Der Weg aus dem Kampf von Shirokko (Wenn Träume Berge versetzen) ================================================================================ Kapitel 78: Heimkehr -------------------- Kapitel 78 Heimkehr Nachdem er von Dhaôma abgelassen hatte, zog er auch Keithlyn kurz in seine Arme, ohne auf ihren ohnehin schwachen Widerstand zu achten, und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. Tyiasur hatte ihm mittlerweile übermittelt, wo sich Genahn befand und Mimoun verabschiedete sich. „Wir sehen uns später. Rennt nicht zu weit weg. Ich bin bald wieder zurück.“ Mit diesen Worten schwang er sich in die Luft. Zu Fuß hätte es gefühlt ewig gedauert. Noch länger, wenn die Kleinen tatsächlich Eskorte spielen wollten. Sollten sie das ruhig bei dem Heiler machen. Als er in dem weitläufigen Garten landete, in dem noch immer die Leuchtblumen zu sehen waren, nahm sich Mimoun, im Gegensatz zu seiner ersten nächtlichen Landung hier, die Muße sich umzusehen. Hier und da fehlten kleine Flächen in dem Blütenmeer, so als wenn jemand gezielt diesen Bereich abgerupft hätte. Nahezu fassungslos glitt sein Blick weiter über dieses gigantische Gebäude. Tyiasur erklärte ihm, wo er sich befand. Das hatte ihn damals nicht interessiert. Nun verstand er aber auch, wie ein kleines Kind in diesem Haus völlig ungesehen bleiben konnte. Es war einfach zu weitläufig. „Was treibt dich denn hierher?“ Mimoun drehte sich um und betrachtete Genahn, zwischen dessen Füßen ein kleiner Drache und ein kleines Kind herumwuselten und anscheinend Fangen spielten. „Asam hat Sehnsucht nach dir. Er hat dich schon überall verzweifelt suchen lassen.“, gab Mimoun maulig von sich. Das Wissen um die Geschichten in diesen Gemäuern ließen seine Stimmung sinken. „Und du hast mich gefunden.“, vermutete der Magier amüsiert. „Nein. Aufgrund meiner Fähigkeiten wurde ich zum Boten degradiert.“ Mimoun seufzte einmal abgrundtief. „Und nein. Ich weiß auch nicht, was er will. Zwar hat er auch mich rufen lassen, aber nur wenige Minuten später kam die zweite Mitteilung, dass du gesucht wirst. Wahrscheinlich galt der erste Ruf auch nur der Suche nach dir.“ Mit einem noch immer amüsierten Grinsen verschwand der Magier in der kleinen Hütte. Wenige Minuten später kam er in Begleitung seiner Schwester wieder heraus. Penny hatte sich den Säugling mit einem Tuch vor die Brust gebunden, ihren Ältesten an der Hand. „Ich habe entschlossen einen Spaziergang zu machen.“, erklärte sie auf Mimouns verdutzten Blick hin. „Wenn du damit einverstanden bist, dass wir euch begleiten.“ „Warum sollte ich etwas dagegen haben?“, wehrte Mimoun ab und lächelte. „Ich freu mich immer über angenehme Gesellschaft.“ Gemeinsam machte sich die kleine Gruppe auf den Weg in die Stadt. Der Erddrache wuselte vor ihnen, neben ihnen, war nicht still zu kriegen in seiner kindlichen Neugier. Und Palil rannte lange Zeit schier unerschöpflich hinter dem Schuppentier her. Als er dann vor Erschöpfung auf den Arm seiner Mutter wollte, musste der Onkel eingreifen und den Kleinen tragen. Die Menschen, denen sie auf ihrem Weg begegneten, machten ihnen respektvoll Platz. Mimoun spürte die bewundernden Blicke, die ihnen folgten, hörte das Getuschel. Plötzlich rannte ein kleines Mädchen auf die Gruppe zu, die Hände hinter ihrem Rücken verborgen. Als sie vor dem Geflügelten stoppte, entblößte ihr breites Lächeln so einige Zahnlücken. Mit Schwung brachte sie einen Strauß Löwenzahnblüten zum Vorschein. „Danke, dass ihr hier seid.“ Mit einem milden Lächeln ließ er sich auf ein Knie nieder, nahm den Strauß an und wuschelte ihr kurz durch das rötliche Haar. „Ich freu mich auch, hier zu sein. Danke.“ Genahn lachte. „Hübsche kleine Freundin hast du da.“ Das Kind zupfte aus dem Strauß in Mimouns Hand eine Blüte heraus und hielt sie Tyiasur hin. „Dir auch Danke.“ Wenn Mimoun es nicht besser wüsste, würde er behaupten die Färbung der Schuppen wurde eine Spur dunkler, als der Wasserdrache nun auch eine Blüte in der Klaue hielt. Mit einem hellen Lachen wandte sie sich um und verschwand zwischen den Menschen. Damit schien aber auch der Bann gebrochen. Immer wieder trafen sie auf ihrem Weg auf freundliche Menschen, die ein paar Worte mit ihnen wechselten. Es grenzte fast an einen Spießrutenlauf. „Ich hab Blumen geschenkt bekommen.“, präsentierte Mimoun stolz, als sie endlich bei dem ankamen, der schon vor Stunden nach ihnen gerufen hatte. Asam sah von seiner Liste auf und besah sich den Strauß Löwenzahn in Mimouns Händen, dann die in Genahns, Pennys und Jokuns. Offenbar hatten sie es ein wenig zu gut gemeint mit den Blumen, so dass Mimoun Hilfe beim Tragen gebraucht hatte. Seine Lippen verzogen sich zu einem feixenden Grinsen. „Da hat er ein Blumenkind bei der Hand und trotzdem lässt er sich immer mehr davon schenken.“, stänkerte er. Schräg hinter ihm begann Dhaôma verhalten zu lachen. War doch schön zu wissen, dass Mimoun von den Magiern so rückhaltlos akzeptiert worden war. Seit er zurück war, kümmerte er sich um einen geflügelten Häftling. Es war sein erster Versuch, die Flügel wieder geradezubiegen und weil es schon nach wenigen Minuten unheimlich Kräfte zehrend war, hatte er beschlossen, es direkt auf dem Platz zu machen, weil es da nicht so auffiel, wenn er Magie von anderen stahl. „Also. Schön, dass ihr auch endlich da seid. Ich bin gerade dabei, eine Art Problemliste zu erstellen und ich komme nicht so recht weiter, weil hier einige rumfaulenzen oder lieber Babys betatschen.“ Die harten Worte hatten einen so belustigten Unterton, dass Genahn mit den Augen rollte. „Schon verstanden. Penny, gib ihm die Kleine mal. Er vermisst vermutlich seine Töchter und bevor er vor Neid vergeht, lass ihn Relaia mal halten.“ „Ich habe dich gewarnt.“, lachte Mimoun. „Bleib bei deiner Familie.“ Während sich Penny von dem Tragetuch befreite, begann der geflügelte Drachenreiter damit, kleine Sträußchen an alle Anwesenden zu verteilen, angefangen bei dem jungen Ratsmitglied, über die anwesenden Geflügelten und Magier und machte selbst vor Kaley nicht Halt. Man sah deutlich die Gute-Miene-zum-bösen-Spiel-Einstellung. Mimoun brauchte gar nicht hinsehen, um zu wissen, dass der Veteran die Blumen sofort an jemand anderen weiterreichte. Als er mit seiner Runde fertig war, hatte Asam den Säugling auf dem Arm und Genahn die Liste in der Hand. Mimoun gesellte sich dazu und sah dem Magier über die Schulter. Vermerkt war eine Verhandlung und Urteilssprechung für die Zirkelmitglieder, eine Organisation der Heimreise für alle ehemaligen Gefangenen, das Ausarbeiten von Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Frieden. Klang doch für den Anfang nicht schlecht. Während sich die Anführer mit Sprechern der Magier und Geflügelten auseinandersetzten, behandelte Dhaôma weiter die Opfer der Halblinge. Am Abend endlich kam Jayan auf ihn zu. Der Mann hatte sichtlich damit zu kämpfen, in der Nähe von Menschen zu sein, und es war gewiss eine schreckliche Überwindung für ihn, ins Zentrum des Trubels zu gehen. Nervös fuhr er sich mehrfach durch die Haare, trat von einem Bein auf das andere und sah sich immer wieder gehetzt um. Verständnisvoll stand Dhaôma auf. „Lass uns ein wenig abseits gehen.