Back to who I really am von Fhin ================================================================================ Prolog: -------- Misaki Am nächsten Tag fiel es mir mehr als schwer, mich zu verabschieden, doch ich musste zur Arbeit und vorher noch zu Hause vorbei und schauen, ob alles in Ordnung war, und mir frische Klamotten anziehen. Die Nacht mit Usui war unglaublich gewesen. So viel hatte sich seit damals verändert, aber das war auch gut so. Wir waren keine 17 mehr. Früher habe ich all seine Annäherungsversuche abgewehrt und es nicht zugelassen, dass er mich auch nur irgendwie anfasste. Ich hatte nicht einmal zugeben können, dass ich ihn mochte, geschweige denn liebte. Aber jetzt war alles anders. Ich hatte es ihm gesagt. Ich liebte ihn. Und ich würde es nicht zulassen, dass er wieder so einfach aus meinem Leben verschwinden würde. Und noch etwas hatte sich verändert. Ich war bereit gewesen. Bereit für ihn, bereit für es. Wir hatten den Rest des Tages zusammen verbracht und über all das geredet, was in den letzten fünf Jahren passiert war. Wir hatten uns etwas zu essen bestellt und als ich sagte, dass es spät war und ich gehen müsste, bat er mich zu bleiben. Ich habe noch nie so viel Ernst in seinen Augen gesehen. Er hatte sich in diesem Moment nichts mehr gewünscht, als dass ich blieb. Ich hatte ihm diesen Wunsch erfüllt und ich bereute es nicht. Gemeinsam hatten wir uns auf das kleine Sofa gekuschelt. Ich hatte in seinen Armen gelegen und er hatte angefangen meinen Hals zu küssen, mich zu streicheln und zu liebkosen. Früher hätte ich ihn weggestoßen und ihn als perverses Alien beschimpft. Aber nicht an diesem Abend. An diesem Abend hatte ich mich ihm vollständig hingegeben und mit ihm die schönste Nacht meines Lebens verbracht. Zufrieden war ich in seinem Arm schließlich eingeschlafen, bis früh am Morgen mein Wecker geklingelt hatte. Seufzend hatte ich mich aufgerichtet, doch noch bevor ich hatte aufstehen können, hatte Usui mich gepackt und mich wieder zu sich herunter gezogen. Ein Lächeln hatte sich auf meinem Gesicht ausgebreitet. „Guten Morgen.“, hatte Usui gegen meinen Nacken gemurmelt. Seine Stimme hatte rau und noch müde geklungen. „Guten Morgen.“ hatte ich lächelnd erwidert und seine Berührungen genossen. „Musst du schon los?“, hatte er mich mit einem Gähnen gefragt. „Ja. Leider.“ Ich wäre wirklich lieber bei ihm geblieben. „Mmmmhm….“, hatte er gemurrt und mich noch näher an sich gezogen. Ein Grinsen hatte ich mir nicht verkneifen können. „Ich muss leider.“, hatte ich versucht, ihm klarzumachen und mich von ihm gelöst, um mich fertig zu machen. Ich hatte meine Kleidung aufgesammelt und war so wie Gott mich schuf ins Bad gegangen. Ich hatte seinen Blick genau auf mir spüren können und mich erstaunlicherweise sogar dabei wohlgefühlt. Einige Minuten später war ich wieder aus dem Bad gekommen und hatte Usui auf dem Sofa sitzend vorgefunden. Sein Haar war verwuschelt, seine Augen hatten mich müde angeblinzelt. Er hatte die Arme auf der Sofalehne liegen und die dünne Decke hatte über seinem Schoß gelegen und so seine Blöße verdeckt. Bei seinem Anblick war mir gleich wieder die Röte ins Gesicht geschossen. Und so stand ich nun da und musste mich von ihm verabschieden, obwohl ich ihn am liebsten eigentlich nie wieder verlassen würde. Kapitel 1: Unexpected Customer ------------------------------ Takumi Ich war noch hundemüde, als Ayuzawa wieder aus dem Bad kam. Schade, sie hatte sich schon angezogen. Ein Lächeln trat auf meine Lippen, als ich an ihren schlanken, nackten Körper dachte. Sie war einfach atemberaubend schön. Etwas zögerlich stand sie nun vor mir und betrachtete mich mit geröteten Wangen. Ja, sie starrte schon beinahe. Mein Grinsen breitete sich noch aus. Ich wette, sie war sich meiner Nacktheit in diesem Moment sehr bewusst. Ich streckte mich etwas, um die Müdigkeit aus meinen Knochen zu vertreiben. Auch in sie kam wieder Leben. Sie kam auf mich zu und stellte sich direkt vor mich. Ich sah nach oben, um in ihr schönes Gesicht sehen zu können. Sie wirkte so, als wisse sie nicht, was sie nun tun sollte. Also ergriff ich die Initiative, nahm ihre Hand und zog sie zu mir herunter, sodass ich sie küssen konnte. Ich liebte ihre Lippen, sie waren so weich. Ein Seufzen verriet mir, dass auch sie diesen Kuss genoss. Ich wollte sie nicht gehen lassen. Ich zog sie noch ein wenig zu mir herunter, sodass sie nun rittlings auf meinem Schoß saß, wobei die dünne Decke zwischen uns lag. Am liebsten hätte ich sie nie mehr losgelassen. Ich intensivierte den Kuss und sie stieg darauf ein. Doch irgendwann löste sie ihn wieder und lehnte ihre Stirn an meine. Die Augen hielt sie geschlossen. Sie seufzte. „Musst du wirklich los?“, fragte ich traurig. Sie nickte. „Sehen wir uns heute?“, stellte ich eine weitere Frage. „Ich hoffe es.“, antwortete sie, bevor sie ihren Augen öffnete und mich zweifelnd ansah. „Meinst du nicht, dass du Probleme bekommen wirst?“ „Was meinst du?“ Ich wusste einen Moment nicht, worauf sie hinauswollte. „Naja, immerhin bist du gestern einfach abgehauen. Meinst du nicht, dein Wachhund sucht nach dir? Hat vielleicht sogar deinen Bruder benachrichtigt? Oder so etwas in der Art?“ Nachdenklich legte ich meine Stirn in Falten. Vermutlich hatte sie Recht. Ich wunderte mich sowieso, dass wir gestern ungestört geblieben waren. Ich hatte mein Handy zwar ausgeschaltet, aber es war eigentlich nicht Cedrics Art, mich einfach so entkommen zu lassen. Und er wusste, dass dies meine alte Wohnung war. Er hätte zumindest in Betracht ziehen müssen, dass ich hier war. „Hm… da ist etwas dran.“, überlegte ich. „Ich weiß nicht, was mich erwartet.“ „Ich würde es verstehen, wenn wir uns heute nicht mehr sehen könnten.“, sagte Ayuzawa, auch wenn ich meinte, etwas Traurigkeit in ihrer Stimme erkennen zu können. Ich lächelte und strich ihr über ihre rechte Wange. „Ich werde alles versuchen, dass wir uns sehen können, Ayuzawa.“, sagte ich und auch sie lächelte nun. „Ich melde mich bei dir, ja?“ „In Ordnung.“, stimmte sie mir zu und ich gab ihr einen weiteren Kuss. Einen Augenblick noch verharrte sie auf meinem Schoß. Ich nutzte die Chance. „Ich liebe dich.“, sagte ich und wartete mit klopfendem Herzen ihre Antwort ab. Nur weil sie gestern ihre Gefühle offenbart hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie das von nun an immer so machen würde. Ich merkte ihr Zögern. Sie schluckte. „I-ich dich auch…“, antwortete sie schließlich. Ich war glücklich. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu Grinsen. Sie war immer noch die alte Ayuzawa, die ich so liebte. Aber ich merkte, dass sie sich für mich zusammenriss und versuchte, offener zu sein. Mit einem Seufzen löste sie sich nun gänzlich von mir und stand wieder auf. Sie schnappte sich ihre Tasche, die am Fußende des Sofas auf dem Boden gelegen hatte. „Bis später, Usui.“, sagte sie. „Bis später.“, erwiderte ich und sah ihr hinterher, als sie zur Tür ging. Sie drehte sich noch einmal um und winkte mir lächelnd zu. Ich winkte zurück. Als sie aus meinem Sichtfeld verschwunden war, lehnte ich mich seufzend zurück. Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss meine Augen, während ich die letzten Stunden mit ihr noch einmal Revue passieren ließ. Ein spitzer Aufschrei aus dem Flur ließ mich aus meinen Gedanken hochschrecken. Schnell sprang ich auf und schlüpfte in meine Hose, bevor ich meine Wohnungstür aufriss und in den Flur spähte. Zwei Menschen waren zu sehen. Ayuzawa, die direkt vor meiner Tür stand und jemanden anfunkelte, der etwa einen Meter neben meiner Tür an der Wand postierte. Cedric. Mein Blick verdüsterte sich. War ja klar, dass er hier auftauchen würde. War er etwa schon die ganze Zeit hier? Seit gestern? „Cedric.“, sagte ich kalt. „Master Takumi.“, erwiderte er und sah mich ausdruckslos an. „Möchtest du nicht reinkommen?“, fragte ich. „Es ist doch nicht gerade bequem, die ganze Zeit im Flur zu stehen.“ Ich bemerkte Ayuzawas überraschten Blick, doch ich versuchte sie mit einem Lächeln zu beruhigen. Ich wusste, was ich tat. Schweigend kam Cedric meiner Aufforderung nach. Ayuzawa hingegen zögerte. „Ist schon gut.“, flüsterte ich und sie nickte. „Sei vorsichtig.“, sagte sie noch, bevor sie ging. Ich schloss die Wohnungstür hinter mir und sah Cedric ernst an. Eins wusste ich: Das würd ein langer, harter Kampf werden. Aber er war es wert. Misaki Ich machte mir Sorgen und es gefiel mir gar nicht, Usui so einfach zurückzulassen. Dieser Cedric war mir irgendwie unheimlich, immer schon. Und ich wusste, dass er dafür Sorge tragen würde, dass Usui nicht einfach so mit seinem Verhalten davon kam. Es würde auf jeden Fall Konsequenzen haben. Ich seufzte. Naja, das würde es so oder so, da er ja seine Erinnerung zurückbekommen hat. Plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke. Ja, Usui hatte seine Erinnerungen zurück. Aber hieß das auch, dass er zurück in sein altes Leben wollte? Dass er wieder in Japan leben würde und hier arbeiten würde? Vielleicht wollte er da ja überhaupt nicht. Vielleicht wollte er in England bleiben und dort sein Leben verbringen. Ich schüttelte meinen Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Nein, das wollte ich nicht glauben. Er liebte mich, das hatte er gesagt. Er würde doch nun alles daran geben, wieder mit mir zusammen sein zu können oder? Und dafür musste er nun mal in Japan leben! Er konnte doch nicht erwarten, dass ich mit ihm nach England ging! „Misaki!“, schimpfte ich mit mir selbst. „Es bringt nichts, sich darüber jetzt Gedanken zu machen! Du musst einfach nachher in Ruhe mit ihm darüber reden!“ Als ich zu Hause angekommen war, fand ich einen Zettel auf dem Küchentisch. Ich hatte meiner Mutter gestern eine SMS geschrieben, dass ich auswärts übernachten würde und sie sich bitte keine Sorgen machen sollte. Sie war viel zu vertrauensselig und hatte sich deshalb vermutlich auch keine Sorgen gemacht. Wenigstens einmal kam mir das zugute. Ich griff nach dem Zettel und las: „Misaki, Ich musste die Schicht einer Kollegin übernehmen und habe heute deshalb Doppelschicht. Suzuna bleibt nach der Arbeit bei Shintani. Kannst du bitte einkaufen gehen? Mama“ Ich machte mir immer noch Sorgen um meine Mutter. Zwar geht es uns deutlich besser, seit Suzuna und ich aus der Schule sind und Suzuna auch noch arbeitet, aber trotzdem übernimmt sie sich noch oft. Sie arbeitet noch genauso hart wie vor fünf Jahren. Der Schuldenberg, den mein Vater uns hinterlassen hat, wird immer kleiner, aber noch ist er nicht ganz weg. Ich seufzte. Wenigstens Suzuna schien es gut zu gehen. Sie war nun schon seit vier Jahren mit Shintani zusammen. Nachdem er bemerkt hatte, dass mein Herz Usui gehörte, hatte er sich von mir abgewandt und sich irgendwann damit abgefunden. Irgendwann hatte dann selbst er die Gefühle meiner Schwester bemerkt und sie schließlich auch erwidert. Die beiden passen sowieso viel besser zusammen. Ich freute mich für sie. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Etwas Zeit blieb mir noch, bevor ich zum Maid Latte aufbrechen musste. Ich hatte heute erst am Nachmittag Vorlesungen und hatte freitags deshalb immer Frühschicht im Café. Ich lief die Treppe hinauf, schnappte mir ein paar frische Klamotten und stieg dann unter die Dusche. Es tat mehr als gut, das warme Wasser auf meiner Haut zu spüren und die Spuren der letzten Nacht abzuwaschen. Ich spürte, wie mir bei der Erinnerung daran, die Röte in die Wangen schoss. Ja, letzte Nacht war ich ganz schön ins Schwitzen gekommen unter Usui. Es war mein erstes Mal gewesen. Ich hatte es ihm gesagt, weil ich Angst hatte, doch er hatte gesagt, ich bräuchte keine Angst zu haben, er sei vorsichtig. Er hatte mir gestanden, dass es auch für ihn das erste Mal gewesen sei, was mich irgendwie erleichterte. Vielleicht waren wir eigentlich etwas zu alt, um bis zu dem Zeitpunkt noch Jungfrauen zu sein, aber… Ich hatte mich nach Usuis Verschwinden nie wieder verliebt und ich hatte nicht einfach mit irgendwem diesen Schritt wagen wollen. Und er… er war nach seinem Unfall plötzlich verlobt gewesen mit einer Frau, die er nicht einmal mochte, wie er gesagt hatte. Ihr wollte er nicht näher kommen, durch die Verlobung kam aber auch keine andere Frau in Frage. Und so hatte auch er es bevorzugt, Jungfrau zu bleiben. Bis zum gestrigen Abend. Ich seufzte auf. Es hatte wehgetan. Aber nur kurz. Er hatte so lange verharrt, bis ich mich an das Gefühl gewöhnt hatte. Und als er dann anfing, sich zu bewegen, war von Schmerz nichts mehr zu fühlen gewesen. Es war berauschend. Bei diesen Gedanken stieg mir die Hitze immer weiter in den Kopf. Ich sollte bloß aufhören, die ganze Zeit daran zu denken! Dennoch… ein leichter Schmerz zwischen meinen Beinen würde mich heute wohl den ganzen Tag daran erinnern. Etwa 40 Minuten später war ich im Maid Latte und zog mir meine Arbeitskleidung an. Das würde mit Sicherheit ein langer Tag werden. Ich fragte mich, ob Usui es wohl schaffen würde, sich heute bei mir zu melden. Ich machte mir Sorgen. Um diese Zeit war es noch relativ ruhig hier. Am meisten Betrieb war mittags und am frühen Abend, wenn die Leute Feierabend hatten. Vormittags waren wir auch nur zu dritt. Neben Satsuki-san war an diesem Morgen noch Honoka da. Außerdem standen zwei Köchinnen in der Küche. Gerade als ich einem Gast seine Bestellung gebracht hatte, ertönte die Klingel, die durch das Öffnen der Eingangstür betätigt wurde. Ich drehte mich um, um den neuen Gast zu begrüßen und entdeckte Usui. Mein Herz machte einen Hüpfer und ich merkte, dass ich rot wurde. Er sah einfach zum Anbeißen aus. Er trug einen Anzug und strahlte mich an. Hinter ihm konnte ich Cedric erkennen. Ich war ein Profi und so ließ ich mir meine Gefühle über sein plötzliches Auftauchen nicht anmerken. „Willkommen zurück, Master.“, sagte ich und verneigte mich vor ihm. Ich hörte ein lautes Klirren und ein Blick in die Richtung des Geräusches verriet mir, dass Satsuki ihr Tablett hatte fallen lassen und Usui nun mit großen Augen und offenem Mund anstarrte. Honoka hingegen hatte inmitten ihrer Bewegung innegehalten und auch sie starrte ihn an. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Ich hätte vermutlich genauso reagiert, wenn er nach fünf Jahren einfach hier hereinspaziert kommt, hätte ich ihn vorher nicht bereits gesehen. Und mehr… „Bitte kommen Sie hier entlang.“, sagte ich höflich und führte Usui und diesen Cedric an einen freien Tisch. Sie setzten sich und ich gab ihnen unsere Menükarten. Gerade hatte ich mich wieder umgedreht, da wurde ich schon von Satsuki und Honoka geschnappt und in die Küche gezerrt. „Ich trau meinen Augen nicht!“, rief Honoka. „Misa-chaaaan ~“, sagte auch Satsuki. Entgeistert sah ich sie an. Die drehten ja vollkommen durch. „Was ist denn?“, fragte ich nach. „Das fragst du noch???“ Honoka schien fassungslos. „Das ist doch Takumi!“, sagte Satsuki mit großen Augen. „Ähm. Ja.“, stimmte ich zu. „Mehr fällt dir dazu nicht ein?“ Honoka funkelte mich an. Ich wich einen Schritt zurück und hielt die Hände abwehrend hoch. „Beruhigt euch.“ Ich seufzte. „Ich wusste, dass er wieder da ist.“ Satsukis Augen wurden immer größer und erwartungsvoll sah sie mich an. „Ich ähm…“ Ich war mir nicht sicher, was ich erzählen sollte. Oder durfte! Vielleicht wollte Usui nicht, dass alle darüber Bescheid wussten. „Also es gab wohl ein Problem in England.“ Dass er damals nach England gegangen war, wussten sie. Sie hatten sich sogar noch von ihm verabschiedet und viel Glück gewünscht, als er das letzte Mal hier gearbeitet hatte. „Ein Problem?“, hakte Honoka nach. Ich nickte. „Es tut mir leid. Ich kann euch auch nicht viel sagen.“, versuchte ich mein Glück. „Aber er ist wieder da und ich hoffe, dass er dieses Mal bleibt.“ Satsuki schlug die Hände zusammen und sah mich strahlend an. „Dann könnt ihr ja doch endlich ein Paar sein.“ Sie schwebte schon wieder auf Wolke 7 und versank in ihren Träumereien. Ich merkte, dass ich rot wurde, aber ich musste lächeln. Ja. Jetzt konnten wir hoffentlich endlich ein richtiges Paar werden. Kapitel 2: Mark my words! ------------------------- Rückblick, Takumi „Und? Was willst du jetzt machen, Ced?“, fragte ich ihn, nachdem ich Ayuzawa verabschiedet hatte und wieder in meine Wohnung gegangen war. „Sie wissen, was meine Pflicht ist, Master Takumi.“, antwortete er mir ohne jegliche Gefühlsregung. Ich wurde wütend, unterdrückte es aber. Es brachte niemandem etwas, wenn ich jetzt ausfallend werden würde. „Du hast es Gerard schon gesagt, oder?“, hakte ich nach. „Was soll ich ihm gesagt haben?“, stellte Ced eine Gegenfrage, wobei er das ‚Was‘ besonders betonte. Aha. Er war sich wohl nicht sicher, ob ich mein Gedächtnis tatsächlich wiedererlangt habe. Vielleicht konnte ich das ausnutzen. „Dass ich ein Mädchen kennengelernt habe.“, antwortete ich selbstbewusst. Ein kurzes Funkeln war in Cedrics Augen zu kennen, aber dennoch blieb er ruhig. Er war immer so schwer einzuschätzen. „Und dass ich die Nacht bei ihr verbracht habe und nicht im Hotel.“ Ich hoffte inständig, dass er diese Lüge nicht durchschaute. „Es tut mir leid, Master Takumi. Aber es war meine Pflicht, es Master Gerard zu erzählen.“, sagte Cedric kalt. Ich grinste. Ich wusste nicht, ob Cedric meine Lüge durchschaut hatte, aber er hatte definitiv gelogen. Er wusste ganz genau, um wen es sich bei Ayuzawa handelte, und dass dies meine alte Wohnung war. „Also.“ Ich funkelte ihn an. „Was steht für heute auf dem Plan?“ „Wir haben um 18 Uhr einen Termin mit dem Geschäftsführer des Igarashi-Konzerns und seinem Stellvertreter. Es handelt sich um einen Empfang.“ „Und bis dahin steht es mir frei, meinen Tag selbst zu gestalten?“, fragte ich grinsend. Ich wusste, dass er mitgekommen war, um mich zu überwachen. Ein direktes Verbot für irgendwelche Unternehmungen könnte er aber niemals aussprechen. Seine Augenbraue zuckte kurz. „Gewiss, Master Takumi.“, sagte er dennoch. Mein Grinsen verbreiterte sich. Ich wusste genau, wem ich einen Besuch abstatten wollte. Rückblick Ende Misaki „Los, Misa-chan ~“, sagte Satsuki und schob mich aus den Mitarbeiterräumen. „Das ist dein Tisch. Frag nach ihrer Bestellung. ~“ Kaum zu fassen! Die beiden drehen völlig am Rad und linsen die ganze Zeit zu Usui und Cedric rüber. Ich schüttelte den Kopf über ihr Verhalten. Doch als ich daran dachte, dass es tatsächlich Usui war, der nach fünf Jahren wieder an seinem Stammtisch im Maid Latte saß und ich ihn nach fünf Jahren wieder bedienen würde, schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht. „Haben Sie gewählt, meine Herren?“, fragte ich, nachdem ich an ihren Tisch getreten war. Mein Blick ruhte auf Usui, der mich sanft anlächelte. Ich glaube, ich wurde schon wieder rot. „Ich hätte gerne das Reisomlette.“, bestellte Usui. „Und einen grünen Tee.“ „Jawohl mein Herr.“ Ich verneigte mich leicht, so wie ich es bei allen Gästen tat und wand mich an seinen Begleiter. Er warf mir einen finsteren Blick zu, der mir durch Mark und Bein ging. Doch ließ ich mir nichts anmerken. „Nur Tee.“, sagte er grimmig. „Sehr gerne, mein Herr.“ Auch vor ihm verneigte ich mich leicht, bevor ich mich umdrehte, um die Bestellung an die Küche weiterzugeben. Als ich an der Tür ankam, drehte ich mich noch einmal kurz um und warf einen Blick auf Usuis Tisch. Er hatte mir hinterhergesehen und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Einige Minuten später brachte ich ihnen denn Tee. Ich versuchte, diesen Cedric so wenig wie möglich zu beachten und genoss Usuis Lächeln, das er mir immer zuwarf, während ich an seinem Tisch war. Nochmal einige Minuten später brachte ich auch das bestellte Reisomlette. Ich stellte es vor ihm hin und lächelte ihn an. „Was soll ich Ihnen heute draufschreiben, mein Herr?“, fragte ich. Er grinste. „Schreib die Farbe deiner Unterwäsche drauf.“ Ich sah ihn geschockt an und lief dunkelrot an. Was dachte dieses perverse Alien sich bloß?? Ich schluckte meinen Ärger herunter. „Aber mein Herr. Sie belieben zu spaßen, nicht wahr?“ Usui lachte. Er wusste genau, wie er mich auf die Palme bringen konnte. „Dann schreib… mhm… ‚Ich liebe Master Takumi.‘“ Er sah mich zufrieden mit seinem Alienblick an. Ich schnaubte kurz, doch dann erfüllte ich ihm diesen Wunsch. Manchmal war es einfacher nachzugeben. Das wusste ich mittlerweile. Früher hätte ich ihm wahrscheinlich eine Szene gemacht. Als ich fertig war, grinste er mich pervers an. „Danke, Misa-chan ~.“, sagte er. Ich konnte die Herzchen in der Luft förmlich spüren. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Er war einfach immer noch ein Perversoalien vom Planeten Pheromonus. „Du siehst so glücklich aus. Was ist los?“ Ich drehte mich verwundert um und entdeckte Aoi, der mich abschätzig ansah. „Hallo Aoi.“, begrüßte ich ihn lächelnd, anstatt auf seine Frage zu antworten. Wir waren gute Freunde geworden über die letzten Jahre. Aoi hatte sich ganz schön verändert und ich zog mich mittlerweile so an, dass er meistens nichts mehr an mir auszusetzen hatte. Gute, am liebsten würde er mich in noch viel niedlichere Kleider stecken, aber da machte ich nicht mit. „Also? Was ist los?“, hakte er nach. Ich seufzte. War ja klar, dass er sich nicht so leicht von seiner Frage ablenken lassen würde. „Nichts ist los.“, antwortete ich lächelnd. „Was soll denn sein?“ „Du bist verliebt, oder?“, stellte er nüchtern fest. Ich glaube, Aoi hat auch Alienkräfte. Ich lief dunkelrot an. „Wie kommst du darauf?“, keifte ich mit geballten Fäusten und er grinste. „Weil ich dich kenne, Misa-chan.“, erwiderte er amüsiert. Ich antwortete nicht. „Also? Wer ist er?“ „Das geht dich gar nichts an.“, sagte ich schnippisch. Warum ich es ihm nicht sagte, wusste ich selbst nicht. Er würde eh bald erfahren, dass Usui wieder da war. Immerhin saß er nur wenige Meter von uns entfernt. Es lag vermutlich einfach an Aois überlegenem Gehabe. Takumi Ich entschuldigte mich kurz, um auf die Toilette zu gehen. Mir war es egal, dass Cedric sah, wie ich in die falsche Richtung ging und den hinteren Teil des Cafés betrat. Ich hörte Ayuzwawas Stimme und die eines Mannes. Ich horchte auf. Arbeiteten mittlerweile mehr Männer hier? Ich dachte immer, bei mir hätten sie damals eine absolute Ausnahme gemacht. Ich spähte um die Ecke. „Weil ich dich kenne.“, sagte dieser Mann mit einem süffisanten Grinsen. Ich sah, dass Ayuzawa rot war. „Das geht dich gar nichts an.“, antwortete sie. So hatte sie früher auch mit mir geredet. Ich betrachtete diesen Mann genauer. Er war groß und schlank und so wie es aussah, vermutlich auch einigermaßen muskulös. Er hatte dunkle Haare mit einem Blaustich und sah Ayuzawa mit funkelnden blauen Augen an. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Als ich sah, wie er seine Hand hob und an Ayuzawas Kinn legte, konnte ich mich nicht länger zurückhalten. Ich trat hinter der Ecke hervor und zog sie von ihm weg in meine Arme. Ich funkelte meinen Gegenüber an. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. „Usui Takumi.“, sagte er. Ich zog meine Augenbrauen hoch. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte mein Gedächtnis wieder und trotzdem erinnerte ich mich nicht an ihn. „Wer bist du?“, fragte ich ernst. Er sah mich fragend an. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich ihn nicht erkannte. Jetzt machte auch Ayuzawa sich bemerkbar und schob mich ein bisschen von sich weg. „Erinnerst du dich etwa nicht an Aoi?“, fragte sie. DAS sollte Aoi sein? Ich starrte ihn überrascht an. Ein Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Soso, du bist also wieder da.“, sagte er. „Soso, du bist also jetzt ein Mann.“, antwortete ich und erwiderte sein Grinsen. Kaum zu glauben. Ich hatte damals sofort gewusst, dass Aoi-chan ein Junge war, aber irgendwie hatte ich nicht damit gerechnet, ihn nun als richtigen Mann zu sehen. Seine Verkleidung würde ihm nun zumindest niemand mehr abnehmen. Und er sah männlicher aus als Yukimura. Zumindest als Yukimura vor fünf Jahren. „Eifersüchtig?“, fragte Aoi. „Worauf denn?“, entgegnete ich. Ayuzawa stöhnte genervt auf, bevor sie uns unterbrach, indem sie sich an mich wandte. „Was machst du eigentlich hier? Das Betreten ist nur den Mitarbeitern gestattet!“ Sie funkelte mich böse an. „Ich wollte dich nur besuchen, Misa-chan ~“, sagte ich. Ich sah ihre Augenbraue leicht zucken. Sie sah wirklich süß aus. „Raus hier!“, schimpfte sie und schob mich wieder in den Gästeraum. Ich sah, dass Cedric mich anstarrte. „Falsche Tür.“, sagte ich grinsend und ging Richtung Toiletten. Misaki „Er ist also wieder da?“, fragte Aoi mich und klang etwas besorgt. „Ja.“, antwortete ich schlicht. „Und du steigst gleich wieder auf ihn ein, hm?“ Sein Grinsen, welches er während Usuis Anwesenheit aufgesetzt hatte, war wie weggeblasen. Besorgnis war in seine Augen getreten. Ich fragte mich, warum. „Was willst du damit sagen?“, wollte ich wissen. „Glaubst du, er meint es ernst?“, fragte er. „Glaubst du, er wird dich dieses Mal nicht im Stich lassen? Dich nicht verletzen?“ Verwundert sah ich ihn an. Er machte sich wohl wirklich Sorgen um mich. Das war irgendwie lieb. Aber überflüssig. Ich konnte auf mich selbst aufpassen und außerdem kannte er ja die ganzen Hintergründe überhaupt nicht. „Ja, das glaube ich.“, antwortete ich ernst. „Ich hoffe, du hast Recht.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah leicht bedrückt in die Ecke. Ich legte ihm meine Hand an den Arm. „Mach dir keine Sorgen, Aoi.“, versuchte ich ihn zu beruhigen. „Es gibt Gründe, wieso er sich die letzten fünf Jahre nicht hat blicken lassen.“ „Hmpf…“, machte er. Vermutlich fragte er, was das schon für Gründe sein sollten, dass er sich nicht mal gemeldet hat. Ich würde an seiner Stelle wohl das Gleiche denken. Ich lächelte. „Danke, dass du dir um mich Sorgen machst.“ Er schnaubte kurz. Ich beschloss, dass es das Beste war, ihn erst mal in Ruhe zu lassen. Im Moment konnte ich ihn wohl kaum davon überzeugen, dass Usui tatsächlich Gründe hatte. Ich strich ihm noch einmal über den Arm und drehte mich dann um, um weiter meiner Arbeit nachzugehen. Takumi Ich seufzte. Ich hasste diese Empfänge. Wie viel lieber wäre ich bei Ayuzawa geblieben. Aber das ging leider nicht. Mal abgesehen davon, dass ich zu diesem furchtbaren gesellschaftlichen Anlass gehen musste, hatte sie Vorlesungen. Sie kam wohl erst spät aus der Universität wieder. Ich wünschte, ich könnte sie abholen. Stattdessen befand ich mich seit einigen Minuten in der Villa der Igarashis und langweilte mich zu Tode. Ced leistete mir natürlich Gesellschaft. Ich sah mich um, erkannte hier aber niemanden. Ich bemerkte, dass einige der weiblichen Gäste mich anstarrten und hinter hervorgehaltener Hand tuschelten. Ich war es gewohnt, aber es nervte mich dennoch. „Ein Glas Sekt, Sir?“, wurde ich von einem der Butler gefragt. Ich lehnte ab. Es war immer besser einen klaren Kopf zu bewahren. „Takumi Walker.“, hörte ich jetzt jemanden sagen und drehte mich um. „Igarashi Tora.“, erwiderte ich und musterte meinen Gegenüber genau. Er hatte immer noch dieses widerliche Grinsen, das ihm so einen diabolischen Ausdruck verlieh. Er hatte eine geschwollene Wange, die leicht überschminkt war. Ich unterdrückte ein Grinsen. Das kam davon, wenn sich jemand an meine Ayuzawa ranmachte. „Begleitest du mich ein Stück?“, fragte er mich. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete ich ihn, bevor ich nickte und ihm folgte. Meine Hände hatte ich in meinen Hosentaschen, während ich neben ihm herging. Er sagte kein Wort. Wir traten in einen ruhigeren Trakt des Hauses. Die anderen Gäste verliefen sich nicht hierher. „So.“, sagte er schließlich mit einem fiesen Blick. „Du hast dir also Ayuzawa-san geschnappt.“ Ich zog eine Augenbraue nach oben. „Geschnappt?“, hakte ich nach. Was für ein Ausdruck. „Hast sie mit deinem englischen Charme um den Finger gewickelt, hm?“ Ich runzelte die Stirn. „Woher kennst du sie eigentlich?“, fragte er nun. Ich grinste. „Ich denke, das weißt du ganz genau, Tora.“, antwortete ich. Nun war es er, der verwundert die Augenbrauen hochzog. Ich sah, wie es bei ihm klick machte. „Du erinnerst dich also?“, wollte er sichergehen. „Ja.“, bestätigte ich. Dieses diabolische Grinsen trat wieder auf sein Gesicht. „Und sie fällt sofort wieder auf dich rein.“ Ich mochte ihn einfach nicht. Ruhig sah ich ihn an. „So würde ich das nicht sagen.“, widersprach ich. „Ach und wie sonst?“ „Sie liebt mich einfach immer noch. Genauso wie damals.“ Ich grinste. Ich wusste, dass auch er damals schon an Ayuzawa interessiert war. Und ich wusste, dass er nicht den Hauch einer Chance bei ihr gehabt hat. Er war einfach ein unsympathisches Arschloch und meine Freundin war halt ein Menschenkenner. „Bilde dir bloß nichts ein.“, ermahnte er mich. „Du warst zu lange weg, Takumi. Du hast ja keine Ahnung, was in der Zwischenzeit alles passiert ist.“ Ich sah ihn skeptisch an. Im Prinzip hatte er damit sogar Recht. Sie hatte mir zwar einen groben Überblick über die Geschehnisse der letzten fünf Jahre gegeben, aber sie konnte mir genauso gut etwas verheimlichen. „Und das willst du mir jetzt erzählen?“, hakte ich nach. Er lachte und bewegte sich wieder in Richtung Empfang. „Finde es doch selbst heraus. Ich sage dir nur eins: Glaub nicht, dass du jetzt so einfach mit Ayuzawa-san zusammen sein kannst.“ Er drehte sich nun gänzlich von mir weg und trat durch die Tür zurück zum Empfang. Einen kurzen Moment konnte ich den Geräuschpegel der Menschenmenge hören, bevor die Tür sich wieder schloss und ich allein zurückblieb. Kapitel 3: Grocery bags ----------------------- Misaki Endlich waren die Vorlesungen für diesen Freitag vorbei. Ich schnappte mir meine Tasche und verließ schnell den Hörsaal, bevor irgendwer noch auf Idee kam, mich anzusprechen. Es kam des Öfteren vor, dass jemand mich um meine Hilfe bei irgendwelchen Hausarbeiten fragte. Meistens half ich dann auch, obwohl ich selbst all meine Zeit mit lernen und arbeiten verbrachte und so schon kaum Freizeit hatte. Doch in den letzten Tagen war zu viel los, als dass ich heute so etwas gebrauchen konnte. Ich wollte einfach nur nach Hause. Außerdem musste ich noch einkaufen. Als ich das Gebäude verlassen hatte, atmete ich einmal tief durch. Die frische Abendluft tat mir gut und vertrieb ein wenig meiner Müdigkeit. „Hey Misaki-san!“, hörte ich eine mir bekannte Stimme und drehte mich um. „Hallo Souta.“ Ich sah meinen Kommilitonen an, der mich eingeholt hatte, und nun neben mir lief. Er lächelte mich an. Wie so oft fiel ihm eine seiner schwarzen Haarsträhnen über die eisblauen Augen, die er schnell wieder wegstrich. „Hast du noch was vor?“, fragte er unschuldig. Innerlich seufzte ich. So ging das schon seit dem ersten Semester. Nicht, dass ich ihn nicht mochte. Er war einer der wenigen aus meinem Studium, mit denen ich mich gut verstand. „Ja, ich muss noch einkaufen gehen.“ antwortete ich ehrlich. „Soll ich dich begleiten?“ Bei ihm klang das tatsächlich unschuldig, nicht so pervers wie bei einem gewissen Alien-Stalker. „Nicht nötig.“, erwiderte ich. „Ach komm schon, Misaki.“, versuchte er es weiter. „Weis mich doch nicht immer ab.“ Dieses Mal seufzte ich wirklich. „Gibst du dann endlich Ruhe? Wenn ich dich heute mit einkaufen gehen lasse?“ Er grinste. „Versprechen kann ich es nicht, aber ich werd’s versuchen.“ Selbst jetzt klang er nicht so pervers wie Usui. Ich musste auch grinsen. „Na, schön.“, gab ich nach. „Du kannst mir helfen, die Tüten zu tragen.“ Takumi Der ganze Empfang war ein absolutes Desaster für mich. Ich hasste diese Veranstaltungen sowieso und Toras Ansage hat es nicht gerade besser gemacht. Ich beschloss, einfach zu gehen. Mich ging das Ganze sowieso nichts mehr an. Ich hatte schon längst beschlossen, meiner Familie in England den Rücken zuzukehren. Ohne noch mit irgendwem zu reden verließ ich die riesige Villa und rief mir ein Taxi. Auch Cedric sagte ich nichts. Er würde es sowieso bald bemerken. Kurz überlegte ich, wohin ich nun fahren sollte, bevor ich dem Fahrer Ayuzawas Adresse nannte. Ich sah auf die Uhr. Viertel vor acht. Ihre letzte Vorlesung sollte jetzt zu Ende sein. Dann würde sie sicherlich auch bald zu Hause sein. Und wenn sie noch nicht da war, würde ich einfach auf sie warten. Eine Viertelstunde später hielt der Wagen vor ihrem Haus. Ich bezahlte den Fahrer und stieg aus. Das Haus hatte sich wirklich nicht viel verändert, auch wenn man hier und da einige ausgebesserte Stellen erkennen konnte. Als ich vor der Tür stand, fragte ich mich, ob ihre Mutter wohl zu Hause war und wie sie reagieren würde, wenn sie mich sah. Ich hatte sie damals sehr nett gefunden und hatte immer das Gefühl, dass sie mich auch mochte, genauso wie Suzuna. Aber vielleicht nahmen sie es mir übel, dass ich Misaki so lang allein gelassen hatte, sie meinetwegen unglücklich gewesen ist. Ich atmete einmal tief durch und betätigte die Klingel. Im Haus war alles ruhig und niemand reagierte auf das Klingeln. Die Fenster waren auch dunkel. Vermutlich war niemand zu Hause. Ich starrte kurz auf die Tür, bevor ich mich wieder umdrehte und am Torpfosten platzierte. Ich würde einfach auf sie warten. Sie müsste ja bald nach Hause kommen. Es machte mir nichts aus, auf sie zu warten. Auf sie würde ich ewig warten. Ich musste lächeln, als ich mich daran erinnerte, wie ich einmal die ganze Nacht hier verbracht hatte. Es verging eine ganze Weile, in der ich auf sie wartete. Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte in den klaren Himmel. Ich bemerkte zwei Personen, die näher kamen und erkannte nach einer Weile, dass eine von ihnen Ayuzawa war. Aber wer war die andere Person? Ich runzelte die Stirn, als ich einen jungen Mann neben ihr erkannte. Beide trugen Einkaufstüten. Sie unterhielten sich, ich konnte sie aber nicht verstehen. Ich stieß mich von dem Pfeiler ab, an den ich mich bis eben gelehnt hatte und wartete, bis Ayuzawa und ihr Begleiter mich erreichen. Sie hatten mich noch gar nicht bemerkt. Ayuzawa sah ihn die ganze Zeit an, zwischendurch wanderte ihr Blick Richtung Boden. Endlich sah sie auf und entdeckte mich. Ihre Augen weiteten sich und ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus, nachdem der Ausdruck der Überraschung von ihrem hübschen Gesicht verschwunden war. Auch ihr Begleiter sah nun zu mir herüber. Seine Miene konnte ich jedoch nicht lesen. „Usui!“, rief Ayuzawa aus und blieb kurz vor mir stehen, auf einer Höhe mit dem schwarzhaarigen Kerl, den ich nicht kannte, und der ihre Einkaufstüten trug. Ich griff nach ihrem Handgelenk und zog sie in meine Arme. Sie stolperte leicht und ließ ihre Einkaufstüte fallen. Ich legte meine rechte Hand an ihre Wange und zog sie mit meiner linken näher an mich heran, bevor ich sie küsste. Es erinnerte mich an die Küsse, die wir vor meinem Verschwinden geteilt hatten. Zunächst war sie überrascht, bevor sie den Kuss jedoch erwiderte. Als wir den Kuss wieder lösten, hielt sie die Augen noch einen Moment geschlossen. Sie war rot geworden und sah unglaublich süß aus. Ich lächelte. Mein Blick fiel auf den Typ, der noch immer an derselben Stelle stand und zu uns sah. In seinem Blick lagen keinerlei Emotionen. Ich hatte zwar keine Ahnung, wer er war und was er mit Ayuzawa zu tun hatte, aber zumindest hatte ich schon mal klargestellt, dass Ayuzawa mir gehörte. Sie löste sich von mir und räusperte sich verlegen. „Ähm… Usui…“, sagte sie verlegen. „Das ist… Souta, mein Kommilitone. Souta – Usui.“ Ich reichte ihm die Hand, die er ergriff – stärker als nötig, wie mir auffiel. „Hallo.“, sagte dieser Souta. „Freut mich.“, antwortete ich, auch wenn das nicht unbedingt stimmte. Misaki Ich konnte die angespannte Stimmung zwischen Usui und Souta förmlich spüren. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Warum führten Männer sich nur immer so auf? Ich war mir sicher, dass Usuis Kussangriff mitten aus dem Nichts auch nur dazu da gewesen war, um sein Revier zu markieren. Ich hatte dieses Gefühl schon damals gehabt, als Hinata plötzlich aufgetaucht war: Er strahlte irgendwie die Aura eines scharfen Hundes aus. Ich fühlte mich in dieser Situation ein wenig unwohl. Die beiden musterten sich. Fehlte nur, dass sie anfingen, sich gegenseitig den Hintern zu beschnüffeln. Es wurde Zeit, das zu beenden. Ich streckte Souta die Hand entgegen, damit er mir die Einkaufstüte geben konnte „Vielen Dank, dass du mir beim Tragen geholfen hast.“, bedankte ich mich höflich bei ihm. Sein Blick wanderte von Usui zu mir und veränderte sich. Er lächelte nun wieder, wodurch seine blauen Augen strahlten. „Gern geschehen, Misaki-san.“, sagte er und reichte mir die Tüte. „Wir sehen uns dann Montag.“, verabschiedete ich mich und schenkte ihm auch noch ein Lächeln. „Ja, bis Montag.“, erwiderte er, drehte sich von uns weg und ging davon. Kurz sah ich ihm noch nach, bevor ich mich zu Usui drehte, der mittlerweile die Einkaufstüte aufgehoben hatte, die mir vorher heruntergefallen war. Ich musste schlucken. Wie kam es nur, dass er immer so überwältigend aussah? „Wie kommt’s, dass du hier bist?“, fragte ich neugierig. „Ich dachte, du bist auf dem Empfang bei den Igarashis.“ „Da war ich auch.“, antwortete er. „Aber ich hab’s dort einfach nicht mehr ausgehalten.“ Aha, dachte ich, deshalb der Anzug. Er hatte es irgendwie geschafft, sein Haar zu bändigen, welches nun nicht mehr in alle Richtungen abstand, sondern glatt nach unten und in seine Stirn fiel. Irgendwie konnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden. Er grinste. „Gefällt dir, was du siehst?“, fragte er. Da war schon wieder dieser perverse Unterton in seiner Stimme. Ertappt sah ich schnell weg und wurde rot. „Davon träumst du!“, sagte ich schnell, um ihn von diesem Gedanken abzulenken. Er lachte. „Du bist ja rot, Ayuzawa.“, stellte er fest, während er meinem Gesicht immer näher kam. Na toll, die Hitze stieg mir nur immer weiter in den Kopf. „Bin ich gar nicht!“, protestierte ich, was ihn nur umso mehr zu amüsieren schien. „So süß.“ Er entfernte sich wieder von mir und drehte sich nun zur Haustür. „Kommst du?“, fragte er und riss mich damit aus meiner Starre. „Äh ja…“ Ich kramte nach meinem Haustürschlüssel und schloss dann auf. Wir traten ein und brachten die Einkäufe in die Küche. Wir schwiegen, während wir die Tüten ausräumten. Er half mir dabei wie selbstverständlich. Als ich mich wieder zu ihm umdrehte, nachdem ich etwas in den Schrank geräumt hatte, hatte er grad eine Flasche meines Shampoos aus der Tüte gezogen. Er öffnete den Verschluss und roch daran. Ein Grinsen trat auf seinem Gesicht. Wie machte er das nur? Wie konnte er selbst in so einer simplen Situation so pervers aussehen? „Es riecht nach dir.“, schien er erklären zu wollen. „Da schweifen meine Gedanken nun mal ab.“ „Hör auf meine Gedanken zu lesen!“, fauchte ich, was ihn nur wieder zum Lachen brachte. „Alien.“, murmelte ich. „Wo sind eigentlich deine Mutter und deine Schwester?“, fragte er schließlich. „Meine Mutter muss heute mal wieder eine Doppelschicht arbeiten.“, erklärte ich und gab damit wieder, was ich auf dem Zettel gelesen hatte. „Und Suzuna ist bei Hinata.“ Er sah mich fragend an. Achja. Als er weggegangen war, war Hinata noch hinter mir her. „Sie sind schon seit ein paar Jahren zusammen.“, erklärte ich. Er sah wirklich überrascht aus. Naja, für seine Verhältnisse. „Das heißt, Sanshita-kun hängt dir nicht mehr am Rockzipfel?“, hakte er nach. Ich wusste nicht, ob ich es lustig oder schlimm finden sollte, dass er ihn immer noch einen Untergebenen nannte. „Er heißt Hinata Shintani und nicht Sanshita-kun!“, versuchte ich ihn zu belehren. „Und ja… er hängt mir nicht mehr am Rockzipfel.“ „Mh…“, machte er und schien kurz zu überlegen. „Dafür hast du dir wohl einen neuen Verehrer angelacht.“ Ich wusste, dass wir irgendwann noch über Souta reden würden, so wie er ihn angefunkelt hatte. „Was meinst du?“, fragte ich trotzdem. „Na, diesen Souta.“, antwortete er und sah mich aufmerksam an, wohl meine Reaktion abwartend. Ich grinste. „Bist du etwa eifersüchtig?“, hakte ich nach. Dieses Mal war ich diejenige, die ein wenig sticheln wollte. „Vielleicht.“, antwortete er jedoch ruhig. Er sah mich ernst an. Ihn zu ärgern klappte wohl einfach nicht. „Warum?“ Jemand wie Usui hatte wirklich keinen Grund auf irgendwen eifersüchtig zu sein, auch wenn Souta durchaus gutaussehend war. „Weil er so viel Zeit mit dir verbringen konnte, während ich weg war.“, antwortete er immer noch vollkommen ruhig. „Und er dich nach Hause begleiten durfte.“ Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte, wie ich mit seiner Ehrlichkeit umgehen sollte. Er bemerkte meine Sprachlosigkeit. „Magst du ihn?“, fragte er und ich konnte endlich wieder einen klaren Gedanken fassen. „Ja, ich mag ihn.“, antwortete ich ehrlich und sah den Schmerz in seinen Augen, bevor ich schnell fortfuhr. „Als Kommilitonen. Als einen Freund.“ Ich ging zu ihm herüber. Mir war es immer schon schwergefallen, Zuneigung zu zeigen, aber bei Usui musste sich das ändern. Den Entschluss hatte ich schon gefasst, als er vor fünf Jahren weggegangen war. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihm meine Zuneigung offen zu zeigen, sobald er wieder da war. Also legte ich meine Hand an seine Wange, stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. „Aber dich liebe ich, Usui Takumi.“, sagte ich und versuchte dabei, gefühlvoll zu klingen. Er sah mich lächelnd an und sein Blick wurde warm. „Ich liebe dich auch, Misaki.“, entgegnete er und mir war mehr als bewusst, dass er mich bei meinem Vornamen nannte. Irgendwie gefiel mir das. Ich gab ihm einen weiteren Kuss. „Takumi.“, sagte ich und genoss den Klang seines Namens, bevor ich meine Lippen wieder auf seine drückte. Er grinste in den Kuss hinein und zog mich dann fest in seine Arme. Er hielt mich eine Weile so und ich atmete seinen sauberen Geruch ein. „Sag mal, Misaki…“, begann er plötzlich und ich sah auf. „Da deine Mutter nicht da ist…“ Oh Gott, was kam jetzt? „…hattest DU da etwa vor zu kochen?“ Okay, damit hatte ich nicht gerechnet. Böse sah ich ihn an. „Was soll das denn heißen?“, zischte ich. „Naja, es wäre wirklich schade, wenn du draufgehen würdest. Wir haben uns doch grad erst wiedergefunden.“, erklärte er mit Unschuldsmiene, was mich umso mehr auf die Palme brachte. Ich stieß ihn von mir weg. „Usui, du Idiot!“, keifte ich. Er lachte. „Ganz ruhig, Misa-chan ~.“, flötete er und griff nach einer Pfanne und ein paar Lebensmitteln. „Ich koch dir was, ja?! Und du entspannst dich ein bisschen. Ich weiß, dass du meinetwegen in den letzten Nächten nicht viel geschlafen hast.“ Skeptisch sah ich ihn an. Ich war mir nicht sicher, ob ich böse werden sollte und ob das nur wieder eine seiner perversen Anspielungen war. Aber dann beschloss ich, es sein zu lassen. Eigentlich war es ja nett von ihm, dass er für mich kochen wollte. Und er konnte wirklich viel besser kochen als ich. Ja, ich freute mich sogar, mal wieder etwas von ihm essen zu dürfen. „Danke.“, sagte ich deshalb und erntete dafür sein typisches Lächeln, das mich immer wieder umhaute. Kapitel 4: Unpleasant phone call -------------------------------- Takumi Wir saßen zusammen beim Abendessen, welches ich für sie gekocht hatte. Es schien ihr zu schmecken, was mich sehr freute. Ich wusste, dass ihr eigenes Essen ungenießbar war. Auch wenn ich es trotzdem jederzeit essen würde, weil sie diejenige wäre, die es gemacht hat. Ich hörte das Geräusch einer, Tür aufgeschlossen und geöffnet wurde. Das musste Misakis Mutter sein, die von der Arbeit nach Hause kam. Ich wurde nervös. Es war sehr wichtig für mich, dass sie mich mochte. Wie sie wohl auf mich reagieren würde? „Misaki?“, rief sie und meine Freundin stand auf, um sie zu begrüßen. Sie verließ die Küche. „Hallo Okaa-san.“, hörte ich sie sagen. „Geht’s dir gut?“ Sie machte sich sicher Sorgen um ihre Mutter, die immer noch so viel arbeitete wie damals. „Ja, mein Schatz.“, sagte Minako. „Ich bin nur etwas müde.“ „Hast du Hunger?“, fragte Miaski. „Ähm…“, zögerte Minako und ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Vermutlich kannte sie auch die berüchtigten Kochkünste ihrer Tochter. „Ich habe Besuch.“, verkündete Misaki nun. „Ich war es nicht, die gekocht hat.“ Minako lachte verlegen auf. „Ich sterbe vor Hunger.“, sagte sie und sowohl Mutter und Tochter mussten lachen. Ich hörte, wie sich ihre Schritte näherten und musste schlucken. Gleich war es so weit. Beide Frauen traten durch die Tür. Ich stand schnell auf, um Misakis Mutter zu begrüßen. Sie erblickte mich und starrte mich einen Augenblick verwirrt an, warf dann einen fragenden Blick auf ihre Tochter, bevor sie ihren Kopf wieder mir zuwandte. „Erinnerst du dich an Usui?“, fragte sie wohl auch ein wenig unsicher. „Ich äh…“, stotterte ihre Mutter. „Ja… ich… ich erinnere mich.“ Ich verneigte mich leicht vor ihr. „Guten Abend Ayuzawa-san.“, begrüßte ich sie. „Guten Abend…“, erwiderte sie. „Ich hab dich ja… ähm… Jahre lang nicht gesehen.“ Ich nickte. Ich wollte ehrlich sein und mich erklären. Ich wollte nicht, dass sie dachte, ich könnte eventuell nicht gut genug für ihre Tochter sein, weil ich sie allein gelassen hatte. „Ja, ich habe die letzten fünf Jahre in England verbracht.“, erklärte ich. „Ich bin erst vor wenigen Tagen zurück nach Japan gekommen. Ich…“ „Setz dich doch erst mal hin, Okaa-san.“, unterbrach Misaki mich und stellte ihrer Mutter einen Teller hin, während diese sich setzte. Misaki nahm es in die Hand, zu erzählen, was passiert war. Ich ergänzte ihre Erzählung und Minakos Augen wurden immer größer. Letztendlich lächelte sie aber. „Es ist schön, dass du zurück bist, Takumi.“, sagte sie. „Und ich bin froh, dass Misaki endlich wieder lächelt.“ Mit diesen Worten strich sie ihrer Tochter über das Haar und lächelte sie an. Misaki wurde rot, erwiderte das Lächeln ihrer Mutter jedoch. Ich war froh, dass sie es so sah. Ich half Misaki noch mit dem Abwasch, während ihre Mutter sich bereits zurückgezogen hatte. Nach dieser 16-Stunden-Schicht war sie vollkommen erschöpft und Misaki hatte darauf bestanden, dass sie sofort ins Bett ging. Mein Handy klingelte. Mit gerunzelter Stirn zog ich es hervor und sah auf das Display. Gerard. „Hallo?“, meldete ich mich. „Takumi!“, hörte ich die Stimme meines Bruders. Er klang so gut gelaunt wie immer. Auch wenn ich wusste, dass es meistens aufgesetzt war. „Was willst du?“, fragte ich schroff. „Na, freust du dich etwa gar nicht, mit mir zu sprechen?“, fragte er tadelnd nach. Was sollte dieses Spielchen? „Was willst du?“, wiederholte ich mich. Er rief nicht einfach so an, so viel war klar. Ich bemerkte den besorgten Blick von Misaki, die gegen die Spüle gelehnt stand. „Ceddy hat mich angerufen.“, erklärte Gerard schließlich. Gut, so viel war mir schon klar. Ich wusste nur nicht, was genau er erzählt hatte. „Und?“, hakte ich nach. „Er hat gesagt, dass du dich mit einem Mädchen triffst.“ Immer noch diese aufgesetzte gute Laune in seiner Stimme. „Und?“, fragte ich erneut. Ich hatte keine Lust auf dieses Gespräch. „Ich kann ja verstehen, dass du deinen Spaß haben willst, mein lieber Takumi. Aber vergiss nicht, dass du verlobt bist. Was soll die arme Sarah davon halten, wenn sie davon erfährt?“ Ich wurde wütend, verzog jedoch keine Miene. „Es ist mir egal, was sie davon hält.“, erklärte ich. „Ich löse die Verlobung auf.“ Misaki starrte mich mit großen Augen an. Es tat mir leid, dass sie das alles mit anhören musste. „Aber, aber… Takumi!“ Ich konnte diesen tadelnden Ton in seiner Stimme nicht ertragen. „Du weißt ja gar nicht, wovon du da redest. Sarah ist die Tochter einer angesehenen Familie und sie ist genau die richtige Frau für einen Sohn der Walker-Familie.“ „Das bin ich nicht.“, sagte ich und konnte gerade zu sehen, wie das Lächeln auf Gerards Gesicht gefror. „Was?“, fragte er scharf. „Ich lass mich nicht länger von euch belügen, Gerard. Das Spiel ist vorbei. Ich erinnere mich an alles. Ich weiß wieder, wer ich bin. Und ich weiß, wo ich hingehöre.“ Instinktiv legte ich den Arm um Misaki und zog sie fest an mich. Sie sah überrascht auf und ich konnte sehen, wie die Röte sich auf ihre Wangen schlich. Sie war so süß. Für sie würde es sich in jedem Fall lohnen, zu kämpfen. „Du erinnerst dich also…“, stellte Gerard nüchtern fest. „Ja.“, bestätigte ich. „Takumi.“, sagte er. „Ich glaube, es wäre besser, wenn du nach Hause kommst. Wir sollten uns unterhalten.“ „Nein.“, erwiderte ich. „Ich bin zu Hause. Und ich denke nicht, dass es noch etwas zu reden gibt.“ „Sei nicht so kindisch!“, forderte Gerard. Ich lachte. „Ich bin nicht kindisch. Ich bin ganz und gar nicht kindisch. Das erste Mal in meinem Leben treffe ich eine wichtige Entscheidung, ohne mich von irgendwem beeinflussen zu lassen.“ Ich bemerkte, wie Misaki meine Hand drückte, um mich in dem, was ich sagte, zu bestätigen. Ich schenkte ihr ein Lächeln. „Ich werde nicht mehr nach England gehen, Gerard.“, schloss ich. „Wenn du mit mir reden willst, musst du hierher kommen.“ Mit diesen Worten legte ich auf. Ich hatte alles gesagt, was ich sagen wollte. Ich seufzte, während ich mein Handy wegsteckte. Misaki sah mich mit großen Augen an, sagte aber nichts. Ich legte beide Arme um sie und zog sie dicht an mich. Ich schloss meine Augen und atmete ihren Duft ein. Ich brauchte sie. Misaki „Takumi?“, fragte ich unsicher. Ich war froh. Froh, dass er sich Gerard widersetzt hatte und sich für ein Leben in Japan entschieden hatte – ohne Kompromisse! „Mhm?“, fragte er nach ohne seine Umarmung zu lösen oder seine Augen zu öffnen. „Ist alles in Ordnung?“ Endlich sah er mich an. Er wirkte irgendwie erschöpft, aber er lächelte, wodurch seine smaragdgrünen Augen noch mehr strahlten. „Ja, alles in Ordnung.“, sagte er, auch wenn ich ihm seine Sorge deutlich ansehen konnte. Er strich mir über die Wange und ich merkte, dass diese zärtliche Geste mir schon wieder die Röte in die Wangen trieb. Ob ich mich jemals daran gewöhnen würde, so von ihm berührt zu werden? Er lächelte mich an und legte dann sanft seine Lippen auf meine. In meinen Eingeweiden kribbelte es, als ich den Kuss erwiderte. „Ich sollte wohl gehen.“, sagte Takumi, als wir den Kuss gelöst hatten. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es schon beinahe 23 Uhr war. Enttäuschung breitete sich in mir aus, obwohl ich das gar nicht wollte. „Musst du wirklich?“, fragte ich und wurde sofort wieder rot. Warum fragte ich so etwas? Das war gar nicht meine Art. Jetzt würde er mit Sicherheit wieder irgendwelche perversen Gedanken bekommen. Ich sah ihm die Überraschung deutlich an, bevor sich wie erwartet ein perverses Grinsen auf sein Gesicht schlich. „Wenn Misa-chan das möchte, könnte ich natürlich auch hier bleiben.“, sagte er vergnügt und drückte sich fest an mich. Mit knallrotem Gesicht stemmte ich mich von ihm weg. „Perverses Alien!“, schimpfte ich und er lachte. Er wirkte gar nicht mehr so erschöpft wie noch vor wenigen Augenblicken. Trotz meiner Versuche mich zu befreien, zog er mich näher an sich heran. „Ich liebe dich, Misaki.“, sagte er ernst, aber mit einem Lächeln. Ich seufzte. „Dummer Usui…“, antwortete ich ihm auch. Er sah mich mit einem Hundeblick an und ich seufzte erneut. „Ich liebe dich auch.“ Hatte er mich doch wieder dazu gebracht, es zu sagen… Sofort drückte er wieder seine Lippen auf meine und ein Schwarm Schmetterlinge schien in meinem Bauch eine Party zu feiern. Wie machte er das nur immer? Ich spürte, wie er seinen Mund öffnete und seine Zunge ihren Weg in meinen Mund suchte. Ich antwortete, indem ich meine Lippen ebenfalls leicht öffnete und seine Zunge mit der meinen begrüßte. Der Kuss intensivierte sich noch, als er mit seiner Hand über meine Taille strich und mich dann ein wenig nach hinten drängte, bis ich die Kante der Küchenzeile in meinem Rücken spürte. Er stützte sich links und rechts von mir ab und ich legte meine Arme um seinen Nacken ohne dass wir den Kuss lösten. Meine eine Hand vergrub sich in seinen Haaren. Sie waren so unglaublich weich. Etwas beschämt stellte ich fest, dass eine Welle der Lust mich überkam. Von ihm hörte ich ein leises Stöhnen. Etwas atemlos lösten wir schließlich den Kuss. Er lehnte seine Stirn an meine und ich ließ meine Hände weiterhin in seinen Haaren und an seinem Nacken ruhen, verhinderte so, dass er zurückweichen konnte. „Darf ich heute Nacht bei dir bleiben?“, fragte er leise. Mein Herz klopfte wie verrückt, als ich nickte. Sanft legte er seine Lippen wieder auf meine und wir versanken erneut und einem atemraubendem Kuss. Es war unglaublich, wundervoll und zugleich die reine Folter. Das Verlangen nach ihm fraß mich beinahe auf. Ich fasste einen Entschluss und drückte ihn leicht von mir weg. Er sah mich fragend an. Oh nein, ich wurde schon wieder rot! An meinem Entschluss änderte das jedoch nichts. Ich griff nach seiner Hand und ohne ihn anzusehen zog ich ihn mit mir, aus der Küche heraus, die Treppe hinauf, direkt in mein Zimmer. Dort angekommen traute ich mich kaum ihn anzusehen. Meine Aktion war wohl eindeutig. Als ich mich schließlich doch überwand konnte ich sein Grinsen sehen, aber auch seine leicht geröteten Wangen. Er war wohl auch nicht ganz cool geblieben. Irgendwie freute mich das. Mit der Hand, in der er meine noch immer hielt, zog er mich wieder nahe an sich heran und legte die andere sofort an meine Taille. „Misaki…“, flüsterte er dicht an meinem Ohr, sodass ich seinen warmen Atem spüren konnte. Ich erschauderte leicht. „Verrätst du mir die Farbe deiner Unterwäsche?“, fragte er schließlich mit einem breiten und ziemlich perversen Grinsen. Ich verspürte den Drang, ihn als perverses Alien zu beschimpfen, unterdrückte ihn aber. Stattdessen fing ich an, meine Bluse aufzuknöpfen. Natürlich mit knallrotem Gesicht! Besonders erotisch kann es wirklich nicht ausgesehen haben. Aber Takumis Gesichtsausdruck war es wert. Verblüfft starrte er mich an und auch er wurde rot. Dieses Mal konnte ich ein überlegenes Grinsen aufsetzen, während ich langsam meinen türkisfarbenen BH entblößte. Als ich mit geöffneter Bluse vor ihm stand, schluckte er kurz, bevor er seine Hände unter die Bluse schob und sie mir über die Arme von der Schulter streifte. Es war ein unglaubliches Gefühl, seine warmen Hände auf meiner Haut zu spüren, als er mir sanft über den Rücken strich und mich dann wieder küsste. Ich strich über seine muskulöse Brust und fing schließlich damit an, auch sein Hemd aufzuknöpfen. Nach und nach kamem seine Brust, schließlich sein Bauch zum Vorschein. Ich half ihm, das Hemd abzustreifen und kaum lag es auf dem Boden, zog er mich dicht an sich, sodass ich die Wärme seines Körpers direkt auf meiner Haut spüren konnte. Ich seufzte in unseren Kuss hinein und genoss seine Nähe, seine Wärme, seinen Geruch. Langsam schob er mich Richtung Bett, auf dass ich rücklings fiel, als ich die Kante in meinen Kniekehlen spürte. Er beugte sich über mich, seine Hände links und rechts von meinem Gesicht abgestützt. Er begann, meinen Hals zu küssen, den er langsam hinab wanderte, küsste mein Schlüsselbein und leckte sich dann wieder hoch zu meinem Hals, bevor er meine Lippen mit den seinen versiegelte. Ich konnte nicht anders, als leise aufzustöhnen. Er machte mich wahnsinnig. Mein Verstand schaltete vollkommen ab. Ich konnte kaum noch denken. Ich nestelte an seinem Hosenstall herum und schaffte es schließlich, sowohl den Knopf als auch den Reißverschluss zu öffnen. Er grinste, als er sich kurz von mir löste, um seine Hose abzustreifen. Dass ihn das Ganze auch nicht grad kalt ließ, war schon deutlich zu erkennen. Anstatt sich wie vorher wieder über mich zu beugen, packte er den Bund meines Rockes und zog ihn mitsamt meiner Strumpfhose nach unten, sodass auch ihn nun nur noch in Unterwäsche war. Ich schluckte und fühlte mich einen kleinen Augenblick unwohl, irgendwie entblößt. Doch das Gefühl währte nicht lange. Er legte sich wieder zu mir und küsste mich. „Ich liebe dich so sehr, Misaki.“, schien er beinahe schon zu schnurren. Ein wohliges Seufzen kam über meine Lippen. „Ich liebe dich auch, Takumi.“, antwortete ich und ließ mich nun vollkommen fallen. Es war unsere zweite Nacht miteinander und sie war beinahe noch schöner als die erste. Am Ende schliefen wir erschöpft nebeneinander ein, mein Kopf ruhte auf seiner Brust und sein Kopf auf meinem. Ich hatte lange nicht so gut geschlafen. Kapitel 5: Mother ----------------- Takumi Ich wachte auf, als spürte, dass Misaki sich in meinen Armen leicht bewegte. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und erblickte Misaki, die ihre Augen noch fest geschlossen hatte und noch zu schlafen schien. Ihre Hand ruhte auf meiner Brust und ihr Kopf lag auf meiner Schulter. Ich lächelte und gab ihr einen Kuss auf den wirren Haarschopf. Ich spürte ihren nackten Körper warm an meinem. Wir waren so erschöpft gewesen, dass wir, ohne nochmal ins Bad zu gehen oder uns anzuziehen, einfach eingeschlafen waren. „Mhhm…“, machte Misaki und regte sich leicht. Ich beobachtete sie bei jeder ihrer verschlafenen Bewegungen. Sie schien noch müde zu sein und nicht bereit, schon aufzuwachen. Ich warf einen Blick auf ihren Wecker, der mir verriet, dass es bereits 10 Uhr morgens war. Sanft gab ich ihr einen weiteren Kuss auf den Scheitel, dann auf ihre Stirn. „Mhhhmmm…“, machte sie erneut und ihre Augenlider zuckten leicht, bevor sie ihre Augen schließlich öffnete und mich ansah. „Guten Morgen, Schlafmütze.“, begrüßte sie und lächelte sie an. Sie sah immer noch sehr müde aus. „Morgen…“, murmelte sie, rollte sich auf den Rücken und streckte sich leicht. Ich konnte nicht widerstehen, legte meinen Arm um ihre nackte Taille und zog sie etwas näher zu mir. Ich küsste ihre Halsbeuge und Misaki fing an zu kichern. „Lass das!“, forderte sie kichernd. „Warum denn?“, hinterfragte ich, meine Lippen noch immer auf ihrer Haut. „Das kitzelt.“, erklärte sie und versuchte mich wegzuschieben. Ich wehrte mich. Ich wollte nicht damit aufhören. „Aber du schmeckst so gut.“, murmelte ich quengelnd. „Perverso.“, entgegnete sie feixend. Ich musste grinsen. Schließlich schaffte sie es doch, sich von mir zu lösen. Gähnend setzte sie sich auf, wobei sie die ganze Decke mit sich zog und sie sich um ihren Körper wickelte, damit ich sie nicht sehen konnte. Das ließ allerdings mich entblößt zurück. Nicht dass es mir etwas ausmachen würde. Ich sah sie mit einem provokativen Grinsen an. Als sie sie sich zur mir umdrehte, wurde sie schlagartig rot. „Zieh dir was an!“, forderte sie. „Gib mir meine Sachen.“, erwiderte ich, während auch ich mich aufsetzte. Ohne mich anzusehen und mit hochrotem Gesicht griff sie nach meiner Shorts, die sie mir nun, sie nur mit den Fingerspitzen haltend, reichte. „Danke.“, grinste ich, nahm sie entgegen, stand auf und streckte mich erst mal ausgiebig. Sie wagte es nicht, mich anzusehen. Ich beschloss, dass ich sie genug geärgert hatte, und streifte mir die Shorts über, bevor ich auch noch meine anderen Klamotten zusammensuchte und mich langsam anzog. Misaki beobachtete mich dabei skeptisch. „Was ist los?“, fragte ich sie. „Geh raus.“, forderte sie. Ich sah sie erstaunt an. „Was?“ „Geh raus, ich will mir was überziehen!“, erklärte sie. „Kannst du doch auch so machen.“, sagte ich und musste schon wieder grinsen. „Raus hier, du perverses Alien!“, schrie sie nun und schob mich Richtung Tür, während sie mit einer Hand die Decke hielt, die sie um sich gewickelt hatte. Ich sträubte mich nur ein wenig dagegen und ließ es letztendlich zu, dass sie mich aus dem Zimmer beförderte. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen wartete ich direkt neben ihrer Tür. Es dauerte nicht lange, da stapfte sie, bekleidet mit einem Bademantel und bepackt mit einigen Klamotten an mir vorbei. „Ich geh duschen.“, verkündete sie und verschwand, ohne mich eines Blickes zu würdigen im Badezimmer. Ich musste lächeln. Andere würden ihr Verhalten mir gegenüber vielleicht als unangebracht und rüde empfinden, aber ich war glücklich. Sie war nun mal meine Misaki, meine Ayuzawa, in die ich mich vor 6 Jahren verliebt hatte. Ich ging zurück in ihr Zimmer und setzte mich auf ihren Schreibtischstuhl. Etwas unschlüssig sah ich mich um. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, während ich auf sie wartete, aber ich wollte auch noch nicht gehen. Schon gar nicht, ohne mich von ihr verabschiedet zu haben. Ich entdeckte ein Fotoalbum und schlug es neugierig auf. Es beinhaltete eine Menge Fotos aus unserer Schulzeit. Ich erkannte einige Fotos wieder, denn ich hatte sie selbst geschossen, als ich ihr zum Geburtstag eine Kamera geschenkt hatte. Aber nicht nur davon waren Bilder in diesem Album. Ich sah viele bekannte Gesichter: Sakura und Shizuko oder Sakura zusammen mit diesem Kuuga-Typen von der Band Yumemishi. Dann sah ich Yukimura und Kanou, die Mädchen vom Maid Latte, Aoi sowohl als Mädchen als auch als Junge, später auch als Mann. Ich erkannte Suzuna und Minako, dann Suzuna und Hinata, einmal auch Suzuna und Misaki zusammen mit einem Mann, den ich nicht kannte. Wer das wohl war? Es gab sogar ein Bild von dem Idioten-Trio zusammen mit Misaki. Hatten sie es also doch geschafft… Als ich weiterblätterte, lächelten mir aber auch einige unbekannte Gesichter entgegen. Ich vermutete, dass es sich um Freunde von Misaki aus der Uni handelte. Auf einigen Bildern war auch dieser Souta zu sehen, den ich gestern kennengelernt hatte. Unwillkürlich zog ich meine Augenbrauen zusammen und spürte die Eifersucht in mir hochkochen. Ich atmete tief durch und versuchte, dieses Gefühl wieder abzuschütteln. Sie hatte mir gesagt, dass sie ihn als Freund mochte, aber mich liebte. Es war alles in Ordnung. Glücklich grinste ich vor mich hin. Ich saß tatsächlich hier in Misakis Zimmer, nachdem ich die Nacht mit ihr verbracht hatte, und sie endlich meine Freundin nennen konnte. Misaki Die Dusche tat unglaublich gut! Sie machte mich richtig wach und ich konnte alle Spuren der letzten Nacht von mir waschen. Frisch geduscht machte ich mich auf den Weg zurück in mein Zimmer. Takumi saß an meinem Schreibtisch und starrte Löcher in die Luft. „Was soll dieses perverse Grinsen, du Alien?“, fragte ich ihn skeptisch. Er sah auf, das Grinsen blieb unverändert. „Misa-chaaan~“, rief er aus, sprang auf und schlang seine Arme um mich. Überrascht sah ich ihn an. „Was ist denn jetzt kaputt?“, wollte ich wissen. „Nichts. Ich freu mich nur, dass du da bist.“, antwortete er mit seinem dümmlichen Grinsen. „Okay…“, entgegnete ich noch immer skeptisch, während ich versuchte, seinen Griff ein wenig zu lockern. „Lass das, Takumi.“, forderte ich. Erfolgslos. Er klammerte sich noch immer fest an mich. Was war nur mit diesem Kerl los? „Lass mich los!“, verlangte ich schon etwas energischer. „Nein!“, erwiderte er schmollend. Ich knurrte etwas. „Lass. Mich. Los.“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Warum denn?“, fragte er. „Weil ich das nicht mag.“, erwiderte ich. Er ließ mich los. Endlich. Doch ein Blick auf sein Gesicht zeigte mir, dass ich ihm damit wohl wehgetan hatte. Traurig blickte er auf den Boden. „Es tut mir leid, Misaki.“, entschuldigte er sich geknickt. Ich seufzte. „Es muss dir nicht leidtun, Baka.“, sagte ich und versuchte ihn aufmunternd anzulächeln. Ein schiefes Lächeln erschien auch auf seinem Gesicht. Besonders glücklich sah er dennoch nicht aus. „Das alles ist nicht so ganz einfach für mich.“, versuchte ich zu erklären. Er sah mich fragend an. „Das Ganze ist halt neu für mich. Ich habe fünf Jahre lang auf dich gewartet und ich… ich… liebe dich.“ Na toll, ich wurde schon wieder rot. „Ich glaube, ich muss mich einfach noch daran gewöhnen, dass du wirklich da bist und wir… naja…“ „…ein Paar sind?“, fragte er meinen angefangenen Satz ergänzend. Ich nickte beschämt. Er streckte seine Hand nach meiner Wange aus und lächelte mich warm an. „Du wirst noch genug Zeit haben, dich daran zu gewöhnen, Misaki.“, sagte er leise, während er mir mit dem Daumen über meine Wange strich. Ich bemerkte, wie mein Gesicht unter seiner Berührung noch heißer wurde. Ich riss mich dennoch zusammen und sah ihm in die Augen. Diese unglaublichen, smaragdgrünen Augen… „Misaki?“, hörte ich plötzlich meine Mutter rufen und zuckte erschrocken zusammen. Verdammt, sie wusste nichts von Takumis Übernachtung hier. Ich hörte ihre Schritte näher kommen. Panisch löste ich mich von Takumi und sah mich verzweifelt um. Was sollte ich nur tun? Takumi legte seine Hand beschwichtigend auf meine Schulter. „Ganz ruhig, Misaki.“, sagte er leise. Er drückte meine Schulter leicht und sah mich aufmunternd an. Ich musste schlucken. Konnte ich meiner Mutter tatsächlich so entgegentreten? Mit Takumi in meinem Zimmer, der ganz offensichtlich schon seit gestern Abend hier war? Mir war schlecht! Aber ich hatte wohl keine andere Wahl… Es klopfte. „Ähm… ja?!“, rief ich, wohlwissend, dass es nun kein Zurück mehr gab. Die Tür öffnete sich und meine Mutter steckte den Kopf zur Tür herein. „Misaki, ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist?! Normalerweise schläfst du nicht so lang… oh…!“ Überrascht sah sie Takumi, der mit vor der Brust verschränkten Armen hinter mir stand und meine Mutter anlächelte. Ich selbst brachte kein so ruhiges Lächeln zustande. Mit hochrotem Kopf starrte ich meine Mutter an und wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. „Okaa-san…“, begann ich. „Oh…“, wiederholte sie mit großen Augen. „Ähm, guten Morgen Takumi-san.“ „Guten Morgen Ayuzawa-san.“, erwiderte er höflich. Etwas verwirrt sah meine Mutter zu mir und Takumi. So peinlich! Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. „Okaa-san, ich…“, versuchte ich es erneut, doch schon wieder kam ich nicht weiter. „Es tut mir leid, dass ich hier so einfach ohne Ihr Wissen übernachtet habe, Ayuzawa-san.“, erklärte nun Takumi. „Ich hatte gestern Abend einen Anruf von meinem Halbbruder aus England. Mir ging es danach nicht sehr gut und Misaki-chan war so freundlich, sich etwas um mich zu kümmern.“ Ich starrte ihn mit großen Augen an. Nunja, so ganz gelogen war es ja nicht. Aber ob es ihm danach wirklich nicht so gut ging…? Ich weiß ja nicht… Er wirkte eigentlich nicht besonders betroffen… „Oh… mach dir keine Sorgen, Takumi. Das ist schon in Ordnung.“ Meine Mutter lächelte. Ich wusste, dass sie ein herzensguter und sehr vertrauensseliger Mensch war. „Ich bin froh, wenn meine Misaki dir helfen kann… In dieser schwierigen Situation…“ Takumi lächelte und verneigte sich leicht vor ihr. „Vielen Dank, Ayuzawa-san, für Ihr Verständnis.“ Meine Mutter erwiderte das Lächeln aufrichtig. Sie ist wirklich die beste Mutter, die man sich wünschen kann. Auch ich musste lächeln. „Achso…“, warf sie noch ein. „Es gibt Frühstück, wenn ihr hungrig seid.“ „Vielen Danke.“, sagte Takumi erneut. „Danke!