Itsuwari no Kamen / The World is ugly (but you are beautiful to me) von abgemeldet ((Frank x Tsuzuku)) ================================================================================ Kapitel 7: When did the diamonds leave your bones...? ----------------------------------------------------- When did the diamonds leave your bones...? Franks POV Ein schweres, gequältes Atmen erfüllt die stickige Luft des gefliesten Raumes, es klingt wie ein armseliges Betteln um Luft. Es ist mein eigener Atem. Er geht stockend und bei jedem neuen Versuch, ein wenig Sauerstoff zu erhaschen, werde ich gestraft durch höllische Schmerzen. Sie sind überall; in meinen Beinen, meinem Rücken, in meinem Magen und in meinem Rachen, überall, ich spüre jede Faser meines Körpers. Ganz deutlich höre ich das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren, es tobt durch meine Adern wie ein reißender Fluss und ich kann es schmecken, das metallische Aroma in meinem Mund ist unverkennbar. Ich will schreien, fliehen,will dass es aufhört, doch ich rühre mich nicht. Meine Augen sind geöffnet und mit Tränen gefüllt, sie brennen von der salzigen Flüssigkeit, welche meine Wangen benetzt. Dann nehme ich noch etwas war, eine Bewegung, ein Geräusch, unmittelbar neben mir. Mein ohnehin rasendes Herz verdoppelt die Geschwindigkeit seines unregelmäßigen Rhythmus.. Wie als hätte jemand einen Schalter umgelegt schrak ich hoch. Mein Atem war flach und hektisch, mein Herz raste und ich verspürte ein starkes Gefühl der Übelkeit. Ich richtete mich noch etwas weiter auf, saß nun senkrecht, und versuchte mich zu orientieren, meine Sinne wieder unter Kontrolle zu bekommen. Der Raum war dunkel und bis auf mein leises Wimmern in eine tiefe Stille getaucht. Alles war okay, ich war in meinem Hotelzimmer, allein. Langsam wurde mein Atem wieder ruhiger und ich fuhr mir grob mit dem Handrücken über's Gesicht, um auch die letzten Tränen hinfortzuwischen. Ein kurzer Blick auf den Radiowecker, welcher auf dem Beistelltisch neben meinem Bett stand, verriet mir, dass es grade mal 3:24Uhr morgens war. Die hellen Ziffern reizten meine müden Augen, sodass ich sie etwas zusammenkniff, ehe ich die Bettdecke von mir strampelte und mit wackeligen Schritten die paar Meter bis ins Bad überbrückte. Dort angekommen stütze ich mich mit beiden Händen am Rand des Waschbeckens ab und wagte einen Blick in den Spiegel zu werfen, um das Ausmaß des Albtraumes begutachten zu können. Meine Haare sahen aus wie das Fell einer räudigen Katze; die kurzen standen in alle Richtungen ab, mein Pony hingegen hing verschwitzt herunter. Meine Augen waren immer noch gerötet und leicht angeschwollen, generell sah ich ziemlich erbärmlich aus und so fühlte ich mich auch. Mein ganzer Körper war erschöpft, völlig ausgelaugt, obwohl ich mich eigentlich nicht in irgendeiner Hinsicht verausgabt hatte. Doch es war normal. In Nächten wie diesen, in Nächten in denen ich aus dem immerselben Traum erwachte, fühlte ich mich, wie als ob ich grade einen Triathlon hinter mich gebracht hatte. Ich senkte mein Haupt etwas und wusch mir kurz mit kaltem Wasser übers Gesicht um die salzigen Spuren meiner Tränen zu vernichten. Zum Glück hatte immerhin die Übelkeit nachgelassen, was leider eher selten vorkam. Nun, da meine persönlichen Erste-Hilfe-Maßnahmen alle Ordnungsgemäß getätigt waren, musste ich mich irgendwie ablenken, durfte gar nicht mehr daran denken an das, was mich vor weniger als 10 Minuten aus dem Schlaf riss. Es brächte nichts, sich jetzt hinzulegen und zu versuchen, einfach wieder einzuschlafen, denn ich hatte das jetzt schon oft genug erleben müssen, um zu wissen, dass mein Unterbewusstsein mich nicht zur Ruhe kommen würde lassen. Kurz stand ich unschlüssig mitten in dem kleinen Badezimmer, wand mich dann um, zog mir das nassgeschwitze Shirt und meine Boxer aus, um in die