“, schlug er vor und bemerkte schmerzlich die Erleichterung. Es würde dauern, bis er das verarbeitete und ablegte. Unter dem Baum, in dem er und Mimoun übernachtet hatten, blieben sie schließlich stehen. Lulanivilay lag dort und schlief in einem Feld von Ringelblumen und Fetthenne. Seine Schwanzspitze schlug im Traum leicht und liebevoll betrachtete Dhaôma ihn. „Ich wollte fragen, ob du meine Flügel auch heilen kannst.“, kam der Hanebito gleich auf den Punkt. Er wirkte so unsicher. „Ich sehe, dass du es bei anderen probierst. Und du hast Mimoun geheilt.“ Ja, Mimoun hatte das Gefühl fürs Fliegen nicht verloren. Dennoch nickte Dhaôma. „Natürlich. Ich werde es versuchen. Aber es wird dauern. Wahrscheinlich mehrere Stunden, vielleicht Tage. Es sind alte Wunden, deshalb wäre es äußerst Schmerzhaft, wenn ich zu schnell vorgehen würde.“ Der Blick aus grünen Augen war dunkel und entschlossen. „Es ist egal, ob es wehtut oder lange dauert. Hauptsache, ich kann wieder frei sein.“ Irgendwas war hinter den Worten, eine Schwingung, die Dhaôma nicht gefiel und leicht an Wahnsinn erinnerte, aber er nickte dennoch. „Ich fange gleich an.“, sagte er. „Setz dich.“ Unter seinen Händen war die Haut kühl und trocken. Wie schon beim letzten Mal spürte er den Verletzungen nach, bevor er begann, sie behutsam zu lösen. Knochen für Knochen ließ er sich ab und wieder aufbauen, ließ Sehnen und Muskeln wieder wachsen, kräftigte sie. Als das Sonnenlicht verschwand, unterbrach er die Behandlung. Es waren zu viele Leute in die Häuser gegangen, als dass er die anderen noch weiter belasten konnte. Für eine einzige Behandlung so gravierender Verletzungen, so hatte es ihm Lulanivilay gesagt, nutzte er mehr als hundert fremder Seen, bis sie leer waren. Er wollte niemandem schaden. „Geht es dir besser?“, fragte er, als er die Hände zurückgezogen hatte. Mit der Zeit hatte sich der Mann völlig entspannt. Jetzt nickte er. „Du hast warme Hände.“, sagte er leise. „Hände, die es zulassen, dass ich ihnen vertraue.“ Weich lächelte der Braunhaarige. „Ich bin noch nicht fertig. Wir machen weiter, sobald ich mich ausgeruht habe.“ „Du bist mächtiger als früher.“, bemerkte Jayan. „Du warst ohnmächtig, als du Leoni geheilt hast, heute hast du mehrere Behandlungen getätigt, die weit mehr Kraft benötigen.“ Dhaôma nickte nur. „Es ist viel passiert seit damals.“ „Sehr viel.“, stimmte er zu, dann machten sie sich auf den Weg, um etwas zu Essen zu bekommen. Gegen Abend löste sich Mimoun von seiner Aufgabe. Lange hatte er es bei den Anführern und Redenschwingern nicht ausgehalten. Er setzte lieber den Vorschlag Dhaômas in die Tat um. Zusammen mit Keithlyn hatte er alle elternlosen Kinder um sich versammelt und damit begonnen sich mit jedem Einzelnen von ihnen auseinanderzusetzen. Behutsam erfragte er Namen und Herkunft und mögliche verbliebene Verwandte, die man kontaktieren konnte, oder alte Freunde, damit die Kinder in vertraute Umgebungen zurückkonnten. Bei dreihundert kleinen Gestalten eine langwierige und gewaltige Aufgabe. Es gab so viel Schmerz, die sie schon in jungen Jahren hatten erleben müssen. Jede Geschichte für sich eine Tragödie. Am Abend war er noch nicht mit allen durch. Dennoch blies er gesammelt zum Abmarsch. „Geht etwas Essen und legt euch schlafen. Wir treffen uns morgen wieder hier.“ Die Kinder stoben davon und auch Keithlyn verabschiedete sich. Sie brachte die Kleinsten zu ihren Unterkünften. Mimoun sah den Kindern lange und nachdenklich hinterher und begann durch die Stadt zu streunen. Fahrig fuhr er sich mit einer Hand über die Augen. Nach durchwachter Nacht und dem Tag wurde es echt Zeit, dass er sich schlafen legte. Wie erstaunt war er, als er um die Ecke bog und Dhaôma und Jayan gegenüber stand. Der müde, abgekämpfte Gesichtsausdruck wurde schnell von einem Lächeln überlagert, doch er spürte, dass es nicht lange halten würde. „Entschuldige bitte kurz.“, wandte er sich an seinen Schwager und umarmte anschließend Dhaôma, barg sein Gesicht an dessen Hals. Reflexartig legte der seine Arme um den starken Körper. Es war so selten, dass Mimoun diese Art Schwäche zeigte. Er musste richtig erschöpft sein. Kurz tastete er in ihn, um zu wissen, ob alles in Ordnung war, dann lächelte er. „Müde?“, fragte er weich und Jayan begann zu lachen. Es war das erste Mal, seit sie ihn gefunden hatten. „Ich sehe schon. Ihr habt euch tatsächlich gefunden.“ Seine Augen glitzerten. „Jeder hat sich gefragt, wann ihr es wohl endlich schafft…“ Die Stimme versiegte für einen Moment, bevor er weiter sprach, in der er Dhaômas braunen Augen begegnete und dann wegsah. „Es ist schön, wenn man den Partner fürs Leben gefunden hat. Sie weiß es, oder? Ihr habt es ihr gesagt und es wird ihr nicht gefallen haben.“ Das Lachen wurde wehmütig, bevor es verklang. „Ich möchte sie wieder sehen.“, flüsterte er erstickt. Mimoun hatte sich von Dhaôma gelöst, als sie auf das leidige Thema Silia kamen. „Es ließ sich nun mal nicht verbergen.“ Nachdenklich kaute er auf seinem Daumennagel herum. „Ich glaube, sie hatte sich schon länger mit dieser Tatsache abgefunden. Länger als wir uns selbst dessen bewusst waren. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass Silia ausfallender als sonst gewesen wäre. Und du wirst sie wieder sehen. Schon bald. Hab nur noch ein wenig Geduld.“ Man sah Jayan an, dass ihm das schwer fiel. Wehmut sprach aus seinem Blick und der unbändige Wunsch zurückzukehren. Doch der Schmerz in seinen Augen würde wohl nie völlig verschwinden. „Ich hab Hunger.“ Es war vielleicht nicht das, was in dem Moment angebracht war. Er sollte mehr auf Jayan und seine Stimmungen und Gefühle eingehen, doch ihm war derzeit absolut nicht nach Trübsinn. Das hatte er schon den ganzen Tag gehabt. „Wer noch?“ „Deshalb waren wir unterwegs.“ Dhaôma nahm die Hand, dann zog er ihn mit. „Komm mit, Jayan. Je mehr Kräfte du hast, um nach Hause zu fliegen, desto eher kommst du da an.“ Motivation war alles. Sie holten sich etwas zu essen, danach kehrten sie gemeinsam zu Lulanivilays Schlafplatz zurück. Der Drache war kuschelig drauf und legte sich in Dhaômas und Mimouns Rücken und Jayan seufzte erneut. „Ihr beide seid einfach unglaublich. Mimoun kehrt von den Toten zurück, versöhnt sich mit einem Magier, erlangt seine Flugfähigkeit wieder und so wie ihr beide es versprochen habt, habt ihr sowohl die Drachen gefunden als auch Frieden gebracht. Viele hielten euch einfach für überhebliche Dummschwätzer. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ihr es wirklich geschafft habt. Oder dass ihr mich da wirklich gefunden habt.“ „Wenn man Träume hat, kann man alles schaffen.“, bemerkte Dhaôma weich. „Solange man nicht aufgibt.“ Mimoun kicherte, als er an seine ersten Monate mit Dhaôma dachte. Und damit auch die beiden anderen verstanden, was so lustig war, sprach er seine Gedanken laut aus. „Selbst ich habe nichts von dem, was du gerade aufgezählt hast, für möglich gehalten. Als Dhaôma mich fand, glaubte ich nur an ein perverses Spiel, das er mit mir treiben würde. Ich glaubte nicht daran, dass ich je nach Hause kommen würde. Dass ich mit dir Freundschaft schließen könnte, war ein Unding, und je wieder frei fliegen zu können jenseits meiner Träume. Weder das Finden der Drachen noch die Erlangung von Frieden habe ich für durchführbar gehalten. Ich habe dich nur begleitet, damit du nicht mehr so einsam bist. Wenn man bedenkt wie ungläubig ich war, bin ich doch recht weit gekommen.“ Er klopfte Lulanivilay gegen die Flanke. „Ich habe mehr bekommen, als ich mir wünschen konnte.“ Mimoun lehnte sich zu Dhaôma hinüber, um ihn zu küssen. Dessen Wangen hatten sich rot gefärbt. Ein Teil davon war eine Offenbarung für ihn, die er gar nicht gewusst hatte. „Du hast nicht an die Drachen geglaubt? Oder an den Frieden? Aber hast du mir nicht gesagt, dass der Frieden möglich ist, weil es in deinem Dorf geklappt hat. Und dass ich weiter suchen soll, hast du mir auch gesagt.“ „Anfangs.“, gestand Mimoun kleinlaut ein und zog sich reumütig wieder zurück. „Aber je länger ich mit dir unterwegs war, desto überzeugter war ich, dass du alles schaffen kannst. Sogar Unmögliches wahr machen.“ Sprachlos starrte Dhaôma ihn an. Er hatte immer gedacht, dass es ihrer beider Traum war, dass Mimoun ihn gezogen hatte, damit er nicht aufgab, und nun offenbarte dieser ihm, dass das nicht stimmte, dass er ihm die ganze Zeit über gefolgt war. Er war ihm gefolgt und hatte ihn bei seinem Eigensinn unterstützt. Wie oft hatte sich Mimoun zurückgestellt, um ihm freie Hand zu lassen. Und jetzt lobte er ihn dafür. „Aiaiai.“, flüsterte er und versteckte den flammend roten Kopf in seinen Armen. Diese Situation war ihm hochgradig peinlich. „Bist du mir böse?“ Der Geflügelte sah unglücklich auf seinen Geliebten. Er hatte wieder nicht nachgedacht und einfach geplappert. Und nun hockte Dhaôma hier zusammengesunken und sah ihn nicht an. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf und war trotzdem nicht in der Lage zu sprechen. In ihm kribbelte alles. „Er geniert sich nur.“, kam ein wenig hilfreicher Kommentar von Lulanivilay, der Dhaôma noch ein wenig kleiner werden ließ. Er musste seine Gesichtsfarbe wieder unter Kontrolle kriegen. Genieren? Warum das? Hatten seine Worte Dhaôma nicht verletzt, sondern verlegen gemacht? Mimouns Hand glitt vor, strich einige Haare hinter die Ohren, die trotz schwindenden Lichtes einen auffälligen Farbton aufwiesen. Seine Finger glitten tiefer, strichen an der Wange entlang und zwangen mit leichtem Druck gegen das Kinn den Kopf nach oben. „Dhaô?“, kam die verständnislose Bitte um Erklärung. „Ich…“ Dhaôma spürte, dass Mimoun nicht verstand, weswegen er sich so verhielt, aber wie sollte er erklären, dass er sich über das Lob freute, dass ihm offenbar auch Unmögliches gelang? Es klang so vermessen, das von sich selbst zu behaupten, und es stimmte auch nicht, aber er freute sich trotzdem. „Mimoun, manchmal bist du richtig planlos.“, seufzte Jayan da, der dem ganzen Spiel mit einer Mischung aus Sympathie und Amüsement zugesehen hatte. Das rote Gesicht, die offensichtliche Freude, mit der er nicht umzugehen wusste, Mimouns Ratlosigkeit… Einfach witzig, wenn man bedachte, dass die beiden einander mal wieder nicht verstanden. „Er konnte noch nie gut mit Lob umgehen. Kann dann nicht mehr wirklich etwas sagen und stottert Unsinn. Und du möchtest eine Erklärung in dem Zustand?“ Wie von der Tarantel gestochen, schnellte Mimoun zurück und starrte Jayan an, bevor auch er einen gesunden Farbton annahm. Warum entstanden solche Situationen immer in Augenblicken, wo jemand anwesend war, der sich dann köstlich amüsieren konnte? Und wann bitte hatte er ein Lob ausgesprochen? Es fiel ihm schwer, nun da er sich der Anwesenheit Jayans wieder völlig bewusst war, sich wieder Dhaôma zuzuwenden und dessen Gesicht in beide Hände zu nehmen. „Wenn man gelobt wird und sich über das Lob freut, sagt man danke.“ Da war wieder das lang vermisste Erklären von menschlichen Handlungen. Wann war das letzte Mal gewesen? Schon sehr lange her. Dhaôma hatte inzwischen viel dazugelernt. Mimouns Worte machten es ihm nicht leichter, irgendetwas zu sagen. Letztendlich zog er ihn einfach in die Arme. Das sagte alles, was gesagt werden musste, dachte er. Und, wenn er ihn umarmte, konnte Mimoun sein rotes Gesicht nicht sehen. Von Jayan kam ein leises Lachen. Auch Mimoun lachte. „Das werte ich dann einfach mal als danke.“ Es wurde ein gemütliches Beisammensitzen und Essen. Nur wurde es kurz für den geflügelten Drachenreiter. Er war einfach zu lange schon wach und bettete seinen Kopf irgendwann auf Dhaômas Schoss und schlief schon nach wenigen Minuten Gekraultwerdens ein. Die nächsten Tage waren stadtweit eine Mischung aus hektischer Geschäftigkeit und neugierigem Kennen lernen. Unterschwellig blieb noch immer streckenweise Misstrauen. Vierhundert Jahre Krieg ließen sich nicht so einfach überwinden. Für Dhaôma war die Zeit mental sehr anstrengend. Zusammen mit dem Heilerkind hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, die Opfer zu heilen, aber nicht alle Verletzungen waren wirklich noch reversibel. Viele waren einfach schon zu alt oder aber der Körper und der Geist hatten die Läsionen, Narben und Brüche akzeptiert. Die maßlose Enttäuschung, wenn er jenen Geflügelten erklären musste, dass er nichts mehr für sie tun konnte, war beinahe zu viel für ihn. Andererseits war der Anblick eines Geknechteten, der in den Himmel aufstieg, ein Grund für pure Freude. Jede einzelne Genesung wurde von den Hanebito gefeiert. Entgegen seiner Einschätzung konnte er weit mehr als die Hälfte aller Gefangenen wieder zum Fliegen bringen. Je mehr er mit dieser Kraft hantierte, desto flüssiger und einfacher ging es. Die psychischen Probleme dagegen waren etwas ganz anderes. Natürlich konnte er mit ihnen reden, aber es half ihnen nur bedingt, teilweise gar nicht. Obwohl so viele halfen, begingen insgesamt zehn Opfer Selbstmord. Auch das Kind, das die hagere Magierin zur Welt brachte, überlebte die ersten Stunden nicht. Dhaôma konnte der Mutter ansehen, dass