“, beeilte ich mich auch zu sagen. Damit verließ meine Mutter mein Zimmer. Ich seufzte und ließ mich auf mein Bett fallen. Takumi grinste. „Siehst du? War doch gar nicht so schlimm.“ „Für dich vielleicht!“, erwiderte ich trotzig, musste mir aber eingestehen, dass es wirklich nicht besonders schlimm gewesen war. Takumi hatte alles gut im Griff. Ich lächelte. „Danke.“, sagte ich und erntete ein warmes Lächeln. Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen sanften Kuss, der mein Herz zum Rasen brachte. Takumi Mit einem breiten Grinsen ging ich schließlich nach Hause. Misaki musste noch einige Hausarbeiten erledigen und später auch noch arbeiten. Es war schön gewesen, diese Nacht erneut mit ihr verbringen zu können. Bei ihr zu Hause, in ihrem Bett. Ich beschloss, dass ich meine Wohnung mal auf Vordermann bringen sollte. Immerhin ist seit Jahren nichts mehr dort gemacht worden. Ich sollte mir einige Möbel zulegen, einen Großputz veranstalten und mir außerdem ein paar Klamotten kaufen. Ich war schließlich nur mit Reisegepäck in Japan. Wenn meine Wohnung richtig eingerichtet war, vielleicht würde Misaki dann auch irgendwann bei mir einziehen… Der Gedanke gefiel mir. Doch bevor ich meinen Plan in die Tat umsetzen konnte, hatte ich noch etwas anderes, ebenfalls sehr Wichtiges vor. Nachdem ich im Hotel, in dem ich noch immer eingecheckt war, geduscht und frische Kleidung angezogen hatte und dann all meine Sachen von dort in meine Wohnung gebracht hatte, rief ich mir ein Taxi. Ich nannte ihm die Adresse ein wenig außerhalb von Tokio. Die Fahrt dauerte eine Weile, aber schließlich stand ich vor einem großen Haus, umgeben von einem gut gepflegten Garten. Ich atmete einmal tief durch, bevor ich die Klingel betätigte. Mein Herz klopfte stark. Ich war nervös. Ich hörte Schritte und schließlich öffnete sich die Tür. Ich stand einer Frau mittleren Alters gegenüber, die mich erst fragend ansah, bevor sie ihre Augen aufriss und sich die Hand vor den Mund schlug. Sie starrte mich einfach an, schien unfähig, etwas zu sagen. Ich sah, dass ihre Augen feucht wurden, sich Tränen in ihnen bildeten. „Okaa-san…“, sagte ich mit einem traurigen Lächeln und sie warf sich um meinen Hals. Kapitel 6: Confession --------------------- Takumi „D-du bist es wirklich…“ Sie hatte eine Hand an meine Wange gelegt und hielt mich mit der anderen fest, während sie mich genau betrachtete. Sie schien ihren Augen nicht glauben zu können. Verständlich. „Ja, ich bin es wirklich.“, antwortete ich und lächelte leicht. Es tat gut sie wiederzusehen. Sie sah ein wenig älter aus, aber gut, was mich ehrlich erleichterte. „Bist du… hast du…?“ Ihre Frage blieb unausgesprochen. „Ich habe mein Gedächtnis wiedererlangt.“, antwortete ich dennoch und ein glückliches und dennoch von Tränen geziertes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Komm bitte rein.“, sagte sie schließlich, löste sich von mir und hielt mir die Tür auf. „Danke.“ Ich trat in das Haus, in dem ich aufgewachsen bin und sah mich um. Ich sah einige Bilder, die mich zeigten – Babyfotos, meine Einschulung, an meinem 12. Geburtstag, in der Highschool,… Ich musste unwillkürlich lächeln. Zwar mochte ich die Zurschaustellung meiner Persönlichkeit nicht sonderlich, doch zeigte diese Fotosammlung, wie sehr meine Familie mich liebte – ganz im Gegensatz zu den Walkers. „Setz dich, bitte.“, forderte meine Mutter mich auf und wuselte aufgeregt um mich herum. Sie war sichtlich nervös, wenn vermutlich auch auf eine gute Weise. „Willst du Tee?“, fragte sie. „Gern.“, antwortete ich. Ich kannte sie. Wenn sie mir nichts anbieten durfte, würde sie nicht glücklich sein und mich den Rest meines Aufenthalts noch hundertmal fragen, ob ich etwas haben wolle. Sie warf mir noch einen herzlichen Blick zu und verschwand dann in Richtung Küche. Ich lehnte mich auf dem Sofa zurück und sah mich weiterhin um. Es hatte sich nicht viel verändert hier. Ich war schon vor längerer Zeit ausgezogen und die letzten fünf Jahre war ich verständlicherweise nie hier gewesen und dennoch sah es seit meinen Kindertagen immer schon so aus. Hin und wieder war mal ein neues Foto dazugekommen oder ein Vorhang ausgewechselt. Letztendlich jedoch blieb es das gleiche alte Zuhause von meiner Okaa-san und meinem Otou-san. Nach einigen Minuten kam meine Mutter zurück aus der Küche und trug ein Tablett mit Tee und zwei Tassen ins Wohnzimmer. Sie platzierte es auf dem niedrigen Tisch vor mir und verteilte dann die Tassen und den Tee. „Dein Vater ist noch nicht zu Hause.“, sagte sie. Ich hatte es mir schon gedacht. Er arbeitete immer lange und war immer nur abends zu Hause gewesen. Aber er ist immer gut zu mir gewesen und hat mich stets als seinen Sohn angesehen. „Geht es ihm gut?“, erkundigte ich mich. Sie lächelte. „Ja, es geht ihm gut.“, bestätigte sie, bevor sie mich still betrachtete. „Takumi…“, setzte sie an. „Ich… ich bin so froh, dass du da bist.“ Ihre Stimme zitterte leicht und ich hatte den Verdacht, dass sie aufkommende Tränen zu unterdrücken versuchte. „Was ist nur passiert…?“ Sie sah sehr traurig aus und verzweifelt, gleichzeitig glücklich. So einen ähnlichen Ausdruck hatte ich auch bei Misaki gesehen, als wir uns das erste Mal wiedertrafen. „Ich nehme an, sie haben euch erzählt, dass ich einen Unfall hatte…“ Sie nickte. „Und mein Gedächtnis verloren habe…“ Ein weiteres Nicken. „S-sie sagten, dass sie dich bei sich behalten wollten. Als Erben. Und dass es das Beste für dich sei, wenn alle Verbindungen nach Japan gekappt werden würden.“, erzählte sie nun. So etwas in der Art hatte ich mir schon gedacht. „Sie haben mich belogen.“, sagte ich. „Sie haben mir mein ganzes bisheriges Leben verschwiegen und mich dazu gezwungen als Erbe des Walker-Imperiums zu leben.“ Meine Mutter konnte ihre Tränen nicht mehr unterdrücken. Es tat mir leid, dass sie weinen musste, aber dieses Gespräch mussten sie führen. Auf ehrliche Weise und ohne etwas unnötig zu verschönen. „Es tut mir so leid…“, presste sie hinter vorgehaltener Hand hervor. „Es ist nicht deine Schuld, Okaa-san. Es ist ganz allein die Schuld von Gerard und seinen Leuten. Du hättest nichts tun können. Selbst wenn du versucht hättest, mit mir Kontakt aufzunehmen, sie hätten es unter allen Umständen zu verhindern gewusst.“ „Ich weiß…“ Sie zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Tränen weg. „Ich habe es versucht… Habe gefleht und gebettelt… Nachdem die Nachricht kam, dass du einen Unfall hattest, wollte ich sofort nach England und dich sehen… Aber sie haben mich nicht gelassen.“ Ich seufzte. Für sie muss es viel schlimmer gewesen sein als für mich. Ich wusste nicht, was ich während dieser fünf Jahre verloren hatte. Sie schon. Genauso wie Misaki. Ich schwieg und beobachtete sie, während sie sich langsam beruhigte. „Wie hast du… dein Gedächtnis wiedererlangt?“, fragte sie schließlich. „Ich bin auf Geschäftsreise nach Japan geschickt worden und habe auf der Straße eine alte Freundin getroffen…“, erzählte ich. „Sie hat mich wiedererkannt und ich habe sie ein paar Mal danach gesehen. Sie hat mir von mir erzählt und an einem Abend, ganz plötzlich, habe ich mich an alles erinnern können. Das war vor zwei Tagen.“ „Vor zwei Tagen….“, wiederholte sie meine Worte und sah nachdenklich auf ihre Knie. „Und dieses Mädchen…“ „Sie ist meine Freundin.“, sagte ich, ohne dass sie eine Frage gestellt hätte. Sie lächelte. „Das ist schön. Manchmal sind es Leute aus unserer Vergangenheit, die wir auch nach langer Zeit noch lieben lernen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe sie damals schon geliebt.“, klärte ich sie auf. Sie sah überrascht auf. „Sie war die einzige, die ich jemals geliebt habe. Und obwohl ich auch sie vergessen hatte, habe ich mich, als wir uns wieder begegnet sind, direkt wieder in sie verliebt.“ „Takumi…“ Ihr sanftes Lächeln ruhte auf mir. „Sie scheint wirklich eine besondere junge Frau zu sein.“ Ich nickte. „Das ist sie.“ „Stellst du sie mir irgendwann mal vor?“, fragte sie hoffnungsvoll. Ich lächelte. „Mache ich, Okaa-san. Sie wird immerhin mal den gleichen Nachnamen wie du tragen.“ Ich war mir hundertprozentig sicher, dass es so sein würde. Ich würde sie immer lieben und ich würde sie heiraten, das stand für mich außer Frage. „Wie heißt sie?“, fragte meine Mutter nun. „Ayuzawa Misaki.“, antwortete ich. „Misaki… ein schöner Name.“ Sie sah glücklich aus. Ich war mir sicher, dass sie Misaki mögen würde. Man konnte sie nur mögen. Misaki Mit einem breiten Lächeln lief ich durch das Maid Latte und bediente unsere Kunden. Ich war wirklich ausgesprochen gut gelaunt. Seit er wieder da war, war ich endlich wieder richtig glücklich. Satsuki-san sprudelte beinahe über vor Moe-Blümchen, die sie jedes Mal versprühte, wenn sie mich sah. Sie war schon immer für eine Beziehung zwischen Takumi und mir gewesen. Damals habe ich mich immer dagegen gewehrt, aber die Zeiten haben sich geändert. Zum Glück! Die Türglocke erklang und ein neuer Gast trat ein. Ich drehte mich um, um ihn zu begrüßen und erkannte Souta. „Willkommen zu Hause, mein Herr.“, begrüßte ich ihn standardmäßig und verneigte mich leicht vor ihm. Er grinste. „Bei so einer reizenden Maid, muss man ja gerne nach Hause kommen.“ Er zwinkerte. Normalerweise regten mich seine kleinen Flirts immer auf, doch heute war ich einfach zu gut gelaunt. „Ich danke Ihnen, mein Herr.“, bedankte ich mich brav und geleitete ihn an einen freien Tisch. Er setzte sich und ich reichte ihm die Karte. „Darf ich Ihnen schon etwas bringen?“, fragte ich. „Ich hätte gern das Reisomelett.“, bestellte er wie meistens. Ich verneigte mich erneut vor ihm. „Sehr wohl, mein Herr.“, bestätigte ich die Bestellung und entfernte mich wieder von seinem Tisch, um es an die Küche weiterzugeben. Einige Minuten später brachte ich den Teller mit dem Omelett an seinen Tisch. „Was soll ich Ihnen heute draufschreiben?“, sagte ich meinen Text auf. „Zeit und Ort für unser Date.“, antwortete er mit einem frechen Grinsen und einem Zwinkern. Ich lachte gekünstelt. „Sie sind wieder lustig heute.“, entgegnete ich, ohne auf seine Flirtversuche einzugehen. Er seufzte und gab sich geschlagen. „Dann schreib einfach… ähm… ‚Guten Appetit‘ drauf.“ Es schien ihm gleichgültig zu sein, was auf seinem Omelett stand. Ich schrieb ‚Guten Appetit‘ und schon den Teller richtig vor ihn. „Bitte sehr, mein Herr.“, sagte ich mit meiner Maid-Stimme. „Misaki…“ Er klang plötzlich ernst. Ich schüttelte den Kopf. „Misa-chan!“, verbesserte ich ihn ermahnend. Er nickte. „Entschuldige… Misa-chan… Können wir uns mal unterhalten?“ Er sah mich mit flehenden Augen an. Ich legte den Kopf schief. „Nach der Arbeit… Ich habe um neun Feierabend.“ Ich konnte mir nicht vorstellen, was er von mir wollte, aber da er so ernst aussah, wollte ich ihm seine Bitte nicht abschlagen. Er lächelte schief. „Danke…“ Ich verneigte mich leicht und ging weiter meiner Arbeit nach. Ich hatte noch einige Stunden vor mir und nachdem Souta sein Omelett aufgegessen hatte, verließ er das Maid Latte mit den Worten „Dann bis um neun, Misa-chan.“. Als ich schließlich Feierabend hatte, wartete er schon vor der Tür des Hintereingangs. Er lehnte an der Wand des gegenüberliegenden Gebäudes und hatte die Hände in den Hosentaschen. Als ich aus der Tür trat, stieß er sich von der Wand ab und trat auf mich zu. „Hey…“, begrüßte er mich mit einem leichten Lächeln. „Hi.“, erwiderte ich und sah ihn neugierig an. „Also? Was wolltest du mit mir besprechen.“ Er lachte. „Du kommst immer gleich direkt auf den Punkt, was?!“ Er atmete einmal tief durch und sah in den dunklen Himmel, während wir uns langsam auf den Weg machten. „Es fällt mir nicht leicht, dir das zu sagen, Misaki…“, sagte er schließlich. „Aber ich möchte ehrlich zu dir sein…“ Fragend sah ich ihn an. Ich hatte keine Ahnung, was er mir wohl sagen wollte. „Ich… ich habe mich in dich verliebt.“ Er atmete tief durch und ein erleichterter Ausdruck trat auf seine feinen Gesichtszüge. Zum gleichen Zeitpunkt blieb ich abrupt stehen. WAS? Dieses Geständnis kam für mich mehr als überraschend. Klar, er flirtete gerne, aber ich hätte niemals gedacht, dass er das ernst meinte. Er war noch zwei Schritte gegangen, bevor er gemerkt hatte, dass ich stehengeblieben war, und drehte sich nun nach mir um. Er lächelte. „Alles okay?“, fragte er. Ob alles okay war? Er gestand mir seine Liebe und fragte mich allen Ernstes, ob bei mir alles okay war? „Ich… äh…“ Ich wusste gar nicht, was ich sagen wollte. „Sag nichts.“, verlangte er. „Ich weiß jetzt, dass du einen Freund hast. Und so wie du ihn angesehen hast, liebst du ihn wirklich. Und… so wie er dich angesehen hat, liebt auch er dich wirklich. Und das freut mich für dich.“ Er schwieg kurz, bevor er jedoch fortfuhr. „Ich habe immer gedacht, du bist jemand, den man langsam erobern muss, bei dem man nicht so schnell vorpreschen darf. Und ich wäre gerne derjenige gewesen, der dich am Ende erobert.“ Er zwinkerte. „Aber ich war wohl zu langsam.“ Ich lächelte leicht. Er hatte damit eigentlich gar nicht so Unrecht. „Weißt du… Du liegst damit gar nicht so falsch. Aber er hat mich schon vor langer Zeit… „erobert“. Ob du’s glaubst oder nicht, aber damals war ich noch viel unerträglicher.“ Er lachte. „Er hat lange gebraucht und hat mich mehr als nur einmal an den Rand des Wahnsinns gebracht.“ Bei der Erinnerung daran musste ich unwillkürlich lächeln. „Aber er hat nie aufgegeben und war immer für mich da und letztendlich… ja… habe ich ihm mein Herz geschenkt.“ Ich wurde rot, als ich merkte, wie offen ich gerade darüber redete, dass ich mich in Takumi verliebt hatte. Aber irgendwie tat es auch gut. „Dann seid ihr schon lange zusammen?“, fragte Souta nun. Ich schüttelte den Kopf. „Nein… Unglücklichen Umständen hatten wir es zu verdanken, dass wir jahrelang getrennt wurden. Aber nun ist er wieder da und ich habe gemerkt, dass sich an meinen Gefühlen für ihn nichts geändert hat.“ Souta lächelte. „Das ist doch schön.“, sagte er und es klang aufrichtig. Ich seufzte. „Es tut mir leid, Souta.“, entschuldigte ich mich. Er sah mich erstaunt an. „Was? Wieso denn?“, fragte er. „Misaki, ich habe dir das nicht gesagt, damit du ihn jetzt verlässt oder du dich mir gegenüber anders verhältst. Ich wollte nur ehrlich sein. Und außerdem gibt mir das die Möglichkeit damit abzuschließen.“ Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich war natürlich erleichtert, dass er das so locker hinnahm, aber im Moment fiel es mir trotzdem schwer und ich wusste nicht, wie ich mit ihm oder der Situation umgehen sollte. „Hey, ich hoffe, wir bleiben trotzdem Freunde?!“, sagte er nun und sah mich fragend an. „Natürlich!“, bestätigte ich sofort. Ich mochte ihn wirklich und er war einer der wenigen erträglichen Menschen aus meinem Studiengang. „Gut.“ Er grinste breit. „Ich bring dich noch nach Hause. Man weiß nie, was hier so für Gestalten rumlaufen.“ Er zwinkerte. Takumi Ich war nun schon seit einigen Stunden bei meiner Mutter und auch mein Vater war inzwischen nach Hause gekommen. Er war zwar nicht so emotional wie meine Mutter, doch zeigte auch er seine Überraschung und Freunde, was schon selten vorkam. Ich erzählte die ganze Geschichte erneut und aß mit meinen Eltern zu Abend. Beinahe wie in alten Zeiten. „Was hast du nun vor?“, fragte mein Vater, als wir nach dem Essen noch am Tisch saßen. Nachdenklich starrte ich auf mein Glas Wasser. „Ich weiß es noch nicht…“, antwortete ich zögernd. „Ich werde mich wohl mit Gerard auseinandersetzen müssen und ihm klarmachen, dass ich mit den Walkers nichts mehr zu tun haben möchte. Ich werde wieder in Japan leben… Aber ich weiß noch nicht, wie es dann weitergehen soll.“ „Vielleicht ein Studium…?“, warf mein Vater in den Raum. Ich dachte darüber nach, bevor ich mit den Schultern zuckte. „Vielleicht.“, erwiderte ich. „Ich habe die Schule in England abgeschlossen, mal sehen, was ich damit anfangen kann.“ „Da es sich um dich handelt, nehme ich an, dass du einen sehr guten Abschluss hast.“, sagte er amüsiert und ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Mit Auszeichnung.“, bestätigte ich. „Dann sollte ein Studium auch kein Problem sein.“, erklärte er. „Ja… vielleicht erkundige ich mich mal. Ich möchte sowieso in eine ganz andere Richtung gehen als bisher. Diese ganze Großfirmen-Geschichte geht mir langsam auf die Nerven. Ich hasse dieses ganze Drumherum, das Getue, diese Falschheit.“ Die letzten fünf Jahre in England waren wirklich furchtbar für mich gewesen. Ich habe jeden einzelnen Tag verflucht, mich fortgewünscht und doch wie ein Gefangener nicht entkommen können. Ich sah auf die Uhr. „Otou-san, Okaa-san… Ich glaube, es wird Zeit für mich, zu gehen.“, sagte ich. Meine Mutter sah mich bedrückt an. „Musst du wirklich gehen?“, fragte sie. Ich hatte das Gefühl, dass sie Angst hatte, dass ich wieder verschwinden würde, wenn ich nun ginge. „Ja, ich denke, es wird Zeit. Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde nicht wieder so einfach verschwinden.“ Ich lächelte, was sie leicht erwiderte. Ich rief ein Taxi, was etwa eine Viertelstunde später vor der Tür stand. Ich verabschiedete mich von meinen Eltern. „Besuch uns bald wieder, Takumi.“, sagte meine Mutter. „Und bring das nächste Mal doch Misaki-san mit.“ Ich lächelte. „Mach ich.“ Kapitel 7: Luxury ----------------- Takumi Als ich im Taxi saß, zog ich mein Handy aus der Tasche, um Misaki anzurufen. Sie müsste inzwischen Feierabend haben, war vielleicht noch auf dem Weg nach Hause. Ich wollte wissen, wie ihr Tag gewesen ist und wie es ihr ging. Wir hatten uns am Vormittag das letzte Mal gesehen und dennoch kam es mir vor, als seien schon Tage vergangen, ohne dass ich etwas von ihr gehört hatte. Ich suchte ihren Namen im Telefonspeicher und tippte auf die entsprechende Nummer. Sofort zeigte das Display mir an, dass eine Verbindung aufgebaut wurde. Ich hob das Handy an mein Ohr und lauschte dem gleichmäßigen Tuten, welches mir zeigte, dass Misakis Handy gerade klingeln musste. Nur wenige Sekunden später ertönte ihre Stimme, welche mir ein wohliges Gefühl in der Magengegend verschaffte. „Ja, hallo?“, meldete sie sich. „Hallo Misaki.“, antwortete ich. „Ich bin’s“ Vermutlich wusste sie das sowieso schon, da mein Name sicherlich auf dem Display angezeigt wurde. „Takumi.“, sagte sie knapp und klang dabei etwas atemlos. „Wie geht’s dir?“, fragte ich, froh ihre Stimme zu hören. „Gut… Ich bin grad auf dem Weg nach Hause.“ Ich zögerte kurz. Es war schon ziemlich dunkel draußen und ich machte mir Sorgen. Natürlich war sie diesen Weg schon tausende Male gegangen und bisher hatte sie es durchaus geschafft, immer heil nach Hause zu kommen. Aber dennoch… Wenn ihr etwas passieren würde, könnte ich es einfach nicht ertragen. „Sei vorsichtig, ja?“, sagte ich schließlich. „Man weiß nie, was für Gestalten man im Dunkeln begegnen könnte.“ Misaki lachte. „Mach dir keine Sorgen. Souta begleitet mich nach Hause.“ Ein Schlag in den Magen. Wieso begleitete dieser Typ, mit dem ich sie gestern schon gesehen hatte, sie nun nach der Arbeit nach Hause? Mein Hirn arbeitete, aber obwohl ich mir selbst immer wieder sagte, dass das nichts zu bedeuten hatte und sie nur Freunde waren, protestierte irgendetwas in mir gegen diese Vorstellung. „Takumi?“, fragte Misaki am anderen Ende der Leitung. Ich hatte komplett vergessen zu antworten. „Muss ich mir Sorgen machen?“, fragte ich sie schließlich stirnrunzelnd. „Nein.“, antwortete sie schnell. Zu schnell? Es machte mich wahnsinnig. Der Gedanke, dass Misaki etwas mit diesem Typen hatte, war vollkommen irrational. Sie liebte mich, das wusste ich. Ich kannte sie, sie war nicht so. Und dennoch… „Kann ich dich heute noch sehen?“, fragte ich sie und musste ziemlich verzweifelt geklungen haben, was mir überhaupt nicht passte. Warum machte diese Frau mich so schwach? „Ja…“, erwiderte sie. „Natürlich. Kommst du noch bei mir vorbei?“ „Wenn es dir recht ist, hole ich dich ab. Ich kann so in 20 Minuten da sein.“ Innerhalb weniger Sekunden hatte ich einen Plan gefasst. „In Ordnung. Bis gleich.“, bestätigte Misaki und wir verabschiedeten uns. Nachdem wir beide aufgelegt hatten, wählte ich direkt die nächste Nummer, um meinem soeben gefassten Plan auch in die Tat umsetzen zu können. Misaki An meinem Haus angekommen, verabschiedete ich mich schnell von Souta. Ich wusste nicht recht, wie ich mich verhalten sollte, ob ich ihn umarmen sollte oder es lieber bleiben lassen sollte. Am Ende wurde eine etwas ungelenke und eher halbherzige Umarmung daraus. Ich bedankte mich fürs Begleiten und sicherte ihm zu, dass wir uns am Montag in der Uni sehen würden. Ich hoffte, dass ich mich ihm gegenüber bis dahin wieder normal verhalten konnte. Ich warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass mir noch knappe 15 Minuten blieben, bis Usui hier auftauchen würde. Ich beschloss, noch schnell unter die Dusche zu springen, da ich von der Arbeit noch leicht nach Essen roch. In Rekordzeit hatte ich geduscht, mein dezentes Makeup aufgefrischt und mich angezogen. Ein schlichter Rock und eine schlichte Bluse waren sicherlich angemessen. Ich wollte mich für ihn gerne ein bisschen chic machen, doch brachte ich es einfach nicht über mich, Aois ausgefallene Kleider zu tragen und meine selbst ausgesuchten Klamotten waren vielleicht etwas femininer als früher, aber dennoch immer noch eher schlicht. Nach einem prüfenden Blick in den Spiegel fand ich aber, dass ich trotzdem ganz gut aussah. Ich warf ein Blick auf mein Handy, um nach der Uhrzeit zu sehen, entdeckte aber, dass ich gleich zwei SMS von Usui bekommen hatte. Ich las die erste SMS. „Bring Wechselklamotten mit. Takumi“ Die zweite war nur wenige Sekunden später gekommen. „Schlafsachen brauchst du nicht, Unterwäsche auch nicht. ;-P“ Ich bemerkte, dass ich grad schon wieder knallrot wurde und wusste nicht, ob ich lachen oder wütend werden sollte. Schnell schrieb ich eine Antwort: „Perverses Alien!!!“ Nachdem ich die SMS abgeschickt hatte, sah ich auf die Uhr. Er müsste jeden Moment da sein. Ich griff schnell nach meiner Haarbürste und kaum hatte ich mir die Haare auf einer Seite mit einer Haarnadel leicht zurückgesteckt, klingelte es auch schon. Aufgeregt lief ich zur Tür und als ich sie geöffnet hatte, schaute ich in Usuis lächelndes Gesicht. Wie so oft schon machte sein Anblick mich sprachlos. Wie kann ein einziger Mensch nur so perfekt sein? Denn mal abgesehen von seinem guten Aussehen kannte ich schließlich auch seine charakterlichen Vorzüge. Ich bemerkte, wie ich schon wieder rot wurde. „Guten Abend, Misaki.“, begrüßte er mich mit einem sanften Lächeln und beugte sich zu mir herunter, um mir einen Kuss zu geben. Unfähig mich zu bewegen und mit sicherlich hochrotem Gesicht ließ ich ihn machen und wartete darauf, dass seine weichen Lippen meine endlich berührten. Kurz bevor er soweit war, stoppte er jedoch und sah mich mit seinen strahlend grünen Augen eindringlich an. Ich bekam Panik. Was war los? Warum küsste er mich nicht? Warum sah er mich so an? Mein Herz klopfte so schnell gegen meine Brust, dass es beinahe herauszuspringen drohte. Ich schaute ihn fragend an, doch seine Miene blieb unbewegt. Langsam wurde mir die Situation unangenehm. Ich musste irgendetwas tun! Ich fasste mir ein Herz und überwand die letzten Zentimeter, die unsere Lippen noch voneinander trennten, während ich meine Augen schloss. Kaum berührten sich unsere Lippen, schlang er seine Arme um meine Taille und zog mich näher an sich, so als hätte er nur auf diesen letzten Schritt von mir gewartet. Mir wurde klar, dass er das wahrscheinlich auch hatte. Doch viel mehr konnte ich nicht darüber nachdenken, schaltete sich mein Hirn grad völlig ab. Ich war ihm so nah und konnte seinen sauberen Usui-Geruch mehr als deutlich wahrnehmen. Ich spürte, wie seine Zunge sich langsam in meinen Mund vortastete und musste unwillkürlich ein Stöhnen unterdrücken, während sich ein Kribbeln ausgehend von meiner Magengegend in meinem ganzen Körper ausbreitete. Ich war kaum fähig zu atmen und mir wurde schwindelig, doch war es mir alles andere als unangenehm. Als er sich schließlich wieder von mir löste, ohne jedoch seine Hände von meiner Taille zu nehmen, musste ich nach Atem ringen. Er schaute mich lächelnd an und ich stellte fest, dass seine Augen leicht glasig und seine Wangen leicht gerötet waren. Wie musste ich dann wohl erst aussehen? Ich wollte es mir lieber gar nicht vorstellen. „Hallo Misaki.“, begrüßte er mich erneut, noch bevor ich seine erste Begrüßung überhaupt anständig erwidert hatte. „Hallo… Takumi…“, antwortete ich endlich und ich war mir sicher, dass ich allein dadurch schon wieder rot geworden wäre, wenn ich nicht bereits wie eine Tomate ausgesehen hätte. Schließlich löste er sich doch noch vollständig von mir und drückte sich an mir vorbei ins Haus, bevor er mich erwartungsvoll ansah. „Bist du soweit?“, fragte er. „Ich… ich denke ja. Ich muss nur schnell noch meine Tasche von oben holen. Mit den Wechselklamotten…“, erklärte ich. Er grinste sein Perverso-Grinsen und ich konnte mir schon denken, was nun kommen würde. „Ich hoffe, du hast keine Unterwäsche eingepackt.“ Ich wusste es! Er machte eine kleine Pause und setzte eine gespielt nachdenkliche Miene auf, bevor er weitersprach. „Obwohl… so ein paar hübsche Dessous… da hätte ich nichts gegen einzuwenden.“ Sein Perverso-Grinsen wurde noch breiter und ich war mir sicher, dass er sich das gerade vorstellte. Innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde war ich wieder knallrot geworden. „Usui, du perverses Alien!!!“, schrie ich ihn an und versuchte ihn durch meine als Kaichou altbewährte Dämonenaura einzuschüchtern. Ein voller Misserfolg! Er lachte bloß. Hätte ich mir ja denken können, dass ihn das immer noch genauso kalt ließ wie damals. Ich kochte vor Wut. Plötzlich sah er mich jedoch mit ernstem Gesicht an. Ich konnte nicht anders, als meine Wut zu vergessen, da ich mich fragte, was nicht stimmte. „Nenn mich nicht so…“, sagte er ernst. Eh? Ich wusste gar nicht, was auf einmal los war. Ich hatte ihn von Anfang an „perverses Alien“ genannt. Ja, ich wusste, dass das nicht unbedingt nett war, aber er hatte es sich durch seine zahlreichen perversen Alien-Aktionen nun mal verdient! Störte es ihn so sehr? Tat ich ihm damit wohlmöglich sogar weh? Mir wurde bewusst, dass ich ihn schon einige Sekunden mit großen Augen anstarrte. „Usui, ich…“, setzte ich an, wurde jedoch direkt wieder unterbrochen. „Nenn mich nicht so.“, wiederholte er, dieses Mal sogar noch bestimmender. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Er musste mir meine Verwirrtheit angesehen haben, denn er fuhr fort, ohne dass ich etwas gesagt hätte. „Ich bin Takumi für dich… Nicht Usui.“, erklärte er. Langsam ging mir ein Licht auf. Er hatte gar nicht gemeint, dass ich ihn immer als „perverses Alien“ bezeichnete, sondern dass ich ihn bei seinem Familiennamen angesprochen hatte? Ja, es stimmte. Wir waren dazu übergegangen uns beim Vornamen zu nennen, aber manchmal brachen alte Gewohnheiten eben doch noch durch. „T-Takumi…“, brachte ich stockend heraus, noch immer etwas verwirrt von seiner plötzlichen Aufforderung, „ihn nicht so zu nennen“. Er lächelte wieder. „Gut so.“, lobte er mich und gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn. Noch immer starrte ich ihn etwas fassungslos an. „Holst du deine Tasche?“, fragte er mich nun und holte mich damit zurück in die Realität. „Äh… ja!“, bestätigte ich und lief schnell die Treppe hinauf in mein Zimmer, holte die Tasche und war innerhalb kürzester Zeit wieder bei ihm. Bevor wir das Haus verließen, schrieb ich noch schnell eine Nachricht für meine Mutter. Kurz darauf saßen wir im Taxi. Ich hatte mich während der Fahrt schon gewundert, wo wir langfuhren, war der Weg zu Usuis Wohnung doch eigentlich ein anderer. Als wir schließlich jedoch vor einem riesigen Hotel hielten und dort auch ausstiegen, war ich gänzlich verwirrt. Staunend blickte ich auf die hohen weißen Säulen und den großen Springbrunnen in der durch die Glasfront offen erscheinende Eingangshalle. „Was machen wir hier?“, fragte ich Usui erstaunt, der, wie ich nun merkte, statt des beeindruckenden Hotels mich betrachtete und dabei zufrieden grinste. „Hmmm…“, schien er zu überlegen. „Was könnte ein junges Paar wohl in einem Hotel machen?“ Da war es wieder, dieses perverse Alien. Und meine Röte ließ natürlich auch nicht lange auf sich warten. „Ich mein’s ernst, Ta-ku-mi.“ Ich betonte seinen Vornamen extra, musste ich mir gerade doch Mühe geben, ihn nicht wieder Usui zu nennen. „Wieso sind wir nicht zu deiner Wohnung gefahren?“ Zu meinem großen Erstaunen wirkte er leicht verlegen. „Meine Wohnung ist nicht gut genug…“, gab er schließlich zu. „Jedenfalls nicht in dem Zustand, in dem sie sich gerade befindet.“ Ich dachte an die karge Einrichtung, die muffige Decke und die Staubablagerungen, die sich nach innerhalb von fünf Jahren doch gebildet hatten. Er war wohl immer noch nicht dazu gekommen, etwas daran zu ändern, und innerlich musste ich ihm zustimmen: Im jetzigen Zustand war seine Wohnung wirklich kein angenehmer Ort. „Deshalb übernachten wir heute im Hotel?“, hakte ich nach und spürte langsam die Aufregung in mir. Ich hatte in meinem ganzen Leben nur sehr selten mal in einem Hotel übernachtet und dieses Hotel übertraf bei weitem all die schäbigen kleinen Unterkünfte, in denen ich bisher untergekommen war. „Ganz genau.“, bestätigte Usui nun und ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er meine Freude erkannte. Wie sich herausstellte, hatte er ein Doppelzimmer reserviert, welches sich im 3. Stock befand. Ein pompöser Aufzug inklusive Aufzugswärter brachte uns in das besagte Stockwerk und kurz darauf standen wir vor Zimmer 311, unserem Zimmer. Usui zog die Schlüsselkarte durch die dafür vorgesehene Vorrichtung und mit einem „klick“ öffnete sich das Schloss. Usui öffnete dir Tür und mit einer leichten Verneigung ließ er mir den Vortritt. Ich trat ein und staunte nicht schlecht, als ich die luxuriöse Einrichtung in diesem großen Zimmer sah. Ein großes Doppelbett stand in der Mitte des Raumes, ihm gegenüber eine kleine Kommode mit einem großen Fernseher. Es gab einen Schreibtisch, eine gemütliche Sitzecke mit zwei Sesseln und einem Beistelltisch, außerdem einen Kleiderschrank und einen Frisiertisch. Eine Tür führte in das helle und beinahe schon funkelnde Badezimmer mit einer luxuriösen Dusche, zwei Waschbecken, WC und BD. Das absolute Highlight an diesem Hotelzimmer war für mich jedoch der Balkon, der einen atemberaubenden Ausblick über die Lichter Tokios bot. Gerade stand ich an der Balkontür und genoss den Ausblick, als Usui von hinten an mich herantrat, seine Arme um meinen Bauch schlang und sein Kinn auf meiner Schulter ablegte. Ich spürte sein weiches Haar an meiner Wange. „Gefällt es dir?“, fragte er. „Und wie!“, antwortete ich ehrlich und vermutlich mit vor Aufregung glühenden Wangen. Diese Überraschung war ihm wirklich gelungen. Kapitel 8: Hotel room --------------------- „Miiiiisaaa-chan ~“, hörte ich Usuis Stimme und drehte mich zu ihm um. Vergnügt grinsend saß er auf dem großen Doppelbett und klopfte neben sich. Ich verzog mein Gesicht. „Was?“, fragte ich, vielleicht etwas harsch. „Komm zu mir.“, forderte er mit einem dümmlichen Grinsen, was mich mehr als misstrauisch machte. „Was soll das perverse Grinsen?“, fragte ich. Usui zog einen Schmollmund und ich musste lachen. Er sah so unglaublich niedlich aus, wie er die Lippen schürzte und das strubbelige Haar in seine Stirn fiel und beinahe seine Augen bedeckte. „Du perverses Alien!“, neckte ich ihn, woraufhin er aufsprang und erschreckend schnell auf mich zulief. Ich kreischte auf und versuchte vor ihm zu flüchten. Vergeblich. Schnell hatte er mich aufgeholt. Er packte mich und warf mich aufs Bett. Er hielt mich an beiden Handgelenken und drückte mich so in die Laken. Sein Knie hatte er auf der Bettkante zwischen meinen Beinen platziert. Er grinste triumphierend. „Ich habe eine Frage an dich.“, grinste er. Ich spürte wie ich rot wurde. Er war mir so nahe. Und er sah so unglaublich gut aus. „Was für eine Frage?“, hakte ich vorsichtig nach. „Welche Farbe hat deine Unterwäsche?“, rückte er mit der Sprache heraus und grinste nur noch breiter. „Perverso! Alien!“, rief ich und versuchte vergeblich mich zu befreien. Er lachte, bevor er sich zu mir herunterbeugte und mich küsste. Der Kuss raubte mir meine Sinne. Meine Gegenwehr war vergessen und ich versank einfach nur in diesem Kuss. Ich spürte, wie seine Zunge sich langsam in meinen Mund vortastete. Es war atemberaubend. Mal wieder konnte ich es kaum glauben, dass Usui Takumi tatsächlich bei mir war. Nach all der Zeit. Der Mann, der mich schon von Anfang an immer auf die Palme gebracht hatte. Und der Mann, den ich mehr liebte als alles andere auf dieser Welt. Ich spürte, wie er den Kuss wieder löste, fühlte mich jedoch unfähig, mich zu bewegen oder auch nur die Augen zu öffnen. Langsam tastete er nach unten vor. Er küsste und leckte meinen Hals, bis er schließlich an meinem Schlüsselbein angekommen war. Plötzlich lließ er meine Handgelenke los und erhob sich leicht. „Blau.