Die Zauberin und der Kreis der Elemente von Ghaldak (Die Abenteuer der Zauberin Freya, dritte Staffel) ================================================================================ Kapitel 3: Freya in: (17) Die Rettung der Königin (Wind) -------------------------------------------------------- Akt 4, Szene 1 – Ansage Freya und Tarrin verlassen das Schiff (oder besser: gehen gemeinsam auf), woraufhin die Zauberin sich daransetzt, das Bild einer Stadt auf der Bühnenwand um Elemente Havenas, des aventurischen Londons, zu ergänzen. Das wären: Aus dem Wasser ragende Gebäude der untergegangenen Stadtteile, besonders der Magierturm Nahemas, die monumentale Prinzessin-Emer-Brücke, der Bennain-Damm, der zwei Stadtteile verbindet, die Königsburg, das Wachsfigurenkabinett und das Maskenmuseum. Ladric geht auf, hält sich aber noch im (Bühnen-)Hintergrund. Tarrin steht im Zentrum und weiß nicht wohin. Tarrin: Warte hier auf mich. Ich muss… Freya: (ohne sich umzudrehen) Triffst du dich mit einem Kontaktmann? Tarrin: Nein, ich muss das Schiff gebührend verabschieden. Tarrin geht zum Bühnenrand herüber und lässt die Hose runter – wozu ist klar. Ladric nähert sich ihm. Ladric: Die Stimme des Planeten… Hallo, Tarrin. Tarrin: (erschrickt) Was tust du hier? Ladric: Der Natur auf der Spur sein. Wie geht es sich denn so mit der Zauberin? Tarrin: Sie ist nicht weit. Sie kann jeden Moment… Ladric: Ich denke nicht, diesen Anblick wird sie sich wohl gerne sparen. Also, wie kommst du voran? Tarrin: Ladric, was tust du hier? Ladric: Ich schlage mir die Zeit tot. Also? Tarrin: (lacht verlegen) Ich habe sie auf eine ewig währende Suche mitgenommen. Wir zogen los, um die Königin zu retten. Ladric: Und ich zog los, um die Maraskin bei dem Treffen einer neuen Zauberin zu begleiten. Ist das nicht seltsam? Tarrin: (schockiert) Was? Ladric: Und jetzt rate mal, was witzig ist? Tarrin: Sag. Ladric: Rate. Tarrin: Ein Blitz in einer Schafherde, was weiß ich. Sag. Ladric: Königin Yolande konnte sich befreien und floh hierher nach Havena. Tarrin: Nein. Ladric: Ich höre die Maraskin so oft schon dich verfluchen. Wenn ich dir einen Rat erteilen darf – und das tue ich als dein Weggefährte und ein unbeteiligter Beobachter –: Habe dieses eine Mal wenigstens Erfolg, oder du musst gar nicht mehr zurückkehren. Angekommen? Tarrin: … Ladric: Dann habe eine schöne Zeit. Ladric geht ab, Tarrin bleibt in ohnmächtiger Wut zurück. Akt 4, Szene 2 – In den Gassen Havenas Freya tritt an Tarrin heran. Freya: Und du hast wirklich mit niemandem gesprochen? Ich habe dich doch reden hören. Tarrin: Nur ein einsamer Mann auf der Suche nach käuflicher Liebe. Freya: (kichert) Und was hast du gesagt? Tarrin: Ich habe ihn an dich verwiesen. Freya: Nein! Tarrin: Nein, ich sagte ihm, er könne sich seinen Maraskenstachel sonst wo hinstecken. Pause. Beide warten beieinander oder gehen ein paar Schritte. Freya: Und jetzt? In Havena wären wir. Tarrin: Ja, allerdings. Das wäre schwer genug. Freya: Allerdings. Tarrin: Lass uns erst einmal ankommen. Wenn die Königin hier ist, dann lässt sie sich finden, ebenso wie Spuren. Freya: Wo soll ich mich nützlich machen? Tarrin: Warum nicht bei der Stadtverwaltung hier? Wedele mit deiner Ehrenbürgerurkunde und frage nach Auffälligkeiten. Du kannst ruhig bei der Wahrheit bleiben. Freya: Das hatte ich ohnehin vor. Tarrin: Wir treffen uns dann gegen Abend… hmm… Weißt du einen guten Ort? Freya: Wie wäre es vor dem Maskenmuseum? Da habe ich mich damals umgezogen. Ist nicht so gefährlich wie eine Hafenspelunke. Tarrin: Dann das. Viel Erfolg. Akt 4, Szene 3 – In den Gassen Havenas Freya und Tarrin verlassen die Bühne in verschiedene Richtungen und auf verschiedene Weisen; während Freya mit „Entschuldigung, können Sie mir helfen“ mehrere nicht dargestellte Passanten erfolglos anspricht, beschäftigt sich Tarrin mit sich selbst und murmelt immerzu: „Wie? Verdammt noch mal, wie?“ Die von Mal zu Mal erschöpfter aussehende Mineda betritt die Bühne, zusammen mit Ladric. Ladric: Frau Kommandantin? Mineda: Ja? Ladric: Der Zauberer ist in der Stadt, Tarrin. Scheinbar unternimmt er mit der Enttäuschenden einen Ausflug in die Stadt. Mineda: Tarrin ist nicht wichtig. Ich hoffe nur, Sancide erscheint. Ich habe sogar die Kugel mitgeschleppt, damit sie sich gleich beweisen kann. Ladric: Ich habe ihm jedenfalls eine deutliche Nachricht mitgegeben. Er soll nicht schon wieder versagen. Mineda: Warum hast du ihn nicht gleich erschossen? Ladric: Ich hielt es für besser, niemanden auf unsere Fährte zu setzen. Im Augenblick wäre eine Entdeckung fatal. Mineda: Verdammt, das war ein Witz, Ladric. Bin ich denn nur von Idioten umgeben? Ladric: Verzeiht, Frau Kommandantin. Ihr zeigtet zumindest großes Können bei der Wahl Eures Spiegelbildes. Mineda: Scher’ dich weg, du Wurm, oder ich zertrete dich. Ladric: Sehr wohl, Frau Kommandantin. Ladric geht ab. Mineda: Man möchte sie alle ersäufen wie die Ratten. Warum habe ich mich darauf überhaupt eingelassen? Mineda geht ab. Akt 4, Szene 4 – Havena, vor dem Maskenmuseum Freya geht auf, eine Maske tragend, und wendet sich ans Publikum. Freya: Was ist das nur für eine Welt, in der wir leben? Der Wind schneidet kalt von See her, als wollte er mir etwas sagen, doch ich lese keine Antwort. Der Winter wird bald enden, doch Rufus kam nicht und es fiel auch kein Schnee. Dafür kam die Kälte und mit ihr Tarrin. Tarrin… Tarrin tritt auf, offensichtlich betrunken und verzweifelt. Freya beachtet ihn nicht. Freya: Nun heißt es also ausharren… ach, dann muss ich Tarrin gestehen, nichts erreicht zu haben. So lange wartete ich in der Königsburg, nur um zu erfahren, dass sie nichts wissen, und dann… ja, immerhin lieh man mir einen Schlüssel für das Museum. Havena ist eine schöne Stadt. Ich wäre gerne bei der Magierakademie vorbeigegangen, wenn es die noch geben würde, denn das Jahr neigt sich dem Ende entgegen und ich möchte im Rahja neue Kraft schöpfen. Das muss ich vorbereiten, doch ich weiß nicht, wo; die Stadt ist so feindlich Magiern gegenüber und so sehr Nahemas Turm doch reizt, fürchte ich mich. Warum verwende ich nur daran so viele Gedanken und an Tarrins Königin so wenige? Tarrin: Freya, bist du das? Warum hast du eine Maske auf? Freya: Tarrin meinte einmal, ich sei nicht ich selbst, weil ich mich in Büchern und Magie versenken und die Welt um mich herum übersehen würde. Was für ein Unsinn. Jandora würde mir auch sicher darin zustimmen, mal lesen, was sie schreibt. Tarrin: Freya? Höre mir zu… Freya: … Ach, das ist doch ein Witz – und alles nur, weil Rufus nicht erschien. Ich hoffe nur, Tarrin ist nicht auch jünger als ich. (wendet sich an Tarrin) Tarrin, bist du jünger als ich? Tarrin: Nein, wie…? Freya: Nur so. Tarrin: Freya, höre mir zu: Die Stadt ist böse. Ich spüre überall um mich herum Messer und Mäuler, nur bereit, zuzuschlagen, und wir räkeln uns wie auf einem Teller. Wir müssen… Freya: Tarrin, hast du getrunken? Tarrin: Nicht viel. Höre zu, lass uns ein Schiff besteigen, das nach Brabak segelt, nur wir beide, und alles hinter uns lassen. Lass mich uns retten, bevor alles zu spät ist. Freya: Die Menschen hier mögen keine Magier, ich weiß, wie sie mich beim ersten Besuch am Tor behandelt haben… Tarrin: Das ist es nicht. Höre zu, ich habe ein ganz schlechtes Gefühl. Freya: Das habe ich auch oft. Kommt von den Alpträumen. Musst du mit leben. Tarrin: Wenn ich nicht auf meine Ahnungen höre, bereue ich es zumeist. Wie geht es dir da? Freya: (zieht ihre Maske ab) Ähnlich, eigentlich. Tarrin: Dann lass uns verschwinden, ehe die Nacht uns ereilt. Freya: Schon gut, lass mich nur noch meine Maske und den Schlüssel zurückbringen, ich hatte uns nämlich ein Hauptquartier besorgt, weißt du… In diesem Moment geht Sancide samt einigen Magiern von Orden der Grauen Stäbe zu Perricum, der Armee der Grauen Gilde, auf. Sancide war in Andergast Freyas Tutorin, eine kühle brünette Frau in den Zwanzigern ohne besondere äußere Merkmale, gewandet wie die sie begleitenden Statisten. Sancide: Abend, Lina. Du hast kurz Zeit für mich? Freya: San. Tarrin: Nein, wir wollten gerade aufbrechen. Sancide: Und wohin? Freya: Ja, sicher. Wie kommt… Tarrin: Das geht nur sie und mich was an. Tarrin und die Graustabmagier nehmen mit ihren Stäben Kampfhaltung ein. Freya geht dazwischen. Freya: Genug. Waffen runter. Natürlich habe ich Zeit, San. Tarrin: Ich werde dich nicht mit ihr… Freya: (unterbricht ihn) Darf ich vorstellen, Tarrin, das ist meine Tutorin aus Andergaster Tagen und die beste Zauberin, die ich kenne: Sancide de Ruthor. San, das ist Tarrin vom Weißen Orden, gemeinsam suchen wir nach der verschwundenen Königin Yolande. Tarrin: (zischt) Das muss die doch nicht wissen. Sancide: Dann hätte Herr Tarrin doch sicher nichts dagegen, uns allein zu lassen, da wir über Angelegenheiten des Ordens sprechen werden. Torja, wären Sie so lieb, unserem Gast das Maskenmuseum zu zeigen? Tarrin: Sie ist mein Mädchen. Wenn du ihr was Böses tust, dann helfen… Sancide: Habe ich verstanden. Freya: Ich bin nicht dein Mädchen. Tarrin verlässt mit einem der Statisten die Bühne. Ein bisschen Zeit vergeht. Freya: Also, was gibt es? Sancide: (sie übergibt ihr einen Brief) Lies. Freya: „Sancide de Ruthor, wir, Eminenz von Nostria, König Ingvalion Kasparbald Kasmyrin, erbitten uns Ihre Dienste als Zauberin an unserem Hof…“ Ist das wirklich echt? Sancide: Ja. Freya: Hmm…. Hmm, hmm, hmm… „So Ihnen zusagt, was wir Ihnen bieten, erscheinen Sie im Travia des Jahres in Havena, wohin wir eine Kommissarin entsenden werden, die sie an der Prinzessin-Emer-Brücke zu treffen vermögen.