Crystal Riders II von Rainblue (Reminiscence) ================================================================================ Kapitel 15: Unbekannte Tiefen ----------------------------- Mira – Unbekannte Tiefen Pandora Hearts – Wrapped in Darkness Meine Güte wo steckte Jade nur? Ich lief jetzt schon seit einer gefühlten Stunde durch das Internat und hatte sie immer noch nicht gefunden. Allmählich wollte ich schon aufgeben und bis morgen früh warten, denn da war ich mir sicher, sie würde in ihrem Büro sein. Doch ich hielt kurz inne, denn ich hörte Stimmen aus dem Trainingsraum. Langsam ging ich den leeren Flur entlang und sah, dass die Tür einen Spalt offen stand. Ich wollte erst einfach reinplatzen, aber bevor ich die Tür auch nur berühren konnte, hörte ich einen erstickten Schrei und zuckte zusammen. War das …? Ich beugte mich nach vorne und schaute durch den Spalt in den Raum. Jet lag bewusstlos auf dem Boden und Jade kniete neben ihm und rüttelte ihn leicht an der Schulter. „Jet!“, drängte sie und ich verkrampfte. Was zum Teufel war passiert? Kurz war es still und es wirkte, als wäre die Zeit eingefroren, doch dann regte Jet sich wieder und hob langsam seinen Kopf. „Alles … okay“, murmelte er und ich verzog das Gesicht. Dem Kerl ging es ganz offensichtlich nicht okay. So wie Jade ihn anschaute, dachte sie das wahrscheinlich auch gerade. Ich trat zwei Schritte von der Tür weg, denn gleich würden sie raus kommen und ich wollte nicht, dass sie mich bemerkten. Mein Blick ging einmal nach links und dann nach rechts. „Ich muss an die Luft“, hörte ich Jet sagen und schon war es zu spät um zu verschwinden, denn er riss die Tür auf und stand direkt vor mir. Heilige Scheiße, war der schon immer so dünn? „Ist Jade da drin?“, fragte ich überflüssigerweise nach, um den Anschein zu erwecken, dass ich gerade erst gekommen war. Jet nickte nur, steckte seine Hände in die Hosentaschen und ging schließlich an mir vorbei. Ich biss die Zähne zusammen, denn sein Anblick ließ mich leicht schaudern. Er sah aus als hätte er tagelang nichts mehr gegessen und auch ebenso wenig Schlaf bekommen. „Mira“, hörte ich Jade plötzlich sagen und blickte erschrocken zu ihr. Sie stand im Türrahmen. „Ich hab nach dir gesucht“, stammelte ich und schluckte, denn jetzt wollte mir beim besten Willen nicht mehr einfallen, was ich von Jade gewollt hatte. „A-Aber … das hat sich jetzt glaube ich auch erledigt.“ Mein Blick ging wieder zurück in den Flur, wo Jet verschwunden war. „Darf ich dich um etwas bitten?“, fragte sie auf einmal und langsam schaute ich wieder zu ihr. „Könntest du mit Jet reden? Ihn bedrückt etwas, aber er will es niemandem erzählen und das macht mir Sorgen.“ „Moment, warum sollte er es dann mir erzählen?“, wehrte ich ab und hob meine Hände an. „Ich habe doch so gut wie gar nichts mit ihm zu tun.“ „Genau aus diesem Grund, habe ich das Gefühl, dass er dir mehr erzählen wird, als mir, Moon, Amber oder Crystal. Er will nicht, dass wir uns Sorgen um ihn machen“, erklärte sie und ihr Blick war glasig. „Aber ich -“ „Du musst mir oder den anderen auch nichts davon erzählen, ich will nur, dass er jemanden hat, mit dem er darüber reden kann.“ Es war schon fast ein Flehen und ich seufzte, schloss kurz die Augen und nickte dann. „Ich danke dir“, flüsterte sie, legte die Hand auf meine Schulter und machte sich schließlich auch davon. Eine Weile blieb ich noch wie angewurzelt stehen und warf meinen Kopf in den Nacken. Ich hatte mit Jet rein gar nichts zu tun, aber wenn Jade der Meinung war, er würde mir etwas anvertrauen und es würde ihm dadurch besser gehen, dann redete ich eben mit ihm. Gintama – Sad Song Eine leichte Brise kam mir entgegen, als ich aus dem Haupthaus rausging. Der Himmel war lila gefärbt und es war schon recht dunkel. Ich sah mich kurz um, aber Jet war nicht hier, also schlug ich die Richtung zum Park ein. Die Kirschblüten hatten einen richtigen Teppich gebildet und bedeckten selbst die Oberfläche des kleinen Sees. In dem Licht sah es magisch aus. Leise ging ich zum Pavillon und als hätte ich es gewusst, war Jet hier. Er hatte sich auf die andere Seite auf die Holztreppe gesetzt und rührte sich nicht. Mir war klar, dass er mich wahrscheinlich schon längst gehört hatte. Ich verschränkte die Arme und überlegte was ich sagen konnte. „Was willst du, Mira?