Melancholie von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es ist immer der letzte Schultag vor den Ferien, der mich so traurig macht. Heute Morgen habe ich mich noch gefreut, weil es regnen sollte, aber nun scheint die Sonne, ist es denn nicht schon schwer genug... Ich liebe den Regen, er ist so schön melancholisch, aber trotz dessen ist er so perfekt für Tagträume. Ich stehe gerade am Busbahnhof und warte auf meinen Bus nach Hause, ganz allein, denn der Bus meiner Wegbegleiterin ist eben abgefahren. Wie der heutige Tag war? Er war den vergangen Tagen so ähnlich und doch so anders. Ich habe die ganze heutige Schulzeit mit einem traurigen Schimmer betrachtet. Ich wollte den Tag eigentlich mehr oder weniger glücklich zu Ende bringen, aber da kam er, er der mein Herz festhält. Warum gibt er es mir nicht zurück? Ist es denn nicht schon schwer genug... Auch wenn ich den ganzen Vormittag sehr viel gelacht habe, kommt nun alles hoch. Es schmerzt so. Warum verlässt mich dieser Schmerz nicht? Ist das der einzige Grund aus dem ich lebe? Ich halte es nicht mehr aus... Alle anderen sind so offen mit ihren Gefühlen, nur ich, ich kann es nicht... Ich versuche mich zu erinnern, ob einer meiner Träume und Wünsche sich je erfüllt hat. Negativ. Ich gehe durch den Tag und durch die Nacht, durch Himmel und Hölle, aber hat es mir jemals etwas gebracht? Oh nein, nur diese gottlosen Schmerzen, die mir den Schlaf rauben. Anscheinend nicht. Ich beginne allmählich mich selbst zu hassen. Diese Last sie erdrückt mich...Es hat alles vor einigen Tagen angefangen, als ich morgens auf dem Weg vom Bahnhof in die Schule war. Es war gerade zweiundzwanzig Minuten nach sieben. Ich hatte schon den kleinen Zebrastreifen überquert. Nach der nächsten Kurve würde ich die Schule sehen, aber soweit kam es nicht. An diesem Tag, meinem fünfzehnten Geburtstag, bemerkte ich zum ersten Mal diese stechenden Schmerzen, die mich in die Knie zwangen, meine Augen schlossen sich zwar, aber ich war bei vollem Bewusstsein. Ich presste mit meinen Unterarmen gegen meinen Bauch. Aber es wollte nicht aufhören. Ich öffnete schließlich wieder meine Augen. Wo war ich? Es sah alles so komisch aus. So irreal. Diese Welt, wenn man es so bezeichnen kann, erinnerte mich an einen Ölfleck auf der Strasse. Sie schillerte in allen nur erdenklichen Farben. Plötzlich verspürte ich, wie mich meine Kräfte verließen. Ich war bewusstlos. Endlich wachte ich auf, ich blintzelte einige Male, weil mich ein so helles Licht umgab. Auf einmal schauten mich zwei wunderschöne Augen, deren Farbe ich nicht eindeutig bestimmen konnte, an. Es waren Männeraugen. "Schön, dass Ihr zu euch gekommen seid, Prinzessin." Mir stockte der Atem. Was hat er gesagt? Prinzessin? Ich sah auf den Boden, aber da ich von Natur aus neugierig bin, suchte ich Augen des jungen Herrn. Ich fand sie schließlich, er lächelte mich an. Irgendwie kam er mir so bekannt vor. Ich durchsuchte meine Gedanken nach diesem Gesicht, aber ich wurde nicht fündig. "Endlich seid Ihr erwacht", sagte er. Ich versuchte meine Sprache anzupassen und antwortete: "Entschuldigt, aber ich verstehe nicht ganz von was Ihr sprecht." Sein Lächeln hielt immer noch an. Ich wartete ein paar Sekunden, erhielt aber keine Antwort. Schließlich sagte er: "Pardon, ich war in Euren Augen versunken. Sie strahlen die Hoffnung aus, die Euer Volk nun braucht!" Jetzt war ich vollkommen verwirrt. Ein Volk...mein Volk? "Ich verstehe immer noch nicht. Bitte erzählt mir alles, was Ihr wisst. Ich möchte es so gern begreifen." "Es stimmt also, dass Ihr euer Gedächtnis verloren habt. Gut dann will ich Euch alles erzählen." Er lächelte mich an, dieses Lächeln. Es war so warm, richtig niedlich. "Nun gut ich werde am besten ganz vorne beginnen. Alles hat vor zehn Jahren, an Eurem fünften Geburtstag begonnen. Es war ein regnerischer Tag, aber dennoch konnte man den zarten Geruch von Rosenblüten wahrnehmen. König Uterus, Euer Vater, hat einen Ball zu Euren Ehren ausrufen lassen. Am Abend, als auch die letzten Gäste eingetroffen waren, geschah das, was unser aller Leben verändern sollte! Die böse Fee Melusin wurde nicht eingeladen, denn sie war überall als lasterhafte Dirne, die ihre Freier tötet, bekannt, dennoch zog sie immer wieder Männer in ihren Bann. Diese Schankmaid wagte es trotzdem zu euren Ball. Sie roch nach Fäule und Dreck, ihre Kleider glichen denen eines Toten, welcher zehn Jahre zuvor begraben wurde. Ihr Haar war ganz verfilzt, außerdem klebte vertrocknetes Blut an ihren Krallen-" Ich unterbrach den Herrn, dessen Name ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte und fragte: "Ja aber jedes Wesen trägt doch etwas gutes in sich, es kann doch wohl kaum sein, dass Melusin immer so verdorben und schändlich war. Und warum tötet sie ihre Freier?" Er nickte und fuhr fort: "Ihr habt schon recht. Ich will es Euch erklären, denn das eine hängt mit dem anderem zusammen. Sie war einst die schönste unter den Feen und konnte jeden durch ihre zarte und fromme Art verzaubern, aber wie das so ist strotzte sie bald vor Überheblichkeit. So kam es also, dass sich ein garstiger, mittelloser Kaufmann in sie verliebte. Schließlich hielt er um ihre Hand an, aber Melusin verspottete ihn mit höhnischem Gelächter. Jetzt erst zeigte der vermeintliche Kaufmann sein wahres Gesicht! Er war nämlich Oberon, der Herr der Feen und dieser besaß eine unschätzbare