The doubt in himself von Schattenaugen ================================================================================ Kapitel 3: 3. ------------- Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich volle drei Tage Geduld aufbringen musste, konnte nicht ahnen, dass es ganze drei Tage dauern würde, bis er endlich wieder auftauchte. Ganz so, als ob wirklich niemals etwas gewesen war. Langsam lief ich durch die Flure meines, unseres Hauses und war eigentlich auf dem Weg in die Küche, als mich ein blauer Schatten im Wohnzimmer in all meinen Bewegungen innehalten ließ. Sofort schlug mein Herz mir bis zum Hals und langsam wandte ich den Kopf in die Richtung, in der ich ihn geglaubt hatte zu sehen, nur damit es einen Schlag in meiner Brust aussetzen konnte. Automatisch hob ich eine Hand, legte sie mir auf die Brust und versuchte es wieder zu stoppen, doch wollte es mir einfach nicht gelingen. Vegeta stand dort wie immer. Die Arme fest vor seiner Brust verschränkt und mir den Rücken zugewandt, schien er aus dem Fenster zu starren und ich wusste für einen Moment wirklich nicht, ob er etwas sah oder die Augen vielleicht doch geschlossen hatte. Ob er wusste, was er machen sollte oder sich die nachdenkliche Zeit einfach nur damit verbrachte dort zu stehen und nichts zu tun. Ich wusste es wirklich nicht, aber ich war froh ihn wieder zu sehen. Ihn zu sehen und zu wissen, dass es ihm zumindest äußerlich gut zu gehen schien, denn er sah auf den ersten Blick einfach nicht danach aus, als würde er trainiert haben. Nein, es befand sich kein Kratzer auf seiner freigelegten Haut, keine Schramme an seiner Kleidung und wieder wusste ich nicht, was ich denken sollte. Normalerweise blieb er so lange nur weg, wenn es einen Grund hatte, aber da ich diesen Grund einfach noch nicht kannte, wusste ich genauso wenig, was ich davon halten sollte. Weil er mich nicht ansah, wusste ich nicht wie ich diesen Grund entdecken sollte und weil er es nicht für nötig hielt, ein Wort zu sagen, obwohl ich wusste, dass er sich zu hundert Prozent bewusst darüber war, dass ich hier stand und ihn ansah, konnte ich es nicht hören. Konnte seinen Grund nicht in Erfahrung bringen und fahrig presste ich die Lippen zusammen, bevor ich einen zittrigen Schritt auf ihn zumachte. Im Türrahmen stehen blieb und wieder nicht wusste, was ich machen sollte, mir so unsicher war, wie ich es in all den Jahren niemals gewesen war, nicht einmal zu unseren Anfängen. "Vegeta?" Es war nur ein leises Wort, sein Name, den ich so zittrig über meine Lippen brachte, wie sich meine Knie gerade anfühlten und doch war ich nicht bereit es einfach so auf sich beruhen zu lassen. So zu tun, als wäre niemals etwas gewesen, während ich mir mehr als schmerzlich bewusst darüber war, dass wir eigentlich alle gar nicht mehr hier sein sollten. Ein paar Muskeln in seinem Rücken zuckten. Ich wollte lächeln, ich war wirklich versucht zu lächeln und meine Bedenken über Bord zu werfen, während sich die Hand auf meiner Brust nur noch ein wenig fester darauf drückte. Ich war wirklich versucht den nächsten Schritt nach vorne zu machen und doch hielt mich eine unsichtbare Kraft erneut an Ort und Stelle. Weil er lediglich die Arme ein wenig fester um sich gezogen hatte. Keine andere Reaktion, kein Nicken, dass er mich bemerkt hatte, dass ich näher treten konnte. Kein verneinendes Kopfschütteln, als Zeichen dafür, dass er lieber noch ein wenig länger alleine gewesen wäre und es hielt mich auf meinem Platz im Türrahmen, der so drohend über mir schwebte wie die Ungewissheit in meinem Inneren. Woher dieses Gefühl kam, wusste ich nicht. Normalerweise war ich immer, wirklich schon immer sehr gut damit gefahren, dass ich in seiner Gegenwart kein Blatt vor den Mund