“, fragte er leise, aber schaute nicht zu mir. „Ich will mal mit dir reden“, sagte ich trocken und setzte mich einfach neben ihn auf die Treppe. Sein verwirrter Blick entging mir nicht, doch das ignorierte ich. „Wieso?“ „Dir ist schon bewusst, dass sich jeder Sorgen um dich macht?“, fing ich an und blickte hinauf zum Himmel. Jet erwiderte nichts. „Mir sollte es eigentlich egal sein, aber da ich irgendwie angefangen habe, Crystal zu mögen, sehe ich das es ihr ebenso scheiße geht, aber sie sagt nichts … dir zuliebe.“ Meine Augen wanderten langsam wieder zu ihm und er starrte auf den Boden. Er rieb gedankenverloren seine Hände aneinander und ich beschloss, zu warten, bis er etwas sagte. „Ihr geht es schlecht?“, fragte er rau nach. „Ja, und das, weil du sie belügst. Ich meine keiner von uns ist blind, selbst Askella hat bemerkt, dass etwas mit dir ist und mal ehrlich … sie ist nicht die Hellste und achtet schon gar nicht auf andere Menschen“, sagte ich ernst. Jet seufzte und stützte seine Ellenbogen auf den Beinen ab, dann schloss er die Augen. „Mir ist wirklich egal, mit wem du darüber redest, aber du solltest es bald mal tun, denn du merkst selbst, dass wenn du es für dich behältst, es dir nur schadet“, redete ich auf ihn ein und lehnte mich leicht nach hinten um mich mit meinen Händen abzustützen. Linkin Park - Leave Out All The Rest [Piano Version] „Es ist einfach ziemlich kompliziert“, meinte er nach langem Schweigen. „Ich habe … ständig diese Albträume, die wirklich was ganz anderes aussagen, als ich Crystal erzählt habe.“ „Was hast du ihr denn erzählt?“ „Dass ich mich nicht unter Kontrolle hätte und jeden um mich herum töte, doch meine Träume sind anders geworden. In gewisser Hinsicht zeigen sie einen Teil meiner Vergangenheit … zumindest glaube ich das, denn einige Bilder kommen mir schrecklich vertraut vor“, erzählte er und ich war ehrlich gesagt überrascht, denn so viel hatte er bestimmt noch nie am Stück geredet, jedenfalls nicht vor mir. Und nicht über sich selbst. „Ich kann nicht mehr richtig schlafen und wenn, dann kommen diese Albträume und sobald ich aufwache, bin ich noch erschöpfter. Ich habe nicht mal mehr Appetit auf irgendwas…“ „Dass du dir dann nicht helfen lässt, verstehe ich nicht. Merkst du denn nicht, dass du das scheinbar nicht alleine schaffst?“, sagte ich plötzlich und erkannte, wie er etwas in sich einsank. Aber er sagte dazu nichts. „Manchmal muss man sich zwingen, seine Sorgen auszusprechen, damit es besser wird. Egal, ob man jemand anderem damit Sorgen bereitet. Nur so können sie einem helfen“, sagte ich und wurde zum Schluss hin immer leiser. Warum versuchst du immer, stark zu sein? Ich seufzte. „Denk darüber einfach mal nach, Jet.“ Langsam stand ich auf und ging einige Schritte wieder zurück. „Ich hab das Gefühl, als wäre ich zwei Personen zur selben Zeit“, sagte er mit einem Mal und ich hielt inne, dann drehte ich mich zu ihm. Er griff in seine Tasche und zog einen kleinen schwarzen Stein mit weißen Flecken hinaus. Es sah aus wie ein Schneeflockenobsidian. „Was ist das?“, fragte ich leise und legte den Kopf etwas schräg. „Mein Glücksbringer“, sagte er rau und betrachtete ihn stumm. Jet wirkte so kraftlos in diesem Augenblick und so viel schwächer, wenn er diesen Stein anschaute. Es kam mir nicht so vor, als wäre das sein Glücksbringer, sondern viel mehr ein Unglücksbringer. In diesem Moment sah ich in ihm nicht den starken Mann, sondern einen kleinen Jungen, der einfach nicht wusste, wohin er gehörte. Ohne noch etwas zu sagen, drehte ich mich um und begab mich wieder zum Haupthaus. Dave Matthews Band - Out Of My Hands Irgendwie machte es mir Angst Jet so zu sehen, denn … er war so dünn. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass ein Rider so abnehmen konnte – der Virus würde doch alles tun, damit der Körper am Leben blieb. Warum nicht auch bei ihm? Es musste zwar noch einiges mehr dazu kommen, aber Jet war auf einem guten Weg dorthin… Ich verstand es nicht und sowieso wirkte Jet ganz anders, als alle Crystal Rider, die mir bisher unter die Augen gekommen waren. Er war der Einzige, der nichts von seiner Verwandlung wusste, er konnte sich tatsächlich nicht daran erinnern. Darum beneidete ich ihn ein wenig, aber mit so etwas leben zu müssen, mit so einer Ungewissheit, das konnte und wollte ich mir auch nicht vorstellen. Ehrlich gesagt, tat er mir furchtbar Leid und Crystal auch, denn man sah, dass sie genauso darunter litt. Wie stark musste sie ihn bloß lieben… Ich stieß die Tür zur Eingangshalle auf und stolperte direkt über die Schwelle. Ich war so in Gedanken, dass ich nicht mal normal gehen konnte. Schnell schüttelte ich den Kopf, ließ die Tür hinter mir zufallen und ging langsam und leise durch den Flur. Dieses Mal konnte mich wirklich niemand bemerken, denn ich hatte normale Schuhe an. Nach nur einer Minute erreichte ich mein Zimmer, doch ich hielt davor inne. Wenn Askella auch da war, dann schlief sie bestimmt schon, denn heute hätte sie keiner wachhalten können. Nicht mal Mrs. Capella. So leise wie möglich öffnete ich die Tür, denn ich wollte sie nicht wecken, aber als ich eintrat sah ich, dass meine Mühe umsonst war. Sie war gar nicht erst da. Ich seufzte, schloss wieder die Tür und begab mich zu Onyx' Zimmer. Er hatte keinen Mitbewohner, also klopfte ich unbefangen an. Ich wartete kurz, doch es öffnete niemand. Schlief er schon? Dann hörte ich Schritte, die näherkamen und drehte mich um. Es war Ivory, der nur an mir vorbeiging. Er lächelte mir zu und nickte zur Begrüßung. Kurz erwiderte ich sein Lächeln, doch wandte mich wieder zur Tür, die immer noch geschlossen war. Ivory war dann wieder verschwunden. Ich biss auf meine Unterlippe und senkte den Blick. Entweder schlief Onyx oder er war gar nicht da, in beiden Fällen war ich hier überflüssig. Mein Körper drehte sich schon wieder nach rechts, als ich hinter mir erneut Schritte wahrnahm, doch ich ging weiter. „Mira?“, fragte die Person und ich blieb sofort stehen, dann sah ich zurück. Onyx kam mir entgegen. „Wo warst du?“, fragte ich und wandte mich nun ganz zu ihm. Wir wollten uns nicht treffen, wir hatten nichts vereinbart … und wir hatten nicht mehr miteinander gesprochen, seit dem Kuss. Also musste er mir nicht sagen, wo er war und natürlich konnte er auch hingehen, wohin er wollte. Warum störte es mich dann? „Nur in der Mensa“, antwortete er verwirrt und ich griff an meine Oberarme. Irgendwie war mir eiskalt. „Ist alles okay?“, fragte er und ich nickte sofort. Seine Haare waren total durcheinander und doch wusste ich, dass er sie immer so herrichtete. Sein Pony hing in einzelnen Strähnen in seiner Stirn und hinten waren sie etwas kürzer. Er hatte ein schwarzes Hemd an, welches nicht zugeknöpft war und darunter ein weißes T-Shirt. Die Ärmel waren hochgekrempelt und gaben seine braun gebrannte Haut frei. Warum ich so darauf achtete, wusste ich selbst nicht, aber sein Anblick jagte mir eine angenehme Wärme durch den Körper. Als mir klar wurde, dass ich ihn gerade die ganze Zeit angestarrt hatte und meine Wangen immer röter wurden, drehte ich mich eilig um und steuerte auf mein Zimmer zu. „Mira, jetzt warte doch bitte mal“, rief er mir hinterher und folgte mir auch. Erst als er mich am Arm festhielt, blieb ich stehen, doch sah ich ihn nicht an. „Ich will endlich wissen, was mit dir los ist“, sagte er ernst und stellte sich vor mich hin. Meine Augen wanderten zu seinen und unwillkürlich dachte ich an meine Worte, die ich Jet an den Kopf geschmissen hatte. Manchmal muss man sich zwingen, seine Sorgen auszusprechen, damit es besser wird. Egal, ob man jemand anderem damit Sorgen bereitet. Nur so können sie einem helfen. Jewel – Hands „Komm mit“, murmelte ich und hielt auf mein Zimmer zu. Wenn Askella