Macht. Melusin erschrak und winselte um Gnade, aber es war zu spät. Oberon verwandelte sie in ein hässliches, verbittertes Wesen. Erst im nachhinein bemerkte der verletzte Oberon, dass er nicht nur ihr äußeres schlecht gemacht hatte, sondern auch inneres. Das war ein unwiderruflicher Fehler. Infolgedessen verbannte Oberon Melusin aus dem Feenwald und sie sollte als Fee für immer unter den Menschen verweilen. Da Melusin so nicht leben konnte, machte sie sich zum Allermannsliebchen, jedoch konnte sie Oberon nicht verzeihen und hasste von nun an alle Männer. Darum tötete sie alle ihre Freier und fraß sie infolge von gräulichen Ritualen." Ich unterbrach ihn abermals: "Schön das habe ich soweit begriffen, aber sagt wie kommt es, dass es immer noch Männer gibt, die sich auf sie einlassen?" "Ja, das kommt daher, dass das einzige schöne, das Melusin geblieben ist, ist ihre silberhelle Stimme. Nur so schafft sie es Mannsbilder in ihren Bann zu ziehen." Ich erschrak! Wie konnte sich eine Frau nur so erniedrigen? Ich schüttelte den Kopf. "Ist etwas, Prinzessin?", fragte er. "Öhm, nicht direkt...obwohl doch! Ich hätte da nur eine Frage...wie ist Euer Name?" Ich lächelte ihn an, er aber sank ernst den Kopf. Ich war nun ebenfalls gefasst und mein Lächeln verwandelte sich in einen angespannten Gesichtsausdruck. Ich legte meinen Kopf schief, weil ich das nicht ganz begreifen konnte. "Du hast es wirklich vergessen...", flüsterte er. "Was hab ich vergessen? Bitte sagt es doch." "Ach, das ist nicht so wichtig, man nennt mich Gandharven..." Plötzlich ergriff mich wieder dieser Schmerz. "Lilith, was hast du? Ich hätte es dir nie sagen dürfen, denn es ist doch so schon schwer genug..." "Ach weißt du, es geht schon wieder." Gandharven sah betrübt zum Boden. "Nya wir sind vom Thema abgekommen. Also, wir waren bei deinem, öhm eurem Geburtstag. Da trug es sich also zu, dass Melusin euch, aus Wut verzauberte und mit euch das ganze Land. Sie konnte eure überragende Schönheit nicht ertragen, sie hasste euch ohne Gleichen. Melusin wollte euch töten, aber dazu war sie nicht stark genug, darum legte sie auf euch einen tausend Jahre währenden Bann, als hätte sie uns damit nicht schon genug gestraft! Außerdem brachte sie über unser Land eine ewig anhaltende Dürre und Gestalten, die jedes Jahr wiederkehren um uns zum einen die minimale Ernte zu nehmen, und zum anderen, was noch viel schlimmer ist, schänden sie die jungen Mädchen! Wäre es nicht ganz so schlimm gewesen, hätten wir euch ruhen lassen, aber wir hielten es nicht mehr aus. Aus diesem Grunde suchten wir den Magier Linmer auf, der eine große Macht besaß. Linmer überprüfte zuerst das Hexenwerk, wobei er feststellen musste, dass ihr, wenn ihr wieder unter uns weilt, unter furchterregenden Schmerzen leiden werdet. Ich bitte euch, seid nicht böse, es war unsere einzige Chance." Ich verstand Gandharven und plötzlich waren mir diese Schmerzen ganz egal. Dennoch stellte ich mir die Frage, was sich nun für das Volk ändern sollte. "Aber wie soll ich dem Volk helfen? Ich besitze keinerlei Macht und soll es mit Melusin aufnehmen? Verzeiht, aber wie soll das gelingen?" Ich war wirklich der Verzweiflung nahe, aber Gandharven lächelte nur. War das nicht etwas unpassend? "Ihr seid immer noch so liebreizend wie früher, aber seid unbesorgt! Ihr besitzt auch gewisse Zauberkräfte! Denn was ihr nicht wisst, ist, dass eure Najade, Mutter-" Ich unterbrach abermals: "Eine Nymphe ist?" Nanü, was habe ich gesagt? Der junge Herr war deutlich überrascht und fragte völlig perplex "Woher wisst ihr das?" "Ich weiß nicht. Es kam einfach so über meine Lippen." Sein Gesichtausdruck änderte sich erneut, diesmal hatte er eine gewisse Überlegenheit. "Ich habe nicht nachgedacht, pardon. Eure Mutter konnte die Gedanken aller Leute, die in ihrer Umgebung waren, lesen, auch wenn sie das gar nicht wollte. Sie verabscheute diese Fähigkeit. Uterus wusste zwar, dass eure Mutter eine Nymphe ist und dass sie gewisse Fähigkeiten besitzt, aber dass sie eine solch nützliche hatte, wusste er beim besten Willen nicht. Als er nun davon erfuhr, zwang er seine Gemahlin dazu, dass sie ihm, wenn beispielsweise eine Versammlung mit den Nachbarländern war, alles sagen musste. Aber weil eure Mutter eine ehrliche Frau verdrehte sie oft die Wahrheit, das war nicht selten zum Vorteil des vermeintlich Belauschten. Schnell erfuhr das der König. Er bedrohte Najade, aber weil Najade ihren Stolz hatte, belog sie ihn weiterhin. Aber auch dies konnte man vor Uterus nicht lange geheim halten. Als eure Mutter, nach einem Waldritt zurück ins Schloss kam, erwartete sie ein Vertrauter Uterus'. Er sagte ihr, dass sie sich schnellstmöglich in die Gemächer ihres Gemahls begeben sollte. Das tat Najade auch. Sie strich sich vor der Tür des Zimmers noch einmal ihren Rock zurecht und klopfte. Schließlich öffnete sie und trat ein. Was dann geschah, erspare ich euch lieber..." "Was ist passiert? Sprecht!", ich war total aufgebracht und musste einfach wissen was sich dort zugetragen hat. "Es ist für mich einfach zu schwer, ihnen etwas abzuschlagen. Als eure Mutter das Zimmer betrat, sah sie ihren Ehemann am Ende des Raumes vor einem der großen Fenster stehen. Sie ging mit einem freudigen Lächeln auf ihn zu. Nach ein paar Schritten blieb sie stehen, sie hatte etwas in der Hand ihres Gatten erkannt. Es war eine Reitgerte. Najade schaute zu Uterus, dieser drehte sich um. Er hatte einen wahnsinnigen Ausdruck in seinem Gesicht, aber Najade wich nicht einen Zoll. Nun bemerkte sie den Gestank von Alkohol der von ihm ausging. Er schrie sie an. >Warum? Warum Najade? Was hast du nur getan, du hast alles zerstört! Warum hast du mir den Krieg, den König Unumer gegen uns führen will, verschwiegen? Du, du Kreatur! Ich werde dich lehren, was es heißt seinen Angetrauten zu verhöhnen!