Light at Night...ღ von Phoenix_Michie ================================================================================ Kapitel 3: Finsternis --------------------- Als ich am nächsten Morgen mit meiner Schwester schrieb, stellte sich heraus, dass sie nur am Mittag Zeit hatte - ich konnte mir diesen Kazuhiko also nicht zuerst vorknöpfen. »Es wäre nett, wenn du bei mir vorbeischauen könntest. Wir sollten nicht gerade bei Mama reden... Bring Karyu mit, ja! Ich liebe es, mich in die Arme des Großen zu werfen ;D « Ich seufzte und hielt meinem Liebsten die Nachricht vor die Nase. "Ich komm gerne mit", erwiderte er schulterzuckend und lächelte mich an. "Aber wehe, du lässt zu, dass sie sich in deine Arme wirft!", grummelte ich, woraufhin er nur nachsichtig grinste. Er wusste, dass ich ein kleines Eifersüchtelchen war. Natürlich hielt ich Frauen für weniger gefährlich, schließlich waren wir schwul, aber bei meiner verrückten Schwester wusste man nie... "Mama, wir gehen dann zu Tomoko!", rief ich ihr im Flur stehend zu. "In Ordnung! Aber denkt dran, vor um 3 wieder hier zu sein. Am besten um halb 3.." Sie kam in den Flur und ich nickte ihr beruhigend zu. "Aber natürlich, Mama. Ich werde schon aufpassen, keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen. ...für Karyu kann ich aber nicht garantieren." Ich grinste breit, während Karyu mich empört ansah. Meine Mutter lachte nur und schob uns sanft hinaus. "Grüß deine Schwester von mir, Michiya." Ein paar Straßen weiter, keine Viertelstunde vom Haus unserer Eltern entfernt, hatte Tomoko ihre Wohnung. Als wir klingelten, dauerte es fast 3 Minuten, bis sie uns hereinließ. "Tut mir leid, ich war grad unter der Dusche", sagte sie strahlend, während Karyu große Augen machte und ich für einen Moment sprachlos war. "...Tomoko, würdest du dir bitte was überziehen?" Das Handtuch, in das sie sich gehüllt hatte, fand ich nicht gerade ausreichend. Tomoko winkte ab und bat uns rein. "Ich hole mir schon keinen Schnupfen, mach dir nichts ins Höschen." Sie grinste und führte uns in Wohnzimmer, wo ein Esstisch in der Ecke stand, welcher etwas kleiner als der unserer Mutter war. "Möchtet ihr etwas trinken?" "Ja gern", erwiderte ich, woraufhin sie nickte. "Dann geh euch was holen." Frech streckte sie die Zunge raus und ich warf ihr einen bösen Blick zu, ging dann aber in die Küche. Dieses Biest. In der Küche stach mir das furchtbare Bronze in die Augen. Ihr Kühlschrank war bronzefarben, die Schränke mit bronzefarbenen Postkarten beklebt und der kleine Küchentisch hatte eine bronzefarbene Decke. Oh mein Gott, was war nun wieder in sie gefahren? Ich fürchtete um meine armen Augen, goss mir und Karyu Wasser in zwei Gläser und verschwand schnell. Bevor mir auffallen konnte, dass es im Wohnzimmer nun ähnlich furchtbar aussah, wurde meine Aufmerksamkeit auf meine halbnackte Schwester gelenkt, die sich an meinen Freund schmiegte und selig lächelte. Karyu wagte es auch noch, ihr über den Rücken zu streicheln! Sein verlegenes Lächeln milderte meine Wut nicht. "Weg von meinem Mann, Weib!", rief ich ihr zu und stellte die Gläser mit einem Klirren ab, bevor ich die Hände in die Hüfte stemmte. Karyu ließ sie sofort los, während Tomoko schnaubte und sich nur widerwillig von ihm löste. "Sei nicht so ein Spießer, Nii-chan. ich hab so wenig von ihm." Mein rechtes Auge begann zu zucken. "Du hast auch von mir wenig! Und das sollte dir wichtiger sein. Karyu ist MEIN Freund, Schätzchen", stellte ich klar. "Nenn mich nicht Schätzchen!", giftete sie zurück und warf ihr feuchtes, langes Haar zurück. "Hey hey", schaltete Karyu sich ein und schob sich zwischen uns. "Nun mal ganz ruhig, ihr beiden. Wir sind doch wegen etwas ganz anderem hier. Wenn ihr meinetwegen streitet und darüber nicht redet, dann gehe ich jetzt besser." Ich seufzte und rieb mir über die Stirn. "Geh dir was anziehen, Tomoko. Dann reden wir mal über Mamas Freund. Okay?" Sie reckte die Nase in die Höhe und ging wortlos in ihr Schlafzimmer. Karyu und ich setzten uns an den Tisch. Ich ignorierte seinen vorwurfsvollen Blick. Als Tomoko zurück kam, diesmal immerhin im Kleid, allerdings mit mörderischem Ausschnitt, hielt ich mit Mühe den Kommentar zurück, dass Karyu nicht auf Möpse stand, egal wie groß sie waren. Ich verkniff mir das und wollte von Tomoko noch mal ihre Sorgen genau erklärt haben. Doch sie erzählte mir nur das Gleiche wie schon zuvor Karyu. "Ich weiß ja selbst nichts Genaues", gestand sie. "Ich hab mit Kaname gesprochen. Er war zwar betrunken, aber..er hat es ernst gemeint." Ich seufzte schwer. Kaname war ziemlich oft betrunken. Aber das war schon vor dem Tod unseres Vaters so gewesen. Er kam nicht davon los.. "Er sagte, Kazuhiko sei Geschäftsmann. Und Vaters Firma sei für jeden ein großer Fang. Momentan gibt es wohl Probleme