Long live the King! von Almyra ================================================================================ Kapitel 5: Broken Machine ------------------------- „Und dieses Ding soll uns wirklich weiterhelfen?“ „Du wolltest die Hilfe dieser seltsamen Frau.“ Laverne seufzte und hing sich die Kette, an der eine weiße Perle hing, um den Hals. Sie waren erst am Mittag aufgestanden und Minea bat sie sofort in ihr Zimmer. Dort reichte sie den beiden diese Kette und sagte, dass die Traumperle nun aufleuchten würde, wenn sie in die Nähe von Jenaro-Remo kommen würden. Ob das wirklich stimmte, konnte die Pilotin nicht sagen. Mit Pech hatten sie nur noch mehr Zeit verschwendet. In der mittleren Ebene hatten sie zumindest nichts erreicht und in der unteren brauchten sie eigentlich nicht einmal zu Suchen. Wenn ihre Zielperson dort leben würde, wäre er sicherlich schon längst gefunden worden. Dennoch waren die Rebellen nun auf dem Weg zum Flugzeug, um in die untere Ebene zurück zu kehren. Ihr Anführer wollte sicherlich, dass sie von ihrer Suche berichten und vielleicht hatte er auch ein paar zusätzliche Informationen. Kurz vor dem Flugzeug blieb Ercillia stehen und schluckte, was Laverne murren ließ. „Wenn dir mein Flugstil nicht passt, dann lauf, aber trödel hier nicht rum.“ Mit diesen Worten, stieg die Pilotin auch schon ein und wartete kurz, ehe die Rothaarige nun doch hinter ihr Platz nahm. „Geht doch.“ Der Flug verlief wesentlich ruhiger, auch wenn das sehr viel Beherrschung seitens Laverne kostete. In der Hoffnung, dass sie bald ein neues Ziel haben würden, verstaute sie das Flugzeug nicht in ihrer Garage, sondern ließ es auf dem versteckten Flugplatz stehen. Zu ihrer Überraschung wurden sie dort schon von ihrem Anführer erwartet. Es war selten, dass man ihn so oft hier antraf. Laverne ging sofort hektisch auf ihn zu. „Wir wollten gerade zu Ihnen. Jenaro- Remo ist nicht in der mittleren Ebene.“ Der Mann im Rollstuhl nickte nur wissend. „Ich habe bereits die Nachricht von Minea erhalten. Sie sagte auch, dass ihr eine Traumperle erhalten habt.“ Er wusste also ohnehin schon alles. Die beiden Frauen nickten bloß stumm und hörten weiter zu. „Ich habe in Zwischenzeit in der unteren Ebene Nachforschungen betrieben. Es gibt ein verlassenes Anwesen. Eines der letzten, das zu dieser Zeit noch hier steht. Es geht das Gerücht um, dass dort der Geist des berechtigten Königs leben soll. Seht es euch bitte an.“ Also sollten sie nun auch noch ein Spukhaus durchsuchen? Das war doch wirklich lächerlich. Nur widerwillig nahm Laverne die Karte entgegen, in der das Anwesen markiert war und ging ohne noch irgendetwas zu sagen mit Ercillia los. Das sollte ja nicht zu lange dauern. „Achso, Laverne! Wie hat dir der Ball gefallen?“ Bei der Frage lief sie knallrot an. Warum musste Minea auch das erzählen? Ihre Gefährtin lachte, während Laverne ihren Gang nur weiter beschleunigte. Nächstes Mal würde sie diese Hexe umbringen! Den ganzen Weg zu diesem seltsamen Anwesen verloren die beiden Rebellen kein Wort und Laverne fragte sich, warum sie ein Haus, das so groß sein soll, noch nie gesehen hat. Es musste immerhin sehr auffallen. Und tatsächlich konnte es ohne Weiteres mit den Gebäuden der mittleren Ebene mithalten. Der Zaun, der das Anwesen von der Straße abtrennte, war sehr hoch und die Jahre hatten es verrosten lassen. Dennoch war er selbst jetzt noch beeindruckend. Anscheinend gab es hier einmal eine riesige Gartenanlage, doch mittlerweile war der Boden voller Steine und Sand. Unfassbar, dass hier einmal etwas geblüht haben könnte. In dem Haus könnten ohne Weiteres viele Obdachlose eine Heimat finden, so groß war es. Jedoch sah es auch aus, als würde es jeden Moment zusammenstürzen. In den Wänden zeichneten sich deutliche Risse ab, die dem Gebäude viel von dem pompösen Erscheinungsbild nahmen, die es sicher einmal hatte. Die Tür zum Grundstück ging durch den ganzen Rost kaum auf, also trat Laverne einmal heftig dagegen, was ihnen schnell ihren Weg ins Innere verschaffte. Auf dem Boden ließ es sich nur schwer gehen, aber dennoch kamen sie schnell voran und standen letztlich vor der Eingangstür, die, selbstverständlich, nicht aufgehen wollte. „Willst du wieder dagegen treten?