“ Gesiegelt und alles… Und, nimmst du an? Sancide: Wir nehmen Mineda fest. Freya: Was? Sancide: Mineda Morga, die Attentäterin aus Maraskan. Freya: Du denkst, sie ist die Kommissarin? Sancide: Denke doch einmal nach, Lina, dann verstehst du es. Freya: Aber ich kenne Kasparbald. Er nahm mich in Nostria auf, als sich der Staat gegen mich wandte. Sancide: Sprechen wir das nächste Mal darüber. Was ist mit dem Weißmagier? Vertraust du ihm? Freya: Er ist irgendwie komisch, aber ich denke nicht, dass er mir Böses will. Er redet nur immer wieder davon, dass ich sein Mädchen sei. Sancide: Erzählst du mir, wie du ihn kennen lerntest? Freya: Das war in Grangor im Winter. Er half einem Freund dabei, ein Lehen zu sichern, und bat auch mich dafür um Hilfe. Später wollte er mit mir nach der Königin suchen, Yolande II. von Nostria. Sie verschwand, weißt du? Sancide: Und deshalb bist du hier? Freya: Ja, er wollte meine Ehrenbürgerwürde für die Suche nutzen. Ich dachte, ich helfe ihm, die Queste ist ja nobel. Sancide: Vertraust du ihm? Freya: Weiß nicht. Er ist Weißmagier, das sind doch die Guten. Sancide: Wenn du meinst. Freya: Denkst du nicht? Sancide: Ich sah einen betrunkenen Mann mit blank liegenden Nerven. Freya: Die Stadt ängstigt ihn. Ich kann es ja verstehen. Sancide: Ich würde erst verstehen, wenn ich wüsste, wovor er sich fürchtet. Würdest du ihn aber für mich im Auge behalten? Ich kann mir jetzt über ihn keine Gedanken machen und Ärger mit dem Weißen Orden ist das Letzte, was ich jetzt brauchen kann. Wir kümmern uns um Mineda, danach kehre ich zu dir zurück. Freya: Brauchst du mich denn nicht? Sancide: Meine Männer sind aufeinander eingespielt und vertrauen einander blind. Das möchte ich jetzt nicht aufs Spiel setzen. Tut mir leid, Lina. Freya: Und was wolltest du dann von mir? Sancide: Ich wollte dich sehen und dir mitteilen, dass wir dich von der Frau erlösen, die dich umbringen wollte, und dich warnen, damit du auf der Hut bist, sollte etwas schief gehen. Ich hoffte, du würdest mir Glück wünschen. Freya: Ich wünsche dir alles Glück der Welt, San. Sei vorsichtig, seid ihr das alle. Sancide: Und jetzt gehe schlafen, Lina, jetzt gehe schlafen. Und schweige über das, was du erfuhrst. (Pause, dann lauter) Wir sind hier fertig. Die Grauen Stäbe rücken ab. Sancide geht mit ihren Statisten ab, samt jenem, der sich im Gebäude aufhielt. Darauf tritt auch Tarrin wieder auf die Bühne, nüchterner und ruhiger. Pause. Tarrin: Was wollte sie denn? Freya: Mich warnen. Mineda ist in der Stadt. Und jetzt komm, ich habe da drinnen irgendwo Decken gesehen. Beide gehen ab. Akt 4, Szene 5 – Havena, am Meer Tarrin erscheint, müde und gehetzt, mit einem Buch in der Hand. Ein dunkles Licht genügt für die Szene. Tarrin: Ich wünschte, ich könnte schlafen, ja ich wünschte, ich könnte es, doch es ist so eng und böse zwischen all den Masken, der Wind zerrt am Dach und die Dunkelheit schreit wie ein kalbender Gletscher. (brüllt) Du sollst nicht ächzen! Du sollst nicht brechen! Du sollst einfach schön und kalt sein! (nichts passiert, wieder leiser) In was für einer Welt leben wir hier, in was für einer Zeit? Da denkt man, einen Menschen zu kennen, man hört zu, wenn Freunde und Gefährten über ihn sprechen, man liest über ihn und doch weiß man nichts. Lina d’Anconi, wer bist du und wie kann ich uns beide die Hölle ersparen, die sich gerade um uns aufbaut? Freya; ich könnte dich… (er holt mit dem Buch aus und möchte es ins Meer werfen, kann sich dann aber nicht davon trennen, weshalb er sich setzt und darin liest.) Ihr Magierinnen der Grauen Gilde seid so frei, nicht so eingeschränkt und festgesetzt wie wir. Ihr entscheidet selbst, welches Wissen ihr aufschreibt und für die Zeit nach den Akademiemauern sichert. Bei dir beginnt alles mit deinem Stammbaum, Fragen nach deiner Mutter und Mutmaßungen, dass der Zweig deiner Familie aus Albernia stammt (er reißt zwei Seiten heraus und wirft sie ins Meer), dann ein langer Abschnitt zu rechtlichen Aspekten des Gildenmagiertums und besonders seine Rechte und Pflichten (reißt Seiten), Gewandungsvorschriften und wo man sie wie auslegt (reißt Seiten), zwei Seiten Thorwalsche Runen und Wörter… hihi, „Galdmader“ (reißt Seiten), dann die Zauber, Reinschrift und Notizen, doch außer dem Ignisphaero nur Müll (versucht zu reißen, bringt das Bündel nicht ab und überblättert einfach), Ritual zur Stabbindung, Notizen zum Madatanz und ein schöner Satz loses Pergament zu Sternbildern, Lebensweisen, Übungen und Gedanken für eine Große Meditation. Sie hatte einen richtig guten Lehrmeister (nimmt die losen Blätter und wirft sie ins Meer). Dann noch dieser letzte Eintrag mit dem unglücklichen Ritual und der Bindung an den Stab, in der gleichen Handschrift, doch zum Magischen seltsam vage. Ist es prophetisch oder einfach nur falsch? Wenn ich raten müsste, dann… Mineda. (Er wird wütend und will nun erneut das Buch ins Meer werfen, besinnt sich aber wieder.) Leere Seiten, Rattenbisse, nicht einmal Geheimbotschaften und dann… im Einband ein Bild von ihr, Freya nackt und geschunden als leidende Rahja