< Najade war einfach zu stolz, sie war sich sicher, dass sie nichts falsch gemacht hat. Ihre himmelblauen Augen funkelten böse im dämmrigen Licht. Sie dachte nicht im Geringsten daran um Gnade zu winseln. >Du stures Weib! Schau mich nicht so an!< Mit diesem Worten holte Uterus mit der Gerte aus und schlug Najade ins Gesicht. Najade konnte ihre Zunge nicht mehr zügeln, sie hatte schon viel zu lange geschwiegen. >Was fällt dir ein? Du hast wohl vergessen wer ich bin! Dass mich ein Mensch wie du erniedrigt, ist ja wohl das letzte! Ich bin schließlich die Prinzessin des Wassers!< In diesem Moment wurde der Raum von einer gewaltigen Wasserwelle durchflutet. Uterus war nun vollkommen erzürnt, er ging auf Najade zu...was dann noch geschah, weiß ich beim besten Willen nicht. Ich konnte es nicht mehr mit ansehen. Wisst ihr, ich hatte mich die ganze Zeit über in einer hohlen Wand, die ein kleines Guckloch hatte, versteckt. Aber es war selbst für mich damals, einen Tag vor eurem fünften Geburtstag zu viel." Gandharven blickte auf den kargen Holzboden. Weinte er? Seine Augen, sein ganzes Gesicht hatten einen hilflosen Ausdruck angenommen. Ich verstand nur allzu gut! Plötzlich verspürte ich ein Gefühl, ein Gefühl der Vertrautheit. Ich musste ihn einfach umarmen, ihn in die Arme schließen und ganz doll drücken. Wieder spürte ich einen Stich in die Seite, aber das war mir einerlei. Ich konnte nun deutlich erkennen, dass er weinte. Ich beugte mich über den kleinen Tisch, der zwischen uns stand, er blickte zu mir auf, ich schaute ihm noch kurz in die Augen und umarmte ihn. Er schloss mich ebenfalls in die Arme. Ich war etwas überrascht, er war die ganze Zeit über so zurückhaltend gewesen. Als wir uns fertig umarmt hatten, ging zu ihm herüber, und ließ mich neben ihm auf die gepolsterte Holzbank fallen. "Oh Prinzessin wir sind erneut vom-" Ich legte meinen Finger auf seinen Mund, als ich diesen wiederkehrenden Schmerz spürte. Gandharven lächelte mich wie schon sooft an diesem Tag an. Völlig unerwartet gab es eine Erschütterung. Ich sah Gandharven fragend an. "Macht euch keine Sorgen, hm wenn dann nur geringe. Linmer hat um uns einen Schutzwall gelegt, damit ich euch alles in Ruhe erzählen kann. Ich werde ihm ein Zeichen geben, er wartet nämlich ganz in der Nähe. Es gibt noch so viel zu klären..." Der Junge stand auf, und murmelte irgendetwas Unverständliches. Ich schenkte dem ganzen wenig Aufmerksamkeit. Ich erlaubte mir einen Blick auf meine Uhr. Ich erschrak. Die beiden azurblauen Zeiger waren verschwunden und das Glas hatte einen Sprung. So was passiert halt, wenn man irgendwo im Nirgendwo landet. Gandharven war mit seinem Ritual fertig und saß wieder neben mir. "In Ordnung, wir haben eine Stunde, das muss reichen! Bevor ich euch-" Ich musste ihn wieder einmal unterbrechen: "Könntest du mich bitte duzen?" "Wenn das euch, öhm dir recht ist. Also bevor ich dir von Melusin und Najade erzählt habe, waren wir bei deinem fünften Geburtstag und dabei, dass Melusin uns einen unangemeldeten Besucht abstattet. Alle Gäste waren negativ überrascht, sie wussten, dass Melusins Anwesenheit nichts Gutes zu bedeuten hatte. Uterus reagierte schnell, und ließ dich auf dein Zimmer bringen, in dem er dich sicher hoffte. Einige Männer hatten sich in der Zwischenzeit Waffen verschafft und waren bereit zum Angriff. Aber wie schon gesagt sie behielt ihre wunderschöne Stimme, mit der sie jeden, den sie wollte, in den Bann zog. So geschah es, dass sie alle Männer in Trance versetzte. Nun waren nur noch wenige Frauen geblieben, von denen die meisten ohnmächtig wurden, die anderen flohen. So hatte sich Melusin einen freien Weg verschafft, aber sie musste gar nicht bis zu deinen Gemächern vordringen, denn du hattest ebenfalls freien Weg. Warum? Ganz einfach weil Uterus nur Männer bei dir wachen ließ. Also hattest du schon die halbe Strecke zurückgelegt und bist direkt in ihre Arme gelaufen. Schau dir mal deinen rechten Unterarm an." Ich tat es, aber was sollte ich da schon großartiges sehen? Da war nur eine Narbe, deren Ursprung ich nicht kenne, aber ansonsten... "Auf was spielst du an? Auf sie Narbe? Ich kenne aber leider ihren Ursprung nicht!" "Ja genau, diese Narbe meinte ich. Ich kann dir erzählen woher du sie hast. Es war Melusin!" Gandharven kramte ein vergilbtes Blatt aus seiner Tasche und reichte es mir. Ich faltete es vorsichtig auf, da war etwas geschrieben mit roter Tinte - das war keine Tinte, es war Blut. Ich erschrak und warf das Papier auf den Holztisch. "Wessen, wessen Blut ist das?" Mich überkamen zwei Gefühle zugleich, einerseits eine Art Schock, andererseits purer Ekel. Gandharven sah mich schockiert an und fragte mit einem ungläubigen Unterton: "Du widerst dich vor deinem eigenen Blut?" "Das soll mein Blut sein? Das geht gar nicht! Wie soll es denn darauf gekommen sein?" Ich war total außer mir, aber Gandharven, er hat mich doch tatsächlich ausgelacht. Nach einer Weile beruhigte ich mich wieder. Gandharven blickte