Neun Millimeter von dumm ([BangHim]) ================================================================================ Kapitel 5: Target o5 - Entscheidungen ------------------------------------- Himchan wusste nicht, was er denken sollte. Er dachte an so vieles und gleichzeitig war er nicht in der Lage auch nur irgendeinen klaren, festen Gedanken zu fassen. Das Bild, das sich ihm eben gezeigt hatte, hatte ihn auf so vielen Ebenen geschockt, verstört und verletzt, dass er nicht wusste, was schlimmer war. Die Tatsache, dass sein Onkel mit einer Handfeuerwaffe bedroht wurde und offensichtlich Stress mit irgendeiner Gang hatte, oder die, dass man eine geladene Waffe auf ihn gerichtet hatte. Und nicht nur irgendjemand. Nein, sein durchaus sympathischer One-Night-Stand war wohl kurz davor gewesen, ihm das Hirn wegzupusten. Vermutlich hatte er es nur nicht getan, weil er genauso perplex gewesen war, wie Himchan selbst. Das hatte er nämlich durchaus registriert. Dennoch fühlte es sich gerade an, als wäre seine heile, unschuldige Welt über ihm zusammengebrochen. Vielleicht rannte er deswegen so schnell. Er wusste nicht wohin, er wusste nicht einmal ob es klug war wegzurennen. Was sollte er tun? Die Polizei verständigen? Lebte sein Onkel noch? Was war passiert? Was würde passieren? Wieso zur Hölle hatte ausgerechnet Yongguk da gestanden? Aber vielleicht hatte ihm diese Tatsache auch das Leben gerettet. Wobei man von ‚retten‘ noch gar nicht reden konnte, denn noch rannte er hektisch aus dem Haus seines Onkels, das für ihn lange eine zweite Heimat gewesen war. Er wusste nicht ob er dank dem Rennen außer Atem war, oder ob es an seiner Angst und Panik lag. Eine ungesunde Mischung von beidem lag sehr nahe. Er war aus dem Haus gestürmt und wusste nicht wohin er sollte. Und seine Gedanken waren so leer, dass er nicht einmal daran dachte, dass es vermutlich nicht klug war die Straße einfach so zu überqueren. Immerhin war jemand mit einer Waffe hinter ihm und ein Auto hätte auch auftauchen können. Letzteres blieb ihm zum Glück erspart und sicher wusste er auch nicht, ob Yongguk noch hinter ihm war, aber umdrehen wollte er sich lieber nicht. Es war erstaunlich, wie schnell man rennen konnte, wenn es um das eigene Leben ging. Die Angst trieb einen in unangenehme Situationen, die einen sogar vergessen ließen, dass man höllisches Seitenstechen hatte und eigentlich gar nicht mehr weiter laufen konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit und dem Durchqueren von mehreren Gassen, Seitenstraßen und sogar Gärten, wusste er nicht mehr wo er war, traute sich aber irgendwo in einer Ecke, hinter einer stinkenden Mülltonne, atemlos eine Pause einzulegen. Er lehnte sich an die kühle Betonwand, ging in die Hocke und versuchte seinen Atem flach zu halten, sodass er Schritte im Notfall hören konnte. Sein Herz fühlte sich an als würde es bis in seinen Hals hochschlagen, sein Mund war trocken und seine Brust hob und senkte sich als wäre er durch die Wüste gerannt. Es kostete ihn Mühe den Mund geschlossen zu halten und durch die Nase zu atmen und nebenbei paranoid zu lauschen, ob er Besuch bekommen würde. Vielleicht hatte er ihn nicht verfolgt, vielleicht war er umsonst so gerannt wie ein Irrer, aber Himchan glaubte, dass es das wert gewesen war. Er blieb einige Minuten in der Hocke sitzen, ohne irgendetwas zu tun oder zu denken. Er kam langsam zu Atem und mit einem Schlag war sein Kopf voller Fragen. Was war mit seinem Onkel? Lebte er noch? Ging es ihm gut? Was war passiert? Was wollten die beiden von ihm? Gehörten sie zu einer Gang? Oder sogar zu einer Gangpae? Waren sie Auftragskiller oder unzufriedene Kunden? Was hatte sein Onkel angestellt? Was war hier los und wieso bemerkte Himchan, dass er fürchterlich enttäuscht war? Weil er geglaubt hatte, dass Yongguk ein etwas verbitterter, aber trotzdem sympathischer Mann gewesen war. Er hatte ihn wirklich gern gehabt. Gott, er hatte ihn