Einmal im Jahr von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Doppeltes Glück -------------------------- Mit konzentrierter Miene fixierte Lily das Fluchmal auf der morschen Holztür vor sich. Es bestand aus vier im Halbkreis angeordneten Mondsicheln, welche durch eine wellenartige Linie kunstvoll miteinander verbunden waren. Es wirkte in keinster Weise bedrohlich oder überhaupt irgendwie wichtig und ein Laie hätte sich davon wohl nicht aufhalten lassen und hätte die Tür einfach geöffnet. Doch Lily wusste es besser. Sie war sich sicher, dass sie dieses Mal in einem ihrer unzähligen Lehrbücher schon einmal gesehen hatte, und so versuchte sie nun, sich den Inhalt des Textes, der unweigerlich auf diese Abbildung gefolgt haben musste, in Erinnerung zu rufen. Dies war allerdings gar nicht so leicht, wenn man sich in einer dunklen, wenig einladenden Grabkammer mitten im Dschungel von Peru befand. Da fiel das Nachdenken doch um einiges schwieriger als Zuhause in der gemütlichen Wohnung. Doch Lily ignorierte die unheimlichen Malereien an den steinernen Wänden und rief sich die markanten Merkmale dieses Fluches ins Gedächtnis. In Gedanken verglich sie sie mit den verschiedenen Darstellungen aus dem Lehrbuch, und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass es sich um eine Mischung aus verschiedenen Malen handeln musste. Vorsichtig tippte sie es mit ihrem Zauberstab an und murmelte: „Codex“. Augenblicklich erschienen die einzelnen mathematischen Zusammensetzungen des Fluches in Form von sich stetig ändernden Zahlen in grünlichen Ziffern vor ihr in der Luft. Prüfend huschten ihre Augen über die verschiedenen Kombinationen. Im Prinzip war Magie der Mathematik sehr ähnlich. Es gab zwar nur ein richtiges Ergebnis, aber mehrere Rechenwege, wie man zu diesem Ergebnis gelangen konnte. So verhielt es sich auch bei der Magie. Wollte man beispielsweise einen Gegenstand auf sich zu bewegen, konnte man ihn entweder mit einem einfachen ‚Accio‘-Zauber herbei rufen oder mit ‚Wingardium Leviosa‘ auf Einen zu schweben lassen. Beides verfolgte im Prinzip das gleiche Ziel. Nur war eben in jeder Situation entweder der eine oder der andere Spruch besser geeignet. Genauso war es nun ihr Ziel, den Fluch aufzuheben. Nur der Weg dahin musste sie korrekt wählen. Sie legte die Stirn in Falten und verglich die Zahlen vor ihrem inneren Auge mit denen der verschiedenen Aufhebungszauberer, die sie kannte. Nur, wenn sie ein möglichst nahes Ergebnis fand, konnte sie den Zauber sicher anwenden. Schließlich hatte sie ihn gefunden. Er tauchte plötzlich in ihrem Kopf auf, es erschien ihr vollkommen logisch, und sie haderte sie nicht lange mit sich selbst, sondern murmelte, während sie mit ihrem Zauberstab erneut das Mal berührte, die vermeintlich richtigen Worte. Sie hielt den Atem an und wartete. Das Mal nahm eine leuchtend orange-rote Farbe an, bevor es langsam verblasste und schließlich gänzlich verschwand. Triumphierend legte sie die Hand auf die Türklinke und öffnete langsam die Tür. Da sie weder zu Staub zerfiel noch anderweitig irgendwelchen Schaden nahm, hatte sie wohl den richtigen Riecher gehabt. Kaum eine Sekunde später wurde ihr Verdacht bestätigt, als die Umgebung um sie herum zu verschwimmen begann und sie plötzlich wieder in dem weißen, sterilen Raum stand, wo sie ihre Reise begonnen hatte. Etwas benommen blinzelte die Rothaarige in das grelle Licht. „Hervorragend, Miss Potter! Wirklich eine Glanzleistung.