zu mir und stieß einen erleichterten Seufzer aus. "Geht's wieder?" "Ja, ja. Ich war nur etwas, - etwas schockiert.", sagte ich, mit den Nerven, die total blank lagen. "Ich dachte schon du hörst gar nicht mehr auf. Aber das ist auch egal. Nya, wie du vielleicht erkannt hast, gehören die Narbe, an deinem Unterarm, und der Zettel mit deinem Blut zusammen." Ich nickte zustimmend. "Also gut! Dann werde ich die Geschichte nun zu Ende bringen. Wie schon erwähnt du bist Melusin entgegen gelaufen. Als sie dich sah war sie fasziniert! Denn du warst, und bist vor allen Dingen, deiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. aber was Melusin dann völlig aus dem Ruder warf, war als du sie anlächeltest und ihr mit offenen Armen entgegenliefst. Sie umarmte dich liebevoll und was mich durcheinander brachte, war als sie weinte und du sagtest: >Weint nicht! Ihr seid ein so schönes Wesen!< Nya das verstand noch nicht mal ich, aber nun gut." Als er diesen Satz sagte, bekam ich zwar wieder diesen nervigen Schmerz, aber was mich erstaunte war, dass ich mich an diese Szene erinnern konnte! Plötzlich sah ich alles, wie die Männer, und auch teilweise Frauen, bewusstlos am Boden lagen und wie ich Melusin in die Arme schloss. Aber etwas störte mich dennoch! Warum meinte Gandharven die ganze Zeit über, dass Melusin hässlich sei? Sie war doch so hübsch. Er wollte gerade anfangen weiterzuerzählen, als ich ihn einfach diese Einzelheit erklären musste: "Irgendwie finde ich das alles sehr merkwürdig!" Gandharven sah mich erstaunt an. "Was ist merkwürdig? Kommt ihre Erinnerung wieder?" Man konnte der auch Gedanken lesen? "Ja allmählich kann ich mich entsinnen. Aber dennoch stört mich, dass du sagst, dass Melusin hässlich sei! Ich sehe sie vor mir und sie ist keineswegs hässlich. Sie hatte einen makellos weißen Teint und strahlende Augen. Siehst du? Das widerspricht sich doch mit dem was du mir erzählt hast, oder?" Ich schaute ihn fragend an. "Entschuldigt, aber Melusin war die Hässlichkeit in Person! Und öhm... wir sollten nicht sooft vom Thema abkommen." Irgendwie stimmte hier etwas nicht! warum wollte er nicht auf meinen Gedanken eingehen? Aber nun gut ich werde hören, was er zu erzählen hat. "Also du hast Melusin umarmt und sie hat geweint. Aber was jetzt kommt ist, der Wahn der Melusin! Blitzartig rammte sie dir eine ihrer Krallen in den Arm, dir machte das aber gar nichts aus. Daraufhin ließ sie aus ihrer Hand, an der dein Blut herunter rann, eine Pergamentrolle erscheinen. Willst du selbst lesen, was sie darauf geschrieben hat, oder ist das zuviel für dich?" "Nein, nein schon in Ordnung." Gandharven reichte mir das Pergament und ich begann, so gut es ging zu lesen: "Seid gegrüßt Uterus! Ihr werdet euch sicherlich wundern, was mit eurer Tochter passiert ist. Ich werde es euch gerne verraten! Ich habe sie in einen tausendjährigen Schlaf versetzt, außerdem wirst deine Land unter schrecklichen Hungernöten leiden. Warum? Weil..." Jetzt erst fiel mir auf, dass ein Stück des Briefes fehlte. "Ähm... hast du alles verstanden?", fragte Gandharven. Irgendetwas stimmte hier absolut nicht! Gandharven lächelte mich zwar an, aber es war nicht wie die Lächeln zuvor! Es war einfach nur aufgesetzt. Ich kannte diese Art von Lachen, es erinnerte mich an meine tollen Freunde, die mich durch ihren Schönheitswahn fast in den Tod getrieben hätten. Auf einmal hasste ich ihn. Er belügt mich, davon war ich fest überzeugt. Aber was mich andererseits stutzig machte, war, dass ich mich ab dem Moment, in dem ich Melusin in den Armen lag, an nichts mehr erinnern kann. Zum Glück hatte ich gleich eine plausible Erklärung! Ich war ja schließlich bewusstlos, wie sollte ich denn so irgendetwas mitbekommen? Aus diesem Grund blieb mir nichts anderes übrig, außer mir Gandharvens Version anzuhören. "Gandharven willst du nicht fortfahren? Du weißt doch, die Zeit ist knapp bemessen!" "Ja, da hast du wohl recht! Nun gut, viel gibt es nicht mehr zu erzählen, nur, dass du geschlafen hast und dass sich das Klima hier verändert hat. Ach ja Melusin ist seit diesem Tag auch verschwunden. Die meisten hoffen, dass sie jämmerlich krepiert ist." "Was denkst du dir eigentlich, so über ein Wesen zu reden? Außerdem drängt sich bei mir eine Frage auf! Du erzählst mir das hier alles, detailliert bis zum geht nicht mehr, aber nun zu meiner Frage! Warum hast du nicht einmal geholfen? Du sagst immer, dass du das alles gesehen hast, aber warum, warum hast du nicht einmal geholfen?" Ich war mit meinen Nerven am Ende! Ich konnte nicht begreifen wie ein Mensch bei solchen Gräueltaten einfach so zusieht. "Nya früher oder später wirst du es ja sowieso erfahren! Also weißt du, das ist so: Deine Mutter, Najade, hat mich mit an den Hof gebracht. So jetzt weißt du, dass ich ebenfalls ein Wassergeist, wie deine Mutter, bin. Zuerst wollte mich dein Vater fortjagen, aber deine Mutter wollte nur bleiben, wenn auch ich bleiben durfte. Also verfasste Uterus Regeln, die ich unterschreiben musste. Um es kurz zu machen: Ich darf erst ab elf Uhr, in der Nacht beginnen zu sprechen. Ich soll mich den ganzen Tag vom König fernhalten, falls der König mich tagsüber sehen sollte, bekomme ich kein Essen und eine ordentliche Trachtprügel." "Ja aber, warum wollte meine Mutter überhaupt, dass du mitkommst? Nicht, dass ich was gegen dich hätte, oder so." Ich lächelte, weil sich das nicht wirklich glaubwürdig