in der Führung und..die Firma ist anfällig, was weiß ich." Sie senkte den Blick und schüttelte den Kopf. "Kaname...er hat gelacht und sagte: Warum glaubst du, will er bei Mutter einziehen? Warum glaubst du, sagt er, dass er sie lieben würde?" Ich bekam große Augen. Tomoko schnaubte und strich sich durchs Haar. "Kaname glaubt, dass das alles nur passiert, weil Kazuhiko über sie an die Firma kommt. Sie hat ja viele Anteile und an diese will er rankommen." Sprachlos starrte ich Tomoko an. Das konnte ich mir irgendwie nicht vorstellen. Man hörte in Filmen über so einen Quatsch, aber hier in Saitama sollte sowas passieren? Das wollte mir beim besten Willen nicht ins Hirn. Tomoko sah auf. "Ich habe keine Ahnung, ob Kaname damit Recht hat. Ich weiß nicht, ob das wirklich Kazuhikos Plan ist. Aber allein die Vorstellung macht mir Angst. Mutter kann nicht noch so einen Scheiß ertragen. Sie hat Glück verdient." Ich ballte die Fäuste. "Das kriege ich aus diesem Typen auch raus!", fauchte ich. Karyus warme Hand legte sich auf die meine. "Ganz ruhig. Du weißt nicht, ob das stimmt." "Ich werde ihn sicher nicht mit Samthandschuhen anfassen. Und Kaname schicke ich zu einer Entziehungskur, wenn er sich das wieder nur ausgedacht hat", fügte ich sauer hinzu und stand auf. "Danke, dass du mir das gesagt hast, Kleines. Ich melde mich bei dir.." Vorsichtig sah sie zu mir auf. "Michi..sei vorsichtig, ja? Wenn Mutter das mitbekommt und sich alles als bloße Vermutung und unwahr herausstellt..sie wird uns alle hassen.." Ich sah Tomoko lange an und wandte mich dann ab. "Ich schaukel das schon. Das hab ich doch immer." Ich ignorierte Karyu, der mir etwas sagen wollte und verließ das Wohnzimmer, um mir meine Schuhe anzuziehen. Es war noch eine Stunde hin bis zu dem Treffen. "Zero! Jetzt warte doch mal." Karyu holte mich auf der Straße ein. Ich lief weiter. "Zero!" Er stellte sich vor mich und packte meine Schultern, zwang mich zum Stehen bleiben. "Jetzt atme mal tief durch und hör mir zu. Für mich klingt das alles etwas haarsträubend. Und dein Bruder in allen Ehren, aber er ist ein Alkoholiker! Er sucht immer und überall nach Streit, Ärger und Problemen. Darf ich dich daran erinnern, aus was für einer Scheiße ich dich damals holen musste?" "Sei ruhig!" Er ließ mich langsam los und hielt kurz inne. "Zero.." "Das hat damit gar nichts zu tun", fügte ich hinzu, aber er schüttelte den Kopf. "Natürlich hat das was damit zu tun." "Karyu!" Ich starrte ihn an und ging dann einfach weiter. Vielleicht war es doch nicht so gut gewesen, ihn mitzunehmen. "Bitte, lass mich das regeln." "Du verrennst dich da in was", erwiderte er und lief mir hinterher. "Denk in Ruhe darüber nach, schau dir Kazuhiko erstmal an. Überstürz nichts, ok? Für deine Mutter." Ich seufzte und hob die Hände. "Keine Sorge, ich überstürze nichts.", knurrte ich nur und ging voran. Das Haus meiner Eltern hatten wir fast erreicht. Und ich war in heller Aufruhr und in Panik. Ich hatte keine Ahnung, was ich glauben sollte. Mir gefiel die Situation einfach nicht. Ich blieb vor der Haustür stehen, schloss kurz die Augen, raffte mich dann zusammen und zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. Schließlich klopfte ich an und wartete, dass meine Mutter mir öffnete. Sie strahlte. "Ihr seid ja überpünktlich, sehr schön. Kommt rein." Schweigend traten wir ein und zogen unsere Schuhe aus. "Ich bin gerade dabei, einen Kuchen zu backen. Magst du mir helfen, Michiya? Es ist dein Lieblingskuchen." Sie zwinkerte mir zu. "Ich hab die Creme noch nicht fertig, auf die gibst du doch so Acht." Ich lächelte leicht und nickte. Immerhin etwas Ablenkung... Eine Stunde später klingelte es an der Haustür. Seufzend deckte ich weiterhin den Tisch. Ich würde jetzt nicht die Tür öffnen... Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht und ignorierte Karyus Blick. Er hatte nicht mehr mit mir geredet, sondern mich nur beobachtet. Was aber genauso nervig war. Meine Mutter tänzelte in den Flur um die Haustür zu öffnen, dann hörte ich nur noch freudige Laute und Schmatzer. Ich seufzte und stellte die Gläser auf dem Tisch ab, während Karyu ebenfalls in den Flur ging und schon mal vorgestellt wurde. Ich legte ein Lächeln auf und straffte mich, da traten meine Mutter und ihr Freund schon ein. "Darf ich vorstellen, mein Sohn. Michiya - Kazuhiko, Kazuhiko - Michiya." Ich verbeugte mich leicht und er tat es mir nach. "Schön dich kennen zu lernen", richtete Kazuhiko das Wort an mich und lächelte. "Ich habe schon so viel von dir gehört. Es ist schön, dass es endlich klappt, dich einmal treffen zu können." Ich nickte nur und war irgendwie enttäuscht. Er sah ganz normal aus, ein durchschnittlicher Japaner um die 55, 60, wer wusste schon wie alt er war. Er war kaum größer als meine Mutter, vielleicht 2 