“ Eigentlich hatte sie es sarkastisch gemeint, aber als die Pilotin es wirklich versuchte, seufzte Ercillia. Doch statt dass die Tür sich öffnete, fiel sie zu Boden und fluchte sofort leise. So eine massive Tür würde nicht von einem einfachen Tritt aufgehen. „Du handelst immer so übereilt oder? Durch eines der Fenster geht es viel einfacher.“ Die Rothaarigen half ihrer Partnerin auf und schritt auf eines der, ohnehin schon zerbrochenen Fenster. Da Laverne immer noch wütend auf die Tür zu sein schien, kümmerte sich Ercillia darum, durch das Loch in der Scheibe zu greifen. Der innere Griff war schnell gefunden und das Fenster geöffnet. Es direkt richtig zu öffnen war definitiv klüger, als sich beim Einsteigen womöglich noch Schnittwunden zuzufügen. Anscheinend sah ihre Begleiterin es auch so, denn sie folgte ohne einen weiteren Kommentar durch das Fenster in das Haus. Es war wirklich riesig, aber ebenso verfallen. Der riesige Kronleuchter, der wohl einmal den Raum erhellte, lag zerstört am Boden. An der Stelle der Decke, wo er früher hing, klaffte ein Loch. Dieses Haus war unter Garantie nicht sicher. Vorsichtig gingen sie durch das Haus. Es sah nicht so aus, als würde neben Spinnen und Ratten noch jemand hier wohnen. Hier sollten sie wirklich Jenaro-Remo finden? Sie waren mittlerweile im ersten Stock und hatten immer noch keine Menschenseele gefunden. Laverne sah sich im Raum um und murrte. „Wenn wir ihn finden, dann aber nur als Leiche.“ Ihre Partnerin nickte; auch sie hatte die Hoffnung, hier einen lebenden Menschen zu finden, aufgegeben. Dennoch waren sie es dem Rebellenanführer schuldig, wenigstens nach einer möglichen Leiche zu suchen. Leider würde die Traumperle aber nur leuchten, wenn er noch lebte und das tat sie nicht. Um schneller voranzukommen trennten sie sich und durchsuchten einzeln die verschiedenen Räume. Laverne sah sich alles genau an, um irgendwelche Spuren zu finden, die auf Leben hindeuten könnten. Jedoch gab es nirgends etwas, das auf Mensch hinweisen könnte. Sie ging den langen Flur entlang und betrat eines der letzten Zimmer. Es war ein sehr großes Badezimmer. Hier war mehr Platz als in Lavernes Unterkunft. Seltsam, dass es so ein Badezimmer in der unteren Ebene gab. Noch nie hatte die Pilotin eine so große Badewanne gesehen. Sie war mal in das Haus einer Familie der mittleren Ebene eingebrochen und nicht einmal die hatten so ein luxoriöses Bad. Sie schüttete kurz den Kopf. Nein, sie war nicht hier, um über so etwas nachzudenken. Ihre Aufgabe war es, nach Lebenszeichen zu suchen. Langsam ging sie zum Waschbecken und drehte das Wasser auf. Nichts. Kein einziger Tropfen. Wie erwartet, war die Wasserzufuhr abgestellt. Wenn hier jemand leben würde, könnte er sich zumindest nicht waschen, aber ein wirkliches Gegenargument war es auch nicht. Auf der Straße konnten sich die Menschen immerhin auch nicht waschen. Enttäuscht seufzte Laverne. Kein bisschen war sie weitergekommen und das war ihr letzter Raum. Vielleicht hatte Ercillia ja etwas entdeckt, oder brauchte noch Hilfe. Mit diesem Gedanken drehte sie sich um und wollte zur Tür schreiten, als der Boden unter ihren Füßen plötzlich nachgab. Im Bruchteil einer Sekunde erinnerte sie sich an ihren ersten Eindruck vom Haus: Es war nicht sicher hier. Ehe sie etwas hätte tun können, fiel sie hinab und um sie herum wurde alles schwarz. Als sie zu sich kam, tat ihr alles weh. Sie murrte leise, doch sie beruhigte sich sofort wieder, als jemand ihre Wange streichelte. Augen noch geschlossen, versuchte sie, das Vergangene revuepassieren zu lassen. Es dauerte etwas, bis sie verarbeitet hatte, was gerade geschehen war. Im Badezimmer war sie mit dem Boden runtergekracht. Wie konnte sie nur so unvorsichtig sein? Der Kronleuchter war doch die beste Warnung gewesen! Aber wenn sie in diesem verfallenen Haus war, wer streichelte dann ihre Wange? Erschrocken öffnete sie die Augen und sah direkt in das Gesicht Ercillias, die nur lächelte und sich wieder aufrecht hinsetzte. Auch Laverne richtete sich vorsichtig auf. „Verdammt. Wie lange war ich ohnmächtig?“ Die Rothaarige schwieg kurz und schien selbst nachzudenken, wie lange sie nun hier waren. „Schon ein paar Stunden. Ich hab dich zwischen den Trümmern gefunden. Vielleicht solltest du das nächste Mal besser aufpassen, was sagst du dazu?“ Bei diesen Worten grinste Ercillia belustigt, was die Pilotin nur schnauben ließ. Aber ihre Partnerin hatte recht, was die Zeitspanne betraf. Mittlerweile war es dunkel draußen. Um sich aufzuregen war es also schon zu spät. Die Rebellen mussten weiterkommen. „Hast du irgendein Lebenszeichen gefunden?