ebenfalls winzige Duschkabiene zu schlüpfen. In solchen Momenten machte sich meine etwas geringere Körpergröße sehr nützlich. Kaum hatte ich den Hahn aufgedreht, schloss ich die Augen und genoss das Gefühl des wohligen Nass auf meiner Haut. Es war warm und sanft, gab mir ein Gefühl von Sicherheit und so verbrachte ich eine gefühlte Ewigkeit, in welcher ich einfach nur da stand und das Wasser auf mich niederprasseln ließ. Nachdem ich abgetrocknet und meine Haare geföhnt waren, zog ich mir frische Sachen an und setzte mich wieder auf's Bett. Mittlerweile war es bereits halb fünf und doch galt es noch einige Stunden tot zu schlagen, bis Leben in das große Hotelgebäude kam und das Frühstücksbuffet aufgefahren wurde. Suchend nach einem Zeitvertreib sah ich mich im dunklen Raum um, bis mein Blick auf mein Handy fiel. Relativ unmotiviert beugte ich mich ein Stück vor, um es erreichen zu können und tippte erst ein wenig gelangweilt drauf herum, ehe ich beschloss Alice anzurufen.Sie war Weltmeisterin, wenn es darum ging mich wieder aufzumuntern und das hätte ich jetzt wirklich gut gebrauchen können, doch leider ging sie nicht ran, weshalb ich ihr nur eine kurze Nachricht hinterließ. „Hey, Frank hier...ich...wollt nur mal hören wie die Lage da drüben bei dir so ist, ich ruf dann später nochmal an..bye, Rainbow." Geknickt beförderte ich das Mobiltelefon in die nächst beste Ecke und stieß frustriert ein wenig Luft aus. Niemanden zum reden zu haben war definitiv grauenvoll, es sollte gesetzlich verboten werden... Aber selbst wenn ich jemanden gehabt hätte, was hätte ich ihm oder ihr denn schon erzählt? Nichts wahrscheinlich, eine Lüge oder nur die halbe Wahrheit; dass ich einen schlechten Traum hatte, ja, aber nie im Leben hätte ich irgendwem erzählt, wovon besagter Traum handelte. Dennoch hatte ich ein Ventil, einen Zufluchtsort gefunden und er trug den Namen Musik. In ihr konnte ich mich frei und ungehindert fühlen und verarbeitete meine Erlebnisse, größtenteils die schlechten, welche leider recht zahlreich vorhanden waren... Ich schrieb aber sehr gerne und vor allem sehr viele Songs, spielte sie meist in der Fußgängerzone oder nur für mich allein, kam drauf an....manche bestanden nur aus Melodien, zu vielen sang ich jedoch auch. Zwar würde ich nie behaupten, dass ich gut darin wäre — Eigenlob stinkt ja bekanntlich — doch wenn ich mich so mit anderen Sraßenmusikern verglich,hatte ich doch schon so einiges zu bieten. Um also meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken griff ich nach dem Hals meiner Gitarre, legte mir den Gurt um und zog den Stecker des Kabels vorsichtig aus der Bugse — immerhin respektierte ich den Schlaf meiner Nachbarn — und langte, ohne meinen Platz verlassen zu müssen, in die erste Schublade des Nachtschrankes, in welchem sich neben Aspirin und Kaugummis auch ein Stift und mein ziemlich zerfleddertes Songbook fanden. Kaum hatte ich jenes aus der Schublade gefischt, fielen auch schon einige der losen Zettel heraus und breiteten sich vor meinen Füßen aus. Mit einem leichten Ächzen lehnte ich mich ein Stück vor, um die Blätter aufzuheben, als ich innehielt. Sie waren kreuz und quer übersäht mit Schriftzeichen, zweifellos handelte es sich um die Notizen, die ich neulich bei Tsuzuku hatte mitgehen lassen. Das Gefühl eines schlechten Gewissens machte sich in meiner Magengegend breit, hatte er mir doch gestern erst gesagt, er wolle nicht, dass ich seine persönlichen Sachen anfasste...aber eigentlich hatte ich es ja getan, bevor er dieses indirekte Verbot ausgesprochen hatte, also war es doch okay, oder? Von meiner eigenen Argumentation wenig überzeugt überflog ich einige der mir schon bekannten Zeilen. Verse, Reime, Gedichte — sie waren alles auf einmal und zeugten von einer Seele voll Trauer und Schmerz. Das Bild von Tsuzuku, wie er leise vor sich hin