so verdammt attraktiv gefunden, dass er ihn zweimal angesprochen hatte. Er hatte sogar mit ihm geschlafen. Einfach so. Obwohl das gar nicht seine Art war. Er tat so etwas eigentlich nicht. Und trotzdem hatte Yongguk ihn mit seiner Art irgendwie so unglaublich fasziniert. Und jetzt wusste er, dass Yongguk ihm etwas vorgespielt hatte. Aus gutem Grund. Wäre ja auch schräg gekommen, hätte er ihm gesagt, dass er Leute bedrohte und vielleicht sogar ermordete. Himchan raufte sich die Haare und wusste nicht genau, ob er das tat, weil er geglaubt hätte, Yongguk wäre etwas Besonders, oder eher deswegen, weil er so naiv war. Aber vermutlich wäre jeder andere auf dieses Schauspiel genauso hereingefallen. Trotzdem machte ihn das nicht weniger zu einem großen Volltrottel. Inzwischen waren vielleicht zehn Minuten vergangen und er traute sich noch immer nicht sich zu bewegen. Aber er glaubte wenigstens, dass Yongguk ihn nicht mehr finden würde. Oder hoffte es. Er wollte gar nicht wissen, was passiert wäre, hätte er ihn hier gefunden. Eigentlich wollte er gar nicht daran denken. Die Situation war auch so schon schlimm genug. Dabei hätte er ihn wirklich noch einmal gern geküsst. Verfickte Scheiße. Verfickte, verdammte und zugenähte Scheiße. Es hätte alles passieren können. Wirklich alles. Er wäre darauf vorbereitet gewesen. Aber nicht auf das. Nicht auf ihn. Yongguk hatte schnell aufgehört ihn zu verfolgen. Weil er vermutlich nicht hinterher gekommen wäre. Himchan hatte zu großen Vorsprung gehabt und wenn er ehrlich war, hatte er ihn gar nicht einholen wollen. Weil er dann gar nicht gewusst hätte, was er hätte tun sollen. Ihn erschießen? Ihn als Druckmittel für seinen Onkel benutzen? Ihn dazu zu zwingen still zu bleiben und kein Wort an die Polizei zu sagen? Alles klang so lächerlich in seinen Ohren. Er hätte nicht gewusst, was er hätte tun sollen, hätte er ihn eingeholt. Deswegen hatte er es gar nicht versucht. Wenigstens war die Situation nicht all zu dumm verlaufen und ihren Job hatten sie erledigt. Die letzte Warnung war draußen und Herr Kim hatte die Nachricht verstanden. Sehr gut sogar. Wenigstens war Zelo professionell wie immer geblieben und hatte die Sache geregelt. Sie saßen im Auto und Zelo fuhr – ausnahmsweise human. »Wieso hast du gezögert und ihn wegrennen lassen?« »Keine Ahnung.« Wenigstens war er halbwegs ehrlich. Denn so genau wusste er es selbst nicht. Zelo warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. »Du kennst ihn, hm?« »Flüchtig. Ich hab mit ihm geschlafen.« Er hatte kein Problem das vor Zelo zu sagen. Zelo würde nicht plaudern. Und selbst wenn, war es eigentlich egal. »Oh. Deswegen hast du also gezögert.« Bang zuckte mit den Schultern. »Das wäre eigentlich kein Grund gewesen.« »Aber?«, wollte Zelo wissen. »Gott, ich hab keine Ahnung«, antwortete er und lehnte sich in den Sitz, legte die rechte Hand über sein Gesicht, seufzte genervt über sich, die Situation und Zelos Fragerei. »Jetzt hast du auf jeden Fall ein Problem.« »Ja, das hab ich…« »Und das Problem solltest du aus dem Weg räumen. Aber das muss ich dir wohl nicht sagen.« »Nein, musst du nicht«, bestätigte Yongguk Zelo, der tatsächlich bei einer roten Ampel stehen geblieben war. »Ich werde niemand davon erzählen, solange wir keinen Stress bekommen.« Yongguk sagte darauf nichts, war Zelo aber durchaus dankbar, dass das erst mal unter ihnen bleiben würde. Klar, würde die Situation aus den Rudern laufen, müssten ihre Vorgesetzten natürlich Informiert werden, aber im Moment war es noch keine große Sache. Und Yongguk wollte verhindern, dass es eine große Sache wurde. Ärger musste man im Keim ersticken. Er saß an dem Küchentisch, starrte auf den Zettel, den Himchan ihm hinterlassen hatte, ohne ihn wirklich zu registrieren. Er versuchte nachzudenken. Natürlich war es riskant gewesen, hier her zu kommen, immerhin wusste Himchan, wo er wohnte. Aber selbst wenn die Polizei hier auftauchen