Der Weg aus dem Kampf von Shirokko (Wenn Träume Berge versetzen) ================================================================================ Kapitel 63: Sie wachsen so schnell ---------------------------------- Kapitel 63 Sie wachsen so schnell… Die Beschleunigung des Drachens kam so überraschend, dass Mimoun zurückgefallen war. Nur mit Mühe hatte er dafür sorgen können, dass der Abstand nicht noch größer werden konnte. Lachend landete der Geflügelte auf der Insel. Dieser Drache mit seiner unbedarften Geradlinigkeit war einfach herzerfrischend. „Ihr seid wieder da.“ Ein Anprall auf Höhe seiner Körpermitte zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Mimoun kam gar nicht dazu zu antworten, denn Amar flatterte weiter und auf Dhaôma zu und sprang ihm in die Arme. „Und ihr habt noch jemanden zum Spielen mitgebracht.“ Der Junge kuschelte sich an den Freund. „Ich bin gut, nicht wahr? Nur weil ich mit ihm geschimpft habe, ist Mimoun den Winter über bei dir geblieben.“ Derweil versuchte Leoni den riesigen Drachenkopf beiseite zu schieben, um nach draußen zu gelangen. Lulanivilay zog sich zurück, denn er hatte die Kleine gesehen. Sie schlief. Wie blöd war das denn? Sollte er sich jetzt etwa gedulden? Und Dhaôma knuddelte seinen kleinen Freund durch. Seinen Armen konnte er nicht so einfach entkommen wie Mimouns, denn seine Stimme hatte ihn vorgewarnt. Er freute sich riesig, ihn wieder zu sehen. „Ja, das war toll.“, flüsterte er. Umso fester wurde die Umarmung erwidert. Nach und nach kamen mehr Leute aus ihren Häusern und auch die Halblinge kletterten aus ihren Körben. Leoni umarmte den schwarzhaarigen Freund zur Begrüßung und Asam schloss sich kurzerhand an, seine Frau einfach mit umarmend. „Wir hatten gar nicht so bald wieder mit euch gerechnet.“, merkte Karo an, die wartete, bis sie an der Reihe war. „Sollen wir wieder gehen?“, fragte Mimoun spaßhaft und bekam sofort von mehreren Seiten vehemente Gegenargumente. Asam war da schon entschiedener bei der Sache und hängte sich mit seinem ganzen Gewicht an den Drachenreiter. „Hast du etwa versucht zu trainieren?“, lachte Mimoun über diese Bemühungen und half Leoni, sich herauszuwinden. Nicht dass sie noch zerquetscht wurde. „Es war Winter. Ich hatte Wichtigeres zu tun.“ Das junge Ratsmitglied klopfte seinem Freund gegen die Brust. „Aber mal im Ernst. Du sammelst auch Kuriositäten. Wen habt ihr uns denn diesmal mitgebracht?“ Magier, Drachen, Halblinge. Zwar hatte Asam Recht, aber er fing sich dennoch einen schmerzhaften Ellenbogenstoß ein. Der Reihe nach stellte Mimoun die Halblinge vor und wollte mit dem Prozedere schon in die andere Richtung anfangen, als ihm Asam zuvorkam. „Mein Name ist Asam Maral und ich heiße Euch herzlich willkommen in unserem bescheidenen Dorf.“ Dhaôma rutschte endlich auch von Lulanivilays Rücken herunter und setzte den Jungen ab. Es war so wunderbar, endlich wieder hier zu sein. Es wurde noch deutlicher, als auch die anderen Kinder zu ihm liefen und ihn umarmten. Zum Glück übernahm Mimoun das Vorstellen der Halblinge, denn er hatte einfach alle Hände voll zu tun. Bis ihm etwas einfiel. „Was ist mit Addar? Geht es ihm gut?“ „Er ist im Haus.“, antwortete Leoni und schlug sich zu ihm durch, um ihn doch endlich in die Arme zu schließen. „Wahrscheinlich schläft er grad. Er hat es sich zur Gewohnheit werden lassen, mit den beiden Wirbelwinden Mittagschlaf zu halten.“ „Und das hier…“, wurde an Leoni gezogen. „…ist meine wunderbare, strahlendschöne Frau Leoni.“, grinste er die Halblinge an, bevor diese zu Wort kommen oder etwas auf die formellen Worte erwidern konnten. „Sie ist die Mutter der beiden süßesten Kinder der Welt, aber leider schlafen sie zur Zeit. Sobald sie wach sind, stelle ich sie euch vor.“ Leoni rollte mit den Augen und lächelte liebevoll. „Willkommen. Wir haben schon von euch gehört. Ich war sehr erstaunt, als ich davon hörte, dass die beiden Rumtreiber ein weiteres Volk entdeckt haben. Ich freue mich, euch kennen zu lernen.“ Xaira machte eine rituelle Verbeugung. „Ganz meinerseits.“ Und bevor Amar etwas sagen konnte, hielt ihm Dhaôma den Mund zu. „Keine Frechheiten heute.