nahm, dass ich tat, was ich tun musste und wollte. Diese Unsicherheit kannte ich ihm gegenüber eigentlich nicht und es ließ ein weiteres Gefühl entstehen, dass ich nicht sofort bestimmen konnte, während ich den Blick förmlich von ihm losriss. Im Wohnzimmer umherschweifen ließ. Die großen Fenster entlang, hinter denen die Stadt thronte, die es eigentlich nicht mehr geben sollte, weiter die Wand entlang, die Regale mit den Bilderrahmen, die in all den Jahren entstanden waren. Schnappschüsse, die mir automatisch ein Lächeln auf die Lippen trieben. Unverhoffte Bilder, von denen ich niemals erwartet hatte, dass ich sie einmal machen würde, von denen ich einfach nicht erwartet hatte, dass sie eines Tages meine Zimmer schmücken würden. Ein grummeliges Gesicht, das sich in keinem von den Bildern wirklich veränderte und doch hatte ich es geschafft ihn darauf zu bannen. Doch auch hier riss ich mich wieder los, wandte mich ab und ließ meinen Blick zurück zu dem Mann schweifen, den ich nach wie vor liebte. Beinahe mehr liebte wie mein eigenes Leben. Mehr als ich jemals angenommen hatte für ihn empfinden zu können. "Wo warst du so lange?", fragte ich und wusste im selben Augenblick, dass er mir sowieso nicht antworten würde, weil er das eigentlich niemals wirklich machte. Vage Umschreibungen waren an der Tagesordnung, weil er wusste, dass ich sowieso nicht viel damit anfangen konnte. Konkrete Antworten, eine Angabe von Ort und Zeit waren so selten, dass ich sie wahrscheinlich an einer Hand abzählen konnte - wenn ich davon ausging, dass er sowieso die meiste Zeit zu Hause verbrachte, sich im Gravitationsraum einschloss und wie ein Wahnsinniger trainierte. Um Son-kun zu übertreffen. Langsam machte ich einen weiteren Schritt nach vorne und ließ damit den Türrahmen hinter mir, der die gesamte Zeit wie ein Schwert über meinem Kopf hing und drohte hinab zu stürzen. Sah ihn an und betrachtete doch wieder nur seinen Rücken, weil er noch immer nicht bereit war mich anzusehen. Mich wissen zu lassen. Mich sehen zu lassen, an was er denken könnte, mich wissen zu lassen, was in seinem so verschlossenen Kopf so vor sich ging. Es war nicht so, dass er es mich nicht wissen lassen wollte, ich kannte ihn wahrscheinlich besser, als irgendeiner unserer... meiner Freunde behaupten konnte und doch gab es auch bei uns Zeiten, in denen er sich einfach nicht offen legen wollte. Das war nicht schlimm, es war völlig normal und riss mich nicht gleich in ein trauerndes Loch aus Selbstzweifeln. Das war Vegeta, von dem wir hier sprachen. Es war ein so stolzes Wesen, wie man es nur einmal im Leben trifft. Er war ein Mann weniger Worte und ließ lieber Taten sprechen, aber ich konnte gut damit leben. Trat noch einen Schritt vor und nahm mit einem tiefen Atemzug schließlich auch die Hand wieder nach unten, die sich noch immer über meiner Brust befand. Die mein Herz mit Geduld wieder zum ruhiger schlagen gebracht hatte und wohlwollend stellte ich fest, dass die erste Überraschung verflogen war. Dass ich einfach nur froh sein konnte, ihn nach diesen langen Tagen wieder zu haben. Dass er sich freiwillig entschlossen hatte wieder zu kommen und meine Sorge unbegründet werden ließ, weil ich sah, dass es ihm gut ging. Zumindest äußerlich. Dieser Gedanke brachte mich schließlich dazu noch einen Schritt zu machen und das Zittern meiner Finger zu ignorieren. Die nervöse Anspannung nach hinten zu schieben, aus dem einfachen Grund, weil ich wissen wollte, wie es ihm wirklich ging. Weil ich wissen wollte, dass wirklich alles in Ordnung war und ich brauchte nicht länger als quälende Sekunden, um schließlich bei ihm anzukommen, neben ihm stehen zu bleiben und mich zu fragen, was ich damit bezweckte. Was ich damit bezweckte, anstatt