Long live the King! von Almyra ================================================================================ Kapitel 3: Let's go! -------------------- Es war frühmorgens, als die beiden Rebellen sich trafen, um ihre Mission zu beginnen. Die ersten Sonnenstrahlen schienen gerade auf die Türme des höchsten Gebäudes der oberen Ebene, die Untermenschen sahen jedoch nichts davon. Laverne war wieder in ihrer Werkstatt. Sie arbeitete aber nicht an ihrem geliebten Flugzeug, sondern wartete und ging im Kopf ihren Plan durch, solange sie noch alleine war. Sie genoss noch die letzten Momente der Einsamkeit, ehe die Tür sich öffnete und ihre Verbündete die Werkstatt betrat. „Warum haben wir uns nicht direkt in der mittleren Ebene getroffen?“ Die Angesprochene verdrehte die Augen. Die andere Frau ging ihr jetzt schon auf die Nerven. Niemand sonst würde ihre Vorschläge in Frage stellen. „Ganz einfach, so können wir uns hier in Sicherheit absprechen. Ich fliege uns hoch, verstecke das Flugzeug und wir haben eine schnelle Fluchtmöglichkeit.“ Sie hatten am Vortag schon abgemacht, dass sie ihre Suche in der mittleren Ebene starten würden. Dort gab es überall Ecken, in denen sich Jenaro-Remo verstecken könnte. Ercillia musterte das Flugzeug. Überzeugt schien sie nicht zu sein. „Du willst mit diesem Teil fliegen?“ „Ja, weißt du, es ist die Aufgabe eines Flugzeuges, zu fliegen.“ Man konnte in den Augen der Rothaarigen sehen, dass sie innerlich schon mit ihrem Leben abschloss, schwieg allerdings. Den Blick sehend, seufzte die Schwarzhaarige genervt. Ja, das Flugzeug war noch nicht ganz fertig, aber es flog. Sie hatten später noch genug Zeit, das auszudiskutieren. Es gab schließlich erst einmal Wichtigeres zu tun. Zum Glück hatte Laverne am Vortag wenigstens einen der Arbeitstische aufgeräumt, so dass Ercillia eine Stadtkarte der mittleren Ebene dort ausbreiten konnte. Sie hatte sich dort am Vorabend noch ins Stadtarchiv geschlichen und die Karte entwendet. Einige Zeit besahen beide die Karte schweigend, ehe die Größere das Wort ergriff. „Ich denke nicht, dass er einen privaten Haushalt führt. Jeder, der ein Haus oder eine Wohnung besitzt, muss sich registrieren. Wenn er in der mittleren Ebene lebt, wird er in einem Hotel wohnen.“ Laverne nickte und markierte sämtliche Hotels der mittleren Ebene. Es waren insgesamt fünf große und dreiundzwanzig kleine Hotels. Sie hatten wirklich nicht die Zeit, jedes von diesen abzusuchen. „Dann müssen wir uns aber beeilen.“ Laverne rollte die Karte ein und kletterte auf den Pilotensitz ihres Flugzeuges. Dann verstaute sie die Karte auf dem Platz hinter sich, setzte ihre Schutzbrill auf und wartete auf Ercillia. Doch sie kam nicht. Stattdessen schaute sie skeptisch nach oben und schüttelte den Kopf. „Ich steige nicht in diese Schrottkiste.“ „Es ist keine Schrottkiste! Ich fliege ständig in diesem Flugzeug. Jetzt steig verdammt nochmal ein, oder du kannst hier bleiben.“ Ercillia seufzte hörbar und nahm sich extra viel Zeit, in das Flugzeug zu steigen. Dort bekam sie von der Pilotin eine Schutzbrille überreicht, die sie zu gerne annahm. „Wo sind die Sicherheitsgurte?“ Auf diese Frage hin, grinste Laverne breit. „Es gibt keine, festhalten.“ „Was?!