Back to who I really am von Fhin ================================================================================ Kapitel 19: Wallowing in self-pity ---------------------------------- Misaki Was für ein anstrengender Tag! Ich hatte sowieso schon schlecht geschlafen und dann den ganzen Tag in der Uni und auf der Arbeit zu sein, hatte mich wirklich geschlaucht! Und mal abgesehen davon, waren meine Gedanken die ganze Zeit bei Usui gewesen. Ich hatte in einer Pause versucht, ihn nochmal anzurufen, aber es ging weiterhin nur die Mailbox dran. Jetzt war ich endlich zu Hause und natürlich wählte ich sofort wieder seine Nummer. Mailbox. Ich bekam Bauchschmerzen. Es war mittlerweile schon mehr als 24 Stunden her, dass er versucht hatte, mich anzurufen, während ich bei Soutas Eltern war und nicht rangehen konnte. Und seitdem war er nicht mehr erreichbar gewesen. Was war nur los? Takumi Wieder einmal war ich gefangen im Anwesen meiner Verwandtschaft. Ich saß auf meinem Bett, die Arme auf meinen Knien liegend und starrte an die Decke. Das spärliche Licht, das durch die schweren Vorhänge drang, ließ erahnen, dass es draußen längst hell war. Ich weiß nicht, wie lange ich schon so hier saß, aber ich spürte, dass meine Glieder steif wurden und mein Kopf schmerzte. Immer wieder hallten die Worte meines Großvaters durch meinen Kopf: „Du hast sie umgebracht! Sie ist nur deinetwegen gestorben!“ Ich hatte keinerlei Erinnerungen an meine Mutter. Alles, was ich über sie wusste, wusste ich von den Erzählungen anderer. Wie sie ausgesehen hatte, wusste ich nur von Bildern. Sie war kurz nach meiner Geburt gestorben. Es stimmte. Sie war meinetwegen gestorben. Es klopfte an der Tür. Ich hob den Kopf, sagte aber nichts. Es klopfte nochmal. „Herein“, antwortete ich schließlich. Die Tür öffnete sich und herein trat Gilbert Morris, der schon seit Ewigkeiten Butler der Familie war. „Sie sollten die Vorhänge öffnen, Master Takumi“, sagte er, als er den Raum betrat. Ich zuckte mit den Schultern. Gilbert ging zu den Fenstern und zog nach und nach die Vorhänge beiseite, bis der ganze Raum vom Tageslicht erfüllt war. „Möchten Sie nicht mal etwas essen?“, fragte er mich. „Ich habe keinen Hunger“, lehnte ich ab. Ich fühlte mich schlecht. Ich hatte immer schon damit zu kämpfen gehabt, dass ich ein Kind aus der Affäre meiner Mutter gewesen war. Nicht nur einmal hatte ich mir die Schuld an einer zerrütteten Familie gegeben. Aber nie war mir in den Sinn gekommen, dass meine Mutter ohne mich vielleicht noch am Leben gewesen wäre und sie zusammen mit ihrem Mann Edward und ihrem gemeinsamen Sohn Gerard vielleicht glücklich gelebt hätte. Ohne mich, wäre sie vielleicht glücklich geworden. „Master Takumi…“, sprach Gilbert vorsichtig weiter, „Ich arbeite schon seit 35 Jahren als Butler in diesem Haus und ich habe Lady Patricia schon gekannt, als sie noch ein kleines Mädchen war.“ Ich horchte auf. Anscheinend wusste Gilbert ganz genau, worüber ich mir Gedanken machte. „Sie hätte nicht gewollt, dass Sie sich die Schuld an ihrem Tod geben, Master Takumi“, fuhr Gilbert fort. „Was macht Sie da so sicher?“, fragte ich skeptisch. Wieso sollte er das zu mir sagen? Es kam schließlich eher selten vor, dass mir jemand in diesem Hause wohlgesonnen war. Auf dem Flur hörte man Schritte. Gerards Stimme drang durch meine Zimmertür. Offenbar redete er gerade mit Cedric. Gilbert wartete einen Moment, bis die beiden vorbeigegangen waren, bevor er fortfuhr. „Sie sollten jetzt erst mal etwas essen, Master Takumi“, sagte er, „Ich werde Sie heute Abend nochmal besuchen kommen. Dann werden Sie es wissen.“ Mit diesen Worten und einer galanten Verbeugung drehte er sich um und verließ den Raum. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Was hatte er vor? Und warum sollte er mir helfen? Misaki Ich konnte nicht schlafen. Ich machte mir viel zu viele Sorgen um Usui. Was zum Teufel war los? Wieso konnte ich ihn nicht erreichen? Wieso meldete er sich nicht bei mir? Er wusste doch, dass ich mir Sorgen machen würde. Ich fühlte mich machtlos. Genauso machtlos wie damals, als er das erste Mal nach England gegangen war. Ich glaubte zwar nicht, dass er erneut einen Unfall hatte und unter Amnesie litt, aber irgendetwas musste passiert sein. Sonst hätte Usui sich längst bei mir gemeldet. „Baka Usui…“, murmelte ich in mein Kopfkissen und starrte auf den leeren Platz neben mir im Bett. Takumi Tatsächlich hatte mir Gilberts Besuch am Vormittag wieder etwas Leben eingehaucht. So konnte es nicht weitergehen. Ich konnte nicht die ganze Zeit in meinem Zimmer hocken und in Selbstmitleid versinken. Ich wollte überhaupt nicht hier sein, nicht bei den Walkers, nicht in England. Was ich wollte, war, nach Japan zurückzukehren, in meine Wohnung, zu Misaki. Sie machte sich bestimmt schon Sorgen. Ich hatte mich schon viel zu lange nicht bei ihr gemeldet und bei meinem letzten Versuch sie anzurufen… Sie hatte mich weggedrückt und dann ihr Handy ausgeschaltet. Die Erinnerung daran traf mich wie ein Schlag in den Magen. Über die Ereignisse hatte ich das vollkommen verdrängt. Meine Sorge um Misaki war doch überhaupt erst der Grund gewesen, wieso ich sofort hatte abreisen wollen. Mein Handy… Ich suchte meine Taschen ab und schließlich das Bett, bevor mir wieder einfiel, dass Gerard das Handy an sich genommen hatte. Ich machte mich sofort auf den Weg, ihn zu suchen. Es dauerte nicht lange, da hatte ich ihn in seinem Arbeitszimmer gefunden. „Gerard“, sprach ich ihn an und er sah überrascht auf. „Welch eine Ehre, Bruderherz“, begrüßte er mich sarkastisch, „Schlecht siehst du aus.“ Ich spürte die Müdigkeit in mir, ich war ungeduscht und unrasiert und bemerkte die Knitterfalten meines Hemdes, das ich bereits seit gestern trug. Nicht einmal die Haare hatte ich gekämmt. Doch das spielte keine Rolle. „Gib mir mein Handy zurück“, verlangte ich ohne Umschweife. Gerard zog eine Schublade heraus, nahm mein Handy heraus und hielt es hoch. „Du meinst das hier?“ Ich machte einen Schritt auf ihn zu und wollte das Handy entgegennehmen, doch er zog es zurück. „Meinst du nicht, es wäre besser, dich erst einmal auf andere Dinge zu konzentrieren?“, fragte er, „Es gibt Wichtigeres.“ „Nichts ist wichtiger“, entgegnete ich. Er zog eine Augenbraue hoch. „Wenn nichts wichtiger ist, wieso kommst du dann erst jetzt?“, fragte er, „Ich habe dein Handy schließlich schon seit einer Weile in Gewahrsam.“ Ich wurde wütend und zur gleichen Zeit schämte ich mich, dass ich Misaki tatsächlich vergessen hatte. Nichts, was jemand in dieser Familie sagte, sollte mich dazu bringen können. „Ich komme jetzt“, entgegnete ich ausweichend, „Gib es mir.“ „Ich gebe es dir, wenn du im Gegenzug hier bleibst“, schlug Gerad vor. Ich lachte. „Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich darauf eingehe?!“ „In der Tat…“, gab Gerard zu, „Natürlich gehst du darauf nicht ein. Ich wäre auch beinahe schon enttäuscht gewesen, wenn du das getan hättest.“ Er spielte ein wenig mit dem Handy in seiner Hand und schien zu überlegen, was er damit anstellen sollte. Schließlich seufzte er. „Takumi…“ Sein Ton hatte sich verändert. „Ob du es glaubst oder nicht, ich möchte dich nicht mit irgendetwas bestrafen. Du bist mein Bruder und du bist mir wichtig.“ Ich hörte wohl nicht richtig. „Alles, was ich möchte, ist den Erhalt der Familie zu gewähren“, fuhr er fort, „Doch mit mir als Erben wird das schwierig. Ich bin schwach. So wie unsere Mutter. Wer weiß, wie lange ich noch zu leben habe.“ Er sah plötzlich furchtbar müde aus. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. „Sarah ist eine wundervolle Frau“, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, „Sie ist intelligent und charmant, liebevoll und sanft… Sie wäre eine wundervolle Ehefrau und eine tolle Mutter. Sie hat es verdient, glücklich zu sein. Eine Familie zu gründen und ein langes, erfülltes Leben mit ihrem Mann zu führen.“ „Gerard…“, sagte ich und war ernsthaft schockiert, „Kann es sein… Du liebst sie?“ Er sah mich nicht an. Er hatte das Kinn auf seine verschränkten Hände gestützt und schien auf die Tischplatte seines Schreibtischs zu starren, während ein melancholisches Lächeln über seine Lippen huschte. „Ich liebe sie“, bestätigte er, „Ich habe sie immer geliebt.“ „Wieso?“, fragte ich fassungslos, „Wieso versuchst du dann alles in deiner Macht stehende, damit ICH sie heirate?“ „Habe ich das nicht gerade schon gesagt?“, entgegnete er mit belegter Stimme, „Sie hat es verdient, zusammen mit ihrem Mann ein langes und glückliches Leben zu führen. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sie das mit mir könnte.“ „Das weißt du doch gar nicht!