ihn anzusehen, genauso wie er aus dem Fenster zu sehen. Die Spiegelung seines Gesichtes darin zu suchen. Ihm zu sagen, dass ich mir Sorgen gemacht hatte, wäre wahrscheinlich sinnlos gewesen. Immerhin war er eines der stärksten Wesen auf diesem Planeten, auch wenn ich gerade dadurch ein sehr großes Recht darauf gehabt hätte mir Sorgen zu machen, weil sie oft begründet waren. Weil meine Freunde viel zu oft in Kämpfe zogen, aus denen der ein oder andere nicht lebendig wieder herauskam und ich diesen Umstand bei meinem Mann noch weniger ertragen konnte. Und er war gestorben, oder nicht? Mehr als einmal, wenn man die Geschichte ansah, wenn man die Vergangenheit mit einbezog und es gab mir mehr als nur ein kleines Recht mir Sorgen zu machen. Ihm sagen konnte ich das nicht. Wahrscheinlich würde er mich nur wieder mit diesem einen bestimmten Blick ansehen, eine Augenbraue leicht nach oben gezogen und Unglaube in seinen schwarzen Seen stehend, dass mir der Gedanke unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen trieb. Ein Lächeln, das genauso schnell wieder verschwand, wie es gekommen war und nur ein fader Hauch von dem war, das ich sonst trug. Ich sah zurück in die Stadt außerhalb meiner Grundmauern. Irgendwo da hinten war sie wie immer lebendig und starb niemals, war immer ein reges Treiben auf den Straßen und auch Schlaf kannte diese Stadt nicht. Es war so anders als hier in diesen Grundfesten, die ich mein Eigen nennen konnte, so viel lebendiger und doch wollte und konnte ich mich nicht beschweren. Ich war froh um das, was ich erreicht hatte, was ich mir aufgebaut hatte und wollte es gar nicht anders haben. Mein Blick schwankte, manifestierte sich wieder auf der Scheibe, so dass ich ihn ansehen konnte, seine Reaktionen sehen konnte auch ohne ihn direkt ansehen zu müssen. Wenn es eine Reaktion gegeben hätte, die ich betrachten hätte können, denn noch immer stand er dort unbewegt und starrte und die Ferne, suchte einen Punkt, einen Ort, den ich nicht kannte. Verlor sich in seinen eigenen Gedanken. Und ich sah ihn an, versuchte etwas zu erkennen, mit dem ich arbeiten konnte, doch außer seinem steten Atem war einfach nichts zu vernehmen. Ein ewiges, gleiches Heben und Senken seiner Brust, das man kaum wahrnehmen konnte, geschweige denn hören. Es war, als ob er gar nicht hier war. Ein gelegentliches Blinzeln, das ich kaum als solches bezeichnen konnte - eine langsame, gar bedachte Bewegung und ich begann mich zu fragen, ob er in den letzten Tagen, in diesen drei langen Nächten auch nur einmal ein Auge zugemacht hatte. Totenstille und absolut keine Regung, die mir hätte etwas sagen können, nur ein angestrengter, gar lebloser Blick auf die Ferne, die ihm wahrscheinlich auch keine Antworten liefern konnte und ich machte einen kleinen Schritt zur Seite. Einen kleinen Schritt auf ihn zu, genauso langsam wie seine Atmung zu sein schien und betrachtete ihn im Glas der Fensterscheibe. Er sah mich nicht an. Und auch wenn er wahrscheinlich schon lange gewusst hatte, dass ich komme, schon lange spürte, dass ich neben ihm stand, war es lediglich wieder ein Zucken seiner Arme, die ihn verrieten. Ein kurzes, beinahe minimales Verengen seiner Augen und ein Blinzeln, das all diese winziges Reaktionen wieder davon fegte, als wären sie niemals dort gewesen. Er spürte mich. Er wusste wahrscheinlich was ich denke, ohne mich dafür ansehen zu müssen. Wie gerne würde ich ihm zeigen, was ich fühlte. Was in meinem Inneren vor sich ging. Aber wieder hielt mich etwas auf, wieder waren es diese dunklen Seen, die sich einfach nicht auf mich richten wollten, sondern in die Ferne starrten, die mich in meinen Bewegungen innehalten ließ, bevor ich sie überhaupt angehen konnte. Wieder war es