“, beglückwünschte sie Professor Mayson, welcher eben durch eine Schiebetür den Raum betreten hatte und lächelte die Potter wohlwollend an. „Danke, Professor. Ich muss zugeben, die Tür war wirklich das Schwerste. Erst hielt ich das Zeichen für eine Abwandlung des ‚Fluch des Goldes‘, aber dafür waren die mathematischen Zusammensetzungen viel zu Komplex. Doch schließlich ist mir die Ähnlichkeit zu dem ‚Zorn der Paracas‘ aufgefallen.“ Der Professor nickte zustimmend. „Hätten Sie sich für den ‚Fluch des Goldes‘ entschieden, hätten Sie zwar die Grundzüge des Fluches entschlüsselt, der Schatz hinter der Tür wäre aber verloren gewesen, weil dies automatisch einen Schutzmechanismus ausgelöst hätte. Also, alles richtig gemacht. Sie dürfen sich freuen. Sie haben soeben ihre erste Zwischenprüfung bestanden.“ Pure Erleichterung machte sich in Lily breit und sie gestattete sich einen kleinen Freudenschrei. „Und jetzt gehen Sie etwas essen. Sie wissen ja, was die Simulation für Nachwirkungen haben kann.“ „Ja, Professor.“ Sie machte Anstalten, den Raum zu verlassen. „Ach ja, und Miss Potter?“ „Ja?“ Der Professor lächelte. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ Fröhlich vor sich hin summend hüpfte Lily den Korridor Richtung Fahrstuhl entlang. Vor dem Professor hatte sie ihre Würde bewahren wollen, doch nun ließ sie ihrer Freude freien Lauf. Sie hatte bestanden! Die erste Hürde ihrer Ausbildung hatte sie bezwungen. Erst war sie wenig begeistert gewesen, dass ihr Prüfungstag genau auf ihren 20. Geburtstag fallen würde, doch jetzt hielt sie es für das Beste, was ihr je passiert war. So hatte sie heute doppelt Etwas zu feiern. Als sie ihren Eltern Anfang des 6. Schuljahres eröffnet hatte, dass sie Fluchbrecherin werden wollte, waren diese zuerst nicht sehr begeistert gewesen. Ihr Mutter hätte es lieber gesehen, wenn sie etwas ‚Sinnvolles‘ mit ihrem Leben anfing, sprich Heilerin werden würde und ihr Vater hielt ihre Berufswahl schlichtweg für zu gefährlich. Womit er zugegeben nicht gänzlich Unrecht hatte. Neben den Vampirzahnärzten belegten die Fluchbrecher den zweiten Platz, was die Sterberate während eines Berufseinsatzes anging. Außerdem wurde für die Zulassung zur Ausbildung ein ‚Ohnegleichen‘ in Arithmantik, Verteidigung gegen die dunklen Künste, Verwandlungen, Zaubertränke und Zauberkunst verlang, wodurch der Beruf ‚Fluchbrecher‘ als einer der Anspruchsvollsten galt, was die Schulnoten anging. Doch all das hatte Lily nicht von ihrer Entscheidung abbringen können. Schon immer hatte sie ihrem Onkel Bill gespannt gelauscht, wenn dieser von seinen Berufserlebnissen erzählt hatte, und sie war einfach fasziniert gewesen von den vielen weit entfernten Orten, die er bereist hatte, oder den vielen verschiedenen Kulturen, die er kennen gelernt hatte. Also hatte sie in ihren letzten drei Hogwartsjahren die Zähne zusammen gebissen, eifrig gelernt und hatte es schließlich geschafft, die Anforderungen zu erfüllen. Seit knapp anderthalb Jahren lernte sie nun schon unter der Leitung Professor Mayson alles Mögliche und Unmögliche über Bann- und Abwehrflüche, Fluchmale verschiedener Kulturen, Gegenzauber und versteckte Barrieren. Neben den Theoriestunden standen auch regelmäßig praktische Übungen auf dem Stundenplan. Es war natürlich zu gefährlich, eine solche Übung an einem realen Fluch durchzuführen. Aus diesem Grund war der Simulationsraum