auf dem blutbefleckten Stoffpanzer. Welch ein Körper, was für Augen, dieser Blick – stolze Entschlossenheit am Rande des Abgrunds. Der Künstler log nicht. Sie ist wirklich so. (vorsichtig löst Tarrin den Einband des Buches und wirft es ins Meer, während er das Bild bei sich verstaut.) Hätte ich sie damals getötet, säße ich heute wieder mit freiem Kopf in einem Graben bei Greifenfurt, doch ich bereue nichts. Freya geht auf, ebenfalls müde. Freya: Tarrin? Was machst du hier? Hast du geschrieen? Tarrin: Ich konnte nicht schlafen. So viele leere Gesichter an den Wänden, die mich anzustarren scheinen. Freya: Du hast mich geweckt. Der Wind zog herein und ließ die Tür knallen. Tarrin: Verzeih. Freya: Macht nichts. (sie setzt sich neben ihn und blickt in die Ferne) Die dunklen, unruhigen Weiten. Selbst am Tag und bei bester Sicht könnten wir nicht die Häuser sehen, zwischen denen wir aufbrachen. Ich glaube, uns steht ein richtiges Unwetter bevor. Tarrin: Freya, kannst du eigentlich schwimmen? Freya: Mein Vater brachte es mir als Kind bei, doch seitdem… Feuer und Wasser, Andergast und Küste. Warum? Tarrin: Ich stelle mir vor, wie du dich in den Wellen bewegst wie ein Hammerhai, du als Galdmader. Ich hätte dir gerne dabei zugesehen. Freya: Was hast du nur für seltsame Vorstellungen? Tarrin: Warum? Du nackt oder in klebender, durchscheinender Robe? Ich finde die Vorstellung nicht seltsam. Freya: Ach, Tarrin, immerzu das gleiche. Meinst du es denn ernst oder redest du nur? Tarrin: Ich meine es ernst. Freya: Sag das nicht. Tarrin: Warum? Es ist so. Freya: Aber im Bornland wartet der Junge meines Herzens auf mich. Er ist dabei, ein Krieger zu werden, und das ist so anstrengend, dass er keine Zeit dafür hatte, im Winter zu mir zu kommen, oder kein Geld, weswegen er mir nicht schreibt, aber… Es war doch so schön mit ihm und wird es wieder sein… Tarrin: Wenn du mein Mädchen bist, wird er dir nichts mehr antun. Dann stelle ich mich vor ihn und sage ihm, dass seine Zeit vorbei ist. Freya: Du wärst auch nicht der erste Mann in meinem Leben, auch nicht der zweite. Carro verließ voller Ekel das Land, Jannis lief zu den Schwarzen Landen über und Rufus versteckt sich im Schnee vor mir. Willst du wirklich riskieren, dass es dir genauso geht? Tarrin: Ekel, Eis und Schwarze Lande konnte ich überstehen. Freya: Was für ein Mann bist du, der freiwillig das Übel wählt? Tarrin: Du hast nur Angst vor der Entscheidung. Freya: Ja, habe ich. Bislang war immer ich die Treue. Tarrin: … Freya: (unterbricht ihn, ehe er etwas sagen kann) Lass uns reingehen und Schlaf finden. Ich glaube nicht, dass aus dem Samen, der heute Nacht gesät wird, ein Baum wachsen kann – der Sturm wird ihn fortwehen, ebenso wie jedes Schiff nach Brabak. Tarrin: Dann meinst du also…? Freya: Sieh’ dir die See doch an. Machen wir es uns besser gemütlich, wir haben Zeit. Beide gehen ab. Akt 4, Szene 6 – Havena, Prinzessin-Emer-Brücke Das Licht bleibt dunkel. Mineda geht auf und trägt dabei eine Kristallkugel, Sancide nähert sich langsam. Da zerreißt ein Schrei die Stille. Tarrin: (aus dem Off) „Du sollst nicht ächzen! Du sollst nicht brechen! Du sollst einfach schön und kalt sein!“ Beide lassen sich davon nicht stören. Mineda: So milchig weiß und in der Nacht grau… sagt mir, was ich da in meinen Händen halte. Sancide: Eine Kristallkugel eines Zauberers. Mineda: Und was sehe ich darin? Sancide: Da Ihr keine Zauberin seid, bloß Euer Spiegelbild. Mineda: Und Ihr? Sancide: Da ich eine Zauberin bin, sehe ich eine Frau, die auf der Brücke zu treffen ich hier bin, doch dafür benötige ich keine Zauberkugel. Sancide de Ruthor, Magierin aus Andergast und im Dienste des Ordens der Grauen Stäbe. Mineda: Ich weiß, ich weiß. Ihr habt das Schreiben? Sancide: Natürlich. (Präsentiert den Brief.) Mineda: Gut. Man kann in dieser Zeit nicht vorsichtig genug sein. Es ist, als würde der Boden unter der Welt beben. Sancide: Die Brücke schwankt im Wind. Möchten Sie mit mir ein paar Schritte gehen? Mineda: Natürlich. Gibt es, was den Schrieb angeht, irgendwelche Unklarheiten? Sancide: Ich habe ihn verstanden. Mineda: Und die Zahlen scheinen auch zu stimmen, sonst wären Sie nicht hier, nicht wahr? Sancide: In einer Hinsicht schon, in anderer nicht. Ihr Gebot ist mehr als angemessen, doch wie Sie wissen, stehe ich im Dienste des Ordens. Das wird kein unüberwindbares Hindernis sein, zumal auch Zauberer Geld brauchen, doch frage ich mich nun, was sich sicher auch jeder Provinzherr fragen wird, dem ich später in meinem Leben davon erzählen werde und der auf Treue Wert legt: Was bietet mir die neue Aufgabe, von einem Titel abgesehen? Wie kann ich eine neue Uniform guten Gewissens anlegen? Mineda: Der König von Nostria, Ingvalion Kasparbald Kasmyrin, wünscht, seinen Staat zu erneuern und den alten Hass zu begraben, worum sich auch König Efferdan von Andergast bemüht. Eine Hofmagierin