Zentimeter. Graue, kurzgeschnittene Haare, ein sympathisches Lächeln, elegante, aber nichtssagende Kleidung. Ich hatte ihn mir anders vorgestellt. An ihm wirkte nichts hinterhältig oder besonders zuckersüß. Oh man. "Schatz, was möchtest du denn trinken? Kaffee oder Tee?", schaltete meine Mutter sich ein, während sie die Hand ihres Freundes nahm und ihn zum Esstisch dirigierte. Ich schluckte und schloss kurz die Augen. Einzig ihre Kinder nannte sie sonst Schatz. Hm. Unvermittelt strich eine warme Hand über meinen Rücken und als ich aufsah, blickte ich direkt in Karyus aufmunternd lächelndes Gesicht. Ich versuchte, das zu erwidern und nickte ihm zu. Ich war ja nicht alleine, und keiner wollte einem was böses - na ja, bei Kazuhiko würde sich das noch herausstellen. In der folgenden Stunde fragte er mich erstaunlich viel aus, über mein Leben. "Deine Mutter sagte, du würdest in Tokyo in einer Band spielen. Wie darf ich mir das vorstellen? Wie läuft so ein Tag bei euch ab?" Ziemlich schnell verklickerte ich ihm auch, dass Karyu nicht nur der Gitarrist und Gründer der Band war, sondern dass ich auch mit ihm zusammen war. Da machte ich keinen Hehl draus. Ich wusste nicht, ob meine Mutter ihn darüber ins Bild gesetzt hatte, aber er ging locker mit der Information um, also wusste er es wohl. "Ich finde das mutig von euch. Es ist sicher nicht leicht, das zuzugeben und die ganze Welt darüber ins Bild zu setzen." Ich schüttelte den Kopf. "Es ist nicht so, dass wir die Öffentlichkeit darüber informiert haben. Mit wem wir zusammen sind, geht niemanden etwas anders. Das ist unsere Privatsache." "Aber Familie und Freunde wissen darüber Bescheid?" Ich nickte. "Allein das ist schon ein großer und wichtiger Schritt, kann ich mir vorstellen", fuhr er fort und lächelte, sah uns anerkennend an. "Und für euch läuft es gut? Auf der Arbeit und privat?" Ich nickte wieder nur. "Entschuldigt meine Neugier, ich finde das einfach nur interessant. Ich wünschte, ich hätte Kinder... Auf die ich dann auch so stolz sein könnte." Er winkte lächelnd ab und sah uns neugierig an. "Und ihr beide wohnt zusammen?" Karyu antwortete diesmal an meiner Stelle. "Ja, Michi ist vor einem Jahr zu mir gezogen. Ich hab die größere Wohnung." "Und den Kater", fügte ich schmunzelnd hinzu, woraufhin meine Mutter und Kazuhiko lachten. "Das ist natürlich ganz wichtig! Wie heißt der Gute denn? Wie sieht er aus? Ich liebe Katzen, ich habe selbst zwei", sagte Kazuhiko. So unterhielten wir uns also über Katzen, Wohnungen und Häuser. "Warum hast du eigentlich keine Kinder, wenn ich fragen darf..?", erkundigte ich mich, woraufhin er traurig lächelnd eine Schulter hob. "Es hat sich leider nie ergeben. Zuerst einmal wollte ich warten, bis ich die richtige Frau gefunden habe, wisst ihr. Ich wollte mir ganz sicher sein. Und als ich sie fand...nun ja, wir hätten beide sehr gern Kinder gehabt, aber sie war körperlich leider nicht in der Lage, welche zu bekommen. Eine Adoption kam für uns nicht infrage, wir wollten eigene..." Er seufzte und meine Mutter ergriff mitfühlend seine Hand. Ich nickte nur schweigend und senkte den Blick. "Ich will nicht..indiskret oder unhöflich sein", erhob er dann leise das Wort und sah uns vorsichtig an. "Ihr seid ja noch jung, aber vielleicht habt ihr euch darüber auch schon mal Gedanken gemacht? Über Kinder, meine ich. Ich habe mit dem Thema abgeschlossen, und wer weiß, vielleicht kann ich Michiyas Mutter behilflich sein mit den drei Kindern", sagte er zwinkernd und schaute uns interessiert an. "Wollt ihr mal Kinder?" Ich bekam große Augen und machte den Mund auf - schloss ihn dann aber wieder, als mir klar wurde, dass wir über sowas noch nie geredet hatten. Ich wechselte mit Karyu einen Blick, dann lächelte er ruhig in die Runde. "Wir schließen es nicht aus. Wir lassen uns damit noch Zeit, da im Moment das Musikgeschäft im Vordergrund steht.", antwortete er recht diplomatisch. Meine Mutter und Kazuhiko nickten verständnisvoll und lächelten leicht. Ich senkte nachdenklich den Kopf. Nein, über Kinder hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Irgendwie fand ich das Thema auch deprimierend beim ersten Nachdenken - denn wie sollten ich und Karyu schon an Kinder kommen, gesetzt den Fall, dass wir welche wollten? Kazuhiko fragte uns weiterhin neugierig über unser Leben aus und ich überließ es Karyu, zu antworten. Nach einer Weile, während wir den restlichen Kaffee leerten, lehnte sich Karyu zu mir. "Alles in Ordnung? Du bist so schweigsam. Hat er was Falsches gesagt? Oder..ich?" Ich schüttelte den Kopf und rang mir ein Lächeln ab. "Mach dir keine Gedanken.." Ich sah auf. "Kazuhiko, ich weiß so gut wie gar nichts über dich." Schließlich fragte ER die ganze Zeit UNS aus. Erfolgreiche Ablenkung. Bisher. Jetzt war er dran. "Oh, entschuldige. Ich