Phoenix Heart von Venka ================================================================================ Kapitel 1: Phoenix Heart ------------------------ Phoenix Heart Seufzend betrat der Kai den Dojo, in dem sich die Bladebreakers zumeist aufhielten, wenn das Team gemeinsam für Wettkämpfe trainierte. Einerseits war es einfacher und preiswerter, als ein Hotel, andererseits war hier alles vorhanden, was man zum Training brauchte und eine gewisse familiäre Atmosphäre ließ sich auch nicht verleugnen. Nicht, dass er sonderlich auf diesen ganzen Kram gestanden hätte, so musste er sich doch einräumen, dass er ohne seine Freunde wohl doch nicht so stark war, wie er sich das gern immer eingeredet hatte. Sicher, er hatte immer noch seine Momente, in denen man ihn am besten in Ruhe ließ und weder ansprach noch sich ihm in sonst einer Weise näherte, aber nach über zwei Jahren konnten die vier anderen Mitglieder des Teams diese Launen durchaus deuten und gingen ihm dann einfach aus dem Weg. So hatte es auch an diesem Tag sein sollen, doch ein Anruf auf seinem Handy hatte Kai dazu bewogen, sich doch wieder von der erfrischenden Kälte des Parks in die muckelige Wärme des Dojos zu begeben. Laut Tyson sollte es etwas wichtiges zu besprechen geben und sollte dies nicht wirklich der Fall sein, konnte er sich ja immer noch eine kleine Gemeinheit ausdenken, dafür dass der blauhaarige Japaner ihn in seiner Konzentration gestört hatte. Nachdem er sich seiner Winterklamotten entledigt und sich den Schal wieder gerichtet hatte, betrat der Halbrusse schließlich den Hauptraum des Dojos, in dem sie vor ein paar Monaten alle gemeinsam campiert hatten. Jetzt, da sie mehr oder weniger Stammgäste waren, hatte jeder von ihnen ein eigenes kleines Zimmer in dass er sich zurückziehen konnte, wenn ihm danach war. Gemeinsam in einem Raum zu schlafen war ja ab und an ganz nett, aber irgendwann war das Maß eben voll. Ein kurzer Blick durch den Raum zeigte ihm, dass er tatsächlich der letzte der Gruppe war, der zum kurzfristig anberaumten Treffen erschien, denn sowohl Tyson, Max, Kenny, Ray und die ihn ständig anhimmelnde Hilary waren bereits anwesend. Und dieses Mädchen mit ihrem Verhalten war für ihn mehr als nur nervenaufreibend und so war er immer wieder froh, wenn er sich selbst sicher sein konnte, dass sie nicht mit ihnen in einem Haus übernachtete. „Also Tyson... – Was ist denn jetzt so wichtig...?“, wollte er wissen, nachdem er sich zu seinen Teamkameraden auf die am Boden liegenden Tatamimatten gesetzt hatte. Dabei war sein Tonfall eine Spur schroffer, als er es zunächst beabsichtigt hatte und genau das war dem jüngeren Japaner nicht entgangen. „Oh Mann...“, grummelte dieser zurück. „Es tut mir ja wahnsinnig leid, dass ich dich in deiner heiligen Konzentration gestört habe und damit vielleicht auch verhindert habe, dass du da draußen im Park dir noch was wegholst, aber...“ „Komm zur Sache Tyson... – Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“ „Hast du aber wieder ne Laune heute, ich habe dir schließlich nichts getan... – Meine Güte...“ „Dann sorg bitte dafür, dass sich das nicht noch weiter ins Negative zieht!“, gab Kai zurück und der warnende Unterton war dieses Mal absolut nicht mehr zu überhören. „Tyson kann nicht mal was dafür.“, mischte sich Ray in das sich grade immer weiter aufschaukelnde Gespräch ein. Der Chinese wusste, dass Kai, wenn man ihn jetzt nicht bremste, entweder gleich wieder gehen oder Tyson an die Kehle gehen würde. Er wusste genau, es war immer mal wieder so und so sehr sich Kai seinem Team auch angenähert und gelernt hatte, ihnen zu vertrauen, so gab es immer wieder ein paar Tage im Monat, an dem er gereizt wirkte und an denen man ihm besser aus dem Weg ging. Dass ausgerechnet heute, wo er einen Vorschlag zu machen hatte, wieder einer dieser Tage war, war nicht unbedingt von Vorteil aber es musste sein, die Sache war bereits halb beschlossen und duldete keinen Aufschub. „Also was jetzt?“, wollte Kai wissen. „Muss doch n Grund geben, warum ihr mich hierher zitiert und es muss was sein, was nicht bis heute Abend warten kann.“ „Könnte es schon...“, gab der Chinese zurück. „Aber wir haben gedacht, wenn wir eh grade alle hier sind... – Wir kriegen Besuch, ich gebe zu ich hätte es euch eher sagen sollen, aber es war alles etwas kurzfristig.“ „Und derjenige wäre?“, hakte Kai nach, sortierte in seinen Gedanken aber schon mal eine Liste an Leuten vor, bei denen er einen sofortigen Auszug aus dem Dojo bevorzugt hätte. Es gab einfach Leute, mit denen war es unmöglich, sich länger als einen Tag unter einem Dach aufzuhalten. Dazu gehörte allen voran Rays Busenfreundin und selbsternannte Schwester Mariah. ‚Wenn die hier auftaucht bin ich gleich weg...’, beschloss er für sich in Gedanken. Mit einem der Amerikaner konnte er vielleicht noch leben, auch wenn das eher Max Domäne wäre, einen von denen anzuschleppen. Die Demolition-Boys konnte man ausschließen und die Europäer ebenso. – Denen wäre es nicht im Traum eingefallen, Camping in einem Dojo zu machen, das war ja vollkommen unter deren Würde. – Nur wer blieb dann übrig? Nur ein paar Sekunden später wurde der Grauhaarige jäh aus seinen Gedanken gerissen. „...hallo? Kai? – Hörst du noch zu?“ „Äh klar... – Was hast du gesagt?“ „Ich habe dich gefragt ob das für dich OK ist, wenn ich derweil mit in dein Zimmer ziehe, damit Salima ihr eigenes hat. – Sie kann schlecht mit einem von uns in einem Zimmer schlafen.“ „Äh... – Nein... – Hab ich nichts dagegen.“, gab Kai zurück, während es in seinem Kopf ratterte. ‚Salima, wer war das noch gleich? – Ach ja die Rothaarige von den Psykicks, die vor ein paar Monaten fast das Opfer von Cyber Drigger geworden wäre. – Na mein lieber Ray...? – Ob hinter der Einladung nicht mehr steckt, als du grade zugeben willst?’, dachte er, wandte sich dann aber gleich wieder an seine Teamkameraden. „War’s das?