würde, würden sie ihm ja wohl keine große Straftat nachweisen können. Himchans Onkel würde nicht reden, dafür hatte er zu viel Angst, und sonst hatte er ja auch nichts verbrochen. Na, vielleicht Waffenbesitzt, aber da er einen Waffenschein hatte, würde er da vermutlich auch heil rauskommen. Und außerdem hätte er nicht gewusst, wo er sonst hätte hingehen sollen. Deswegen saß er in der Küche seiner kleinen Wohnung und dachte nach. Er dachte nach und dachte nach und wusste nach gefühlten Stunden noch immer nicht, was er tun sollte. Eigentlich war es einfach, eigentlich lag es auf der Hand, aber dummerweise lief die Situation nicht so, wie jede andere. Und wieso? Weil ihm bewusst war, dass er die Zeit mit Himchan genossen hatte. Es war nicht lange gewesen, aber es war schön gewesen und es hatte dazu geführt, dass er seine Sorgen vergessen hatte. Er hatte vergessen, dass seine Exfreundin ihm sein Herz gebrochen hatte und es hatte ihn vergessen lassen, was für ein beschissenes Leben er eigentlich führte. Yongguk war niemand, der sich in Selbstmitleid wog. Aber er konnte Fakten auf den Punkt bringen und sein Leben war beschissen; das war ein Fakt. Er hatte ihn nicht in diese Situation ziehen wollen. Wirklich nicht. Aber jetzt gab es keinen Ausweg und Yongguk musste etwas unternehmen. Es gab viele Wege Himchan zum Schweigen zu bringen. Immerhin war das auch Teil seiner Arbeit. Er erpresste, bedrohte und tötete Leute. Und genau das konnte und sollte er wohl auch bei Himchan machen. Ihn umzubringen wäre wohl das einfachste. Er verstand nicht, wieso er zögerte. Wieso er nicht aufstand und sich auf die Suche machte. Er hatte keine Gefühle für diesen Mann, er kannte ihn nicht einmal wirklich. Es sollte gar kein Problem sein ihn einfach um die Strecke zu bringen. Kein großer Akt, kein großer Aufwand. Einfach nur abdrücken. Alles was er spüren würde, wäre der minimale Rückstoß der Pistole, sonst nichts. Früher oder später würde er das eh tun müssen. Denn die Gefahr, dass er irgendwann den Mund aufmachen würde, war zu groß. Er musste ihn aus dem Weg räumen. Ende. Yongguk wollte nur nicht. Aber letztendlich würden seine Arbeit und sein Job siegen. Weil er wusste, was mit ihm passieren würde, würde er Stress bekommen, würde er sich seinem Boss irgendwann widersetzten. Es war nicht so, dass er nicht auch Angst vor Menschen hatte. Er war eigentlich nur ein Bauer in einem Schachspiel, das wusste er sehr gut. Eine Wahl hatte er genau genommen gar nicht. Nicht einmal einen eigenen wirklichen Willen. Er seufzte schwer, griff schließlich zu dem Zettel und beobachtete die Schriftzeichen darauf. Er verzog unbewusst die Lippen und erhob sich schließlich, steckte den Zettel achtlos in die Hosentasche, schnappte sich die Pistole und  die [style type="italic"]neun Millimeter[/style] Patronen und verschwand aus seiner Wohnung. Es war so einfach gewesen. Viel zu einfach. Zu einfach. Erschreckend einfach. Etwas in ihm hatte gehofft, dass es nicht so einfach werden würde. Etwas in ihm hatte gehofft, dass es gar nicht möglich werden würde. Yongguk sah in seine dunklen Augen, in dem fahlen Licht der Wohnung pechschwarz aussahen, doch er wusste, was für einen schönen schokoladenfarbigen braunen Ton sie eigentlich hatten. Er konnte sich an die kurzen, schwarzen Wimpern erinnern, die seine schönen Augen umrahmten und es war seltsam zu bemerken, dass sie sich im Moment nicht einmal wagten zu bewegen. Er blinzelte nicht und Yongguk war sich nicht sicher, ob aus Angst, oder aus purer Verzweiflung. Vielleicht hatte sein Körper auch ausgesetzt und er wusste nicht mehr, wie es ging seine Augenlider zu schließen. Seine blasse Haut wirkte trotz dem vielen Schatten unberührt und marmorgleich und auch wenn er die leicht geöffneten Lippen kaum erkennen konnte, wusste er, wie sie sich anfühlten. »Das ist törichter, als ich erwartet habe«, gestand Bang Yongguk mit seiner tiefen Stimme in so einem leisen Ton, dass es gar nicht so einfach war ihn zu hören. Eines der Fenster des Raumes war geöffnet und die Geräusche des nächtlichen Verkehres der Straßen Seouls waren deutlich als Hintergrundgeräusch zu hören. »Du hättest die Polizei rufen können. Du hättest untertauchen können. Du hättest mir die Polizei auf den Hals hetzen können. Es gibt so viele Möglichkeiten und alles was du machst ist, in das Haus zurückzukehren, dessen Adresse du mir hinterlegt hast?