gebaut worden. Es war eine einzigartige Konstruktion aus Elektronik und Magie, welche demjenigen, der den Raum betrat, das Gefühl vermittelte, nicht in einem Raum im Ausbildungstrakt des Ministeriums zu stehen, sondern – wie in Lilys Fall – in einem alten peruanischen Grab. Das Grundprinzip dieses Raumes hatten sich die Zauberer von den Muggeln abgeschaut, doch durch den Zusatz von Magie hatten sie einige Tücken und Fehler ausbessern können und das Gerät dadurch nahezu perfektioniert. Dadurch wirkten die Simulationen sehr realistisch. Hätte Lily die falsche Taktik gewählt, hätte das System sie wirklich zu Staub zerfallen lassen. Es war zwar nur eine Illusion, doch Lily wusste aus Erfahrung, dass dies trotzallem nicht besonders angenehm gewesen wäre. Sie selbst war, gerade zu ihrer Anfangszeit, oft in den Geschmack dieser äußerst realitätsnahen Darstellungen ihres vermeintlichen Todes gekommen. Mit einem leichten Schaudern dachte sie an das eine Mal zurück, bei dem der gesamte Tempel aufgrund ihrer fehlerhaften Diagnose über ihr zusammengestürzt war oder an das andere Mal, wo sie sich selbst in eine Goldstatue verwandelt hatte, weil sie zwar die Tür zur Grabkammer ordnungsgemäß gesichert, aber nicht daran gedacht hatte, dass das Gold selbst auch mit einem Fluch belegt sein könnte. Erst letzte Woche war Gwendolyn Banks, eine ihrer Mitschülerinnen, bei einer ihrer Übungen in Flammen aufgegangen. Selbst, nachdem der Professor die Simulation unterbrochen hatte und die vernichtenden Flammen samt der angst einflößenden Kulisse verschwunden waren, hatte sie sich immer noch kreischend auf dem Boden gewälzt und so versucht, das Feuer zu löschen. Erst, nachdem Professor Mayson minutenlang beruhigend auf sie eingeredet hatte und ihr versicherte, dass sie nicht mehr lichterloh brannte, beruhigte Gwen sich wieder. Außerdem zog die längere Benutzung des Raumes ein paar Nebenwirkungen nach sich. Wenn man nichts oder zu wenig gegessen hatte, lief man Gefahr, in Ohnmacht zu fallen oder sich zu übergeben. Die Ausbildung zu einem Fluchbrecher war also wirklich kein Zuckerschlecken. Umso erleichterter war Lily, dass sie den ersten Teil ihrer Prüfung bestanden hatte. Nach der Mittagspause stand der Theorietest an, der würde um einiges entspannter ablaufen. Doch jetzt würde sie erst einmal die Mensa ansteuern. Ein deftiges Mittagessen hatte sie sich redlich verdient, wie sie fand. Die Mensa des Zaubereiministeriums befand sich im untersten Stockwerk. Sie wurde von allen Abteilungen zusammen genutzt und war dementsprechend meist brechend voll. So wie auch heute. Als Lily mit einer Schar von Hexen und Zauberern aus dem Fahrstuhl trat, war in der Mensa bereits der Betrieb im vollen Gang. An der Kantine hatte sich eine meterlange Schlange gebildet und die schwebenden Suppenkellen, Pfannenwender und Siebkellen kamen mit dem Auftun der verschiedenen Speisen gar nicht so schnell hinter her. Trotzdem nahm sich Lily eines der schwebenden Tabletts, welche neben dem Eingang darauf warteten, gebraucht zu werden, und stellte sich an. „Einmal Nudeln mit Tomatensoße.“, bestellte sie schließlich nach einer fast zwanzigminütigen Wartezeit bei einer der Siebkellen und nur wenige Sekunden später hatte sie endlich ihr ersehntes Mittagessen. Sie nahm sich Besteck aus einem der Besteckbehälter und blickte sich dann in der Halle suchend nach einem freien Platz um. „Lily! Hier drüben!