“, hörte ich ihn auf einmal sagen. Schlagartig riss ich meine Augen auf und sah Usui, der mit seinem typischen Perversogrinsen einen Blick unter meinen Rock riskierte. Ich spürte, wie ich rot wurde. Mein Gesicht musste einer Tomate ins nichts nachgestanden haben. Ich griff mir ein Kissen und schlug damit nach ihm. Es landete mitten in seinem Gesicht und er fiel rücklings auf den Boden, sodass ich er aus meinem Blick verschwand. Hochrot starrte ich auf die Stelle, an der Usui gerade verschwunden war und zog meinen Rock nach unten, sodass er auf gar keinen Fall noch einen Blick riskieren konnte. Langsam kam ein blonder Haarschopf hinter der Bettkante zum Vorschein und bald darauf Usuis Gesicht. Er hatte die Unterlippe nach vorne geschoben und sah mich mit traurigen Hundeaugen an. Einen kurzen Moment starrte ich ihn an. Dann brach ich in Lachen aus. Der Anblick war einfach zu komisch. „Misa-chaaaan ~ “, rief er schmollend. „Du bist so gemein.“ Ich beugte mich zu ihm herüber und tätschelte ihm den Kopf. Mal wieder war ich erstaunt, wie weich sein Haar war, welches eher stachelig aussah. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, das Schmollen war anscheinend schon wieder vorbei. Schade eigentlich. Takumi Ich wusste, dass Misaki nicht wirklich böse mit mir war, wenn ich sie ärgerte, und sie nicht ernsthaft gemein war, wenn sie über mich lachte. So war sie einfach, meine Ayuzawa, meine Kaichou, meine Misa-chan. Um ehrlich zu sein, würde ich auch ziemlich langweilig finden, wenn sie sich vollkommen verändert hätte und sie auf alles einsteigen würde, was ich anfange. Ich habe mich schließlich in sie verliebt, weil sie so ist, wie sie nun mal ist. Auch wenn die zärtlichen Gesten, die sie mir mittlerweile hin und wieder entgegenbrachte, doch auch schön sind. Sie streichelte über mein Haar und ich genoss ihre sanften Berührungen. Ich erinnerte mich daran, wie sie damals von Kanou hypnotisiert worden war und auf einmal wie betrunken war. Damals hat sie das erste Mal meine Haare angefasst und sich offenkundig gewundert, dass sie so weich waren. Ich erinnerte mich auch an das Beweisvideo, welches ich damals gemacht hatte. Ob ich das noch irgendwo habe? Es wäre ein großer Verlust für diese Welt, wenn dieses Meisterwerk nicht mehr existieren würde. Ich spürte, dass Misaki sich ein wenig bewegte und ich sah auf. Sie sah mir in die Augen und lächelte. Sie wusste gar nicht, wie hübsch sie aussah, wenn sie lächelte. Schade, dass sie es so selten tat. Andererseits hätte ich vermutlich wesentlich mehr Konkurrenz gehabt, wenn sie damals mehr gelächelt und weniger ihre Dämonenaura ausgestrahlt hätte. Der Beweis dafür war das Idioten-Trio. Was aus denen wohl geworden ist? Plötzlich beugte sich Misaki ganz zu mir herunter und das Idioten-Trio war sofort vergessen, als ihre warmen, weichen Lippen auf meinen landeten. Es war selten genug, dass ein Kuss von ihr ausging, das musste ich auskosten. Sie legte eine Hand in meinen Nacken und ich tat es ihr gleich, um den Kuss so noch zu vertiefen. Meine andere Hand schob ich unter ihren Arm und sicherte dort meinen Griff, bevor ich mich nach hinten fallen ließ und sie dabei einfach mitzog. Sie quietschte kurz auf, als sie vom Bett rutschte. Wir befanden uns nun beide auf dem Boden und Misaki saß rittlings auf mir drauf, während ich gar nicht daran dachte, den Kuss zu lösen. Auch sie schien nicht diese Absicht zu haben, nachdem sie sich von dem kurzen Schreck erholt hatte. Ich streichelte über ihre Taille hinab zu ihrer Hüfte. Oh Gott, diese Frau machte mich wahnsinnig. Ich konnte nicht anders, als in den Kuss hineinzustöhnen. Er schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, doch schließlich endete er doch. Etwas atemlos öffnete ich meine Augen und sah Misaki an, die mit geröteten Wangen ebenso auf mich herunter sah. Ich streichelte ihr über die Wange und schob eine gelöste Haarsträhne hinter ihr Ohr. „Ich liebe dich, Misaki.“, sagte ich, bevor ich es wusste. Ihre Wangen nahmen einen noch tieferen Rotton an. So süß! „Ich… ich dich auch.“, erwiderte sie und sah mich verlegen an. Ich musste grinsen. Es fiel ihr immer noch schwer, das zu sagen. Einer plötzlichen Eingebung folgend packte ich sie bei der Hüfte und hob sie hoch. Sie gab einen Schreckenslaut von sich und klammerte sich an mich. Mit ihr auf dem Arm ging ich Richtung Bad. Ich verspürte plötzlich den Drang nach einer Dusche. Zu zweit versteht sich. „Was machst du da?“, protestierte sie, nachdem ich sie vor der Dusche wieder auf den Boden gelassen hatte und nun anfing, ihre Bluse aufzuknöpfen. „Wonach sieht’s denn aus?“, stellte ich eine Gegenfrage und musste grinsen. „Es sieht so aus, als würdest du mich ausziehen.“, sagte sie mit rotem Gesicht und versuchte vergeblich meine Hände wegzuschieben. „Bingo!“, bestätigte ich. „Usu… äh… T-Takumi… w-wa…?“ Bevor sie weitersprechen konnte, presste ich wieder meine Lippen auf ihren Mund. Davon überrascht, schien sie ganz zu vergessen, dass ich grad dabei war, ihre Bluse zu öffnen. Ich ergriff die Chance und knöpfte sie komplett auf, bis ich sie von ihren Schultern schieben konnte. Geräuschlos landete das Stück Stoff auf dem Boden. Ich legte meine Hände an ihre Taille und zog sie an mich heran. Ich spürte ihre weiche Haut unter meinen Händen. Wie würde sie sich erst anfühlen, wenn sie nass war? Allein die Vorstellung brachte mich um den Verstand. Anscheinend hatte ich Misaki mittlerweile angesteckt, denn sie legte nun ihre Hände an mein Hemd und begann, so wie ich zuvor bei ihr, sie aufzuknöpfen. Ich brachte ein wenig Abstand zwischen uns, damit sie auch an alle Knöpfe herankam und half ihr schließlich, mein Hemd abzustreifen, welches ebenso wie ihre Bluse auf dem Boden landete. Sofort zog ich sie wieder an mich und spürte ihre warme Haut an meiner. Ein berauschendes Gefühl. Meine Finger wanderten zu dem Bund ihres Rocks. Ich löste unseren Kuss und wanderte stattdessen mit meinen Lippen ihren Hals hinab, über ihr Schlüsselbein, ihre Brust und ihren Bauch weiter hinab, bis ich ihren Hüftknochen erreichte. Dabei zog ich ihr langsam den Rock nach unten. Ich erhaschte einen Blick auf das dunkelblaue Höschen, welches ich vorher schon erspäht hatte, und zu ihrem BH passte, wie ich mittlerweile hatte feststellen können. Ich sah nach oben und konnte erkennen, dass Misakis Wangen zwar stark gerötet waren, sie das Ganze aber zu genießen schien. Auch wenn sie das wohl niemals zugeben würde, wenn ich sie danach fragen würde. Ich erhob mich wieder und streifte mir selbst meine Hose ab, sodass wir beide nur noch in Unterwäsche waren. Ihre Augen erfassten mich dabei genau und ließen mich keinen Augenblick los. Als auch meine Hose auf dem Boden lag, gab ich ihr einen sanften Kuss, während meine Hände zu dem Verschluss ihres BHs wanderten. Ich öffnete ihn und schob dann die Träger von ihren Schultern. Wenig später sank auch der blaue Stoff zu Boden. Als ich ihre weichen Brüste auf meiner Haut spürte, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und vertiefte den Kuss. Unsere Zungen trafen immer wieder aufeinander und ein Stöhnen entwich mir. Misaki legte ihre Arme um meinen Hals und die Distanz zwischen uns minimierte sich. Noch im Kuss tastete ich nach dem Regler in der Dusche und stellte das Wasser an. Beinahe ohne dass sich unsere Lippen voneinander trennten, streifte ich schnell meiner Boxershorts und danach auch Misakis Höschen ab – letzteres mit ein wenig Unterstützung ihrerseits. Ich drängte sie unter die Dusche und kurz darauf spürte ich, wie das Wasser auf uns herabprasselte. Meine Haare klebten mir in der Stirn und im Nacken und das Wasser rann beinahe ungehindert hinab, vermischte sich in unseren Kuss und bahnte sich den Weg über unsere Körper. Ich spürte ihre nasse Haut auf meiner und es fühlte sich unglaublich an. Genüsslich streichelte ich über ihren Rücken, ihre Taille, ihren Po und wieder ihre Seite hinauf. Hätte sie mich nicht vorher schon verrückt gemacht, spätestens jetzt hätte sie es. Misaki Ich konnte kaum glauben, was gerade passierte. Usuis Küsse und seine Berührungen hatten mich so eingenommen, mich so sehr alles andere vergessen lassen, dass ich tatsächlich zusammen mit ihm unter der Dusche gelandet war. Und es gefiel mir. Ich liebte seine glatte, straffe Haut, unter welcher sich seine Muskeln dezent aber deutlich abbildeten. Wer hätte gedacht, dass sie sich noch um einiges verführerischer anfühlen würde, wenn sie nass war? Seine Hände glitten über meinen Körper und ich konnte ein Stöhnen nicht länger zurückhalten. Normalerweise wäre mir das peinlich, aber in diesem Moment hatte sich mein Gehirn vollkommen verabschiedet. Plötzlich löste er unseren schon ewig andauernden Kuss und drehte den Duschkopf so, dass er uns das Wasser nicht direkt ins Gesicht spritzte. Beinahe widerwillig öffnete ich meine Augen und sah in seine strahlend grünen, vor Lust jedoch leicht verschleierten Augen. Seine Wangen waren gerötet und das nasse Haar klebte strähnchenweise in seinem Gesicht. Oh Gott, sah er verführerisch aus. Wie hypnotisiert beobachtete ich einen Wassertropfen, der sich über seine Wange den Weg seinen Hals hinab über seine Brust und seinen Bauch bahnte. Gerade noch rechtzeitig sah ich wieder auf, bevor ich, wir mir bewusst wurde, meinen Blick ein wenig zu weit nach unten gerichtet hätte. Meine Augen suchten seine und ich stellte fest, dass ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen lag. Er griff nach einem der kleinen Fläschchen, die in der Dusche bereit standen, öffnete sie und machte mir deutlich, dass er mir davon etwas auf die Hand geben wollte. Nachdem er das getan hatte, gab er auch sich selbst etwas davon auf die Hand. Gerade wollte ich anfangen, das Duschgel auf meiner Haut zu verteilen, da spürte ich schon Usuis Hände an meinem Körper. Mir schoss das Blut in den Kopf, als ich seine seifigen Hände auf meiner nassen Haut spürte. Er streichelte damit über meinen Bauch, meine Brüste, meine Schultern, einfach überall. Als ich mich von diesen unerwarteten Berührungen wieder gefangen hatte, streckte ich meine Hände zögerlich nach ihm aus und begann, auch ihn einzuseifen. Verdammt, fühlte sich das gut an. Seine Hände, die das Duschgel auf meinem Körper verteilten, aber auch sein mittlerweile seifiger Körper und meinen eigenen Händen. Es war mehr als nur deutlich, dass auch ihm das Ganze gefiel. Mittlerweile war mein Blick doch auch das eine oder andere Mal ein Stück weiter nach unten gewandert und was ich dort zu sehen bekam, zeugte eindeutig von Gefallen. Plötzlich zog er sich an mich, sodass unsere Körper sich berührten. Er küsste mich und fuhr mit seinen Händen nun über meinen Rücken und meinen Po. Ich tat es ihm gleich, um auch dort Seife zu verteilen. Die Berührung unserer Körper brachte mich dabei endgültig um den Verstand. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und intensivierte den Kuss. Wieder konnte ich ein Stöhnen nicht unterdrücken, doch nicht nur mir ging es so. Usui griff erneut nach dem Duschkopf und drehte ihn so, dass das Wasser nun wieder direkt auf uns niederprasselte und das Duschgel davon wusch. Ich war beinahe schon enttäuscht, doch als er das Wasser abstellte, uns beide in ein großes Handtuch wickelte und uns notdürftig abtrocknete, ahnte ich, dass jetzt noch etwas viel Schöneres und Intensiveres auf mich zukommen würde. Und tatsächlich packte er mich mitsamt Handtuch und beförderte mich auf das große Bett in der Mitte des Hotelzimmers. Er beugte sich mit seinem ganzen Körper über mich und platzierte seine linke Hand neben meinem Kopf, die Finger seiner rechten Hand verschränkten sich mit meinen. Er küsste mich leidenschaftlich und immer wieder entwich mir ein Stöhnen. Als er den Kuss löste, sah er mir tief in die Augen. Er legte sich ein wenig anders hin und bereitwillig machte ich ihm Platz. Ich stöhnte lustvoll auf, als er endlich in mich eindrang und anfing, sich in mir zu bewegen. Kapitel 9: Purloined lingerie ----------------------------- Takumi Ein Klopfen riss mich aus dem Schlaf. Für einen kurzen Moment wusste ich nicht, wo ich war, doch als ein leichter Sonnenstrahl auf die schlafende Frau neben mir fiel, fiel mir schlagartig alles wieder ein. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich Misaki betrachtete, die seelenruhig schlief. Die weiße Decke des Hotelbetts bedeckte ihren nackten Körper, doch ihre Schulter ragte verführerisch heraus. Ich konnte nicht widerstehen und küsste sie sanft. Erneut klopfte es. Achja. Vorsichtig stand ich auf, ohne Misaki zu wecken. Ich griff nach dem Handtuch, welches wir am Abend achtlos auf den Boden befördert hatten, und wickelte es mir um die Hüften. Ich ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt. „Cedric.“, sagte ich leise, als ich denn Mann vor der Tür erkannte. Das war es also vorerst mit den schönen Stunden mit Misaki. „Master Takumi.“, erwiderte Cedric. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Was willst du?“, fragte ich unwillig. Wie gerne hätte ich jetzt noch neben Misaki im Bett gelegen und die Zeit mit ihr genossen. „Master Gerard und Ms. Hastington erwarten Sie im Foyer.“, antwortete er. Mein Blick verdunkelte sich. Gerard und Sarah? Etwas Schlimmeres hätte ich mir momentan kaum vorstellen können. Aber mir blieb keine andere Wahl, als zu gehen. Ich wollte Misaki nicht damit reinziehen. „Ich bin in zwanzig Minuten da.“, sagte ich und schloss die Tür, bevor er antworten konnte. Wenigstens duschen wollte ich vorher noch. Nach der Dusche am Abend hatte ich mich nämlich wieder schmutzig gemacht. Bei dem Gedanken daran musste ich kurz grinsen. Ich warf einen Blick auf Misaki, die immer noch zu schlafen schien, schnappte mir dann meine Tasche und begab mich ins Badezimmer. Ich sprang schnell unter die Dusche, putzte mir die Zähne und rasierte mich, bevor ich mir eine dunkelgraue Hose und ein weißes Hemd anzog. Ich kämmte mir das noch feuchte Haar und verwendete auch etwas Gel. Ich hatte gelernt, dass man mich wesentlich ernster nahm, wenn mein Haar nicht wild in alle Richtungen stand. Als ich im Bad fertig war, schlich ich wieder zurück ins Schlafzimmer. Ich streifte mir Socken über die Füße und schlüpfte in meine Schuhe. Ich merkte, dass Misaki sich regte. Sie stöhnte leicht. „Mhm… Takumi?“, murmelte sie verschlafen und blinzelte ein paarmal. Ich lächelte sie an und streichelte ihr über das Haar. „Schlaf noch ein bisschen.“, sagte ich leise und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Was ist mir dir?“, fragte sie. „Ich hab noch etwas zu erledigen.“, antwortete ich etwas ungenau. „Das Hotelzimmer ist bis morgen gebucht. Wenn du willst, kannst du hierbleiben oder nach Hause fahren. Ich lass dir Geld für ein Taxi da.“ Sie setzte sich auf und sah mich stirnrunzelnd an. „Was ist los?“, fragte sie mich. Ich seufzte. Ich konnte dieser Frau einfach nichts vormachen. „Mein Bruder und meine… ähm…“ Oh Gott, wie sagte ich das denn jetzt? „Du weißt… die Frau aus England, mit der…“ „… du verlobt bist?“, fragte Misaki. Ich nickte. „Sie sind hier?“ Ich nickte erneut. Misaki schwang ihre Beine aus dem Bett. „Was machst du?“, fragte ich misstrauisch. „Ich ziehe mich an und geh mit dir.“, antwortete sie und griff nach ihrer Tasche, während sie die Decke an sich drückte. Ich grinste und schnappte mir ihre Tasche. „Das kann ich leider nicht zulassen.“, sagte ich gespielt bedauernd. „Hey!“, protestierte sie und wollte ihre Tasche zurückerobern. Erfolgslos. „Misaki.“, sagte ich ernst. „Ich will nicht damit hineinziehen. Bitte… bleib hier.“ „Aber…“, versuchte sie erneut zu widersprechen. „Bitte…“ Ich sah sie flehend an. Es wäre einfach nicht gut, wenn sie jetzt mit nach unten gehen würde. „Na schön.“, gab sie nach, jedoch mit einem sehr unzufriedenen Gesichtsausdruck. Sie setzte sich wieder aufs Bett. „Gut!“, sagte ich fröhlich und griff in ihre Tasche. Ich zog ein schwarzes Höschen heraus. „Um sicherzugehen, werde ich das hier mitnehmen.“ Grinsend stecke ich es mir in die Hosentasche und freute mich über Misakis entgleiste Gesichtszüge. „Hey!“, rief sie wütend und mit geröteten Wangen. Sie sah so süß aus. „Ich habe dir sowieso gesagt, du sollst keine Unterwäsche einpacken.“, feixte ich. „Achja…“, fügte ich hinzu und lief kurz ins Bad, wo noch ihr Höschen von gestern lag. Ich hielt es kurz hoch, um es ihr zu zeigen. „Das nehme ich auch lieber mit.“ Ihr Gesicht nahm einen noch dunkleren Farbton an. Ich beschloss, dass es besser war zu gehen, bevor sie mich noch umbrachte. „Bis später dann, Misa-chan ~ “, flötete ich und verließ das Zimmer. „USUI!!!!“, hörte ich sie im Inneren des Zimmers explodieren. Lächelnd und mit zwei ihrer Höschen in meiner Hosentasche machte ich mich auf den Weg zum Foyer. Misaki Fassungslos saß ich auf dem großen Hotelbett und starrte auf die Tür, durch die Usui gerade gegangen war. Dieser… dieser… Was fiel ihm eigentlich ein? „Alien!“, schrie ich laut aus, um meinem Ärger Luft zu machen. „Perverso!! ARGH!“ Er wusste genau, dass sie das Zimmer ohne Höschen und nur im Rock nicht verlassen würde. Doch mein Ärger wich schnell etwas anderem. Sorge? Dass Usuis Bruder und seine… Verlobte hier in Japan waren, konnte nichts Gutes bedeuten. Gerard wusste mittlerweile, dass Usui sein Gedächtnis wiedererlangt hatte. Dass er nach Japan kommen würde, war eigentlich klar gewesen, oder? Und trotzdem war ich nicht wirklich darauf vorbereitet gewesen. Ich überlegte, was ich nun machen sollte, schließlich saß ich hier irgendwie fest. Ich entschloss mich dazu, erst einmal ausgiebig zu duschen. Meine Haare fühlten sich irgendwie komisch an, da sie bei der Dusche gestern zwar nass geworden waren, ich sie aber nicht mit Shampoo gewaschen hatte. Nach der Dusche schlüpfte ich vorerst in meine mitgebrachten, jedoch nicht gebrauchten Schlafsachen. Irgendetwas musste ich ja tragen und ich wollte einfach keinen Rock tragen, wenn ich keine Unterwäsche hatte. Erneut flammte der Zorn in mir auf, als ich daran dachte, was Usui mir angetan hatte. Ich kramte in meiner Tasche und zog ein Buch heraus. Zum Glück hatte ich eigentlich immer etwas zum Lernen dabei, denn irgendwie musste ich mir die Zeit ja vertreiben, bis Usui wiederkam. Ich hoffte zumindest, dass er wiederkommen würde… Takumi Schon von weitem konnte ich Gerard, Sarah und Cedric erkennen, als ich den Fahrstuhl verlassen hatte und durch das Foyer schritt. Meine rechte Hand umklammerte den Inhalt meiner Hosentasche und mein Blick verfinsterte sich automatisch. Ich sah, dass Sarah aufstand, als sie mich erblickte, und ein paar Schritte auf mich zulief. „Takumi…“, sagte sie und wollte mich wohl umarmen, als ich sie erreicht hatte. Doch ich hielt sie an den Schultern fest und so von mir fern. „Sarah.“, sagte ich, ohne zu lächeln. Ihr Blick senkte sich und sie sah irgendwie traurig aus…. Oder verletzt… Aber ich konnte es nicht ändern. Sie wusste, dass ich mein Gedächtnis verloren hatte und musste dementsprechend, was die Verlobung betraf, irgendwie mit Gerard unter einer Decke gesteckt haben. Ich drückte mich an ihr vorbei und schritt auf meinen Bruder zu, der mich mit seinen Augen fixiert hatte, jedoch keine Anstalten machte, aufzustehen, um mich zu begrüßen. Nicht, dass ich es erwartet hätte… „Gerard.“, begrüßte ich ihn und ein kaltes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Mein geliebter Bruder…“, erwiderte er sarkastisch. „Es ist schön, dich wiederzusehen.“ „Was willst du?“, fragte ich, ohne auf seine Worte einzugehen und setzte mich auf den freien Platz ihm gegenüber. Auch Sarah setzte sich wieder hin, jedoch weiterhin mit gesenktem Blick. „Was glaubst du denn?“, stellte er eine Gegenfrage. „Du willst, dass ich zurück nach England gehe?“, riet ich. Er lachte. „Kommst du mir?“ Er schien sich zu amüsieren. „Nein.“, antwortete ich sofort. Natürlich würde ich nicht einfach so mit ihm kommen, aber das würde er auch niemals erwarten. „Das habe ich mir gedacht.“, bestätigte er meine Vermutung leicht lächelnd. Ein Lächeln, das nichts Gutes verhieß. „Weißt du, warum du mit nach England kommen sollst?“, fragte er nun. Wir hatten nie darüber gesprochen, doch die Antwort war mir dennoch bewusst. „Weil du der Meinung bist, ich sei der geeignetere Erbe der Walker-Familie.“, antwortete ich ruhig. „Korrekt.“, bestätigte er. „Leider habe ich von unserer Mutter nicht das allerbeste Erbgut erhalten und neige dazu, krank zu werden.“ Ich nickte. Dessen war ich mir durchaus bewusst. Ich hingegen war immer vollkommen gesund gewesen. „Du weißt, dass Großvater anderer Meinung ist, nicht wahr?“, hakte ich nach. Gerard zog die Augenbrauen zusammen. „Großvater braucht einen gesunden Erben. Und er weiß genauso gut wie du und ich, dass ich nicht dazu geeignet bin.“ Er schaute mich ernst an. „Ich bin auch nicht geeignet.“, sagte ich ruhig. Gerard zog fragend eine Augenbraue nach oben. „Ich bin ein uneheliches Kind.“, fuhr ich fort und beantwortete damit seine unausgesprochene Frage. „Und nicht nur das, auch noch das Kind eines einfachen Bediensteten.“ „Nichtsdestotrotz bist du das Kind von Patricia Walker, Richard Rachesters Tochter.“, argumentierte er. „Solange Großvater dem nicht zustimmt, kann ich das Erbe gar nicht antreten.“, widersprach ich. „Und ich will es auch gar nicht.“ Gerard lachte auf. „Das ist keine Frage des Wollens, Takumi, es ist deine Pflicht.“ Er lächelte überlegen. „Und nach der Hochzeit mit Sarah Hastington bist du ein würdiger Erbe. Selbst Großvater hat die Möglichkeit eingeräumt, dass er dich nach der Hochzeit als Erbe in Betracht ziehen könnte.“ Ich wurde wütend. Ich warf einen Seitenblick auf Sarah, die schweigend in einem der Sessel saß und bei der Erwähnung ihres Namens rot geworden zu sein schien. Nervös knetete sie ihre Hände. „Es tut mir leid.“, entschuldigte ich mich. „Aber ich werde Sarah nicht heiraten.“ Sarah sah auf, ihre Augen geweitet. Überraschte sie das etwa? Kaum vorstellbar… Unsere ganze Verlobung war eine einzige Farce gewesen. „Takumi.“, sagte Gerard warnend. „Die Verlobung mit Sarah steht schon seit 5 Jahren fest.“ Langsam erreichte meine Geduld ihr Ende. „Ihr habt diese Verlobung ohne mein Einverständnis arrangiert. Ich lag wochenlang im Krankenhaus, wusste nicht mehr, wer ich bin, und diese Situation habt ihr ausgenutzt, um mir ein Leben aufzudrücken, welches nicht meines war und welches ich nie wollte. Ihr habt mir mein altes Leben komplett weggenommen, meine Familie hier in Japan und meine Freunde. Ihr habt mir fünf Jahre meines Lebens gestohlen, die ich nie wieder zurückbekommen kann.“ Ich erhob mich. „Aber jetzt weiß ich wieder, wer ich bin. Und ich weiß, wo ich hingehöre.“ Ich drehte mich um und ging. Ich verlor selten die Geduld, doch die ganze Situation und Gerards Anblick machten mich unglaublich wütend. Ich hielt es für besser, zu gehen, solange ich mich noch unter Kontrolle hatte. Kurz bevor ich den Fahrstuhl erreichte, hörte ich schnelle Schritte hinter mir. „Takumi!“, erkannte ich Sarahs Stimme, die nach mir rief. Ich drehte mich um. „Was willst du?“, fragte ich. Sie schien durch meinen Anblick eingeschüchtert, als sie vor mir zum Stehen kam. „Ich…“, setzte sie an und zögerte kurz, bevor sie weitersprach. „Ich will dich nicht verlieren.“ Ich konnte die Ehrlichkeit aus ihrer Stimme heraushören. Ich seufzte. „Seien wir ehrlich, Sarah…“, erwiderte ich. „Du hattest mich nie.“ Ihr Blick war traurig, doch sie wusste, dass ich Recht hatte. „Ich habe dich immer geliebt.“, sagte sie. „Von dem Augenblick an, an dem ich dich das erste Mal im Krankenhaus besucht habe.“ „Sarah…“, setzte ich an. Ich wollte ihr nicht wehtun. Auch wenn sie an alldem beteiligt gewesen war, so war sie nie ein schlechter Mensch gewesen. „Nein… bitte…“, unterbrach sie mich. „Lass mich ausreden.“ Ich nickte. „Ich… ich wollte das damals auch nicht. Mit der Verlobung, meine ich. Auf einmal sagte mein Vater mir, ich solle eine Verlobung mit einem Mann eingehen, den ich nie zuvor gesehen habe. Und dieser Mann, so wurde mir gesagt, hatte auch noch sein Gedächtnis verloren. Ich habe erst viel später herausgefunden, dass du nicht nach England gehörst, dass sie dir dein Leben so zusammengedichtet haben, wie es ihnen passte. Und ich war ein Teil davon. Doch als ich es herausgefunden habe, war es mir fast schon egal. Mir war es egal wie, ich wollte nur mit dir zusammen sein.“ Tränen liefen ihr über das Gesicht. Ich seufzte und legte meine Hände auf ihre Schultern. „Es tut mir leid, Sarah. Aber ich kann nicht mit dir zusammen sein. Niemals. Als ich noch unter der Amnesie litt und wir verlobt waren, habe ich versucht, die Gefühle für dich wiederzufinden, die ich dachte, verloren zu haben. Doch sie waren nie da.“ Sie schluchzte, doch ich musste ihr die Wahrheit sagen. „Ich möchte ehrlich mit dir sein und ich möchte, dass du das verstehst.“, sagte ich ruhig. „Als ich nach Japan gegangen bin, ist mir ein Mädchen begegnet, eine junge Frau. Ich wusste nicht, wer sie war, aber sie hat mein Interesse geweckt. Von Anfang an. Es hat sich herausgestellt, dass sie meine alte Freundin war, meine Highschool-Liebe, die ich verloren hatte, weil ich nach England gegangen bin und dort den Unfall hatte. Sie hat mich in wenigen Tagen dazu gebracht, meine Erinnerung wiederzubekommen, indem ich mich aufs Neue in sie verliebt habe.“ Ich sah Sarah eindringlich an. „Verstehst du das, Sarah?“, fragte ich. „Ich liebe diese Frau. Ich liebe sie, seit ich 17 war. Sie ist alles für mich. Mein Leben ist hier… und nicht in England.“ Sarah weinte, doch sie sah mich nun endlich an. „Ich verstehe…“, sagte sie und schenkte mir ein Lächeln, welches die Traurigkeit ihrer Augen jedoch nicht überspielen konnte. Sie beugte sich zu mir herüber und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Meine Gefühle für dich werden sich so schnell nicht ändern… Doch ich akzeptiere deine Entscheidung. Ich möchte, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin.“ Ich schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln. „Danke.“, sagte ich und umarmte sie kurz, bevor ich mich von ihr verabschiedete und in den Fahrstuhl stieg. Ich steckte meine Hände in die Hosentaschen und ertastete den feinen Stoff von Misakis Höschen. Ich grinste. Kapitel 10: Abducted -------------------- Misaki Immer wieder sah ich auf die Uhr und konnte mich irgendwie so gar nicht auf meine Lektüre konzentrieren. Eigentlich sollte ich Usuis Abwesenheit dazu nutzen, ein wenig für die Uni zu tun, die ich in letzter Zeit viel zu sehr vernachlässigt hatte. Aber es ging einfach nicht. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um Usui, der jetzt gerade unten mit seinem Bruder und seiner Verlobten sprach. Er war erst seit 20 Minuten weg und ich hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, aber es kam mir bereits wie eine Ewigkeit vor. Der Sekundenzeiger der Uhr kroch nur vor sich hin. Seufzend schlug ich das Buch wieder zu, das ich nach dem Duschen erst vor fünf Minuten aufgeschlagen hatte. Unruhig stand ich auf und ging auf die große Balkontür zu. In meinen Schlafsachen wollte ich nicht rausgehen, aber die unglaubliche Aussicht, die man nach draußen hatte, konnte ich auch von hier sehen. Plötzlich hörte ich einen kurzen Piepton, der ertönte, wenn man die Schlüsselkarte in das dafür vorgesehene Kartenschloss steckte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und Usui trat herein. Er lächelte. War das ein gutes Zeichen? Sofort lief ich auf ihn zu. „Us… Takumi!“, rief ich aus. Ich sollte mich wirklich langsam daran gewöhnen, ihn Takumi zu nennen. „Misa-chan.“, sagte er und nahm mich in den Arm. Diese Geste erstaunte mich. Er war ganz ruhig, hielt mich einfach nur fest, den Kopf so weit gesenkt, dass er schon beinahe auf meiner Schulter ruhte. Ich schlang meine Arme um ihn und erwiderte seine Geste. Ich hatte das Gefühl, dass er Trost in dieser Umarmung suchte und Halt. Und den wollte ich ihm gerne geben. Sonst war er immer der Starke von uns beiden und jetzt hatte ich eventuell die Gelegenheit, ihm etwas zurückzugeben. Sanft strich ich ihm über das blonde Haar und wie immer war ich erstaunt darüber, wie weich es war. „Alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig, nachdem wir schon einige Sekunden schweigend dagestanden hatten. „Mhm…“, murmelte er ohne mich loszulassen und nickte leicht. „Ich denke schon.“ Vorsichtig drückte ich ihn etwas von mir weg, sodass ich ihm ins Gesicht sehen konnte, ohne jedoch die Umarmung vollständig zu lösen. Er lächelte wieder, doch konnte ich in seinen Augen erkennen, dass das, was auch immer grad passiert war, ihn mitgenommen hatte. Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen leichten Kuss auf die Lippen. „Willst du mir erzählen, was los war?“, fragte ich. Einen kurzen Augenblick sah er mich nur mit leicht schief gelegtem Kopf an, doch dann nickte er. Ich führte ihn an der Hand zum Bett und wir setzten uns hin. Ich drängte ihn nicht und ließ ihm Zeit. Nach ein paar Sekunden fing er an zu erzählen. „Es ist so, wie ich es mir schon gedacht habe.“, sagte er. „Gerard möchte, dass ich zurück nach England komme und dort das Erbe meines Großvaters antrete. Eigentlich ist er der Erbe, aber er hat einen schwachen Körper. Er leidet unter demselben Gendefekt wie unsere Mutter und hat deshalb Angst, so früh zu sterben wie sie. Aber ich bin eigentlich nicht berechtigt, dieses Erbe anzutreten. Mein Vater war nur Butler und ich bin ein uneheliches Kind, das nach dem Tod meiner Mutter nach Japan zu Verwandten gebracht wurde. Mein Großvater erkennt mich nicht als Teil der Familie an, aber eventuell würde er mich als Erben akzeptieren, wenn ich Sarah heirate, die aus einer sehr angesehenen Familie stammt.“ Ich hörte ihm aufmerksam zu. Das Ganze war eine ganz schön verkorkste Situation und Usui wurde gegen seinen Willen in all das hineingezogen. Er hatte aufgehört zu reden und sah mich eindringlich an. „Du… willst nicht nach England und das Erbe antreten… oder?“, fragte ich. „Nein.“, bestätigte er. „Ich wollte es nie. Ich gehöre hierher. Nach Japan. Zu dir.“ Er griff nach meiner Hand und drückte sie leicht, während er mich noch immer eindringlich ansah. Ich hatte ihn selten so ernst gesehen. Die ganze Situation schien ihn wirklich unter Druck zu setzen. „Was passiert jetzt?“, fragte ich, doch auch Usui schien keine Antwort darauf zu wissen. Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe Gerard gesagt, dass ich nicht vorhabe, mit nach England zu gehen. Und Sarah habe ich gesagt, dass ich sie nicht heiraten kann, weil ich nicht sie sondern dich liebe.“ Ein verlegenes Lächeln trat auf mein Gesicht. Freute ich mich darüber, dass er seiner einstigen Verlobten von mir erzählt hatte? Ja. Ich kannte diese Frau nicht, aber es tat gut, dass er sie abwies und darüber hinaus noch von mir redete. Eine Weile verbrachten wir schweigend, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Mein Blick schweifte auf die Uhr. „Takumi?“, sprach ich ihn an. Er sah auf. „Hm?“, machte er zum Zeichen, dass er hörte. „Ich muss langsam gehen.“, sagte ich ehrlich bedauernd. „Ich muss heute noch arbeiten.“ Sofort setzte Usui einen Schmollmund auf. „Musst du wirklich gehen?“, fragte er nach und drückte sich näher an mich. Ich lachte leicht. Wie konnte ein erwachsener Mann nur so niedlich sein? „Ich befürchte ja.“, bestätigte ich. „Ich muss immerhin mein Geld verdienen.“ „Sei einfach meine persönliche Maid, Misa-chan.“, sagte er mit einem erstaunlich ernsten Gesichtsausdruck. "Dann musst du nicht mehr im Café arbeiten und ich hab dich ganz für mich alleine.“ Ich lachte. „Klingt eigentlich gar nicht so schlecht.“ Ich zwinkerte ihm zu. „Aber ich möchte mein eigenes Geld verdienen und nicht von dir abhängig sein. Das verstehst du doch, oder?“ Er nickte. „Ja.“, bestätigte er mit einem Seufzen, ohne jedoch Anstalten zu machen, mich loszulassen. „Takumi?“, sprach ich ihn erneut an, als er mich immer noch festhielt. „Hm?“, machte er. „Ich muss wirklich los.“, drängte ich. „Ok.“, erwiderte er, ohne sich jedoch zu rühren. Ich versuchte, mich zu befreien, doch sein Griff verstärkte sich noch. „Usui!!“ Langsam reichte es. „Nenn mich nicht so.“, verlangte er. „Dann lass mich endlich los!“, verlangte ich im Gegenzug und stemmte mich gegen ihn. „Ich muss mich umziehen.“ Plötzlich ließ er mich los und ich stolperte etwas nach vorne. Als ich ihn ansah, konnte ich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht erkennen. „Nur zu.“, sagte er und beobachtete mich. Ich wurde rot. So energisch ich eben noch war, so verlegen war ich jetzt. Ich räusperte mich. „Gibst du… gibst du mir bitte meine Unterwäsche zurück?“, fragte ich und konnte die Hitze in meinen Wangen deutlich spüren. „Hmmmm…“, machte er gespielt überlegend. „Ich fände es besser, wenn du herkommen und sie dir holen würdest.