« Die Schriftzeichen auf dem Zettel auf seinem Küchentisch waren nichts anderes, als die Adresse dieser Wohnung, irgendwo in einem der vielen Hochhäuser der Hauptstadt, gewesen. »Wieso? Sag mir, wieso Himchan.« Der Schwarzhaarige stand noch immer an der weißen, nackten Wand und sah ihn aus diesen eigentlich schönen Augen an, die im Moment nur reine Furcht widerspiegelten. Er glaubte, dass er ihn schlucken hörte, vielleicht war es aber auch nur Einbildung. Eine Antwort bekam er nicht. Aber vielleicht wollte er sie auch gar nicht hören. Vielleicht hoffte er, dass die Tür in seinem Rücken gleich auffliegen würde. Vielleicht wartete Yongguk nur darauf, dass die Polizei auftauchen und ihn festnehmen würde. Weil er das hier dann nicht tun müsste. Weil er ihm keine neun Millimeter in den Kopf schießen müsste. Weil man ihm diese ekelhafte Entscheidung abnehmen würde. Yongguk sah unberührt aus. Er wirkte wie immer. Er sah aus wie ein Mann ohne jegliche Gefühle, ohne menschliche Regungen und wie jemand, der jeden Tag Menschen umbrachte. Das tat er nicht. Er brachte nicht jeden Tag Menschen um. Es war nur eine Seltenheit und unglaublich unangenehm. Er konnte damit Leben, auch wenn er ihre Gesichter oft in seinen Träumen sah. Damit war er bis jetzt immer fertig geworden. Aber er wollte nicht seine Augen schließen und Himchans ängstlichen Blick sehen. Er wollte seine Augen schließen und sich daran erinnern, dass Himchan ihm einen eigentlich bedeutungslosen Kuss gestohlen hatte. Dass Kim Himchan ihm gesagt hatte, dass man sich immer zwei Mal im Leben traf, dass Kim Himchan ein Problem war, dass sich nicht von selbst auflöste und dass Kim Himchan der Grund für seine eigenen, gebrochenen Regeln war. Er wollte sich daran erinnern, dass er heute Morgen noch gedacht hatte, dass es in Ordnung war. Dass er es nicht bereute. Dass es eine schöne Erinnerung gewesen war. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, ihn wieder treffen zu wollen. Aber nicht unter solchen Umständen. Yongguk wollte seine Entscheidung Rückgängig machen, aber dafür war es zu spät. Sein rechter Arm, der die Waffe hielt, zitterte leicht trotz der Tatsache, dass er den Halt der Pistole durch den linken verstärkte. Er stand schon viel zu lange hier, hielt Himchan im Fadenkreuz und beobachtete die Person, die viel zu verführerisch schön war. Viel zu schön um sie aus dieser Welt zu reißen. »Du musst das nicht tun«, brachte Himchan plötzlich heiser und mit einer gebrochenen Stimme hervor. Yongguk musste es tun. »Du willst das nicht tun«, sprach er weiter, seine Stimme klang noch immer ungewohnt. Yongguk wollte es nicht tun. »Du wirst es nicht tun.« »Ich werde es tun. Und du weißt das«, antwortete er und seine Stimme war nur so ruhig und unberührt, weil er anders gar nicht konnte. »Wieso drückst du dann nicht endlich ab?«, wollte Himchan wissen und seine Stimme hatte sich halbwegs gefangen, war lauter geworden und nach seinem Satz war ein fast schon jammerndes, ungeplantes Wehklagen zu hören. Yongguk wusste, wieso er nicht abdrückte. Weil er nicht abdrücken wollte. Das Klicken der Waffe war zur hören, als sie entsicherte. Himchan wich zurück, stieß hörbar gegen die weiße Wand und vermutlich war ihm bewusst, dass ihm dieses Zurückschrecken auch nicht retten würde. Vermutlich wurde ihm klar, dass ihn hier nichts retten konnte. Nichts retten würde. »Es tut mir Leid«, sagte er dann plötzlich und Yongguk runzelte, im Schatten des Raumes, ungesehen die Stirn. Was tat ihm leid? Es gab nichts, was ihm leidtun müsste. »Was tut dir Leid?