“ Winkend und wild mit den Armen rudernd machten ihre Freundinnen Mary-Lou Wood und Leslie Longbottom vom hinteren Teil der Halle auf sich aufmerksam. Lily winkte zurück und bahnte sich dann, gefolgt von ihrem schwebenden Tablett, einen Weg durch die Halle. Kurz, bevor sie den Tisch erreichte, den ihre Freundinnen sich gesichert hatten, erhob Leslie sich von ihrem Platz und bückte sich Richtung Boden. Als sie wieder hoch kam, hielt sie einen riesige, bonbonrosanen Geburtstagskuchen in den Händen, welcher mit vielen kleinen roten Rosen dekoriert war und auf welchem in großen schimmernden Buchstaben ‚Happy Birthday Lil‘ geschrieben stand. „Happy Birthday, Lilyyy!“, riefen die Beiden gleichzeitig und mit einem Schwung ihres Zauberstabs entzündete Mary die Zuckergussschrift, wodurch sie anfing in den verschiedensten Regenbogenfarben zu leuchten. Überwältigt schlug Lily die Hände vor das Gesicht. „Oh, ihr seid doch verrückt!“, quietschte sie und fiel erst Mary und, nachdem sie den Kuchen vorsichtig abgestellt hatte, Leslie um den Hals. Dann betrachtete sie fasziniert den kunstvollen Kuchen. „Wow, der sieht wirklich klasse aus! Ich danke euch! Vielen vielen lieben Dank!“ Mary und Leslie strahlten beide um die Wette. „Die meiste Arbeit hat natürlich Leslie geleistet.“, räumte Mary ein, während die drei Freundinnen Platz nahmen und Leslie Lily ein Messer in die Hand drückte, damit sie den Kuchen anschneiden konnte. „Aber ich finde, mein Schriftzug ist auch nicht zu verachten.“ „Ich bin sicher, er wird mindestens so gut schmecken wie er aussieht.“, meinte Lily und hob das erste Stück auf einen Teller, welchen Leslie ihr hin hielt. Vergessen waren ihre Nudeln mit Soße. Wer brauchte schon ein nahrhaftes Mittagessen, wenn man stattdessen Kuchen hatte? „Wie ist es denn mit deinem zweiten großen Ereignis geworden?“, wollte die Longbottom wissen, während Lily auch ihr ein Stück auf den Teller legte. Sofort war auch Mary Feuer und Flamme. Lily biss sich auf die Lippen, um die Beiden noch ein wenig auf die Folter zu spannen, bevor sie grinste und sagte: „Bestanden.“ Erneut brachen Mary und Leslie in Jubel aus, worauf sich einige Hexen und Zauberer an den Nachbartischen sich neugierig zu ihnen umdrehten. „Klasse, Lily!“, gratulierte ihr Leslie und tätschelte ihr den Arm. „Das macht den Tag doch gleich noch um Einiges besser, was?“ „Auf jeden Fall!“ „Und, was hast du für heute sonst noch so geplant?“, fragte Mary, nachdem die drei Freundinnen jeweils einen Teller mit einem Kuchenstück vor sich hatten, und inspizierte dabei eindringlich die kunstvolle Marzipanverzierung die sie von ihrem Stück auf gepiekt hatte, bevor sie es in ihrem Mund verschwinden ließ. Genießerisch verdrehte sie die Augen zur Decke. „Merlin noch eins, Leslie, das schmeckt himmlisch!“ Leslie quittierte diese Aussage mit einem erfreuten Lächeln, während Lily auf Mary’s Frage antwortete. „Ehrlich gesagt weiß ich das noch gar nicht so genau. Roy meinte nur, ich soll mir den ganzen Abend für ihn frei halten.“ „Uhhh.“ Mary wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. „Das schreit doch förmlich nach einem romantischen Abend zu Zweit! Bestimmt hat er etwas Außergewöhnliches geplant!“ „Wobei bei Roy „außergewöhnlich“ durchaus wörtlich zu nehmen ist.“, warf Leslie ein und deutete warnend mit ihrer Gabel auf Lily. „Du weißt wie er manchmal ist, Lil. Und auch, wenn er mein Bruder ist und ich ihn unglaublich lieb habe, aber er ist wirklich schlecht darin, einzuschätzen, was eine Frau sich zum Geburtstag wünscht.