“ Etwas hilflos blickte der Chinese in die Runde. „Ja, mehr war es eigentlich nicht...“, gab er zurück, als Kai sich auch schon erhob. „Wo willst du denn jetzt wieder hin?“ „Wieder in den Park. Ich habe da noch ein paar Sachen zu erledigen.“, gab er zurück und verschwand dann aus dem Dojo. Tyson verzog das Gesicht. „Was hat der denn schon wieder... – Da freut man sich drüber, dass Mister Eisblock ein bisschen auftaut und dann kommt er wieder mit so was um die Ecke...“ „Genau genommen müssten wir das doch aber gewohnt sein.“, mischte sich Kenny ein. „Müssten wir das?“ „Müssten wir.“, nickte der Brillenträger. „Das macht er schließlich jeden Monat mit uns. Und immer dann, wenn Vollmond ist.“ Tyson verzog das Gesicht. „Was willst du uns jetzt damit sagen, Chef? – Dass Kai sich da in einen Werwolf verwandelt?“ Ein synchrones, halbunterdrücktes Auflachen von Max und Ray sowie ein sehr genervter Blick seitens des Chefs und Hilary waren die Antwort. „Lass die Witze, Tyson. Wenn ich so was in der Art vermuten würde, würde ich mich eher an unsere alten Freunde, die Darkbladers wenden. – Ich glaube die könnten mir mehr helfen, als wenn ich das mit euch diskutieren würde.“ „Man Chef... – Nicht so ernst, man wird ja wohl noch einen Spaß machen dürfen.“ „Du und deine Scherze... – Wir sollten uns lieber Gedanken machen, wie wir herausfinden, was mit ihm los ist... – Ray ich denke, das wird deine Aufgabe sein, wenn du jetzt schon mit ihm in einem Zimmer schläfst.“ Der Chinese nickte. „Geht klar. Ich kann es zumindest mal versuchen. Vielleicht macht er ja mal den Mund auf, oder ich kriege so etwas mit.“, gab er zurück, als fast im selben Moment Tysons Großvater an der Tür des Trainingsraumes auftauchte. „Grünschnabel, ich glaube du hast Besuch!“, wandte er sich an seinen Enkel. Mit den Worten „Nur keine Eile, ich komme ja schon...“ erhob sich dieser von seinem Sitzplatz und ging langsam in Richtung Tür. „Beeilung, ich glaube nicht, dass die junge Dame davon sehr begeistert ist, wenn du sie noch länger in der Kälte stehen lässt.“ Tyson verzog genervt das Gesicht. „Ja, ja, ich geh ja schon...“, murrte er und stapfte aus dem Trainingsraum in Richtung der Eingangstür. Mit den Worten „Wer stört?“ öffnete er die Tür und blickte zu seinem Erstaunen in ein paar schwarzgraue Augen, die ihn nicht minder verwundert anblickten. „Oh... – Hi Salima. Du bist schon hier?“ Die Rothaarige nickte. „Ja, hat Ray das nicht gesagt? – Ich meine, Kai hat mich auch schon so verwundert angesehen, als er grade an mir vorbeigestürmt ist. – Aber... – Kann ich reinkommen? – Es schneit und mir ist kalt.“ „Äh klar, komm rein.“, gab der Blauhaarige zurück und trat dann einen Schritt beiseite. Dankbar, dass sie nicht länger in der Kälte warten musste, betrat die Rothaarige den Dojo und schüttelte sich dann den Schnee aus den Haaren. „Uff, danke übrigens für die Einladung.“ „War Rays Idee.“, gab Tyson zurück. „Er sagte vorhin, dass du sonst alleine bei euch wärst, weil deine Teamkameraden grade anderswo unterwegs sind.“ „Ja, das stimmt.“, erwiderte sie, während sie ihre Jacke auszog. „Ray hat mir angeboten die paar Tage bei euch zu verbringen. Ich freu mich drauf und hoffe doch, ich störe nicht.“ „Bei uns ist immer viel Betrieb, da mach dir mal keine Gedanken und mein Großvater hat es auch ganz gern, wenn hier viele Leute um ihn rum sind. – Aber jetzt komm erstmal mit. Wir haben uns ne Menge zu erzählen.“ „Ja, gerne.“, gab sie zurück und folgte Tyson dann in den Raum zu den anderen Bladern. Es war später Abend, als der Grauhaarige endlich wieder den Dojo betrat. In allen Zimmern war es dunkel, das bedeutete, dass seine Teamkameraden entweder alle schon schliefen, oder sich zusammen vor den Fernseher gepflanzt hatten, um dort den Abend in Ruhe ausklingen zu lassen. Oft genug schloss er sich ihnen bei der allabendlichen Fernsehaktion an, aber an diesem Tag war ihm nicht danach. Er blieb am Fenster eines Ganges stehen und ließ seinen Blick über den verschneiten Garten schweifen und schließlich wanderte sein Blick zu der weißen Scheibe, die hoch am Himmel über der Stadt hing. Er hasste diese Zeit, denn grade zur Zeit des Vollmonds war das Gefühl besonders stark; das Gefühl der Anziehung, die von einem bestimmten Gegenstand ausging, den er seit dem Finale der Weltmeisterschaft in Moskau mehr oder weniger unfreiwillig sein Eigentum nannte. Ihm war durchaus bewusst, dass seine Freunde mitbekommen haben mussten, dass er sich um diese Zeit meist zurückzog und wieder in sein eigenbrötlicherisches Dasein von früher zurückfiel. Dass sie ihn bisher darauf noch nicht angesprochen hatten, führte er darauf zurück, dass sie wahrscheinlich warteten, bis er sich ihnen von alleine öffnete. Aber... Konnte er das? Konnte er damit zu ihnen gehen und ihnen sagen, was wirklich nicht stimmte? Das gestaltete sich mehr als schwierig und das wusste er sehr genau. Lautlos betrat er das Zimmer, welches er bis zu diesem Nachmittag noch allein bewohnt hatte. Der zweite Futon, der sich jetzt darin befand, zeugte jedoch davon, dass die rothaarige Bladerin, die Ray eingeladen hatte, wohl schon anwesend war und Ray daher bei ihm eingezogen war. Das war kurzfristig aber dennoch abgesprochen gewesen, jedoch blieb jetzt nur zu hoffen, dass der Chinese nicht mitbekam, was genau mit Kai nicht stimmte. Sich in der Sicherheit wähnend, allein zu sein, ging er hinüber zu der Kommode, in der sich seine Sachen befanden und zog aus einer der Schubladen ein schwarzes verziertes Kästchen hervor. Gedankenverloren öffnete er es und starrte ein paar Augenblicke lang auf den Inhalt. „Was mach ich nur... – Was soll ich nur machen...?