eben noch nicht da war, dann würde sie jetzt bestimmt auch nicht mehr kommen. Bei ihr kam es mehr als nur oft vor, dass sie woanders übernachtete. Als wir im Zimmer standen, ging ich zu meinem Schrank und holte eine Schachtel raus. Dann setzte ich mich auf mein Bett und schloss kurz die Augen. Onyx setzte sich neben mich, aber er sagte nichts. „Meine Eltern waren ein richtige Vorzeigepärchen“, fing ich an, zu erzählen und spürte schon wieder den Ekel in mir hochkommen, sobald ich nur daran dachte, was sie den Leuten alles vorgemacht hatten. „Lieb und nett, hilfsbereit und sehr spendabel … aber das taten sie nur, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Und Geld.“ „Es ist doch schön, wenn man helfen kann!“, sagt meine Mutter überfreundlich und lacht auf ihre gespielte Art. „Gern geschehen.“ Dann legt sie auf. Ich stehe in der Küche und schenke mir etwas zu trinken ein, doch da kommt sie schon anstolziert. „Mach dich bald fertig! Wir müssen zu einer Pressekonferenz“, meint sie und ich blicke langsam zu ihr. „Was habe ich damit zu tun?“, frage ich leise. „Du weißt, dass du dabei sein musst, schließlich brauchen wir dich.“ „Sie brauchten mich, damit wir die kleine glückliche Familie spielen konnten, die wir eigentlich nie waren“, murmelte ich und öffnete die Schachtel. Darin war ein Zeitungsartikel. „Sie ist infiziert!“, brüllt mein Vater und schubst mich von sich. Ich verliere mein Gleichgewicht und falle zu Boden. „Was sollen wir machen? Das darf doch nicht wahr sein! Ich wusste, du bist nur ein Klotz am Bein!“, schreit meine Mutter auf mich ein, während ich am Boden liege und meine Hände auf meine Brust presse, es schmerzt so sehr! „Als erstes müssen wir dafür sorgen, dass keiner davon erfährt, Liebling“, höre ich meinen Vater sagen und schöpfe Hoffnung, dass er mir helfen will. „Aber wie?“ „Wir schaffen sie ins Internat. Und Gabriela fährt sie dorthin.“ „Gabriela war mein Kindermädchen, sie sprach aber unsere Sprache nicht, zumindest nicht so gut. Aber als sie mich dort abgesetzt hatte, meinte sie zu mir, dass sie mich liebt und das es ihr leidtäte“, flüsterte ich und wieder wurde mir so unangenehm kalt. Dann griff ich in die Schachtel und holte den Zeitungsartikel hinaus. „Das habe ich einige Tage nach meiner Ankunft hier gefunden“, sagte ich, blickte zu Onyx und reichte ihm den Artikel. „Eine Todesanzeige?“, fragte er nach und ich nickte. „Arianna Felicia Connor, das ist mein richtiger Name und das“ – ich zeigte auf die Anzeige – „ist meine Todesanzeige. Nach meiner Infizierung haben meine Eltern mich einfach für tot erklärt.“ Ich knirschte mit den Zähnen und versuchte, mich zu beruhigen, doch spürte ich wieder, wie es mir nicht gelang. Dafür war meine Wut einfach zu groß … und ich hatte das zum ersten Mal ausgesprochen. Ich konnte nicht mehr … „Mira?“, fragte Onyx, als ich den Kopf senkte, um meine Tränen zu verbergen, aber ich schaffte es nicht, denn schon flossen sie an meinem Gesicht hinab. „Aber es ist auch egal, meine Eltern sind mir egal. Sie können von mir aus in der Hölle brennen!“, zischte ich und stand auf. „Wenn deine Eltern dir so egal sind, warum hast du dann immer noch den Artikel aufbewahrt?“, fragte er ruhig, aber es fühlte sich an wie ein Messerstich. Linkin Park – In Between „Meine Eltern sind mit egal!“, schrie ich und drehte mich ruckartig zu ihm um. Er schien nicht überzeugt zu sein. „Die beiden sind die letzten Menschen auf dieser Welt, die ich jemals wieder zu Gesicht bekommen will!“ Er seufzte, legte den Artikel wieder in meine Schachtel und kam zu mir. „Warum bist du so wütend?“, fragte er und legte seine Hände auf meine Schultern. „Was ist denn das für eine Frage?!“ „Wären deine Eltern dir egal, dann würdest du ihnen gegenüber auch nichts empfinden, aber du bist sehr enttäuscht worden und das macht dich wütend, weil du nach allem mit so etwas ttrotzdem nicht gerechnet hättest“, sagte er und ich kniff die Augen zusammen. „Du hast doch keine Ahnung!