OS Sammlung von Yuugii (Verschiedene Kurzgeschichten) ================================================================================ Kapitel 1: Reaching out for you – (Karim/Aishizu) ------------------------------------------------- Schwarze Schatten legten sich bedrohlich über die prachtvolle Wüstenstadt. Sie konnte es spüren. Eine unheimliche Aura, die ihnen von Tag zu Tag näher kam. Trotz ihrer Millenniumskette vermochte sie dieses Mal nicht in die Zukunft zu sehen. Ihr Blick war getrübt. Nichts war da. Dunkelheit und ein Hauch von Furcht. Gedankenverloren starrte sie zum Sternenhimmel hoch, der ihr die Antworten auf ihre Fragen nicht geben konnte. Zögerlich hob sie ihre Hand hoch, als wollte sie nach etwas greifen, so als wollte sie irgendetwas in ihre schlanke Finger nehmen. Niemand war auf dem Balkon, sie war sich vollkommen selbst überlassen. Die anderen Priester, der Pharao und die Bewohner des Palastes feierten vermutlich noch ihren heutigen Sieg. Immerhin hatten sie am Nachmittag eine Bande von Räubern niedergestreckt, die ihre schöne Stadt mehr als einmal bedroht hatte und nicht einmal vor Menschenleben Halt machte. Mutig hatten die sechs Priester gekämpft und verteidigt, was ihnen lieb und teuer war. Auch sie hatte mit vollem Einsatz gekämpft, ließ sich furchtlos auf die Gefahr ein. Die sechs Hohepriester des Pharaos waren ein eingespieltes Team. Sie lächelte kurz, als sie daran dachte, wie ehrenhaft sie alle gekämpft hatten. Das Jubeln der begeisterten Menge, als sie siegreich durch die Tore der Stadt streiften, hallte noch immer in ihren Ohren wider. Was war das für ein beklemmendes Gefühl? Ihr Herz schlug unregelmäßig. Warum zeigte ihr der Millenniumsgegenstand nicht die Zukunft? Vorsichtig berührte sie das kalte Gold, das sie um ihren Hals trug. Konzentriert schloss sie die Augen, versuchte die Visionen zu erzwingen. Eine kühle Brise kam auf. Krampfhaft kniff sie die Augen zu. Plötzlich sah sie etwas. Ungehörte Schreie der Verdammten, tiefrotes Blut versickerte im Boden und sie sah einen Körper der quälend langsam in die Tiefen stürzte. Wer war diese Person? Beunruhigt biss sie sich auf die Unterlippe. Ein leichter Schauer überkam sie. Sie musste mehr sehen! Schließlich wollte sie niemanden verlieren oder zulassen, dass jemand verletzt wurde. „Ist alles in Ordnung, Aishizu?“, hörte sie eine vertraute Stimme, die ihre Vision schier abbrach und sie dazu zwang sich umzudrehen. Es war einer der Hohepriester. Sein kurzes schwarzes Haar fiel ihm direkt ins Gesicht. Sie zwang sich zu einem Lächeln, wollte ihn beschwichtigen, doch ehe sie etwas sagen konnte, spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter und erkannte seinen überaus besorgten Blick, der auf ihr ruhte. „Warum bist du gegangen? Das Fest ist noch im vollem Gange“, sagte er, legte dabei seinen Kopf leicht schief. In seinen Augen konnte sie Besorgnis sehen. Er musste gesehen haben, wie sie die große Halle verlassen hatte. Für einen Bruchteil einer Sekunde wurde sie schwach. Beinahe wollte sie ihm sagen, was sie so nachdenklich machte, aber genauso schnell fasste sie sich wieder und entschloss, dass es besser für sie beide war, wenn sie erst mal nichts sagte. Sie wollte die festliche Stimmung nicht verderben. Außerdem wusste sie nicht, was diese Bilder zu bedeuten hatten. „Es tut mir Leid, Karim“, entgegnete sie mit einem lieblichen Lächeln. Ihr glattes, langes Haar fiel über ihre schmalen Schultern, rahmten ihr schönes und reifes Gesicht ein, ließen sie wie einen Engel auf Erden wirken. Langsam zog er seine Hand zurück, blieb dennoch neben ihr stehen, so als wollte er sagen, dass er mehr erwartete. Es war nicht Aishizus Art grundlos zu gehen, also war er sich sicher, dass sie etwas verheimlichte. Doch konnte er sie dazu bringen ihre Sorgen mit ihm zu teilen? Elegant lief sie zum Gelände des großen Balkons, sah über die ruhige Stadt, hinaus in die Ferne, so als suchte sie nach etwas. Noch immer leicht besorgt stellte er sich direkt neben sie, sagte aber kein Wort. „Ist es nicht unglaublich, dass wir Priester und der ehrenwerte Pharao ganz allein den Frieden bewahren?