dieser eine bestimmte Blick, der sich in all diesen Tagen, in all diesen Stunden nicht verändert hatte und mich über die Spiegelung der Scheibe beinahe anzuspringen versuchte, ohne dass ich den Ausdruck darin vollständig entschlüsseln konnte. Ein Ausdruck, den ich in dieser Form noch niemals bei ihm gesehen hatte. Einer, der mich in mir selbst erschütterte und eine Gänsehaut auf meine Arme trieb, während ich versuchte mir einen Schauer zu unterdrücken. Die Lippen zusammenpresste und noch immer nicht wusste, was ich machen sollte. Wie viel Zeit sollte noch vergehen? Wie lange wollte ich noch einfach neben ihm stehen und nichts machen, wie lange wollte ich warten um Antworten auf meine niemals gestellten Fragen zu bekommen. Wie lange, bis ich mir die Fragen selbst stellen konnte, bis ich die Worte finden würde, die mir auf der Zunge lagen und die ich doch nicht lesen konnte? Wie lange, bis sie mir endlich einfielen, bis mir ihr Wortlaut bekannt wurde und mich nicht mehr im Ungewissen stehen ließ? Ich wusste es nicht. Am Ende war es aber wahrscheinlich nicht einmal mehr wichtig, weil das einzig Wichtige in meinem Leben neben mir stand und mich einfach nicht ansehen wollte. Lediglich einen tiefen Atemzug nahm, den ich dieses Mal sogar in der Stille des Raumes hören konnte, den ich am großen Heben und Senken seiner Schultern sah. Mehr nicht. Nur ein Atemzug, den ich als alles hätte auslegen können und den ich am Ende doch nicht versuchte zu interpretieren, weil wir ihn alle hin und wieder taten. Und doch war es in diesen Momenten so verdammt schwer etwas erkennen zu können, einen Schritt zu machen und einfach nach meinem Instinkt zu handeln, der mir schon so oft geholfen hatte. Besonders bei Vegeta. Unsicherheit, gar Angst, waren in seiner Gegenwart einfach Fehl am Platz und ich nahm selbst einen jener Atemzüge, den ich gerade noch bei ihm beobachtet hatte, bevor ich meinen Blick mit Gewalt vom Fenster, von seinem verblassten Abbild losriss und mich schließlich leicht drehte. Ihn ansah und doch nur sein Profil zu sehen bekam, unbestimmt, wie immer. Nichts aussagend, nichts zeigend. Nichts freigebend, was in den endlosen Gedankengängen seiner selbst vielleicht vor sich gehen könnte und ich legte den Kopf schief. Nur wenige Millimeter, die mir doch genug Freiraum verschafften um besser in sein Gesicht blicken zu können, besser in seine Augen sehen zu können. Die vage Hoffnung hegend, dass er es spürte und sich mir zuwandte. Aber er tat es nicht. Er spürte meinen Blick, die ganze Zeit schon spürte er meinen Blick und jetzt konnte ich es sehen - konnte es sehen an seinen Wangen, in denen die Muskeln begonnen hatten zu arbeiten und er sich wahrscheinlich genauso unsicher darüber war, was er machen sollte, wie ich. Vielleicht wusste er auch gar nicht, an was er denken sollte. Was er fühlte. Ich konnte nur immer wieder annehmen, dass dieser Mann mehr Gefühle besaß als manch anderer und nur auf seine eigene unbeholfene Art und Weise nicht entschlüsseln konnte, wozu sie eigentlich alle da waren. Ich wusste es nicht und konnte nur Vermutungen anstellen, aber am Ende konnte ich mir doch so sicher über diese eine Tatsache sein, wie es nur möglich war. So sicher, wie ich in all der Zeit kaum gewesen war und es trieb mir ein flüchtiges Lächeln auf die Lippen. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Minimal und doch zu gut sichtbar für jeden, der ihn einmal ein wenig besser kennen gelernt hatte. Wie oft in meinem Leben musste ich mir noch darüber bewusst werden, dass der Saiyajin vor meinen Augen etwas ganz Besonderes war? Nicht nur wie Son-kun, der auf seine ganz eigene Weise etwas Besonderes war und auch immer bleiben würde - nein, Vegeta war noch etwas anderes, etwas stolzes und erhabenes, das man einfach schlecht beschreiben konnte. Das eine Wesen, das man schon immer besser kennenlernen wollte, selbst wenn eben jenes Wesen eigentlich gekommen war, um dich zu töten. Das eine Wesen, das eine Art magische Anziehung auf einen ausübt, der man sich nicht entwinden kann und der Neugierde nachgeben musste. Diese Art des inneres Wissens, der Vorahnung im Geiste, dass dieser Saiyajin, der vor so vielen Jahren auf die Erde gekommen war, in Wirklichkeit nicht das war, was er vorgab zu sein. So wie Son-kun damals schon entdeckt hatte, mit seinem unerschütterlichen Glauben an das Gute, dass Vegeta es auch enthielt. So wie der größere Saiyajin, mein Freund aus Kindertagen, es von Anfang an gesagt hatte, hatte es sich bewahrheitet und auch wenn es immer wieder kleine Rückschläge gegeben hatte, war ich niemals bereit gewesen aufzugeben. Wie auch jetzt nicht. Er kam mir nicht damit davon, dass er mich nicht ansah. Er kam nicht davon, weil ich es nicht zulassen würde und früher oder später erfuhr, was ihm derart auf der Seele lag, wenngleich er es wahrscheinlich niemals zugeben wollte, dass es so war. Aber ich hätte schon blind sein müssen, um es nicht zu sehen, ich hätte wirklich blind oder tot sein müssen, um die endlosen Gedanken nicht zu sehen, die sich in seinem verschlossenen Schädel ihre Bahnen suchten und es ihm unmöglich machten "normal" mit mir umzugehen. Der Begriff normal erhielt bei Vegeta sowieso einen neuen Standard, aber auch das war mir immer egal gewesen. Es war mir egal, weil ich ihn irgendwann lieben gelernt hatte und der Respekt, den ich für ihn hegte, zum Teil sogar zu mir zurückgekommen war - auf seine eigene Weise. Man musste ihn eben nur zu nehmen wissen und kam besser mit seiner Person klar, als mit manch anderen, aber diese Erkenntnis ließ bei einigen noch immer auf sich warten, so dass ich es am Ende war, der einbrach. Der einmal tief Luft holte und sich schließlich wieder umdrehte, dieselbe Pose einnahm, wie Vegeta sie immer machte. Ich verschränkte mehr unbewusst meine Arme, als dass ich es wirklich wahrnahm, starrte ebenfalls wieder nach draußen, nur um sein Spiegelbild trotz allem im Auge zu behalten. Für einen Moment war ich versucht aufzulachen, war wirklich versucht die Lippen zu einem Grinsen zu kräuseln, so wie er es immer tat. Aber ich ließ es, weil ich es geschafft hatte, dass er mich ansah. Weil ich es mit meiner einen kleinen Aktion wirklich geschafft hatte ihn aus seinem Starren zu reißen und den Blick über die Scheibe hinweg zu mir zu richten, eine Augenbraue leicht fragend nach oben gerichtet. Auch wenn die Frage nicht in seinem Gesicht, nicht in seinen Augen stand, so konnte ich sie deutlich sehen und musste letzten Endes doch noch lächeln. Konnte es einfach nicht aufhalten, weil er es war, der es förderte. Weil ich nicht anders konnte, als ihn so zu nehmen, wie er war. Er verstand nicht, was ich wollte und er begriff nicht, warum ich nicht ging. Normalerweise, und da musste ich ihm Recht geben, machte mich diese Art der Ignoranz wirklich wütend, normalerweise bewirkte diese Art, dass ich sauer wurde, ihm irgendwas an den Kopf knallte und schließlich verschwand, weil er es nicht anders verdient hatte, weil er es so haben wollte. Weil er in Ruhe gelassen werden wollte. Heute aber gab ich ihm nicht diese Genugtuung und es verwirrte ihn mehr als irgendetwas anderes. Es verwirrte ihn und ich konnte diese Verwirrung in seinen dunklen Augen aufblitzen sehen, bevor ich beobachtete, dass sich seine Arme nur noch fester zogen. Wenn das überhaupt noch möglich war, dachte ich, während sich seine Augenbraue wieder in ihre Ausgangsposition zurückstellte, er wahrscheinlich die Zähne aufeinander presste, um sich einen