frage von Natur aus eher die Anderen, als dass ich etwas über mich erzähle.." Er lächelte verlegen. "Ich finde mich nicht so spannend und interessant." Meine Mutter lächelte nur, während ich leicht die Augenbrauen hob. "Nun, also...was könnte dich interessieren? Ich bin nicht in Kumagaya aufgewachsen, aber in Saitama City. Als ich meine Frau mit 22 kennen lernte, sind wir ein Jahr später nach unserer Hochzeit hierher gezogen.. Ich habe ein Gartengeschäft gegründet." Garten..geschäft? "Das lief so gut, dass ich ausbauen und expandieren konnte. Ich selbst bin nicht mehr direkt im Laden als Verkäufer tätig, sondern manage das alles nur noch. Ich hab schon so einigen vielversprechenden Nachwuchs unter mir, und bald werde ich das Geschäft ganz abgeben und mich zurück ziehen." "Aber", schaltete meine Mutter sich lächelnd ein, "da er seine Arbeit liebt, glaube ich nicht, dass er sich in den nächsten 5 Jahren zur Ruhe setzen wird." Kazuhiko lachte und nickte. "Ich gebe zu, ich habe mich noch nicht ganz entschieden, wann ich das machen werde. Tja..ich habe ein Händchen für Blumen und Pflanzen, wenn ihr also mal Hilfe braucht", sagte er zwinkernd und zuckte mit den Schultern. "Viel mehr gibt es nicht zu erzählen. Ich habe einige Preise im Puzzle-Wettbewerben erlangt." "Bitte was?" "Ich bin schon immer leidenschaftlicher Puzzler gewesen", antwortete er lachend. Und früher habe ich an vielen Wettbewerben teilgenommen. Ja, das gibts wirklich. Wer machts am schnellsten und so weiter. Einfach hervorragend. Ich war ab und an der beste.", erzählte er stolz und winkte dann ab. "Aber das interessiert euch wahrscheinlich nicht so." Karyu schüttelte den Kopf und sah ihn begeistert ein. "Aber nein, das ist beeindruckend! Ich habe nur ein Puzzle zu Hause, bestimmt 5000 Teile, und das hab ich nach 3 Monaten zur Hälfte fertig gepuzzlt gehabt." Ich schnaubte. "Süßer, das sind 1000 Teile....Und du hast es nie beendet.." Wir lachten. Ich allerdings dachte schon wieder nach. Kazuhiko schien unscheinbar zu sein und sympathisch. Machte ihn das nicht eigentlich besonders verdächtig? Ich kam zu keinem Schluss, grübelte weiter, während die Anderen sich weiter unterhielten. So langsam bekam ich Kopfschmerzen. Lautlos seufzend rieb ich mir über die Schläfe. Karyu entging das natürlich nicht. Seine Hand legte sich in meinen Nacken und kraulte mich dort sanft. "Na gut", meine Mutter klatschte leicht in die Hände und strahlte. "Machen wir Schluss für heute. Kazuhiko, du brauchst mir beim Abräumen nicht helfen, ich mache das schon." Sie standen auf, was ich auch tat. Ich nickte Kazuhiko vielsagend zu und er verstand. "Vielen Dank für diesen Nachmittag. Ich melde mich bei dir.", sagte er zu meiner Mutter und umarmte sie nur, bevor er sich von Karyu verabschiedete und mir in den Flur folgte. Weder Karyu noch meine Mutter folgten uns. "Ich begleite dich noch ein Stück, wenn das ok ist", sagte ich nur und zog mir schon die Schuhe an. "Natürlich, gern." Er schlüpfte in seine Slipper und wir gingen hinaus. Er seufzte leise, während wir durch den Garten in Richtung Straße gingen. "Dass es nicht leicht für euch Kinder ist, hat mir deine Mutter erzählt. Ich hatte fast schon die Hoffnung aufgegeben, einen von euch je kennen zu lernen. Ich bin ja nun schon seit einem Jahr mit deiner Mutter zusammen, aber nie hat sie mir auch nur einen von euch vorstellen können." Erneut verließ ein Seufzen seine Lippen, welches nun traurig klang. "Mit dir habe ich am allerwenigsten gerechnet. Deine Geschwister hingegen wohnen ja hier, aber nie habe ich sie zu Gesicht bekommen. Das hat mich schon zum Nachdenken gebracht." Er lächelte mich milde an. "Aber es ist schön, dich kennen gelernt zu haben. Deine Mutter schwärmt sehr viel von dir. Es bedeutet uns viel, dass du dich auf das heutige Treffen eingelassen hast." Ich nickte nur. Und war kurz davor, mich wieder für die Zwillinge zu schämen. Aber ich versuchte, mich nicht von Kazuhiko einlullen zu lassen. Ich begleitete ihn auf die Straße. "Ich will eigentlich gar nicht so viel von Ihnen wissen", sagte ich plötzlich und blieb stehen, sah ihn aufmerksam an. "Was wissen Sie über die Firma meiner Eltern?" Verwirrt starrte Kazuhiko mich an, war auch stehen geblieben. Er runzelte die Stirn. "Die Firma..deiner Eltern? Was hat das mit mir zu tun?" Ich sah ihn nur ausdruckslos an, er zögerte und öffnete den Mund wieder. "Ich weiß nicht viel darüber. Dein Vater hat sie vor Jahrzehnten gegründet, soweit ich mitbekommen habe. Und dein Bruder arbeitet dort noch, oder? Es hat etwas mit Solartechnik zu tun...aber viel hat mir deine Mutter nicht drüber erzählt, und ich habe nicht weiter nachgefragt. Nicht, dass ich nicht interessiert gewesen bin, aber sie scheint nicht so gern darüber zu reden. Das ist alles, was ich weiß." Er sah mir in die