summend an seinem Schreibtisch saß und in seinen Zetteln wühlte, schob sich wieder vor mein inneres Auge. Vielleicht waren es ja auch Lyrics von selbstgeschriebenen Songs, die ich da vor mir hatte. Ob Tsuzuku sang?Ich konnte es mir gut bei ihm vorstellen, auch wenn ich noch nicht allzu oft in den Genuss seiner eher tiefen Stimme gekommen war. Wie von selbst ließen meine Gedanken nun den gestrigen Aufenthalt in der Wohnung des Schwarzhaarigen Revue passieren. Anfangs hatte jener sehr abweisend reagiert, das tat er ja aber dem Anschein nach öfter. Doch dann, nach einiger Zeit und ein paar zugegebenermaßen groben Worten, hatte er seine Haltung geändert. Er war zwar nicht wirklich aufgeschlossen gewesen, aber immerhin war er weniger..in sich gekehrt. Er hatte mir erzählt, dass es ihm schwerfiel, Hilfe zu akzeptieren und Vertrauen aufzubauen, es zuzulassen. Und er hat gesagt, ich solle hartnäckig bleiben, ich solle mich nicht beirren lassen...also wollte er es. Er wollte, dass ich nicht aufgab, was wiederum bedeutet, dass er meine Hilfe akzeptieren wollte — so fasste ich es jedenfalls auf. Und auch wenn er vielleicht nicht fähig war, es zu zeigen, dann wusste ich jetzt jedoch, dass ich mich nicht umsonst abrackerte. Alleine diese Erkenntnis zauberte mir ein sachtes Lächeln auf meine Lippen. Allerdings rückte mit jedem Tag der verging ein bestimmtes Problem immer mehr ins Rampenlicht; ein Problem namens Zeit. Die restlichen paar Tage, die mein Hotelzimmer noch mir gehörte, würden mit 200%iger Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen, um mein Vorhaben erfolgreich in die Tat umzusetzen und jetzt, da er ja wahrscheinlich hingenommen hatte, dass ich versuchte ihm zu helfen, konnte ich auch keinen Rückzieher mehr machen — mal abgesehen davon, dass ich das eh nie gewollt hatte. Mir war immernoch keine gescheite Lösung eingefallen und so legte ich die Blätter, welche ich die ganze Zeit über behutsam festgehalten hatte, wieder in die Schublade und strich mir mit einer hektisch wirkenden Geste meinen Pony aus dem Gesicht. Ich war schon drauf und dran mich endlich meinem geliebten Instrument zu widmen, als mein Blick noch einmal auf die digitale Anzeige des Weckers fiel. Schon 7Uhr?? Hatte ich wirklich solange damit verbracht, über den etwas zu schlanken Schwarzhaarigen nachzudenken? Anscheinend... Leicht perplex und auf der einen Seite erleichtert darüber, dass ich mich erfolgreich abgelenkt hatte, auf der andere traurig, dass jetzt das Frühstück anstand und ich das Gitarrespielen nach hinten verlegen musste, packte ich die relativ schwere Les Paul neben mich auf's Bett und stemmte mich hoch. Nachdenklich besah ich mir den gefüllten Porzellanteller vor mir, auf welchem ein halbes Brötchen, eine kleine Portion Nutella und einige Trauben ihren Platz gefunden hatten, entschied dann, dass es genug war und ich eigentlich eh keinen Hunger hatte und setzte mich an einen der freien Tische. Beim Hinsetzen machte mein neuer Nietengürtel ein leises klackerndes Geräusch. Erst gestern, nachdem ich bei Tsuzuku gewesen war, hatte ich ihn und ein paar rote fingerlose Handschuhe in einem Szenegeschäft gekauft. Für diese Art von Accessoires hatte ich eine richtige Sympatie entwickelt; im Gegensatz zu meinem Frühstück, welches ich noch immer nicht angerührt hatte und es auch wahrscheinlich nicht tun würde... Tsuzukus POV Als ich das dunkelrote Backsteingebäude verließ schlug mir direkt die Sonne entgegen und zwang mich, meinen Blick gesenkt zu halten. Es war bereits später Nachmittag und das machte sich in jedem meiner geschundenen Knochen mehr als bemerkbar, war ich doch den ganzen Tag seit dem Morgengrauen ununterbrochen auf den Beinen gewesen, hatte Regale ausgeräumt, geputzt und wieder eingeräumt, hatte gefegt und den Müll raus gebracht....eben das, was man als Aushilfskraft im Einzelhandel