“ „Perverso…“, murmelte ich und trat mutig einen Schritt auf ihn zu. Sofort packte er mein Handgelenk und zog mich hinunter aufs Bett, sodass ich nun über ihm lag. Eigentlich eine gute Position, um ihm meine gestohlenen Höschen aus der Tasche zu stibitzen. Aber dummerweise hielt er meine Handgelenke fest, sodass ich deutlich weniger Bewegungsfreiheit hatte, als ich gebraucht hätte. Eine Weilte rangen wir miteinander. Ich versuchte, meine Handgelenke zu befreien, um meine Unterwäsche zurückerobern zu können, während er – leider ziemlich erfolgreich – versuchte, dies zu verhindern. Irgendwann lachte er, zog mich gänzlich zu sich hinunter und gab mir einen langen Kuss, gegen den ich mich zunächst wehrte, dann jedoch erwiderte. Usui war einfach wie ein großes Kind. Und ich liebte ihn ja dafür, dass er so war, wie er war. Als er den Kuss löste, ließ er mich los und lächelte mich an. Einen Augenblick war ich skeptisch, nutzte aber die Chance, um in seine Hosentasche zu greifen und die zwei Geiseln aus blauer und weißer Spitze zu befreien. Dieses Mal tat er nichts dagegen, sondern lächelte einfach nur. Kurz hielt ich inne und betrachtete ihn. Ich gab ihm einen kleinen Kuss und schenkte ihm ein trotziges „Danke“, bevor ich aufstand und mich ins Bad zum Umziehen begab. Takumi Als Misaki gegangen war, lag ich noch eine Weile auf dem Hotelbett und dachte über das zuvor Geschehene nach. Wer hätte gedacht, dass diese ganze Situation mich so mitnehmen würde. Ich selbst jedenfalls nicht. Nicht nur, dass mein eigener Bruder mich unter Druck setzte und mein Großvater mich hasste, ich ihnen fünf Jahre eines falschen, von mir ungeliebten Lebens zu verdanken hatte, auch die Sache mit Sarah machte mich fertig. Ich hatte nie Gefühle für sie, die über Sympathie hinausgingen. Als ich damals im Krankenhaus lag und mir erzählt wurde, dass Sarah meine Verlobte sei, wusste ich wirklich nicht, was ich davon halten sollte. Sie war eine völlig Fremde für mich. Aber das war jeder und ich wollte dieser Frau nicht wehtun, also akzeptierte ich es. Doch jetzt hatte ich ihr doch wehtun müssen. Meine Wut auf sie war nach unserem kurzen Gespräch abgeklungen, aber ich hatte dennoch nicht das Bedürfnis, an zukünftigem Kontakt festzuhalten. Für mich zählte nur Misaki. Es erstaunte mich selbst immer wieder, wie stark meine Gefühle für sie waren. Aber dass sie innerhalb weniger Tage das geschafft hatte, was ich alleine fünf Jahre vergeblich versucht hatte, nämlich mir mein Gedächtnis zurückzubringen, das war schon Beweis genug. Ich streckte mich etwas und beschloss schließlich, aufzustehen und ein wenig rauszugehen. Eigentlich hätte ich lieber den ganzen Tag mit Misaki im Bett verbracht, aber da sie arbeiten musste, hatte ich nun ein wenig Zeit. Vielleicht war jetzt die Gelegenheit, mich an die Arbeit zu machen. Ich rief mir ein Taxi und fuhr zu meiner alten Wohnung, die wieder auf Vordermann gebracht werden wollte. Allzu viel gab es nicht zu tun, da ich kaum Möbel besaß. Hätte Gerard mich so sehen können, hätte er mich wohl entweder ausgelacht oder mich angeschrien. Mit Hemd, Anzughose und Gummihandschuhen und bewaffnet mit Lappen und Putzmittel entfernte ich Staub von allen Oberflächen. Als das erledigt war, schnappte ich mir ein paar große Müllsäcke und machte mich an das Ausmisten meines einzigen Möbelstücks im Schlafzimmer: dem Kleiderschrank. Ein paar der Sachen konnte ich noch gebrauchen, aber vieles kam auch weg. Wenigstens hatte ich nun noch ein paar Sachen außer der Anzüge, die ich für die eigentliche Geschäftsreise eingepackt hatte. Es war ein komisches Gefühl meine alten Sachen zu durchwühlen. Sie stammten aus einem Leben, welches ich lange Zeit vergessen hatte. Als alles soweit wieder sauber war, brachte ich die nicht aussortierten Kleidungsstücke in die Reinigung. Sie rochen nach all der Zeit ein wenig muffig. Als auch das erledigt war, kam der Teil, auf den ich mich am meisten gefreut hatte: Möbel kaufen. Ich suchte mir ein großes Doppelbett mit zwei Nachttischen, einen neuen Kleiderschrank, eine gemütliche Eckcouch, einen Wohnzimmertisch, einen Fernsehtisch, 2 Bücherregale sowie einen Esstisch mit vier Stühlen aus. Die Sachen sollten am nächsten Tag geliefert werden und im gleichen Zug würde auch meine spärliche vorherige Einrichtung verschwinden. Zufrieden mit dem, was ich an diesem Tag erreicht hatte, sah ich auf die Uhr. Misakis Schicht im Maid Latte war noch nicht zu Ende und so beschloss ich, dort vorbeizuschauen. Misa-chan im Maid-Kostüm war einfach unwiderstehlich. Wenig später betrat ich das Café und wurde prompt begrüßt. „Willkommen zu Hause.“, sagte eine mir bisher unbekannte Maid und verneigte sich vor mir. Vergeblich hielt ich nach Misaki Ausschau, die sich derzeit offenbar nicht im Gästeraum aufhielt. „Wo ist denn Misa-chan?“, fragte ich, doch bevor das Mädchen antworten konnte, betrat Satsuki den Raum. „Ah, Usui-san.“, sagte sie in ihrer flatterhaften, im Moment allerdings leicht nervösen Art. Ich runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte nicht. „Wo ist Misaki?“, fragte ich ernst. Ihre Augen weiteten sich und ein besorgter Blick trat auf ihr Gesicht. „Ich hatte gehofft, dass du mir das sagen könntest.“, erwiderte sie. „Sie ist nicht zu ihrer Schicht gekommen.“ Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz einen Takt aussetzte und mir jemand einen kräftigen Schlag in den Magen verpasst hatte. Misaki war nicht zu ihrer Schicht gekommen? „Sie war bis heute Mittag noch mit mir zusammen.“, erzählte ich nun. „Aber sie ist pünktlich zur Arbeit aufgebrochen.“ „Oh nein.“, sagte Satsuki vollkommen aufgelöst. „Sie ist hier nicht aufgetaucht. Was kann ihr nur passiert sein?“ Ich legte meine Hände auf ihre Schultern und sah sie eindringlich an. „Beruhige dich.“, versuchte ich es, obwohl ich selbst alles andere als ruhig war und ein Zittern meiner Hände unterdrücken musste. Ich zog mein Handy hervor und rief sie auf ihrem Handy an. Nichts. „Das haben wir auch schon versucht.“, sagte Satsuki, die langsam mit ihren Tränen zu kämpfen schien. Auch auf ihrem Haustelefon war sie nicht zu erreichen. Ich wurde immer nervöser. Verzweifelt rief ich im Krankenhaus an für den Fall, dass ihr auf dem Weg hierher etwas passiert war. Nichts. Wo konnte sie nur sein? Plötzlich klingelte mein Handy. Ich sah auf das Display: Gerard. Konnte das eine Möglichkeit sein? „Hallo?“, ging ich ran und musste ein Zittern meiner Stimme unterdrücken. „Hallo Takumi.“, begrüßte Gerard mich mit seiner aufgesetzten Fröhlichkeit, die ich so hasste. „Was willst du?“, fragte ich, obwohl ich es bereits ahnte. „Ich dachte nur, ich gebe dir kurz Bescheid, dass deine kleine Freundin hier bei mir ist. Du suchst sie doch bestimmt schon?“ „Was hast du mit Misaki gemacht?“ Eine unendliche Wut kochte in mir hoch und vermischte sich mit dem Gefühl der Angst. Gerard lachte. „Aber, aber, Takumi…“, erwiderte er. „Was denkst du denn von mir? Ich habe gar nichts mit ihr gemacht. Ich habe sie nur zu einer Tasse Tee eingeladen und sie davon überzeugt, diese Einladung anzunehmen.“ „Lass sie gehen.“, zischte ich. „Oh, keine Sorge.“, antwortete er. „Ich werde sie gehen lassen. Aber es wäre vielleicht besser, wenn du sie abholen kämst. Nicht dass ihr auf dem Weg nach Hause noch etwas passiert.“ Mein Blut kochte, aber es gab nichts, das ich tun konnte. Natürlich würde ich mich sofort auf den Weg machen und sie abholen. Gerard nannte mir die Adresse und nur wenige Minuten später saß ich wieder im Taxi. Sollte er Misaki auch nur ein Haar gekrümmt haben, würde er sich wünschen, nie geboren worden zu sein, das schwor ich mir. Kapitel 11: Retrieving Misaki ----------------------------- Takumi   Ich saß im Taxi und konnte das nervöse Klopfen meines Herzens nicht kontrollieren. Ich betete inständig, dass mit Misaki alles in Ordnung war. Ich hätte sie nicht alleine lassen dürfen. Ich machte mir Vorwürfe. Nach etwa 15 Minuten Fahrt, die mir allerdings wie eine Ewigkeit vorkamen, hielt das Taxi schließlich vor einem großen Gebäude. Es handelte sich um eines der zahlreichen Luxushotels Tokyos. Ich bezahlte den Taxifahrer und stieg aus. Ohne zu zögern, betrat ich das Hotel und schritt direkt auf die Rezeption zu. „Guten Tag, kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte die Rezeptionistin mich sofort mit einem perfekt aufgesetzten Lächeln. „Ich möchte zu Gerard Walker.“, antwortete ich und konnte mich in diesem Augenblick einfach nicht dazu durchringen, das Lächeln zu erwidern. „Mr. Walker befindet sich im hinteren Bereich der Lounge.“, erklärte sie und winkte einen Pagen heran. „Wenn Sie mir bitte folgen möchten.“, sagte er in einem ebenso perfekt aufgesetzten Ton wie das Lächeln der Rezeptionistin. Ich nickte nur.   Wenig später trat ich durch die reichlich verzierte Tür im hinteren Teil  der Lounge in einen der abgeschlossenen VIP-Bereiche. An einem kleinen Tisch saßen in gemütlich aussehenden Sesseln Misaki und Gerard. Cedric stand direkt neben der Tür. „Ah, da bist du ja!“, begrüße Gerard mich mit einem breiten Lächeln und offenen Armen. „Takumi?“ Misaki sah mich überrascht an und ließ die teure Teetasse, die sie gerade an ihre Lippen setzten wollte, wieder ab. Schnellen Schrittes ging ich auf sie zu. Als ich bei ihr angekommen war, ergriff ich ihre freie Hand und sah sie besorgt an. „Geht es dir gut?“, fragte ich hastig. Sie sah mich fragend an. „Ja…“, antwortete sie. „Natürlich geht es mir gut. Wieso auch nicht?“ Ich atmete erleichtert aus. Er hatte ihr also nichts getan. Doch meine Erleichterung wich schnell der Wut auf Gerard. Mein Blick richtete sich auf ihn. „Was möchtest du, Gerard?“, fragte ich harsch. Er lachte. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich deine Freundin lediglich auf eine Tasse Tee eingeladen habe.“, antwortete er mit diesem überheblichen Grinsen, das ich so hasste. „Wir gehen, Misaki.“, verkündete ich und zog sie an der Hand aus dem Raum heraus. Ich spürte, dass Gerard uns fest im Blick hatte. Trotzdem ließ er zu, dass wir gingen.   „Takumi!“, rief Misaki, als wir den Raum verlassen hatten und blieb ruckartig stehen. „Was ist denn los mit dir?“ Ich drehte mich fassungslos zu ihr um. Merkte sie denn nicht, dass das alles nur ein abgekartetes Spiel war? Es war unmöglich, dass Gerard sie ohne Hintergedanken einfach nur so auf eine Tasse Tee eingeladen hatte.     Misaki   Verständnislos blickte ich in Takumis irritierte Augen. Ich wusste ja, dass er und Gerard so ihre Probleme hatten, aber dennoch handelte es ich immer noch um seinen Bruder. Ich wollte, dass sie miteinander reden konnten.  Ich wusste genau, wie weh es tat, wenn man von einem Familienmitglied im Stich gelassen wurde. Und genauso wusste ich, wie wichtig der Zusammenhalt einer Familie war. Ich drückte seine Hand und versuchte es mit einem Lächeln. Takumi sah mich einfach nur an. Er erwiderte das Lächeln nicht. Plötzlich ließ er meine Hand los. Ich fühlte einen Stich in meinem Herzen. „Takumi…“, sagte ich, doch er drehte sich von mir weg. Es dauerte einen Moment, bis er zu mir sprach. „Ich hatte Angst um dich, Misaki.“, sagte er leise und ich konnte deutlich erkennen, wie er die Schultern hängen ließ. Ich spürte einen Knoten in meinem Hals. Vorsichtig näherte ich mich ihm und legte ihm eine Hand auf den Rücken. „Es tut mir leid, Takumi.“, murmelte ich und lehnte meine Stirn gegen ihn. Er drehte sich zu mir um und zog mich fest in seinen Arm.   „Misaki.“, sagte er nach einigen Sekunden, packte mich an beiden Schultern und schob mich ein wenig von sich weg. Ich sah in seine Augen und konnte den Schmerz darin erkennen, der mir einen erneuten Stich versetzte. „Du bist für mich das Wichtigste auf dieser Welt.“, fuhr er schließlich fort. „Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn du meinetwegen in etwas hineingezogen werden würdest. Wenn dir etwas passieren würde… Ich weiß, dass Gerard dich nicht körperlich verletzten würde. Aber er weiß genau, wie er die Menschen benutzen kann, um seinen Willen zu bekommen. Und ich befürchte, dass dich das noch viel mehr verletzen würde, dir viel mehr weh tun würde, als körperliche Schmerzen es je könnten.“ Ich konnte nicht anders, als ihn in diesem Moment mit großen Augen anzustarren. Selten hatte ich ihn so ernst gesehen und ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Er lächelte leicht, doch der Schmerz in seinen Augen war noch immer deutlich zu erkennen. Ich musste schlucken. Warum konnte ich in diesem Moment nichts sagen? Warum fiel mir in den entscheidenden Momenten nie etwas ein? Takumi löste seine Hände von meiner Schulter und griff nach meiner Hand. „Lass uns gehen, Misaki.“, sagte er. Ich konnte nur nicken und ihm aus dem Hotel hinaus folgen. Er rief uns ein Taxi und obwohl wir uns während der ganzen Fahrt die ganze Zeit bei der Hand hielten, sagten wir kein Wort.   Schließlich hielten wir vor meinem Haus. Er bat den Taxifahrer, kurz zu warten, und stieg mit mir aus. Er begleitete mich zur Tür. Als wir dort angekommen waren, sah er mich einfach nur an. „Alles in Ordnung?“, fragte ich und konnte deutlich das flaue Gefühl in meinem Magen spüren. Er nickte. „Ich bin nur etwas kaputt.“, erklärte er. „Die ganze Sache heute hat mich ganz schön mitgenommen.“ Ich machte mir Sorgen. Es war klar, dass es heute nicht leicht für ihn gewesen sein konnte. Erst das Gespräch mit seinem Bruder und seiner Ex-Verlobten und dann die Sache gerade. „Es tut mir leid, Takumi.“, entschuldigte ich mich erneut, doch er schüttelte den Kopf. „Du hast nichts Falsches getan.“, sagte er. „Ich weiß, dass du mir nur helfen möchtest.“ Ich senkte den Blick. Es stimmte. Alles, was ich wollte, war, ihm zu helfen. Aber stattdessen hatte ich ihm nur noch mehr Sorgen bereitet. Es tat mir weh, ihn so zu sehen, doch ich wusste nicht, was ich tun sollte. „Was machst du jetzt?“, fragte ich ihn vorsichtig. „Ich gehe wohl zurück ins Hotel und schlaf eine Runde.“, antwortete er. „Immerhin ist das Zimmer noch für eine Nacht gebucht.“ Er grinste leicht, doch es war einfach nicht dasselbe Perverso-Grinsen, das er sonst immer zeigte. Es war ihm einfach deutlich anzusehen, wie erschöpft er war. „Sehen wir uns morgen?“, fragte ich ihn schüchtern. „Na klar.“, bestätigte er. „Ich hab eine Überraschung für dich.“ Fragend sah ich auf und zum ersten Mal an diesem Abend wirkte das Lächeln auf seinen Lippen wieder ehrlich. Automatisch musste ich auch lächeln. „Dann bin ich aber mal gespannt.“, sagte ich. „Bis morgen, Misaki.“ Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen Kuss auf die Wange. Erstaunt sah ich ihn an. Wieso küsste er mich auf die Wange? Er schenkte mir noch ein Lächeln und wollte sich dann zum Gehen wenden. Nein, so wollte ich ihn nicht gehen lassen. Ich packte ihn an seinem Hemd und zog ihn ein wenig zu mir, bevor ich mich auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen Kuss auf den Mund gab. Er schien für einen Moment überrascht zu sein, doch dann legte er die Arme fest um mich und erwiderte den Kuss. Als wir uns wieder voneinander lösten, waren unser beider Wangen gerötet und ich merkte, dass ich leicht außer Atem war. Doch das ehrliche Lächeln auf seinen Lippen, das dieses Mal auch seine Augen erreichte, war es definitiv wert gewesen. Er beugte sich noch einmal zu mir herunter und gab mir einen kleinen Kuss auf den Mund. „Ich liebe dich.“, sagte er. Diese Worte schienen mir jedes Mal aufs Neue eine Gänsehaut zu verpassen und mir durch Mark und Bein zu gehen. „I-ich dich auch…“, erwiderte ich und war mir sicher, dass ich schon wieder knallrot wurde. Er drückte nochmal meine Hand, bevor er sich nun endgültig umdrehte und zurück zum Taxi ging. Als er gerade einsteigen wollte, drehte er sich noch einmal zu mir. „Misaki!“, rief er mir zu. Fragend sah ich ihn an. „Hm?“ „Satsuki-san hat sich übrigens Sorgen gemacht,  weil du heute nicht im Maid Latte aufgetaucht bist.“, sagte er. Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Das hatte ich ja ganz vergessen! Mist! Takumi lachte bei meinem Anblick und stieg nun endgültig ins Taxi. Schnell machte ich mich auf den Weg ins Haus, um Satsuki anzurufen und mich zu entschuldigen.     Takumi   Seufzend ließ ich mich auf dem Hotelbett fallen, das mir alleine viel zu riesig vorkam. Es war zwar noch nicht wirklich spät, aber dennoch fühlte ich mich völlig erschöpft. Mit dem Säubern meiner alten Wohnung und dem Möbelkauf hatte ich an diesem Tag auch einiges getan, doch das, was mich so fertig gemacht hatte, waren definitiv die letzten Ereignisse gewesen. Misaki konnte sich gar nicht vorstellen, was für eine Angst ich um sie gehabt hatte. Nachdem ich mit ihr den VIP-Raum verlassen hatte und sie sicher in meinen Armen hatte halten können, waren meine Angst und die Anspannung auf einen Schlag von mir abgefallen und zurückgeblieben war pure Erschöpfung. Doch obwohl ich so erschöpft war, konnte ich nicht einschlafen. Die Sorge, dass Gerard doch noch etwas mit Misaki anstellte, ließ mich einfach nicht los. Und mitten in diesen Gedanken fielen mir auch wieder die Worte von Igarashi Tora ein. „Du warst zu lange weg, Takumi. Du hast ja keine Ahnung, was in der Zwischenzeit alles passiert ist.“, hatte er gesagt. „Ich sage dir nur eins: Glaub nicht, dass du jetzt so einfach mit Ayuzawa-san zusammen sein kannst.“ Was hatte er damit nur gemeint? Gab es da etwas, wovon ich nichts wusste? Was Misaki mir verschwieg? Bisher hatte ich von Tora nichts mehr gehört, doch ich wusste, dass ich dem Frieden nicht trauen konnte.  Als wären die Probleme auf meiner Seite noch nicht schlimm genug gewesen… Kapitel 12: Encounters ---------------------- Misaki Seufzend ließ ich mich auf einen freien Platz im Hörsaal fallen, wo meine nächste Veranstaltung stattfinden sollte. Es war eine der Vorlesungen, in denen ich auf Igarashi Tora traf. Ich hatte absolut keine Lust, diesem Menschen zu begegnen, aber so lange ich nicht alleine mit ihm war, konnte er mir wenigstens nichts antun. „Hey Misaki!“, hörte ich plötzlich die Stimme meines Kommilitonen Souta und schreckte aus meinen Gedanken. Ich muss für einen Moment ganz schön dumm aus der Wäsche geguckt haben. Über all die Ereignisse in den letzten Tagen hatte ich ganz das Liebesgeständnis vergessen, das Souta mir vor noch gar nicht so langer Zeit gemacht hatte. Ich hatte ihn seitdem einfach nicht nochmal gesehen. „Äh… hi!“, brachte ich schließlich heraus und wandte mich verlegen ab. Wie peinlich war das denn? „Alles ok?“, fragte er, während er sich auf den Platz neben mich setzte. „Alles ok.“, antwortete ich automatisch, ohne überhaupt darüber nachzudenken, dass eigentlich gar nicht alles so ok war. „Und bei dir?“ „Auch.“, erwiderte er lächelnd, wobei seine blauen Augen strahlten. In Japan sah man selten solche Augen. Sie hatten eine unglaubliche Wirkung auf die Menschen hier. Und dennoch… zumindest für mich kamen sie nicht an das strahlende Grün von Usui Augen heran. Noch während ich über Usuis Augen nachdachte, bemerkte ich, dass Tora den Hörsaal betrat. In seiner Begleitung fanden sich zwei seiner Handlanger, die er sich gleich zu Beginn des Studiums angelacht hatte. Es war unglaublich, was man mit viel Geld, einem berühmten Namen und ein wenig Ausstrahlung erreichen konnte. Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke. Er grinste, bevor er den Blick wieder abwandte und sich einen freien Platz suchte. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Ich würde diesem Kerl niemals verzeihen, wie er mir das Leben schwer machte. Ich bekam jedes Mal Bauchschmerzen, wenn ich daran dachte. „Misaki?“ Soutas Stimme riss mich aus meinen trüben Gedanken. „Äh… Entschuldigung.“, sagte ich schnell. „Was hast du gesagt?“ Er musterte mich für einen Moment und ich konnte eine Mischung aus Besorgnis und Skepsis in seinen Augen erkennen. „Was ist das eigentlich zwischen dir und Igarashi Tora?“, fragte er schließlich. Ich war mir sicher, dass das nicht das ursprüngliche Thema gewesen war. „W-was meinst du?“, wich ich der Frage aus und wandte unwillkürlich auch meinen Blick ab. Es war wie mit Usui. Man konnte ihn nicht anlügen, wenn man direkt in seine Augen sah. „Du kannst ihn ganz eindeutig nicht ausstehen.“, erklärte er schließlich. „Und Igarashi sieht immer irgendwie amüsiert aus, wenn er dich sieht. Du hast es vielleicht noch nicht gemerkt, aber immer wenn er reinkommt, suchen seine Augen den Saal nach dir ab. Und wenn eure Blicke sich begegnen, habt ihr beide immer dieselben Gesichtsausdrücke.“ Ich lachte nervös. „Achwas.“, winkte ich ab. „Wir kennen uns nur schon aus der Schulzeit und wir hatten keine so angenehmen Begegnungen miteinander.“ „Keine angenehmen Begegnungen?“, hakte Souta nach. Verdammt. Er war wirklich hartnäckig. „Er ist halt ein verzogenes, reiches Gör.“, antwortete ich, ohne ihm den eigentlichen Grund unserer Fehde zu nennen, aber auch ohne in anzulügen. „Und er denkt, dass er die Menschen um sich herum zu seinem Amüsement benutzen kann.“ Souta schien kurz über diese Worte nachzudenken. „Er ist wirklich unsympathisch.“, erwiderte er schließlich und schien meine grobe Erklärung damit zu akzeptieren. Innerlich atmete ich erleichtert aus. Ich wollte nicht, dass er von dieser Sache wusste. Ich hatte niemandem davon erzählt. Nicht mal Suzuna oder meiner Mutter. Nicht einmal Usui… Takumi Als ich aufwachte und auf die Uhr sah, war es bereits elf Uhr. Ich hatte lange gebraucht, um einzuschlafen. Gähnend streckte ich mich und setzte mich auf. Es dauerte einen Moment, bis ich meine Gedanken richtig sortiert hatte. Misaki. Gerard. Tora. Ich seufzte. Nachdem ich den Fängen meiner Familie in England entkommen war, hätte ich mir ein wenig Ruhe und ein glückliches Leben mit Misaki wirklich gewünscht. Doch so einfach würde das nicht werden. Ich musste es schaffen, dass Gerard mich endgültig in Ruhe ließ. Und auch mit Igarashi Tora würde ich mich vermutlich irgendwann noch einmal auseinandersetzen müssen. Obwohl ich nicht wusste, was los war, hatte ich dieses untrügliche Gefühl, dass mich noch etwas erwarten würde. Ich rieb mir die Augen und versuchte, die Müdigkeit abzuschütteln, die mich seit dem Aufwachen noch nicht losgelassen hatte. Erneut warf ich einen Blick auf die Uhr. In knapp zwei Stunden sollten die Möbellieferanten zu meiner Wohnung kommen und die Sachen bringen, die ich mir ausgesucht hatte. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich daran dachte, dass ich meine Zeit zukünftig mit Misaki in meiner eigenen Wohnung verbringen konnte. Von diesem Gedanken motiviert stand ich auf, sprang unter die Dusche und machte mich fertig. Ich checkte aus dem Hotel aus und fuhr mit dem Taxi zu meiner Wohnung. Ich legte ein paar letzte Handgriffe an und als die Möbellieferanten da waren, war alles zum Tausch der wenigen alten gegen die neuen Möbel bereit. Tatsächlich dauerte es nicht lange und all die neu gekauften Einrichtungsgegenstände befanden sich an ihrem richtigen Platz. Das war das erste Mal, dass die Wohnung vollständig ausgestattet war, seitdem ich sie vor sieben Jahren bezogen hatte. Zufrieden sah ich mich um. Natürlich fehlten immer noch etliche Dinge. Ich brauchte jede Menge neue Klamotten, Bettwäsche, einen neuen Fernseher plus Zubehör, einen Computer plus Zubehör und noch einige andere Dinge. Misaki würde erst heute Abend wieder Zeit haben. Mir blieben also noch einige Stunden, um ein paar Erledigungen zu machen. Schon bald saß ich wieder im Taxi. Nachdem ich neue Bettwäsche und Handtücher gekauft hatte und diese sofort in die Reinigung gegeben hatte, damit ich noch am selben Tag das Bett würde beziehen können, beschloss ich, mich um die Elektronik zu kümmern und befand mich deshalb auf dem Weg nach Akihabara. Wo könnte man besser Fernseher und Computer kaufen als in Tokyos Elektronikviertel? Ich ließ den Taxifahrer auf mich warten und kam nach etwa einer Stunde mit zwei Mitarbeitern des Elektronikmarkts, die meine Errungenschaften auf einem kleinen Wagen transportierten, wieder. Jemand, der auf einen Schlag fast 700.000 Yen ausgab, bekam wohl eine bevorzugte Behandlung. Nachdem das erledigt war, ging es darum, mir neue Kleidung zuzulegen. In Marunouchi verließ ich das Taxi und schlenderte durch die Geschäfte. Ich legte keinen großen Wert auf Markenkleidung, doch wenn man sich keine Gedanken um das Geld machen musste, fand man in den großen Modehäusern immer noch die besten Sachen. Gerade als ich das Geschäft mit vier großen Tüten verließ, rempelte mich jemand an. Ich konnte gerade noch verhindern, dass mir die Tüten aus der Hand fielen und der Inhalt sich auf der Straße verteilte. „Entschuldigung!“, hörte ich eine männliche Stimme. Ich drehte mich zu der Person um, um zu versichern, dass nichts passiert war. „Ah!“, machte die Person, als sie mein Gesicht sah und auch meine Augen weiteten sich, als ich erkannte, wer dort vor mir stand. „Sanshita-kun?“, fragte ich. Sofort veränderte sich sein Gesichtsausdruck. „Mein Name ist nicht Sanshita-kun!“, rief er aufgebracht aus. „Mein Name ist Shintani! Merk dir das endlich, Usui!!!“ Ich grinste. „Du bist es wirklich.“, sagte ich amüsiert. „Lange nicht gesehen.“ „Das wollte ICH grad sagen!“, erwiderte Shintani. „Wo warst du die ganze Zeit? Hast du eigentlich eine Ahnung, wie schlecht es Misaki geht, nur weil du auf einmal nach England abgehauen bist??“ Hatte er eine Ahnung, wie schlecht ich mich deshalb fühlte? Natürlich nicht… Er konnte auch nicht wissen, was passiert war. „Ich weiß.“, antwortete ich ernst. „Ich wollte das nicht. Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich schon viel früher zurückgekommen.“ Shintani hatte einen fragenden Blick aufgesetzt. Er hatte wirklich absolut keine Ahnung. Hatte Suzuna ihm nichts erzählt? Immerhin waren die beiden doch jetzt ein Paar, nachdem was Misaki mir erzählt hatte. Andererseits konnte ich mir bei Suzuna tatsächlich vorstellen, dass sie es ihm einfach nicht erzählt hatte. „Was hast du eigentlich gemacht?“, fragte Shintani nun und hatte einen Gesichtsausdruck aufgesetzt, der wohl böse oder streng aussehen sollte. Doch seine Neugier war unverkennbar herauszulesen. „Das ist eine längere Geschichte.“, erwiderte ich seufzend. „Ich hab Zeit!“, erklärte er sofort. Er beharrte wohl darauf, dass er eine möglichst zufriedenstellende Antwort bekam. Ich grinste. „Gut.“, sagte ich und drückte ihm die Hälfte meiner Tüten in die Hand. „Ich kann einen Helfer gut gebrauchen. Komm mit und hilf mir beim Hochtragen und beim Aufbauen und dann erzähl ich dir alles.“ Mit einem etwas verwirrten Gesichtsausdruck sah Shintani mich kurz an, bis ich mich zum Gehen wandte und er mir schließlich folgte. Bei meiner Wohnung angekommen half er mir tatsächlich, die Errungenschaften in meine Wohnung zu befördern. Er sah sich staunend um. „Bist du grad erst hier eingezogen?“, fragte er. Es war deutlich zu erkennen, dass die Wohnung nicht gerade bewohnt aussah. „Wie man’s nimmt.“, antwortete ich. „Ich hab schon während der Schulzeit hier gewohnt. Bis auf ein Sofa und einen Kleiderschrank hatte ich allerdings kaum Möbel. Ich bin erst vor ein paar Tagen wieder nach Japan gekommen. Und ich fand, es wurde langsam mal Zeit, die Wohnung richtig einzurichten.“ Sofort setzte er wieder diesen bösen und strengen Blick auf. „Was hast du so lange in England gemacht?“, fragte er. „Und warum hast du es nicht einmal für nötig gehalten, dich bei Misaki zu melden?“ Ich seufzte. Es wurde mal wieder Zeit, meine Leidensgeschichte preiszugeben. Immerhin gehörte Shintani ja irgendwie zur Familie. Wenn er und Suzuna heirateten, war er mein Schwippschwager. Denn dass ich Misaki heiraten würde, stand für mich außer Frage. Er reagierte geschockt, als ich ihm von den Ereignissen der letzten fünf Jahre erzählte. Ich wusste, dass er eigentlich kein Mitgefühl mit mir zeigen wollte. Aber Shintani war eine gute Seele und so sehr er sich auch anstrengte, er schaffte es nicht, dieses Mitgefühl vollständig zu verbergen. Ich erzählte ihm, wie ich Misaki wiedergetroffen hatte, als ich nach Tokyo gekommen war, und wie sie es geschafft hatte, meine Erinnerungen in mir wiederzuerwecken. „Also seid ihr jetzt wieder zusammen?“, fragte er schließlich, nachdem ich meine Erzählung beendet hatte. „Ja.“, antwortete ich lächelnd und dachte an Misaki. „Hmm…“, machte Shintani nur. „Eifersüchtig?“, fragte ich grinsend. „Natürlich nicht!“, brüllte er. „Ich habe selbst eine Freundin!“ „Ich weiß.“, erwiderte ich noch immer grinsend. „Die kleine Schwester.“ Er wurde rot. „Denk bloß nichts Falsches!“, sagte er schnell. „Ich bin über Misaki hinweg. Und das mit Suzuna hat nichts mit Misaki zu tun. Ich liebe Suzuna.“ „Ich hab nichts gesagt.“, wehrte ich mit erhobenen Händen ab und lachte. Er guckte schon wieder böse. „Ich wollt’s nur sagen!!!“, erklärte er mir lauthals. Misaki Ich löste die Haube, die zu meinem Maid-Kostüm gehörte und legte sie ordentlich in meinen Spind. Meine Schicht war vorbei. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Nichts. Keine neuen Nachrichten, keine verpassten Anrufe. Ich machte mir Sorgen. Zwar hatte sich Usui beim Abschied nach dem von mir initiierten Kuss wieder ganz normal verhalten, aber es war dennoch möglich, dass er mir meine Gedankenlosigkeit trotzdem noch übel nahm. Oder? Tief im Inneren wusste ich, dass Usui nicht nachtragend war, und dennoch hatte ich dieses flaue Gefühl im Magen. Wenn ich zu Hause war, würde ich mich bei ihm melden. Hier hätte ich keine Ruhe. Seufzend schlug ich den Spind zu, als ich mich umgezogen hatte. „Bis morgen!“, rief ich den anderen zu und verließ das Maid Latte durch die Hintertür. Ohne mich umzusehen, wendete ich mich nach links. „Hey!“, hörte ich eine männliche Stimme und spürte nur den Bruchteil einer Sekunde später eine Hand auf meiner Schulter. Sofort holte ich aus und wollte mich nicht nur aus dem Griff des Fremden befreien, sondern ihn auch noch durch einen gezielten Handgriff auf den Boden befördern. Doch meine Hand wurde abgefangen. „Dabei hatten wir schon solche Fortschritte gemacht…“, sagte Usui und zog einen Schmollmund. Ich atmete erleichtert aus, bevor ich ihn hoffentlich böse anguckte. „Was fällt dir ein, dich so von hinten an mich heranzuschleichen?“, brüllte ich. „Was kann ich dafür, wenn du ohne zu gucken einfach an mir vorbeistapfst?“, erwiderte er frech. Mein Blut kochte. „Idiot!“, schimpfte ich. Er grinste. Mit für ihn geringem Kraftaufwand drehte er mich um und presste mich gegen die Wand. Es tat nicht weh, aber ich spürte, dass ich mich aus dem Griff trotzdem nicht so leicht würde befreien können. „Ich mag es, wenn du so wild bist, Misa-chan~“, flötete er und beugte sich zu mir herunter, um mich zu küssen. Insgeheim gefiel es mir, wie er mich küsste. Insgeheim schmolz ich dahin, als ich seine weichen Lippen auf meinen spürte. Insgeheim loderte das Verlangen in mir auf, als er seinen warmen Körper sanft gegen meinen drückte. Aber das würde ich niemals zugeben! „Perverso!“, brüllte ich, als er den Kuss wieder beendet hatte. „Alien! Was fällt dir ein?“ Er lachte und ließ mich los. „Ich habe eine Überraschung für dich.“, sagte er lächelnd und hielt mir seine Hand hin. Zögerlich ergriff ich sie, was sein Lächeln fast schon wieder zu einem Perversogrinsen werden ließ. Und dennoch konnte ich nicht verhindern, dass ich mich nach diesem langen Tag voller Ärgernisse und schlechter Gefühle einfach nur freute, bei ihm zu sein. Kapitel 13: Interior furnishing ------------------------------- Misaki „Was ist das denn für eine Überraschung?“, fragte ich skeptisch, als wir im Fahrstuhl standen, der uns in das Stockwerk, in dem sich auch Usuis Wohnung befand, bringen sollte. Er grinste. „Siehst du gleich.“, antwortete er und zwinkerte mir einmal zu. Am liebsten hätte ich es aus ihm herausgeprügelt. Ich hasste diese Geheimnistuerei. Für so etwas war ich einfach zu ungeduldig. Eine Überraschung in seiner Wohnung? Was sollte das schon sein? Endlich hielt der Fahrstuhl und wir konnten aussteigen. Nach einigen Metern erreichten wir seine Wohnungstür. Er kramte den Schlüssel hervor und steckte ihn ins Schloss. Bevor er ihn jedoch umdrehte, guckte er mich an. „Du musst die Augen zumachen.“, verlangte er. Ich konnte es kaum glauben. War das sein Ernst? Wozu sollte das denn gut sein? „Warum muss ich die Augen zumachen?“, fragte ich widerwillig. „Na, damit du nicht sofort alles siehst!“, erklärte Usui mit einer Engelsgeduld, die mich noch mehr auf die Palme brachte. „Was alles?“, fragte ich, doch er schüttelte lachend den Kopf, bevor er den Zeigefinger an seine Lippen legte und mir zuzwinkerte. „Überraschung!“, erwiderte er. Damit hätte ich auch gleich rechnen können. Ich seufzte missbilligend, bevor ich widerwillig meine Augen schloss. Das war definitiv einfacher, als weiterhin mit ihm zu diskutieren. Er konnte nämlich manchmal mindestens genauso stur sein wie ich. Und das in den absurdesten Situationen! Ich hörte, wie er den Schlüssel nun doch noch im Schloss umdrehte und die Tür sich mit einem Klicken öffnete. Ich spürte, wie Usui sich bewegte und hinter mich trat. Er legte seine Hände von hinten über meine Augen. Ich spürte seinen Atem im Nacken, als er sprach, und ich konnte nicht verhindern, dass ich eine leichte Gänsehaut bekam. „Los geht’s.“, sagte er leise und drängte mich sanft nach vorne. Ich fühlte mich nicht wohl. Ich mochte es nicht, wenn ich nicht sehen konnte, wohin ich ging, und von anderen abhängig war. Schon in der Grundschule habe ich solche Spielchen gehasst. Nachdem wir einige Schritte gegangen waren und wir uns nun schätzungsweise im Wohnzimmer befanden, blieb Usui stehen. „Bereit?“, fragte er. „Ja.“, antwortete ich ungeduldig. Er nahm die Hände von meinen Augen und ich öffnete sie sofort. Wir befanden uns tatsächlich im Wohnzimmer, allerdings hatte es sich seit meinem letzten Besuch noch vor wenigen Tagen deutlich verändert. Das alte Sofa war verschwunden und stattdessen stand dort jetzt eine gemütliche Eckcouch, auf der einige Kissen und eine flauschige Decke lagen. Aber das war nicht das einzige, das sich verändert hatte. Auch ein neuer Fernseher mit allem möglichen Zubehör war zu finden und das Ganze stand nicht etwa auf dem Boden sondern auf einem richtigen Fernsehtisch. Es gab eine neue Stehlampe, einen Couchtisch, eine Kommode und sogar Bilder hingen an der Wand. „Und?