«, fragte er dann. »Der Kuss«, brachte Himchan so leise hervor, dass es unter dem Rauschen der Motoren fast unterging. Yongguk fragte sich, wieso Himchan die schwere Situation noch schwerer machen musste. »Ich wollte nicht etwas tun, was dir unangenehm ist. Und ich weiß, dass du deswegen nicht die Waffe auf mich richtest, sondern weil ich etwas gesehen habe, was ich – du wirst mir vermutlich glauben – am liebsten sofort vergessen würde.« Er machte eine kurze Pause. Yongguk sagte nichts. »Ich konnte nicht widerstehen«, fügte Himchan hinzu und Yongguk verstand den Satz akustisch erst nach ein paar unendlich erscheinenden Sekunden. »Sei still«, sagte er ruhig. »Sei still«, wiederholte Yongguk mit fester, lauter Stimme und Himchan zuckte kaum erkennbar zusammen. Er trat einen Schritt in seine Richtung, versuchte seinen Blick zu verstärken, versuchte seine Fassung zu bewahren und nicht nachzudenken. Versuchte abzudrücken. Himchans Augen weiteten sich und Yongguk konnte das Licht, dass sich in ihnen spiegelte erkennen. Noch ein Schritt. Alles was er tun musste, um diese Misere zu beenden war dieser eine Schuss. Diese kleine Bewegung mit seinem Zeigefinger. Er würde es tun und Himchan wusste das auch. Himchan senkte den Kopf minimal, kniff die Augen zusammen und Yongguk registrierte jetzt erst, dass der Körper des anderen leicht bebte. Er konnte seine Angst riechen und sehen, er konnte sie fühlen und hören. Mit zusammengekniffenen Augen sackte er im nächsten Moment an der Wand hinunter, nur um dort sitzen zu bleiben. Der Schalldämpfer folgte der Bewegung, der Lauf blieb weiterhin auf seinen hübschen Kopf gerichtet. Yongguk sah ihn an und wollte, dass er ihn anblickte. Er wollte, dass Himchan ihm in die Augen sah, wollte, dass er ihn wieder so anblickte, wie die ersten Male. Es verstrichen Sekunden, irgendwo auf der Straße hupte ein Auto und Yongguk glaubte, dass er eine Frau aus der Nachbarschaft reden hören konnte, auch wenn er ihre Worte nicht entziffern konnte. Aber all das war nicht wichtig. Wichtig war nur, dass Yongguk wollte, dass er ihn noch einmal ansah. Weil er wusste, dass er dann nicht abdrücken würde. Weil er dann nicht abdrücken könnte. Er wollte nicht abdrücken. Zehn. Er würde von Zehn bis Eins zählen und würde er seine Augenlider dann nicht öffnen und zu ihm hochsehen, würde er diese Situation beenden. Er würde das tun, was er nicht wollte. Er würde den Rückstoß der Handfeuerwaffe spüren, würde den gedämpften Knall der Pistole hören, würde das Blut der Person sehen, die der Grund dafür gewesen war, wieso er eine alte Erinnerung, die so lange an ihm genagt hatte, einfach vergessen und abgeschlossen hatte. Würde der Entscheidung nachgehen und die neun Millimeterkugel zwischen seinen pechschwarzen Haaren, seiner makellos erscheinenden Haut, den Knochen und dem Gehirn versenken. Zehn. Neun. Himchan bewegte sich nur minimal. Sein Körper zitterte noch immer und er sog hörbar und gebrochen Luft durch den Mund ein. Acht. Yongguk wollte, dass er ihn ansah. Sieben. Er wollte so sehr, dass er ihm einen Blick schenkte und ihn zur Vernunft brachte. Sechs. Fünf. Himchan sah ihn nicht an. Vier. Yongguk hörte sein eigenes Blut in den Ohren rauschen. Er spürte seinen Puls und das kalte Metall des Abzuges an seinem Finger. Drei. Himchan bewegte sich nicht. Yongguk fand, dass er zu schnell zählte. Zwei. Yongguk wollte nicht. Er wollte nicht. Er wollte nicht. Er wollte nicht. Eins. ------- Ja, das ist das Ende. Drückt er ab? Sieht Himchan ihn in letzter Sekunde doch noch an? Wer weiß, wer weiß. Was denkt ihr? Hinterlasst mir einen Kommentar mit eurer Version! Lasst eurer Fantasie freien Lauf. Ich wollte schon immer mal eine Geschichte mit so einem offenem, unbefriedigenden Ende schreiben. Es fühlt sich so gut an. (Und nein, es wird KEINE Fortsetzung geben.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)