Augen und wartete ab. Ich verzog den Mund zu einer schmalen Linie. "Gut, mehr sollten Sie auch nie darüber wissen müssen. Halten Sie sich von der Firma meiner Eltern fern. Sollten Sie mit ihr in Verbindung kommen und ihre Finger da mit reinstecken, ich schwöre Ihnen, dann gibt es Ärger! Dann fliegen Sie schneller wieder aus unserem Haus, als Ihnen lieb sein wird." Aus großen Augen starrte er mich stumm an. "Einen schönen Tag noch." Ich drehte mich um und ging zurück in den Garten. Ich sah nicht zurück. Mir war auch zuerst gar nicht aufgefallen, wie ich Kazuhiko plötzlich wieder distanzierter angesprochen hatte. Ich seufzte. Sollte er was im Schilde führen, überlegte er sich das jetzt vielleicht noch mal! Als ich zurück kehrte, schenkte ich Karyu und meiner Mutter ein Lächeln, ignorierte das konstante Pochen hinter meinen Schläfen. Die beiden waren mit Abwaschen beschäftigt, wobei ich ihnen half. Danach verabschiedete meine Mutter sich in den Garten. "Ich muss mich noch um meine Beete kümmern. Ihr kommt hoffentlich für eine Weile ohne mich aus", sagte sie zwinkernd und zog sich schon ihre Gartenhandschuhe über. Karyu zog mich sanft zum Esstisch und setzte sich mir gegenüber. "Ich musste darüber nachdenken", fing er an, "was Kazuhiko uns gefragt hat. Wegen Kindern..." Vorsichtig sah er mich an, während ich schlucken musste. "Wie denkst du darüber?" "Ich denke gar nichts", erwiderte ich leise. "Er hat mich mit dem Thema total überrumpelt und..ich habe ehrlich gesagt noch nie darüber nachgedacht." Karyu seufzte. "Das ging mir ähnlich, aber ich will deine spontane Meinung wissen. Manchen kommt ja allein bei der Erwähnung von Kindern die Galle hoch, andere verfallen sofort ins Schwärmen. Wie ist das bei dir? Irgendwas wirst du dir doch sicher denken." Ich verzog das Gesicht. Wieso musste ich jetzt den Anfang machen? "Ich weiß nicht", murmelte ich trotzig. "Mir wird bei dem Gedanken weder schlecht, noch finde ich, dass Kinder haben ein absolutes Muss ist..." Karyu summte nur und lehnte sich zurück. Ich hob den Blick und zog eine Augenbraue hoch. "Und, wie ist das bei dir?" "Ich denke, ich hätte gern mal ein Kind. Nicht jetzt sofort, aber wenn es ruhiger bei uns zugeht." Ein verräterisches, verträumtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Oh mein Gott, er meinte es ernst. "Ich liebe und vermisse meine Nichte furchtbar. Ich hatte immer eine Menge Spaß mit der Kleinen." Bevor Karyu und sein Bruder sich völlig voneinander entfernt hatten. Jetzt hatte er sie seit 2 Jahren nicht mehr wiedergesehen. "Ich weiß, ich kann gut mit Kindern. Ein eigenes mit dir zu haben, wäre wundervoll und die Krönung unserer Beziehung." Ich rieb mir über die Stirn. "Ein 'eigenes' werden wir sowieso nie haben, Karyu. Falls du es wieder vergessen hast, ich bin genau wie du ein Mann. Keiner von uns wird je ein Baby aus sich rauspressen können." Mein Ton musste etwas bissig geklungen haben, denn er runzelte die Stirn und sah mich ein wenig überrascht an. "Alles in Ordnung? Hätte ich das nicht fragen sollen?" Ich winkte ab. "Natürlich kannst du sowas fragen. Aber ich bin nicht so enthusiastisch wie du." Unvermittelt begann das Telefon zu klingen. Ich seufzte und stand auf, aber da kam meine Mutter schon reingeflitzt. "Ich mach schon", rief sie, während sie in den Flur ging und das Gespräch annahm. Karyu sah mich unverwandt an. "Also schließt du es eher aus?" Ich dachte kurz darüber nach, massierte meine Schläfen mit den Fingern. "Keine Ahnung. Karyu, ich hab darüber nie nachgedacht. Aber im ersten Moment bin ich nicht so begeistert davon. Was sollen wir mit einem Kind? Wir werden nie ein eigenes haben können, das ist logisch. Wir müssten schon eins adoptieren und das ist verdammt schwer. Wir könnten auch eins klauen, aber das ist mir zu gefährlich. Außerdem würde es kein einfaches Leben haben, denn nicht jeder findet es toll, zwei Dads zu haben. Vielleicht hasst uns das Kind irgendwann dafür. Und dann...sehe ich mir meine Familie und deine an...Dein Bruder hält dich für völlig unwichtig, und was meiner über seine Familie denkt, will ich gar nicht erst wissen. Wer weiß, was unser Kind dann für ein verkorkstes werden würde..." Ich schüttelte den Kopf. Keine schönen Aussichten. Karyu starrte mich aus großen Augen schweigend an. Er war mit meiner Ansicht wohl nicht so zufrieden. Schön. Stille legte sich über uns, einzig die leise Stimme meiner Mutter war aus ihrem Schlafzimmer zu hören. Schließlich stand ich auf. "Ich glaube, ich muss mich kurz hinlegen...vielleicht kannst du ja meiner Mutter im Garten helfen..oder so..", murmelte ich und drehte mich um. Da stand meine Mutter und sah mich mit einem einschüchternden Blick an. Sie war wütend. "Mama?" Sie kam auf mich zu und legte das Mobilteil des Telefons geräuschvoll auf der Kommode