“ „Ach, so ein Blödsinn!“, winkte Mary ab, „Der gute Roy wird schon wissen, was er tut.“ „Klar ist dein Bruder manchmal etwas schwer von Begriff, was die Bedürfnisse des weiblichen Geschlechts angeht.“, räumte Lily ein und dachte an ihr erstes gemeinsames Date, bei dem das Museum für »Außergewöhnliche Insekten der Vergangenheit und Gegenwart« besucht hatten. Grundsätzlich war das eine interessante Idee von Roy gewesen, nur hatte Lily seit jeher eine Phobie gegen jegliche Krabbeltiere und so war, besonders, als sie die Abteilung durchschritten, in der lebendes Material ausgestellt worden war, der Tag für Lily eher ein Krampf als eine wissenschaftliche Bereicherung gewesen. „Aber ich traue ihm doch schon zu, dass er ungefähr weiß, womit er mir eine Freude bereiten kann.“ Leslie bedachte ihre Freundin mit einem zweifelnden Blick, bevor sie mit den Schultern zuckte und sich weiter über ihr Kuchenstück her machte. „Sag aber nicht, ich hätte dich vorher nicht gewarnt!“ Nachdem sie aufgegessen hatten und Lily den Rest des Kuchens verkleinert und in ihrer Tasche verstaut hatte, verabschiedete sie sich von ihren beiden Freundinnen. Sie verabredeten sich für morgen zu einem Treffen in der Winkelgasse, bei welchem sie Lilys Geburtstag in Form eines ausgiebigen Shoppingtages – „Mit allem, was dazu gehört!“ – nachholen wollten. Danach kehrte Lily gesättigt und glücklich in ihre Abteilung zurück. Auf den Fluren begegnete sie verschiedenen Leuten, die ihr – einige mehr, andere weniger – herzlich zum Geburtstag gratulierten. Unter ihnen war auf ihr Bruder Albus. Lily hatte heute Morgen, bevor sie zur Arbeit gegangen war, bereits dem traditionellen Geburtstagsfrühstück in ihrem Elternhaus beigewohnt, welches zu jedem Geburtstag eines Familienmitglieds stattfand, ungeachtet der Tatsache, ob dieses Familienmitglied schon ausgezogen war. Albus hatte ihr also schon gratuliert und ihr sein Geschenk überreicht – einen Gutschein für eine Reise zusammen mit ihm an einen Ort ihrer Wahl – doch trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, sie erneut zu beglückwünschen. „Doppelt hält besser.“ „Al, hör auf, du erdrückst mich!“, keuchte sie, als ihr Bruder sie in eine knochenzermürbende Umarmung zog. „Außerdem ist das peinlich.“ „Ooch, die Liebe zu deinem großen Bruder muss dir doch nicht peinlich sein!“, verkündete der Potter gut gelaunt, drückte sie noch etwas fester an sich und schüttelte sie leicht hin und her. Dann gab er sie schließlich doch frei und erleichtert und nach Luft schnappend taumelte Lily zurück. „Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, du hast deine Prüfung mit Bravour bestanden?“, fragte er, noch bevor Lily selbst mit dem Thema beginnen konnte. „Merlin, du hast deine Ohren aber auch wirklich überall.“, verdrehte Lily die Augen, konnte sich aber ein stolzes Grinsen nicht verkneifen. „Oh, Wahnsinn!“ Und wieder zog er sie an sich. „Du bist heute aber kuschelbedürftig.