so erledigen durfte. Herr Satoshi vom Arbeitsamt hatte mich noch gestern Abend angerufen und mir die achso frohe Botschaft verkündet, dass er etwas für mich hätte. Doch ich war mir nicht ganz sicher, ob ich mich darüber freuen konnte oder nicht, denn mein Organismus war eigentlich nicht im geeigneten Zustand für schwere körperliche Arbeiten~ Hätte ich allerdings heute nicht los gemusst, wäre es darauf hinausgelaufen, dass Frank mich wieder meiner Ruhe und Zeitberaubte hätte. Was war das geringere Übel? Eindeutig die Arbeit, immerhin hatte ich nun endlich wieder ein wenig Geld zusammen. Im Vergleich zu anderen Unternehmen zahlte dieses sogar relativ gut, sodass ich sogar vielleicht, wenn ich etwas sparte, meine Miete und die Stromrechnung für dieses Monat zahlen konnte. Doch zum Sparen war ja noch genug Zeit und ich hatte eine Gelegenheitsanstellung über eine Woche, musste aber eben nur hin, wenn die regulären Mitarbeiter überlastet waren. Etwas zufrieden über das schwere Gefühl der Münzen in meinem Portmonnaie ging ich die gut gefüllte Straße entlang, meine Stammbar als Ziel vor Augen habend. Es würde etwas dauern, bis ich dort angelangt war, da mein derweiliger Arbeitsplatz wieder mal in der hintersten Ecke Tokyos lag, aber ich hatte ja Zeit. Das war der Vorteil, wenn man so sein Leben verbrachte, wie ich es nunmal tat — allein und zurückgezogen. Man war niemandem verpflichtet, konnte tun was man wollte und wenn es nur war, dass man den ganzen Tag lang einfach Garnichts tat. Es war eine Art Freiheit die man hatte, doch auch sie hatte ihre Tücken, wie alles im Leben hatte auch sie zwei Seiten. Aber ich hatte gelernt, mich damit zu arrangieren. Hatte ich denn je eine Wahl gehabt? Nein, nie. Also war es wohl am besten so. Und dann kam er und brachte mit seiner Lebensfreude und seinem unerträglichen Optimismus das ganze System zum Schwanken, stellte es plötzlich in Frage. Frank hatte sich einfach so die Freiheit genommen, sich in mein Leben zu drängen, hatte keine Rücksicht genommen, auch wenn er am vorigen Tag versprochen hatte, es zu tun. Er war hartnäckig gewesen, hatte nicht locker gelassen. Auf der einen Seite hasste ich ihn dafür, hasste das Gefühl der Bloßstellung welches er in mir auslöste mit seiner übertriebenen Hilfsbereitschaft. Auf der anderen Seite war ich schlichtweg verwirrt, da ich seine Beweggründe nicht nachvollziehen konnte. Der Kleine hatte beteuert, dass er mich verstehen würde, doch das war gelogen. Er konnte es nicht, niemand konnte es, nicht mal ich selbst konnte meine Launen verstehen, hatte mich einfach mit ihnen abgefunden. Doch auch, wenn es für ihn nur eine Art Spiel war, was konnte er davon haben? Ein Gefühl der Macht, der Überlegenheit? Zu verlieren hatte er jedenfalls nichts, es kostete ihn lediglich Zeit, welche er an mich verschwendete. Die leise Stimme in meinem Kopf wollte mir weiß machen, dass es nur ein Zeitvertreib für ihn war, da ja schließlich sein Freund bereits abgereist war und Frank somit sonst niemanden hatte. Ablenkung war alles, was ich für ihn war, ein Experiment, nichts weiter~ Meine Schritte verlangsamten sich kurz, ich schüttelte den Kopf und versuchte dieses gehässige Flüstern der Stimme aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich spürte deutlich, dass ich ihr nicht Recht geben wollte, doch es half nichts. War ich ihr doch hilflos ausgeliefert, war zu oft enttäuscht worden...sie hatte zu oft Recht behalten, als dass ich mich noch gegen sie wehren könnte. Verzweifelt riss ich den Kopf ein Stück in die Höhe, blickte mich hektisch um und versuchte somit meinen inneren Konflikt zu beenden. Die Gegend schien mir nun wieder sehr bekannt und ich wusste, dass ich nur noch wenige Straßen hinter mich bringen musste, ehe ich mich dem Alkohol hingeben konnte, weshalb ich mein Tempo etwas anzog, den dumpfem Schmerz