aus Andergast, die aufgrund ihrer horasischen… Sancide: (unterbricht) Septimischen! Mineda: (korrigiert sich gereizt) … die aufgrund ihrer septimischen Herkunft zwischen den Parteien steht, wäre da ein starkes Symbol. Sancide: (Pause) Ich sah Firlina Galahan, die Zauberin Freya, in der Stadt. Sprachen Sie mit ihr? Sie wäre ein genauso starkes Symbol, doch mit schönerem Gesicht, billiger und leichter zu haben. Mineda: Sie kennen sie? Sancide: Andergast ist ein Dorf. Mineda: (schnell) Tatsächlich fasste der König auch sie ins Auge, doch ich werde ihm von ihr abraten. Hinterher denkt sie an alles, nur nicht mehr an seine Sicherheit. Sancide: … Mineda: Sie besaß außerdem schon in Nostria die Gelegenheit, Teil des neuen Staates zu werden, doch sie lehnte ab und zog weiter. Ich werde sie auch deshalb nicht erneut ins Gespräch ziehen. Sancide: Ich bin eine Kampfmagierin mit starken Flammenlanzen und mächtigen, gleißenden Schilden. Das lernte ich, das tue ich und dafür werde ich geschätzt. Ich kann niemanden mit bunten Bildchen erheitern und betrachte derlei als Verschwendung von Kraft und Energie. Ich werde mir diese Kenntnis auch nicht aneignen und mich niemandes Willen beugen, der nur dies beherrscht. Kann sich Majestät damit anfreunden? Mineda: Natürlich, spielend. Sancide: Ich möchte die Zeit auch dazu nutzen können, meine eigene Kraft zu steigern, also benötige ich Übungsräume und die passenden Folianten. Steht mir die Akademie Nostrias dafür zur Verfügung? Mineda: Ich wüsste nichts, was dagegenspricht? Sancide: Ich sehr viel. Darf ich also die Phase überspringen, in der ich weitere Unannehmbarkeiten verlange, um zu dem Punkt zu kommen, an dem sie mir offenbaren, dass ich nicht für Nostria, sondern für Sie arbeiten soll, Mineda Morga? Mineda: Sie sind gut. Sancide: Ich trüge nicht das Rohalsmal des Jahrgangsbesten, hätte ich mich je vor Hausaufgaben gescheut. Mineda: Nun denn, würden Sie zu den gleichen Konditionen in meine Dienste treten, Sancide de Ruthor? Sie erhalten dann sogar mehr als der so genannte König von Nostria. Sancide: Die Frage bleibt: Warum? Mineda: Ich habe so viele Zauberer erlebt und keiner von ihnen taugte etwas. Ihnen fehlen es an Charakter, Mut, Zuverlässigkeit und der Blick dafür, dass manchmal das Weltliche das Wichtige ist. Sehen Sie sich nur Firlina an: Naiv, unstet und treulos… und sie gehört noch zu den besseren Exemplaren. Dann hörte ich von Ihnen und dachte mir: Diese Frau will ich nicht als Feind, sondern als Freund haben, dieser Frau würde ich mein Leben anvertrauen und mich auf ihren Ratschlag verlassen können. Havena war eine Glanztat, Sie ahnen nicht, wie sehr. Sancide: Firlina… arbeitete sie je für Sie? Mineda: Nur ohne ihr Wissen. Sancide: Und der Mann an ihrer Seite, der Weißmagier Tarrin? Entstammte ihm der Dämon in Andergast? In diesem Moment ertönt ein Horn. Mineda: (unruhig) Das Nebelhorn von Nostria. Jemand greift meine Schützen an. Sancide: (drängender) Der Weißmagier Tarrin, was ist mit ihm? Enttäuschte er Sie auch? Mineda: Sie greifen mich an. Warum? Sancide: Im Namen der Grauen Stäbe zu Perricum, Sie sind verhaftet, Mineda Morga. Leisten Sie keinen Widerstand, dann wird Ihnen eine Behandlung gemäß des Khunchomer Kodex zuteil. Mineda: Niemals! Mineda greift in ihr Gewand, um eine Waffe zu ziehen, Sancide deutet mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand auf sie – Blitz dich find, ein Blendungszauber. Getümmel entsteht, da gleichzeitig nostrische Waldläufer und Magier des Ordens der Grauen Stäbe auf die Bühne hasten und in einem Tumult gegeneinander kämpfen. Sancide: „Bha’iza da feyra!“ Sprich! Gehört Tarrin zu dir? Mineda: Kein Wort mehr. Der Kampf entbrennt und Mineda und Sancide gehen im Getümmel verloren. Akt 4, Szene 7 – Havena, am Hafen Tarrin sitzt allein am Meer wie zuvor. Da ertönt der Hornstoß von der Brücke. Tarrin: Das ist das Horn Nostrias. Also kommt es zum Kampf. Zeit vergeht. Freya tritt schließlich verschlafen auf. Sie wird sich neben ihn setzen. Freya: Also, ich bin ja schon dafür bekannt, kaum eine Nacht durchzuschlafen, aber du stellst mich ja in den Schatten. Tarrin: Hast du es dir überlegt? Freya: Ist dir das so wichtig? Ich glaube es nicht. Sonst bin immer ich die, die klammert. Tarrin: Dann lass dir Zeit. Sie lehnt sich an ihn. Zeit vergeht. Tarrin: Siehst du, wie sich die Sonne ankündigt. Sie wird uns unseren Rücken wärmen und das Wasser zum Glänzen bringen. Wie unruhig es doch ist… Freya: Tarrin? Du bist so ruhig. Tarrin: Ein schönes Bild, nicht wahr? Halte es fest und greife danach, wenn die Hölle um dich herum tobt und du denkst, niemals wieder ein Licht zu sehen. So kam ich auch durch den Greifenfurter Schlamm. Freya weiß nichts zu antworten. Zeit vergeht. Tarrin: Siehst du da vorne das Fischerboot? In aller Frühe laden sie Körper in Mehlsäcken auf und verstecken sie unter den Netzen. Auf der Fahrt werden Fische sie bedecken, damit es in Grangor nicht nach Kadavern stinkt. Freya: Ernsthaft? Tarrin: Bleib sitzen. Freya: Ich kann doch nicht… Tarrin: Es ist getan. Welches Schicksal uns erwartet, das wurde nun gewählt. Freya: San… davon sagte sie nichts. Tarrin: Sie nahm dich ja auch nicht mit. Freya: Und das heißt… Tarrin: Ich weiß es nicht. Du siehst nur, was ich sehe. Freya: Ich sehe jetzt jedenfalls nach. Diese Ungewissheit brächte mich um. Tarrin: Berichte mir dann, was du sahest. Ich warte bei den Masken auf dich. Tarrin geht langsam ab, während es dunkel wird. Freya spricht in die Stille. Freya: „Entschuldigen Sie, was tun Sie da?