“, murmelte er, als im selben Moment die Tür aufging. „Kai? Bist du da?“ ‚Ray...’, schoss des dem Halbrussen durch den Kopf, während er nur einen Lidschlag später das Kästchen zuklappte. ‚Wo kommt der denn auf einmal her? Ich habe ihn nicht kommen gehört! – Ob er sich absichtlich an mich rangeschlichen hat?’, dachte er, während er sich zu seinem Teamkameraden umdrehte. „Ja, siehst du doch... – Was gibt’s denn?“ „Ich wollte nur nachsehen, ob du inzwischen wieder im Haus bist. Die anderen sind noch im Trainingsraum und spielen da grade Scrabble. – Ich soll dich fragen, ob du auch mitmachen willst. – Das könnte Tyson zumindest davon abhalten, hier noch Wahrheit oder Pflicht spielen zu wollen...“ „Hm...“, gab Kai zurück und drehte den Kopf beiseite. „Keine Lust... – Ich geh ins Bett. – Ich will heute einfach nur noch meine Ruhe haben.“ „OK, ist deine Entscheidung, aber... – Kann ich dich mal was fragen?“ „Wenn es denn sein muss...“ „Ist wirklich alles OK mit dir?“ „Warum die Frage? Nur weil ich heute mal meine Ruhe haben möchte? – Ray es ist alles OK, wenn was nicht stimmen würde, würde ich euch schon Bescheid sagen.“ „OK, also dann schlaf gut, ich gebe mir Mühe, dich nachher nicht zu wecken.“ „Danke, da wäre ich dir wirklich verbunden, wenn du das tun würdest.“ Ray nickte noch einmal kurz und verlies dann das Zimmer. Es war ihm aufgefallen, das Kai trotz seiner sicheren Antworten immer noch nervös zu sein schien und auch das mysteriöse Kästchen, welches der Grauhaarige in der Hand gehalten hatte, gab dem Chinesen zusätzlich noch zu denken. Was befand sich darin? Er hatte Kai schon ein paar Augenblicke vorher beobachtet und festgestellt, dass dieser das Kästchen aus einer der Kommodenschubladen geholt hatte. Es musste sich dabei um etwas handeln, worüber er und die anderen Bladebreakers nichts wissen sollten, sonst wäre es nicht so versteckt gewesen. Nur: Was war es? Und vor allem: Wenn Kai es versteckte, wie konnte er dann am besten herausfinden, was es war, ohne dem Halbrussen zu tief in die Privatsphäre einzudringen? Fest stand in jedem Fall eins. Er würde das Kästchen erstmal nicht erwähnen und in den nächsten Tagen möglichst unauffällig versuchen, herauszufinden, um was es sich dabei handelte. Früh am nächsten morgen, genauer gesagt kurz nach sechs meldete sich in einem der Gästezimmer der in einem der Handys integrierte Wecker, wurde aber schnell mit einer raschen Handbewegung zum Schweigen gebracht. Die rothaarige Bladerin streckte sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen, während sie ein Gähnen unterdrückte. Dann setzte sie sich aufrecht ins Bett und lauschte. Totenstille durch zog den gesamten Gästetrakt des Dojos und auf ihren Lippen erschien ein leichtes Lächeln, als sich auch noch nach mehreren Minuten nichts regte. Damit hatte sie es zumindest geschafft, dass keiner der hier anwesenden Blader durch ihr frühzeitiges Aufstehen gestört wurde. Schließlich war sie Gast und konnte mit ihren Gewohnheiten ja schlecht den gesamten Haushalt durcheinander bringen. Nach einem kurzen Abstecher im Bad zog sie sich ein paar bequeme Trainingsklamotten an, schnappte sich ihr Beyblade und schlich sich dann in Richtung Trainingsraum. So wie sie am Vortag erfahren hatte, war der Trainingsraum schallisoliert, da es bei den Treffen der Bladebreakers auch mal lautstarker zugehen konnte und die Nachbarn sich nicht davon gestört fühlten. Das zog aber auch nach sich, dass man diesen Raum morgens problemlos zum Trainieren benutzen konnte, ohne, dass man diejenigen, die noch in den Betten lagen, störte. Kaum dass sie jedoch die Tür zum Trainingsraum öffnete, musste sie feststellen, dass in diesem bereits das Licht angeschaltet war und den Geräuschen nach zu urteilen hatte jemand die gleiche Idee gehabt, wie sie auch. Jedenfalls war das Tableau, welches sonst mit einer Seilkonstruktion bis unter die Decke hochgezogen werden konnte, bereits aufgestellt und mit raschen, fast nicht sichtbaren Bewegungen zischte ein Blade quer durch selbiges. Leise, um denjenigen nicht zu stören öffnete sie die Tür gerade so weit, dass sie durch den Spalt hindurch sehen konnte. „Nanu?“, murmelte sie. „Wer ist denn das?“, fragte sie sich selbst, bis sie plötzlich einen Geistesblitz hatte. ‚Das ist ja Kai...’, schoss es ihr durch den Kopf. ‚Aber was hat er denn da für Dinger an den Unterarmen. – Die sehen ja gefährlich aus... – Und was hat Dranzer denn gebissen? – Die pflügt hier durch die Arena, wie vom Affen gebissen, die ist doch sonst nicht so aggressiv, selbst gegen Goki, als Kai diesen Ausraster hatte... – Hier stimmt doch was nicht...’ Weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht, denn der blaue Blade sprang, immer noch von einer beachtlichen Energiemenge angetrieben, in die Hand seines Besitzers und dieser drehte sich zur halb geöffneten Tür um. „Kann ich dir vielleicht helfen?“ ‚OK... – Ertappt...’, dachte sich die Rothaarige, während sie die Tür ganz aufschob, die Trainingshalle betrat und die Tür gleich wieder hinter sich schloss. „Öhm... – Na ja, eigentlich... – Tyson hatte gesagt, wenn ich früh nach dem Aufstehen gleich eine Runde trainieren möchte, dass ich das hier machen kann. – Und das wollte ich auch tun, aber du hattest ja offenbar denselben Gedanken, da hab ich dich wohl ein paar Minuten lang beobachtet.“ „...wie lange schon...?“ „Nicht lange, etwa drei oder vier Minuten.“ „Ah ja...“, gab er zurück, blickte sie dann aber ernst an. „Training, hu? – Soweit ich weiß, seid ihr doch getrennte Wege gegangen. Jedenfalls habe ich nur Jim und Kane beim letzten Turnier gesehen. Für das Team kann das Training daher ja eher nicht sein.