Das Rauschen des Nils von Nightshade ================================================================================ Kapitel 1: Ein dunkles Palast-Geheimnis --------------------------------------- KAPITEL 1: Ein dunkles Palast-Geheimnis Es sind noch keine zwei Jahre vergangen, seit der Vater des Prinzen Atemu abgedankt hatte und die Krone an seinen Sohn abgab. Doch seit dem Tag der Krönung hatte sich im Land der Pyramiden einiges geändert... Es war Mitte des siebten Monats, der Sopdet stand morgens bereits am Himmel und kündigte nicht nur den Jahrestag der Krönung des Pharaos, sondern auch die bevorstehende Nilschwemme an. Wie jedes Jahr sollte gefeiert werden und die Priester bereiteten in ihren Tempeln bereits die Rituale vor – jeder ging seinem Tagwerk pflichtbewusst nach – und in der Stadt sowie im Palast herrschte rege Betriebsamkeit. Die Gänge im Palast waren voller Bediensteten, die ihrer Arbeit nachgingen und eilig durch die Flure liefen. Es gab nur wenige Gänge, weit unterhalb der genutzten Säle und der Räumlichkeiten der Dienerschaft, die nicht der Betriebsamkeit anheim fielen. Dort befanden sich alte Sklavenunterkünfte, einige Lagerräume die noch genutzt wurden und Kerkerzellen, die jedoch seit vielen Jahren – noch zur Regentschaft Atemus Vaters – als unbenutzt deklariert wurden. Nur einige vereinzelte Diener liefen dort die dunklen, schwach beleuchteten Gänge entlang um etwas aus den kühlen Lagerräumen nach oben in die Küche zu bringen. Sie kannten sich dort unten nur insoweit aus, dass sie wussten, in welchen Räumen Nahrung und Materialien gelagert wurden, mehr brauchten sie nicht zu wissen um ihre Arbeit zu verrichten. So kam es, dass der Pharao Atemu, welcher gerade mit einigen seiner Berater und der Leibwache durch die viel benutzten Gänge schlenderte und die Listen für die Feierlichkeiten durchging, aus den Augenwinkeln einen Schatten wahrnahm, der in einem der Flure verschwand, die hinab in die ungenutzten Bereiche führte. Als er jedoch seinen Kopf in die Richtung drehte, war der Schatten verschwunden. //Seltsam... Ich war mir sicher, ich hätte dort etwas gesehen...//, dachte Atemu sich und blieb stehen. Es dauerte einige Schritte, bevor die heftig debattierenden Berater merkten, dass ihr Pharao gar nicht mehr zwischen ihnen herlief und sie ebenfalls stehen blieben. „Mein Pharao... die Viehbestände...“, fing einer seiner Berater, ein relativ alter, dürrer Mann an, der in Atemus Augen schon alt war, als noch sein Vater regierte. Atemu nickte geistesabwesend und winkte mit der Hand ab:“Wir treffen uns später im kleinen Audienzsaal, um das zu klären! Bis dahin erledigt eure anderen Aufträge, ich komme dann nach.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, betrat Atemu den Gang – gefolgt von seiner Leibwache, die immer und fast überall an seiner Seite war. Jede der beiden Wachen nahm eine Fackel von der Halterung an der Wand und einer reichte sie seinem Gebieter. „Danke...“, murmelte der Pharao bloß und ging mit der Fackel in den unbeleuchteten Gang. Er fühlte sich nicht bedroht, immerhin war der Palast gut bewacht, dennoch verstand er die Maßnahmen der Leibwache, als diese sich links und rechts von ihm postierten und die Klingen blank zogen. Sich aufmerksam umsehend, besonders am Boden, ging Atemu den Gang entlang und entdeckte schon bald die hinabführende Treppe://Jemand geht regelmäßig hier hinunter... Die Staubschicht in der Mitte ist dünner, als die am Rand...