sie erleichtert war. Mehr denn je suchte er sich Hilfe bei seinen Freunden und um nicht völlig depressiv zu werden, begann er, mit den Kindern zu spielen. Er förderte ihre Fröhlichkeit damit, denn er begegnete ihnen nicht mit Mitleid. Es wurden sowieso immer weniger, denn Mimoun vermittelte sie fleißig. Sehr schwer hatte er es gar nicht, denn die Magier waren willig, den armen Kindern zu helfen. Eine Familie, die ihre Söhne im Krieg verloren hatten, nahm sogar fünf auf einmal auf, damit sie ihren Familienbetrieb weiterführen konnte. Bis zur Mitte des Sommers brauchte Dhaôma, um alle ehemaligen Gefangen zu behandeln. Der letzte war ein junger Mann, der ihm überschwänglich dankte, denn er hatte jetzt eine Gemahlin, die er nach Hause bringen wollte: eine der Magierinnen, die mit ihm zusammen Kinder zeugen sollte, es aber nicht konnte. Sie konnte Pflanzen wachsen lassen und nachdem, was sie von den Hanebito über Dhaôma erzählt bekommen hatten, wollten sie es versuchen, sich dort oben anzusiedeln. Es stimmte den Braunhaarigen glücklich. So wurden Vorbereitungen für die Heimreise getroffen. Drei der Kinder waren ihnen erhalten geblieben. Eines war Mimoun einfach nicht mehr von der Seite gewichen. Immer wenn er gefragt wurde, ob er mit jemandem leben wollte, hatte Troll sich nur hinter ihm versteckt. Der schwarzhaarige Junge hatte schreckliche Narben auf den Armen und Beinen und von Tyiasur erfuhren sie, dass er die von einem Magier hatte, der seiner Schwester etwas antun wollte. Sein Vertrauen in Magier war tief erschüttert und er war selbst Dhaôma gegenüber skeptisch. Das zweite war ein Halblingskind, das mit Keithlyn Freundschaft geschlossen hatte. Flore würde zusammen mit ihr und Juuro in die Steppe gehen. Das dritte Kind war vier und konnte seine Magie nicht kontrollieren. Wie bei Dhaôma oder früher bei Lulanivilay lief seine Energie einfach aus ihm heraus. Zum Glück besaß Mito keine starke Kraft, sondern ließ nur ab und zu Wasser schweben und aus dem Nichts entstehen. Häufig waren alle in seiner Umgebung nass. Tyiasur zumindest gefiel das sehr. Es wurde so brütend heiß, dass sie schließlich beschlossen, sich auf den Weg zu machen. Die Hanebito vergingen bei diesen Temperaturen und so beschleunigte es den Aufbruch, obwohl die Drachen die Hitze sehr genossen. Vor allem Lulanivilay war aktiv wie selten. Er ging beinahe jeden Tag mehrere Stunden auf die Jagd und machte dabei keinen Unterschied, ob es domestizierte Tiere oder wilde waren, dabei hatten es ihm viele Leute bereits erklärt. Dhaôma vermutete, dass dem Drachen die eingesperrten Tiere Leid taten und er sie auf seine Weise von ihren Qualen erlöste. Der Aufbruch war grandios. Tausende Magier versammelten sich auf dem großen Platz, um die abreisenden Hanebito zu verabschieden. Mit Dhaôma und Genahn waren es insgesamt elf Magier, die sie aus den unterschiedlichsten Gründen begleiteten. Zwei wollten die Inseln sehen, einer ein Buch über Hanebito schreiben, eine sich mit einem verbinden. In Lulanivilays Körben saßen Juuro und zwei der drei Kinder - Troll ritt auf Mimouns Rücken - und dazu Genahn. Letzterer musste zur Insel der Drachen. Seine Drachin bestand darauf und die anderen beiden Drachen nötigten ihn ebenfalls dazu. Als parteiloser Drachenreiter hatte er sich sowieso nicht einzumischen in die Friedensverhandlungen. Volta war nirgends aufzufinden gewesen, aber es hatten sie Gerüchte ereilt, die davon berichteten, dass er sich in eine bestimmte Stadt aufgemacht hatte, um ein ganz bestimmtes Mädchen wieder zu sehen. Nach ganzen drei Monaten reden, planen und ausprobieren waren die Verhandlungen erst einmal zu einem Ende gekommen. Jetzt galt es, die Pläne in die Praxis umzusetzen und dazu musste mit den Völkern gesprochen werden. Die beiden Parteien trennten sich erst einmal. Man würde sich einmal im Monat mit Abgesandten beider Völker treffen, um neue Ideen oder Probleme zu besprechen. Dazu war die große Schlucht auserkoren worden. Als neutrale Zone und Startpunkt des Friedens erschien sie allen als der richtige Ort. „Los!“ Dhaômas Zehen gaben dem großen Grünen das Zeichen zum Start und Lulanivilay hob unter viel Wind und Lärm ab. Wie eine schwarze Wolke folgten die Hanebito. „Wir kehren nach Hause zurück.“ „Solltest du das wirklich sagen?“, kam es von Genahn. „Immerhin ist das hier deine Geburtsstadt.“ Verständnisvoll lächelte Dhaôma, schüttelte aber den Kopf. „Meine Tochter ist an einem anderen Ort. Und mein Zuhause ist bei Mimoun. Das passt schon so.“ Genahn lachte leise und fing dann seine kleine graue Freundin wieder ein, die auch fliegen wollte, es aber einfach nicht lange genug konnte, damit sie dem riesigen Drachen folgen konnte. Nach Hause. Das hörte sich gut an. Mit leicht schief gelegtem Kopf und verträumtem Lächeln lauschte er den Worten nach, ließ sie sich selbst auf der Zunge zergehen. Nach Hause. Das hieß auf die Ebenen zurückzukehren. Ihre Weite zu sehen und ihren trockenen Wind auf der Haut zu spüren. „Halt dich gut fest.“, lachte der Geflügelte ausgelassen und hielt zusätzlich mit der Hand die Arme fest, die sich um seinen Hals geschlungen hatten. Er spürte das Nicken nur durch die Haare, die an seinem Hals kitzelten, und stieß sich ab. Unter ihnen brandeten Jubel und Segenswünsche auf und bei einem Blick nach unten sah Mimoun, dass nicht wenige, vor allem Kinder, sich durch die Menge an Erwachsenen quetschten und die Straßen entlang hasteten, um möglichst lange hinter ihnen her winken zu können. Da er als einer der Letzten gestartet war, nutzte er seine Fähigkeiten, um nach vorn und an die Seite Lulanivilays zu gelangen. Der Druck um seinen Hals wurde fester, was er mit leisem Lachen und beruhigenden, versichernden Worten quittierte. Auch wenn sie nun schneller vorankamen, da sie flogen statt zu Fuß wieder dem Fluss zu folgen, so waren sie doch vergleichsweise langsam. Die Magier waren zu tragender Ballast und konnten in der Luft kaum Unterstützung geben. Die ehemaligen Gefangenen, soweit sie selbst wieder fliegen konnten, waren teilweise noch nicht kräftig genug, um wirklich weite Strecken durchzuhalten. Der Rest von ihnen musste ebenfalls getragen werden. Darum hielten sie sich wieder an den Fluss als Wegweiser. Er bot Nahrung und Abkühlung, versprach Sicherheit und Führung. Das Wasser wies ihnen den Weg zu den Ebenen, nach Hause, wie Dhaôma es so schön ausgedrückt hatte. Die Krieger, die nicht mit Tragen beschäftigt waren, schwärmten immer wieder in kleinen Grüppchen aus und gingen völlig bedenkenlos in den Wäldern auf Jagd. Sie waren anfangs nicht sehr erfolgreich. Wie auch? Jagen inmitten von Wäldern, wo Bäume und Büsche die Sicht verdeckten, wollte gelernt sein. Hier konnten sie sich nicht von oben herab auf ihre Opfer stürzen, ohne