“ „Das mag ein Grund sein, aber kein Hindernis. Training ist Training ob man nun Kids im Bladen trainiert oder ob man noch an Wettkämpfen teilnimmt. – Außerdem haben wir uns ja nicht dauerhaft getrennt, wir brauchten nur eine Auszeit nach allem, was passiert war.“ Kai schüttelte leicht den Kopf. „Eine gesunde Einstellung, von der sich einige hier eine Scheibe abschneiden könnten...“, gab er zurück. „Was denkst du über ein kleines Match? – Nur damit ich mal testen kann, was du wirklich drauf hast. – Immerhin konnte ich dein Können ja nur im Zusammenspiel mit Cyber Drigger sehen und ich glaube nicht, dass man das wirklich als Maßstab der Dinge werten kann.“ Die Rothaarige nickte. „ Sicher, warum nicht? – Ich mach nur schnell noch ein paar Probeläufe.“, sagte sie und ging dann zum Tableau, wo ihr Blade ein paar mal zur Probe startete, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen. Es war neu, im Hobbyshop von Max Vater grade frisch geboostet und sie hatte bisher noch keine Gelegenheit gehabt, es auszuprobieren. Trotzdem entging ihr nicht, dass Kai während ihrer Vorbereitungen etwas von seinem Blade löste, das Objekt in einem Kästchen verstaute und dieses dann wieder in seine Tasche gleiten lies. Als er gleich darauf in ihre Richtung kam, war das Blade jedoch komplett und es sah nicht aus, als ob eines der Teile fehlte. „OK, bist du soweit?“, wollte er wissen. Geschickt fing die Rothaarige ihr Blade auf. „Ich hoffe nur du bedenkst, dass ich kein BitBeast habe.“ „Mach dir da mal keine Gedanken.“, gab er zurück, während er sein Blade anlegte. „Ich will sehen, was du kannst, nicht dich plätten.“ Salima tat es ihm gleich. „Na da bin ich ja beruhigt. – OK, dann...“ „Drei...“ „Zwei...“ „Eins...“ „LET IT RIP!“ „Hu... – Gar nicht mal schlecht. – Das war ein interessantes Match...“, meinte Kai, nachdem er am Ende des Kampfes sein Blade wieder auffing. Er hatte das Spiel gegen seine Kontrahentin gewonnen, aber sie hatte ihm zwischendrin ganz ordentlich zugesetzt. „Na ja...“, begann die Rothaarige, nachdem sie ihr Blade wieder eingesammelt hatte. „Training muss schon sein, aber ich glaube um einen von euch zu schlagen, da braucht es mehr. – Ich meine du hast nicht mal dein BitBeast gebraucht, um mich zu schlagen.“ Kai zuckte mit den Schultern. „Ich setze sie selten ein, wenn es sich um einen Trainingskampf handelt und mein Gegner kein eigenes hat. – Klar, es wäre leichter mit, aber wo liegt der Sinn? BitBeasts sind schließlich nicht nur dazu da, uns Kämpfe leichter zu machen oder uns dabei zu helfen, unsere Gegner in den Staub zu rammen. – Nein, sie sind vielmehr Schutzgeister, die uns auch Trost spenden und die immer an unserer Seite sind auch wenn wir ihre Gegenwart nicht immer schätzen und damit eigentlich ihre Zuneigung verspielen.“ „Klingt logisch. – Wenn ich das so höre, das ist so anders als das, was wir damals hatten.“ „Salima auch die Cyberbeasts hatten eine Seele und wurden ausgenutzt, ganz genau wie ihr. – Dass sie vernichtet worden ist einerseits gut, aber andererseits hatten sie das nicht verdient. – Es ist wie mit Tieren, wenn du sie einsperrst und quälst werden sie sich irgendwann wehren. – Und dann ist es zu spät.“ Die Rothaarige nickte nachdenklich und wollte gerade noch etwas erwidern, als sich die Tür zum Trainingsraum öffnete und Ray in der Tür erschien. „Morgen. Na ihr zwei seid ja früh auf. – Von Kai bin ich das ja nicht anders gewohnt, aber du hättest ausschlafen können.“ „Ach mach dir um mich keine Gedanken. Ich stehe immer so früh auf, das ist Gewohnheit. – Aber ich bin grade schön warm. Kämpf doch auch noch ne Runde gegen mich.“, forderte sie den Chinesen auf, was dieser auch sogleich annahm. „Kai, machst du den Schiedsrichter?“ Der Grauhaarige schüttelte den Kopf. „Nein... – Ich hab noch was zu erledigen.“, gab er zurück und verließ die Halle. „Meine Güte, der war aber schnell weg.“ Ray nickte. „Das macht er ab und an mal. Kai ist nicht der Typ, der große Menschenansammlungen mag.“ „Entschuldige bitte, aber wir waren nur zu dritt...“ „Das reicht ihm schon. – Und vielleicht macht er es auch nur, weil er uns nicht stören will, immerhin habe ich dich ja eingeladen.“ Salima verdrehte die Augen. „Ihm ist aber schon klar, dass wir nur befreundet sind, oder?“ „Ja, ich denke schon. – Immerhin glauben die meisten Mitglieder meines Teams, ich hätte was mit Mariah. – Aber na ja...“ „Hm... – genug geredet. Lass uns unser Match spielen!“ „Gern, legen wir los...“ Kaum dass er hörte, wie die Blades in der Arena aneinander schlugen, entfernte sich Kai von der Tür, an der er bis eben noch gelauscht und die er jetzt ganz geschlossen hatte. Er musste zugeben, dass ihn die Rothaarige doch ganz schön erschrocken hatte, als sie vorhin plötzlich hinter ihm in der Trainingshalle aufgetaucht war. Normalerweise war es nicht so leicht ihn zu überraschen, aber er war auch abgelenkt gewesen. Nachdenklich ließ er seine Hand wieder in die Tasche gleiten, holte das schwarze Kästchen heraus und warf einen Blick darauf. Seit mehr als einem Jahr befanden sich das Kästchen und dessen Inhalt jetzt in seinem Besitz und die ganze Zeit, immer um den Vollmond herum, wurde das Verlangen danach, das sich in dem Kästchen befindende Objekt einzusetzen, immer größer. Entgegen jedem besseren Wissen war er an diesem Morgen wieder der Sucht erlegen. Und zu allem Überfluss hatte er sich dann dabei auch noch erwischen lassen. Blieb nur zu hoffen, dass Salima nicht allzu viel mitbekommen hatte und darüber erstmal den Mund hielt. Der Grauhaarige verschwand in seinem Zimmer, schloss die Tür, lehnte sich von innen dagegen und öffnete das kleine Metallbehältnis noch einmal um einen Blick darauf zu werfen. Denn darin befand sich die Wurzel allen Übels, die ihn vor ungefähr eineinhalb Jahren beinahe alles gekostet hätte: der Bit des Black Dranzer. Er verschloss das Behältnis wieder und ließ sich rücklings aufs Bett fallen. Er hatte ihn von seinem Großvater bekommen, just in diesem Spiel, in dem er gegen Spencer zu verlieren drohte. Es wäre die sichere Waffe für den Sieg gewesen, aber er hatte sich dagegen entschieden. Nun jedoch hatte er das Problem, dass er das mächtige BitBeast nicht einfach irgendwo wegschließen konnte. Es war ein Lebewesen, eingesperrt und ausgenutzt, sein ganzes Dasein lang. Ebenso wie Kai selbst, doch weder sein Team noch dessen Manager wussten, dass er noch in dessen Besitz war. „Was mache ich nur...