// Nun noch neugieriger geworden – was sollte er machen, es war eben eine schlechte Angewohnheit – stieg er die Stufen vorsichtig hinab. Eine gefühlte Ewigkeit folgte er den Spuren durch Gänge und Treppen hinunter, bis er in einen Bereich kam, der völlig verlassen war. Es gab keinerlei Fackeln an den Wänden – ob brennend oder nicht – über allem lag eine dicke Staubschicht und selbst die Türen, welche in unregelmäßigen Abständen in die Wand eingelassen waren, wurden von Spinnenweben und Rost beherrscht. „Hier waren damals die Sklavenunterkünfte.“, merkte Sahim, einer seiner beiden Wachen, an und deutete auf den langen Gang:“Euer Vater hatte jedoch keinerlei Verwendung hierfür und ließ ihn räumen. Er war ein guter Mann und sagte, dass hier zu viel Leid geschehen sei, als dass man die Räumlichkeiten noch nutzen könne.“ Atemu nickte und lief weiter an den Türen vorbei, nur ein einziges Mal spähte er durch das Gitter einer Tür – nur um es sofort zu bereuen. Auf der anderen Seite wichen die Schatten vor dem Licht der Fackel zurück und gaben den Blick frei auf vergammeltes Stroh und Ringe, die etwa in Schulterhöhe in die Wände eingelassen waren. Überall waren dunkelbraune Flecken an den Wänden und schaudernd wandte der Pharao den Blick ab://Die armen Menschen... wurden gehalten wie Vieh... geschlagen wie Verbrecher... Wie viele von ihnen wohl Familie hatten? Freunde? Was aus ihnen wohl geworden ist...?// Kopfschüttelnd war er sich sicher - den Sklavenhandel und -besitz abzuschaffen war das Beste, das sein Vater getan hatte... Aber schließlich war er nicht hier unten, um über all das Leid nachzudenken, das von seinem Volk nun abgewandt war. Gerade war er am überlegen, wo er langgehen solle, als nicht weit entfernt hinter einer Biegung ein leises Poltern ertönte. Sich nun sicher, dass er nicht bloß halluziniert hatte, lief er mit seinen Wachen schnellen Schrittes den Gang entlang und leuchtete mit seiner Fackel die Gabelung aus. „Mein Herr, es kam von links.“, warf Dimas ein und zeigte auf die dort hinabführende Treppe. Völlig im Bann seiner Neugier stieg Atemu die Treppe hinab, nur um dann in einem kurzen Flur anzukommen, von dessen Ende ein bleicher und alter Diener erschrocken in die Fackel starrte. Überrumpelt, nun den Geist zu sehen, der eindeutig aus Fleisch und Blut bestand, sagte der Pharao erst einmal nichts. Ehe er sich dann zu einer Frage überwinden konnte, warf der Diener sich bereits auf den Boden und beugte sich so weit vor, dass seine Stirn diesen berührte:“Mein Pharao... Verzeiht... Ich glaubte mich allein hier unten!... Ich komme seit 10 Jahren jede Woche einmal hier herunter...“ //Das glaube ich dir aufs Wort...//, dachte Atemu sich und ging zu seinem Untergebenen:“Steh auf.“ Sofort gehorchend sprang der Diener auf und knetete seine Hände nervös, während er mit gesenktem Kopf dastand. „Sprich... Was tust du hier unten... Diese Räume sind leer... Es gibt keine Arbeit für einen...“, Atemu musterte die Kette, die dem Diener am Hals herum baumelte:“...Küchenbediensteten...“ Immer nervöser werdend, druckste der Diener ein paar Mal herum und sah immer mal wieder zum Ende des Flures, ehe er zögerlich erklärte:“Euer Vater... er... er ließ die Kerkerzellen hier unten leeren, bereits kurz nach seiner Ernennung... Alle Gefangenen wurden in die Kerkerzellen gebracht, die außerhalb der Palastmauern sind...aber...