“ Ein Schlag ertönt und ein Körper fällt. Als das Licht sich wieder erhebt, sieht man eine leere Bühne. Akt 4, Szene 8 – Havena, nahe der Brücke Die Szene findet kurz zuvor statt und besitzt deshalb noch Nacht-Beleuchtung. Mineda und Ladric gehen rennend auf. Mineda: Haltet sie auf. Kämpft bis zum Letzten. Verschafft mir Zeit. Sancide: (aus dem Off) „Fial miniza dao’ka!” Mineda wird von einem Kampfzauber getroffen und taumelt, schleppt sich jedoch weiter. Mineda: Ladric! Warte auf mich. Hilf mir! Ladric: Verzeiht, Kommandantin, doch ohne Euch renne ich schneller. Er geht schleunigst ab, während Mineda ihn verflucht und ihm nachhumpelt. Black. Akt 4, Szene 9 – Havena, Taverne „Am Garether Tor“ Als das Licht zurückkehrt, liegt Freya inmitten einer Taverne, wobei sich der Wirt Colgar zusammen mit seiner Tochter Idra um sie kümmert; er ist ein heruntergekommener Endvierziger, der so schäbig aussieht wie sein Haus, sie ein Mädchen in der Pubertät mit prächtig entwickelten weiblichen Reizen, die als Schankmagd arbeitet. Colgar: Ich hoffe ja, sie lässt wenigstens noch etwas springen, denn so wie die Kundschaft in letzter Zeit ausblieb, könnten wir ein bisschen Gold gut gebrauchen… und alles nur, weil so ein Hund gesagt hat, in meinen Eintöpfen befände sich Rattenfleisch. Ich sage dir, wenn ich herausfinde, wer es war, dann wird der noch herausfinden, was da in meine Eintöpfe kommt… Freya stöhnt auf. Colgar: Moment, so habe ich das gar nicht gemeint. (lauter) Hohe Dame, Sie sind in Sicherheit. Freya: (schwach) Tarrin? Idra: Nein, Hohe Dame, Sie befinden sich im Garether Tor, dem besten Gasthaus an diesem Abschnitt der Mauer. Sie lagen auf der Straße und Xeric ist über sie drüber gefallen und hat sich auf dem Pflaster einen Zahn rausgeschlagen. Was hat der getobt. (lacht) Colgar: Was zu essen oder zu trinken? Die Unterkunft berechne ich Ihnen eh schon. Freya: War ein Magier hier… oder eine Magierin? Draußen… Idra: Hohe Dame lag auf der Gasse und das tun Menschen hier nur, wenn man sie abfüllt oder ausraubt. Sie riechen jedoch nicht nach Alkohol. Geht es Ihnen gut? Colgar: Wenn sie was Warmes will, kostet das aber extra, weil ich dann noch mal schüren muss. Freya: Ja. Ja… War ein Zauberer hier? Kräftig, blondes Haar, weiße Robe? Idra: Nein, werter Herr Zauberer wird Sie sicher nicht hier vermuten. Sie lagen hier seit einigen Stunden und schliefen ganz ruhig. Freya: Es ist Furchtbares geschehen. Säcke mit Füßen wurden auf ein Fischerboot verladen. Idra: Das ist vorbei. Es ist Tag. Sie sind in Sicherheit. Freya: Aber das Verbrechen… Idra: Ist verhehlt. Die Fischer stachen sicher schon vor langem in See. Kommen Sie erst einmal zu Kräften. Colgar: Kann die denn überhaupt zahlen? Ich meine, hat die denn noch Geld oder füttern wir hier eine Tempelmaus? Freya: Tarrin steht sicher für mich ein… doch Moment, es ist alles da. Idra: Dann sehr erfreut, ich bin Idra und sorge gerne dafür, dass Sie zu Kräften kommen. Womit kann ich Sie erfreuen? Colgar: Idra! Idra: Mit welch Speis oder Trank natürlich. Freya: Wasser… wäre nett. Ich bin übrigens Freya… von der Grauen Gilde. Idra: Die Freya? Colgar: Welche? Steht die auf der Liste? Freya: (antwortet Idra) Ja. Idra: Nein, sie nahm es letzten Winter mit einigen namenlosen Meuchlern auf. Sie ist berühmt. Colgar: Gut, dann bekommt sie was. (zu sich) Dachte schon, die hätte mal hier die Zeche geprellt. Freya: (bekommt von Idra einen Krug) Danke. Mein armer Kopf. In diesem Moment (und damit am frühen Morgen) betritt Agir, der Fischer, die Taverne. Agir: Ist das ein Sturm. Min Jung, ich sage dir, es würde mich nicht wundern, wenn bald wieder die ganze Stadt absäuft. Verdammte Invher, verdammte frevlerische Königin… gib mir was Echtes. Idra: Seid ihr nicht draußen? Agir: Nicht die Fischer, nur die Schmuggler. Denkst du denn, ich riskiere jetzt für ein paar Silber mein Leben? Freya: (leise) Nein. Agir: Die ganze Welt geht eh zu Grunde. Hast du gehört, dass einer unserer Kaufleute, der feine Herr Halmar Gwaihin, vor einigen Tagen noch eine verborgene Dame beherbergte, und das, obgleich er eine Frau zuhause und zwei im Hafen hat. Habe gehört, es soll eine Königin auf der Flucht gewesen sein, in höchster Not, und nun wurde er überfallen und sie