“, fragte Usui erwartungsvoll. Ich lächelte. „Es sieht toll aus.“, erklärte ich ehrlich. Das tat es wirklich. Er musste wirklich eine Menge Geld und auch nicht wenig Arbeit hier reingesteckt haben. „Das ist noch nicht alles!“, sagte er stolz und griff meine Hand. Er führte mich ins Schlafzimmer, in dem ein großes Bett mit zwei Nachttischen und Lampen sowie ein neuer Kleiderschrank standen. „Es ist toll!“, lobte ich ihn. Er freute sich ganz offensichtlich darüber, dass es mir gefiel. Er zog mich zu sich in die Arme und hielt mich einen Moment. Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter. „Zieh bei mir ein.“, sagte er plötzlich und drückte mich dann ein kleines Stück von ihm weg, sodass er mir ins Gesicht sehen konnte. Ich bekam Bauchschmerzen. Takumi „Das kann ich nicht.“, sagte sie nach einer gefühlten Ewigkeit und wich meinem Blick aus. Ich beugte mich zu ihr herunter und versuchte so, ihren Blick wieder aufzufangen. „Wieso nicht?“, fragte ich enttäuscht. Ich hätte ehrlich gesagt nicht mit dieser Antwort gerechnet. Ich war mir ganz sicher gewesen, dass sie meinem Vorschlag zustimmen würde. „Ich kann meine Mutter und Suzuna nicht alleine lassen.“, erklärte sie hastig. „Sie brauchen mich und das Geld, das ich verdiene.“ „Ich dachte, ihr kommt mittlerweile gut zurecht?“, hakte ich nach. Ich konnte ihre Antwort nicht so einfach akzeptieren. „Aber nur, wenn ich weiterhin mit Geld verdiene.“, redete sich Misaki weiterhin heraus. „Ich unterstütze dich und deine Familie gerne!“, versuchte ich es. Misaki zog die Augenbrauen zusammen und drückte mich von sich weg. „Das will ich aber nicht!“, erwiderte sie wütend. „Ich will kein Geld von dir!“ Ich sah sie entsetzt an. Was war denn auf einmal los mit ihr? „Ich geh lieber nach Hause.“, murmelte sie, nachdem wir einige Sekunden geschwiegen hatten, und drehte sich um. Ich griff nach ihrer Hand und hielt sie zurück. „Warte.“, verlangte ich. Sie drehte sich wieder zu mir um. Der Zorn in ihren Augen war verflogen. Jetzt sah sie einfach nur noch müde aus. Sie sagte nichts, sah mich einfach nur abwartend an. „Geh nicht.“, forderte ich geknickt und drückte ihre Hand. Es dauerte ein bisschen, bis sie das sanfte Drücken erwiderte. „Okay.“, gab sie nach und wendete sich mir wieder etwas zu. „Was ist denn los?“, fragte ich sie vorsichtig. Ich kannte sie so gar nicht und hatte das Gefühl, genau aufpassen zu müssen, was ich sagte. Erneut wich sie meinem Blick aus. „Es ist nichts.“, behauptete sie wenig überzeugend. Ich zog sie ein wenig an mich heran. „Es ist nicht nichts.“, redete ich sanft auf sie ein. „Ich seh‘ doch, dass etwas ist. Rede mit mir, Misaki. Du bist meine Freundin und wenn du irgendwelche Probleme hast, dann möchte ich das gerne wissen und alles in meiner Macht stehende tun, um dir zu helfen.“ Ich spürte, dass es ihr schwer fiel, darauf zu antworten. Entweder würde sie es ablehnen, mir davon zu erzählen, oder sie würde es tun. Ich hoffte auf Letzteres. Ich konnte es nicht mit ansehen, wenn Misaki litt. Plötzlich kam mir ein Gedanke. „Hat es etwas mit Igarashi Tora zu tun?“, fragte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme bei der Nennung seines Namens kalt wurde. Sie sah ruckartig zu mir auf. Ein Volltreffer? „Hat er etwas zu dir gesagt?“, fragte sie drängend. „Er hat gesagt, dass ich ja keine Ahnung hätte, was alles passiert ist, während ich weg war.“, antwortete ich. Misaki biss sich auf die Unterlippe. Vermutlich focht sie im Inneren grad einen Kampf mit sich selbst aus. Würde sie mir nun davon erzählen? Anscheinend hatte es ja tatsächlich etwas mit Tora zu tun. Was war da nur passiert? Misaki seufzte und in diesem Moment war deutlich zu sehen, dass sie nachgab. „Okay.“, sagte sie schließlich leise. „Ich erzähle es dir.“ Kurze Zeit später saßen wir zusammen auf der neuen Couch im Wohnzimmer. Noch hatte Misaki kein Wort gesagt, doch ich drängte sie nicht. Ich wollte ihr die Zeit lassen, die sie benötigte. Sie holte einmal tief Luft und fing dann an zu erzählen. „Vor 4 Jahren, als ich gerade mitten in den Abschlussprüfungen der Oberschule steckte, musste meine Mutter ins Krankenhaus. Sie musste operiert werden. Sie hatte ein Magengeschwür, das sich immer weiter ausbreitete und auf Dauer lebensgefährlich geworden wäre. Wir konnten uns die Operation natürlich bei weitem nicht leisten. Meine Mutter konnte kaum noch zur Arbeit gehen und ihr wurde das Gehalt gekürzt. Ich habe kaum noch geschlafen zwischen Schule, arbeiten und lernen. Sogar Suzuna hat sich einen Job gesucht, aber das Geld hat hinten und vorne nicht gereicht. Ich war verzweifelt, wusste nicht, was ich machen sollte. Und eines Tages kam Igarashi Tora zu mir. Er bot mir an, die Krankenhausrechnungen meiner Mutter vollständig zu bezahlen. In so ziemlich jeder anderen Situation hätte ich dieses Angebot sofort abgelehnt, aber es ging um das Leben meiner Mutter! Verstehst du?“ Sie klang verzweifelt. So langsam verstand ich, was hier vor sich ging. Ich nickte langsam und wartete ab, dass sie weitersprach. „Ich musste das Geld annehmen…“, fuhr sie schließlich fort. „Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm jeden Cent zurückzahlen werde. Er hat nur gegrinst und dann gesagt, dass er mir 5 Jahre gibt, dieses Geld zurückzuzahlen. Und wenn ich es nicht schaffe, muss ich das Geld abarbeiten.“ Ich erwartete Schlimmes. „Als seine persönliche Maid.“, fügte sie schließlich mit einer Mischung aus Abscheu, Scham und Widerwille hinzu. In mir loderte es. Niemand, wirklich niemand trieb solche Spielchen mit meiner Misaki. Ich spürte das Adrenalin durch meine Adern rauschen. Ich merkte, wie ich richtig aggressiv wurde, obwohl das sonst gar nicht meine Art war. Ich hatte das dringende Bedürfnis, Tora auf der Stelle meine Faust ins Gesicht zu rammen. Stattdessen lehnte ich mich nach vorn und zog Misaki in meine Arme. „Mach dir keine Sorgen.“, versuchte ich, sie zu beruhigen. „Ich werde nicht zulassen, dass du so etwas machen musst.“ Misaki sagte nichts, drückte sich aber ein wenig enger an mich heran. Irgendwann öffnete sie doch noch den Mund. Sie schien darüber nachgedacht zu haben. „Ich will dein Geld aber nicht.“, murmelte sie gegen meine Brust. Ich seufzte. „Misaki…“, sagte ich. „Ich kann verstehen, dass du kein Geld von mir annehmen willst. Aber wäre es nicht viel schlimmer, wenn du das Geld bei Tora als Maid abarbeiten müsstest?“ Sie sagte nichts. „Und nicht nur für dich!“, fuhr ich fort. „Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dass du als Maid die ganze Zeit in Toras Nähe sein würdest. Wer weiß, wozu er dich drängen würde!“ Bei dem Gedanken wurde mir geradezu schlecht und ein weiter Wutschwall überkam mich. Dennoch blieb ich nach außen hin ruhig. „Und ich bin mir sicher, dass deine Mutter das auch nicht wollen würde.“, fügte ich noch hinzu. „Ich weiß…“, seufzte Misaki und sah mich niedergeschlagen an. „Bitte lass mich dir helfen.“, bat ich und sah sie, wie ich hoffte, mit einem herzerweichenden Blick an. Sie zögerte erneut. „Du kannst mir das Geld ja auch wiedergeben.“, sagte ich schnell. „Ich setze dir jedenfalls kein solches Ultimatum.“ Misaki seufzte. „Okay.“, stimmte sie schließlich widerwillig zu. Ich lächelte. „Gut.“, sagte ich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Für einen Moment hielt ich sie einfach nur im Arm. „Und?“, fragte ich irgendwann. „Ziehst du jetzt bei mir ein?“ Sie setzte sich wieder gerade hin und sah mich an. „Wieso willst du unbedingt, dass ich bei dir einziehe?“, fragte sie. „Liegt das nicht auf der Hand?“, stellte ich mit meinem charmantesten Lächeln eine Gegenfrage, die ich schließlich selbst beantwortete. „Damit ich dich zu Hause als meine persönliche Maid halten kann natürlich.“ Ich machte mich auf Schläge bereit und hob vorsichtshalber meine Arme vor das Gesicht. „Usui, du Idiot!!!“, schimpfte sie und schnappte sich das nächstbeste Kissen, um es mir auf den Kopf zu donnern. Lachend griff auch ich mir ein Kissen und wehrte mich damit gegen ihre Attacke. Es entfachte eine kleine Kissenschlacht, die damit endete, dass irgendwann alle Kissen im Raum verteilt lagen und wir somit keine Waffen mehr in Reichweite hatten. Brüllend stürzte ich mich auf sie und nagelte sie, sie an ihren Handgelenken festhaltend, am Sofa fest. ich grinste auf sie hinab, während sie mir einen ihrer fiesesten Dämonenblicke gönnte. Ich gab ihr einen kleinen Kuss auf die Lippen. Als ich sie wieder ansah, war ihr Blick weicher geworden. „Zieh bei mir ein.“, sagte ich zum wiederholten Male. Wieder vergingen einige Sekunden, bevor Misaki antwortete. „Okay.“, sagte sie schließlich und gab mir damit endlich die Antwort, die ich hören wollte. Erneut beugte ich mich zu ihr herunter und küsste sie dieses Mal richtig. Kapitel 14: Approval -------------------- Takumi Endlich war es so weit. Ich hatte vor Aufregung kaum schlafen können und war nun eigentlich viel zu müde, um die schweren Umzugskartons zu tragen. Meine Vorfreude auf das Zusammenleben mit Misaki machte das aber wieder wett. Am vorigen Tag hatten wir noch einen großen Schreibtisch für Misaki gekauft, damit sie auch gut zu Hause für ihr Studium arbeiten konnte. Und nun kamen endlich ihre Sachen hierher und machten ihren Einzug damit komplett. „Takumi!“, rief Misaki aus Richtung Tür. „Hilfst du mir mal?“ Schnell ging ich zu ihr und nahm ihr den großen Karton ab. Das hätte ich mir ja denken können, dass sie versuchte, die schweren Bücherkisten alleine zu tragen. „Du hättest mir nur die Tür richtig aufmachen müssen!“, protestierte Misaki, die niemals zugeben würde, dass der Karton schwer gewesen war. Ich grinste nur. Seufzend ließ sie sich auf die Couch fallen und griff nach einer der Wasserflaschen, die auf dem Tisch standen. „Das war der letzte.“, sagte sie und sah sich im Raum um, der momentan mit Kisten vollstand. Ich setzte mich neben sie und griff nach ihrer freien Hand. „Willkommen zu Hause.“, sagte ich und setzte mein charmantestes Lächeln auf. „Lass das Perverso-Grinsen!“, forderte Misaki sofort. Ich lachte. Ich verstand gar nicht, wieso sie immer so auf mein Lächeln reagierte. „Ich geh duschen.“, sagte sie dann und stand auf. Duschen war eine gute Idee. Ich sah auf die Uhr. In eineinhalb Stunden waren wir bei ihrer Familie zum Essen verabredet. Minako Ayuzawa hatte darauf bestanden, an diesem Tag für uns zu kochen und wir hatten diese Einladung dankend angenommen. Ich war froh, dass sie mit dem Auszug ihrer Tochter sofort einverstanden gewesen war. Ich ging ins Bad und zog mir mein leicht verschwitztes T-Shirt über den Kopf. Gerade als ich meine Hose und meine Boxershorts abgestreift hatte, öffnete sich die Badezimmertür. Misaki hatte ein paar Klamotten, die sie zuvor noch aus dem Schlafzimmer geholt hatte, unter den Arm geklemmt, welche sie allerdings fallen ließ, als sie mich sah. „USUI!“, rief sie laut und mit knallrotem Gesicht, bevor sie sich umdrehte, um mich wohl nicht mehr ansehen zu müssen. „Was?“, fragte ich unschuldig. „Ich habe doch gesagt, dass ICH jetzt duschen gehen wollte!“, keifte sie. „Was machst du hier?“ „Ich dachte, wir könnten zusammen duschen.“, erklärte ich. „Spinnst du jetzt total?“, schrie sie weiter. „Perverso! Alien!“ „Komm schon, Misaki.“, sagte ich. „Dreh dich um.“ „NEIN!!“ „Ist ja nicht so, als hättest du mich noch nie nackt gesehen.“, neckte ich sie und konnte sehen, wie sich langsam auch ihre Ohren rot färbten. „Also ich kann nie genug davon bekommen, dich nackt zu sehen.“, redete ich vergnügt weiter. „Weil ich dich liebe und dich unglaublich attraktiv finde.“ Ich machte eine kurze Pause, doch Misaki ging immer noch nicht auf mich ein. Ich unterdrückte ein Kichern. „Liebst du mich denn nicht?“, fragte ich mit traurigem Unterton und setzte dabei automatisch einen Hundeblick auf. „IDIOT!“, rief sie und stapfte nun aus dem Bad, wobei sie Tür hinter sich zuknallte. Ich seufzte. „Das tat weh, Misaki…“, sagte ich leise zu mir selbst. Misaki Wütend ließ ich mich aufs Sofa fallen, bevor ich wieder aufstand und unruhig auf und ab schritt. Warum tat er so etwas? Und warum sagte er so etwas? Und wieso zur Hölle musste ich so ausrasten? Er hatte doch recht! Es war ja wirklich nicht so, als hätte ich ihn noch nie nackt gesehen. Und natürlich gefiel mir sein Anblick. Ich könnte jedes Mal wieder schwach werden, wenn ich ihn sah. Natürlich fand ich ihn attraktiv und natürlich liebte ich ihn. Wieso konnte ich das nicht einfach zugeben? Wieso konnte ich mich einfach nicht an diese Art der Nähe gewöhnen? War ich zu schüchtern? Zu verklemmt? Zu stolz? Ich ärgerte mich über mich selbst. Usui war immer so lieb zu mir, auch wenn er mich manchmal etwas ärgerte. Wenn ich immer so biestig zu ihm war, konnte er mich dann überhaupt noch lieben? Würde er nicht irgendwann die Schnauze voll haben? Ich wollte nicht, dass das passierte. Usui war der einzige Mann in meinem Leben, den ich jemals geliebt habe und je lieben werde. Die fünf Jahre, in denen er weg war, hatten das deutlich genug gezeigt. Ich holte einmal tief Luft und ging dann wieder zur Badezimmertür. Ich zögerte kurz, klopfte dann jedoch an. Es kam keine Antwort. Ich hörte von innen das Plätschern der Dusche. Vorsichtig drückte ich die Türklinke hinunter. Die Tür war immer noch nicht abgeschlossen. „Takumi?“, fragte ich vorsichtig. Das Wasser wurde abgedreht. „Ja?“, kam die Antwort aus der Dusche. „Es tut mir leid.“, sagte ich und schluckte meinen Stolz dabei hinunter. „Okay.“, erwiderte Takumi und stellte das Wasser wieder an. Ich schluckte. War er böse? Für einen Moment stand ich einfach nur da, bevor ich anfing, mich auszuziehen. Entschlossen und gleichzeitig nervös und mit einem gewissen Schamgefühl öffnete ich die Tür zur Dusche. Takumi sah mich erstaunt an. Mir schoss die Röte nur umso mehr ins Gesicht, als ich ihn nackt vor mir stehen sah. Das Wasser lief an seinem Körper hinab und das nasse Haar klebte ihm in der Stirn. Ich machte einen letzten Schritt auf ihn zu, legte meine Arme um ihn und küsste ihn. Mittlerweile vermutlich tomatenrot sah ich zu ihm auf. „Natürlich liebe ich dich.“, sagte ich schließlich. Er lächelte dieses unglaubliche Lächeln, das mir jedes Mal wieder weiche Knie verschaffte. „Ich liebe dich auch, Misaki.“, erwiderte er und küsste mich erneut. Takumi „Setzt euch doch schon mal.“, forderte Minako Ayuzawa uns auf, nachdem wir uns begrüßt hatten. „Suzuna und Hinata sollten auch gleich da sein.“ „Sanshi… Ich mein… Shintani kommt auch?“, fragte ich und konnte gerade noch verhindern, ihn vor Misakis Mutter Sanshita-kun zu nennen. „Natürlich.“, antwortete sie mit einem warmen Lächeln. „Er gehört ja auch schon zur Familie. Immerhin sind er und Suzuna schon seit vier Jahren ein Paar.“ Ich spürte tatsächlich einen kleinen Stich der Eifersucht. Misaki und ich waren erst seit kurzem offiziell ein Paar. Wenn ich damals nicht nach England gegangen wäre und der Unfall nicht passiert wäre, wären wir jetzt schon über fünf Jahre zusammen. Und vielleicht würde Misakis Mutter dann auch über mich sagen, dass ich schon zur Familie gehören würde. Wenig später trafen auch Suzuna und Shintani ein. Misaki stand sofort auf, um sie direkt an der Tür in Empfang zu nehmen und zu begrüßen. Ich folgte ihr. Nach kurzem Hallo drückte Suzuna Misaki einen Geschenkkorb in die Hand. „Was ist das denn?“, fragte Misaki und betrachtete den Inhalt des Korbs, der aus verschiedenen Lebensmitteln, Öl, Essig und Wein bestehen zu schien. „Das ist für euch für die Wohnung.“, erklärte Suzuna. „Zum Einzug.“ „Danke.“, sagte Misaki. „Das wär aber wirklich nicht nötig gewesen.“ Ich wettete, dass Misaki ein schlechtes Gewissen hatte, weil Suzuna Geld für sie ausgegeben hatte, obwohl sie das Geld vermutlich selbst hätte gebrauchen können. „Mach dir keine Gedanken.“, erwiderte Suzuna. „Das habe ich in einem Preisausschreiben gewonnen.“ Ich musste schmunzeln. Ja, Suzuna war immer schon etwas eigen gewesen mit ihren Preisausschreiben. Mein Blick fiel auf Shintani, der etwas hinter Suzuna stand. Er starrte mich, die Hände in die Taschen gesteckt, an und als sich unsere Blicke trafen, nickte er kurz. „Jo.“, sagte er, wohl zur Begrüßung. „Jo.“, erwiderte ich mit einem vermutlich etwas sarkastischen Schmunzeln. Misaki ging beladen mit dem Geschenkkorb zurück in die Küche, während Shintani und ich uns immer noch einen Anstarrwettbewerb lieferten. „Hina-chan.“, sagte Suzuna, die sich zum Gehen wandte. „Kommst du?“ Shintani brach den Blickkontakt ab, als er zu ihr sah. „Ja.“, bestätigte er sofort und machte Anstalten, ihr zu folgen. Als er mit mir auf einer Höhe war, legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. „Hina-chan?“, fragte ich leise mit einem breiten Grinsen. „Klappe.“, forderte er ebenso leise und mit geröteten Wangen. Vielleicht könnte der Abend mit Shintani noch recht amüsant werden. „Itadakimasu!“, sagten wir alle im Chor und fingen an zu essen. Glücklicherweise konnte Minako Ayuzawa deutlich besser kochen als ihre älteste Tochter. „Und? Takumi-san…“, sprach Misakis Mutter mich irgendwann an. „Konntest du dich wieder gut hier einleben?“ „Dank Ihrer Tochter ging das tatsächlich sehr schnell.“, antwortete ich lächelnd. Auch sie lächelte. Ich war mir sicher, dass sie es gern hörte, wenn man positiv über ihre Töchter redete. „Ich bin wirklich froh, dass sie jetzt bei mir eingezogen ist.“, fuhr ich fort. „Es ist lange her, dass ich mit jemandem zusammengewohnt habe, der mir so am Herzen liegt.“ Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass Misaki rot wurde. „Und was hast du jetzt vor?“, fragte nun Shintani mit einem strengen Blick, so als müsse er als Mann im Hause Misakis Vater ersetzen. Ich lächelte ihn charmant an. „Ich möchte zum neuen Semester anfangen, Medizin zu studieren.“, antwortete ich. Neben mir ließ Misaki ihre Gabel sinken und sie sah mich mit großen Augen an. „Das hast du ja noch gar nicht erzählt!“, sagte sie mit deutlicher Empörung. „Tut mir leid.“, erwiderte ich. „Eigentlich wollte ich es dir erst erzählen, wenn ich die Zulassung habe.“ „Und wo willst du studieren?“, fragte sie weiter. „Tokyo Universität.“, antwortete ich. Ich glaubte, einen Hauch Erleichterung in ihrem Blick sehen zu können. Als würde ich jetzt, nachdem ich endlich mit Misaki zusammen sein konnte und sie sogar bei mir eingezogen war, Tokyo verlassen. „Und wieso Medizin?“, fragte Ayuzawa-san nun. „Nach meinem Unfall bin ich von den besten Ärzten Englands behandelt worden. Sie haben alles getan, um mein Leben zu retten. Ihre Arbeit war einwandfrei. Aber mir hat trotzdem etwas gefehlt.“, erklärte ich. „Die Menschlichkeit. Es war, als würden sie an einem kaputten Gegenstand Reparaturen ausführen und nicht als würden sie mit einem menschlichen Wesen umgehen.“ Ich spürte die mitleidigen Blicke auf mir, die ich eigentlich gar nicht gut haben konnte. Ich wollte kein Mitleid. „Ich möchte einem Patienten nicht nur die bestmögliche medizinische Behandlung zukommen lassen, sondern auch auf menschlicher Ebene mit ihm umgehen.“ „Das klingt wundervoll.“, sagte Ayuzawa-san und schenkte mir dasselbe warme Lächeln, das sie gezeigt hatte, als sie über Shintani gesprochen hatte. Es war wirklich erstaunlich, wie wohl ich mich in dieser warmherzigen Familie fühlte. Als wir mit dem Essen fertig waren und uns noch eine Weile mit Misakis Familie unterhalten hatten, wollten wir uns langsam auf den Weg nach Hause machen. Wir mussten noch Misakis Sachen auspacken, zumindest soweit, dass sie an die wichtigsten Dinge herankam. „Takumi-san.“, hielt Ayuzawa-san mich auf, als Misaki zusammen mit Suzuna und Shintani schon die Küche verlassen hatte. Ich drehte mich zur ihr um und sah sie fragend an. „Ich möchte mich bei dir bedanken.“, sagte sie nun lächelnd. „Bei mir bedanken?“, hakte ich erstaunt nach. Sie nickte. „Ja.“, bestätigte sie. „Seit du wieder hier bist, ist Misaki endlich wieder glücklich. Ich habe sie so lange nicht mehr so glücklich gesehen. Sie hat immer nur gearbeitet oder gelernt. Sie hat nichts mit ihren Freunden gemacht und nach dir damals auch nie einen Jungen mitgebracht. Ich wusste, dass es daran lag, dass du nicht mehr da warst. Aber ich habe nicht verstanden, wieso du weg warst.“ Ich spürte einen Stich. Ich fühlte mich immer noch schlecht, dass ich Misaki so lange allein gelassen hatte. „Und dann…“, fuhr Ayuzawa-san fort. „…ganz plötzlich… war sie wieder glücklich. Und dann hat sie dich hierhergebracht und ihr habt mir erzählt, was passiert ist. Ich habe gemerkt, dass du für Misaki da sein möchtest, dass sie dir sehr viel bedeutet. Und ich war noch nie so froh wie in diesem Moment. Ich danke dir, Takumi-san, dass du für meine Misaki da bist.“ Ich war von ihren Worten ehrlich berührt. Ich lächelte. „Misaki ist für mich das Wichtigste auf dieser Welt.“, erklärte ich. „Glauben Sie mir, ich werde sie nie wieder alleine lassen und immer für sie da sein. Für den Rest meines Lebens. Das verspreche ich Ihnen.“ Ayuzawa-san lächelte und ich glaubte, eine kleine Träne in ihren Augenwinkeln aufblitzen zu sehen. „Pass bitte gut auf meine Misaki auf.“, sagte sie. „Mache ich.“, erwiderte ich. „Versprochen.“ „Takumi!“, hörte ich Misakis Stimme aus dem Flur, bevor sie den Kopf durch die Tür steckte und uns verwundert ansah. „Kommst du?“ Ich lächelte sie an. „Ich komme.“, antwortete ich und folgte ihr aus der Küche heraus. Kapitel 15: Departure --------------------- Takumi Als das Klingeln meines Handys mich aus dem Schlaf riss, wusste ich für einen Moment gar nicht, wo ich war. Nur langsam realisierte ich, dass ich zusammen mit Misaki in unserem neuen gemeinsamen Bett in meiner alten Wohnung lag. „Mhhh…“, machte Misaki verschlafen und zog sich die Decke über den Kopf, wohl um das Klingeln des Handys von ihren Ohren abzuschirmen. Schnell nahm ich das Handy, schwang mich aus dem Bett und nahm den Anruf an, als ich im Wohnzimmer war. Ich wollte Misaki schließlich nicht beim Schlafen stören. Es war noch dunkel draußen und ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es erst fünf Uhr morgens war. „Hallo?“, meldete ich mich mit vor Müdigkeit rauer Stimme. „Guten Morgen, Bruderherz.“, hörte ich die Stimme Gerards und bekam direkt Kopfschmerzen. „Was willst du?“, fragte ich unwillig. Am liebsten würde ich einfach auflegen und mich wieder zu Misaki ins Bett legen. Aber ich wusste, dass das nur noch mehr Probleme bereiten würde. „Na na…“, erwiderte Gerard in tadelndem Ton. „Spricht man so etwa mit seinem einzigen Bruder?“ „… Was willst du?“, fragte ich nach kurzem Schweigen erneut. Gerard seufzte theatralisch. „Du musst mit mir zurück nach England kommen“, rückte er schließlich mit der Sprache heraus. „Tschüss, Gerard.“, sagte ich nur und war drauf und dran, nun doch einfach aufzulegen. „Warte!“, rief er schnell und ich hielt inne. „Ich meine es ernst. Großvater ist krank. Die Ärzte sagen, er hat nicht mehr lange und wir müssen sofort zurück nach England.“ „Warum sollte ich ihn sehen wollen?“, fragte ich. Glaubte Gerard wirklich, dass ich irgendeine emotionale Bindung zu diesem Mann besaß, der mich sein Leben lang nicht nur nicht als Familienmitglied anerkannt hatte, sondern mich auch noch abgeschoben hatte, nachdem meine Mutter gestorben war? „Es ist sein Wunsch, dass du auch kommst.“, erwiderte Gerard ernst. Das bezweifelte ich. „Warum?“, hakte ich nach, da ich mir absolut keinen Grund dafür ausmalen konnte. Für Richard Rachester existierte ich doch quasi nicht einmal. „Da fragst du wirklich den Falschen.“, antwortete Gerard. „Ich kann es mir auch nicht erklären. Wahrscheinlich die Launen eines alten Mannes.“ Erneut seufzte ich. Was sollte ich nur tun? Ich hatte absolut kein Bedürfnis, nach England zu fliegen und meinen Großvater zu sehen. Aber konnte ich wirklich den Wunsch eines sterbenden Mannes ignorieren? Sofern es denn wirklich sein Wunsch gewesen war und das Ganze nicht aus Gerards Mist gewachsen war, um mich zurück nach England zu bringen. Ich warf einen sehnsüchtigen Blick Richtung Schlafzimmer, in dem Misaki lag und wahrscheinlich selig schlief. „Also schön…“, gab ich schließlich nach. „Ich komme mit.“ So konnte ich wenigstens die Gelegenheit nutzen und mit alldem abschließen. „Wunderbar.“, sagte Gerard. „Ich habe die Tickets schon gekauft. Der Flug geht um 10:15 Uhr. Wir treffen uns am Narita Airport.“ „Okay.“, bestätigte ich und legte nach einer knappen Verabschiedung auf. Ich fuhr mir mit einer Hand durchs Haar. Wie würde Misaki es wohl aufnehmen, wenn ich ihr sagte, dass ich in gerade einmal fünf Stunden nach England fliegen würde? Misaki Ich hatte Usui im Nebenzimmer reden hören, auch wenn ich nicht verstanden hatte, was er gesagt hatte. Jetzt war es still. Ich machte mir Sorgen. Ein Anruf um fünf Uhr morgens konnte ja gar nichts Gutes verheißen. Leise öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer und Usui setzte sich auf die Bettkante. „Misaki?“, sagte er leise. Ich drehte mich zu ihm und sah ihn besorgt an. „Du bist wach?“, fragte er. „Mhm…“, bestätigte ich verschlafen. „Das Klingeln hat mich geweckt.“ „Tut mir leid.“, entschuldigte er sich. Ich schüttelte den Kopf, um zu zeigen, dass es in Ordnung war. „Was war denn los?“, fragte ich nun mit einem flauen Gefühl im Magen. Usui seufzte. „Das war Gerard.“, antwortete er und bestätigte damit meine Vermutung. „Mein Großvater ist krank und anscheinend wünscht er sich, mich zu sehen.“ Das flaue Gefühl wurde immer stärker und die Müdigkeit wurde langsam von einer ungreifbaren Angst verdrängt. Ich setzte mich leicht auf. „…und?“, hakte ich nach, obwohl ich die Antwort eigentlich schon kannte. „Ich fliege in ein paar Stunden zusammen mit Gerard nach England.“, antwortete er. Alles in mir sträubte sich dagegen, das zu akzeptieren. Aber wer war ich, ihm zu sagen, dass er seinen kranken Großvater nicht sehen durfte? „Glaub mir, Misaki.“, fuhr er fort. „Ich würde viel lieber hier bei dir bleiben. Aber trotz allem kann ich den Wunsch eines sterbenden Mannes nicht einfach abschlagen. Und bei der Gelegenheit kann ich mich gleich noch um einige Dinge kümmern und mit alldem einfach abschließen.“ Es klang so, als hätte er sich das genau überlegt und als würde er diese Argumente benutzen, um nicht nur mich sondern auch sich selbst davon zu überzeugen, nach England zu fliegen. „Ich verstehe…“, sagte ich zögerlich. „Natürlich verstehe ich das. Aber… ich habe trotzdem Angst.“ Usui rückte ein Stück näher zu mir, legte einen Arm um mich und zog mich so etwas zu sich. „Ich verspreche dir, dass ich zurückkomme.“, sagte er leise und strich mir mit seiner freien Hand sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bleibe nicht lange weg.“ „Kannst du das wirklich versprechen?“, fragte ich. „Was ist, wenn dir wieder etwas passiert?“ „Mir wird nichts passieren.“, widersprach Usui sofort. „Glaub mir, ich habe meinen Lebensvorrat an Pech schon vor fünf Jahren verbraucht.“ Zufrieden war ich mit dieser Antwort ganz und gar nicht, aber ich wusste, dass es mehr als unwahrscheinlich war, dass ihm schon wieder etwas Derartiges passieren würde. Außerdem wäre es nicht richtig, ihn nie wieder in seinem Leben irgendwohin gehen zu lassen. Und verbieten konnte und wollte ich ihm schon gar nichts. „Wann geht dein Flug?“, fragte ich nachgebend. „Um 10:15 Uhr.“, antwortete er. „Das heißt, ich muss mindestens eine Stunde früher am Narita Airport sein, also etwa um halb neun hier los.“ Ich sah auf die Uhr. Es war gerade einmal 5:27 Uhr. Es blieben uns also noch etwa drei Stunden, auch wenn er die zumindest teilweise damit verbringen musste, einige Sachen zusammenzupacken. Takumi Ich hatte gewusst, dass Misaki über die Nachricht, dass ich nach England fliegen würde, nicht gerade erfreut sein würde. Aber genauso hatte ich gewusst, dass sie mich nicht daran hindern würde. Trotzdem hatte ich eigentlich absolut keine Lust, mich von ihr verabschieden zu müssen und sie mehrere Tage nicht sehen zu können. Umso mehr verspürte ich das Verlangen, ihr noch so lange wie möglich so nahe wie möglich zu sein. Ich zog sie noch ein wenig näher an mich heran und auch sie legte ihre Arme um mich. Sie vergrub ihr Gesicht an meinem Hals, sodass ich ihren regelmäßig gehenden Atem auf meiner Haut spüren konnte. Ich bekam eine leichte Gänsehaut. Ich legte eine Hand an ihre Wange und brachte sie so dazu, ihren Kopf zu heben, sodass ich sie küssen konnte. Es dauerte nicht lange, bis die Küsse immer leidenschaftlicher wurden und wir begannen uns gegenseitig zu streicheln, zu liebkosen, uns gegenseitig auszuziehen und schließlich ein letztes Mal, bevor ich nach England flog, miteinander zu schlafen. „Es wird Zeit.“, sagte Misaki mit deutlichem Widerwillen in der Stimme, nachdem sie einen Blick auf die Uhr geworfen hatte, die mittlerweile schon 8:21 Uhr anzeigte. „Nur einen Moment noch.“, wehrte ich ab, zog sie in meine Arme und gab ihr einen Kuss. Je näher der Zeitpunkt der Abreise rückte, desto ungewillter war ich, sie jetzt für ein paar Tage alleine lassen zu müssen. Und dabei waren wir gerade erst zusammengezogen. Die nächsten Tage hätten eigentlich so etwas wie unsere vorhochzeitlichen Flitterwochen werden sollen. „Ich liebe dich, Misaki.“, sagte ich leise und sah ihr in die Augen. Sie lächelte. „Ich liebe dich auch, Takumi.“, erwiderte sie. Für einen Moment sah ich sie einfach nur an. Mein Kopf war nur mit ihr gefüllt, alles andere war egal. Erneut küsste ich sie und zog sie nur noch näher an mich heran. Ich fühlte mich körperlich gar nicht dazu in der Lage, sie loszulassen. So sehr liebte ich sie… Es klingelte an der Tür. „Das ist das Taxi.“, sagte Misaki. Schweren Herzens ließ ich sie los, ging zur Gegensprechanlage und teilte dem Taxifahrer mit, dass wir jetzt nach unten kommen würden. Misaki hatte darauf bestanden, dass sie noch mit zum Flughafen kommen würde. Ich sah das mit gemischten Gefühlen. Einerseits wollte ich natürlich jede Minute mit ihr auskosten, die ich noch haben konnte. Andererseits wollte ich eigentlich nicht, dass sie Gerard begegnete. Eigentlich wollte ich so viel Abstand wie möglich zwischen die beiden bringen. Doch mit Misaki gab es keine Diskussion. Sie wollte mit und damit war das erledigt. Misaki Es war 9:11 Uhr, als wir den Flughafen erreichten. Als wir die große Halle betraten und uns in Richtung Check-in begaben, konnten wir Gerard schon von weitem sehen. Bei ihm standen Cedric und eine junge blonde Frau, die ich noch nie gesehen hatte. Ich spürte, wie sich Usui neben mir verkrampfte. Als Gerard uns entdeckte, breitete er die Arme aus und lächelte uns entgegen. „Bruderherz.“, begrüßte er Usui überschwänglich. Man konnte Usui seine Abneigung ansehen. Nach Usuis knappen Gruß, wandte sich Gerard an mich. Er ergriff meine Hand und gab mir galant einen Handkuss. „Ayuzawa-san.“, sagte er mit einem widerlich charmanten Lächeln. „Hallo.“, antwortete ich etwas unbehaglich. Schwungvoll wies er auf die Blondine, die etwa einen Meter hinter ihm stand. „Ihr kennt euch noch nicht, nicht wahr?!“, sagte er mit einem Grinsen, das seine Freude an dieser Situation zu deutlich zeigte. Ich ahnte, wer dort vor mir stand. „Misaki Ayuzawa, das ist Sarah Hastington, Takumis Verlobte.“ Seine Worte waren wie eine Ohrfeige, obwohl ich die Umstände kannte. „Ex-Verlobte!“, warf Usui sofort ein. „Und das auch nur, weil ihr es mir eingeredet habt, nachdem ich mein Gedächtnis verloren habe.“ „Aber, aber! Takumi.“, tadelte Gerard ihn, wie er es so gerne tat. „Immerhin wart ihr fünf Jahre ein Paar.“ „Das kann man wohl kaum so nennen.“, widersprach Usui mit eiskaltem Blick. Gerard winkte ab. „Wie auch immer.“, sagte er und wandte sich dann an Sarah, die wohl kein Japanisch sprach. Auf Englisch fuhr er dann fort. „Sarah, das hier ist Misaki Ayuzawa, Takumis… Geliebte.“ Obwohl mein Englisch sicherlich nicht das beste war, konnte ich dennoch genau verstehen, was er da sagte. Und sein Tonfall war eindeutig. Ich musterte Sarah, die keinerlei Überraschung zeigte, nachdem Gerard mich vorgestellt hatte. Genau wie ich musste sie wohl schon eine Ahnung gehabt haben, wer ihr gerade gegenüber stand. Sie reichte mir eine Hand, die ich – zugegebenermaßen mit leichtem Widerwillen – ergriff und schüttelte. „Schön, Sie kennenzulernen.“, sagte ich mit wohl nicht ganz akzentfreien Englisch. Reine Höflichkeit. „Ganz meinerseits.“, antwortete sie mit der gleichen aufgesetzten Höflichkeit. Ich bemerkte, dass ihre Hand sehr zierlich war so wie eigentlich die ganze Person. Sie ist mit Sicherheit nie Dämonen-Kaichou genannt worden, hatte sich sicherlich nie mit einem ganzen Haufen Jungs angelegt und war sicherlich immer schon sehr feminin gewesen. Ihr gegenüber kam ich mir wie ein Gorilla vor. Und das obwohl ich selbst vielleicht sogar ein bisschen kleiner als Sarah war und ich mich selbst auch nur als schlank bezeichnen konnte. Als wir unsere Hände wieder voneinander lösten, bemerkte ich, wie ihr Blick für einen kurzen Moment zu Usui schwenkte. Sehnsucht und eine gewisse Qual lagen darin. „Misaki.“, sprach Usui mich an, legte einen Arm um meine Schultern und zog mich ein wenig zu sich. Fragend sah ich ihn an. „Lass dich von Gerard nicht ärgern.“, sagte er leise. „Du weißt, dass zwischen mir und Sarah nichts ist… und niemals war!“ „Ich weiß.