“, schrie ich und drehte mich weg, dann brach alles in mir und ich sank runter auf die Knie. Das Schluchzen ging in Wellen durch meinen Körper und es wollte nicht mehr aufhören. „Ich hasse sie so sehr!“ „Bitte beruhige dich“, flüsterte Onyx und war plötzlich neben mir und legte seinen Arm um mich. „Hör auf, lass mich in Ruhe!“, rief ich und wollte am liebsten alleine sein, denn so sollte mich keiner sehen. „Ich will einfach nicht …“ Plötzlich schlug mein Herz schneller und ich atmete zittrig ein. Die Kälte verschwand und mir wurde warm. Langsam wurde ich ruhiger und drehte mich zu Onyx. Er sah mich neutral an, aber seine Augen schimmerten. Er beruhigte mich mit seiner Gabe und ich konnte nicht anders, als sein Gesicht in meine Hände zu nehmen und meine Lippen vorsichtig auf seine zu legen. Sanft berührte er meine Wange, doch seine Berührungen wurden zunehmend verlangender, ebenso wie meine. Ich krallte meine Hand in sein Haar, schob die andere unter sein T-Shirt an seinem Rücken entlang, krallte mich dort fest und er zog mich mit sich auf die Beine. Meine Zungenspitze glitt über seine Lippen und ich streifte ihm das Hemd ab. Dann drückte er mich an die Wand, doch stoppte sofort und schob mich von sich. „Das will ich so nicht“, meinte er erschrocken. „Tut mir leid.“ Sofort löste er sich von mir und ließ mich stehen. „Was?“, fragte ich irritiert und folgte ihm. „Das war meine Gabe, das wollte ich nicht, ich wollte nur, dass du dich beruhigst“, erklärte er und griff mit einer Hand in seine Haare. Ich schluckte und versteifte mich. War das wirklich nur seine Gabe? Ich wusste es nicht, denn ich fühlte mich so … manipuliert? Nein, das war es nicht … mein Verlangen nach Onyx ließ auch nicht nach. „Es tut mir wirklich leid, Mira, das wollte ich nicht“, fing er wieder an sich zu entschuldigen. „Es ist nur … ich müsste mich eigentlich beherrschen können, weil…“ Er stockte und blickte erschrocken zu mir. Immer noch konnte ich nur daran denken, wie wunderschön er war, ignorierte seine Worte dennoch nicht. „Warum musst du dich beherrschen können?“, fragte ich nach. „Eben … Also Ivory therapiert mich ja, seitdem ich auf dem Internat bin und eben hat er mir gesagt …“ Er sprach nicht weiter und senkte seinen Blick. „Was?“ Ich wurde ungeduldig und bekam ein ungutes Gefühl. „Er hat mich zur Abschlussprüfung angemeldet.“ Das war genau der Schlag, den ich erwartet hatte. Meine Augen weiteten sich und ich ballte meine Hände zu Fäusten. „Mira, ich muss dir leider sagen, dass es bei dir wahrscheinlich noch ein paar Jahre dauern wird, bis du zur Abschlussprüfung kannst. Deine Gabe ist zu sehr von deinen Gefühlen abhängig“, sagt Capella mir mit mitfühlender Miene. „Ich will nicht mal zur Abschlussprüfung. Hier sind wir doch alle am sichersten“, erwidere ich abwehrend. Linkin Park – The Messenger „Willst du die Prüfung antreten?“, fragte ich leise und spürte einen Kloß im Hals. „Nein“, sagte er sofort. „Ich will nicht entschärft sein, dann müsste ich hier weg. Ich müsste da raus.“ Onyx machte eine deutliche Handbewegung zum Fenster, doch wurde dann etwas rötlicher um die Nase. „Ich könnte dich nicht mehr sehen.“ Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu erwidern, aber mir fiel nichts ein. Seine Worte überrumpelten mich. „Wie lautet dein richtiger Name?“, hörte ich mich plötzlich fragen, vielleicht, um vom Thema abzulenken, vielleicht aber auch aus bloßem Reflex. Seine Augen wanderten langsam wieder zu meinen. „Das … ähm, das hat mich lange keiner mehr gefragt und ich habe es auch ebenso lange niemandem mehr erzählt“, murmelte er rau und legte kurz seine Hand in seinen Nacken. Aber ich wartete, denn ich wollte es wissen. „Mein richtiger Name ist Riley Greyheart“, flüsterte er und lächelte verlegen. Auf meinen Lippen bildete sich ein breites Lächeln. „Was denn?