ist fort. Ein Jammer. Freya: (steht schwach auf) Königin Yolande aus Nostria? Agir: Kann sein, warum? Wer sind Sie? Idra: Sie wurde überfallen und von Xeric gefunden. Der hat dabei wirklich einen Zahn eingebüßt. Freya: Sagen Sie mir, wo ich ihn finde. Das ist eine Spur. Agir: Klar, gegen Klares. Idra: Sie möchten wirklich schon aufbrechen? Freya: Ja. Danke euch allen, ich werde es nicht vergessen, doch die Pflicht ruft. Colgar: Sie soll noch bezahlen. Freya: Ja, ja, ja… (wühlt und bezahlt dann) Die Königin bei einer Gwaihin, ich werde verrückt. Idra: Und immer auf der Suche nach neuen Abenteuern. Das klingt gut. Freya geht ab. Black. Akt 4, Szene 10 – Havena, im Haus des Händlers Um nicht den Zuschauer in Dialog zu ertränken, wird Halmar, ein archetypischer Kaufmann, einen Monolog halten, während Freya kreuz und quer über die Bühne eilt. Wie er aussieht, ist eigentlich nicht wichtig. Halmar: Ja, du hast recht, sie war hier. Sie kam aus Nostria in der Nacht und erzählte mir, Männer seien hinter ihr her und führten Böses im Schilde, und ich, ja, ich habe Verwandte in Nostria und da kam ich der Bitte nach. Ich versteckte Yolande so gut es ging, doch mein Haus ist groß und die Menschen tuscheln, ein furchtbares Gerede. Dann schließlich hörte ich sie kämpfen, als Männer in ihrem Versteck erschienen, doch so sehr ich rannte, ich kam zu spät. Viel erzählte mir erst Jonas, der Kaufmann von gegenüber. Er hatte in der Nacht nicht schlafen können und sich in seiner Studierstube aufgehalten. Heute früh erhielt ich ein Schreiben, bei dem ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll: Die Entführer verlangen von mir 5.000 Gold für die Königin oder es würde ihr schlecht ergehen. Einen Boten soll ich nach Nordhag entsenden, dort nach einem Orif Gunardson fragen lassen und ihm das Geld überlassen; keine Büttel… (Pause, während er den Kopf schüttelt) Und du bist wirklich die Stieftochter meiner Schwester Madhlen aus Andergast? Freya: (hält kurz inne) Allerdings. Finde ich genauso verwirrend wie Ihr. Halmar: Aedel starb in Nostria an der Blauen Keuche, Madhlen verschwand in Andergast und ließ nichts von sich hören und mir wird eine Königin geklaut. Die Welt verliert immer mehr den Verstand. Meinst du nicht auch? Freya: Tatsache. Halmar: Dann reite wie der Wind. Lass noch einmal den goldenen Glanz des Hauses Gwaihin erstrahlen, ehe uns die Geschichte ganz vergisst. Beide gehen in unterschiedliche Richtungen ab. Akt 4, Szene 11 – Havena, Gassen Mineda wankt durch die Straßen, es gelang ihr, zu entkommen, doch sie ist allein und verletzt. Nun sucht sie Hilfe, auch beim Publikum. Mineda: Bitte, bitte helfen Sie mir. Menschen sind hinter mir her, bitte, ich brauche eine Zuflucht und einen Medicus, eine warme Mahlzeit… bei Travia, seien Sie gütig, bei Peraine… bitte… ach verdammt, verkommen sollt ihr alle, gestoßen in die tiefsten Tiefen der Niederhöllen und zu ewigem Leid verdammt. Ihr Ratten! Ihr Maden! Eine Frau in Not ist eine Frau in Not und was tut ihr? Nichts! (sie bricht zusammen) Alle verlassen sie mich. Alle verlassen sie mich. Man kämpft für sie und steht ihnen bei und im nächsten Moment… Nein, das kann doch nicht das Ende sein. Tarrin geht auf, verzweifelt auf der Suche nach Freya und Böses ahnend. Auch er sucht Hilfe beim Publikum, kann jedoch ebenso wenig erreichen. Über Mineda stolpert er eher zufällig. Mineda: Tarrin. Tarrin: Freya, wo ist sie! Hast du sie gesehen? Mineda: Wie erdreisten sich heute eigentlich alle mit mir zu reden? Man sollte sie doch alle abschlachten. Tarrin: Ich suche sie, um deine Befehle ausführen zu können. Hast du sie gesehen? Mineda: Nein, nicht sie, nur ihre Tutorin… Sancide… sie hat uns verkauft. Tarrin: Ich weiß. Du wurdest Ziel eines Fulminictus, eines Blitzes aus reiner Energie, der dein Inneres zerwühlte, ohne nach außen Spuren zu hinterlassen. Mineda: Dann heile mich. Das kannst du doch, oder? Tarrin: Ja, das vermag ich. (zaudert) Mineda: Was wartest du dann noch? Heile mich. Tarrin: Nein. Mineda: Was? Ich höre wohl nicht recht. Du kommst jetzt her und heilst mich. Tarrin: Nein, es ist genug. Du bist über genug Leichen gegangen, hast zu viele Menschen benutzt und geopfert. Was geschah, ist geschehen, doch die Welt hat es verdient, dass du sie verlässt. Mineda: Dann verrätst du mich auch noch, nach all der Zeit… Tarrin: (leise) Du sprachst mit einer Zauberin, die mich ersetzen sollte. Wer verrät hier wen? Mineda: Ach, jetzt bin ich auch noch schuld daran, dass du so eine Zumutung bist? Jetzt bist du auch noch zu dumm, um zu wissen, dass ich dich gar nicht ersetzen wollte. Ich brauchte nur Hilfe bei einer Kristallkugel… hier… siehst du? Dabei konntest du mir doch nicht helfen. (weicher) Und jetzt helfe mir, dann vergessen wir die Vergangenheit und sehen zu, was wir von der Gegenwart noch retten können. Noch ist nicht alles verloren. Tarrin: Es ist vorbei. Ich