“, murmelte er. „Was mache ich mit dir, so kann das nicht weitergehen... – Ich weiß, was du willst, aber das kann ich dir nicht bieten. Es geht nicht... – Es geht einfach nicht.“, murmelte er. »Wenn du es nicht kannst, dann finde jemanden, der es kann...« Er hatte diese Worte schon oft in seinem Kopf gehört. Immer wieder um den Vollmond herum brachte der schwarze Phoenix genug Kraft auf, um Kai damit auf die Nerven zu gehen. Er verlangte Bewegung auf einem Blade, so wie er es an diesem Tag bekommen hatte, oder er sorgte dafür, das Kai unter Schlafstörungen litt und dementsprechend dann seinen Zorn über die Situation an seinem Team ausließ, indem er sich von seiner abweisendsten und bösesten Seite zeigte. Das waren Situationen, wie Black Dranzer sie mochte. Kai war genervt, sein Team war es auch, warum sollte es anderen besser gehen als ihm? Mit einer raschen Handbewegung hatte Kai die Schublade aufgezogen und ließ das Kästchen darin verschwinden. Keine Sekunde zu früh, denn es klopfte an der Tür. „Ja?“ Kaum dass sich die Tür geöffnet hatte, streckte Max seinen Kopf hinein. „Morgen Kai!“ Irritiert blickte der Grauhaarige das blonde Energiebündel an. „Sagt mal, was ist denn heute los? Wieso zum Teufel seid ihr alle schon wach?“ „Alle kannst du so auch nicht sagen. Der Chef schläft noch, Hilary ist noch nicht da und Tyson befindet sich im Aufwachstadium. Wir haben gedacht, wenn wir schon Besuch haben, können wir nicht ganz so lange schlafen. – Wir wollen ja keinen falschen Eindruck machen.“ Kai verdrehte gut sichtbar seine Augen. „Max ihr benehmt euch wie Auerhähne auf der Balz, man könnte meinen, ihr versucht jemanden bestimmtes zu beeindrucken.“ „Nö, wie kommst du denn jetzt da drauf. – Frühstück ist im Übrigen fertig, wenn du Hunger hast beeil dich, bevor Tyson anwesend ist. Du weißt ja, wie er ist.“ Und damit war der Blondschopf auch schon wieder verschwunden. „Mann... – Was für ein Haufen Kinder...“, murmelte Kai, als sich sein Magen zu Wort meldete und damit die Souveränität, die der Leader der Bladebreakers grade noch an den Tag legen wollte, grandios zu Nichte machte. Nur gut, dass das keiner von seinen Teamkameraden mitbekommen hatte. Das wäre an dieser Stelle dann wieder Tagesgespräch Nummer 1 gewesen und darauf hatte er nicht unbedingt Lust. Ein paar Tage später, Kai hatte sich von den anderen wieder zurückgezogen, wo genau er sich herumtrieb, wusste keiner von ihnen, fuhren die Bladebreakers zusammen mit ihrem Gast mit dem Training fort. Dabei meinte Tyson es etwas übertreiben zu müssen, denn er hetzte Salimas Blade quer durch die Arena. Zwar besaß er dieselbe Fairness wie Kai und verzichtete auf den Einsatz seines BitBeasts, aber dennoch setzte er ihr ordentlich zu und beförderte sie in einem hohen Bogen aus der Arena. „Wirklich klasse Tyson...“, murrte Ray. „Das kannst du doch nicht bringen!“ „Klar kann er das.“, gab Salima trocken zurück. „Zeigt mir nur, dass ich noch eine ganze Menge lernen muss, um eine noch besser Bladerin zu werden. Und mal ehrlich, ihr tragt den Weltmeistertitel ja nicht umsonst, da muss er mir ja überlegen sein.“ „Das schon aber so hart hätte er jetzt auch nicht rangehen müssen.“, mischte sich Kenny ein und erhob sich. „Zeig mir mal dein Blade, es sah so aus, als hätte der BitChip was abbekommen.“, forderte er und nahm dann den Blade der Rothaarigen in die Hand. „Jep... – Angebrochen... – Damit kannst du erstmal nicht weiterspielen, da brauchen wir vorher Ersatz.“ „Ich habe noch solche Teile bei mir liegen. – Von denen kann ich gerne einen abgeben.“, warf Ray ein. „Solltest du jetzt nicht gleich das Testspiel gegen Max machen?“, wollte Hilary wissen. „Klar aber das kann schon noch ein paar Minuten warten, bis ich das Teil geholt habe.“ „Ich mache das schon.“, bot die Braunhaarige an. „Das dauert nicht lange, dann kannst du derweil dein Probematch spielen. Du musst mir nur sagen, wo die Teile liegen, ich finde sie dann schon.“ Ray nickte. „Sie sind in einer Kiste im Schrank. Aber passt auf, ich schlafe jetzt bei Kai im Zimmer. Klopf lieber an, ich weiß nicht ob er inzwischen wieder da ist. Du weißt ja, dass er es nicht mag, wenn man einfach so bei ihm ins Zimmer rennt.“ „Geht klar, ich bin gleich wieder da.“, gab Hilary zurück und verschwand in Richtung der Zimmer. Salima hob skeptisch eine Augenbraue. „Du lässt sie einfach so an deine Sachen?“ Der Angesprochene nickte. „Ja, ist ja nichts Schlimmes dran, wenn sie aus der Holzkiste in meinem Schrank ein Beyblade-Teil holt. Das ist nicht das erste mal, dass sie das macht.“, gab er zurück, während er sich auf sein eigenes Spiel vorbereitete. „Na ja, musst du wissen.