Fairytale von abgemeldet ================================================================================ Prolog: Rotkäppchen ------------------- Wie hypnotisiert starrte ich auf die kleine orange Tablette in meiner Hand. Irgendwie sahen sie aus wie bleiche Smarties. Ohne weiter zu warten schmiss ich die Pille in meine Mundhöhle und spülte sie mit Speichel runter. Mit angewinkelten Beinen saß ich auf meinem Bett. Ich legte mir Shades of Grey in den Schoß und wartete darauf, dass die Wirkung einsetzte. An sich dauert das nicht so lange. Eine Viertelstunde hatte ich gelesen da veränderten sich die Buchstaben von normalen Druckbuchstaben in die schnörkelige Disneyschrift. Mit einem fetten Grinsen im Gesicht schlug ich das Buch zu und stieg aus meinem Himmelbett, natürlich erst nach dem ich die Seidenvorhänge zur Seite geschoben hatte. Die kleine Pille hatte wirklich eine große Wirkung. Sie war bekannt wie ein bunter Hund. In den Medien wurde von ihr rauf und runter berichtet. Man nennt sie Fairytale, und offiziell gilt sie als Droge. Die Pillen sahen immer unterschiedlich aus, waren nicht sehr teuer und wenn man wusste wie ganz leicht zu besorgen. Es war schon fast wie Zigaretten kaufen. Die Mittel aus dem die Tabletten hergestellt werden, setzten im Gehirn Toxine frei die deine Umgebung in jedes Märchen, jeden Kinderfilm und jede Kinderserie verwandelt. Es greift speziell auf die Kindheit zurück, wie genau das funktioniert kann ich euch leider nicht sagen. Ich gehe an meinem Spiegel vorbei, aus dem mir höflich ein Kopf zunickt. Selbstverständlich grüße ich mit einem Lächeln zurück. Den Spiegel sehe ich nicht so oft, weil ich sie meistens nicht zuhause schlucke. Es war mir dann doch zu abgefahren als meine Mutter so aussah wie die Voodoo-Priesterin Mama Odie aus Küss den Frosch. Aber ihr Hüftschwung war echt nicht von schlechten Eltern. Mein Weg führte mich meinem Schuhschrank. Ich nahm mir meine neon-babyblauen Sneakers und meine Schlittschuhe heraus. Ich war mit ein paar Freunden an der Eisbahn verabredet. Ich band meine langen braunen Haare zu einem Zopf zog meine Jacke an und ging summend zu unserer Eingangspforte. Es war doch immer wieder eine Qual sie aufzuschieben. Eigentlich wohnten wir in einem zwölfstöckigen Mehrfamilienhaus im siebten Stockwerk. Aber gerade war es nur ein kleines Bauernhaus das verzaubert war. Gegenüber war gerade eine neue Familie eingezogen und drei kleine Kinder, die ich nicht kannte kamen mir entgegen als ich die Treppe runter ging. Die Bohnen Ranke war kaputt. Aber irgendwas stimmte mit diesen Kindern nicht. Sie hatten Haut, Finger und Augen… und Schnauzen, Hundeohren und Krallen. Ganz normal eben. Verwirrt drehte ich mich nach ihnen um. Welches Märchen sollte das denn bitte sein? Meine Frage wurde beantwortet als mir eine kleine, blonde Frau mit einem langen, roten Mantel entgegen kam. Sie hatte die rote Kapuze über ihren Kopf geworfen. Aha. Jetzt rammelte der große, böse Wolf schon das arme, kleine Rotkäppchen. Obwohl mit den beiden Dingern da vorne, war sie gar nicht mehr so arm und klein! Und scheinbar war auch schon der nächste Wurf unterwegs. Na herzlichen Glückwunsch. Unten am Briefkasten traf ich dann auch den Wolf. Und ich muss sagen ich habe mich geirrt. Der Wolf rammelt nicht Rotkäppchen… Rotkäppchen rammelt den Wolf! Und DAS konnte man ihr nicht verübeln! Diesen Typen konnte man nicht mit Worten beschreiben! Konnte aber auch vielleicht daran liegen, dass sein Monster-Sixpack meinen Kopf leer gefegt hatte. Das bewies ich gleich nochmal damit, dass ich gegen die Tür lief. Wie peinlich. Amüsiert lächelte mich der Wolf an. Okay ich glaube Rotkäppchen kann sich anfangen Sorgen zu machen, ob ihr Mann eine Affäre hat oder bekommen wird. „Hi.“ Ich konnte natürlich nur gaffend mit dem Kopf nicken. „Wulf, kommst du?“ Glocken hell schallte Rotkäppchens Stimme zu uns runter. „Ich komme!“ Er winkte mir noch einmal mit der Zeitung zu und wie der letzte Trottel winkte ich zurück. Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen die kühle Scheibe der Tür, als er weg war. Wieso muss es ein sexy Wolfsmensch ohne Shirt sein? Wieso kein fetter, behaarter Wolf? So mit Wackersteinen im Bauch? Mir den Schläfe reibend öffnete ich die Tür und ging raus. Der Trip fing ja schon gut an. Vor unserer Haustür stand ein alter, rostiger Pick-up. Er war wohl mal dunkel grün. In der Fahrerkabine saß ein schmieriger, fetter Sack. Er trug ein dreckiges weißes Shirt und eine gammlige grüne Cap sollte seine Glatze wohl verdecken, nur war sie viel zu klein für seinen Kopf. Neben lehnte eine Schrotflinte. Ernst jetzt? Das war der Jäger? War da nicht irgendwas schief gegangen? Aber was wollte der hier? Ich meine um das Rotkäppchen zu retten, kam er wohl was zu spät. Er spuckte aus dem Fenster und damit mir vor die Füße. Gings noch? Fragend schaute ich ihn an. Ohne mich zu beachten schnappte er sich seine Flinte und stieg aus. Stur ging er auf unsere Haustür zu. Ohne lange darüber nachzudenken ging ich mit großen Schritten in die andere Richtung. Egal was da oben passieren würde. Ich war ganz bestimmt nicht hier. Und wo scheiterte sein Plan schon? Er bekam die Tür nicht auf. Was war das bitte für ein Jäger. „Jetzt mach schon Jürgen!“ krächzte eine alte Schachtel au dem Pick-up. Die hatte ich gar nicht gesehen. Sie hatte gigantische Glubschaugen und riesige Segelohren. Ich glaube mein Kopf bringt hier gewaltig was durch einander. Mit einem Schulterzucken machte ich mich wieder auf den Weg zur Eisbahn. Mein Handy klingelte und ich fischte es aus meiner Jackentasche. „Ally wo bleibst du?“ seufzend klemmte ich mir das Telefon zwischen Wange und Schulter. „Sorry Tinkerbell, aber Fairytale verwirrt mich doch immer wieder.“ Auf der anderen Seite der Leitung hörte ich ein Lachen und ich konnte mir ein Grinsen auch nicht mehr verkneifen. „Wann bist du da? Du glaubst mir nie was Fairytale mir gerade zeigt!“ automatisch beschleunigte ich meine Schritte. „Bin schon unterwegs, gib mir zwanzig Minuten.“ Ich musste mich nicht beeilen wegen der Wirkung von Fairytale, es konnte bis zu sechsundzwanzig Stunden anhalten. Aber ich wollte nicht verpassen was sich gerade an der Eisbahn abspielte. Denn es war schon ein tolles Erlebnis ein Märchen live mit zu erleben. Leider hatte die Droge die gleiche Folge wie Alkohol, das mit dem Erinnern war nämlich immer so eine Sache. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)