Schillern von KaethchenvHeilbronn ================================================================================ Kapitel 11: Freundschaft ist ---------------------------- August hatte den ganzen Tag über versucht, irgendwo ein Pferd aufzutreiben, da sie ihre, mit der Absicht per Schiff weiterzureisen, bei der Ankunft in Venedig verkauft hatten. Doch kein Gaul war irgendwo zu haben, alles war eingeplant und vergeben für den Festumzug zu Pfingsten. Kutschen gingen nur noch hinein in die Stadt. Ob dieser Aussichtslosigkeit auf eine baldige Heimkehr war August völlig verzweifelt, aber das Schlimmste war, dass ihn das schlechte Gewissen plagte. Er hätte Karl nicht sofort beschuldigen sollen. Vertraute er dem Jüngeren etwa nicht mehr? Aber diese ganze Vampir-Angelegenheit war in den letzten Tagen etwas zu viel für ihn geworden. Mit dem Glauben generell an so etwas hatte er keine Probleme – sein Vater war derjenige, der ein Buch über den Teufel geschrieben hatte. Was ihn nervlich mitnahm war vielmehr die Tatsache, dass Karl nicht wusste, wie ihm geschah. Der Jüngere war doch so überfordert mit seinem neuen Schicksal, dass er seinen besten Freund beinahe totgebissen hätte…! August blieb stehen und nahm seinen Hut kurz vom Kopf, um sich damit ein wenig Luft zuzufächeln. Wunderbar, jetzt hatte er sich auch noch verlaufen. Orientierungslos irrte er durch die dunklen Straßen Venedigs. Die Sonne war soeben untergegangen, und nur einzelne Laternen leuchteten seinen Weg. Als August glaubte, Schritte zu hören, drehte er sich um. Nichts. Die Gasse war menschenleer. Gefeiert wurde in einem anderen Stadtteil. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen lief er weiter. Eine schwarze Katze huschte von einem Häusereck zum nächsten – Und plötzlich schmiss sich eine Gestalt vom Dach und sprang auf ihn zu. August schrie auf, als ein maskierter Mann ihn an die Hauswand warf und seine spitzen Eckzähne bleckte. Er kniff seine Augen zusammen und dachte schon an das Schlimmste, da tat es einen Schlag. Der Angreifer war zu Boden gestürzt, Karl stand mit wehendem Umhang in der Straße. „A-alles in Ordnung, August?“, fragte er außer Atem. Der Ältere war nur dazu fähig zu nicken, bevor der fremde Maskierte wieder aufsprang. „Ha, sieh an! Ein Artgenosse!“, rief er mit einem breiten Grinsen auf dem halb verdeckten Gesicht, zu beider Erstaunen in Deutsch. Es war ein kleinerer, drahtiger Mann in geschmackvollem, aber nicht sehr extravagantem Kostüm. Er ließ seinen Blick zwischen Karl und August hin und her schweifen. „…Nun, dann werde ich mal wieder gehen.“ „Halt!“, hielt ihn Karl zurück, „Warst du es, der gestern Nacht ein unschuldiges Mädchen getötet hat?!?“ Angesprochener drehte sich wieder zu ihnen herum. „Was wird das?“, lachte er, „Willst du mir Vorwürfe machen? Du hast gut reden mit– “ Er brach plötzlich ab und sah beide noch einmal eindringlich an. „Ach, so ist das.“, stellte er schließlich erstaunt fest, „Ich spüre gar kein Bündnis. Ich kann…“ Er machte ein paar bedenkliche Schritte auf Karl zu. „Ich kann dich, so schutzlos wie du bist, ganz einfach außer Gefecht setzen, und dann hab ich deinen Freund einzig und allein für mich. Wie dumm von euch. Riechst du nicht, wie er duftet? Zum Anbeißen lecker…“ „Nein…!“, rief August. „Doch!“, rief der Angreifer und wollte sich auf Karl stürzen, da ertönte ein Schuss. „Drecksvampire!