Kommentar zu verkneifen. Aber warum? Er war doch sonst um nichts verlegen, machte sonst immer ungefragt den Mund auf und verkniff sich nicht einen seiner bissigen Kommentare, die mich so oft auf die Palme bringen konnten. Nur um jetzt stumm zu bleiben? Jetzt war ich es, die es nicht verstand und doch löste ich meine Pose nicht auf, war nicht bereit aufzugeben, bevor ich überhaupt richtig angefangen hatte und auch wenn mich das Schweigen zwischen uns wirklich begann wahnsinnig zu machen, so war ich nicht bereit schon wieder den Anfang zu machen. Er hatte etwas auf dem Herzen, das konnte ich sehen, ich konnte es fühlen, spüren und beinahe schon riechen - aber er war noch nicht bereit. Er war nicht bereit zu reden. Nicht bereit diesen einen kleinen Schritt zu gehen und über seinen Schatten zu springen, aber ich konnte warten. Konnte warten und eine Geduld aufbringen, die ich schon viel zu oft in ihn gelegt hatte, die mir aber auch immer gute Dienste erwiesen hatte. Vegeta war eben anders, er war speziell. Seine Vergangenheit hatte ihm gelehrt, dass es gefährlich sein konnte seine Gedanken offen preiszugeben, dass es gefährlich sein konnte, sie auf dem Gesicht zu tragen. Was ihn dazu gebracht hatte sich zu verschließen und hinter dieser kalten Maske aus Eis zu verstecken, die ich mehr als einmal gebrochen hatte. Hinter die ich mehr als einmal geblickt hatte. Ich war einfach nicht bereit die Mühe aufzugeben und jetzt, wo wir es wieder geschafft hatten einen der Gegner zu besiegen, von dem wir alle nicht gedacht hatten, dass es klappen würde, es sein zu lassen. Nicht jetzt, wo wir alle wieder sicher auf der Erde zurück waren - es wäre ja beinahe eine Verschwendung gewesen, es klang beinahe leichtfertig zu sagen, dass es einfacher gewesen wäre, aber ich habe nicht umsonst soviel Arbeit in diesen Mann, in diese Beziehung gesteckt, dass ich sie jetzt fallen lassen könnte. Das hatte er nicht verdient, egal was er angestellt hatte. Und mit einem Mal fiel es mir erneut wie Schuppen von den Augen, mit einem Mal war die Erkenntnis so erschlagend real, dass ich sie mit den Fingern greifen konnte, wenn ich die Hand danach ausgestreckt hätte. Egal, was er angestellt hatte... Damals hatte ich es wirklich nicht verstanden, wollte sich mir die Wahrheit nicht erschließen, die sich mir so brennend heiß vor die Augen gelegt und mich gedemütigt hatte. Damals wollte ich die Zeichen nicht erkennen, die erstickende Wahrheit einfach nicht sehen, die sich nun wie ein Fegefeuer durch meine Adern brannte und mich keuchend zurückließ. Und wieder sah er mich an, nichts sagend. Ausdruckslos, wenn man ihn nicht kannte und doch sah ich es. Sah das schwere Schlucken, das sich in der Scheibe spiegelte und mir den Boden unter den Füßen wegreißen wollte. Sah den Ausdruck in seinen Augen, der sich in die Meinen zu bohren schien und mir bis in die Seele blicken wollte und ich sah die versteckte Sorge. Die niemals gestellte Frage, die er sich verkniff und sich eher die Zunge abbeißen würde, bevor er sie laut aussprechen würde - aber ich sah, dass er mich alleine mit seinem intensiven Blick fragen wollte, ob ich okay war. Eine Art schlechtes Gewissen, das er eigentlich nicht haben musste. Das er niemals zugeben würde und ich auch niemals verlangt hätte, so dass ich mich nur dazu zwingen konnte, leicht den Kopf zu schütteln. Kaum sichtbar, so wie seine Gesten, die ich doch zu genau erkennen konnte. Mich zwang ein Lächeln auf meine Lippen zu bringen, um meine vorherige Reaktion abzuschütteln, sie ungeschehen zu machen und in der Stille des Zimmers verschwinden zu lassen, so wie die grausame Realität mit ihr verschwinden sollte. Aber ich musste mich nicht zwingen zu lächeln, es entstand von ganz alleine, wenn ich