“, sagte er bestimmt und wurde mit kullerrunden blauen Augen konfrontiert. „Diese Frage wirst du nicht stellen.“ „Aber du weißt doch gar nicht, welche ich stellen wollte.“ „Es steht dir ins Gesicht geschrieben, also halt dich einfach zurück, bis sie von sich aus erzählen.“ Schmollend verschränkte Amar die Arme vor der Brust. „Langweilig.“, maulte er. Seine beiden Cousinen lachten ihn dafür aus. Das war enttäuschend. Mimoun konnte seinen Winzling nicht begrüßen. Also wandte er sich Leoni zu. „Was heißt hier Rumtreiber. Das heißt Wanderer auf Friedensmission.“, korrigierte er die blonde Frau. Juuro war mit dem sich wellenförmig ausbreitenden Chaos überfordert, denn immer mehr drängelten sich nach vorne, um die vier zu begrüßen und einen Blick auf die Fremden zu erhaschen. Er drehte sich um und begann den Drachen von seiner Last zu befreien. Die Tasche mit der gut versteckten Katze wollte er in einem der Körbe sicher verstauen, als eines der Kinder bereits in dem Ding herumturnte und sich das komische Gebilde genauer betrachtete. „Wohin?“, fragte er an die zwei bekannten Gestalten, die sich hier besser auskennen würden als er, und hielt die Tasche ein wenig höher. Da er besonders behutsam damit umging, hatte er schnell die Aufmerksamkeit des Kindes. „Was ist da drin?“ Und schon angelte es nach der Tasche. Mimoun schritt ein und klemmte sich den kleinen Rabauken verkehrt herum unter den Arm. „Ein weiterer Reisegefährte, sehr scheu und kratzbürstig.“, erklärte er knapp und tauschte Tasche gegen Kind. „Wo bringen wir dich am besten unter?“ „Gib sie mir.“, schlug Dhaôma vor und drängte sich zu seinem Freund durch, aber es war schon zu spät. Ein Fauchen erklang, als Yuri neugierig an der Tasche zupfte, die Tasche wackelte und heraus quetschte sich die kleine Katze. Ein einziger Blick in die Runde genügte, um sie auf die doppelte Größe anwachsen zu lassen, weil sich ihr komplettes Fell sträubte. Im nächsten Moment saß sie auf dem Dach, der Schwanz zuckte unruhig, die Augen glommen ungut als Warnung, dass ihr jemand zu nahe kam. „Das wäre zu vermeiden gewesen, wenn ihr auch nur einmal auf das hören würdet, was wir sagen.“, bemerkte Dhaôma seufzend. Er hätte Kitty zu gerne beruhigt, aber es war einfach besser, wenn man sie erst einmal in Ruhe ließ. „Lasst sie bitte in Frieden. Sie kommt schon, wenn sie möchte.“ Die Kinder sahen ihn alle an, als würde er sie foltern, aber eins nach dem anderen gab widerwillig seine Zustimmung. „Wie immer ist hier Chaos, wenn ihr ankommt.“, bemerkte da eine äußerst bekannte Stimme vom Eingang. Dort stand in Felle gehüllt und gebeugt der älteste Mann, den sie je gesehen hatten. „Addar!“, jubelte Dhaôma. „Es ist wunderbar, Euch wieder zu sehen.“ „Glaube ich dir aufs Wort. Aber wenn ich ehrlich bin, wundert es mich, euch überhaupt zu sehen. Wolltet ihr nicht zu den Magiern?“ „Doch, wollten wir. Aber wir haben Neuigkeiten und müssen mit dem Hohen Rat sprechen. Und die Magier waren viel zu nahe dran, die Drachen zu erlegen, deswegen…“ „Halt!“ Schmunzelnd schüttelte der Alte den Kopf. Wie immer viel zu viele Informationen auf einmal wenn man ihn ansprach. „Erzähl das später in Ruhe. Zuerst einmal gibt es Wichtigeres.“ Er wandte sich an seine Gäste. „Ihr seht alle erfroren aus. Kommt herein. Hier ist es schön warm. Wir haben sogar Tee.“ Ehrerbietig neigten die drei Halblinge den Kopf vor diesem Mann. Er strahlte eine größere Weisheit aus als Thenra. „Es tut mir Leid Leute, aber die Geschichten werden warten müssen. Unsere Gäste sind müde und hungrig, deshalb geduldet euch bitte mit der Begrüßung noch ein wenig. Lulanivilay, wir haben seit deiner Abreise eine Unterkunft für dich gebaut. Es wäre uns eine Ehre, wenn du sie nutzen würdest.“ „Au klasse!“, rief Amar. „Los, komm, Lulanivilay! Ich bring dich hin, dann kann ich auch gleich Feuer machen.“ Karo seufzte leise. Ihr Kind war ein Pyromane geworden, seit er seine Hände an die Feuersteine gelegt hatte. „Ich werde ihn begleiten und dafür sorgen, dass es nicht zu einer Katastrophe wird.“, bot sie an. „Er ist zum Glück kein Magier. Das wäre zur Katastrophe geworden.