“ Doch nun war es zu spät für Proteste. Man konnte den Motor bereits arbeiten hören; er war tatsächlich viel leiser, als erwartet. Kurz danach fuhr das Flugzeug mit einem kräftigen Ruck los und nur wenig später befanden sie sich auch schon in der Luft. Für Ercillia war es ein Horrorflug. Sie flogen zu schnell für ihren Geschmack und außerdem macht die Person vor ihr sich einen Spaß daraus, unnötige und vor allem gefährliche Manöver zu fliegen. Fehlte nur noch, dass sie einen Looping machten. Die Pilotin amüsierte sich prächtig. Das Fliegen gab ihr seit eh und je das Gefühl von Freiheit, das sie sonst immer so vermisste. Im Pilotensitz fühlte sie sich, als könnte sie hinfliegen, wo immer sie auch wollte, wie ein Vogel. Doch meistens dauerte das Gefühl nicht lange, da sie nie die Möglichkeit hatte, lange Strecken zu fliegen, ohne aufzufallen. Und wenn sie doch mal so lange fliegen konnte, holten ihre Gedanken und Sorgen sie doch irgendwann ein. Dieser Flug gehörte allerdings zu ersterem, denn sie waren schnell in der mittleren Ebene angekommen und ein gutes Versteck war auch bald darauf gefunden. Als sie das Flugzeug verließen, lief Ercillia kurz Schlangenlinien, was ihr das Gelächter der Pilotin verschaffte. Doch bald holte der Ernst der Lage sie wieder ein. Sie mussten etliche Hotels absuchen und dass so gründlich und schnell wie möglich. Das nahegelegenste Hotel befand sich im Museumskomplex, also wurde es zum ersten Ziel der Rebellen. Im Museum standen mehrere humanoide Computer, von denen sich einer direkt der beiden Frauen annahmen. „Willkommen im Tjaro Stadtmuseum. Wollen Sie eine Führung?“ Ein Gespräch mit einem Blechding – na super. „Guten Tag. Wir suchen das Hotel. Könnten Sie uns den Weg weisen?“ Etwas überrascht sah Laverne ihre Begleiterin an und ihr wurde bewusst, wieso sie mitkommen sollte. Niemals würde die Schwarzhaarige sich so artikulieren. Wenn sie nicht mit ihrem Aussehen auffiel, dann würde ihr Verhalten früher oder später dafür sorgen. „Sie müssen Museumsgäste sein, um das Hotel zu besuchen. Möchten Sie eine Führung?“ Zugegeben, es war logisch, dass nur Besucher das Hotel für sich nutzen konnten. Allerdings sank dadurch auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann, den sie suchten, dort lebte. Während sich Laverne Gedanken darüber machte, kaufte Ercillia die Eintrittskarten, verzichtete aber auf eine Führung. Zusammen schritten sie durch einen der Gänge, der direkt zum Hotel führen sollte. Hier waren hauptsächlich Bilder ausgestellt, die in den letzten hundert Jahren entstanden. Die Rothaarige packte die Neugier, also las sie einige Bildunterschriften. „Bildnis von Königin Amelia und ihrem Sohn Corin.“ Laverne horchte auf und sah sich das Bild an. Es hatte ein seltsames Format und bei genauerem Hinsehen fand man auch die Ursache hierfür. „Da fehlt ein Teil. Sie haben Jerano-Remo einfach aus dem Bild genommen.“ „Nicht so laut. Willst du, dass das jeder hört?“ Genau wegen so etwas war die Schwarzhaarige nicht für solche Aufgaben geschaffen. Beim Rauben oder Kämpfen war es egal, ob man auf heimlich tat oder nicht. Sie war davon jetzt schon genervt. Zum Glück war niemand sonst in der Nähe, also führten sie ihren Weg fort. Eines fiel deutlich auf, wenn man sich die ganzen Bilder ansah: Der rechtmäßige König war von der Stadtgeschichte entfernt worden. Wahrscheinlich wussten viele nicht einmal, dass er jemals existiert hat. Laverne selbst hatte bis zum vorigen Tag nie ein Bild von ihm gesehen. Er konnte schon etliche Male an ihm vorbeigegangen sein, ohne, dass er erkannt worden wäre. Im Hotel angekommen, stellte sich eine neue Hürde in den Weg. Wie würden sie nach dem Mann fragen? Nein, das war zu unsicher. Man konnte sich nicht auf Mittelmenschen verlassen. Sie mussten sich die Besucherliste ansehen. Dort stand aufgelistet, wer aktuell hier lebte und seit wann. Glücklicherweise war Ercillia nicht nur ein Talent, was den Umgang mit der Sprache anging, sondern sie fand auch kreative Wege, Menschen abzulenken. Und wie durch ein Wunder schien im Foyer nur eine Person zu arbeiten. „Entschuldigen Sie bitte, Sir. Ich bin auf der Suche nach meinem kleinen Bruder. Ich bin mir sicher, dass er in dieses Hotel gerannt ist. Würden Sie die Freundlichkeit erweisen, mit zu helfen, ihn zu finden?