daran dachte, zu was dieser Mann wirklich fähig war. Zu welchen Ausdrücken man gelangen konnte, wenn man ihn wirklich nur beobachtete und was er so offen der Welt preisgab, ohne es eigentlich zu wollen. Wenn man sich erst einmal einen Platz in seinem Herzen gesichert hatte, dann konnte man sich sicher sein, dass man ihn ewig erhalten hatte, dass man immer wieder dorthin zurückkehren konnte, ohne dass dieser Platz geräumt worden war. Was die Erkenntnis nicht leichter zu ertragen machte. Er war nicht Schuld, er hatte keinen Grund sich diese Gedanken zu machen. Vegeta hatte sich in diesem Moment lediglich von etwas überrennen lassen, das er nicht mehr in seiner Hand hatte, er hatte sich von etwas überrumpeln lassen, dass schon so lange in seinem Verstand schlummerte und nur immer wieder nach hinten, nach unten in seine Höhle zurückgedrängt wurde, weil er es nicht herauslassen konnte. Weil Son-kun nicht da gewesen war, um ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Es war wirklich nur die falsche Zeit und der falsche Ort gewesen, der letztlich zu etwas geführt hatte, dass niemand mehr von uns in der Hand gehabt hatte. Auch wenn es ein wenig enttäuschend klang, dass er sich derart hatte benutzen lassen, dass er sich doch auf eine Weise freiwillig in diese Hände begeben hatte, um etwas zu erreichen, das ihn schon so lange verfolgte. Manchmal... nein, Vegeta war etwas Besonderes und auch seine Gedanken und Gefühle gehörten nun einmal dazu und waren nicht wie bei jedem anderen auch. Sie waren so speziell wie er selbst und im Nachhinein konnte ich mich nicht mehr fragen, wieso er auf dem Turnier derart Amok gelaufen war, wieso er nicht mehr auf uns, auf die Menschheit Acht gegeben hatte - weil wir alle wieder hier waren. Weil es am Ende keine Opfer gab, die es zu beklagen galt. Weil seine Sünde vom großen Drachen reingewaschen wurde. Ich kam nicht umhin, ihm in die Augen zu blicken. Und er musste meine Enttäuschung gesehen haben, musste sie in meinen blauen Augen zu deutlich gesehen haben, weil lediglich ein weiteres Schlucken folgte, bevor er sich selbst wieder abwandte. Mir nicht mehr in die Augen sehen konnte und doch gab die Spiegelung seiner selbst mehr preis, als ich eigentlich sehen wollte. Schmerz... und eine tief sitzende Traurigkeit, die ich mir nicht erklären konnte. Zweifel, die sich in ihm festgesetzt hatten und nicht mehr loslassen wollten und die selbst über seinen starren Blick in die Stadt nicht getrübt werden konnten. Es brach mir das Herz. Es riss es mir aus der Brust und zerfetzte es vor meinen eigenen Augen in zwei Teile, um es auf den Boden zu werfen. Dieser Blick, dieser schmerzliche Anblick brachte es zum schneller schlagen, als es eigentlich sollte, während sich alles in mir zusammenzog und ich die Welt nicht mehr verstehen konnte, weil ich ihn einfach nicht so kannte. Weil das eine so neue Seite an ihm war, die ich heute das erste Mal in dieser Intensität erblickte. Doch kam ich nicht mehr dazu, mich weiterhin diesem Gedanken zu widmen, schloss Vegeta doch nur kurz die Augen und wandte sich mit ihrem Öffnen wieder ab. Drehte sich herum und lief davon, ohne auch nur ein einziges Wort zu mir gesagt zu haben und ich fand mich außer Stande, selbst eines von mir zu geben. Er ging und ließ mich mit meinen eigenen Gedanken, meiner schmerzlichen Erkenntnis einfach stehen, ließ mich alleine und widmete sich den seinen. Ich konnte ihm nur durch die Scheibe hindurch nachsehen. Ihm nachsehen und mich fragen, woher dieser plötzliche Wandel kam, wie er entstanden war und warum... ... warum er das erste Mal in seinem Leben, seit er in mein Leben getreten war, diese Art des Zweifels an sich selbst hegte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)