“, nuschelte Lily, während er ihr Gesicht an seine Brust drückte. Es dauerte eine weitere Viertelstunde, bis sie sich endlich von Albus loseisen konnte und dadurch kurz vor Beginn der theoretischen Prüfung in den Raum gehetzt kam. Rasch nahm sie Platz und nahm den Prüfungsbogen entgegen, welcher von einem der Abteilungsmitarbeiter ausgeteilt wurde. Die Aufgaben waren schwer, aber nicht unlösbar. An einigen Stellen war sich Lily nicht ganz sicher und musste sich das eine oder andere zusammenreimen, aber im Großen und Ganzen kam sie gut durch. Nach drei Stunden war die Prüfung vorbei. Geschafft, aber glücklich, legte Lily ihre Feder beiseite und gab ihre Ausarbeitung vorne am Lehrerpult ab. Nun war es geschafft. Die Ergebnisse für die schriftliche Prüfung würde sie erst in ein paar Tagen erhalten, aber grundsätzlich hatte sie ein gutes Gefühl. Vielleicht keine Bestnote, aber ein Bestehen müsste drin sein. Auf dem Weg zum Ausgang tauschte sie sich noch etwas mit ihren Mitauszubildenen aus. Danach fühlte sie sich nicht mehr ganz so sicher, was ihre Prüfung anging, doch das war ein Phänomen, was bei jeder Prüfung auftrat, sobald man sich mit anderen Mitschreibern unterhielt. Sie beschloss also, trot zallem positiv zu denken und verabschiedete sich rasch, da sie verquatscht hatte und so etwas in Zeitnotstände geraten war. Als sie endlich ihre Wohnung betrat, war es bereits halb sieben. Sie hatte noch eine gute Stunde, bevor Roy vorbei kommen und sie abholen würde. In Windeseile huschte sie ins Bad und frischte ihr Äußeres etwas auf. Da sie ja nicht genau wusste, was Roy mit ihr vor hatte, beließ sie es bei ihrem Tagesmakeup und wählte ein Outfit aus, mit welchem sie so ziemlich für jede Art Restaurant angemessen gekleidet und weder over- noch underdressed sein würde. Pünktlich um halb acht war sie startbereit und, wie von Roy nicht anders zu erwarten, klingelte es in eben diesem Moment an der Tür. Voller Vorfreude öffnete sie. Das Erste, was sie sah, war ein gigantischer Strauß hellblauer Rosen – ihre Lieblingsblumen -, erst als sie die Blumen vorsichtig zur Seite schob, erblickte sie Leroys grinsendes Gesicht. Ihr Herz machte vor Freude einen Hüpfer und in Gedanken erstattete sie Leslie bereits Bericht, wie lieb und aufmerksam ihr Bruder wirklich sein konnte. „Alles Gute zum Geburtstag!“ „Ohh, wie süß von dir!“, freute sich Lily, nahm ihm den Strauß ab und gab ihm einen zärtlichen Kuss. „Die sind wirklich wunderschön.“ Sie betrachtete den Strauß und vergrub ihre Nase in den duftenden Knospen. „Und sie riechen himmlisch. Warte einen Moment, ich stelle sie rasch in eine Vase. Dann können wir los.“ Nachdem sie das erledigt hatte, verließen die Beiden ihre Wohnung. „Und? Wo geht es hin?“, fragte Lily aufgeregt, doch Leroy schüttelte nur lächelnd den Kopf und zog ein schwarzes Stofftuch aus seiner Tasche. „Dreh dich um!“, forderte er sie auf und sie kam seiner Bitte ohne Widerspruch nach. Er band ihr das Tuch um die Augen und zog etwas daran. „Ist es fest genug? Kannst du was sehen?“ „Nein.“ „Sicher?“ Er wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, doch als Lily nicht reagierte, war er zufrieden. Dann griff er vorsichtig nach ihrer Hand. „Wir werden jetzt apparieren, also nicht erschrecken, ja?“ Stumm nickte Lily. Sie war ja so aufgeregt! Was hatte Roy wohl für sie geplant? Kurz spürte sie das enge, beklemmende Gefühl des Apparierens, dann konnte sie wieder frei atmen und zog gierig die Luft ein. Nach der Geräuschkulisse zu urteilen befanden sie sich immer noch im Freien. „Darf ich die Augenbinde abnehmen?“, fragte sie. „Ja, mach nur.“ Hektisch fummelte sie an dem Knoten herum und wenige Augenblicke später hatte sie ihn gelöst. Sie nahm das Tuch ab und sah sich um. Augenblicklich klappte ihr der Mund auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)