“ Es herrschten einige Minuten Schweigen, Atemu war geduldig und wollte warten, bis der alte Diener von alleine weitersprach – was dieser dann auch tat. „Damals war ich noch sehr jung und... und Hohepriester Makesh war mein Herr“, erklärte er und verstummte dann wieder. //Das erklärt nicht, weshalb er hier unten ist... Obwohl ich bei Makesh auch lieber im Kerker sitzen würde, als ihm zu Diensten zu sein... Es gab viele Gerüchte... Nicht ohne Grund hatte mein Vater ihn seines Amtes enthoben...//, dachte Atemu sich, sagte dann laut:“Gut.. nur was tust du hier unten? Hohepriester Makesh ist nicht mehr am Hof... Und du bist nun ein Diener des Pharao...!?“ Vor Neugier sah er sich nun noch einmal in dem Gang um, entdeckte jedoch nichts Ungewöhnliches. „Nehmt ihn mit, beruhigt ihn und wenn er bereit ist, mir zu antworten, bringt ihn in meinen Audienzsaal...“, seufzte Atemu und drehte sich um. Es nützte nichts jetzt noch weiter hier unten rumzustehen, denn es gab sehr viel zu tun und wenn der Diener vor lauter Nervosität keine klaren Antworten hervorbrachte, dann musste er diese Nervosität eben ablegen... Sahim nickte und nahm den alten Diener behutsam am Arm, um ihn wegzuführen und zurück in die Kammern der Dienerschaft zu bringen. Dimas hingegen wich nicht von der Seite des Pharaos und gerade, als die beiden sich umgedreht hatten, um ebenfalls wieder hinauf zu gehen, hörte die Wache ein Geräusch. Ruckartig blieb er stehen und deutete Atemu, der ebenfalls mit fragend nach oben gezogenen Augenbrauen stehen geblieben war, still zu sein. Lauschend wandte Dimas sich um und spähte den Gang entlang, als würden dort gleich hundert Feinde auftauchen. Vorsichtig schlich er von Tür zu Tür und lauschte. Atemu folgte seiner Wache von Tür zu Tür und als sie stehen blieb und intensiv an einer Tür lauschte, die kein Gitter hatte, steigerte sich die Neugier des Pharao ins Unermessliche. Was mochte dahinter sein...? Was war so wichtig, dass sich ein Diener jede Woche hier hinunterschlich...? Und das zehn Jahre lang? Dimas starrte die Tür so böse an, dass sich Atemu wunderte, als sie nicht nachgab:“Dahinter ist etwas...!“ Probeweise zog die Wache an dem Griff, es rührte sich jedoch nichts:“Abgeschlossen...“ Sich ein Grinsen verkneifend packte Atemu den Griff des Riegels, der etwa auf Bauchhöhe war und schob ihn zurück. Blamiert blickte Dimas entschuldigend zu Atemu, beide schienen vor lauter Neugier nur teilweise klar zu denken. Mit einem Ruck zog er nun an der Tür, die sich leise und ohne Quietschen öffnete – sie wurde wohl regelmäßig geölt. Beide Männer starrten in den Raum dahinter und ihnen bot sich ein grausiger Anblick. Wieder vergammeltes Stroh am Boden, wieder Ringe in der Wand, aber diesmal war etwas anders... An der einen Wand stand ein Tisch, auf dem Messer und andere Werkzeuge lagen. Ein muffiger Geruch durchflutete den ganzen Gang – verwesende Gebeine und Tod. Entsetzt tat Atemu einen Schritt in die Zelle und leuchtete sie damit ein wenig aus. Die Wände waren voller brauner Flecken, der Boden und das Stroh ebenfalls – überall waren Gebeine. Die meisten Toten waren bereits zu bleichen Knochen verkommen, nur einige wenige hatten noch Haut- oder Fleischreste an ihren kahlen Schädeln. Zu genau wollte Atemu sich das nicht ansehen, aber ihm fiel sofort der Ring auf, der jedem Toten um den Hals gelegt und mit einer Kette an die Ringe in der Wand befestigt war. Vorsichtig mit seiner Fackel an den Überresten vorbeigehend, leuchte er den Raum nun vollends aus und wollte sich gerade kopfschüttelnd und entsetzt abwenden, um die Zelle wieder zu verlassen, als ihm in der hintersten Ecke etwas ins Auge sprang... Es passte so gar nicht hierher, hier in der Zelle, die so viel Tod enthielt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)