“ Ihre Stimme war sanft, so überaus lieblich und ihre schönen Kristallblauen Augen bewegten sich hin und her. Karim konnte sofort sehen, dass sie ihren Blick über die Stadt schweifen ließ. Tatsächlich. Die Priesterin hatte recht. Natürlich lag ihre Hauptaufgabe darin, den Pharao zu beschützen, doch auch der Schutz und das Wohl der Menschen war wichtig. Konnten sie nicht stolz auf ihre Leistungen sein? Er stemmte eine Hand in die Hüfte, sah nun genau wie sie in die Ferne. Eine kurze Stille brach über sie hinein. Das Zirpen von Insekten war zu vernehmen. Erst jetzt hörte Karim, dass die heiteren Lieder ihrer Feier bis hierher drangen. „Du hast Recht, Aishizu“, bestätigte er ihre Frage, kam ihr unbemerkt etwas näher. Immer wieder schielte er zu ihr, betrachtete ihren weiblichen Körper, konnte sehen, wie sich ihre Brüste unter dem feinen Stoff abzeichneten. Manchmal fragte er sich, warum eine so schöne Frau einen solch schweren Weg gewählt hatte, jedoch konnte er nicht verleugnen, dass sie unabdingbar für den heiligen Pharao war. Ohne ihre hellseherischen Fähigkeiten, die sie durch den Millenniumsgegenstand um ihren Hals erhielt, wäre auch er bereits mehr als einmal dem Tode geweiht gewesen. Nicht jeder vermochte die Visionen zu sehen, die dieses heilige Artefakt hervorrief. Man musste eine gewisse Begabung mit sich bringen. Sie war die Stimme der Vernunft in ihrem Team. Trotzdem war sie nur eine Frau, ihr Körper schwächer und zerbrechlicher als seiner. Das wusste er nur zu gut. Vorsichtig berührte er ihren Oberarm. Sie zuckte zusammen. Überrascht drehte sie wieder den Kopf zu ihm, sah ihm direkt in die Augen. Manchmal hatte er schreckliche Angst davor sie zu verlieren. Wenn er sie ansah, wollte er sie ganz allein für sich haben und sie beschützen. Am liebsten würde er sie wie einen kleinen Vogel in seinen schützenden Händen halten, um sie somit vor all dem Übel da draußen abzuschirmen. Doch auch wusste er, dass sie so unglaublich stark und mutig war und den anderen Priestern in nichts nachstand. Aishizu war eben eine ganz besondere Frau. „Versprich mir auf dich aufzupassen. Du darfst keine Risiken mehr eingehen. Wir brauchen dich. Ich brauche dich“, hauchte er ihr entgegen, drückte sie dann an sich, legte seine Arme behutsam um sie. Der Kampf heute war äußerst gefährlich. Einer der Räuber war ungeduldig und laut brüllend auf sie zugelaufen. Sein plötzlicher Schrei hatte seine Aufmerksamkeit erregt, so dass er sich umsah, um die Quelle und den Grund dieses Geschreis herauszufinden. Obwohl sie mitten im Kampf waren, hatte Karim nach ihr Ausschau gehalten. In letzter Sekunde war sie ausgewichen. Hätte sie nur einen Moment später reagiert, hätte sie ernsthaft verletzt werden können. In diesem Augenblick hatte er pure Angst verspürt. Die Angst jemanden zu verlieren, der einem alles bedeutete. Zögerlich legte auch sie ihre Arme um ihn, genoss die Wärme des anderen Priesters, der sie immer wieder ermutigte und für sie da war, wenn sie es nötig hatte. Jedes Mal, wenn sie sich in Sorgen und Ängsten verlor und alles um sie herum finster wurde, war es seine Hand, die nach ihrer griff und sie wieder aufmunterte. Immer wenn sie resigniert zu Boden schaute, war es seine Hand, die sie dazu zwang wieder hochzusehen. Auch jetzt waren es seine Hände, die sie festhielten und ihr Kraft gaben. Es war diese unendliche Güte, diese Geduld und diese Stärke, die sie dazu veranlasst hatte, sich ihm anzuvertrauen. „Mach dir keine Sorgen, Karim. Außerdem beschützt du mich doch.“ Die letzten Worte kicherte sie, zwinkerte dabei kurz auffällig. Völlig überrumpelt zog er seine Augenbrauen hoch. Ungewollt wanderten seine Mundwinkel buchstäblich in den Keller. Es war ihm nicht anzusehen, aber er freute sich. Sie hatte also verstanden, dass er für sie da sein würde und dass er für und mit ihr kämpfen würde. Im nächsten Moment drehte er etwas beschämt den Kopf weg. Er vermied es sie anzusehen. Vor den anderen Priestern war sie immer so stark! Auch im Kampf ließ sie sich nicht unterkriegen und beherrschte ihre magischen Bestien wie eine Meisterin. Dass eine Frau wie sie, so unglaublich wundervoll und perfekt, auch eine schwache gar ängstliche Seite hatte, wussten nur die wenigsten. Dann nickte er. Egal was geschehen würde, er würde sie beschützen. „Verlass dich auf mich“, flüsterte er, küsste liebevoll ihre Stirn. Freudig schloss sie die Augen, als sie seine sanften Lippen auf ihrer Haut spürte. Nichts und niemand konnte sie trennen. Unter allen