angehört hatte. Er lächelte mich auch an, dieses Mal war es wieder dieses warme, freundliche Lachen. "Meine Mutter war Najades beste Freundin und weil beide wussten, dass sie sich nie wieder sehen würden, schickte mich Mizu, meine Mutter, mit Najade. Ich war sozusagen eine Art Botschafter zwischen den beiden, denn im Gegensatz zu Najade, war es mir nicht verboten meine Mutter zu besuchen. Also besuchte ich einmal in der Woche meine Mutter mit einem Brief von deiner Mutter. Sie weinten immer ganz schrecklich, wenn sie den Brief, der anderen gelesen hatten. So ich glaube, mehr gibt es dazu nicht zu sagen." "Hat es dich nicht auch traurig gemacht, wenn du das so mit ansehen musstest?", fragte ich. "Anfangs schon, aber mit der Zeit ist man so abgehärtet, dass man nur noch tröstet und nicht mitweint." Ok, ich wusste jetzt über meine Vergangenheit bescheit, aber wie soll es nun weitergehen, oder besser gesagt, wie kann ich helfen? Mein Zeitgefühl verriet mir, dass die Stunde nahezu vorüber war. "Gandharven, es tut mir leid! Möglicherweise bin ich einfach etwas schwer von Begriff, aber was soll ich denn nun tun? Die Stunde, die uns Linmer gegeben hat, ist fast vorüber, aber ich verstehe immer noch nicht, wie ich euch helfen kann!" "Dein Vater hat sich einen Plan gesponnen, in dem es darum geht Melusin mit deinen Kräften ausfindig zu machen, sie anschließend zu foltern und dann umzubringen. Ich war von Anfang an dagegen, weil es wahrscheinlich sowie bei deiner Mutter enden würde." "Vater hat mich nur geweckt um Melusin zu töten? Das ist doch nicht normal! Ich werde auf keinem Fall so einem teuflischen und blutrünstigen Plan nachgehen. Ich werde Melusin suchen, aber auf meine Art!" "Du bist wie deine Mutter! Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Damit beginnen wir das nächste Mal, in Ordnung?!" "Wie das nächste Mal?", ich war etwas verwirrt, aber das ist ja nichts Neues. "Du wirst jetzt zurück in dein normales Leben kehren, sonst wäre es zu auffällig. Wir werden uns am Wochenende wieder sehen. Leb wohl!" Das waren die letzten Worte, die ich von Gandharven gehört hatte. Meine Augen schlossen sich wieder. Als ich wieder zu mir kam, war ich im Krankenzimmer der Schule. Ich hörte Schritte, endlich erblickte ich die Person, zu der sie gehörten. Es war meine Englischlehrerin. Sie schaute mich überrascht an. "Lilith, ist alles mit dir in Ordnung?" Ich nickte. In dieser Woche ging es mir von Tag zu Tag schlechter. Diese widerlichen stechenden Schmerzen kamen in immer kürzeren Abständen, dennoch versuchte ich jeden Tag so gut wie möglich zu Ende zu bringen. Das Wochenende stand an, aber nicht nur das, sondern auch Ferien. Sollte ich mich freuen? Nein, es gibt keinen Grund sich zu freuen. Wieso auch? Anfangs hatte ich mich ja über die Aufgabe, ein Land zu retten, gefreut, ich nahm auch die Schmerzen in Kauf. Aber ich kann einfach nicht mehr, ich habe jede einzelne Schmerztablette, die ich Zuhause gefunden habe, genommen. Jedoch ohne Erfolg. Ich fühle mich wie high, aber diese gottverdammten Schmerzen...sie verfolgen mich, wollen mich an mein letztes treiben. Kann ich das zu lassen, oder besser gesagt kann ich es verhindern? Ich habe Angst, wieder in diese komische fremde Welt zu kommen, in der mich ein angeblicher Vertrauter erwartet. Noch nicht einmal weglaufen würde was bringen, sie werden mich überall finden. Ich muss es wohl einfach auf mich zu kommen lassen, egal wie schwer es mir fällt. Ist es denn nicht schon schwer genug... Oh es ist schon zwölf Uhr vorbei, sollte ich einen so schönen Samstagmorgen tatsächlich verschlafen? Nya mal schauen was heute alles passieren wird. Wie schön, kaum die Augen geöffnet schon wieder Schmerzen. Komisch heute ist es ein anderer Schmerz, nicht dieser stechende, der mir wohl bekannt ist, sondern... Vielleicht ist es ja gar kein Schmerz, es ist meine Angst! Die Angst, die ich vor der ungewissen Zukunft habe, die Angst, die ich vor mir selbst habe! Ich weiß gar nicht mehr genau, warum ich ein mir total fremdes Volk retten soll. Möglicherweise ist es mir bekannt, aber ist es Grund genug? Mir ist kalt. Komisch gestern Abend habe ich das Fenster doch geschlossen, nya Vorsicht ist besser als Nachsicht! Ich liebe diese blauen Vorhänge, Mama sagte, immer dass sie nur meine Augen widerspiegeln. Oh Mama wie sehr ich dich vermisse! Tatsächlich, das Fenster ist auf, aber wer könnte es geöffnet haben? Was ist das? Da kommt doch was auf mich zu! Warum? Warum, ist es denn nicht schon schwer genug...Nein es kommt nicht auf mich zu, es hüllt mich ein! Es ist wieder dieses grelle, weiße Licht, das mich in diese fremde Welt bringen will. Mir wird ganz komisch...meine Augen schließen sich abermals... Nanü wie lange war ich dieses Mal bewusstlos. Ich verspüre eine ungemeine Wut. Auf wen? Auf Gandharven, meinen Vater, mein Volk- auf das ganze Land. Ausgenommen zwei einzelne Personen, Najade, meine Mutter und Melusin. Gandharven grinst wie immer. Das letzte Mal hat er mir noch sehr gut gefallen, aber jetzt...Er widert mich an, ich hasse ihn. Ich höre eine Stimme, die sagt, dass ich an ihm meinen ganzen Hass loswerden kann. "Was ist denn los? Du schaust so, so komisch. Stimmt irgendwas nicht?", fragt Gandharven deutlich verblüfft. Ob was nicht stimmt? Ich werde von Schmerzen zermartert, von Schmerzen, die mich in den Wahnsinn treiben. Oh Gandharven, das hättest du nicht sagen dürfen, es