werde Freya finden und zu meiner Frau machen und dann glücklich mit ihr in den Nachthimmel reiten. Die ganze schlimme Zeit wird dann vorbei sein und es wird für uns nur noch Glück geben. Mineda: (lächelt) Dann geh und versuche es. Wir wissen beide, dass ich hier nicht sterben werde und wenn er zurückkehrt, dann werden wir eurer eingedenk sein. Tarrin: Lebewohl, Mineda. Mögen sich unsere Wege nie mehr treffen. Tarrin möchte abgehen, hält aber inne. Tarrin: Er kehrt zurück? Mineda: Spürst du es nicht? Die Welt verliert den Verstand, dies sind seine Zeichen. Tarrin hält inne, verlässt dann aber die Bühne. Mineda lacht ihm nach, bis ihr die Kraft dafür ausgeht. Black. Akt 4, Szene 11 – Nordhag, eine Tagesreise von Havena entfernt Eine Taverne dubios aussehender Menschen wartet auf Freya, bäuerlich und einfach gekleidet. Statist 1: Und dann wird sie sterben. Statist 2: Wer? Statist 1: Deine Königin. Die ist zu weit von der Oase entfernt. Statist 2: Nein, verdammt. Nicht schon wieder… Freya: Entschuldigung? Wirt: Gewährt. Freya: Orif Gunardson? Wirt: Da drüben. Mach aber keinen Ärger. Statist 1: Damit gehört die ganze Khom mir und ebenso deine fünf Kupfer. Freya: Orif Gunardson? Statist 2: Kennst du eigentlich die Regeln, die mit dem Bannland spielen? Hörte ich von einem Händler aus Donnerbach. Orif: Wer will das wissen? Freya: Eine Botin des Händlers Gwaihin. Orif: Und hat sie das Geld? Freya: Schon. Statist 1: Mit Echsensteinen und Zze Tha? Freya: Ich hoffe nur, es geht ihr gut. Für den Händler Gwaihin bedeutet das nichts anderes als den Ruin. Statist 2: Und Wüstenelfen und Fata Morganas. Orif: Und? Freya: Nichts, ich habe nur ein Herz für Menschenfreunde. Orif: Verschwinde und sage deinem Herrn, dass die Ware bald eintrifft. Du verstanden, er verstanden? Freya: Schon klar. Statist 1: Neues Spiel? Freya geht an den Rand und wartet darauf, das Orif abgeht. Dann folgt sie ihm. Nach einer Zeit geht er wieder auf, schafft es aber, sich zu verstecken. Freya erscheint wieder in der Taverne und sieht sich um. Statist 2: Warum immer meine Königin? Statist 1: Du musst halt besser auf sie Acht geben. Statist 2: Kann die das nicht selbst? Statist 1: So ist das doch mit den Frauen, wenn sie sich nicht entführen lassen, wird ihnen langweilig. Freya: (zu einem der Gäste) Entschuldigung, haben Sie… Seebär: Setz dich, Junge, und komme erst einmal an. Weißt du, das ist etwas, was ihr Städter nie lernt: Ruhe. Also… Freya: (setzt sich) Wissen Sie, ich bin auf der Suche… Seebär: Früher, da hatten wir noch Zeit, mein Junge, damals, als die Welt noch nicht so verrückt war, da hatten wir noch Ruhe. Heute… Freya: Ich suche… Seebär: Heute werden alle gleich unruhig nur wegen einem bisschen Sturm. Stürzen sich in die See, als gäbe es sonst nicht anderes. Hast du die Schiffe gesehen, mein Junge? Freya: Nur von den Schmugglern. Seebär: Ja, die von den Schmugglern. Die hetzen auch, weil sie Angst haben, der Krieg könnte vorbeigehen. Angst vor dem Ende des Krieges, verstehst du, Junge? Die Welt ist so verrückt, aber bei dem Sturm… Freya: Orif Gunardson. Sagt Ihnen das was? Seebär: Ja, mein Junge, Orif kenne ich. Der ist auch gerade raus, ganz verrückt, aber sonst ein guter Junge. Raus mit seinem Boot, bei dem Sturm… Freya: Danke. (steht auf und eilt weiter) Seebär: Gerne, mein Junge. Und schon… sie sind doch verrückt. Freya geht ab. Akt 4, Szene 12 – Havenas Gassen Es wird dunkel, man hört Meeresrauschen und Kampfeslärm, Zeichen eines im Großen kaum darstellbaren Abenteuers. Da geht Mineda auf, mehr tot als lebendig, doch die Bühne bleibt dunkel. Mineda: Hallo, ist hier wer? Wer erbarmt sich einer geschundenen Frau? Es ist so hell und warm auf meiner Haut. Ist es Tag? Zog der Sturm vorbei? (Zeit vergeht, eine Gestalt nähert sich) Freya, bist du das? Du bist es, nicht wahr? Du kehrst mit der Königin heim, denn du bewiesest, dass du nur allein zu wahrer Stärke fähig bist. Deine Feinde liegen betäubt und gefesselt in einem Zwergenstollen der toten Windhagberge, gebrochen durch Stab und Magie, und auch der Entführer konnte in die Schranken verwiesen werden. Wer war es? Kenne ich ihn? Ich glaube nicht. Es ist, als hätte mir die Welt selbst einen Streich gespielt. (lauter) Freya, Freya komm zu mir und heil meine Wunden, schenke mir noch einmal das Leben, wie du es in Andergast tatest. Ich verspreche dir, ich werde es dir nicht vergessen… Ja, diese Wärme. Du kamst wirklich weit, kleine Lina. Das Licht geht an und Sancide steht neben Mineda. Mineda: Du? Sancide: Im Namen des Ordens der Grauen Stäbe zu Perricum verhafte ich dich und verspreche dir, dass dich der Khunchomer Kodex schützt, solange du keinen Widerstand leistest. Stehe auf. Mineda: Dann werde ich überleben? Sancide: Das wird der Orden entscheiden, doch für den Moment kannst du dich sicher fühlen. Sie gehen beide ab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)