Itsuwari no Kamen / The World is ugly (but you are beautiful to me) von abgemeldet ((Frank x Tsuzuku)) ================================================================================ Kapitel 2: Time is passing -------------------------- Time is passing Tsuzuku POV Ticken. Ein undurchdringliches, viel zu lautes Ticken, das keine anderen Geräusche zuließ und mit jedem Mal lauter zu werden schien. Es war schon immer da gewesen, doch jetzt in der Stille der kleinen Wohnung schien es alles daran zu setzten mich aus der Ruhe zu bringen. Doch ich sah keinen Sinn darin jetzt aufzustehen, die Stille meiner Wohnung zu durchbrechen und mir Frühstück zu machen – wenn es denn überhaupt an der Zeit für Frühstück war, denn bis auf das nerv tötende Geräusch der kleinen Uhr, die am anderen Ende des Zimmers hing, konnte sie mir im Moment nicht viel verraten und nur um zu wissen, wie spät es war, war ein zu geringer Begehr um wirklich in Erwägung zu ziehen mein warmes Bett zu verlassen. Ein röchelndes Geräusch verließ meine Kehle. Ich drehte mich auf die Seite und starrte auf die weiße Wand direkt neben meinem Bett. Wie lange ist es nun her, seit ich hier eingezogen war, seit ich meine Wohnung mehr als eine Not Unterkunft, als ein wirkliches zu Hause betrachtete, seit meine einzigen Besitztümer aus den wenigen heruntergekommenen Möbeln und dem Inhalt meines Kühlschrankes bestanden – der sich übrigens ganz stark dem Nichts entgegen bewegt. Ein weiterer Grund, warum ich hier am besten jetzt einfach liegen bleiben sollte. Wollte ich mein letztes Geld nicht für Essen ausgeben müssen. Dinge die vergingen, nach einiger Zeit ihren Nutzen verloren und eh nur ein kurzes Genussmittel waren, standen bei mir ganz unten auf der Liste, von Dingen die ich wirklich brauchte. Für viele schien diese Einstellung nicht vernünftig, sie sagten, dass es ungesund sei, so über Lebensmittel zu denken, doch ihre Meinung war mir egal. Erst recht, wenn ich besagte Menschen einen Tag vorher in irgendeiner Bar aufgegabelt hatte – sie verstehen mich nicht, kennen mich nicht – es ist eine Nacht mit ihnen. Nicht mehr und nicht weniger. Die Meisten sagten es eh nur, um irgendwie mitfühlend zu wirken, oder mir zu gefallen – manchmal hasse ich mich selber dafür, immer und immer wieder solche Frauen in mein Leben zu lassen, wenn auch nur für kurze Zeit. Ihre gespielte Fürsorglichkeit, ihre blondierten Haare, ihre kurzen Röcke, all das mehr Plage als Vergnügen und ich falle immer wieder darauf herein. Ein gequältes Lächeln legt sich auf meine Lippen – erst jetzt fällt mir auf, wie trocken mein Mund eigentlich ist. Ich verfluche den bevorstehenden Tag jetzt schon… Ein lautes Klingeln riss mich aus meinen Gedanken und ich brauchte eine kurze Zeit um es einordnen zu können – doch wie ich feststellte, musste es sich wohl um mein Handy handeln, welches mich gerade so penetrant aus meinem Bett treiben wollte. Laut stöhnend schlug ich die Decke weg und eisige Luft fuhr über meine nackten Beine und meinen Oberkörper. Genervt schlang ich meine Arme um mich und stolperte Blindlings aus meinem Bett. Eigentlich hätte es mich nicht gekümmert, wenn mein Handy klingelte, doch meistens handelte es sich um einen Typen vom Arbeitsamt, der mir für den heutigen Tag eine mehr oder minder sinnvolle Beschäftigung geben wollte und mir damit den Besuch in meiner stamm Bar ermöglichte. Wenn es eine Sache gab, die mich noch halbwegs motivierte, dann waren es alkoholische Getränke, die ich mir allerdings nur leisten konnte, wenn ich den Tag über solch einen dämlichen Job verrichtete, der an Peinlichkeit und Demütigung eigentlich nicht mehr zu übertreffen war – in zwischen war mir wirklich alles recht geworden, um am Abend an eine Flasche meiner geliebten Substanz zu kommen – ebenfalls mehr Fluch, als Vergnügen, doch bemutterte mich das Gesöff wenigstens nicht auch noch, wie es mein nächtlicher Besuch doch allzu gerne tat. Immer noch benommen, halte ich mir das laut klingelnde Gerät ans Ohr und versuche den grünen Hörer zu treffen: „Ja?