“ Ich wurde lauter. „Niemand kann die Zukunft voraussehen. Vielleicht kannst du doch ein langes Leben führen. Vielleicht sterbe ich früh durch einen Verkehrsunfall oder so. Das weiß doch niemand. Wie kannst du glauben, dass Sarah mit mir glücklicher wäre? Wie sollte sie glücklicher sein mit einem Mann, der sie nicht liebt?“ „Du verstehst das nicht“, wehrte Gerard ab. „Nein, DU verstehst das nicht!“, erwiderte ich wütend, „Wenn du sie wirklich liebst, dann musst DU versuchen, sie glücklich zu machen. Und nicht alles auf mich schieben, während du hier in Selbstmitleid badest. Du darfst sie und vor allem dich selbst nicht einfach aufgeben. Tu etwas! Tu etwas für dein Glück! Und tu etwas für IHR Glück!“ Er lächelte etwas. Ich erwartete eine Antwort, doch er nahm nur mein Handy und hielt es mir hin. Etwas skeptisch nahm ich es entgegen. „Mach, was du willst“, sagte er. Damit war das Gespräch beendet. Ich verstand nicht, was in dem Kopf meines Bruders vor sich ging, doch all das war im Moment nicht wichtig. Ich hatte mein Handy wieder und konnte Misaki anrufen. Ich sah auf die Uhr. Vermutlich schlief sie längst, aber das war mir egal. Ich musste sie einfach anrufen. Misaki Ich schreckte hoch. Ich war in einen unruhigen Schlaf gefallen, als ich plötzlich von einem Klingeln geweckt wurde. Verwirrt griff ich nach dem Handy. „Hallo?“, sagte ich verschlafen. „Misaki“, hörte ich Usuis Stimme und war sofort hellwach. „Usui!“, rief ich beinahe schon hysterisch, „Was war los? Wieso konnte ich dich nicht erreichen? Wieso meldest du dich jetzt erst?“ Er sagte kurz gar nichts und ich hatte Angst, dass ich mir seine Stimme nur eingebildet hatte. „Du sollst mich doch Takumi nennen“, sagte er schließlich und ich konnte mir den Schmollmund, den er vermutlich gerade machte, bildlich vorstellen. „Baka…“, sagte ich und war froh, dass er mich gerade nicht sehen konnte. Ich konnte ein paar Tränen der Erleichterung nicht zurückhalten. „Es tut mir leid, Misaki“, entschuldigte er sich bei mir. „Was war los?“, fragte ich im Gegenzug. Irgendetwas musste passiert sein. „Ich wollte eigentlich gestern schon wieder nach Japan kommen, aber Gerard hat mich aufgehalten“, begann er zu erzählen, „Er hat mir mein Handy abgenommen, deshalb konnte ich dich nicht anrufen.“ „… War das alles?“ Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass da noch mehr dahintersteckte. Er klang müde. Er seufzte. „Ich erzähle dir alles, wenn ich zurück bin“, vertröstete er mich. „Ich versteh das alles im Moment selbst noch nicht so genau.“ „Muss ich mir Sorgen machen?“, fragte ich und hatte wirklich Angst. „Nein“, widersprach er sofort, „Ich… bin vielleicht emotional ein bisschen mitgenommen. Das alles hier ist auch für mich nicht so einfach. Ich verspreche dir, Misaki, dass ich bald zurückkomme. Und dann erzähle ich dir alles. Wirklich alles.“ „In Ordnung“, stimmte ich zu und war tatsächlich ein wenig beruhigt. „Ist denn bei dir alles okay?“, fragte er schließlich, „Ich habe dich gestern nicht erreichen können.“ „Tut mir leid“, entschuldigte ich mich sofort und wusste nicht genau, wie ich die ganze Situation erklären sollte. „Schon gut“, erwiderte er, „Was war denn los?“ „Ich… ähm…“, stotterte ich, „Kann ich es dir erzählen, wenn du wieder da bist?“ Ich hatte das Gefühl, besser mit ihm darüber sprechen zu können, wenn ich ihn dabei ansehen konnte. „… Okay“, stimmte er nach einem kurzen Zögern zu. „Du bist bestimmt müde, oder?“ „Ohja“, gab ich zu, „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Takumi. Ich habe letzte Nacht sehr schlecht geschlafen.“ „Tut mir leid“, entschuldigte er sich erneut. „Nein, ist schon gut!“ Ich hatte ihm damit keinen Vorwurf machen wollen. „Du solltest schlafen“, sagte er nun und ich konnte ihm nicht widersprechen. „Mhm“, machte ich zustimmend. Ich war wirklich müde. „Ich melde mich morgen wieder bei dir“, fuhr er fort, „Vielleicht komme ich dann schon nach Hause.“ „Das wäre schön“, murmelte ich. „Misaki.“ „Hm?“ „Ich liebe dich“, sagte er und schaffte es damit, mein Herz ein bisschen schneller schlagen zu lassen. „Ich liebe dich auch“, erwiderte ich und wurde dabei mit Sicherheit rot. Damit verabschiedeten wir uns und trotz seiner Worte, hatte ich ein ungutes Gefühl im Bauch. Und ich war mir sicher, dass es ihm nicht anders ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)