ab. "Ich hab mit Kazuhiko gesprochen. Er war reichlich verwirrt. Und das bin ich auch." Oh nein. "Er sagte, du hättest ihn unvermittelt nach der Firma deines Vaters ausgefragt. Und dann..hast du ihm gedroht. Nicht, dass er es so formuliert hat, aber deinen Worten 'Ich schwöre Ihnen, dann gibt es Ärger! Dann fliegen Sie schneller wieder aus unserem Haus, als Ihnen lieb sein wird' entnehme ich das mal." Sie machte eine Pause. "Michiya, wie konntest du nur? Was sollte das!?" Ich merkte im Augenwinkel, wie Karyu am Tisch immer kleiner wurde. Und meine Kopfschmerzen wuchsen. Nervös knabberte ich an meiner Unterlippe. "Bekomme ich eine Antwort? Ich verstehe dich nicht. Wir haben uns doch so nett unterhalten. Was hat er dir getan?" "Nichts, Mama, er hat mir nichts getan. Ich will nur sichergehen, dass das so bleibt. Er soll dir gegenüber ehrlich sein.", meinte ich. "Aha. Glaubst du denn, dass er das nicht ist? Hat er irgendein..furchtbares Geheimnis? Eine Leiche in seinem Keller?" Ich schüttelte den Kopf. "Nicht, dass ich wüsste. Und ich hoffe, dass er in Ordnung ist, das wünsche ich mir wirklich." "Er ist in Ordnung. Ich kenne ihn besser als du. Hast du denn Verdächtigungen gegen Yoshitaka angestellt, nachdem du mit ihm zusammen gekommen bist, hm?" Langsam schüttelte ich wieder den Kopf. "Hast du nicht. Du vertraust ihm. Das tue ich in Kazuhikos Fall auch. Warum denkst du, er will mir was Böses?" Ich seufzte angestrengt und rieb mir zum gefühlten hundertsten Mal über die Schläfe. "Die Zwillinge haben was anklingen lassen. Ich wollte nur sichergehen, dass sich ihre Vermutungen nicht bestätigen." Meine Mutter hielt inne und sah mich mit gerunzelter Stirn an. "Wie meinst du das?" Ich zuckte mit den Schultern. "Aus irgendeinem Grund, vielleicht weil Kazuhiko Geschäftsmann ist, befürchten sie, dass er an eure Firma ran will. Du hast ja noch Anteile, mit denen du nichts machst und von denen du nie redest. Und.." Ich machte eine vage Handbewegung. Musste ich das noch weiter erklären? Sie schnappte nach Luft. "Willst du mir erzählen, dass ihr Kinder denkt, er ist mit mir zusammen, weil er meine Anteile und und die Firma will? Er nutzt es aus, dass ich alleine bin? Ist es das?" Ich biss mir fest auf die Unterlippe und zuckte mit den Schultern. "Wenn ich Tomoko richtig verstanden habe.." "Tomoko? Sie ist doch nicht allein auf sowas gekommen, oder? Die Firma interessiert sie so wenig wie dich." "Kaname hat ihr das erzählt..", gab ich kleinlaut zu. Die Hand meiner Mutter knallte geräuschvoll auf die Kommode. "KANAME?" Sie starrte mich nun wieder richtig wütend an. "Das ist nicht euer Ernst! Ihr wisst, wie Kaname ist. Er ist im Herzen immer noch der störrische 16-Jährige, der Streit und Probleme sucht. Er ist nie zufrieden. Weißt du, er hat wochenlang nicht mit mir gesprochen. Weil es ihn nicht interessiert hat, was mit mir ist. Dann verkünde ich das mit Kazuhiko, obwohl ich es auch hätte sein lassen können, da ich für ihn offenbar nicht mehr interessant bin, und er...er rennt mir das Haus ein, spuckt Gift und Galle, obwohl er ihn nicht einmal kennt." Sie gab einen hysterischen Laut von sich. "Und jetzt hat er erfolgreich euch beiden auch noch einen Floh ins Ohr gesetzt." Ich hob die Hand und wollte etwas sagen, aber sie schnitt mir das Wort ab. "Damit du es weißt: niemand kommt an unser Unternehmen ran! Das letzte, was ich tun werde, ist meine Anteile anzurühren! Damit überhaupt irgendwas passieren kann, was sich dein Bruder ausgedacht hat, müsste Kazuhiko mich erstmal heiraten! Und das werde ich sicher nicht tun. Ich heirate nicht nochmals. Ich liebe deinen Vater und werde bis in den Tod mit ihm verheiratet bleiben. So. Ich darf das jetzt mit Kazuhiko wieder hinbiegen. Er hat sich nicht nur gewundert, es war beängstigend, sagt er. Herzlichen Glückwunsch, wahrscheinlich betritt er mein Haus nie wieder dank euch." Sie wandte sich ab und verschwand in ihrem Schlafzimmer. Ein kalter Luftzug streifte mich, während ich stocksteif dastand. Sie war kurz davor gewesen, mir eine zu scheuern. Ich schluckte und starrte betreten zu Boden, fuhr mir durch die Haare. Tief durchatmen. Beruhige dich. "Zero?", drang Karyus leise Stimme zu mir. Ich spürte seine Hand auf meinem Rücken, aber ich drehte mich schwach lächelnd zu ihm um. "Ich..gehe mal kurz raus..frische Luft schnappen..", murmelte ich und ging mir im Flur Schuhe und Jacke anziehen. Karyu folgte mir. "Was hast du wirklich vor?" "Ich geh Kaname einen Besuch abstatten", fauchte ich ungehalten, hatte keine Kraft mehr, um gute Laune vorzuspielen, dann knallte ich auch schon die Haustür hinter mir zu. Ich hörte Karyu noch mal nach mir rufen, aber ich reagierte nicht, sondern stampfte wütend durch den Garten. Kaname konnte was erleben. Karyu war zu Hause besser aufgehoben. Obwohl meine