“, grummel ich schlecht gelaunt in das kleine rechteckige Teil und verdrehe nur bei dem Gedanken an die über freundliche Stimme des Mitarbeiters auf der anderen Seite die Augen: „Schönen gute Morgen Herr Takayama, hier ist Herr Satoshi von ihrer Agentur für Arbeit. Wir hätte da heute einen Auftrag für sie…“ - Wie hypnotisiert nahm ich ausdruckslos den letzten Joghurt aus meinem kleinen Kühlschrank und setzte mich einfach auf den Boden, den Rücken an die schmale Küchenzeile gelehnt. Ich würde meinen ganzen Tag so verbringen. Einfach abschalten – wahrscheinlich ganz und gar nicht bei der Sache sein, mit leerem Blick diesen nervigen Job hinter mich bringen. War es nicht irgendwo traurig, dass das einzige, was mich anspornte, ein gefüllte Glas Hochprozentiges zu sein schien? Ich wusste nicht, wann es so weit gekommen war, doch etwas daran ändern wollte und konnte ich im Moment auch nicht – vielleicht würde ich es niemals können – würde immer diesen gleichen, ermüdenden Tagesablauft haben, bis ich einfach irgendwann zusammen brach und starb~ Ich war mich nicht einmal sicher, ob das irgendjemanden kümmern würde – wahrscheinlich nicht. Nicht den Barmann, der mich bereits grüßte, wenn ich die Kneipe betrat, nicht diesen Kerl vom Arbeitsamt – niemanden, der jemals in meinem Leben war, oder sein wird – ließ ich doch eh niemals jemanden näher an mich heran. Gab mich kalt und aggressiv – einfach abweisend. Wenn ich einer dieser Menschen da draußen währe, an denen ich gleich vorbei laufen werde, würde ich wahrscheinlich auch nichts mit mir zu tun haben wollen. Fast wie mechanisch stellte ich den leeren Becher auf den Boden und zog mich an der Küchenzeile wieder auf die Beine. Genau so routiniert ging ich zu der Kommode neben meinem Bett und zog das nächst beste, schwarze Shirt hervor und eine löchrige Jeans, die eigentlich auch schon ihre guten Zeiten hinter sich gelassen hatte, doch für mich reichte sie noch. Ohne noch einmal einen Blick zurück zu werfen, verließ ich wenig später meine kleine Wohnung, die tickende Uhr, mein ungemachtes Bett und den leeren Joghurt Becher auf dem Boden. - Die Kälte trieb mich voran, brachte mich dazu, endlich irgendwo ankommen zu wollen – einen Fuß vor den anderen zu setzten und nicht doch von den verlockend aussehenden Fastfoodrestaurants von meinem Weg abgebracht zu werden. In meiner Tasche befand sich meinen Heutiger Lohn – ganze 6000 Yen, die jetzt unbedingt auf den Kopf gehauen werden wollten, doch ich musste mich zügeln in meiner wach gewordenen Euphorie, die aus schlapp herunter hängenden Mundwinkeln und schmerzenden Armen bestand – von meinem Rücken ganz zu schweigen. Mein Magen meldete sich zu allem Überfluss nun auch noch zu Wort und verlangte nach etwas Essbaren, das nahrhafter war, als ein ungesüßter Joghurt am Morgen und irgendwelcher Fraß aus dem Automaten, den man an jeder Ecke fand. Ich steckte eine Hand in die kalten Taschen, meiner abgenutzten Lederjacke. An einigen Stellen öffneten sich die Nähte, das Leder wurde speckig, faltig und sah einfach abgenutzt aus, doch ich liebte meine Jacke – war sie doch mit das einzige, was mich in diesen Tagen warm hielt. Einige kalte Münzen klimperten zwischen meinen Finger – mein Restliches Geld, was ich vor dem heutigen Job noch gehabt hatte. Wie viel war es? 300 vielleicht 400 Yen – wieder verzog ich leicht den Mund, starrte vor mir auf den Boden und setzte meinen Weg fort, in der Hoffnung endlich in meinem Bekannten Stadtteil anzukommen. Tokyo war groß und der Job war quasi am anderen Ende der Stadt gewesen – aber eine Wahl hätte ich eh nicht gehabt… Eine leise Melodie brachte mich dazu den Kopf zu heben, nicht, weil sie mir vertraut war oder etwas ähnliches, einfach nur, weil sie so sauber und vollkommen durch die kalte Luft zu mir hinüber drang und schlichtweg zu mir zu passen schien. Sie spiegelte all das wieder, was ich fühlte, oder eben nicht fühlte – auch und vielleicht sogar gerade weil ich nicht einmal wusste woher diese leisen Töne kamen. Und konnte ich einer warmen Mahlzeit, oder einem heißen Getränk widerstehen, so lockte mich die Melodie doch immer weiter in die Richtung, aus der sie kam. Musik war alles für mich gewesen: mein größter Wunsch und mein Untergang und trotzdem konnte ich nicht von ihr lassen. Ich bog um die nächste Ecke, kam damit von meinem geplanten Weg ab und fand mich einige Schritte weiter in einer gut gefüllten Einkaufstraße wieder. Eigentlich hasste ich Menschen Aufläufe – ich mochte das Gedränge einfach nicht, die gespielte Freundlichkeit, wenn man jemanden anrempelte und einfach diese ganzen aufgesetzten Gesichter, denen man im Grunde nichts entnehmen konnte – beziehungsweise sich nicht sicher sein konnte, dass das was sie einem verrieten wirklich Echt war… Mit jedem Schritt wurden meine Zweifel größer, was genau mich eigentlich hier her trieb, doch meinen Widerwillen verdrängte das langsam lauter werdenden Gitarrenspiel und so beschleunigte ich Achseln zuckend noch etwas, um endlich diese Neugier befriedigen zu können. Ganz geheuer war mir die Sache allerdings nicht… Ich hatte schon einige Gitarristen spielen hören, einige besser, andere vollkommen unbegabt, doch diese Töne, hatten etwas an sich, das anders war – vielleicht einen Hauch von Widerstand? Ähnlich meinem Widerwillen so manchen Dingen gegenüber. Die Musik verstummte – das Lied endete, gerade als ich den Kopf hob und meine Augen leicht zusammen kniff, wie ich es gerne tat, wenn ich so wenig wie möglich von meiner Umwelt erfassen wollte – es war schlicht und ergreifend zur Gewohnheit geworden. Mein Blick traf auf einen Jungen – oder eher gesagt, einen jungen Mann. Doch ich sah seinem Gesicht an, dass er schon lange nicht mehr so jugendlich war, wie er es eigentlich sein sollte, auch wenn sich jetzt ein Lächeln auf seine Lippen gelegt hatte, erkannte ich in diesem blassen Gesicht auch noch etwas anderes. Wie er einfach dort saß, auf einem niedrigen Fassaden Vorsprung, neben ihm ein kleiner Verstärker, in seinen Händen eine weiße Le Paul. Ich beneidete Leute, die fähig waren ein Instrument zu spielen – hatte ich doch nie wirklich das Durchhaltevermögen gehabt um mich einem solchen Hobby zu widmen. Langsam trat ich noch einen Schritt an den Jungen heran, entgegen des Stromes der vielen Passanten, drehte eine der Münzen in meiner Tasche herum und stand ihm nun beinahe gegenüber. Er schien nicht aus Japan zu kommen, allgemein konnte ich keine asiatischen Wurzeln ausmachen. Seine Haare – in einem natürlich wirkendem Dunkelbraun – hinten kürzer geschnitten und nur der Pony länger gelassen, seine grünen Augen, gerichtet auf die weiße Gitarre in seinem Schoss, das schiefe Grinsen auf seinen Lippen. Meine Augen scannten ihn geradezu von oben nach unten hin ab, fuhren über seinen verwaschenen Hoodie und die engen schwarzen Jeans an seinen Beinen, bis zu den löchrigen Chucks an seinen Füßen. Er kam mir so unwirklich vor. Fast als würde er nicht in dieses Straßenbild passen, als wäre er lediglich hinterher hinein retuschiert worden und gehörte eigentlich an einen anderen Ort – doch er wirkte trotzdem glücklich… Glücklich dabei einfach hier zu sitzen und sich zu überlegen, was er als nächstes spielen sollte, als wäre dieser Moment für ihn wie die ultimative Freiheit. Meine Lippen Kräuselten sich, ich drehte erneut eine Münze in meiner Tasche herum und blickte wieder auf – er schien mich bemerkt zu haben, denn auch sein Blick lastete auf mir und ich fühlte, wie sich kriechend eine Unruhe in mir ausbreitete, wie so oft, wenn ich wusste, dass sich gerade jemand eine Meinung zu mir bildete - egal ob gut oder schlecht - oder über mich nachdachte. Und als wenn es nicht hätte schlimmer kommen können, schienen seine grünen Augen die meinen zu suchen – Blickkontakt war das letzte was ich im Moment brauchte. Mein Kopf begann bereits anzufangen, meine Entscheidung zu bereuen, den Weg hierher eingeschlagen zu haben, doch mein Körper schien da anderer Meinung. Ich ballte eine Faust in meiner Tasche, die Münzen umschlossen und zog die paar Yen heraus, die vor einigen Stunden noch mein letztes Geld gewesen waren. Wortlos bückte ich mich, den Blicken des jungen Mannes vor mir ausweichend und legte bedächtig die Münzen auf seine Gitarrentasche. Schnell zog ich meine Hand wieder weg, als wenn meine Tat giftig gewesen wäre, oder ich mir die Finger verbrannt hätte und ging einige Schritte zurück. War jetzt nicht der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich einfach umdrehen und wieder gehen würde? Ihn wahrscheinlich niemals wiedergesehen und nach einigen Tagen sowieso wieder vergessen hätte? – spätestens nach der nächsten Sauftour? Doch ich stand einfach da, blickte auf die Tasche für seine Gitarre hinab und schwieg, fast schon vergessend, in was für einer Situation ich mich befand. „Ähm…danke.