“ Der Fremde fauchte und stürmte auf Iffland zu, der am Ende der Gasse erschienen war. Bevor August mit dieser neuen Situation klarkommen konnte, hatte ihn Karl gepackt und sprang mit ihm im Arm hinauf aufs Dach. Völlig fertig und noch keineswegs sicher, dieser Gefahr entgangen zu sein, krallte sich der Ältere an seinem Freund fest und öffnete erst dann seine Augen wieder, als Karl ihn vor Humboldts Wohnung auf dem Erdboden absetzte. August wollte nicht, dass Karl den Anfang machte, wie er es nach einer Streitigkeit schon immer getan hatte, also versuchte er sich so schnell wie möglich zu fassen, um dem anderen zuvorzukommen. Er griff nach der kalten Hand seines Freundes, der bei ihm am Bettrand saß. „Karl, vergib mir. Könnte ich alles zurücknehmen, was ich Schlechtes und Falsches gesagt habe, so würde ich es tun.“ „Ich…“ Karl entzog sich seinem Griff, „Ich habe dir schon längst vergeben, August, und muss mich selbst bei dir entschuldigen. Ich hätte dich nicht schlagen…“ Der Dunkelhaarige fuhr sich übers Gesicht. „Es ist nicht böse gemeint, wenn ich jetzt aufstehe, aber…ich bekomme so langsam wieder Hunger…“, meinte er und lehnte sich an die Wand, einige Meter vom Bett entfernt. „Schon in Ordnung. Alles.“, versicherte August mit einem Lächeln. Karl steckte dieses Lächeln an. Seine Augen schillerten. Schnell brach er den Blickkontakt ab. „Hast du…“, fing er stattdessen an, „Hast du gehört, was der Fremde gesagt hat?“ „Was…was meinst du?“, fragte August und musste beschämt an die Worte über seinen angeblich ‚zum Anbeißen leckereren‘ Duft denken. „Er erwähnte ein Bündnis, das er nicht spüre…dass ich schutzlos sei…was meinte er damit?“, wollte Karl wissen. August überlegte. Schließlich fiel ihm der Zusammenhang ein, in dem sie das letzte Mal über ‚Schutz‘ gesprochen hatten. „Vielleicht meint er das, was dein Vater mit dem Schutz Weimars meinte, der ihn vor Iffland bewahrt hat.“ „Das könnte sein.“, stimmte ihm Karl nachdenklich zu, „Oder…“ Fragend sah der Ältere quer durchs Zimmer seinen Freund an. „Was?“ Karl winkte ab. „Nichts.“ „Doch, da ist was. Dir ist eine Idee gekommen. Teil sie mir mit.“ Unsicher sah der Dunkelhaarige auf. „Nun…ich dachte…vielleicht…dein Vater…vielleicht war er der Schutz, da beide dieses ‚Bündnis‘ eingegangen sind.“ „Ein Bündnis, wie aus Vaters Ballade?“, hakte August nach. „Nein. Doch, schon. So in etwa. Und möglicherweise…“ Der Ältere lächelte den anderen aufmunternd an. „Sprich weiter.“ Karl seufzte. „Es ist möglich…Vater hatte ja schon ewig diese Krankheitsanfälle, welche, wie ich vermute, daher rührten, dass er sich von Tierblut ernährte. In seiner Zeit in Weimar ging es ihm jedoch besser. Könnte dein Vater nicht…sein Blutspender gewesen sein…?“ August sah seinen Freund eine Weile an. Dann nickte er. „Ja, das hört sich plausibel an.“, stimmte er zu, „Das bedeutet, wenn ein Vampir einen Menschen beißt, ihn aber nicht tötet, entsteht ein Bündnis zwischen den beiden, womit der Vampir vor Feinden geschützt ist.“, schlussfolgerte er weiter. „Ja, ich…ich denke das ist korrekt.“, meinte Karl. August schlug die Bettdecke zurück und erhob sich. „Dann will ich dieses Bündnis mit dir eingehen.“ „W-was?!? – Nein!“, rief Karl und machte einen Satz zurück, „Das…das geht nicht…! Ich werde dich umbringen! Das Pferd – ich wollte es nicht töten, aber…ich konnte nicht aufhören, obwohl es so scheußlich war, und du bist…! Verstehst du?!“ August nickte zögerlich. „Ich verstehe.“, meinte er, war irgendwie erleichtert, dass er nun doch nicht seinen Hals hinhalten musste, obwohl er es jederzeit getan hätte. Immerhin war Karl sein bester und einziger Freund. Hosted by Animexx e.V. 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