“, fragte er irritiert. „Der Name ist sehr schön“, meinte ich und spürte selbst, wie meine Wangen immer heißer wurden. „Früher hasste ich diesen Namen, weil mein Vater ihn mir gegeben hat“, erklärte er und ich legte fragend den Kopf schräg. Nun wurde sein Lächeln düsterer und kurz glaubte ich, den alten Onyx vor mir zu haben. Er drehte sich weg und schaute zum Fenster hinaus. Es war bereits so dunkel, dass man ohne die Laternen gar nichts gesehen hätte. „Mein Vater … er war …“ Er seufzte, als würde er nicht die richtigen Worte finden und als würde ihn das sehr bedrücken. „D-Du musst nicht -“, fing ich an, doch da baute er sich auf und holte Luft. „Er hat mich missbraucht, geschlagen, angeschrien und … es war wirklich die schlimmste Zeit in meinem Leben. Meine Mutter hat er auch geschlagen, aber sie hat sich trotzdem nicht von ihm getrennt. Doch … auf einmal war er nicht mehr da und meine Mutter sagte mir, dass er einen Autounfall gehabt hätte. Das war mir egal.“ Er presste die Lippen aufeinander und schloss langsam die Augen, als hätte er die Bilder direkt vor sich. „Endlich war er weg und endlich konnte ich normal leben, musste keine Angst mehr haben, im nächsten Augenblick eine Gürtelschnalle gegen den Kopf zu bekommen oder dass er nachts in mein Zimmer kam … zumindest dachte ich das. Ich habe normal die Schule weiter gemacht, habe gesehen wie meine Mutter endlich wieder lachen konnte und lernte Leute kennen.“ Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, aber nach einer Sekunde verschwand es wieder, dann war sein Blick eiskalt und er starrte in die Ferne. „Aber das Glück verschwand schnell … ich trug eine unglaubliche Wut in mir und irgendwann konnte ich sie nicht mehr verstecken. Nun war ich es, der anfing meine Mutter zu schlagen, prügelte auf Leute ein, weil sie mich angerempelt hatten. Ich hatte mich nicht unter Kontrolle. Und an einem Abend passierte dann auch das, was ich selbst so sehr gehasst hatte. Ich lernte ein Mädchen kennen und sie lud mich zu sich ein. Es war ganz offensichtlich, dass sie nicht weiter gehen wollte, aber das war mir egal. In diesem Moment wich jedes Gefühl aus mir und -“ Er stockte und biss die Zähne zusammen. „Ich wusste immer, dass es falsch war, aber … ich konnte nicht anders. Ich habe es einfach ignoriert.“ Langsam drehte Onyx sich wieder zu mir und ich erkannte, dass seine Augen glasig waren. Ich rührte mich nicht, sondern sah ihn nur an. „Na ja, das alles fing auch erst richtig in den letzten Jahren meiner Schulzeit an und ich bekam viele Anzeigen, saß auch schon im Gefängnis, aber nur wegen Körperverletzung. Keine der Frauen hat sich jemals getraut, jemandem davon zu erzählen, ich hatte ihnen nämlich deutlich gemacht, dass sie es bleiben lassen sollten.“ Ich hörte förmlich das Knirschen seiner Zähne und versuchte, keine Reaktion zu zeigen, auch wenn es schrecklich war, was er mir da erzählte. Shadow Of The Damned – Main Theme „Als ich dann infiziert wurde, war ich fünfundzwanzig und ich hatte da schon von den außergewöhnlichen Gaben gehört und fragte mich natürlich, was meine war. Es dauerte auch nicht lange, bis ich das rausfand“, murmelte er und senkte angewidert seinen Blick. „Ich ging nach kurzer Zeit dennoch freiwillig ins Internat, denn da dachte ich mir, schlimmer als jetzt, kann es nicht mehr werden. Und da hatte ich auch noch Recht mit behalten, denn selbst, nachdem ich Jade meine Geschichte erzählt hatte, nahm sie mich auf und sagte, dass sie mir helfen würde … ich weiß bis heute nicht, was sie da geritten hat und bis vor kurzem war es mir auch egal, was andere von mir halten.“ Er lachte kurz auf. „Aber diese Frau hat ihr Wort gehalten, sie hat mich nicht aufgegeben, hat Ivory mit dazu geholt, weil er es besser beurteilen kann mit seiner Gabe. Er spürte immer, wenn ich – selbst unbewusst – meine Gabe benutzt habe“, sprach er aufgeregt und ungläubig zugleich. Ich selber lächelte ebenfalls ganz leicht und sah ihn einfach nur an, doch dann dachte ich daran zurück, wie es bei mir war. Er hatte mir gerade alles offenbart, doch ich nicht ihm … warum fiel es mir so schwer? Ich biss auf meine Unterlippe. Na los! „Ich litt, seit ich zwölf Jahre alt war unter Magersucht“, murmelte ich und atmete stockend ein. Onyx ließ seinen Blick sofort wieder auf mich fallen. „Finger weg von diesem Zeug!