“ Ihre Frage unterstützte sie, indem sie ihre natürlichen Reize benutzte und es dauerte nur wenige Sekunden, ehe die beiden das Foyer verlassen hatten. Viel Zeit hatte man dadurch nicht gewonnen, das wussten sie beide, aber Laverne war zuversichtlich, dass es reichte. Schnell schlich sie sich hinter die Theke und suchte die Liste nach irgendjemanden ab, der auffällig lange ein Zimmer hatte. Doch zu ihrer Enttäuschung befand sich kein Gast länger als drei Wochen in diesem Hotel. Was für eine Pleite. Und es dauerte auch nicht lange, bis Ercillia mit dem Angestellten wieder zurückgekehrt war. Sie entschuldigte sich für die Umstände und deutete an, dass sie ihren angeblichen Bruder im Museum weitersuchen würde. Sie verließen das Hotel und schlenderten noch etwas durch das Museum. „Nichts, was passen könnte. Das war die reinste Zeitverschwendung.“ „Vielleicht aber auch nicht.“ Mit diesen Worten zückte die Rothaarige einen Schlüssel. „Wollen wir uns im Archiv umsehen?“ Laverne musste unweigerlich grinsen. So langsam wurde ihre Begleiterin ihr doch sympathisch. Sie schlichen auf schnellstem Wege zum Archiv, wobei niemand sie aufhielt. Wahrscheinlich schafften sie es einfach so gut, das Ganze als Selbstverständlichkeit zu tarnen. Warum sollten sie hier nicht arbeiten? Im Archiv wurde alles auf den Kopf gestellt. „Ich habe etwas, was uns weiterhelfen wird.“ Laverne richtete sich auf und zeigte ihrer Mitstreiterin eine goldene Kette. „Man hat den Kindern der Königin damals Ketten geschenkt. Auf dieser ist aber nicht Corin, sondern Jenaro-Remo eingraviert. Sie gehörte also der Person, die wir suchen.“ Ihr Gegenüber stutzte. Anscheinend hatte sie nicht erwartet, dass die Pilotin solche Sachen wusste, doch diese flog nicht nur gerne, sondern durchstöberte Geschichtsbücher nach allerlei Fakten, die sie für interessant befand und am Vorabend versuchte sie, möglichst viel über die Königsfamilie in kurzer Zeit herauszufinden. Die Frage, wie diese Kette sie weiterbringen sollte, ließ Laverne erst einmal in den Raum gestellt. Erst einmal verließen sie das Museum schnellstmöglich. „Wie hilft uns diese Kette weiter?“ „Ich kenne da jemanden. Am Rande der mittleren Ebene lebt eine Frau namens Minea. Wenn wir ihr diese Kette geben, kann sie uns einfach sagen, ob er sich hier befindet.“ „Kann er uns dann auch sagen, wo genau er ist?“ „Sofern er in der mittleren Ebene lebt. Sie ist nur fähig, das Geschehen in dieser Ebene zu beobachten. Gehen wir zum Flugzeug.“ „Nein, das ist viel zu gefährlich. Nehmen wir lieber den Zug.“ Laverne war sich sicher, die Größere wollte sicherlich nur dem Fliegen entgehen, aber dennoch war es vielleicht eine gute Idee, auch wenn es dabei ein kleines Problem gab. Je näher sie dem Bahnhof kamen, desto langsamer wurden die Schritte der Schwarzhaarigen. Spätestens als sie am Gleis standen, spürte Ercillia die Nervosität der anderen. „Was ist denn los?“ „Naja… Ich bin noch nie Zug gefahren.“ Wie denn auch? Sie war in der unteren Ebene aufgewachsen. Viele dort unten hatten noch nie einen Zug gesehen. Ercillia grinste schadenfroh. „Du hast Angst vorm Zugfahren?“ „Nein!“ „Doch, hast du!“ Nein, die Rothaarige war ihr doch nicht sympathisch. Laverne hatte doch keine Angst vor dem Zugfahren! Trotzig, wie sie war, stieg sie in den Zug, wo sie sich sofort eingesperrt fühlte, obwohl hier nicht viele Menschen waren. Sie fuhren los und es blieb für sie keine Möglichkeit, einfach auszusteigen. Dennoch war es nicht so schlimm, wie erwartet. Bei der Zugstrecke sah sie Teile der Stadt, die sie vorher nicht kannte. Sie war gerade dabei, sich damit abzufinden, als Ercillia sie am Handgelenk packte und so weit nach vorne, wie möglich zog. „Komm mit, ich muss dir was zeigen.