Mutter momentan wohl auch keine gute Gesellschaft war...meinetwegen. Jetzt tat es mir fast leid, gegangen zu sein. Ohne mich bei meiner Mutter zu entschuldigen und Karyu auch mal zu Wort kommen zu lassen... Ich rief mir das Gespräch mit meiner Mutter in den Kopf und kochte vor Wut, als ich bei Kaname ankam. Ich klingelte. Ich klingelte noch mal. "Hn?" "Hier ist Michi. Kommst du runter, eine rauchen?" "Wir können doch auch hier oben.." "Komm runter.", bat ich ihn und versuchte ruhig zu bleiben. Ich fragte mich, ob sich Kazuhiko am Ende von meiner Mutter trennen würde. Nur weil ich den falschen Ton getroffen hatte... Als Kaname geschlagene 5 Minuten später erst runterkam, sah ich ihn finster an. Er hatte schon seine Kippe im Mund. "Hey, was geht?", begrüßte er mich und zündete sich die Zigarette an. "Hast du eigentlich nachgedacht, bevor du Tomoko diesen Mist über Kazuhiko erzählt hast?", fiel ich gleich mit der Tür ins Haus. Er hob die Augenbrauen. "Mist?" Er zog an der Kippe. "Alter, das war kein Mist." "Natürlich war es das! Du hast doch überhaupt keinen Hinweis auf das, was du da vermutet hast." Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht. "Wie bist du auf den Scheiß gekommen? Und warum hast du ausgerechnet To-chan davon erzählt?" "Junge, mit wem hätte ich sonst reden sollen? Du bist nie da, du lebst in einer ganz anderen Welt. Und Mama macht immer gleich dicht bei der kleinsten Kritik." Ich schnaubte. "Ja, warum wohl? Darüber schon mal nachgedacht? Du fantasierst dir immer irgendwas zusammen!" Er sah mich empört an, aber das überging ich. "Ich hab ihn kennen gelernt. Kaazuhiko scheint mir ein anständiger Mann zu sein. Ich kann mich auf meine Intuition verlassen. Man, er hat ein beschissenes Gartengeschäft und ist Puzzle-Weltmeister oder so was. Der ist nicht daran interessiert, in Papas Unternehmen einzugreifen! Du hast To-chan und mir pure Scheiße erzählt!", fuhr ich ihn an, woraufhin er beschwichtigend die Arme hob. "Dir hab ich ja schon mal gar nichts erzählt, mein Lieber. Ich hab To-chan zufällig getroffen, wie so oft, und man erzählt sich so dies und das.. Ich konnte ja nicht wissen, dass sie offenbar gleich zu dir damit rennt, frei nach dem Motto 'Onii-chan richtet's schon'." Kaname schnaubte. Ich steckte die Hände in meine Jackentaschen und ballte die Fäuste. Mein Schädel pochte, als hätte ich am Vortag zu viel gesoffen. "Die Kacke ist am Dampfen, man", murrte ich schließlich. "Du hast To-chan und mich völlig verwirrt. Tomoko hat das, was du gesagt hast, sehr ernst genommen und sogar meinen Freund vollgeheult. Der hats an mich weitergetragen. Und vorhin hab ich Kazuhiko, schon völlig paranoid, gedroht." Ich schüttelte den Kopf, während Kaname anerkennend pfiff. "Du drohst doch nie jemandem." Ich zuckte mit den Schultern. "Dank dir schon. Mama hat mich angeschrien. Und ich hab keinen Bock, dass der Typ so geschockt ist, dass er sich von ihr trennt oder seinen Einzug vertagt." Kaname schnaubte. "Hast du dem Weichei eine runtergehauen oder was? Und selbst wenn der nicht einzieht, na und? Ist besser so. Der hat in unserem Haus nichts zu suchen." Ich runzelte die Stirn. "Ich hab ihm nichts getan, ok? Und 'unser' Haus ist das sicher nicht mehr! Wir sind da aufgewachsen, mehr nicht. Jetzt hat jeder sein eigenes Leben." Ich sah ihn abschätzig an. "Weißt du, es ist lächerlich, dass du dich so aufregst." "Ah ja?" Drohend sah er mich an. "Ja. Ich bin vielleicht nicht oft hier in der Stadt, aber ich telefoniere ab und an mit unserer Mutter. Und wenn ich sie nach dir fragte, hatte sie selten eine Antwort. Du scheißt doch auf uns, Kaname. Auf mich, auf To-chan, auf unsere Mutter. Und auf die Firma." Gereizt sah er mich an. "Du arbeitest doch nur da, weil Papa das wollte und du nicht den Arsch in der Hose hattest, gegen ihn zu sprechen. Jetzt hängst du in der IT-Abteilung rum und sehnst dich eigentlich in die Großstadt." "Alter, willst du mich verarschen?", zischte mein Bruder mich an. "Was machst du mich jetzt so von der Seite an? Hier gehts um den Macker unserer Mutter und ich versichere dir, der hat nichts Gutes im Sinn." Der Geruch von Alkohol stieg mir in die Nase. Je näher Kaname mir kam, umso mehr konnte ich seine Fahne riechen. Ich schüttelte den Kopf. "Komm endlich zur Ruhe, man. Du säufst wie ein Loch. Gibts auch einen Tag, wo du nicht trinkst? Wo du dich nicht hasst, dass du in dieser Stadt fest hängst und deine Familie vernachlässigst?" Er knurrte bedrohlich. Ich zog die Hände aus den Taschen. "Lass deinen Frust über dein Leben nicht an unserer Mutter aus, kapiert? Sollte ich das mit den beiden noch retten können, kommst du ihnen bitte nicht noch mal in die Quere. Sie hat einen Mann an ihrer Seite verdient. Warum willst du ihr das kaputt machen? Du glaubst doch nicht wirklich an das, was