“, bestätigte ich, auch wenn ich zugeben musste, dass es wirklich kein allzu schönes Gefühl war, diese Frau kennenzulernen. Insbesondere, da ich wusste, dass sie nun zusammen mit Usui nach England fliegen würde und Gerard vermutlich gewillt war, so einiges zu tun, um die Verlobung der beiden wieder herzustellen. „Mach dir keine Sorgen.“, sagte Usui dann und strich mir sanft über die Wange. „Du bist alles, was ich brauche, Misaki. Ich liebe dich so sehr, dass ich sowieso für keine andere Frau Augen habe.“ Ich lächelte. Ohja, genau so sehr liebte ich ihn auch, auch wenn ich einfach nicht gut darin war, diesen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ich zupfte leicht an seinem Hemd. „Rufst du mich an, wenn du da bist?“, fragte ich. „Sobald ich gelandet bin.“, versprach er. „Gut.“, erwiderte ich. Er sah mich an und sagte für einige Sekunden gar nichts. Dann beugte er sich zu mir herunter und küsste mich. „Ich liebe dich.“, sagte er erneut. „Ich dich auch.“, erwiderte ich. Ein letztes Mal zog er mich an sich und küsste mich. „Mach’s gut, Misaki.“, sagte er leise. „Du auch.“, antwortete ich. Er drückte noch einmal meine Hand, bevor er sich von mir löste und zusammen mit Gerard, Cedric und Sarah eincheckte und hinter der Absperrung verschwand. Kapitel 16: Sick bed visit -------------------------- Takumi Ich saß mit Gerard, Cedric und Sarah in einer Limousine, die uns geradewegs zum Anwesen von Richard Rachester bringen sollte – meinem Großvater. Natürlich lag er nicht im Krankenhaus, sondern wurde von einem ganzen Ärzteteam zu Hause umsorgt. Je näher wir unserem Ziel kamen, desto mulmiger wurde das Gefühl in meinem Bauch. Ich dachte an Misaki, die mittlerweile vermutlich schon wieder schlief. Immerhin war ich bereits vor über 14 Stunden in Tokyo gestartet. Durch die Zeitverschiebung war es hier in England erst später Nachmittag, während es in Japan schon nach Mitternacht war. Ich war müde. Immerhin hatte Gerards Anruf mich in aller Frühe aus dem Bett geholt und geschlafen hatte ich danach nicht mehr. Ich hatte zwar versucht, im Flugzeug etwas zu schlafen, schon allein, um jedes Gespräch möglichst vermeiden zu können, aber ich war einfach zu unruhig gewesen. Immerhin hatte ich bei meinem letzten Besuch in England keine guten Erfahrungen gemacht. „Wir sind gleich da.“, sagte Gerard mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. „Ich weiß.“, sagte ich. Es war ja nicht so, als wäre ich zum ersten Mal hier. Ich kannte die Gegend ganz genau. „Ich würde sagen, wir machen uns alle etwas frisch, bevor wir zu Großvater gehen.“, fuhr Gerard fort. „Sarah, du kannst mit auf Takumis Zimmer gehen.“ Ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Entschuldige, Sarah, aber das halte ich für keine gute Idee.“, wandte ich sofort ein. „Es gibt genügend Gästezimmer und die meisten haben ein eigenes Bad. Du hast also eine große Auswahl.“ „Ich finde, du könntest deine Verlobte ruhig in deinem Zimmer aufnehmen.“, erwiderte Gerard mit einem Unterton, den er immer aufsetzte, wenn er eindeutig Spaß an der Situation hatte. „Ich habe dir bereits gesagt, dass wir die Verlobung gelöst haben.“, widersprach ich sofort. Ich wusste, dass ich Sarah mit meinen Worten wehtat, aber das konnte ich leider nicht verhindern. Ich wollte keine Zweifel darüber aufkommen lassen, dass es definitiv keine Hochzeit zwischen mir und Sarah geben würde. „Das sagst du jetzt.“, sagte Gerard mit einem Lächeln, das mir einen Schauer über den Rücken jagte. Ich sagte nichts mehr. Es hatte keinen Zweck mit ihm zu diskutieren. In diesem Moment bogen wir auf die pompöse Einfahrt des Rachester-Anwesens ein. Mein Blick verfinsterte sich, als ich die große Villa sah, die von penibel gepflegten Gärten und klischeehaftem englischen Rasen umgeben wurde. All die Jahre, die ich gezwungen war, hier zu leben, hatte ich diese festen hohen Mauern als Gefängnis empfunden. Es war kein gutes Gefühl, zurückzukehren. Erneut schweiften meine Gedanken zu Misaki. Misaki Was für ein furchtbarer Tag! Nachdem ich Usui am Morgen zum Flughafen begleitet hatte und dort nicht nur die bissigen Bemerkungen Gerards hatte ertragen müssen, sondern auch noch Usuis Ex-Verlobte hatte kennenlernen müssen, hatte ich einen Anruf aus dem Café Latte erhalten. Hina-chan, ein junges Mädchen, das erst vor wenigen Wochen bei uns angefangen hatte, war krank geworden und Satsuki hatte verzweifelt gefragt, ob ich für sie einspringen konnte. Ich hatte gedacht, dass ich die Ablenkung gut gebrauchen konnte und hatte sofort zugesagt. Aber dummerweise hatte ich mich während der Arbeit gar nicht konzentrieren können. Alles war schief gegangen, was schief gehen konnte. Gegen Ende meiner Schicht hatte Satsuki mich beiseite genommen und gefragt, ob mit mir alles okay sei. Ich hatte knapp berichtet, was los war, und Satsuki hatte natürlich nur Verständnis für mich gezeigt. So war unsere Chefin eben. Sie hatte gesagt, dass jetzt sowieso nicht mehr so viel los sei, und mich nach Hause geschickt. Auf dem Heimweg, den ich dann widerwillig angetreten war, hatte ich noch eine Kleinigkeit eingekauft und natürlich war mir auf dem Weg dann die Einkaufstüte gerissen. Jetzt war es bereits nach Mitternacht und ich lag im Bett, konnte aber absolut nicht einschlafen. Ich hatte mich sowieso noch nicht an diese Wohnung gewöhnt und nun, da Usui nicht hier war, fiel es mir wirklich schwer, mich hier wie zu Hause zu fühlen. Dazu kamen natürlich noch die Sorgen, die ich mir um ihn machte. Ständig sah ich auf mein Handy, aber ich hatte noch keinen Anruf bekommen. Ob er wohl noch anrufen würde? Vielleicht dachte er, dass ich schon schlief und wollte mich deshalb nicht stören. Seufzend drehte ich mich auf die andere Seite. Hoffentlich rief er bald an. Takumi Ich öffnete die Tür zu dem Zimmer, das ich die letzten fünf Jahre lang bewohnt hatte. Es war kalt. Nicht, dass die Temperatur zu niedrig gewesen wäre. Aber das ganze Zimmer strahlte eine gewisse Kälte aus. Es war schön eingerichtet, aber hatte keinerlei Persönlichkeit. Ich erkannte mich selbst in diesem Zimmer nicht wieder. Wie auch? Ich wusste ja fünf Jahre auch nicht einmal, wer ich war. Und jetzt, da ich es wieder wusste und sogar meine Misaki wiederhatte, fühlte ich mich hier nur noch unwohler. Ich warf meine Reisetasche auf das große Bett. Ich hatte mich geweigert, meine Sachen von einem der zahlreichen Butler tragen zu lassen. Ich hatte mich noch nie wohl dabei gefühlt, bedient zu werden. Seufzend zog ich mein Handy aus meiner Tasche. Es war 16:43 Uhr, was bedeutete, dass es in Japan schon 0:43 Uhr war. Misaki schlief bestimmt längst. Andererseits hatte ich versprochen, sie anzurufen, wenn ich da war. Vielleicht machte sie sich auch Sorgen um mich und konnte nicht schlafen. Ich beschloss, es auf einen Versuch ankommen zu lassen und tippte auf Misakis Kontakt in meinem Handy. Das Signal verriet mir, dass es jetzt bei Misaki klingeln sollte. Ich hoffte, dass ich sie nicht weckte. „Takumi?“, hörte ich Misakis Stimme nach dem dritten Klingen. „Hey.“, sagte ich und fühlte mich gleich besser, nachdem ich Misakis Stimme gehört hatte. „Endlich rufst du an.“, sagte sie. „Ich bin gerade in dem Anwesen meiner Familie angekommen und sitze in meinem Zimmer.“, erzählte ich. „Hab‘ ich dich geweckt?“ „Nein.“, antwortete Misaki zu meiner Erleichterung. „Ich konnte nicht schlafen. Ich hab‘ mir Sorgen um dich gemacht.“ Ich muss lächeln. Sie hatte sich also tatsächlich Sorgen gemacht. „Es geht mir gut.“, wollte ich ihr ihre Sorgen nehmen. „Ich bin nur ein bisschen müde.“ „Kein Wunder.“, erwiderte sie. „Hast du denn ein bisschen im Flugzeug geschlafen?“ „Ich hab’s versucht.“ Ich seufzte. „Aber wirklich schlafen konnte ich nicht. Wenigstens konnte ich so unnötigen Gesprächen aus dem Weg gehen.“ „Deinen Großvater hast du noch nicht gesehen?“, fragte Misaki dann. Bei dem Gedanken, dass mir das noch gleich bevorstand, verschlechterte sich meine Laune sofort. „Nein.“, antwortete ich. „Wir sind wirklich grad erst hier angekommen. Gerard meinte, wir sollen uns doch alle kurz frisch machen, bevor wir zu ihm gehen. Und so hab‘ ich wenigstens die Chance, dich kurz anzurufen.“ „Ich bin froh, dass du angerufen hast.“, sagte Misaki. So fürsorglich kannte ich sie kaum. Das lag wohl daran, dass sie sich wirklich Sorgen um mich machte. Kein Wunder nach dem, was das letzte Mal passiert war. „Ich bin auch froh, dass ich mit dir reden konnte.“ Das war ich wirklich. „Aber du solltest wohl schlafen, hm?“ „Sollte ich wohl…“, seufzte Misaki. Sie hörte sich plötzlich sehr müde an. Als sei die ganze Anspannung, die sie vom Schlafen abgehalten hatte, plötzlich von ihr abgefallen. Und vielleicht war es auch so. „Ich ruf dich morgen wieder an.“, versprach ich und hoffte, dass ich wirklich dazu kommen würde. Mal abgesehen davon, dass ich nicht wusste, was mir hier bevorstand, gab es auch noch den Zeitunterschied, der es nicht gerade vereinfachte, eine passende Zeit zum Telefonieren zu finden. „Mach das bitte.“, erwiderte Misaki. „Wenn irgendetwas ist, kannst du dich auch jederzeit bei mir melden. Egal wie spät es ist.“ Ich musste lächeln. Das war meine Misaki. Auch wenn sie oft hart und unnachgiebig war, so hatte sie tief im Inneren schon immer eine fürsorgliche Seite gehabt. Wenn jemand wirklich ihre Hilfe brauchte, so war stets auf sie Verlass. „Danke, Misaki.“, sagte ich mit einem Lächeln. „Ich liebe dich.“ „Ich… Ich liebe dich auch.“, erwiderte sie. Noch immer stolperte sie ein bisschen bei diesen Worten. Aber das machte es nur umso liebenswürdiger. „Mach’s gut.“, sagte ich. „Du auch.“ Damit legten wir auf. Wie ich diese Frau vermisste… Was würde ich darum geben, sie jetzt bei mir zu haben, sie in den Arm zu nehmen, sie zu küssen und ihr so nahe sein zu können, wie es nur möglich war. Ich war einfach verrückt nach ihr. Etwa eine halbe Stunde später traf ich mich wieder mit Gerad, Cedric und Sarah im Foyer. Ich fragte mich, wieso Cedric und Sarah dabei waren. Sollte es nicht genügen, wenn Gerad und ich unseren Großvater besuchten? Cedric lief Gerard überall hinterher, sofern er keinen anderen Befehl bekommen hatte. Und Sarah? Ich wusste beim besten Willen nicht, was sie hier zu suchen hatte. Gemeinsam gingen wir zum Zimmer meines Großvaters, was in diesem riesigen Anwesen immerhin ein paar Minuten dauerte, da er in einem Flügel auf der anderen Seite der Villa hauste. Gerard klopfte an die Tür und man hörte ein knurrendes „Herein!“ von der anderen Seite der Tür. Als wir eintraten, konnten wir Richard Rachester in dem riesigen Bett liegend sehen, das in der Mitte des Raumes stand. Ein Tropf war an seinem Arm befestigt und ein Arzt war gerade dabei, seinen Puls zu messen. „Hallo Großvater.“, begrüßte Gerard ihn und trat ohne zu zögern auf ihn zu. Keiner von uns anderen traute sich, so direkt auf ihn zuzugehen. Richard Rachesters Blick ging an Gerard vorbei und fiel direkt auf mich. Sein Blick verfinsterte sich. „Was will er ihr?“, fragte er meinen Bruder, als würde ich nicht existieren. „Aber Großvater.“, erwiderte Gerard. „Du selbst hattest doch nach Takumi gefragt.“ „Habe ich das?“, fragte Richard Rachester plötzlich und wirkte ehrlich verunsichert und im selben Augenblick zeigte er eine Schwäche, die ich noch nie an ihm gesehen hatte. Anscheinend ging es ihm wirklich nicht gut. Er war einfach alt. „Ja, hast du.“, bestätigte Gerard. „Ich habe dir erzählt, dass er sein Gedächtnis zurückerlangt hat und jetzt wieder in Japan leben möchte. Erinnerst du dich?“ „Ja…“, antwortete er zögerlich und wirkte dabei nicht sehr überzeugend. „Ja…“ Sein Blick fiel auf Sarah und Cedric. „Wer sind die anderen beiden?“, fragte er. Gerard sah kurz zu uns herüber, bevor er unseren Großvater wieder ansah. „Du solltest Cedric kennen, Großvater.“, sagte Gerard. „Er arbeitet schon seit Jahren für uns. Er ist mein persönlicher Assistent.“ „Ja…“, erwiderte Richard Rachester. „Natürlich.“ „Und die junge Dame hier…“, fuhr Gerad fort. „… das ist Takumis reizende Verlobte Sarah Hastington.“ Großvaters Blick erhellte sich deutlich. Mit dem Namen Hastington konnte er eindeutig etwas anfangen. „EX-Verlobte.“, warf ich schnell ein. Ich wollte auf keinen Fall irgendwelche Missverständnisse aufkommen lassen. „Was soll das bedeuten?“, fragte Richard Rachester, dessen Miene sich sofort wieder verdunkelt hatte. „Nachdem ich mein Gedächtnis wiedererlangt habe, habe ich die Verlobung gelöst.“, erklärte ich ernst. Ich verschränkte meine Arme. „Unsinn.“, wehrte er ab. „Eine Hochzeit mit einer Hastington ist das Beste, was dir passieren könnte. Ich müsste mich endlich nicht mehr für diesen Bastard eines Enkels schämen, den meine Tochter hier in die Welt gesetzt hat.“ Seine Worte trafen mich weit weniger, als sie sollten. Ich war es mittlerweile einfach schon gewohnt, was die ganze Sache nur noch trauriger machte. „Ich bin der Meinung, dass Takumi sogar ein würdevoller Erbe wäre, wenn er Sarah heiraten würde.“, mischte sich nun Gerard ein. „Wie du weißt, habe ich nun mal die schwache Gesundheit meiner Mutter geerbt, während Takumi vollkommen gesund ist. Mit ihm wäre das Fortbestehen unserer Familie also gesichert.“ „Ich habe kein Interesse daran, irgendein Erbe anzutreten!“, widersprach ich vehement. Ich wurde langsam sauer. „Du wirst sie heiraten!“, sagte Richard Rachester bestimmend. „Das ist mein letztes Wort.“ „Du kannst nicht über mein Leben bestimmen.“, wehrte ich mich weiterhin und wurde langsam lauter. „Und schon gar nicht, nachdem du mich nach dem Tod meiner Mutter nach Japan abgeschoben hast. Die Usuis waren mir mehr Familie, als du es jemals gewesen bist. Ich werde Sarah nicht heiraten! Ich werde kein Erbe antreten! Und ich werde auch nicht in England leben!“ Wütend wollte ich mich zum Gehen wenden. Mein Großvater öffnete den Mund und ich erwartete, einen seiner berühmten Wutausbrüche zu erleben. Doch stattdessen hörte ich nur ein Keuchen. Er griff sich an die Brust und verdrehte seine Augen. Während alle um mich herum panisch wurden, blieb ich bewegungslos stehen und fühlte mich unfähig, irgendetwas zu tun. Kapitel 17: Temporarily not available ------------------------------------- Misaki Obwohl Usui und ich erst eine Nacht in dem neuen Bett in unserer Wohnung gemeinsam verbracht hatten, fühlte es sich trotzdem ganz eigenartig an, alleine dort aufzuwachen. Ich starrte auf den leeren Platz neben mir und dachte an Usui. Wie es ihm wohl ging? Als wir am Abend zuvor – eigentlich war es hier ja schon eher Nacht gewesen – telefoniert hatten, war er gerade erst angekommen. Mittlerweile musste es aber schon einige Stunden her sein, dass er seinen Großvater gesehen hat. Wie das Treffen wohl verlaufen war? Usui schlief bestimmt. Hier war es 8:30 Uhr, was bedeutete, dass es in England 0:30 Uhr war. Nachdem Takumi so eine kurze Nacht gehabt hatte und dann nach England gereist war, war er am Abend bestimmt hundemüde gewesen und war so schnell wie möglich schlafen gegangen. Ich seufzte, als ich meine Beine aus dem Bett schwang und mich streckte. Ich wünschte, ich könnte mit ihm sprechen, hören, wie es ihm ging... Es hatte keinen Zweck. Leicht widerwillig erhob ich mich vom Bett und ging Richtung Bad. Ich durfte mich nicht so verrückt machen. Usui würde das schon alles regeln können. Er war mittlerweile ein erwachsener Mann. Er war intelligent, selbstbewusst und besaß Durchsetzungsvermögen. Natürlich würde er das alles hinbekommen und wohlbehalten zu mir zurückkommen. Und dennoch... Ich konnte meine Sorgen einfach nicht abschalten. „Was machst du nur mit mir?“, murmelte ich. „Baka Usui...“ „Misaki-san!“ Ich drehte mich um und erspähte meinen Kommilitonen Souta, der wohl auch gerade auf den Weg zur Uni war. „Morgen.“, grüßte ich ihn und lächelte. So langsam konnte ich wieder normal mit ihm umgehen. Er erwiderte das Lächeln. „Morgen.“, sagte auch er. „Wie geht’s dir?“ „Etwas müde, aber sonst ganz gut.“, antwortete ich, nur halb ehrlich. Ich hatte ein wenig Bauchschmerzen und war mir sicher, dass die von meinen Sorgen um Usui stammten. „Und dir?“, fragte ich schnell, bevor meine Gedanken wieder komplett bei Usui landeten. „Mhm.“, machte Souta nur und lächelte. Ich wusste nicht, was das heißen sollte, wollte aber auch nicht weiter nachhaken. „Sag mal, Misaki-san...“, sagte Souta stattdessen und legte sich verlegen die Hand in den Nacken. „Könntest du mir eventuell einen Gefallen tun?“ „Was für einen Gefallen?“, fragte ich neugierig. „Nunja...“, druckste er ein wenig herum. „Es ist so... Meine Eltern wollen eine Hochzeit für mich arrangieren.“ Meine Augen wurden groß. Eine arrangierte Hochzeit? „Natürlich will ich das nicht...“, fuhr er fort. „Ich meine... ich will nicht irgendeine fremde Person heiraten. Und deshalb, naja... aus Verzweiflung habe ich behauptet, ich hätte schon eine Freundin.“ Ich ahnte, was nun kommen würde. „I-ich kann verstehen, wenn du nein sagen würdest.“, beeilte er sich zu sagen. „Aber... wenn’s geht... könntest du vielleicht... naja... so tun, als wärst du meine Freundin?“ Nachdem er die ganze Zeit verlegen auf den Boden gestarrt hatte, sah er nun vorsichtig auf. Sein Blick zeigte eine Mischung aus Nervosität und Verzweiflung. „Mh... Souta...“, begann ich. Sofort hob er abwehrend die Hände und unterbrach mich. „Du musst gar nichts sagen, Misaki-san.“, sagte er mit einem gequälten Lachen. „Ist ja verständlich, dass du nicht willst... Ich meine... das war echt eine blöde Idee.“ Ich konnte nicht anders. Ich musste lächeln. Er war so süß, wie er so hilflos vor mir stand. Während Usui mich meistens an einen ausgewachsenen Dobermann erinnerte, wirkte Souta eher wie ein tapsiger kleiner Labrador-Welpe. „Ich mach’s.“, sagte ich. „Hah?“, machte Souta und sah erstaunt auf, bevor sich seine Miene aufhellte. „Wirklich??“ „Wirklich.“, bestätigte ich lachend. So zu tun, als wäre ich die Freundin eines anderen als Usui, widerstrebte mir zwar, aber Souta war ein Freund und ich musste ihm einfach helfen. Takumi Es war erst fünf Uhr morgens und ich war bereits hellwach. Nachdem ein Arzt nach meinem Großvater gesehen hatte, ihm ein paar Medikamente verabreicht und Entwarnung gegeben hatte, war ich todmüde ins Bett gefallen und direkt eingeschlafen. Und jetzt lag ich hier und konnte nicht mehr einschlafen. Ich dachte über die Ereignisse des vorherigen Tages nach. Es war klar gewesen, dass Richard Rachester keineswegs erfreut sein würde, mich zu sehen. Und dass er auf die Hochzeit zwischen mir und Sarah bestanden hatte, war auch keine Überraschung gewesen. Ich dachte an Misaki. Wie ich mir wünschte, einfach bei ihr zu sein… und wir waren gerade erst zusammengezogen. Ich starrte auf die Uhr. Wenn es in England fünf Uhr morgens war, dann war es in Japan 13 Uhr am Nachmittag. Sie saß sicherlich noch in ihren Vorlesungen. Ich würde sie später anrufen. Ich sah mich im Zimmer um. Fünf Jahre lang hatte ich hier gelebt. Obwohl mir immer eingeredet worden war, dass dies hier mein Zuhause sei, hatte ich dennoch immer gespürt, dass irgendetwas fehlte. Irgendetwas hatte mich davon abgehalten, dieses Haus, dieses Zimmer, diese Familie als mein Zuhause anzusehen. Was es war, war mir erst bewusst geworden, nachdem ich nach Japan gegangen war und dort Misaki wiedergetroffen hatte. Seufzend stand ich auf. Es hatte ja keinen Zweck. Wenn ich nicht mehr schlafen konnte, sollte ich lieber irgendetwas Sinnvolles tun. Ich schaltete das Deckenlicht an, um besser sehen zu können, und begann, meine Sachen durchzuschauen. Ich war zwar bereit gewesen, alles hier zurückzulassen, aber vielleicht fanden sich ja doch noch ein paar Sachen, die ich noch gebrauchen konnte. Gegen acht Uhr morgens hatte ich eine Kiste voll mit einigen Klamotten, Büchern, CDs und ähnlichem. Inzwischen waren auch einige andere Bewohner dieses Hauses auf den Beinen. Ich beschloss, dass es mittlerweile spät genug war, um frühstücken zu gehen. Ich wollte mit Gerard reden und ihm klarmachen, dass ich vorhatte, schnellstmöglich nach Japan zurückzukehren. Ich wusste nicht, was ich hier noch sollte. Ich sprang kurz unter die Dusche und zog mich an, bevor ich mein Zimmer verließ und mich zum Esszimmer aufmachte, in dem die Hausangestellten das Frühstück bereits angerichtet hatten. Als ich das Esszimmer betrat, saßen Gerard und Sarah schon am Tisch. „Guten Morgen, Takumi.“, begrüßte Gerard mich mit seinem charmantesten Lächeln. „Guten Morgen.“, erwiderte ich den Gruß und nickte auch Sarah kurz zu, die verlegen den Blick senkte. „Guten Morgen.“, sagte sie leise. „Hast du gut geschlafen?“, fragte Gerard mich. „Endlich wieder im eigenen Bett…“ „In meinem eigenen Bett habe ich die Nacht davor geschlafen.“, erwiderte ich genervt. „Nur leider viel zu kurz, weil jemand der Meinung war, mich um fünf Uhr morgens anrufen zu müssen und mich nach England mitnehmen zu müssen.“ Gerard schmunzelte. „Du kannst nicht behaupten, dass ich dich gezwungen hätte, Bruderherz.“, antwortete er deutlich amüsiert. „Du hast aus freien Stücken entschieden, den womöglich letzten Wunsch unseres Großvaters nicht abzuschlagen.“ „Nun, ob es nun wirklich der Wunsch Großvaters war oder nicht…“, lenkte ich ein. „Unser Treffen ist wohl ziemlich danebengegangen. Ich glaube nicht, dass es einen Zweck hat, wenn ich noch länger hierbleibe. Ich möchte so schnell wie möglich zurück nach Japan.“ Gerard sah mich mit großen Augen an. „Du kannst doch jetzt nicht einfach verschwinden, Takumi.“, sagte er. „Nachdem Großvater gestern eine Herzattacke hatte.“ „Der Arzt hat Entwarnung gegeben.“, widersprach ich. „Außerdem glaube ich, dass es besser für sein Herz wäre, wenn ich ihm nicht mehr unter die Augen trete.“ „Sag das nicht.“, widersprach Gerard wiederum mir. „Du bist immer noch der Sohn seiner Tochter. Sein Enkelsohn. Familie.“ „Meine Familie lebt in Japan.“, erwiderte ich. „Egal, was du sagst… Du wirst immer ein Teil dieser Familie sein, Takumi. Du bist mein Bruder genauso wie du Großvaters Enkelsohn bist.“ Für einen Moment sah ich in Gerards Augen. „Du hast recht.“, sagte ich schließlich. „Wir beide haben dieselbe Mutter und das ist nun mal Richard Rachesters Tochter. Es besteht kein Zweifel daran, dass wir Blutsverwandte sind. Aber das macht euch nicht zu meiner Familie.“ Misaki „Alles okay?“, fragte Souta mich, nachdem wir gemeinsam aus seinem Auto gestiegen waren. Er hatte mich von zu Hause abgeholt und jetzt befanden wir uns vor dem Haus seiner Eltern. Es war ein recht stattliches Anwesen. Anscheinend hatte Soutas Familie Geld. „Um ehrlich zu sein bin ich ein wenig nervös.“, gestand ich. Würde wirklich alles gutgehen? Immerhin sollte ich Soutas Eltern vormachen, ich sei seine Freundin. „Es tut mir leid, Misaki-san.“, entschuldigte Souta sich und wirkte etwas geknickt. „Nein, nein.“, wehrte ich sofort ab. „Es ist schon okay. Ich… werd das schon hinkriegen.“ Ein leichtes Lächeln trat auf seine Lippen. „Ich weiß wirklich nicht, wie ich dir jemals dafür danken soll…“ „Wofür sind Freunde denn da?“, fragte ich und lächelte ihn aufmunternd an. Er nickte dankbar und atmete dann einmal tief durch, bevor wir ins Haus gingen.“ „Tadaima!“, rief Souta, als wir das Haus betraten und kurz darauf betrat eine zierliche Frau mittleren Alters den Hausflur. Das musste Soutas Mutter sein. Sie hatte ein hübsches Gesicht, das vor Aufregung strahlte. „Willkommen, willkommen!“, rief sie aus und verneigte sich vor mir. „Du musst Ayuzawa-san sein. Ich bin Soutas Mutter, Nishikawa Aeko. Es freut mich, dich kennenzulernen.“ Sofort verneigte ich mich ebenfalls. „Die Freude ist ganz meinerseits, Nishikawa-san.“, sagte ich höflich. „Danke, dass Sie mich für heute eingeladen haben.“ Sie sah mich strahlend an, bevor sie uns einladend hinein winkte. „Kommt rein, kommt rein.“, sagte sie und ging voran ins Wohnzimmer. „Schatz, Souta und Ayuzawa-san sind hier.“ Auf dem Sofa saß ein gutaussehender Mann mittleren Alters mit dunklem Haar und ebenso strahlend blauen Augen wie Souta. Als er sich erhob, sah ich, dass er recht groß war. Er war eindeutig kein Japaner. Ich hatte nicht gewusst, dass Souta nur zur Hälfte Japaner war. Andererseits erklärten sich so seine Augen… Er musterte mich kurz, bevor er mir die Hand gab, die ich sofort ergriff. „Du bist also Misaki. Es freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Ethan Nishikawa, Soutas Vater.“ Er sprach in flüssigem aber nicht ganz akzentfreiem Japanisch. Auch wenn er schon lange in Japan lebte, schien er einige Angewohnheiten beibehalten zu haben. Dass er mich direkt beim Vornamen und ohne Honorifika ansprach, machte mich direkt noch nervöser. „Es freut mich auch, Sie kennenzulernen, Nishikawa-san.“, erwiderte ich und kam nicht drum herum, mich leicht zu verneigen. „Du kannst mich Ethan nennen.“, warf er ein und lächelte mich freundlich an. Ich wurde rot. Diese offene Art war ich einfach nicht gewohnt. „Schatz.“, ermahnte seine Frau ihn. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass man das in Japan einfach nicht macht.“ Sie wandte sich an mich. „Mach dir keine Gedanken, Liebes. Du musst ihn nicht Ethan nennen.“ „O-okay?!“, antwortete ich etwas verunsichert. Sie lächelte zufrieden. „Setzt euch doch.“, forderte sie uns schließlich auf und wies auf die geräumige Sitzecke. Der Tee stand schon bereit und während wir uns hinsetzten, schenkte sie jedem eine Tasse ein. „Also… Ayuzawa-san…“, sprach Soutas Mutter mich an. „Ich wusste ja gar nicht, dass mein Sohn eine so reizende Freundin hat. Er erzählt uns ja nichts. Kaum zu glauben, dass wir für ihn eine Hochzeit arrangieren wollten. Ich meine, er ist ja auch schon 23 und man wird ja nicht jünger…“ Ich musste schlucken, wobei ich mir Mühe gab, mein Lächeln beizubehalten. Was meinte sie denn mit „schon 23“? War es denn wirklich so außergewöhnlich, wenn man mit 23 noch keine Aussicht auf eine Hochzeit hatte? „Gott sei Dank hat er jetzt dich. Dann müssen wir uns wirklich keine Sorgen mehr wegen einer Hochzeit machen.“ Meine Augen wurden groß. Was hatte sie da gerade gesagt? „Okaa-san…“, unterbrach Souta seine Mutter mit einem leicht genervten Unterton. „Was redest du denn da? Misaki-san und ich sind noch nicht lange zusammen und du redest von Hochzeit…“ Sie schlug sich die Hand vor den Mund. „Oh, bitte entschuldige. Ich wollte dich wirklich nicht verschrecken… Ich bin nur etwas aufgeregt, weil das das erste Mal ist, dass Souta ein Mädchen mit nach Hause bringt.“ Ich warf einen Blick in Soutas Richtung. Seine Wangen waren leicht gerötet und er mied meinen Blick. Ich musste schmunzeln. Souta war wirklich ein süßer Kerl. Vielleicht hätte ich mich wirklich in ihn verguckt, wenn es Usui nicht gäbe… Plötzlich hörte ich mein Handy klingeln. „Entschuldigung!“, beeilte ich mich zu sagen und kramte mein Handy hervor, um schnell den Anruf wegzudrücken. Ein Blick auf das Display verriet mir, dass es Usui war, der gerade versucht hatte, mich anzurufen. Es versetzte mir einen kleinen Stich, als ich seinen Anruf wegdrücken musste. Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, was ich hier gerade tat? Auf einmal bekam ich ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte ich das hier doch nicht machen sollen. Andererseits war Souta mein Freund und ich wollte ihm wirklich helfen. So eine arrangierte Ehe… das war wirklich keine kleine Sache. Es war ein totaler Gewissenskonflikt. „Misaki-san?“ Soutas Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Entschuldigung.“, platze ich heraus. „Ja?“ Er musterte mich kurz. „Alles in Ordnung?“, fragte er, anscheinend ehrlich besorgt. „Alles in Ordnung.“, winkte ich schnell ab und lächelte ihn an. „War das ein wichtiger Anruf?“, fragte er weiter, wohl immer noch nicht ganz zufrieden. „Sehr wichtig.“, dachte ich. „Nein, nicht wichtig.“, sagte ich und schaltete mein Handy aus für den Fall, dass er es nochmal probierte. So schmerzhaft das auch war, jetzt gerade sollte ich mich auf Souta und seine Eltern konzentrieren. Takumi Hatte Misaki mich weggedrückt? Mein Herzschlag beschleunigte sich unangenehm und mein Magen zog sich leicht zusammen. Ich probierte es nochmal. Dieses Mal meldete sich direkt die Mailbox. Erst hatte sie mich weggedrückt und dann ihr Handy ausgeschaltet? Ich sprang auf. Ich hatte die Diskussion mit Gerard über meine Rückkehr nach Japan zwar noch nicht zu Ende geführt, aber eins stand jetzt fest: Ich würde den nächsten Flug nach Tokyo nehmen. Kapitel 18: Serious accusations ------------------------------- Misaki „Du glaubst gar nicht, wie dankbar ich dir bin, Misaki…“ Souta war im Laufe des Abends dazu übergegangen, mich lediglich bei meinem Vornamen zu nennen. „Ach…“, winkte ich ab, obwohl ich ehrlich gesagt froh war, dass es jetzt vorbei war. „Hab‘ ich doch gern gemacht.“ „Ich mein’s ehrlich.“, warf Souta ein. „Du hast mich wirklich gerettet. Ich hätte wirklich nicht gewusst, wie ich da wieder rausgekommen wäre, wenn du mir nicht geholfen hättest. Und ich bin dir wirklich dankbar dafür. Ich weiß, dass es für dich auch nicht so leicht war. Ich meine… du hast schließlich schon einen Freund und alles.“ Seine letzten Worte murmelte er eher und sah dabei verlegen auf den Boden. „Naja…“, erwiderte ich. „Das stimmt schon. Aber du bist eben auch ein Freund und Freunden muss man schließlich helfen. Oder?“ Ich lächelte ihn aufmunternd an. Er erwiderte das Lächeln zaghaft. „Danke.“, sagte er. Ich lachte. „Jetzt hör schon endlich auf, dich bei mir zu bedanken!“, forderte ich und knuffte ihn in die Seite. Auch er musste lachen. Nervös sah ich auf meine Uhr. Es war zwar wirklich lieb von Souta, dass er mich nach Hause begleitete, immerhin war es schon dunkel, aber eigentlich wollte ich nur schnellstmöglich alleine sein, damit ich Usui zurückrufen konnte. Drei Stunden hatte ich bei Soutas Eltern verbracht und mehr als einmal wäre mir beinahe etwas herausgerutscht, was verraten hätte, dass ich eigentlich gar nicht seine Freundin war. Mir tat es leid, seine Eltern zu belügen, sie schienen sehr nett zu sein. Andererseits war auch ich der Meinung, dass eine arrangierte Hochzeit unzumutbar war. Innerlich seufzte ich. Was für ein Schlamassel. Endlich standen wir vor dem großen Apartmentkomplex, in dem ich seit gerade erst seit zwei Tagen wohnte. „Hier wohnst du jetzt also?“, fragte Souta und sah nach oben. „Mhm… ja.“, bestätigte ich, auch wenn es mir immer noch komisch vorkam. „Er scheint Geld zu haben.“, stellte Souta fest und warf mir einen Seitenblick zu. „Ja.“, bestätigte ich erneut. „Hat er wohl. Er hat schon in der Highschool hier gewohnt und nachdem er einige Jahre in England verbracht hatte, hat er sich wieder hier niedergelassen. Ich bin einfach bei ihm eingezogen.“ Unwillkürlich machte mein Herz einen kleinen Hüpfer, als ich mir vor Augen hielt, dass ich nun tatsächlich mit ihm zusammenwohnte. Auch wenn er gerade nicht da war… Souta seufzte. „Scheint, als hätte ich wirklich keine Chance.“, sagte er in bedauerndem Tonfall. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. „Souta…“, fing ich an, doch er unterbrach mich lächelnd. „Mach dir keine Gedanken, Misaki.“, wehrte er ab. „Ihr gehört zusammen, das kann jeder merken, der euch nur mal zusammen gesehen hat.“ Ich lächelte verlegen. „Danke.“, sagte ich, wobei ich vermutlich etwas gerötete Wangen hatte. „Mhm…“, machte er, während er noch immer lächelnd in den dunklen Himmel sah, in dem man aufgrund der vielen Lichter der Stadt nur sehr vereinzelt ein paar Sterne sehen konnte. „Ich mach mich dann mal auf den Weg… Schlaf schön, Misaki.“ „Danke für’s nach Hause bringen.“, erwiderte ich. „Und schlaf du auch schön!“ Er schenkte mir noch ein Lächeln, bevor er sich mit erhobener Hand umdrehte und davonging. Sofort als ich die Wohnung betreten hatte, kramte ich mein Handy hervor, schaltete es ein und wählte Usuis Nummer. Mit klopfendem Herzen hielt ich mir den Hörer ans Ohr. Bitte bitte geh ran, dachte ich mir still. Mailbox. Ich fluchte innerlich. Ich hatte einen Kloß im Magen. Hoffentlich war nichts Schlimmes passiert. Nachdem, was das letzte Mal passiert war, als er nach England gegangen war, konnte ich nicht anders, als mir Sorgen zu machen. Takumi Natürlich wollte Gerard mich nicht einfach gehen lassen. Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt, ihm mitzuteilen, dass ich abreisen würde. Ich konnte diese Entscheidung für mich selbst treffen. Ich war erwachsen und hatte mich aus dem Griff der Walker-Familie befreit. Ich brauchte kein Erbe und von Familienbande konnte sowieso keine Rede sein. Unglücklicherweise hatte ich vergessen, wie gut das Informationsnetzwerk innerhalb dieses Anwesens funktionierte. Natürlich hatte Gerard die Anweisung gegeben, mich genauestens zu beobachten und ihm bei jeder Kleinigkeit Bescheid zu geben. Und dass ich mit gepackten Sachen versuchte, das Haus zu verlassen, war für ihn wohl nicht mehr als Kleinigkeit zu betrachten. Gerade hatte ich noch einmal versucht, Misaki zu erreichen, da hatte Gerard mich erwischt. Er hatte mir das Handy abgenommen, es ausgeschaltet und in seine eigene Tasche gesteckt. „Du kannst nicht einfach abreisen.“, sagte Gerard. Ich seufzte. „Was soll ich noch hier?“, fragte ich ruhig und ließ mich in einen der samtenen und vermutlich furchtbar teuren Ohrensessel nieder. Das würde bestimmt ein bisschen dauern. „Großvater ist krank.“, erwiderte Gerard. „Wir wissen nicht, wie lange er noch zu leben hat.“ „So wie ich ihn kenne, wird er noch eine ganze Weile auf Erden wandern.“, erklärte ich. „Du hast ihn doch gesehen!“, protestierte Gerard. „Das hatten wir doch schon.