“, gab sie zurück und ließ sich dann neben Kenny auf dem Boden nieder, um das Spiel zu beobachten. Es war auch schon in vollem Gange, als Hilary mit dem gewünschten Teil zurückkam und dieses auf Salimas Blade steckte, da die Rothaarige gebannt dem schnellen Spiel zwischen Max und Ray zusah. Es war an Spannung wirklich kaum noch zu überbieten und auch wenn keiner von beiden sein BitBeast einsetzte, so konnte man deutlich sehen, dass es Ray auch mit seinen starken Attacken schwer hatte, gegen die stahlharte Defense von Max zu bestehen. Das Spiel endete schließlich unentschieden und beide Blader schienen hochzufrieden zu sein. Inzwischen hatte auch Salima bemerkt, dass ihr Blade repariert worden war und sie musste zugeben, dass der neue BitChip zwar farblich auf den ersten Blick überhaupt nicht zu ihrem rot-silbernen Blade passte, auf den zweiten Blick aber doch einen schönen Kontrast bildete. „Gleich mal testen.“, murmelte sie und erhob sich. „Na Jungs? Wer hat noch mal Lust?“ „Ich, ich gebe dir gerne eine Chance für ein Rematch.“, erwiderte Tyson. Salima nickte ihm zu und die beiden stellten sich am Tableau auf. Auf ein Zeichen von Ray hin ließen beide ihre Blades in die Arena zischen und kaum, dass sie diese berührt hatten, stellte Salima fest, dass sich ihr Blade wesentlich leichter bewegen und steuern ließ, als das vorher der Fall gewesen war. Es ein ähnliches Gefühl, wie das, was sie vorher bei Cyber Drigger gehabt hatte, als würde das Blade ihre Gedanken lesen und dahin ausweichen, wo sie es hinhaben wollte, ohne dass sie etwas dafür tun musste. Aber es konnte nicht so sein wie bei Cyber Drigger denn der Bit, der auf dem Blade steckte, war leer gewesen, das hatte man vor dem Start des Hightechkreisels deutlich sehen können. Dennoch lief das Spiel jetzt deutlich besser für sie, Tyson hatte es schwerer als vorher, ihr Blade zu treffen oder gar es in Richtung des Randes zu treiben. Das machte es auch interessanter für die vier Zuschauer und alle waren so in das Match vertieft, dass keiner bemerkte, wie Kai den Raum betrat und das Spiel mit Argusaugen beobachtete. Er gönnte es Tyson, dass der Rotschopf ihn gerade in einem Trainingsmatch so fordern konnte, das holte den doch gern mal zu Höhenflügen ansetzenden Japaner immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Erdung brauchte er dringend und wenn Salima diesen Part jetzt übernahm, dann sollte ihm das recht sein. Allerdings fielen auch ihm die flüssigeren Bewegungen des Blades auf. Da die Rothaarige in den letzten Tagen früh immer zeitiger aufgestanden war, als die anderen, hatten sich er und sie nicht nur ein Trainingsspiel geliefert und er kannte die Bewegungsmuster ihres Blades. Das was er jetzt sah, war eine ganz andere Klasse. „Was habt ihr denn mit Salimas Blade gemacht?“, wollte er schließlich wissen, worauf Kenny ihm erklärte, dass Tyson es geschafft hatte, Salimas Bit zu beschädigen und dass Hilary einen von Rays leeren Ersatzbits geholt hatte. Augenblicklich wurde dem Grauhaarigen eiskalt. Hilary war in seinem Zimmer gewesen und hatte... – Nein... – So geistig blond konnte nicht mal diese Frau sein. Oder doch? Hatte sie etwa...? Er sah sich das Match noch ein paar Sekunden lang an, dann hatte er genug gesehen. Sie hatte es getan, wenn auch unwissentlich. Jetzt galt es, Schaden zu begrenzen, so lange er noch nicht passiert war. Kenny konnte nicht mehr so schnell reagieren, wie Kai sein eigenes Blade in den Starter einrasten ließ und dieses nur einen Lidschlag später in Richtung der Arena zischte. Man konnte Tyson und Salima deutlich anmerken, dass sie mehr als überrascht waren, auf welche Weise sich Kai in ihr Duell einmischte. „Was soll das denn? – Spinnst du?“, beschwerte sich Tyson, als Kais Dranzer Dragoon roh aus dem Weg und aus der Arena schubste, nur um sich dann Salimas Blade zuzuwenden. Hier jedoch ging der Grauhaarige sanfter vor. Ein leichter aber bestimmter Schubser und Kai konnte beide Blades sicher fangen. Mit einer raschen Bewegung ließ er sein Blade in die Hosentasche gleiten, während er dann den Bit an Salimas Blade löste und seinen Verdacht bestätigt fand. „Sag mal hackt’s?“, fuhr er die Brünette an, die so gar nicht wusste, was er eigentlich von ihr wollte. „Wenn Ray dir sagt, du sollst etwas aus SEINEN Sachen holen, dann mach das auch!“ „Hab ich doch.“, gab sie perplex zurück. „Ich habe das Teil aus einer schwarzen Metallkiste im Schrank geholt...“ Das reichte um bei Ray die Alarmglocken schrillen zu lassen. „Hilary, meine Ersatzteile sind in einer alten braunen Holzkiste.“ „Ups...“ Hilarys betretener Blick reichte aus um Kais Wut zwar nicht verrauchen aber zumindest abebben zu lassen. Es war Gott sei dank ja auch nichts Schlimmeres passiert. Jetzt aber stand er vor einem anderen Problem. Er hatte den Bit inzwischen von dem Blade gelöst und diesen in der Hand, aber alle Anwesenden sahen, dass er etwas vom Blade genommen hatte, was offensichtlich vorher weggeschlossen gewesen war. „Kai?“, begann Kenny vorsichtig. „...was...?“ „Was ist das, das du da vor uns versteckst. – Ich meine, es war ein leerer BitChip ich habe es vor dem Start doch deutlich gesehen.“, erklärte Tyson. Kai schüttelte den Kopf. „Der Bit ist nicht leer. Er sieht nur leer aus, wenn man ihn falsch herum drauf macht!“, gab er mit einem Seitenblick auf Hilary zurück. Es war erstaunlich. Da war sie nun schon so lange mit den Jungs befreundet, hatte aber noch immer keinen blassen Schimmer über den Aufbau eines Blades oder wie es korrekt zusammengesetzt wurde. „Sorry, dass ich dir das Teil jetzt wegnehme, Salima, du kriegst nachher ein anderes von mir.“, sagte er noch und wollte sich in Richtung seines Zimmers davonstehlen, hatte aber nicht mit seinen Freunden gerechnet. „Kai, warte. – Was verbirgst du da? – Ich meine wir sind nicht blind, Salimas Blade hat sich bewegt als hätte es einen eigenen Willen, als hätte es...“ „...ein BitBeast?“, vollendete Kai Max’ angefangenen Satz, worauf der Blonde nickte. „Hatte es auch...“, gab er zurück, wobei er gleich darauf in ein paar fassungslose Gesichter blickte. „Wieso sagst du uns das nicht? – Ich meine hey, du hast ein zweites BitBeast. Du wirst dir doch nicht Cyber Dranzer unter den Nagel gerissen haben, na?