sich die Flügel an den Ästen und Zweigen zu verletzen. Die Tage der erfolglosen Jagden füllten die Pflanzenmagier mit den Samen aus Dhaômas neuem Beutel auf. Er hatte ihn mit den Samen all der Pflanzen wieder aufgefüllt, die sich schützend und stützend in das Schloss gegraben hatten. Auch als die Jagden erfolgreicher wurden, sorgten sie für Abwechslung in ihrem Speiseplan. Mimoun spürte sie. Die Unruhe, die ihn ergriff, als er die Grenze des Waldes erkannte, die erste einsame Insel weit in der Ferne schweben sah, die weiten Ebenen darunter schon erahnen konnte. Und diese Unruhe spürte er auch bei einem großen Teil seiner Begleiter. Unbewusst zogen sie das Tempo an. Unbewusst machte sich eine Hochstimmung unter den Geflügelten breit. Sie kehrten nach Hause zurück und brachten neben guten Nachrichten auch neue Freunde mit. Was sollte es Besseres geben? Gerade Asam hatte es irgendwie eilig. Nonstop redete er über Leoni, Fiamma und Seren und wie er sie vermisste und was er alles mit ihnen machen wollte. Selbst Kaley hielt inzwischen ein wenig mehr Abstand von seinem Anführer, weil es ihm auf die Nerven ging. Die erste Insel kam in Sicht und Lulanivilay stieg höher hinauf. Sein Misstrauen seit dem ersten Mal, dass er auf den Inseln gewesen war, bestand immer noch. Er wollte nicht gepiekt werden, meinte er, was alle zum Lachen brachte. Aber den Kindern gefiel es und so drehte Dhaôma mit allen eine große Runde, während die Geflügelten die Insel beinahe schwarz färbten, weil sie alle dort landeten. Sie war bei weitem nicht groß genug, um so viele Menschen zu fassen. Von oben sah es einfach witzig aus und alle, die keinen Platz fanden, lachten herzlich. Auch Mimoun betrachtete sich das Schauspiel lieber aus der Luft. Wie im Taubenschlag, den er bei einem Magier in der Stadt gesehen hatte. Ständig erfüllte Rauschen startender Tiere die Luft und so war es auch hier. Es war einfach nur herrlich. Voll Übermut begann er in der Luft Kapriolen zu schlagen, was schnell mit spitzen Schreien quittiert wurde. Erschrocken hielt er inne, nur um mit Protestrufen belohnt zu werden. Damit war es bewiesen. Magier schrieen, sobald sie in der Luft waren. Und er wollte auch da drauf, stellte er nach einigen Rollen missgestimmt fest. Er wollte auch wieder auf einer Insel stehen. Wenn die da unten sich nur nicht so breit machen würden. Der Geflügelte ließ seinen Leuten nur eine knappe halbe Stunde zur Pause und zum regelmäßigen Wechsel. Dann schlug er vor, weiterzufliegen, wo mehr Inseln zu erwarten waren, wo alle Platz finden würden. Weiter zu den Familien, die sie sicher sehnsüchtig erwarten würden. Kaum erhob sich der Schwarm wieder in die Luft, landete Mimoun. Genüsslich streckte er sich und ging ein paar Schritte. „Hey. Ich dachte, weiterfliegen.“, protestierte Aylen. Der Angesprochene grinste frech zurück. „Ich bin schneller als ihr. Ich darf das.“ Das war ein unschlagbares Argument und so ließen sie ihn mit einem Lachen machen. Einige der Hanebito von der Insel begleiteten sie. Sie versuchten, an den Drachenreiter heranzukommen, der weit über den Geflügelten Kreise zog. Sie hatten so viel von ihm gehört. Von ihm und der seltsamen Gruppe, die das Herz ihres Anführers gewonnen hatte. Nun wollten sie mit eigenen Augen sehen. Und sie wollten Teil sein von dem Zug, die Geschichten hören, wissen, ob es wirklich stimmte, was erzählt wurde: War der Krieg wirklich vorbei? Waren die Magier endlich einsichtig geworden? Gab es keine Kämpfe mehr? Die paar Magier, die dabei waren, schienen eine Art Beweis zu sein, dass alles wirklich stimmte. Und warum sollte der Enkel ihres respektierten Anführers und zukünftiger Anführer sie belügen? Die Hitze wurde immer größer, je länger sie an diesem Tag flogen. Gegen Mittag war sie selbst in der Luft unerträglich. Dhaôma rief Wolken, um wenigstens die Sonne auszusperren, was einen interessanten Nebeneffekt hatte: die Hanebito anderer Inseln sahen die Wolken und fühlten sich von ihnen angezogen, wollten ein wenig von dem Kühle spendenden Nass abbekommen und fanden zusätzlich die Heimkehrer. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich so die Nachricht, dass sie wieder da waren. Die Menge schwoll immer weiter an, bis klar war, dass sie nie eine Insel finden würden, auf der sie alle Platz hatten. Also beschloss Asam, dass sie sich aufteilen sollten. Jeder sollte in die Richtung fliegen, wo er zuhause war, damit die kleinen Inseln entlastet wurden und die besorgten Familien schnellstmöglich wussten, ob ihre Geliebten heil waren. „Ganz uneigennützig.“, frotzelte Dhaôma und beobachtete dann, wie der Schwarm sich aufteilte. Das Lächeln und die gute Stimmung war kaum aus seinem Gesicht zu kriegen. Alle waren froh und er konnte gar nicht anders, als sich mit ihnen zu freuen. Das hier war es doch, wofür er die ganze Zeit gekämpft hatte, nicht wahr? Ein wenig entfernt flogen zwei Frauen und ein Jugendlicher in die Arme eines Soldaten, so dass sie ein Stückchen in die Tiefe taumelten. Ein glückliches Wiedersehen. Mehrere Blicke folgten ihnen. Viele erfreut, einige sehnsüchtig. „Nicht mehr lange. Wir sind bald da.“ Mimoun hatte sich an Jayans Seite treiben lassen. Die Aussage des Drachenreiters wurde nur mit einem stummen Nicken quittiert, während die Augen verfolgten, wie das Grüppchen sich wieder fing. Ihre Gruppe hatte sich stark dezimiert. Nicht alle von den Übriggebliebenen hatten die gleiche Richtung, aber sie wollten noch so lange wie möglich gemeinsam fliegen, bis sie dann eine endgültige Kurskorrektur durchführen mussten. Es gab aber auch welche, die noch weiter mussten, deren Weg nicht auf der Hälfte der Strecke endete. Warme Winde, sanfte Brisen. Die Zeit flog ebenso dahin wie die Heimkehrer. Inseln, die vorbeizogen. Die Menschen, die sich für kurze Strecken anschlossen, die Heimkehrer begrüßten und die Drachenreiter feierten. Jeder verstrichene Meter, der sie näher an ihr Ziel brachte. Das alles ließ Mimoun immer übermütiger werden. Und es fiel ihm schwer, sich der Geschwindigkeit der Langsameren anzupassen. Wieder einmal musste er sich in Geduld üben. Lächelnd ließ er seine Finger durch die schwarze Mähne des Kindes auf seinem Rücken gleiten, das ihm mit festerem Druck um seinen Hals darauf antwortete, sich fester an ihn schmiegte. Goldenes Licht überzog den Horizont, als sich die Sonne langsam tiefer senkte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es dunkel werden würde. Doch noch ließ das wirkliche Farbspektakel auf sich warten. Aber das war nebensächlich. Das letzte Licht ließ jetzt schon erahnen, was dort vorne wartete. „Es wird eng werden.“, bemerkte Mimoun zu Jayan und spielte damit nicht auf die Zeitspanne bis zur Dunkelheit an. „Ich weiß.