“ Was war nur auf einmal in sie gefahren? „Gut, aber lass mich los.“ Die Rothaarige schrittvoran und verließ den Waggon. Vor ihnen war nur noch die Dampflock. Sie kletterten an einer kleinen Leiter zum Dach der Lok, auf dem sich Ercillia niederließ. Was wollte sie nur hier? An der ganzen Sache zweifelnd, setzte sich Laverne neben sie und war… beeindruckt. Hier oben erlebte man die Fahrt sehr viel mehr als im Waggon sitzend. Der Wind blies einem durchs Haar, die Sonne schien auf die Haut und die Luft war frisch, wenn nicht gerade eine Dampfwolke sich den Weg in die Lunge bahnte. Es war nicht, wie das Fliegen, aber es war dennoch ein Erlebnis. Die Rebellen verbrachten beinahe die ganze Fahrt schweigend auf dem Dach der Lok sitzend und Laverne war beinahe schon traurig, als sie an ihrem Ziel ankamen. Sie befanden sich noch auf der mittleren Ebene, aber man sah deutlich, dass sich hier eher diejenigen Aufhielten, die von der Gesellschaft verdrängt wurden. Es dauerte nicht lange, bis sie in dem kleinen Haus ankamen, welches ihr Ziel war. Die Belichtung ließ zu wünschen übrig und es war sehr sparsam eingerichtet. Laverne ging dennoch zielbewusst in ein Zimmer, in dem die Umrisse einer Frau zu erkennen waren, die an einem Tisch saß und Karten legte. „Ich habe dich schon erwartet, meine Liebste. Du besuchst mich immer seltener.“ Bei der Stimme dieser Frau bekam Ercillia Gänsehaut. Was hatten die beiden nur miteinander zu tun? Es herrschte eine kurze Stille, bis Laverne die goldene Kette auf den Tisch der seltsamen Frau abgelegt hatte. „Du musst mir helfen, den Mann zu finden, dem das hier gehört. Kannst du mir sagen, ob er sich in dieser Stadt aufhält?“ „Für dich tu ich doch alles.“ Die Gestalt nahm die Kette in ihre Hände und schien sich einen Augenblick zu konzentrieren. „Die Person, die ihr sucht, ist nicht in dieser Ebene. Was wollt ihr vom König?“ Laverne seufzte. Er war also nicht hier und sie hatten den ganzen Tag verschwendet. Letztlich war es immer noch besser, als jedes Hotel vergeblich abzusuchen. „Wir müssen ihn wirklich dringend finden.“ Minea nickte nur verstehend. „Ich kann dir etwas geben, das dir hilft, ihn zu finden. Eine Perle, dir zeigt, wenn du in seiner Nähe bist. Wie hattet ihr denn geplant, ihn zu erkennen?“ Sie grinste belustigt und tatsächlich hatten beide sich darum keinerlei Gedanken gemacht – bisher. Er würde gewiss nicht mehr aussehen wir vor etlichen Jahren. Vermutlich tarnte er sich sogar. Das Angebot war also eine sehr hilfreiche Idee. „Das wäre wirklich sehr nett von dir.“ „Ich brauche dafür aber eine Traumperle.“ Ercillia stutzte. Eine Traumperle? Sie hatte schon einmal davon gehört, aber nur in Geschichten. Sie waren unsagbar teuer und nur wenige in dieser Stadt besaßen dieses magische Schmuckstück. Die Rebellen sahen sich ratlos an. Wahrscheinlich würden sie Jenaro-Remo noch vor der Perle finden. „Heute Abend ist im Opernhaus der Stadt ein Ball. Im Rahmen der Feierlichkeiten wird solch eine Perle dort ausgestellt. Beschafft mir doch diese.“ Sie sollten auf einen Ball gehen? „Du weißt genau, dass ich nicht auf einen Ball gehöre. Ich kann ja nicht einmal tanzen und passende Kleidung haben wir auch nicht.“ Wie aufgefordert erhob sich Minea von ihrem Platz und tänzelte um die beiden jungen Frauen. „Das ist doch gar kein Problem. Ich habe so viele Kleider, die ihr tragen könnt.“ Die Vorstellung, jemanden wie Laverne auf einem Ball zu sehen, erheiterte Ercillia ungemein. Der Abend konnte lustig werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)