“ Eigentlich hatte Tyson damit nur einen Scherz machen wollen, erreichte aber nur das blanke Gegenteil. „Wirklich witzig, Granger!“, fuhr Kai den vollkommen überraschten Japaner an. „Man sollte meinen, dass du weißt, dass ich es schon mal mit einer Kopie von meinem BitBeast zu tun hatte und die Erfahrungen waren nicht grade die besten. Warum also sollte ich mir noch mal so eine Kopie ans Bein binden, sag mir das!“ „Äh... – Na ja...“, begann der Angesprochene, während bei Kenny und Max endlich der Groschen zu fallen schien. „Kai, jetzt sag nicht...“, begann der Brillenträger mit Blick auf Kais geballte Faust und der Blondschopf setzte fort: „...das da ist...“ Kai schloss seine Augen und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Doch...“, gab er zurück, während er seine Faust öffnete, um seinen Teamkameraden den sich jetzt auf der Handfläche befindenden Bit zu zeigen. „...das ist Black Dranzer...“ Die Stille, die gleich darauf den Raum durchzog, konnte man förmlich greifen. Man sah den Bladebreakers mehr als deutlich an, dass die fassungslos darüber waren, dass ihr Teamkapitän mehr als ein Jahr nach den Geschehnissen in Moskau immer noch im Besitz des gefährlichen Wesens war. „Warum hast du uns das nicht gesagt?“, wollte Ray schließlich wissen. „Weil es meine Sache ist... – Ganz allein meine Sache. Ja, ich habe ihn von Großvater wieder bekommen, in der Pause zwischen dem ersten und zweiten Match gegen Spencer. Ja, ich sollte ihn einsetzen und euch wieder verraten. Nein, ich habe es nicht getan, aber ich konnte ihm das BitBeast auch nicht so einfach zurückgeben. Wenn es in den falschen Händen landet ist es zu gefährlich, das wisst ihr alle. Aus diesem Grund habe ich es noch.“ „Ja und was willst du jetzt machen?“ „Das gleiche, was ich schon das ganze Jahr über gemacht habe. – Ich lasse ihn verschlossen in der Kiste.“, gab Kai auf Max Frage hin zurück, drehte sich dann um und verschwand aus dem Raum. Verwirrt und auch entsetzt über das plötzliche wiederauftauchen des BitBeasts blickten ihm die Bladebreakers nach. „Was ist denn so gefährlich an dem Beast, das Kai gleich so ausflippt?“, wollte Hilary wissen. „Erinnerst du dich noch dran, dass ich dir ganz am Anfang gesagt habe, Kai hatte mal einen kleinen Ausrutscher in Russland?“, gab Kenny zurück, woraufhin die Brünette mit einem Nicken antwortete. „Das war die Schuld von Black Dranzer. – Das war so...“, sagte er und begann dann, den beiden Mädchen zu erklären, was genau Kai mit dem schwarzen Phoenix verband. ‚So ist das also... – Deswegen... – Er weiß genau, wie das ist... – Wenn man von einem BitBeast derart in die geistige Enge getrieben wird, dass man gar keine andere Wahl hat, als dem Ruf der Macht zu folgen... – Aber... – Anders als bei Cyber Drigger habe ich hier so was nicht gespürt. – Komisch...’ „Ja und was machen wir jetzt?“, fragte Hilary erneut und riss damit Salima aus ihren Gedanken. „Wir können Kai doch nicht so einfach mit dem Vieh alleine lassen!“ „Müssen wir wohl...“, gab Tyson zurück. „Eigentlich haben wir ihn das ganze letzte Jahr damit alleine gelassen, obwohl wir es hätten merken müssen. Immerhin verhält er sich einmal im Monat total komisch und das immer an Vollmond. – Ich habe zwar rumgescherzt, dass es sich um das Werwolfssyndrom handelt, aber ich glaube eher, dass es sich dabei um Black Dranzers Einfluss handelt, der da besonders stark ist.“ Empört blickte ihn die Brünette an. „Er ist unser Freund, du kannst doch nicht erwarten, dass wir ihn nicht unterstützen.“ „Hilary, er wird das nicht wollen, weil er Angst hat, einem von uns passiert was. Das müssen wir akzeptieren, so ist Kai nun mal. Man sollte meinen, dass du ihn nach all der Zeit besser kennst.“, stellte Ray fest, aber auch er klang nicht gerade glücklich über das, was er sagte. „Püh... – Na ihr seid mir ja schöne Freunde...“ „Ja, das sind wir. Und genau da gehört auch dazu, dass wir seinen Willen respektieren.“ Später dann in der Nacht verließ Salima das Badezimmer und bemerkte noch Licht im Trainingsraum des Dojos. Neugierig geworden ging sie leise zur Tür und spähte hinein. Es überraschte sie nicht wirklich, dass sie Kai im Schneidersitz in der Mitte des Raumes sitzen sah. Scheinbar meditierte er, aber man sah seinem Gesicht an, dass er dabei nicht wirklich entspannt war. Sie wollte sich gerade zurückziehen, als er ein Auge öffnete und sie damit fixierte. Ein eindeutiges Zeichen, dass er schon wieder bemerkt hatte, dass sie in seiner Nähe war. „Geht’s dir gut?“, fragte sie, worauf ein knappes Nicken folgte. „Du siehst nicht grade entspannt aus...“ „Na ja... – Ein Quälgeist, der mich nicht in Ruhe lässt.“, gab der Grauhaarige zurück. Seine geschlossene Faust zeigte deutlich, womit er sich gerade wieder beschäftigen musste. „So schlimm?“, fragte sie und betrat dann den Trainingsraum, nur um einen Augenblick später zurückzuzucken. „Brrr, ist das kalt hier drin. Da muss man ja aufpassen, dass du nicht erfrierst.“ „Na ja... – Ich mag es kalt. Und außerdem haben wir Winter.“, gab er zurück und stand dann auf, um die offenen Fenster wieder zu schließen. „Willst du auch n Tee?“ Salima nickte dankbar und rieb sich die Arme. ‚Meine Güte... – Ist er denn total kälteresistent? – Oder liegt das etwa an dem BitBeast?’, fragte sie sich in Gedanken, während sie ihm in die warme Küche folgte. „Du sag mal...“, begann sie, nachdem sie sich an den Küchentisch gesetzt hatte und der heiße Tee vor ihr stand. „Hm?“ „Ich hab nachgedacht... – Über das, was Kenny uns heute erzählt hat. Du kennst das genauso wie wir, dieses kontrolliert werden.“ Kai nickte. „Ja, auch wenn ich das nicht so vergleichen kann...