“ Kurz huschte ein Lächeln über das Gesicht des Angesprochenen. „Wann wäre das je anders gewesen?“ Ah. Es war soweit. Sie waren entdeckt worden. Na ja. So ein großer Grüner war ja auch schwer zu übersehen. Mimoun lächelte zärtlich und beobachtete den ersten Schemen, der sich in die Luft erhob. Es dauerte nicht lange und weitere folgten. Dhaôma erkannte die Insel ebenfalls, allerdings eher daran, dass Lulanivilay sich plötzlich von allen anderen absetzte. Als er fragte, was los war, erhielt er nur eine knappe Antwort: „Dort kann ich endlich schlafen.“ Schon konnte er die Gestalten erkennen, sah Haru, der sich wirklich anstrengte, der allererste zu sein, der sie begrüßte, aber der Drache ließ den Begrüßenden keine Chance. All seine angeborene Wendigkeit und Magie nutzend schoss er über sie hinweg, der Winddruck zwang sie dazu, sich abzufangen, bevor er mit einem zufriedenen Seufzen zwischen den Kirschbäumen landete, an denen noch nicht ganz reife rote Früchte hingen. So war es ausgerechnet Kitty, die den Magier als erste erreichte und ihm in die Arme flog. Die begleitenden Magier staunten nicht schlecht, dass hier schon ein Magiermädchen lebte. Und noch erstaunter waren sie, dass sie auf dem Rücken ein Kleinkind trug, das wild lachte, quietschte und mit den Stummelflügelchen schlug. Jemand anderes gab seinem Drang nach Geschwindigkeit nicht nach. Mimoun blieb bei den bedauerlichen Nachzüglern und lachte herzhaft über Haru, der so rigoros abgeblockt worden war. Der sich auch nicht so einfach abspeisen lassen wollte und die Verfolgung aufnahm, um doch zu spät zu kommen. Dabei war Dhaôma nicht der einzige Besucher oder Heimkehrer. Was nicht heißen sollte, dass der Rest völlig ignoriert wurde. Nur die Prioritäten des Jungen wurden eindeutig. Schon bald sahen sie sich selbst eingekesselt und freudiges Stimmengewirr mischte sich in das Rauschen der Schwingen. Jadya flog ihrer Schwester in die Arme und griff gleichzeitig nach Rai, wollte auch ihn mit in die Umarmung ziehen, doch dieser konnte ihr gewandt ausweichen. Mimoun hatte selbst plötzlich Gewichte an sich kleben. Dass sein Rücken bereits einen Passagier hatte, störte Elin nicht dabei, sich an seinen Oberkörper zu kletten. Ramon und Dhara mussten sich mit Mimouns Armen begnügen. „Uff.“, war alles, was der Drachenreiter sagen konnte. Und nun doch auf seine Magie zurückgreifen, um ihr zusätzliches Gewicht tragen zu können. Lachen erklang neben ihm. „Die lieben Kleinen. Es gibt wohl Dinge, die ändern sich nie.“ Das Geplapper der so genannten Kleinen erstarb schlagartig, als sie erkannten, wer da gesprochen hatte. „Aber du kannst doch gar nicht wiederkommen.“, platzte Ramon in die eintretende Stille hinein und Jayans Lächeln schwand. Unterdessen wich Kitty Haru aus, als dieser ungebremst in Dhaômas Arme flog. Plötzlich waren da wieder Katzenohren, die sie verschreckt anlegte, während Haru seinen Magier so fest drückte, dass dieser lachen musste. Seine Selbstbeherrschung brach und mit seinem Lachen erblühten um ihn herum die Blumen. Selbst die Kirschbäume bekamen wieder einen weißlichen Schleier. „Immer wenn du kommst, wissen es alle, denn dann blühen die Bäume wieder.“, schmunzelte Oldon, der beschlossen hatte, sich in Geduld zu üben und zu warten, bis die Gäste ankamen. Seine Flügel trugen ihn schon länger nicht mehr richtig. Langsam betrat er den Kirschblütenhain. „Willkommen zurück, Drachenreiter. Es ist schön zu sehen, dass es dir gut geht.“ „Hallo, Oldon, seid gegrüß... Haru, lass mich atmen!“ Wieder lachte Dhaôma, denn der Junge ging ihm durch das lange, ungebundene Haar. „Ich bleibe erstmal, also beruhige dich, ja?“ „Versprochen?“ „Ich denke schon. Wir haben Jayan mitgebracht, also...“ „Echt? Jayan? Wirklich? Naruby, hast du das gehört? Dhaô, du bist spitze! Das ist der zweite Todgeglaubte, den du wieder findest!“ Und erneut drückte der braunhaarige Junge seinen Freund voll Freude, bevor ihn die Neugier überwältigte und er mit einer kurzen Entschuldigung einen Abflug machte. Jayan - das wollte er sehen. „Ihr habt ihn wirklich wieder gefunden?“ Oldon trat näher und bot dem Braunhaarigen etwas zu trinken an, das dieser gerne annahm. „Und offenbar noch ein paar andere.“, stellte er mit einem kurzen Blick auf die Körbe fest, aus denen jetzt die beiden Kinder, Juuro und Genahn kletterten. Letzterer grinste breit ob der Szene und ließ endlich seine kleine Drachin los, damit sie ein bisschen fliegen konnte. „Willkommen bei uns.“, begrüßte der Älteste sie. Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich. Juuro nickte kurz, Flore wurde rot und versteckte sich hinter ihm, Mito verbeugte sich wie ein Edelmann und vor lauter Aufregung ließ er Nebel aus dem Boden steigen, und Genahn ergriff ungeniert die Hand des Hanebito und schüttelte sie ausgiebig. „Mir wurde schon so viel von Euch erzählt, Oldon. Wie Ihr Dhaôma aufgenommen habt und welche großartigen Menschen Ihr und Euere Dorfgemeinschaft seid. Es ist eine große Ehre, Euch endlich einmal persönlich kennen zu lernen.“ Der Alte wirkte einen kleinen Moment verdattert, bevor er vergnügt den Händedruck erwiderte. „Er ist ganz anders als du, Dhaôma.“ Und an den Magier gewandt, fuhr er fort: „Wusstet Ihr, dass Dhaôma sehr schüchtern war, als er das erste Mal zu uns gebracht wurde? Ein verstocktes, verängstigtes Kind.“ „Davon habe ich noch nichts gehört. Ihr müsst mir davon erzählen. Doch zuerst werde ich mich vorstellen…“ Dhaôma rollte mit den Augen und wandte sich ab. Sollten sie doch Unsinn erzählen, wenn es ihnen Spaß machte. War doch beruhigend, dass dort nicht der Hauch von Misstrauen existierte. Ob er es damals auch so hätte machen sollen, fragte er sich und vergaß dabei, dass er es gewesen war, der diese Akzeptanz erst möglich gemacht hatte. Freundlich reichte er seinen Wasserschlauch an Mito weiter, dessen Mund offen stand angesichts dieser plötzlichen Eröffnungen über Dhaômas Leben. Der Held war so anders, als er ihn sich vorgestellt hatte. Und in der Luft testete Mimoun den Satz noch einmal, der schon einmal funktioniert hatte: „Also möchtest du, dass er wieder geht?“ „Nein!“, erscholl es unisono. Bevor der Drachenreiter reagieren konnte, war er zwei Kinder ärmer. Auch musste er aufpassen, dass er nicht von Jayans Seite gedrängt wurde, da sich die Traube um ihn schlagartig vergrößerte. „Lasst ihm Luft.“, verlangte er laut und unnachgiebig. Doch dann fing Mimoun einen Blick seines Schwagers auf. Ganz entspannt. Zwar schwelte tief drinnen noch Furcht, aber die hatte Jayan gut im Griff. Mimoun grinste. Und startete Scheinangriffe, bis sich die Menge zerstreute. „Hört auf ihn aufzuhalten. Jayan hat noch eine wichtige Verabredung.“ Doch kaum war Platz da, kam ein kleiner Blitz angeschossen. Haru. Natürlich. Warum auch nicht. „Du kleine, nervende Kröte.