“, sagte ich noch immer ruhig. „Ich bezweifle sehr stark, dass meine Anwesenheit irgendeinen positiven Effekt auf Großvaters Zustand haben würde. Eher im Gegenteil. Seine Reaktion auf mich gestern hat wohl kaum zu einer schnellen Genesung geführt.“ „Du bist sein Erbe!“ Langsam wurde Gerard etwas lauter. „Nein.“, wehrte ich ab. „Du bist sein einziger Erbe.“ „Das ist nicht wahr!“ „Gerard…“, sagte ich weiterhin ruhig. „Ich möchte dieses Erbe nicht. Diese Familie hat mir mehr Leid zugefügt, als dass sie mir eine echte Familie war.“ „Wir haben uns die letzten fünf Jahre um dich gekümmert!“ Ich konnte nicht anders, als zu lachen. „Um mich gekümmert?“, fragte ich beinahe schon amüsiert. „Nachdem ich den Unfall hatte und mein Gedächtnis verloren hatte, habt ihr mich belogen und versucht, aus mir einen Menschen zu machen, der ich gar nicht bin. Ihr wolltet, dass ich eine mir vollkommen fremde Frau heirate. Durch Cedric und die ganzen Maids und Butler hatte ich kaum mal eine Minute für mich, ihr habt mich zu hunderten gesellschaftlichen Veranstaltungen geschleppt, aber noch nie in meinem Leben bin ich so einsam gewesen wie in den letzten fünf Jahren.“ „Wir wollten nur das Beste für dich!“, widersprach Gerard hitzig. „Das Beste für mich?“ Langsam verlor auch ich meine Geduld. „Das Beste für mich ist, mich einzusperren und mir ein Leben aufzuzwängen, welches ich nicht führen möchte?“ „Es reicht!“ Die tiefe Stimme Richard Rachesters hallte durch den geräumigen Saal. Auf einen Gehstock gestützt stand er in der jetzt weit geöffneten Flügeltür und starrte mit strengem Blick auf uns. Gerard und ich zuckten beide zusammen und wandten unsere Blicke in die Richtung unseres einzigen gemeinsamen lebenden Verwandten. „Großvater!“, rief Gerard aus und machte ein paar Schritte auf ihn zu. „Sei still!“, forderte Richard Rachester in einem knurrenden Ton. Gerard blieb abrupt stehen. Großvaters Blick richtete sich auf mich. „Du!“, donnerte seine Stimme durch den Raum. Anscheinend hatte er seit dem vorigen Tag wieder einiges an Kraft zurückerlangt. Trotzdem musste ich feststellen, dass die Zeiten, in denen ich vor diesem Mann Angst hatte, längst gezählt waren. Misaki Ich hatte es noch ein paarmal versucht, Usui zu erreichen. Zwecklos. Es meldete sich immer nur die Mailbox. Mich beschlich ein ungutes Gefühl. Warum war sein Handy ausgeschaltet? Oder hatte er einfach nur keinen Empfang? Wieso hatte ich, als er angerufen hatte, nicht drangehen können? Frustriert warf ich mich aufs Bett. Es war schon wieder spät und am nächsten Tag musste ich früh zur Uni und dann auch noch arbeiten. Satsuki-san hatte mir schon viel zu oft freigegeben in letzter Zeit. Die ganze Sache mit Usui, dann der Umzug… Sie hatte immer sehr verständnisvoll reagiert. Aber ich durfte nicht zu viele Tage freinehmen. Auch wenn Usui mich finanziell unterstützen wollte… mein Stolz wollte es nicht zulassen, dass ich finanziell abhängig von ihm wurde. Takumi „Du bist ein Schandfleck in unserem Stammbaum!“, wetterte Richard Rachester mit weit aufgerissenen Augen, während seine freie Hand auf mich zeigte. Langsam erhob ich mich von dem samtenen Ohrensessel, auf dem ich Gerards Reden über mich habe ergehen lassen. „Da ich es unter keinen Umständen zulassen kann, oh Ojii-sama, dass du diesen Schandfleck länger unter deinem Dach hast, werde ich – nur zu deinem Wohl – sofort abreisen.“, erwiderte ich mit aufgesetztem Lächeln. Er zitterte vor Wut. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?“, fragte er donnernd. „Großvater…“, versuchte Gerard beruhigend auf ihn einzureden. Ich wandte mich an ihn. „Das ist, was ich meinte.“, sagte ich trocken. „Wenn ich länger hierbleibe, wird er sich nur unnötig aufregen. Und das ist sicherlich nicht gut für sein Herz.“ Gerard warf mir einen finsteren Blick zu, sagte jedoch nichts. „Du wirst nicht gehen!“, spuckte Richard Rachester förmlich aus. „Du wirst Miss Hastington heiraten und damit dieser Familie nur einmal in deinem Leben nützlich sein.“ „Wieso sollte ich das tun?“, fragte ich mit schief gelegtem Kopf und verschränkten Armen. „Um wiedergutzumachen, was du angerichtet hast!“, erklärte er hitzig. „Was ich angerichtet habe?“, hakte ich nach und war ehrlich gespannt, was er damit wohl meinen könnte. War es meine Existenz an sich? „Du bist schuld, dass meine geliebte Tochter von uns gegangen ist!“ Ich riss die Augen auf und verspürte einen Stich in meinem Herzen. Es war meine Schuld, dass meine Mutter gestorben war? „Großvater!“, protestierte Gerard und legte ihm eine Hand auf den Arm. Richard Rachester wehrte ihn jedoch sofort ab. „Sie war krank.“, sagte er und die Wut in seiner Stimme klang deutlich ab, als er von seiner Tochter redete. „Sie hatte die gleiche Krankheit wie ihre Mutter. Es ist ein Wunder, dass sie nach Gerards Geburt keine Probleme hatte.“ Sein Blick verfinsterte sich, als er mich jetzt ansah. All sein Zorn und sein Hass schienen sich zu bündeln. „Aber DU!!“, rief er. „Du hast sie umgebracht! Sie ist nur deinetwegen gestorben!“ Misaki Ich gähnte herzhaft, als ich aus dem Bus stieg, mit dem ich vom Campus zum Café Latte gefahren war. Ich hatte wirklich mehr als schlecht geschlafen. Meine Gedanken hatten sich die ganze Nacht um Usui gedreht und so war ich die ganze Nacht von schlimmen Gedanken und Albträumen geplagt gewesen. Natürlich hatte ich morgens sofort wieder versucht, Usui zu erreichen, doch es war zwecklos gewesen. Noch immer meldete sich lediglich die Mailbox. Was war da nur los? „Misa-chaaaan!“, hörte ich Satsuki-sans Stimme, als ich das Café Latte durch den Hintereingang betrat und wurde kurz darauf stürmisch umarmt. Ich musste lächeln. „Hallo Chefin.“, begrüßte ich sie. Sie strahlte mich an. „Ich kann es kaum fassen.“, sagte sie aufgeregt. „Meine kleine Misa-chan wohnt tatsächlich mit Usui-san zusammen.“ Mein Lächeln verzog sich etwas. „Mhm…“, machte ich und versuchte dabei, fröhlich zu wirken. Sie durchschaute mich jedoch sofort. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig und Skepsis trat in ihren Blick. „Ist etwas passiert?“, fragte sie besorgt. „Nein, nichts.“, winkte ich lächelnd ab. „Usui musste nochmal nach England, weil sein Großvater krank ist. Das ist alles.“ Satsuki-san schlug sich die Hand vor den Mund und sah schockiert aus. „Du glaubst doch nicht…“, sagte sie suggerierend, dass etwas Ähnliches wie vor fünf Jahren geschehen könnte. „Nein, nein.“, wehrte ich sofort ab, wobei sich mein Magen jedoch schmerzhaft zusammenzog. „Ich bin mir sicher, dass alles in Ordnung ist.“ „Was macht dich da so sicher?“, hörte ich eine männliche Stimme. Ich sah an Satsuki-chan vorbei und erblickte Aoi-kun, der mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen zur Küche gelehnt stand. Ich war immer wieder erstaunt, wie groß er geworden war. Aber immerhin war er mittlerweile auch schon 20 Jahre alt. Ich versuchte Aoi-kun ein zuversichtliches Lächeln zu schenken. „Ich weiß es einfach.“, sagte ich. „Hmpf.“, machte er zur Antwort. Er stieß sich vom Türrahmen ab und kam auf mich zu. Satsuki-san, die durch den Größenunterschied hoch zu ihm hinaufblicken musste, wich aus. Aoi-kun blieb vor mir stehen und musterte mich. „Wenn du jemanden brauchst…“, fing er an und wurde leicht rot, jedoch ohne dass sein ansonsten abschätziger Blick sich änderte. „…dann kannst du, wenn’s sein muss, zu mir kommen.“ Ich musste ehrlich lächeln. „Danke, Aoi-kun.“, sagte ich aufrichtig. Kapitel 19: Wallowing in self-pity ---------------------------------- Misaki Was für ein anstrengender Tag! Ich hatte sowieso schon schlecht geschlafen und dann den ganzen Tag in der Uni und auf der Arbeit zu sein, hatte mich wirklich geschlaucht! Und mal abgesehen davon, waren meine Gedanken die ganze Zeit bei Usui gewesen. Ich hatte in einer Pause versucht, ihn nochmal anzurufen, aber es ging weiterhin nur die Mailbox dran. Jetzt war ich endlich zu Hause und natürlich wählte ich sofort wieder seine Nummer. Mailbox. Ich bekam Bauchschmerzen. Es war mittlerweile schon mehr als 24 Stunden her, dass er versucht hatte, mich anzurufen, während ich bei Soutas Eltern war und nicht rangehen konnte. Und seitdem war er nicht mehr erreichbar gewesen. Was war nur los? Takumi Wieder einmal war ich gefangen im Anwesen meiner Verwandtschaft. Ich saß auf meinem Bett, die Arme auf meinen Knien liegend und starrte an die Decke. Das spärliche Licht, das durch die schweren Vorhänge drang, ließ erahnen, dass es draußen längst hell war. Ich weiß nicht, wie lange ich schon so hier saß, aber ich spürte, dass meine Glieder steif wurden und mein Kopf schmerzte. Immer wieder hallten die Worte meines Großvaters durch meinen Kopf: „Du hast sie umgebracht! Sie ist nur deinetwegen gestorben!“ Ich hatte keinerlei Erinnerungen an meine Mutter. Alles, was ich über sie wusste, wusste ich von den Erzählungen anderer. Wie sie ausgesehen hatte, wusste ich nur von Bildern. Sie war kurz nach meiner Geburt gestorben. Es stimmte. Sie war meinetwegen gestorben. Es klopfte an der Tür. Ich hob den Kopf, sagte aber nichts. Es klopfte nochmal. „Herein“, antwortete ich schließlich. Die Tür öffnete sich und herein trat Gilbert Morris, der schon seit Ewigkeiten Butler der Familie war. „Sie sollten die Vorhänge öffnen, Master Takumi“, sagte er, als er den Raum betrat. Ich zuckte mit den Schultern. Gilbert ging zu den Fenstern und zog nach und nach die Vorhänge beiseite, bis der ganze Raum vom Tageslicht erfüllt war. „Möchten Sie nicht mal etwas essen?“, fragte er mich. „Ich habe keinen Hunger“, lehnte ich ab. Ich fühlte mich schlecht. Ich hatte immer schon damit zu kämpfen gehabt, dass ich ein Kind aus der Affäre meiner Mutter gewesen war. Nicht nur einmal hatte ich mir die Schuld an einer zerrütteten Familie gegeben. Aber nie war mir in den Sinn gekommen, dass meine Mutter ohne mich vielleicht noch am Leben gewesen wäre und sie zusammen mit ihrem Mann Edward und ihrem gemeinsamen Sohn Gerard vielleicht glücklich gelebt hätte. Ohne mich, wäre sie vielleicht glücklich geworden. „Master Takumi…“, sprach Gilbert vorsichtig weiter, „Ich arbeite schon seit 35 Jahren als Butler in diesem Haus und ich habe Lady Patricia schon gekannt, als sie noch ein kleines Mädchen war.“ Ich horchte auf. Anscheinend wusste Gilbert ganz genau, worüber ich mir Gedanken machte. „Sie hätte nicht gewollt, dass Sie sich die Schuld an ihrem Tod geben, Master Takumi“, fuhr Gilbert fort. „Was macht Sie da so sicher?“, fragte ich skeptisch. Wieso sollte er das zu mir sagen? Es kam schließlich eher selten vor, dass mir jemand in diesem Hause wohlgesonnen war. Auf dem Flur hörte man Schritte. Gerards Stimme drang durch meine Zimmertür. Offenbar redete er gerade mit Cedric. Gilbert wartete einen Moment, bis die beiden vorbeigegangen waren, bevor er fortfuhr. „Sie sollten jetzt erst mal etwas essen, Master Takumi“, sagte er, „Ich werde Sie heute Abend nochmal besuchen kommen. Dann werden Sie es wissen.“ Mit diesen Worten und einer galanten Verbeugung drehte er sich um und verließ den Raum. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Was hatte er vor? Und warum sollte er mir helfen? Misaki Ich konnte nicht schlafen. Ich machte mir viel zu viele Sorgen um Usui. Was zum Teufel war los? Wieso konnte ich ihn nicht erreichen? Wieso meldete er sich nicht bei mir? Er wusste doch, dass ich mir Sorgen machen würde. Ich fühlte mich machtlos. Genauso machtlos wie damals, als er das erste Mal nach England gegangen war. Ich glaubte zwar nicht, dass er erneut einen Unfall hatte und unter Amnesie litt, aber irgendetwas musste passiert sein. Sonst hätte Usui sich längst bei mir gemeldet. „Baka Usui…“, murmelte ich in mein Kopfkissen und starrte auf den leeren Platz neben mir im Bett. Takumi Tatsächlich hatte mir Gilberts Besuch am Vormittag wieder etwas Leben eingehaucht. So konnte es nicht weitergehen. Ich konnte nicht die ganze Zeit in meinem Zimmer hocken und in Selbstmitleid versinken. Ich wollte überhaupt nicht hier sein, nicht bei den Walkers, nicht in England. Was ich wollte, war, nach Japan zurückzukehren, in meine Wohnung, zu Misaki. Sie machte sich bestimmt schon Sorgen. Ich hatte mich schon viel zu lange nicht bei ihr gemeldet und bei meinem letzten Versuch sie anzurufen… Sie hatte mich weggedrückt und dann ihr Handy ausgeschaltet. Die Erinnerung daran traf mich wie ein Schlag in den Magen. Über die Ereignisse hatte ich das vollkommen verdrängt. Meine Sorge um Misaki war doch überhaupt erst der Grund gewesen, wieso ich sofort hatte abreisen wollen. Mein Handy… Ich suchte meine Taschen ab und schließlich das Bett, bevor mir wieder einfiel, dass Gerard das Handy an sich genommen hatte. Ich machte mich sofort auf den Weg, ihn zu suchen. Es dauerte nicht lange, da hatte ich ihn in seinem Arbeitszimmer gefunden. „Gerard“, sprach ich ihn an und er sah überrascht auf. „Welch eine Ehre, Bruderherz“, begrüßte er mich sarkastisch, „Schlecht siehst du aus.“ Ich spürte die Müdigkeit in mir, ich war ungeduscht und unrasiert und bemerkte die Knitterfalten meines Hemdes, das ich bereits seit gestern trug. Nicht einmal die Haare hatte ich gekämmt. Doch das spielte keine Rolle. „Gib mir mein Handy zurück“, verlangte ich ohne Umschweife. Gerard zog eine Schublade heraus, nahm mein Handy heraus und hielt es hoch. „Du meinst das hier?“ Ich machte einen Schritt auf ihn zu und wollte das Handy entgegennehmen, doch er zog es zurück. „Meinst du nicht, es wäre besser, dich erst einmal auf andere Dinge zu konzentrieren?“, fragte er, „Es gibt Wichtigeres.“ „Nichts ist wichtiger“, entgegnete ich. Er zog eine Augenbraue hoch. „Wenn nichts wichtiger ist, wieso kommst du dann erst jetzt?“, fragte er, „Ich habe dein Handy schließlich schon seit einer Weile in Gewahrsam.“ Ich wurde wütend und zur gleichen Zeit schämte ich mich, dass ich Misaki tatsächlich vergessen hatte. Nichts, was jemand in dieser Familie sagte, sollte mich dazu bringen können. „Ich komme jetzt“, entgegnete ich ausweichend, „Gib es mir.“ „Ich gebe es dir, wenn du im Gegenzug hier bleibst“, schlug Gerad vor. Ich lachte. „Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich darauf eingehe?!“ „In der Tat…“, gab Gerard zu, „Natürlich gehst du darauf nicht ein. Ich wäre auch beinahe schon enttäuscht gewesen, wenn du das getan hättest.“ Er spielte ein wenig mit dem Handy in seiner Hand und schien zu überlegen, was er damit anstellen sollte. Schließlich seufzte er. „Takumi…“ Sein Ton hatte sich verändert. „Ob du es glaubst oder nicht, ich möchte dich nicht mit irgendetwas bestrafen. Du bist mein Bruder und du bist mir wichtig.“ Ich hörte wohl nicht richtig. „Alles, was ich möchte, ist den Erhalt der Familie zu gewähren“, fuhr er fort, „Doch mit mir als Erben wird das schwierig. Ich bin schwach. So wie unsere Mutter. Wer weiß, wie lange ich noch zu leben habe.“ Er sah plötzlich furchtbar müde aus. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Sarah ist eine wundervolle Frau“, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, „Sie ist intelligent und charmant, liebevoll und sanft… Sie wäre eine wundervolle Ehefrau und eine tolle Mutter. Sie hat es verdient, glücklich zu sein. Eine Familie zu gründen und ein langes, erfülltes Leben mit ihrem Mann zu führen.“ „Gerard…“, sagte ich und war ernsthaft schockiert, „Kann es sein… Du liebst sie?“ Er sah mich nicht an. Er hatte das Kinn auf seine verschränkten Hände gestützt und schien auf die Tischplatte seines Schreibtischs zu starren, während ein melancholisches Lächeln über seine Lippen huschte. „Ich liebe sie“, bestätigte er, „Ich habe sie immer geliebt.“ „Wieso?“, fragte ich fassungslos, „Wieso versuchst du dann alles in deiner Macht stehende, damit ICH sie heirate?“ „Habe ich das nicht gerade schon gesagt?“, entgegnete er mit belegter Stimme, „Sie hat es verdient, zusammen mit ihrem Mann ein langes und glückliches Leben zu führen. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sie das mit mir könnte.“ „Das weißt du doch gar nicht!“ Ich wurde lauter. „Niemand kann die Zukunft voraussehen. Vielleicht kannst du doch ein langes Leben führen. Vielleicht sterbe ich früh durch einen Verkehrsunfall oder so. Das weiß doch niemand. Wie kannst du glauben, dass Sarah mit mir glücklicher wäre? Wie sollte sie glücklicher sein mit einem Mann, der sie nicht liebt?“ „Du verstehst das nicht“, wehrte Gerard ab. „Nein, DU verstehst das nicht!“, erwiderte ich wütend, „Wenn du sie wirklich liebst, dann musst DU versuchen, sie glücklich zu machen. Und nicht alles auf mich schieben, während du hier in Selbstmitleid badest. Du darfst sie und vor allem dich selbst nicht einfach aufgeben. Tu etwas! Tu etwas für dein Glück! Und tu etwas für IHR Glück!“ Er lächelte etwas. Ich erwartete eine Antwort, doch er nahm nur mein Handy und hielt es mir hin. Etwas skeptisch nahm ich es entgegen. „Mach, was du willst“, sagte er. Damit war das Gespräch beendet. Ich verstand nicht, was in dem Kopf meines Bruders vor sich ging, doch all das war im Moment nicht wichtig. Ich hatte mein Handy wieder und konnte Misaki anrufen. Ich sah auf die Uhr. Vermutlich schlief sie längst, aber das war mir egal. Ich musste sie einfach anrufen. Misaki Ich schreckte hoch. Ich war in einen unruhigen Schlaf gefallen, als ich plötzlich von einem Klingeln geweckt wurde. Verwirrt griff ich nach dem Handy. „Hallo?“, sagte ich verschlafen. „Misaki“, hörte ich Usuis Stimme und war sofort hellwach. „Usui!“, rief ich beinahe schon hysterisch, „Was war los? Wieso konnte ich dich nicht erreichen? Wieso meldest du dich jetzt erst?“ Er sagte kurz gar nichts und ich hatte Angst, dass ich mir seine Stimme nur eingebildet hatte. „Du sollst mich doch Takumi nennen“, sagte er schließlich und ich konnte mir den Schmollmund, den er vermutlich gerade machte, bildlich vorstellen. „Baka…“, sagte ich und war froh, dass er mich gerade nicht sehen konnte. Ich konnte ein paar Tränen der Erleichterung nicht zurückhalten. „Es tut mir leid, Misaki“, entschuldigte er sich bei mir. „Was war los?“, fragte ich im Gegenzug. Irgendetwas musste passiert sein. „Ich wollte eigentlich gestern schon wieder nach Japan kommen, aber Gerard hat mich aufgehalten“, begann er zu erzählen, „Er hat mir mein Handy abgenommen, deshalb konnte ich dich nicht anrufen.“ „… War das alles?“ Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass da noch mehr dahintersteckte. Er klang müde. Er seufzte. „Ich erzähle dir alles, wenn ich zurück bin“, vertröstete er mich. „Ich versteh das alles im Moment selbst noch nicht so genau.“ „Muss ich mir Sorgen machen?“, fragte ich und hatte wirklich Angst. „Nein“, widersprach er sofort, „Ich… bin vielleicht emotional ein bisschen mitgenommen. Das alles hier ist auch für mich nicht so einfach. Ich verspreche dir, Misaki, dass ich bald zurückkomme. Und dann erzähle ich dir alles. Wirklich alles.“ „In Ordnung“, stimmte ich zu und war tatsächlich ein wenig beruhigt. „Ist denn bei dir alles okay?“, fragte er schließlich, „Ich habe dich gestern nicht erreichen können.“ „Tut mir leid“, entschuldigte ich mich sofort und wusste nicht genau, wie ich die ganze Situation erklären sollte. „Schon gut“, erwiderte er, „Was war denn los?“ „Ich… ähm…“, stotterte ich, „Kann ich es dir erzählen, wenn du wieder da bist?“ Ich hatte das Gefühl, besser mit ihm darüber sprechen zu können, wenn ich ihn dabei ansehen konnte. „… Okay“, stimmte er nach einem kurzen Zögern zu. „Du bist bestimmt müde, oder?“ „Ohja“, gab ich zu, „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Takumi. Ich habe letzte Nacht sehr schlecht geschlafen.“ „Tut mir leid“, entschuldigte er sich erneut. „Nein, ist schon gut!“ Ich hatte ihm damit keinen Vorwurf machen wollen. „Du solltest schlafen“, sagte er nun und ich konnte ihm nicht widersprechen. „Mhm“, machte ich zustimmend. Ich war wirklich müde. „Ich melde mich morgen wieder bei dir“, fuhr er fort, „Vielleicht komme ich dann schon nach Hause.“ „Das wäre schön“, murmelte ich. „Misaki.“ „Hm?“ „Ich liebe dich“, sagte er und schaffte es damit, mein Herz ein bisschen schneller schlagen zu lassen. „Ich liebe dich auch“, erwiderte ich und wurde dabei mit Sicherheit rot. Damit verabschiedeten wir uns und trotz seiner Worte, hatte ich ein ungutes Gefühl im Bauch. Und ich war mir sicher, dass es ihm nicht anders ging. Kapitel 20: Memento ------------------- Takumi Unruhig saß ich auf meinem Bett und wartete. Immer wieder wanderte mein Blick zur Uhr. Ich wusste nicht genau, wann Gilbert kommen würde, aber egal wie lange es noch dauern würde, ich würde warten. Ich war aufgekratzt. Die Ereignisse der letzten Stunden wühlten mich auf. Meine Gedanken sprangen zwischen Misaki, Gerards unerwarteter Liebe Sarah gegenüber, den verabscheuenden Worten meines Großvaters und Gilberts unerwartet freundlichem Verhalten mir gegenüber umher. Eins war klar, wenn ich noch länger hierbleiben würde, würde ich durchdrehen! Es gab nur eine Sache, die mich noch hier hielt, und das war Gilberts Absicht, mich an diesem Abend noch einmal aufzusuchen. Ich hatte das Gefühl, dass er mir etwas sagen wollte, was für mich von großer Bedeutung wäre. Quälend langsam bewegten sich die Zeiger auf der antiken Pendeluhr, die die Wand meines Zimmers schmückte. Es war bereits nach 22 Uhr. Wieso so spät? Was hatte Gilbert vor? Ich hörte Schritte auf dem Flur. Mit klopfendem Herzen richtete ich mich auf und wartete ab. Doch die Schritte entfernten sich wieder. Die Person, wer auch immer es gewesen war, war an meinem Zimmer vorbeigegangen. Enttäuscht ließ ich mich zurück auf das Bett sinken. Es herrschte vollkommene Stille im Haus. Weitere Minuten vergingen, bevor sich leise Schritte näherten. Dieses Mal wollte ich mir nicht zu große Hoffnungen machen, doch als die Schritte vor meiner Tür stoppten, setzte ich mich erwartungsvoll auf. Es klopfte leise. „Ja?“ Die Tür öffnete sich und es war tatsächlich Gilbert, der mein Zimmer betrat und die Tür leise hinter sich schloss. „Guten Abend, Master Takumi“, begrüßte er mich und verneigte sich galant. „Guten Abend“, erwiderte ich und unterdrückte meine Ungeduld, endlich zu erfahren, worum es ging. Ich wartete ab. Gilbert griff in sein Jackett. Er zog etwas heraus. Ein Buch. Fragend sah ich ihn an. „Master Takumi“, begann er seine Erklärungen, „das hier ist das Tagebuch Ihrer Mutter.“ Ich hatte das Gefühl, als würde mein Herz für einen Moment aussetzen, nur um dann viel zu schnell weiterzuschlagen. Ich sah ihn mit großen Augen an, unfähig, etwas zu sagen. Misaki Gequält versuchte ich, meine Augen zu öffnen, als der Wecker klingelte und mich aus meinem unruhigen Schlaf riss. Es dauerte einige Sekunden, bevor ich mich ausreichend orientieren konnte, um mich zur Seite zu drehen und den Wecker auszuschalten. Es vergingen weitere Sekunden, in denen ich die Augen wieder schloss und beinahe wieder eingeschlafen wäre. Als ich merkte, wie ich wegdämmerte, riss ich ruckartig die Augen auf. Ich schüttelte leicht den Kopf und schaltete die kleine Lampe auf meinem Nachttisch ein. Noch sehr verschlafen setzte ich mich langsam auf und schaffte es schließlich, aufzustehen. Nach einer erfrischenden Dusche, einer Tasse Kaffee und einer Kleinigkeit zum Frühstück ging es mir schon deutlich besser. Ich musste an diesem Tag bereits um acht Uhr in der Vorlesung sitzen. Bald würden die Prüfungen stattfinden und ich fühlte mich momentan alles andere als gut vorbereitet. Ich konnte es mir keinesfalls erlauben, meine Vorlesungen zu verpassen, auch wenn mir zurzeit ganz andere Dinge durch den Kopf gingen. Ich dachte an Takumi. Er wollte sich heute bei mir melden und eventuell würde er heute schon nach Japan zurückfliegen. Das hatte er gesagt. Natürlich würde er durch die Zeitverschiebung und den langen Flug erst morgen hier ankommen, aber das wäre okay. Hauptsache er kam zurück. Ich vermisste ihn. Wir hatten kaum Zeit zusammen verbracht, bevor er wieder nach England geflogen war. Es war ein komisches Gefühl, alleine in dieser neu eingerichteten Wohnung zu wohnen. Die Nächte waren am schlimmsten. Alleine in dem großen Doppelbett, in dem ich eigentlich gemeinsam mit Takumi hätte liegen sollen. So in meine Gedanken vertieft, hatte ich ganz die Zeit vergessen. Ich sah auf die Uhr. Es war bereits 7:35 Uhr. Rasch stellte ich das Geschirr in die Spüle, eilte ins Bad und putzte mir schnell die Zähne, bevor ich mich auf den Weg zur Uni machte. Takumi Ich klappte das Buch zu, in dem ich seit über einer Stunde gelesen hatte. Für einen Moment schloss ich die Augen und ließ mir das Gelesene durch den Kopf gehen. Ich musste zugeben, dass ich ganz schön aufgewühlt war. Meine Mutter war kurz nach meiner Geburt gestorben, ich hatte sie nie kennengelernt. Ich kannte sie nur von Fotos und hatte nur wenige Geschichten über sie gehört. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich etwas in Händen hielt, was ihre eigenen Gedanken enthielt. Nichts, was ich von anderen über sie hörte, sondern Worte, die direkt von ihr stammten. Zum allerersten Mal in meinem Leben hatte ich die Gewissheit, dass meine Mutter mich geliebt hatte. In dem Tagebuch erzählte meine Mutter, wie sie die Ehe mit Gerards Vater Edward Walker aus einer Verpflichtung heraus eingegangen war, wie sie Gerard zur Welt gebracht hatte, wie sie ihr Leben zwischen Krankheit und den Verpflichtungen als Tochter Richard Rachesters gelebt hatte. Sie war nicht unglücklich mit Edward und sie liebte ihren Sohn Gerard, den sie liebevoll Gerry nannte, über alles, aber die große Liebe hatte sie in jemand anderem gefunden. In meinem Vater, Yū Hirose, ihrem Butler. Ich schluckte, als ich das Buch wieder aufschlug, um einige Passagen noch einmal zu lesen. Anscheinend hatte sie mit Mitte zwanzig erfahren, dass sie an der gleichen Krankheit litt, an der ihre Mutter gestorben war. Als ihr klar wurde, dass sie womöglich bald sterben könnte, hatte sie sich meinem Vater hingegeben und war schwanger geworden. Die Ärzte hatten ihr wohl davon abgeraten, mich zu bekommen, doch sie hatte das Kind, das aus der Liebe zu Yū entstanden war, nicht verlieren wollen. Und so hatte sie mich zur Welt gebracht, hatte mir meinen Namen gegeben und hatte mich die kurze Zeit, die sie mit mir hatte, geliebt. Kurz darauf war sie gestorben. Ich spürte einen dicken Kloß im Hals, als ich die letzten Worte meiner Mutter las: „Vater, Mutter, Gilbert und alle, die in diesem Schloss arbeiten, mein unzuverlässiger, aber lieber und wundervoller Ehemann Edward, mein verwöhnter, aber bezaubernder Engel Gerard, der Mann, der immer an meiner Seite war, Yū... und auch du „Takumi“, ich werde euch alle immer, immer lieben.“ Erneut klappte ich das Tagebuch zu und legte es beiseite. Ich fuhr mir durchs Haar und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Ich hatte in dieser Familie so viel Hass erfahren, dass ich gar nicht wusste, wie ich mit den liebevollen Worten meiner Mutter umgehen sollte. Plötzlich überkam mich eine unglaubliche Sehnsucht nach Misaki. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass die einzige Person in dieser Familie, die mich je geliebt hatte, schon seit mehr als zwei Jahrzehnten tot war und ich sie nie hatte kennenlernen dürfen. Ich hatte in dieser Familie wahrlich nichts mehr zu suchen. Nichts hielt mich hier. Diese Familie war keine Familie für mich. Meine Familie befand sich in Japan und sie bestand aus meinen Zieheltern, den Usuis, und meiner großen Liebe, Misaki. Entschlossen griff ich nach meinem Handy und rief die Auskunft an, die mich kurze Zeit später mit der Verkaufsstelle des Heathrow Airports verband. Zu meinem Glück gab es noch genau einen Platz für den letzten Flug nach Tokyo um 22:10 Uhr. Ich reservierte mir das Ticket. Natürlich wäre ich lieber sofort ins Flugzeug gestiegen, aber so musste ich eben noch einen knappen Tag länger hierbleiben. Das würde ich auch noch überstehen. Misaki Gerade noch rechtzeitig erreichte ich den Hörsaal. Ich erblickte Souta, der mir zuwinkte und auf den freien Platz neben sich deutete. Ein kleines bisschen nervös setzte ich mich neben ihn. Ich merkte, dass es immer noch etwas komisch für mich war, ihn zu sehen, nachdem ich vor seinen Eltern so getan habe, als sei ich seine Freundin. „Morgen, Misaki“, begrüßte er mich mit einem Lächeln, das sicher so manchem Mädchen Herzklopfen bereitet hätte. „Morgen“, erwiderte ich den Gruß und schenkte auch ihm ein flüchtiges Lächeln, bevor auch schon Professor Ueda den Raum betrat und mit einem Blick und einem Räuspern den Hörsaal zum Verstummen brachte. Ich merkte schnell, dass meine Gedanken an diesem Morgen absolut nicht bei der politischen Ökonomie des Ressourcenreichtums, sondern vielmehr immer noch bei Takumi waren. Ich hätte zu gerne gewusst, wie es ihm ging, was bei ihm los war, ob er nun einen Flug gebucht hatte und wann er wieder hier sein würde. Aber ich dachte auch an die Gespräche, die uns bervorstanden. Er wollte mir ganz genau erzählen, was alles passiert war. Und es hatte so geklungen, als sei das alles für ihn nicht gerade einfach gewesen. Und ich... ich hatte ihm versprochen, ihm zu erklären, wieso ich nicht ans Handy gehen konnte, als er versucht hatte, mich zu erreichen. Das bedeutete, ich musste ihm von Souta und unserer kleinen Scharade vor seinen Eltern erzählen. Ich war mir sicher, dass ihm das gar nicht gefallen würde. Andererseits hoffte ich, dass er Verständnis haben würde. Immerhin wollte man ihn auch zu einer arrangierten Hochzeit zwingen. So in Gedanken versunken ging die Vorlesung viel schneller um, als es mir lieb gewesen wäre. Ich hatte kaum etwas mitbekommen. Für die anstehende Klausur am Semesterende musste ich mich unbedingt nochmal um die Notizen meiner Kommilitonen bemühen. Mit schlechtem Gewissen packte ich meine Sachen zusammen. Bis zu meiner nächsten Vorlesung waren es noch zwei Stunden, die ich normalerweise in der Bibliothek verbrachte. „Misaki?“, sprach Souta mich an. „Ja?“ „Ähm...“, druckste er etwas herum, „hast du vielleicht Lust, einen Kaffee zu trinken oder so?“ Ich zögerte kurz, beschloss dann allerdings, zuzusagen. Da ich in der Vorlesung kaum etwas mitbekommen hatte, hatte ich eh nicht genug mitgeschrieben, um alles gut nachzubereiten. Außerdem konnte ich die Gelegenheit nutzen, um Souta um seine Notizen zu bitten. Nur einige Minuten später saßen wir in der Caféteria des Fachbereichs, in der zahlreiche Studierende Kaffee tranken, aßen, arbeiteten oder einfach in kleinen oder größeren Gruppen zusammensaßen und redeten. „Ich wollte mich nochmal bei dir dafür bedanken, dass du vor meinen Eltern meine Freundin gespielt hast“, sagte Souta, nachdem wir uns je mit einer Tasse Kaffee - Milchkaffee für mich - an einen freien Tisch gesetzt hatten. „Es ist schon in Ordnung“, erwiderte ich sofort, „du hast dich doch schon bedankt. Mach dir keine Gedanken.“ „Naja“, druckste er herum, „weißt du... also... meine Eltern, besonders meine Mutter, waren wirklich begeistert von dir und... sie würden dich gerne mal zum Essen einladen oder so.“ Soutas Augen zuckten nervös zwischen meinem Gesicht und seinem Kaffee hin und her. „Ich, also...“, begann ich. Ehrlich gesagt gefiel mir das nicht besonders. Es tat mir sehr leid für Souta, aber ich konnte doch nicht bis in alle Ewigkeit seine Freundin spielen - oder so lange, bis er tatsächlich eine Freundin gefunden hatte, die er seinen Eltern vorstellen konnte. „Ich weiß, das ist viel verlangt“, beeilte er sich zu sagen, „Wo du doch schon einen Freund hast und so...“ Er wirkte ehrlich geknickt. „Souta...“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es fiel mir schwer, nein zu sagen, aber andererseits hatte ich bei der Sache wirklich ein ungutes Gefühl. „Tut mir leid, Misaki“, unterbrach er mich, noch bevor mir etwas Passendes eingefallen wäre, „Das war eine dumme Idee... Von Anfang an, das Ganze... Ich habe mir einfach nicht richtig überlegt, was für Konsequenzen es mit sich ziehen würde, wenn ich dich meinen Eltern als meine Freundin vorstelle. Ich war einfach verzweifelt wegen dieser arrangierten Hochzeit.“ Ich schluckte. Erneut dachte ich darüber nach, wie schrecklich es sein musste, jemanden heiraten zu müssen, den man gar nicht kannte, geschweige denn liebte. Und wenn ich mir vorstellte, dass Takumi Sarah hätte heiraten sollen... „Ich mach’s“, sagte ich unwillkürlich. Soutas Miene erhellte sich sofort. „Wirklich?“, fragte er erleichtert. „Ja“, bestätigte ich, „Aber... das kann nicht immer so weitergehen, Souta. Du musst dir etwas überlegen. Dieses eine Mal spiele ich noch mit, aber dann...“ Souta nickte. „Du hast recht, Misaki, danke!“ Er klang ehrlich erleichtert und dankbar. „Wann soll ich denn zum Essen kommen?“, fragte ich. „Wenn es dir passt gleich morgen Abend“, erwiderte er und blickte leicht verlegen, „Meine Mutter kann es kaum abwarten.“ Takumi Obwohl es bereits mitten in der Nacht war und ich am nächsten Tag noch genug Zeit gehabt hätte, begann ich jetzt schon mal, meine Sachen zu packen. Ich war viel zu aufgewühlt wegen des Tagebuchs meiner Mutter und viel zu aufgeregt, weil ich in einigen Stunden das Flugzeug besteigen und zurück nach Japan zu meiner Misaki fliegen würde. Ich verstaute gerade das Tagebuch in meinem Handgepäck, als mein Handy einen kleinen Piepton von sich gab. Es war die Buchungsbestätigung für meinen Flug. Ich konnte es kaum erwarten, Misaki bereits am nächsten Abend wiederzusehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)