war zu viel. Ich kann es nicht mehr zurückhalten! "Gandharven, du siehst, dass ich wegen diesen verdammten Schmerzen fast umkomme und fragst dann noch, ob alles in Ordnung ist. Bist du blind, blöd, oder beides auf einmal? In den ganzen verdammten Tagen, an denen ich zuhause war, gab es kaum einen Augenblick, in dem mich dieser Schmerz verließ! Ich kann nicht mehr, ich bin ein nervliches Wrack. Ist es denn nicht schon schwer genug?" Gandharven sah mich entsetzt an. War ich zu weit gegangen? Nein, wieso denn ich habe nur gesagt, was ich augenblicklich fühle. Sein Gesichtsausdruck wurde wieder normal. "Lilith, ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich wusste nicht, dass du so leidest. Aber wie schon letztes Mal besprochen, zählen wir alle auf dich, wenn du Melusin auffindest und sie hinrichtest wirst du nie mehr leiden und dein Volk hat endlich wieder seinen Frieden. Mach dir keine Sorgen wegen deiner Heimat, dort steht die Zeit still. Keiner wird bemerken, dass du hier bei uns bist." Wie schafft er es mich immer wieder zu besänftigen? Das schafft noch nicht mal Daddy. Auch dafür hasse ich Gandharven. "Du hasst mich nicht, Lilith.", sagte Gandharven ohne die geringste Gefühlsrührung. Er sagte es so kalt... "Wie bitte? Ich kann dir nicht ganz folgen?" Das war total verwirrend. "Deine Seele ist so rein, dass man jeden Gedanken aus deinen Augen lesen kann. Und ich schwöre, du hasst mich nicht." Oh Mann, ich glaub, dass wird mir allmählich zu viel. "Lilith, dein Vater, König Uterus würde dich gern sehen, aber..." Gandharven begann zu lachen, einfach so. Irgendwie versteh ich den nicht. Ich schaute an mir herab. Mist ich hatte ja meinen Schlafanzug an. Wie peinlich!! Gandharven fuhr fort: "Aber ich glaube vorher müssen wir deine Robe etwas ändern. Es geht ja nicht, dass ein junges Fräulein Hosen trägt. Nya wir reiten jetzt erstmal ins Schloss, da habe ich schon etwas bereitgestellt." Ich musste wirklich im tiefsten Mittelalter gelandet sein. Aber Gandharven ist schon gestört, er macht sich nicht über das total kitschige Hasenmuster lustig, sondern über die Hose. Nya dann werde ich mit ihm mal zum Schloss gehen. Ich wusste gar nicht, dass ein Pferd so unbequem sein kann, noch länger hätte das mein Hintern nicht mitgemacht. Das Schloss, oder vielmehr die Burg ist wunderschön. Draußen gibt es traditionell einen Burggraben und anschließend einen riesigen Wald, durch den ich mir Gandharven geritten bin. Innen ist es einfach nur pompös. Tausende und aber tausende Räume und Hallen. Alle Hofangestellten schauen mich seltsam an, das ist wahrscheinlich die Reaktion auf die Hose mit den tollen Häschen drauf... Der Wassergeist blieb stehen und öffnete eine Tür. "Hm ich glaub, ich lass dich nun besser allein. Die Schneiderin wird die Kleider noch vollends an deinen Körper anpassen." Mit diesen Worten verließ mich Gandharven. Ich hatte noch keinen Funken Aufmerksamkeit der Schneiderin geschenkt. Sie lächelt mich an. Ich lächle zurück. Sie ist nicht mehr die Jüngste, aber irgendwie, irgendwie kenne ich sie. Plötzlich rennt diese etwas dickliche Person auf mich zu und schließt mich, mit Tränen in den Augen, in die Arme. "Oh Prinzessin, dass ich euch wieder sehe. Ihr habt uns ja so gefehlt." Daraufhin brach sie in lautes Schluchzen aus. Ich tröstete die Schneiderin so gut es ging; schließlich beruhigte sie sich. Sie schaute mir in die Augen und begann zu schmunzeln. "Prinzessin, ich denke wir sollten allmählich beginnen, euer Kleid anzupassen. Euer Vater erwartet euch bestimmt schon!", sagte sie mit einem freundlichem Lächeln auf den Lippen. "Ich möchte nicht unfreundlich erscheinen, aber ich weiß gar nicht, wie ich euch anreden soll!", sagte ich unsicher. "Ooh verzeiht, der König sagte ja, dass ihr einen Teil eurer Erinnerung vergessen habt. Nennt mich einfach Kalide." Mit diesen Worten nahm mich Kalide an die Hand und führte mich zu einer riesigen Tür, sie öffnete und ich sah einen übergroßen Raum, der als Kleiderschrank fungierte. Ich war verblüfft, diese Kleider erinnerten mich an Sissi, die österreichische Kaiserin. Nya dann befinde ich mich wohl doch nicht im Mittelalter, sondern im Biedermeier. Komisch...das Biedermeier war Anfang des 19. Jahrhunderts, aber wenn ich mir die Leute hier anschaue, muss ich sehr an das Mittelalter denken. Ich bin wohl wirklich in einer anderen Dimension. Kalide, die kurz in diesem Ungetüm von Schrank verschwan, kam mit zwei Kleidern wieder zurück. Das eine Kleid war rose mit vielen Rüschen und das andere war babyblau und sah ebenfalls ziemlich prachtvoll aus. Die Schneiderin sah mich an, hob zuerst das rosefarbene und anschließend das blaue Kleid an mich, lachte und sagte liebevoll: "Wir werden das blaue nehmen. Es passt einfach so gut zu euren wunderschönen Augen. Ihr könnt euch schon einmal ausziehen, ich hole inzwischen noch ein paar Dinge, die von höchster Wichtigkeit sind." So verschwand sie abermals im Schrank. Ich zog währenddessen meinen Pyjama aus und stand schließlich in BH und Unterhose da. Ich fror etwas. Kalide ließ den Schrank zurück und lief zu mir. Sie hatte irgendwas Weißes über dem Arm hängen; ich ahnte schreckliches! Sie will mich doch nicht wirklich in ein Mieder stecken?! Aber da begann sie auch schon: "Hm Prinzessin, wollt ihr euch nicht ganz ausziehen? Weil sonst passt die Korsage nicht richtig. Ihr wisst doch, dass nur ein Mieder, das auf