“, fluchte Mimoun, bevor er aber zugreifen konnte, war Aylen da und pflückte ihn von einem zusammengezuckten Jayan runter. „Er ist nicht fit genug, um drei von euch zu tragen.“, erklärte sie streng und hielt den Knirps in ihrer Umarmung fest. Auch die anderen Kinder wurden nach dieser Aussage prompt wieder von Jayan gehoben. Nur wenig später landeten auch endlich die Nachzügler auf der Insel und wurden mit Jubel von den Geduldigen in Empfang genommen. Dhaôma machte sich auf den Weg zu dem Pulk Menschen, um seine Freunde zu begrüßen. Jadya kam ihm schon entgegen und umarmte ihn kurzerhand. „Du siehst wüst aus.“, kommentierte sie lachend. „Dabei sind die Kleider neu.“ Seufzend sah Dhaôma an sich herunter. Es stimmte. Die Seide war schmutzig und an einigen Stellen zerschlissen. Wie gut, dass er Ersatz dabei hatte. Viel. „Deine Haare sind ein Vogelnest.“ „Lass das Mimoun nicht hören. Er mag sie. Ich darf sie nicht schneiden.“ Wieder lachte sie. Es war beinahe das schönste Lachen auf Erden. Kein Wunder, dass sich jeder zu dieser Frau hingezogen fühlte. „Ich denke, du hast unsere Fortschritte schon bewundern dürfen? Silia verlässt sich inzwischen hundertprozentig auf die kleine Katze. Naruby wird grantig, wenn er sie nicht mindestens fünf Stunden täglich bei sich hat.“ „Beeindruckend.“ Irgendwie bekam er immer mehr das Gefühl, dass er irgendetwas falsch gemacht hatte. Warum gelang anderen mit Leichtigkeit, was er nicht schaffen konnte, obwohl er es so gerne wollte? „Erzähl, was ist passiert?“ „Später, sonst nimmt das nie ein Ende. Zuerst einmal, such bitte Silia und bring sie zu Mimoun. Wir haben eine Überraschung dabei, die sie sehr freuen wird.“ Gespielt beleidigt streckte sie ihm die Zunge raus, weil er nichts verraten wollte, aber sie tat ihm den Gefallen gerne und rannte los, um ihre Freundin aus ihrem Haus zu holen, wo sie eigentlich gerade schlief. Immerhin konnte sie es selbst kaum erwarten, Silias Gesicht bei diesem Wiedersehen zu sehen. „Silia.“ Stürmte sie durch die Plane und sah sich um. Ihre Freundin schlief nicht, wie sie vorgehabt hatte, sondern saß im Gemeinschaftsraum, sah aber so aus, als wäre sie geweckt worden. „Sie sind wieder da!“, begann Jadya, wurde durch eine müde Handbewegung und ein Schnauben unterbrochen. „Ich weiß. Nur sie sind in der Lage, solch einen Tumult auszulösen.“, erwiderte die Angesprochene mit einem wehmütigen Lächeln. Jadya hockte sich neben sie und ergriff ihre Hand, wollte sie zum Aufstehen bewegen. „Dann komm sie begrüßen.“ Silia entzog ihre Hand und lehnte sich zurück. „Er wird schon zu mir kommen, wenn er es für richtig hält. Wenn ich jetzt gehe, ruiniere ich nur wieder die Stimmung.“ „Sie haben aber eine Überraschung für dich, also schwing deinen Arsch da raus.“, ließ Jadya nicht locker und ergriff wieder die Hand, diesmal fester und unnachgiebiger. Diesmal wehrte sich ihre Freundin nicht und ließ sich mitziehen. „Eine Überraschung? Was für eine?“ „Wenn ich es dir sage, ist es keine Überraschung mehr.“, grinste Jadya wissend und wischte das Thema ebenso beiseite, wie die Plane, die den Weg nach draußen versperrte. „Außerdem würdest du es mir sowieso nicht glauben.“ Mimoun blieb in Jayans Nähe und wachte mit Argusaugen über ihn, beobachtete jede seiner Reaktionen genau, was schließlich ein unsicheres Lachen von diesem hervorrief. „Sieh mich nicht so an, als wäre ich zerbrechlich. Ich schaff das schon. Hier bin ich doch sicher, nicht wahr?“ „Natürlich.“, mischte sich Aulee ein und trat nun auf den Heimkehrer zu. Während diese zwei sich nun kurz begrüßten und unterhielten, ließ Mimoun seinen Blick schweifen und entdeckte seine Schwester, die gerade von Jadya ins Freie gezogen wurde. „Hierher.“, rief er enthusiastisch und sprang heftig winkend auf und ab. Die Umstehenden machten lachend Platz, um nicht von seinen Armen oder Flügeln getroffen zu werden. Die benötigte Gasse wurde unter weniger Protest freigegeben, als sich die beiden Frauen näherten. Kaum hatte Silia freies Blickfeld, erstarrte sie zur Salzsäule. Unglaube, Verzweiflung, Hoffnung. All diese Gefühle spiegelten sich auf ihrem Gesicht wieder, als sie ihren Gefährten erblickte. Zittrig stand sie da und wagte sich nicht zu bewegen, um die Illusion nicht zu zerstören. Jayan war verunsichert. Da sie sich nicht näher traute, wusste auch er nicht, was er tun sollte. Leise lachend trat Mimoun auf seine Schwester zu und ergriff vorsichtig ihre Hand. Ihr Blick richtete sich auf ihn, als er sie vorsichtig weiter zog. Aufmunternd lächelte er ihr zu. Schritt für Schritt rückwärtsgehend zog er sie mit und näherte sich unaufhaltsam Jayan. Mimouns Blick war weiterhin auf seine Schwester gerichtet und er konnte sehen, wie sich die von Unglaube erfüllten Augen mit Tränen füllten. Als er Jayan hinter sich spürte, griff er blind nach dessen Hand und legte noch immer wortlos und lächelnd ihre in seine. Als wäre ein Bann gebrochen, schluchzte Silia laut auf und klammerte sich wie eine Ertrinkende an Jayans Hals. Keiner von beiden war fähig etwas zu sagen und Mimoun wandte sich zufrieden grinsend ab. „So. Fehlt ja nur noch einer zur Familienzusammenführung. Wo steckt denn das kleine Scheißerchen?“, fragte der Drachenreiter und klatschte einmal in die Hände, während hinter ihm Klatschen und Jubel laut wurde. Es wurde so laut, dass er die Antwort Jadyas nicht verstand und sie lachend ihre Hände an ihren Kopf hob und frei bewegliche Ohren imitierte. Ah. Kitty. Übermütig wie er gerade war, formte er mit seinem Händen einen Trichter vor seinem Mund und rief: „Miez, miez, miez.“ Jadya rollte nur mit den Augen. Als ob das jemals bei Kitty funktioniert hätte. Da mussten sie schon ein wenig Geduld beweisen, bis sie sich zeigte. „Weißt du, sie kommt zuverlässig, kurz bevor Naruby Hunger bekommt. Irgendwie spürt sie das, aber bis dahin können wir nur vermuten, wo sie sich befindet.“, erklärte sie, als man sich wieder verständigen konnte. „Ihr sucht Kitty?“, fragte Juuro, der Dhaôma gefolgt war. „Die ist hinter dem Drachenbaby hergeflitzt. Sah aus, als hätte sie eine neue Freundin gefunden.“ Genahn lachte nur und zuckte bei dem fragenden Blick Dhaômas die Achseln. Woher sollte er wissen, wo sich Kalanij befand? Sie waren nicht verwachsen und bisher war sie immer wieder zurückgekommen, auch ohne dass er sie gerufen hätte. Jadya griff nach seiner und Mimouns Hand und drückte sie fest. „Macht nichts. Ich glaube, auch so ist dieser Moment für die beiden perfekt.