meiner strapazierten Füsse keine Beachtung schenkend. An der nächsten Ecke blieb ich allerdings stehen, wusste aber selbst noch nicht so recht warum — hatten meine Sinne und die eher unzuverlässigen Reflexe wieder einmal schneller als mein Verstand gehandelt. Dann allerdings fing ich an zu verstehen und spitzte die Ohren. Viele verschiedene Geräusche wurden durch die kühle Novemberluft aus der Einkaufsstraße zu mir herüber getragen; viele Stimmen, schreiende Kinder,schimpfende Mütter, aber auch die Melodien einiger Instrumente konnte ich ausmachen. Eine fiel meinem geübten Gehör jedoch sofort ganz besonders auf, es war eindeutig eine Gitarre, welche sich etwas stärker durchzusetzen vermochte als ihre Konkurrenten. Zudem wurde ihre ruhige, fast zurückhaltende Melodie von einer festen, aber dennoch sanften Stimme begleitet. Es war eine Männerstimme, sie klang zwar nicht perfekt, aber dennoch rein und die kleinen Unebenheiten innerhalb der Stimmlagen verliehen ihr etwas Charmantes. Ich folgte der Richtung dieser Töne fast wie in Trance und wich somit mal wieder von meinem Weg ab. Je näher ich meiner Entdeckung allerdings kam, umso bekannter kam mir die Stimme vor, welche nun etwas kräftiger wurde und auch der Rhythmus,mit dem die Saiten des Instruments angeschlagen wurden, verschnellerte sich. Das durfte doch jetzt nicht war sein oder? So etwas gab es doch nur in schlechten Liebesfilmen... Ich war nun weit genug vorangeschritten, um Franks Gestalt deutlich ausmachenund erkennen zu können. Er saß genau da, wo ich ihn auch das allererste Mal gesehen hatte, was die Situation wie ein Deja Vu wirken liess. Seine Gitarre lag auf seinem Schoß und seine Finger schienen förmlich über den Hals des Instruments zu tanzen, seineAugen waren geschlossen und er hatte den Kopf leicht in den Nacken gelegt, während seine Lippen die Wörter des Liedtextes formten. Einige Passanten standen um ihn herum, hörten gebannt zu, auch wenn ich bezweifelte, dass sie alle verstanden, wovon er sang, denn der Kleine tat es in seiner Muttersprache. Er schenkte seinen Zuhörern nicht die gerinste Beachtung, war völlig in sein Spiel versunken, wiegte seinen Körper leicht hin und her... Ich selbst hielt mich immernoch im Hintergrund, wollte nicht von ihmgesehen werden, obwohl er ja eh nicht mitzubekommen schien, was um ihn herum war. Dennoch war ich nah genug dran,um die einzelnen Zeilen des Liedes verstehen zu können... Lie awake in bed at night, and think about your life Do you want to be different? Try to let go of the truth, the battles of your youth Cuz' this is just a game Lie.... Beautiful... Everyone's looking at me I'm running around in circles, baby A quiet desperation's building higher I've got to remember this is just a game It's a beautiful lie It's a perfect denial Such a beautiful lie to believe in So beautiful, Beautiful it makes me* Wie gefesselt hatte ich ihn angesehen, jede seiner Bewegungen verfolgt und wandte mich nun ab, obwohl sein Lied noch nicht vorbei war, doch ich hörte esnicht mehr, war bereits wieder in meine tiefe Nachdenklichkeit verfallen. Das Lied, die Traurigkeit, vielleicht auch eine Spur Verzweiflung, welche in seiner Stimme bei jedem Wort mitgeschwungen war...es passte nicht zu ihm. Es stand im totalen Kontrastzu dem, was ich von dem Kleinen kannte; stets war er aufgeweckt und fröhlig, sein verhalten wirkte manchmal etwas kindisch und hyperaktiv. Umso verwirrender waren die Tiefgründigkeit und Melancholie seiner Worte und auch die Hingabe, mit der er sie gesungen hatte. Meine umfassenden Erfahrungen und die Dinge, die Frank mir über seine Leidenschaft zur Musik erzählt hatte, ließen darauf schließen, dass er in seinen Songs seine Gefühle verarbeiete. Ich lachte leise und humorlos auf; erinnerte er mich dochirgendwie an mich selbst vor ein paar Jahren. Mein müder Geist wurde