der nackten Haut ist ein gutes Mieder ist. Oder wollt ihr etwa mit diesem lasterhaften Fetzen vor euren Vater treten?" Kalide sah mich schockiert an. "Ich will euch auf keinen Fall entwürdigen oder ähnliches, aber mir ist es etwas unangenehm mich noch weiter vor euch zu enthüllen. Ich hoffe, dass ich euch nicht verletze!" Kalide legt den Kopf schief und schaut mich komisch an, aber plötzlich beginnt sie zu lachen. Es war ein durchtriebenes Lachen, das mich auf eine Weise einschüchtert. Sie nähert sich mir. Sie kommt immer näher und näher und mustert mich, schleicht um mich herum und macht sich an meinem BH zu schaffen. Ich erschrak und konnte dennoch nichts machen, ich war einfach zu schockiert. Auf einmal stand ich da, ich stand da wie Gott, oder wer auch immer, mich geschaffen hatte. Natürlich versuchte ich so schnell wie möglich meine Blöße so gut wie es nur ging zu verdecken. Blitzartig überkam mich wieder dieser Schmerz. Warum nur? Die ganze Zeit ging es mir gut, ich war ohne Schmerzen und nun? Es war ein viel stärkeres Stechen wie sonst; es zwang mich in die Knie. Kalide kam sofort zu mir geeilt und wollte mir aufhelfen, aber ich winkte ab und verbarg dieses, mein Leid. Meine Schneiderin reichte mir das Korsett, welches ich wohl oder übel tragen muss. Zuerst musste ich so eine seltsame lange Unterhose, oder wie man dieses etwas auch nennen will, anziehen, anschließend kam dieses beklemmende Stück Stoff genannt "Mieder". Ich legte es mir um die Hüfte, aber dann, dann wusste ich nicht wirklich weiter. Nya ich will ja nicht undankbar erscheinen, jedoch war Kalide noch bei mir. "So Prinzessin, am besten haltet ihr euch irgendwo fest..." Sie suchte nach einem geeigneten Ort, letzten Endes fand sie eine passende Stelle. Sie deutete mit dem Finger auf sie. Es war eine Art Säule die Mitten im Raum zur Dekoration stand. Ich hielt mich also, nichts Böses ahnend, mehr oder weniger fest an der Säule. Schon begann Kalide mich ordentlich zu schnüren und blubb lag ich auf meinem Hintern. Meine Näherin stand ganz verdutzt, mit den Schnüren vom Mieder in den Händen, da. Augenblicklich fing sie an lauthals zu lachen; mir jedoch war diese Angelegenheit ziemlich peinlich. Kalide half mir auf und sagte zu mir, mit Tränen, die vom Lachen kamen: "Prinzessin, ich wusste ja nicht, dass ihr euch nicht festhaltet." "Öhm, könntet ihr es vielleicht unterlassen jeden Satz mit "Prinzessin" zu beginnen? Ich habe doch nicht umsonst einen Namen!" Kalide musste abermals lachen. "Ja, das ist mir schon bewusst, aber ihr seid doch die Prinzessin. Ich habe mich so danach gesehnt endlich wieder das Wort Prinzessin zu sagen. Verzeiht mir bitte." Irgendwie erfreute mich die Tatsache, dass ich hier verehrt und vor allen Dingen geschätzt werde. Wenn an Zuhause denke, fällt mir nicht ein Moment ein, an dem ich geschätzt wurde. Es ist so frustrierend, so deprimierend. Hier jedoch ist alles wie in einem Traum, nur die Schmerzen...vielleicht vergesse ich sie mit der Zeit. Aber, ist es denn nicht schon schwer genug... Nya ich werde mich jetzt erst mal in diesen Liebestöter von Mieder hineinzwängen. Also noch einmal von vorne... Ich muss gestehen, dass Kleid ist ein Traum in babyblau! Nun bekomme ich noch die Haare zurechtgemacht, danach werde ich wohl auf meinen Vater, König Uterus, treffen. Also daheim habe ich mit meinem Haar eigentlich keine Probleme, aber dieser Frisör, oder wie man das nennen will, hat anscheinend mehrere. Zu guter Letzt konnten wir uns auf eine simple Hochsteckfrisur einigen. Der gute Mann hat um auf diesen Entschluss zu kommen zwei ganze Stunden gebraucht. Jetzt, jetzt endlich werde ich meinem Vater, den Mörder meiner Mutter in die Augen sehen können. Nun als es soweit ist, bekomme ich es doch etwas mit der Angst zu tun. Ich habe mich gefreut ihn kennen zu lernen, aber wenn ich genau nachdenke, will er doch nur, dass ich Melusin töte und das gestattet mir mein Gewissen keineswegs. Wie soll ich einen Menschen töten, den ich gar nicht kenne? Nya nun heißt es wohl fürs Erste, abwarten und Tee trinken. Es klopft an die Tür; es ist Gandharven. Hat ihn jemand gerufen? Ich habe jedenfalls nichts mitbekommen, aber nun gut. "Lilith, du siehst einfach umwerfend aus. Mir fehlen die Worte.", schmeichelt Gandharven. Er ist so freundlich zu mir, dennoch fürchte ich mich davor ihm zu vertrauen. Soll ich es wagen? Hoffentlich bereue ich es nicht... "Kommst du? Dein Vater erwartet dich schon. Ach ja ich ließ noch ein paar kleine Leckereien für dich kochen, denn du hast doch sicherlich Hunger." "Oh endlich gibt es was zum Essen, ich bin nämlich dem Hungertod nahe." Wir mussten beide lachen. Auch dieses Mal verzauberte mich dieses sympathische Lächeln. Gandharven griff nach meiner Hand und führt mich geradewegs aus dem Zimmer auf den langen Gang. Ich liebe diesen Geruch, den es in alten Gebäuden hat, er ermutigt zum Träumen. Der Wassergeist führt mich in das nächste Stockwerk, dort befinden sich bestimmt die Gemächer. An einer der Wände hängt ein Bild; ich bleibe stehen. Plötzlich verspüre ich einen schrecklichen Schmerz, schlimmer als der, den ich während der Kleideranprobe hatte. Ich falle auf die Knie, Gandharven will mir sogleich aufhelfen, aber der Schmerz, er lässt mich nicht los. "Lilith, oh mein Gott was ist mit dir los?" Gandharven nahm mich auf und trug mich. Er trug mich in ein Zimmer, irgendeines. Ich verlor das Bewusstsein. Ich