Umständen würde er sie beschützen und bis zum bitteren Ende Seite an Seite mit ihr kämpfen. Auch wenn er es nicht aussprach, er brauchte sie. Niemand wäre in der Lage sie zu ersetzen. Sie war kostbarer und bezaubernder als jedes Juwel dieser Erde. Noch immer drangen die fröhlichen Lieder des Festes zu ihnen. Die lieblichen Klänge konnten den Anschein erwecken, dass alles in Ordnung war. Die beiden Priester wussten es besser. Menschen suchten den Kampf. Zwiespalt wurde aus Hass geboren. Wie lange konnte der Frieden wahren? Allzu lang würde der nächste Kampf nicht auf sich warten lassen. Und wenn es wieder so weit war, würden sie alles geben, um die Menschen und ihren Pharao zu beschützen. Selbst dann, wenn es ihr Leben kosten würde. Denn dies war nun einmal die Aufgabe eines Hohepriesters. Dies war der Weg, für den sie sich entschieden hatten. „Karim, bitte denk immer daran, dass der ehrenvolle Pharao immer unsere erste Priorität ist. Im Ernstfall musst du die richtige Entscheidung treffen, auch dann, wenn es bedeutet, dass du mich im Stich lassen musst. Auch ich werde keine Sekunde zögern und stehe stets loyal hinter unserem Pharao“, meinte sie dann leise und warf ihm einen ernsten Blick zu. Karim nickte. „Wir sind die Werkzeuge des Pharaos, es ist unsere Pflicht und unser Wille, den Pharao – Sohn des Gottes Horus und Auserwählter der Götter – mit Leib und Seele zu beschützen und dafür zu sorgen, dass unser heiliges Land Kemet in Frieden und Glück erblühen kann. Aishizu, ich habe meinen Schwur nicht vergessen.“ „Das ist gut so. Es kommen Schatten auf uns zu. Harte Zeiten erwarten uns und wir müssen gewappnet sein. Für den Kampf. Wir müssen darauf gefasst sein, dass wir jederzeit Menschen verlieren können, die uns alles bedeuten und trotzdem dürfen wir nicht vom rechten Weg abkommen. Ich bin bereit, mein Leben für meinen geliebten König zu geben, wenn ich ihm damit von Nutzen sein kann.Karim, ich vertraue dir. Du bist der Schild des Königs.“ „Und du die Weise, die seinen Weg erleuchtet. Was immer kommen mag, wir Hohepriester werden unsere Aufgabe nicht vernachlässigen. Aber bitte sieh mir nach, dass ich trotzdem ab und an nach dir Ausschau halte“, sagte er und wandte verlegen den Kopf ab. Aishizu senkte den Blick. Sie flehte, dass Karim seinen Schwur ernst nahm. Eine Liebe zwischen Priestern war nicht erlaubt. Niemand wusste davon, dass Aishizu und Karim ineinander mehr als nur Freunde sahen und sie wollte auf keinen Fall, dass ihre Loyalität dem Pharao gegenüber hinterfragt wurde. Auch wenn sie eine Kriegerin war und die Aufgabe als Hohepriesterin viele Verantwortungen und Pflichten mit sich brachte, hatte auch sie Momente, in denen sie nur ein Mensch war. Ein Mensch, der Angst hatte und sich vor der Zukunft fürchtete. Durch ihre Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen, sah sie die wahren Abgründe der menschlichen Seele und es gab Momente, wo sie sich einfach nur danach sehnte, von jemanden gehalten zu werden. Momente des Friedens. Momente, wo sie von einem starken Mann in den Arm genommen wurde und man ihr sagte, dass alles gut werden würde. Karim hatte die Schwäche ihrer Seele erkannt und stand hinter ihr. Aishizu fragte sich, ob die anderen Priester ihren Wunsch nach Schutz und ihre Angst vor der Zukunft als Anlass genommen hätten, ihren Willen zu hinterfragen. Hätte Akunadin oder gar Seth sie unterstützt? Oder hätten sie dies im Beisein des Pharaos angesprochen und ihre Zweifel geäußert? Ein Krieger, der nicht unentwegt nach vorne sehen konnte und Momente hatte, in denen er sich selbst und die Welt anzweifelte und sich vor den Schatten fürchtete, war ein Hindernis auf dem Schlachtfeld. Weil sie die Antwort auf diese Frage nicht kannte, schätzte sie Karim als treuen Gefährten umso mehr. Auch wenn sie Angst hatte, wollte sie nicht aufgeben und mit all ihrer Macht ihren Pharao und ihr geliebtes Kemet beschützen. Sie sah erneut in die Ferne. Ein kalter Windzug kam auf. Kemet wurde bei Nacht so unglaublich kalt. „Komm, lass uns zurückgehen. Es ist kalt hier draußen und vielleicht machen sich die anderen schon Sorgen“, waren seine liebevollen Worte. Seine Augen strahlten Wärme aus. Aishizu nickte folgsam. „Ja, lass uns gehen“, sagte sie leise. Ihre Stimme nur ein Hauch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)