zunehmend überforderter, je länger ich versuchte, aus den gesungen Zeilen des Jüngeren schlau zu werden und wie immer in so einer Situation übernahm wieder mein pessimistisches Ich die Kontrolle über meine Gedanken. Ganz sicher wollte er nur Aufmerksamkeit. Ja, das musste es sein. Frank war ein Schauspieler, ein verdammt guter. Wahrscheinlich war er ein glücklicher Mensch, der hier nicht das bakam, was er gewohnt war, und deshalb drückter auf die Tränendrüse. Ich wandte mich ab und ging einige Schritte züruck in Richtung Bar. War er ein Lügner? War das alles für ihn nur ein Spiel? Hatte er das etwas mit seinem Lied gemeint? Dass er mir nur vorheuchelt mir helfen zu wollen... Oder aberwar es andersrum? War der fröhliche Frank, seine gute Seite, die Lüge? Steckte er in Wahrheit voller Komplexe und versuchte sich selbst nur durch sein scheinbares Selbstbewusstsein zu schützen? Natürlich nicht, warum sollte er auch. Was nützte es ihm? Meine erste Vermutung musste mit Sicherheit die Richtige sein~ Und dennoch, hatte ich es geschafft, meine innere Stimme, meine Dämonen zu verdrängen, so lange wie ich Frank's Musik gelauscht hatte...nein. Er selbst hat sie verdrängt und zum schweigen gebracht.. Mit einem flauen Gefühl im Magen ging ich weiter, wollte die Gedanken hinter mir lassen, was wie immer am besten mit einigen Gläsern meiner geliebten Substanz zu erreichen war. Und auch wenn mich die Vorfreude auf den Alkohol ablenkte, so blieb dort ein winziger, unbedeutender Teil irgendwo tief in mir zurück, der hoffte das meine Befürchtungen ungerechtfertigt waren. Dieser nahezu kaum vorhandene Teil war viel zu schwach, als dass er etwas hätte bewirken können, doch er war da. Und das bereitete mir noch mehr Bauchschmerzen. Jene wurden auch nicht grade weniger, als ich, kurz bevor ich mein lang ersehntes Ziel endlich erreichte, ein paar mir nur allzu gut bekannte Gesichter erblickte, aus denen mir dunkle, zwielichtige Augen entgegen spähten. Schnell sah ich mich um, prüfte die Umgebung auf Fluchtmöglichkeiten, doch es sah nicht so gut aus, da die 3 Männer bereits die halbe Distanz zwischen uns überwunden hatten. Es waren jene, denen ich Geld schuldete, jene, die Frank darauf angesprochen hatten... Erstarrt stand ich dort, machte nichts, stellte mich seelisch schonmal auf die Schmerzen ein, die mir sogleich zugefügt werden würden. Meine erschöpften Muskeln spannten sich an und dann sah ich, wie der größte von ihnen sich direkt vor mich stellte, dämlich Grinste und mit seiner Hand weit ausholte. Ohne jeglichen Protest sog ich scharf Luft ein, vielleicht würden sie es ja auch einfach beenden, mein erbärmliches, sinnloses Dahinvegetieren~ Wiedererwarten traf mich seine Hand nicht im Gesicht oder im Magen, sondern meine Schulter. Es war nicht mal ein richtiger Schlag, sondern viel eher ein schwungvolles Klopfen. Irritiert blickte ich seine Pranke an, welche nun fest auf meiner Schulter lag, ehe er sprach. „Du scheinst dir ja mal die richtigen Freunde gesucht zu haben, Takayama." Immernoch total perplex sah ich ihn aus zusammengekniffenen Augen an, wehalb er fortfuhr und seinen Griff etwas festigte; die anderen beiden standen einfach nur da und sahen teilnahmslos irgendwo anders hin. „Ich mein den Kleinen da..keine Ahnung wie der heisst, aber leih dir lieber in Zukunft bei ihm dein Geld, der scheint ja genug zu haben, wenn er uns schon auszahlt..." Ein gehässiges, süßliches Lachen seinerseits. „Wir sehen uns hoffentlich nicht so schnell wieder" Ruckartigließ er von mir ab, drängte sich an mir vorbei und schon bald verschwanden er und seine Kollegen in der Dichten Masse der Passanten. Und wieder spürte ich diesen kleinen, schreienden Teil ganz sachte in mir aufbegehren~ ________________________________ * A Beautiful Lie - 30 Seconds To Mars Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)