt haben dürfte. Im Prinzip könnte der junge Earl sich fortan selbst bestmöglich schützen ... „Sebastian!“ Die Stimme des jungen Phantomhive hatte sich verändert, nun schwang darin unbewusst die ihm verliehene Dominanz über den Teufel mit, der sogleich seine Aufmerksamkeit auf seinen Herrn richtete. Ciel hatte sich umgewandt, blickte nun starr auf den eigenen menschlichen Körper, der ihn aus leeren Augen heraus anstarrte. Die Muskeln unter dem dichten Fell waren angespannt, die Rute erhoben, doch vermochte der junge Herr diesem nicht Einhalt zu gebieten. „Dieser Körper ... mein Körper“ setzte er an, blickte über die Schulter zurück auf seinen Butler, welcher schweigend abwartete, „ich will ihn wieder.“ „Sehrwohl, mein Herr.“ In eine Verbeugung gesunken, lauschte er dem grollenden Schnauben des Tieres und verzog angewidert seine Lippen. Dieser Körper ... „Ich will ihn wieder. Er gehört mir, Sebastian!“ spie das Höllentier zornesbebend aus, stockte jedoch im selben Augenblick, als ihm bewusst wurde, was er dort tat – was er sagte. Durch den Vertrag hatte er mit dem Recht auf seine Seele auch das Recht auf seinen Körper verloren. Ciel schnaubte herablassend, während Sebastian dezent lächelte. „Gewiss, Mylord. Dürfte ich jedoch wohl anmerken, dass dies durchaus Eurer Mithilfe bedarf? Ich nehme an, da Ihr Euch nicht in einen Menschen wandeln könnt“, - sie hatten es bereits versucht und Ciel hatte kläglich versagt – „seid Ihr im Grunde tot.“ Deutlich erinnerte sich der Teufel an den Augenblick, in welchem er die Hülle in den Tod geschickt hatte und sich die Seele einverleibte. Allerdings war die blanke Befriedigung, die er ob dieser besonderen Seele erwartet hatte, ausgeblieben, sodass in ihm der Verdacht gewachsen war, besagte Seele nicht gefressen zu haben. Mit ausdrucksloser Miene blickte der junge Earl zu ihm empor, das rechte Auge in schwarze, nebulöse Finsternis getaucht. Auch konnte Sebastian mitnichten das Vertragszeichen erkennen, doch es war verblasst und kaum noch präsent. Ein Umstand, der den Teufel besorgte. „Das bedeutet, wenn ich wieder in meinen Körper ... zurückkehre, wäre ich ohnehin tot?“ Kurz überdachte der Butler diese Frage, ehe er sich bekannte und eingestand, dass er es nicht wüsste. „Dieser Fall ist einmalig.“ „Aber wieso hat mein Körper dann zu dir gesprochen? Das ist nicht möglich.“ Angesichts dieser Phrase, die inzwischen kaum mehr Bestand haben sollte, hob sich eine feine Augenbraue Sebastians, doch er schwieg. Unterdessen fasste der Earl seine eigenen Schlussfolgerungen zusammen, während der Butler sich schweigend zurückhielt. „Mein Körper ist tot, meine Seele hat diesen ... Köter genutzt, um zurück ins Leben zu stoßen, unser Vertrag scheint erfüllt und doch bin ich noch immer existent.“ Er grollte leise. „In gewisser Weise, zumindest.“ Langsam richtete sich der Körper des Höllenhundes auf, der Blick der Augen verweilte auf dem Teufel, der mit gleichgültiger Miene fragte: „Was sind Eure Befehle, junger Herr?“ „Wenn mein Körper zu dir sprach, wenn ich in diesem Körper hier feststecke, muss es auch zumindest eine Seele geben und zwar Jene, die zuvor in diesem Höllenhund gesteckt hat. Womöglich existiert auch eine zweite Seele, die meinen Körper früher oder später vereinnahmt. Verhindere das, Sebastian!“ Es war ein beunruhigender Gedanke für den Earl, dass ausgerechnet eine ebenso schutzlose Seele wie die Seine seinen Körper okkupieren könnte, während er selbst dazu nicht in der Lage war. Schlussendlich fügte er noch einen anderen Gedanken hinzu, während er dabei das Gesicht seines Butlers musterte. „Irgendwie muss ich meine Korrespondenzen trotz allem verrichten, die Funtom Company muss in der Normalität bleiben. Das gelingt aber nur mit diesem Körper – und zwar ausschließlich mit diesem Körper.“ Mit einer knappen Geste des breiten Kopfes wies der Höllenhund auf die puppenhaft wirkende Gestalt, die sich mit einem Mal regte.   Es gibt viele Namen, die man mir gab, aber bisher gefiel mir kein Einziger davon. Vermutlich, weil kein Einziger das wahre Wesen erkannte, den Kern, der mich ausmachte, während alles Andere nur Schein war. Lächelnd ließ ich mich auf dem Fenstersims nieder, betrachtete durch das dicke Glas hindurch die drei Gestalten, die dort korrespondierten und noch immer zu keiner nennenswerten Lösung gekommen waren. Ich gebe zu, zeitweilig war ich geneigt, ihnen zu helfen, doch vermutlich würde mich das Einiges kosten, wenn ich mir den emotionalen Zustand des Earls genauer betrachtete. Also schwebte ich weiter, ließ die Beiden mit ihren aberwitzigen Rückschlüssen zurück und erkundete vorerst den Landsitz der Phantomhives. Alsbald würde er mir gehören. Ebenso wie alles Andere auch. Leise lachend entschwand ich der hiesigen Sphäre, zog mich zurück an jenen Ort, an welchem ich mein Glück stets gefunden hatte. Jener Ort, der mir zur Zuflucht geworden war, zur Heimat, zum Anker meines Daseins, wenn man es denn so nennen wollte.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)