“, schimpft meine Mutter, als ich mit einem Hamburger in der Hand nach Hause komme. Verwirrt sehe ich zu ihr auf. „Das macht dich dick und hässlich und du musst hübsch sein, Arianna!“, zischt sie angewidert, nimmt nur mit Fingerspitzen den Hamburger und schmeißt ihn in den Müll. „So ein Zeug kommt mir nicht ins Haus.“ „A-Aber ich hab Hunger“, flüstere ich und ziehe meine Brauen zusammen. „Dann iss das“, sagt sie, geht zum Kühlschrank und holt einen Diätjogurt raus. Den drückt sie mir in die Hand und geht. „Wie bescheuert das einfach war, dass ich da mitgemacht habe. Aber groß eine andere Wahl hatte ich auch nicht. Irgendwann war es für mich zur Routine geworden, nichts mehr zu essen und wenn man mir etwas angeboten hat, wollte ich nicht. Nicht mehr, weil meine Mutter es mir verboten hatte, sondern weil ich schon selbst dem Mist glaubte. Und das ist auch der Grund, warum ich auch jetzt nicht viel esse, weil ich es einfach nicht gewohnt bin. Aber ich könnte selbst Wochen hungern und mein Körper würde keinen Schaden nehmen, aufgrund des Virus. Ich würde schwächer werden, aber groß bedrohlich wäre das nicht für mich“, erzählte ich und Onyx lächelte sanft. Fast schon dankend, aber genauso auch ich. Er hatte mir gerade alles anvertraut und ich hatte noch nie so was Schlimmes gehört, doch er redete mit mir darüber. Das war ein Geschenk. „Warum hast du mir das alles erzählt?“, fragte ich und verschränkte hinter meinen Rücken meine Hände. Er öffnete leicht den Mund, doch schloss ihn wieder und mit derselben Miene schaute er auf den Boden. „W-Weil … ich dich …“ Er stockte und blickte mich ernst an. Plötzlich schimmerten seine Augen und mein Herz begann, wie wild zu schlagen. Dann gingen wir beide aufeinander zu und er nahm mein Gesicht in seine Hände, küsste mich und ließ eine Hand zu meiner Hüfte gleiten. Ich krallte in sein T-Shirt, schob es leicht hoch und fuhr mit meiner anderen Hand durch seine Haare. Jede Berührung von ihm kribbelte und ich bekam Gänsehaut. Mir wurde heiß und ich zog ihn noch enger an mich, biss in seine Lippe und stöhnte lustvoll auf. Er hatte seine Arme eng um mich gelegt, ließ seine Hände zu meinem Rücken gleiten, dann zu meiner Taille, zu meiner Hüfte … Wie vorhin hörte er abrupt auf, mich zu küssen und ließ mich schlagartig los. Doch ich hielt ihn weiterhin fest, denn ich wollte nich,t dass er aufhörte. „Nein … verdammt!“; zischte er und wollte meine Hände von sich nehmen. „Meine Gabe … ich hab sie bei dir einfach nicht unter Kontrolle.“ „Hör nicht auf“, raunte ich und schob langsam meine Hand unter sein Shirt. „I-Ich … hab dich manipuliert …“, versuchte er, sich zu wehren. „Onyx“, fing ich an und legte meine Hände auf seine Brust. „Nein, nein! So will ich das nicht. Das wollte ich nicht“, stammelte er und ging wieder ein paar Schritte rückwärts. Nun zischte ich, packte seinen Kragen, drehte ihn zum Bett und schubste ihn darauf. Erschrocken sah er zu mir auf und ich kniete mich über ihn. „Onyx, das ist nicht deine Gabe“, knurrte ich an seinem Ohr und endlich ließ er sich darauf ein. Begierig legte er seine Hände an meine Taille, schob mein Oberteil hoch und zog es mir schließlich aus. Dann zog ich ihn soweit hoch, dass ich ihm ebenfalls sein Shirt ausziehen konnte. Er sah mich an, hielt meinen Blick fest und strich eine Strähne hinter mein Ohr. Sanft küsste er mich wieder und seine Lippen wanderten von meinem Mund zu meinem Hals und dabei strich er mir über den Rücken und öffnete den Verschluss meines BHs. Ich hatte meine Arme um seinen Hals gelegt, fuhr immer wieder durch seine Haare und genoss jede Berührung von ihm an meinem Hals, meiner Brust, meinen Bauch. Dann zog er mich plötzlich nach vorne und drehte mich auf den Rücken, sodass er über mir war. Er lächelte, als er mein überraschtes Gesicht sah und beugte sich nur wieder runter, um seine Lippen auf meine zu legen. Seine Hände strichen über meine Haut und langsam zog er mir die restliche Kleidung aus. Immer wieder wanderten meine Finger über seine Brust, dann zu seinem Bauch und mal an seinen Rücken um mich dort festzukrallen. Doch dann ließ ich mich genauso drauf ein und zog ihm auch die letzten Kleidungsstücke aus. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und er krallte mit einer Hand in meinem Haar, mit der anderen stütze er sich auf. Und in diesem Augenblick waren wir nicht nur körperlich verbunden … Nein. In dieser Nacht teilten wir noch etwas anderes, etwas Unbeschreibliches und ich wusste, dass ich Onyx vertrauen konnte und ich wusste auch, dass er mir genauso vertraute. River Flows in You - Cello & Piano Orchestral Version ft. Yiruma Meine Augen öffneten sich ein kleines Bisschen und ich spürte, dass Onyx ebenfalls wach war. Hatten wir schon Morgen? Ich lag mit meinem Kopf auf seiner Brust und er hatte seinen Arm um mich gelegt, während er mit seinen Fingern leicht über meine Schulter strich. Es war noch ziemlich dunkel draußen, also früher Morgen, tippte ich. Ein Schauer überkam mich und ich lächelte. Früher war er nie bei mir geblieben in der Nacht, genauso wenig, wie ich bei ihm, wenn wir in seinem Zimmer gewesen waren. Langsam drehte ich mich so, dass ich zwar immer noch mit dem Kopf auf seiner Brust lag, aber ihn anschauen konnte. Er lächelte mich an und ich erwiderte es. Seine Haare waren komplett durcheinander und dieses Mal war es ungewollt. Doch es ließ ihn unglaublich schön wirken. „Ich habe über gestern Abend nachgedacht“, flüsterte er ruhig und ich wartete bis er weitersprach. „Über das, was du mir mit deiner Magersucht erzählt hast und wie deine Eltern waren.“ „Was ist damit?“, fragte ich und spürte, dass ich nicht aufhören konnte zu lächeln. Er schaute kurz an die Decke und überlegte. Dann hatte er die richtigen Worte gefunden. „Du bist wie ein Phönix“, meinte er und ich zog meine Brauen zusammen. „Wie … meinst du das?“, fragte ich irritiert nach. „Dieser Vogel vernichtet sich selbst und kann dennoch neu auferstehen. Aus etwas Zerstörtem wird etwas ganz neues, etwas Wunderschönes und genau das kannst du auch“, lächelte er und ich blinzelte, während die Hitze in mein Gesicht schoss. „Du kannst aus der Asche deiner Vergangenheit treten und neu anfangen, so eine zweite Chance hast du mehr als verdient, Mira“, raunte er und strich mit seinen Fingerspitzen sanft über meine Wange. Ich senkte kurz meine Augen und presste meine Lippen zusammen, doch dann hob ich wieder den Kopf und beugte mich näher zu ihm heran, kurz vor seinen Lippen blieb ich dann stehen. „Du auch, du hast es genauso verdient, Onyx“, flüsterte ich und küsste ihn. Dann schauten wir uns in die Augen und er legte eine Hand an meine Wange. „Ich liebe dich“, flüsterte er ruhig und mein ganzer Körper verkrampfte. Das spürte er und verzog schon ängstlich seinen Mund. Warum sagte er das? Meinte er es wirklich so? Ich atmete kurz ein und spürte, dass meine Augen anfingen zu brennen, bis die erste Träne auf Onyx' Brust tropfte. Ich zitterte. „Ich liebe dich auch“, sagte ich dann und spürte seine Erleichterung, spürte wie seine Haut wärmer wurde und dann zog er mich enger an sich und wir küssten uns. Das war es also … die ganze Zeit über war es Liebe gewesen, die mich so verrückt werden ließ, wenn es um Onyx ging. Ich wollte immer nur, dass es ihm gut ging. Im Nachhinein war es so klar und doch hatte ich es einfach nicht gesehen. Jetzt verstand ich auch, warum ich mich bei ihm nie beherrschen konnte, verstand warum er der Einzige war, der mir, wenn er mir nur in die Augen blickte, praktisch meine Seele sah. Er war der Einzige, bei dem es mich auch kein bisschen störte, wenn er etwas von mir wusste, wenn er wusste, wer ich wirklich war. Und genau dieses Gefühl, ließ mich über seine Vergangenheit hinwegsehen. Aber wie konnte ich mir so sicher sein? Ich hatte noch nie geliebt und das, was ich spürte, wenn ich Onyx ansah, kannte ich nicht. Dennoch fühlte es sich unglaublich an und es machte mich… glücklich. Etwas anderes als Liebe konnte es nicht sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)