erwachte, fast nackt nur in dieser komischen Hose und einem Hemdchen. Dieser Raum glich einer Sauna. Außerdem nahm ich irgendwelche dubiosen Dämpfe wahr. Jetzt erst bemerkte ich, dass ich eine Art Verband unter dem Hemdchen hatte. Ich versuchte mich aufzusetzen, aber es ging nicht. Rechts von meinem Bett sah ich Gandharven, der wohl eingenickt war. Ich ging an eines der großen Fenster. Es war tiefste Nacht. Plötzlich spürte ich eine relativ kühle Hand auf meiner Schulter. Ich zuckte zusammen und drehte mich anschließend um. Ich hatte wohl Gandharven geweckt. Er nahm mich erneut und trug mich wortlos in mein Bett. "Gandharven, es tut mir Leid. Ich hatte wohl die Kontrolle über mich verloren und war daraufhin bewusstlos. Ich wollte euch allen keine Sorgen bereiten." Gandharven jedoch sah mich total perplex an. "Lilith! Weißt du eigentlich von was du sprichst? Dich trifft mitnichten die Schuld! Die Schneiderin, die sich als Kalide ausgab, war gar nicht Kalide. Wir haben die echte Kalide nämlich vorhin tot im Burggraben treiben sehen, sie wurde auf eine teuflisch, brutale Weise aufgeschlitzt! Die Näherin, die dich eingekleidet hat, war ein böser Dämon, den Melusin geschickt hat. Du fragst dich nun sicherlich, was das alles mit dir zu tun hat, aber ich werde es dir alsbald verraten! Als du nämlich in die Ohnmacht gefallen bist, haben wir als erst dein Mieder geöffnet. Daraufhin stellten wir mit Schrecken fest, dass das Mieder manipuliert wurde, es war mit lauter kleinen vergifteten Nadeln gespickt! Sie waren so dünn wie ein Menschenhaar, also so gut wie unsichtbar! Zum Glück hat unser Doktor so schnell gehandelt, es hätte nicht mehr lange gedauert bis die Nadeln das Gift vollkommen abgegeben hätten." Ich staunte nicht schlecht, als ich hörte, was geschehen war. Dennoch war da dieser Zweifel, diese Stimme, die mir sagt, dass Melusin nicht dafür verantwortlich ist. Allerdings bleibt mir fürs Erste nichts anderes übrig als Gandharven zu glauben. Oh Gandharven...warum muss es so schwer sein? Auf einmal packten mich Zweifel: "Du Gandharven, warum sieht mein Bauch dann aus, wie wenn ich aufgeschlitzt wurde? Du hast ja selbst gesagt, dass die Nadeln sehr dünn waren. Also?!" "Der Arzt musste ja irgendwie das Gift aus deinem Körper bekommen, demzufolge hat er dann den Giftstoff entfernt. Das war eine Prozedur! Aber ich denken, es hat sich gelohnt. Bevor du fragst, warum es hier so warm ist und warum es hier so komisch riecht, sag ich es dir gleich. Dieses Klima hat ebenfalls der Arzt befohlen, denn so kannst du am besten das Gift loswerden, außerdem lindern diese Dämpfe die Schmerzen." Ich gab mich auch damit zufrieden, was war aus mir geworden, ich war halt high... "Lilith ich würde sagen, dass wir weiterschlafen, oder?" Ich nickte. "Und wo schläfst du?" "Ähm...der Stuhl ist eigentlich recht bequem, muss ich gestehen." Gandharven wurde ganz rot im Gesicht, ob das an der Hitze im Zimmer lag? Was hindert mich eigentlich daran dieses Feuer noch zu schüren? Aber natürlich gaaaanz unscheinbar. "Öhm...Gandharven mein Bett ist doch so groß und außerdem ist mir etwas kühl. Willst du mich nicht etwas wärmen?" Nun hatte ich wahrscheinlich Gandharvens Schmerz- beziehungsweise Schmelzgrenze erreicht. Er war roter als Tomatenketchup! Dieser Anblick ist einfach nur köstlich, er sieht so hilflos aus. Ich hätte aber irgendwie nicht gedacht, dass er so schüchtern ist. Ich hob die Bettdecke und versuchte ihn zu lotsen: "Wärmst du mich? Mir ist doch so bitterkalt. Ach bitte!" Tja und dieser Verlockung konnte er sich nun wirklich nicht mehr widersetzen. Er musste wohl denken, dass ich kein Deut besser wie Melusin war. Aber ich machte das nur um ihn etwas aus der Reserve zu locken. Er stieg also in mein Bett und ließ deutlichen Abstand, nun war es soweit, ich konnte ihn nicht mehr einfach so anschauen, ich konnte ihn nicht mehr als einfachen Freund sehen. Ich beugte mich also über ihn und schaute ihm in die Augen, in die Augen, deren Farbe ich nicht definieren konnte oder vielleicht mochte? Gandharven war auf einmal gar nicht mehr so verlegen, er nahm seine Hände, die bis eben noch in seinem Nacken lagen, und drückte mich auf seinen Oberkörper. Ich schloss die Augen, wie er es tat und wir küssten uns. Zuerst ganz kurz, aber dann immer ausgedehnter und leidenschaftlicher. Ich war wohl doch noch etwas zu schwach und schlief schließlich ein. Als ich am nächsten Morgen die Augen öffnete, traf mich erstmal der Schlag. Gandharven lag bei mir im Bett -ok, aber warum lag ich auf seinem nackten Oberkörper?? War die Betäubungsmitteldosis vielleicht doch etwas zu groß? Hoffentlich hatte ich nichts Unüberlegtes getan. Halt! Hatte Gandharven diese Situation vielleicht ausgenutzt? Diesen Moment des Unbewusstseins? Ich hoffe es nicht. Ich hoffe es für uns beide nicht. aber irgendwie kann ich es ihm nicht ganz zutrauen, so verlegen wie er war. Nein, da war nichts. Ich beruhigte allmählich. Ich musterte ihn, seinen, für einen Wassergeist, sehr muskulösen Oberkörper, sein freundliches Gesicht. Ich strich ihm eine blonde Strähne aus dem Gesicht, nun konnte sein Antlitz nichts drüben. Obwohl ich die Strähne so sanft wie nur möglich entfernte, öffnete er seine zauberhaften Augen. Er lächelte und küsste mich zärtlich. Es fühlte sich an wie, wenn man mit einer Feder über seine Lippen streichen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)