“ Ihre Partnerin schüttelte nur den Kopf, was Laverne seufzen ließ. Es war also mal wieder alles umsonst. Es wurde eine Zeit still zwischen den beiden und die Pilotin döste beinahe wieder weg, als ein hohes Piepen sie hochschrecken ließ. Was war das? Hektisch sah sie durch den Raum und erblickte einen Roboter, der sich durch seine, am unteren Ende befindenden, Rollen zu den beiden Frauen hinbewegte. Was hatte ein Roboter hier zu suchen? „Ich habe ihn schon in einer Art Abstellkammer gesehen und eventuell aus Versehen aktiviert. Wahrscheinlich wurde er zu Putzen benutzt.“ Laverne nickte verstehend und beobachtete, wie die Maschine den Raum reinigte, an den Trümmern von der Decke jedoch scheiterte. Wie alles andere in diesem Haus war die Maschine sehr demoliert. Hinter ihr bildete sich eine Ölspur, die die Maschine sofort wieder reinigen wollte, was in einem Teufelskreis endete. Es machte die Pilotin irgendwie traurig, das mit anzusehen. Sie wollte der Sache ein Ende machen und den Roboter abstellen, jedoch ließ ein stechender Schmerz im Bein sie sofort wieder zusammensacken. Ercillia war sofort zur Stelle und fing sie ab, damit sie nicht zu Boden fiel. „Du hast dich wohl bei dem Sturz verletzt. Kein Wunder bei den ganzen Trümmern. Wir sollten gehen und dein Bein versorgen lassen.“ Laverne nickte und humpelte, von ihrer Partnerin gestützt, aus dem Raum. Dort warf sie noch einen Blick zu der putzenden Maschine und blieb stehen, was ihr einen irritierten Blick von der Rothaarigen verschaffte. „Was ist los?“ „Schalt bitte diese Maschine aus. Das kann man ja nicht mit ansehen.“ Diese Bitte war ungewöhnlich für die Pilotin und wahrscheinlich für jeden anderen Menschen, das wusste sie selbst und deshalb wunderte es sie auch nicht, dass Ercillia sie ansah, als hätte sie einen Geist gesehen. Dennoch nickte ihre Begleiterin, löste sich von Laverne und schritt noch einmal in den Raum, um die Maschine auszuschalten, die immer noch damit beschäftigt war, ihren eigenen Schmutz zu beseitigen. Der Rückweg lief weitestgehend unproblematisch ab. Nur bei dem Verlassen des Hauses durch das Fenster hatte es etwas gedauert, bis Laverne es geschafft hatte. Außerdem brauchten sie wesentlich länger, als für den Hinweg. Bei dem Sturz hatte sie ihr Bein gebrochen, jedoch hatte sie Glück, denn der Arzt hatte zufällig alles Nötige da, um den Knochen zu stabilisieren. Im Normalfall würde sie für die Mission wochenlang ausfallen, aber nun konnte sie nach einem Ruhetag sofort weitermachen. Es gab natürlich Risiken bei der OP, wie sonst auch, aber Laverne nahm es in Kauf. Sie hatte so etwas schon öfter machen lassen und diese künstliche Stabilisierung konnte wenigstens wieder entfernt werden, sobald der Knochen abgeheilt war, was man von anderen Teilen in ihrem Körper nicht sagen konnte. Eine Hand hatten sie beinahe komplett nachstellen müssen, nachdem eine Mission schief gelaufen war und es tat ihr unglaublich leid, da dies Geld war, die deshalb nicht mehr an die Menschen auf der Straße gegeben werden konnte. Aber sonst hätte Laverne nie wieder einen Raubzug unternehmen können. Die Erinnerung an diese Mission ließ heute noch die Wut in ihr hochkochen. Damals war es, als ihr Vater sie verraten hatte und sie konnte von Glück reden, dass es nur ihre Hand war. Viele andere hatte sein Verrat das Leben gekostet. Während sie nun im Bett lag und sich an Vergangenes erinnerte, ballte sie eben diese Hand zu einer Faust. Ihr Vater war noch nie eine Person gewesen, der man vertrauen konnte. „Es hat keinen Sinn, daran zu denken. Nicht schon wieder.“ Wenn jemand wüsste, dass sie manchmal mit sich selbst sprach, während sie alleine war, würde sie wohl jeder für verrückt halten. Aber es war wahr. Es gab viel Wichtigeres. Als sie in ihre Unterkunft kam, hatte ein Kollege ihr einen Brief überreicht. Einen Tag hatte sie frei, um sich von der OP zu erholen. Währenddessen würde Ercillia alles Nötige besorgen, was sie für den nächsten Schritt der Mission brauchen würden. Am Morgen des übernächsten Tages würden sie Tjaro verlassen und außerhalb der Stadt nach Jenaro-Remo suchen. „Wir werden ihn finden.“ Das war sie allen und auch sich selbst schuldig. 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