“ „Bereust du es denn, dass du ihn noch hast?“ „Ja und nein. Ich habe ihn lieber bei mir, als dass irgendjemand damit Schaden anrichtet. – Er ist zu gefährlich...“ „Hm... – Vielleicht aber auch nicht...“ „Was meinst du denn jetzt damit?“ „Weißt du als ich das Problem mit Cyber Drigger hatte, da hab ich gespürt, dass er einfach nur frei sein wollte und aus dieser Ausnutzung ausbrechen. – Er hatte einfach die Nase voll davon, benutzt und eingesperrt zu sein. – Die anderen sagten, du verhältst dich einmal im Monat komisch, das bedeutet in der Zeit ärgert er dich besonders und zwar so, dass er dich auch dazu kriegt, ihn zu benutzen und ihm damit die Bewegung zu verschaffen, die er auch braucht. – Ich hab dich gesehen, kurz bevor wir beide unser Trainingsspiel hatten. Das was da auf dem Blade war, war nicht Dranzer, dazu hast du viel zu aggressiv gebladet. Du hast mit Black Dranzer gespielt und kurz vor unserem Match die Bits wieder ausgetauscht, oder?“ „Ja... – So ist es...“ „Lass es mich noch mal versuchen.“ „Was?“, entfuhr es Kai und er hatte bei der Aussage seine Gesichtszüge nicht mehr unter Kontrolle, so dass er seine Gegenüber für eine Sekunde lang fassungslos anstarrte. „Lass es mich noch mal versuchen. Ich hatte ihn bereits auf dem Blade und ich habe nichts dergleichen gespürt wie bei Cyber Drigger. Ich möchte es einfach noch mal versuchen.“ Kai schloss die Augen und dachte für ein paar Sekunden lang nach. Black Dranzer hatte ihm während der Meditation deutlich gemacht, dass er die Rothaarige mochte. Aber reichte das, um einen Versuch zu wagen und ihr das BitBeast tatsächlich anzuvertrauen? „Na schön...“, gab er schließlich zurück. „Zieh dich an. – Wir gehen in den Park. Die anderen müssen das nicht unbedingt mitkriegen...“ Das alles war jetzt drei Wochen her und es war der Morgen des 24. Dezember. Noch immer dachte Salima an das Match zurück, was sie und Kai sich in jener Nacht im Park geliefert hatten. Es war ein Wunder, dass niemand bemerkt hatte, wie die beiden mächtigen Phoenixe aufeinander losgegangen waren. Es hatte eine Weile gedauert, aber sie hatte es tatsächlich geschafft, den schwarzen irgendwann zurückzuhalten; eine Tatsache, die selbst Kai offenes Staunen entlockt hatte, denn bisher war er der einzige gewesen, auf den Black Dranzer jemals gehört hatte. Dennoch hatte er ihr nicht gestattet, das mächtige Wesen zu behalten. Er hielt es noch immer für zu gefährlich, ihn ihr anzuvertrauen und wahrscheinlich hatte er damit auch recht. Er kannte das BitBeast schließlich am besten. „Salima, Post für dich!“, tönte Kanes Stimme durch die Wohnung und gleich darauf tauchte der Blauhaarige in der Küche auf. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich bei der Größe des Päckchens auf eine Ringschachtel tippen. – Na? Hast du etwa einen heimlichen Verehrer?“, wollte er wissen, während er ihr das Päckchen in die Hand drückte. „Quatsch, du Spinner...“, gab sie zurück, ließ sich am Tisch nieder und begann, das Packpapier von der kleinen Kiste zu entfernen. Trotz ihrer geringen Größe war sie schwer und definitiv metallisch. „Was kann das bloß sein?“, murmelte sie, erstarrte aber einen Augenblick später, als sie das schwarze MetallKästchen vor sich auf dem Tisch liegen sah. „Das kann doch nicht sein...“ „Was ist das?“, fragte Kane, der sich inzwischen neben ihr niedergelassen hatte. „Sieht aus wie ne Ringschachtel.“, stellte Jim fest, nachdem er ebenso die Küche betreten und sich zu den beiden an den Tisch gesetzt hatte. „Hast du etwa...“ „Nein, habe ich nicht und das ist auch keine Ringschachtel!“, schnitt ihm Salima barsch das Wort ab. ‚Schön wär’s trotzdem.’, dachte sie. ‚Aber ich glaube, dafür ist er einfach nicht der Typ... – Nur warum schickt er mir dann das...?’, führte sie ihre Gedanken fort, als sie den klein zusammengefalteten Zettel bemerkte, der sich so unter das Packpapier gemogelt hatte, dass sie ihn fast nicht bemerkt hätte. Neugierig entfaltete sie ihn und begann zu lesen. »Hallo Salima! Ich hoffe, dass ich das, was ich jetzt tue nicht bereuen werde, aber ich habe mich nach reiflicher Überlegung und einigen Gesprächen mit ihm doch dazu entschlossen, ihn dir anzuvertrauen. Falls irgendetwas ist, dann ruf mich sofort an. Kai. – PS: Fröhliche Weihnachten« Platt von dem eben gelesenen und der noch immer auf dem Tisch vor ihr stehenden kleinen Kiste pustete sich Salima eine Strähne aus dem Gesicht. Das musste sie jetzt erstmal sacken lassen. Erst weigerte er sich, ihn ihr zu überlassen, dann jedoch schenkte er ihn ihr zu Weihnachten. „Jetzt zeig schon her, was das ist.“, forderte Jim und griff nach der Kiste, nur um sie gleich wieder loszulassen. „Auh, der Deckel ist ja heiß!“ „Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort.“, gab die Rothaarige zurück und griff nach der Kiste. „Weiß gar nicht, was du hast, so heiß ist der Deckel doch gar nicht.“, fügte sie hinzu und entfernte dann den Deckel. Damit war der Blick für die beiden Jungen frei auf den Bit, der dort auf einem roten Samtkissen ruhte. „Da kneif mich doch einer, das ist ja’n BitBeast!“, entfuhr es Jim. „Ist ja krass, von wem sagtest du, wäre das Päckchen?“ „Von Kai.“, war die knappe Rückantwort der Rothaarigen. Jim lachte. „Ich verstehe. – Das BitBeast ist der Ringersatz und Kai ist dein heimlicher Verehrer!“ „Ach du spinnst. – Ich und Kai... – Das ist doch ausgemachter Quatsch.“, gab sie zurück, schnappte sich die Kiste und stand auf. „Entschuldigt mich, ich gehe meinem neuen Freund mal ein bisschen Auslauf gönnen.“, ergänzte sie und verließ dann die Küche. ‚Nein... – Kai ist nicht mein heimlicher Verehrer.’, schoss es ihr durch den Kopf. ‚Aber was nicht ist, kann ja noch werden.’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)