du Tomoko erzählt hast." Er schnaubte und schnippte die Kippe auf die saubere Straße. "Alter, du hast doch keine Ahnung. Lass mich, lass uns, in Ruhe und verpiss dich wieder nach Tokyo mit deinem Regenbogen-Hasi. Ich schaukel das Baby hier schon." "Das hab ich gesehen!", schrie ich ihn plötzlich an. Meine Kopfschmerzen machten mich rasend. Ich hatte keine Lust mehr, mich mit diesem Idioten rumzuschlagen. "Lass deine Finger von Kazuhiko und versuch einmal im Leben dein alkohol-aufgeweichtes Hirn zu benutzen! Setz dich für deine Familie ein, anstatt jedem einzelnen immer nur ans Bein zu pissen!" Im nächsten Moment hatte ich Kanames Faust im Gesicht. Ich hatte das Gefühl, mein Schädel würde explodieren, denn meinem Kopfweh war das nicht zuträglich. Ich landete auf dem Hintern und wischte mir über die blutende Lippe, sah langsam zu ihm auf. Er war völlig verrückt geworden. Wütend sah er mich an. "Halt du dich da besser raus! Du hast doch von nichts eine Ahnung, man! Du bist nie hier, du weißt doch gar nicht, was überhaupt abgeht! Mutter verrennt sich da in was, dich können wir dabei nicht gebrauchen. Ich will sie nur beschützen!" Ich rappelte mich auf. "Ach auf einmal?! Spinnst du?" Ich packte ihn am Kragen und drückte ihn gegen die Wand des Reihenhauses. "DU verrennst dich da in was! Hast du mir überhaupt zugehört? Du kennst Kazuhiko nicht, du hast ihn nicht mal gesehen. Er ist nicht so, wie du denkst!" Aber Kaname hörte mir schon nicht mehr zu. Sein Blick war leer. Er stieß mich von sich und holte wieder aus. Diesmal sah ich es ja aber kommen. Ich fing seine Faust ab und rammte ihm dafür meine in den Magen. Wenig später wälzten wir uns schnaufend auf dem Boden. Ich schlug nur noch blind zu, versuchte Kaname irgendwie abzuwehren. Die Kopfschmerzen ließen mich völlig wild werden. Ich wusste nicht, was mir weh tat: der Kopf oder Kanames Schläge. "Scheiße, was treibt ihr da! Hört auf, verdammt!" War das Karyus Stimme..? Kaname hielt mich auf den Boden gedrückt und schlug mir heftig ins Gesicht. Oh Gott, mein Kopf...mir wurde kurz schwarz vor Augen. "Lass ihn los, verflucht, hoch mit dir!" Ich blinzelte und sah, wie Karyu meinen Bruder von mir weg zog. "Verschwinde in deine scheiß Wohnung!", fuhr er Kaname an und kniete sich zu mir. "Zero..? Mein Gott, du siehst furchtbar aus." Ich grunzte nur leise und schloss die Augen. Ich wollte schlafen. Ich wollte, dass diese ungeheuerlichen Kopfschmerzen sofort verschwanden. "Hey, bleib gefälligst wach, ich trage dich jetzt nicht nach Hause. Los, steh auf." Er war sauer auf mich. Sonst wäre er etwas einfühlsamer gewesen. Ich stöhnte leise und ließ mir von ihm aufhelfen. Mir tat alles weh. Ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft ich Kanames Faust in der Magengrube gehabt hatte. Mir war schlecht. Karyu legte sich meinen Arm um die Schulter und schleifte mich zurück nach Hause. "Hast du ein Glück, dass ich dich gesucht habe. Ihr hättet euch beide sonst noch bewusstlos geschlagen. Sehr würdevoll", knurrte er. Ich stöhnte nur leise als Antwort und ließ mich in den Flur schieben. Irgendwie wurde ich meine Schuhe los und schluckte. Man, wo war ich... Ich hatte schon Orientierungsprobleme. "Komm." Karyu nahm meine Hand und begleitete mich ins Bad. "Setz dich." Ich nahm auf dem Rand der Badewanne Platz. Wir waren im unteren Bad. Nach oben schaffte ich es erstmal nicht. Mit einem feuchten Lappen säuberte Karyu mein Gesicht und meine Hände. "MICHIYA!" Die schrille Stimme meiner Mutter verursachte ein fürchterliches Ziepen in meinem eh schön dröhnenden Schädel. "Mama, bitte, nicht..", brachte ich hervor. Ich wollte jetzt keinen weiteren Streit. "Was ist denn passiert, um Gottes Willen?" Sie stand in der Tür und Karyu sah auf. "Kaname", meinte er nur und stand auf, um den Lappen auszuwringen. "Oh Schatz...", meine Mutter sah mich betroffen an, während ich mir über den Magen rieb. Plötzlich überkam mich eine Welle der Übelkeit. Ich stürzte zur Toilette, ließ mich unter Schmerzen auf die Knie sinken und übergab mich. Ich hörte meine Mutter erschrocken aufkeuchen, und sofort war Karyu wieder bei mir und hielt mir die Haare aus dem Gesicht. "OH MEIN GOTT, spuckt er da BLUT?!" Wieder dieser unangenehm hysterische Ton meiner Mutter. Ich stöhnte und würgte gleichzeitig. "Ich mach das schon.", hörte ich Karyu sagen. Im nächsten Moment meldete sich mein eh schon schmerzender Kopf mit noch heftigeren Schmerzen zurück. War das Migräne oder was? Mein Herz klopfte unangenehm schnell und mir war furchtbar heiß. Ich wollte sterben. Jetzt war es soweit. Ich starb jedoch nicht. Nachdem ich mit kotzen fertig war, war mein Kopf so nett und knipste vorläufig die Lichter aus. Ich verlor gnädigerweise das Bewusstsein. ~~~ To be continued. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)