“ Ihr Gesicht drückte so viel Wärme und Wohlwollen aus, dass Dhaôma wusste, dass sie Silia endgültig in die Familie aufgenommen hatte. Würde sich zeigen, ob sie mit Jayan wieder in die Hütte ihrer Mutter ziehen würde. Mit einem Nicken sah Mimoun zu dem wieder vereinten Pärchen hinüber, die sich noch immer nicht voneinander gelöst hatten. Beobachtete von vollkommenem Glück durchdrungen, wie die anderen Heimkehrer begrüßt und auch die Gäste in den Trubel integriert wurden. Gäste! „Wir bräuchten ein paar Übernachtungsmöglichkeiten und ich fürchte, das wird in eine groß angelegte Feier ausarten. Habt ihr hier genug Nahrungsmittel?“, wollte Mimoun wissen. Jadya lachte. „Du weißt echt wie man die Stimmung ruiniert. Freu dich doch einfach mal und genieße den Augenblick.“, verlangte sie. „Das tue ich.“, bekräftigte der Drachenreiter und zog die junge Frau in seine Arme. „Ich freu mich wirklich, wieder hier zu sein. Ich freu mich, dass Jayan lebt und wieder hier ist. Ich freue mich, dass Aylen und Rai und der ganze Rest wohlbehalten aus den Kämpfen herausgekommen sind. Ich war selten glücklicher.“ Sein Blick fiel auf Dhaôma und er streckte die Hand aus, um auch ihn mit in die Umarmung zu ziehen. Und trotzdem musste er sich um alles kümmern. Lächelnd ließ Dhaôma es über sich ergehen. Elin kam und stellte sich zu den dreien, dann kamen Haru und Ramon, gefolgt von Dhara. Die Kinder waren erstaunlich ruhig und die Freude der Erwachsenen beeindruckte sie so sehr, dass sie sogar still waren. Wenigstens einige Zeit. Haru hatte Mito entdeckt. Sein Gesicht begann zu strahlen. Mito war viel jünger als er, das hieß, er war der ältere. Ein großer Bruder, sozusagen! „Komm, ich zeige dir die Insel!“ Verunsichert wollte Mito sich verstecken, suchte Hilfe bei Dhaôma, der nur lächelte. „Keine Angst. Haru und seine Freunde sind sehr nett.“ Er hielt die Kinder einen Moment auf. „Wenn ihr mit ihm spielt, seid vorsichtig. Er kann seine Magie schlecht kontrollieren. Es kann sein, dass ihr nass werdet.“ „Was ist so schlimm daran?“ „Fragt das ihn. Er hat Angst, euch damit zu belästigen.“ „Unsinn. Komm, wir zeigen dir die Insel.“ Und schon zog Haru den Magierjungen mit sich. Elin krallte sich Flore und folge ihm und Ramon. Was sie zu dem verschüchterten Halbling sagte, verstand Dhaôma nicht, aber in diese Kinder hatte er ein schier endloses Vertrauen. „Jetzt sind zumindest die Kinder aufgehoben.“, kommentierte er, als auch Dhara sich eine Hand schnappte und den schwarzhaarigen Jungen, der zuvor auf Mimouns Rücken geritten war, mitzog. Troll war ihr gegenüber gar nicht schüchtern. Zum ersten Mal seit langer Zeit lachte er ausgelassen. Wenig später saßen alle auf dem Platz in der Mitte des Dorfes und lauschten den Geschichten, die die Reisenden erzählten. Selbst Oldon und Genahn hatten sich voneinander lösen und aus ihrem Gespräch holen lassen. Die beiden verstanden sich von Anfang an blendend. Es löste Entsetzen aus, was den Gefangenen zugestoßen war, und Silias Hand schloss sich fest und zitternd um die ihres Todgeglaubten. Was er erlitten hatte, machte sie wütend und schmerzte sie. Erstaunlicherweise hatte sie mit keiner Wimper darauf reagiert, dass Dhaôma sich wie gewöhnlich gegen Mimoun lehnte, während die starken Arme seinen Bauch umfingen. Sie hatte nicht einmal darauf bestanden, Kitty suchen zu gehen, um Naruby vorzustellen. Vermutlich wusste sie, dass es keinen Sinn machte. Die Katze war wie vom Erdboden verschluckt. Xairas Tod löste Bedauern aus. Zwar hatte sie kaum keiner persönlich gekannt, aber die meisten wussten inzwischen, dass sie es gewesen war, die den beiden Drachenreitern geholfen hatte, zueinander zu finden. Und dann tauchte plötzlich Kalanij wieder auf. Auf ihren Fersen folgte Kitty, die ihr wohl die kleine Schleife um den Hals gebunden hatte. Die folgende Szene war einfach süß. Silia rief das Kind und sofort erstarrte sie. Die grünen Augen wurden flehend, doch als die Mutter nichts sagte, traurig. Selbst die Ohren hingen herunter, als sie die Tragegurte löste, Naruby von ihrem Rücken hob und ihn dann der Geflügelten übergab. Das Kind war verwirrt und quäkte. Und Kitty warf einen kurzen Blick zu ihrer Ziehmutter, bevor sie zu Dhaôma ging und sich - wieder zur Katze geworden - auf dessen Schoß zusammenrollte. Das Drachenkind hatte das recht neugierig beobachtet und trollte sich jetzt auch wieder zu ihrem Seelenpartner. Das Spiel war wohl vorbei. Während Jayan jetzt also seinen Sohn kennen lernte und das ganze Dorf dieser herzigen Szene Aufmerksamkeit schenkte, kraulte Dhaôma Kittys Kopf. Sie war klüger geworden. Und viel tapferer. Mimoun beobachtete die Katze und schob mit diebischem Grinsen einen Finger zwischen Dhaômas kraulende. Kurz berührte er das weiche Fell zwischen den Ohren, bevor er seine Hände wieder in Sicherheit am Bauch seines Magiers platzierte. Die Ohren zuckten aufmerksam, aber der scheinheilige Übeltäter war mit seiner Aufmerksamkeit schon wieder ganz woanders. Er ließ sich berieseln von den Gerüchen und Geräuschen um ihn herum. Ließ sich von der Herzlichkeit, Wärme und Geselligkeit der Menschen um ihn herum einhüllen. Es gab kaum etwas, was er dazu beitrug. Mimoun ließ andere erzählen, warf nur selten etwas dazwischen. Seine Scherze mit den alten Freunden waren herzlich wie immer und doch hatte er das Gefühl, dass etwas nicht mehr so war wie früher. Was war geschehen? Und was war dieses Gefühl? Inmitten seines Heimatdorfes fühlte Mimoun sich geborgen und beschützt. Und trotzdem hatte der Drachenreiter das leise Gefühl, nicht mehr Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Je länger er weg blieb, mit jedem weiteren Besuch an seinem Geburtsort kam er sich mehr und mehr wie ein Gast vor. Den sanften Stups von Jadya in seine Rippen und ihren fragenden Blick beantwortete er mit einem ausgelassenen Lachen. Seine derzeitigen Gedanken gehörten nun wirklich nicht hierher. Nach und nach zogen sich Dorfmitglieder und Gäste zurück. Silia nahm einen kleinen Umweg und strich ihrem Bruder kurz über den Kopf, bevor sie sich mit ihrer nun wiedervereinten Familie zurückzog. Wenig später streunten die beiden Drachenreiter davon, um an Lulanivilays Seite die Nacht zu verbringen. Mimoun fühlte den mächtigen Herzschlag des großen Drachens unter seiner Haut, als er sich an seine Flanke lehnte. Er spürte Dhaômas Wärme, als dieser sich an ihn kuschelte, und Tyiasurs angenehme Kühle, der sich zwischen ihnen zusammenrollte. Nachdenklich glitten seine Finger über die blauen Schuppen. Und mit einem zufriedenen Lächeln und einem sanften Schnauben schloss er die Augen. Ja. Hier gehörte er nun hin. ................. Die sind schon witzig die beiden. Heim ist da, wo der andere ist. Das macht es natürlich einfacher, wenn man reist, denn man nimmt seinen Zugehörigkeitsort einfach mit. Wie so n Einsiedlerkrebs, nur dass weder Mimoun noch Dhao ein Haus mit sich rumtragen. Nun, Dhao kann eins wachsen lassen, aber... Ah, ihr wisst, was ich meine. Hirn ist flüssig von Schnupfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)