“, durchbrach seine Stimme, nach mir quälend lang vorkommenden Sekunden, das Gemurmel der Passanten. Diese Japanischen Worte – ebenfalls beinahe absurd, dass sie aus seinem Mund kamen. Ich nickte leicht und sagte in fast schon verwirrtem, aber tiefen Tonfall:„Kein Ding.“, schüttelte dann meinen Kopf und hatte endlich die Überwindung mich umdrehen zu können und durch die Menschen Massen zu verschwinde. Eigentlich war mir unsere Begegnung nicht peinlich gewesen – wahrscheinlich würde ich ihn eh niemals wieder sehen – doch andererseits hatte alles an ihm etwas, dass eine andere Wirkung auf mich zu haben schien. Sein Gitarrenspiel, seine Kleider, sein Gesicht, diese für ihn fremd scheinenden Worte aus seinem Mund, angehaucht mit einem leichten Akzent? Ich wusste nichts über ihn und trotzdem… Wieder schüttelte ich meinen Kopf ein paar Mal energisch und schmunzelte dann über mich selber – gehässig verzog sich mein Mund~ Was war ich doch für ein Idiot gewesen? Hatte ihm Geld gegeben, das ich dringend brauchte… War es schon so weit mit mir gekommen, dass ich mich mittlerweile selber nicht mehr verstand…? - Mit einem leisen Seufzen blies ich den Rauch meiner Zigarette in die ohnehin schon stickige Luft der Bar, an der ich saß. Es gab mal eine Zeit, da wollte ich aufhören mit dem Rauchen, weil ich meine Gesundheit nicht gefährden wollte, doch diese Idee hatte ich genauso schnell wieder verworfen, wie sie gekommen war – warum mit etwas aufhören, mit dem man gar nicht aufhören will? Warum mir selber damit das Leben schwer machen? Nach meinem letzten Zug drückte ich meine Kippe in einem kleinen Aschenbecher aus und widmete mich wieder dem Glas vor mir, doch anstatt zu trinken wie ein Loch, starrte ich nur auf die glatte Oberfläche der Flüssigkeit… „Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“, sprach mich der Mann hinter der Bar an – mittlerweile war er so etwas wie ein Bekannter geworden – oder eher ein Zuhörer – obwohl ich nicht einmal seinen Namen wusste. Wahrscheinlich war ihm auch einfach nur langweilig und nach Reden war mir, wie an den meisten Abenden, heut eh nicht zu Mute. „Gar nichts.“, grummelte ich nur knapp zu ihm herüber und starrte dann weiter in die klare Flüssigkeit vor mir. Ja Tsuzuku es ist nichts passiert – überhaupt nichts – natürlich – verdammt dieser Kerl, dieser scheiß Schnorrer war passiert… Sein Gesicht geisterte in meinem Kopf herum, seine Züge, seine Stimme, als wäre er direkt vor mir. Meine Lippen öffneten sich leicht, trocken von der kalten Luft und in der Mitte etwas aufgesprungen. Der Alkohol brannte auf der empfindlich eingerissenen Haut und ließ mich aus meinen Gedanken hochschrecken. Er war doch nur irgendein Straßen Musiker gewesen und wahrscheinlich blieb mir sein Gesicht nur im Gedächtnis, weil er nicht aus Asien kam – fast schon nervten mich die Gedanken an ihn – die Widersprüche in meinem Kopf. Gründe zu suchen, um nicht mehr an ihn zu denken und dabei doch die ganze Zeit gerade an ihn zu denken. Noch einmal floss die brennende Flüssigkeit in meinen Mund, meinen Rachen hinab. Ich würde heute weitermachen wie gehabt – mich nicht von irgendeinem Straßenmusiker ablenken, egal wie sehr er mich zu faszinieren schien… Vorsichtig rutschte ich von meinem Barhocker, nahm mein Glas in die linke Hand und zog mit der anderen eine weitere Zigarette hervor. Alkohol und Sex – so würde meine heutige Nacht noch aussehen. Keine Grübeleien, kein Selbstmitleid und am besten noch eine Prise „Vergessen“ dazu… das war es, was ich jetzt am meisten brauchte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)