“, merkte Mimoun an und dachte an die Feuersäule, die Tokan mit Lulanivilays Hilfe heraufbeschworen hatte. Er bemerkte Tyiasur, der unschlüssig zwischen dem sich entfernenden Drachen und dem Magier hin und her sah. Man sah seinen Zwiespalt. Einerseits wollte er den zu erwartenden Kinderhänden entkommen, andererseits musste er auf Dhaôma aufpassen. „Oh je.“, lachte Mimoun leicht und kraulte das Kinn des kleinen Blauen. Ohne ein weiteres Wort gesagt zu haben, ohne überhaupt versucht zu haben, ihn zu überreden, kletterte Tyiasur auf Mimouns Schulter und machte sich klein. „Bis später.“, winkte er denen zu, die draußen bleiben mussten und schlüpfte in die Hütte. Es war wirklich wärmer hier drin und schnell entdeckte er die Quelle. Ein sanftes, liebevolles Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er sich ganz leise neben die beiden Kleinen hockte. Fiamma bewegte sich unruhig. Wahrscheinlich würde es nicht mehr lange dauern und sie würde erwachen. Sie spürte wohl den Trubel um sie herum, obwohl man versuchte, leise zu sein. Genauso leise setzte sich Dhaôma daneben. Es war herzergreifend, sie so schlafen zu sehen. Ruhig, lieb, brav. Er hatte sie wirklich vermisst. „Wow.“, flüsterte Xaira und machte große Augen. Niemals hatte sie auch nur einen von ihnen so gucken sehen. Das, was der Magier gezeigt hatte, wenn er von ihr erzählte, war nur ein Bruchteil von dem hier gewesen. Seren schlug die Augen auf, blinzelte Dhaôma an und runzelte die Stirn. Schon setzte sie dazu an zu schreien, da strichen weiche Magierfinger über ihre Wange, die Wangen Dhaôma leuchteten blass blau, und sie beruhigte sich wieder. Stattdessen streckte sie ihm ihre Ärmchen entgegen. „Wenn du sie nicht nimmst, schreit sie.“, klärte ihn Leoni auf. „Wenn du sie nimmst, schreit Fiamma. Mimoun, ich verlasse mich auf dich.“ Sie lachte hell und schenkte Tee ein, während Janna etwas zu Essen auftrieb. Liebevoll nahm Dhaôma die kleine Hanebito in den Arm, was sie begeisterte, einfach, weil sie an Haare herankam. Und wirklich regte sich nicht einmal eine halbe Sekunde später ihre Schwester und in der Hütte wurde es ein klein wenig wärmer. Sofort glitten Mimouns Hände unter ihren Körper und hoben das kurzzeitig verdutzt guckende Kind hoch. Sie war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie schreien sollte. „Hallo, Winzling.“, flüsterte er zärtlich und drückte sie an seine Brust. Erstaunt stellte er fest, dass sie schon wieder gewachsen war. „Bei dir verpasst man wirklich eine Menge, wenn man einmal wegguckt.“ Tyiasur wurde bewusst, dass es besser war, zu fliehen. Doch dieser Gedanke streifte ihn einen Augenblick zu spät. Eine winzige blasse Hand landete auf seiner Nase. „Drache.“, quietschte die kleine Magierin begeistert, umfasst die Schnauze mit beidem Händen und schmatzte Tyiasur ab. Verblüfft blinzelte Mimoun und begann zu lachen. „Also wirklich.“ Sanft wuschelte er ihr durch die blonden Löckchen. „Du bist ein kleiner Frechdachs.“ Asam umarmte seine Frau und betrachtete seine beiden Töchter, die inzwischen bei jedem fremdelten, nur bei diesen beiden nicht. Es war einfach unglaublich. „Heute wäre der perfekte Tag, einen Ausflug nur für uns Zwei zu starten.“, träumte er. „Aber dann würden wir alles Wichtige und Spannende verpassen, also wird daraus wohl leider nichts.“ Sie gab ihm einen leichten Rippenstüber und drückte ihm den Schöpflöffel in die Hand. „Mach du das mit dem Tee, dann bereite ich Essen für die Wirbelwinde vor.“ Janna bot den Halblingen etwas zu Essen an, nachdem sie sich vorgestellt hatte. Sie war es auch, die erklärte, dass Fiamma ein Adoptivkind war und die beiden sozusagen ihre Väter. Dass sie es bereits wussten, verwunderte sie keineswegs, aber sie grinste breit und fügte hinzu, dass es hier nicht unüblich war, Dhaôma als Mama zu bezeichnen. Als es ans Füttern ging, übernahm Leoni die Magierin wieder selbst, denn ihre Spielchen mit dem Essen führten regelmäßig zu matschigen Katastrophen, die sie ihren Gästen nicht antun wollte. Spätestens als der erste Löffel in ihrem Gesicht landete, war klar, was sie meinte. Immerhin hatte Mimoun dann wieder beide Hände frei zum Essen. Amar und seine Mutter kehrten zurück, als sie gerade anfangen wollten. Der Junge flog zwischen Dhaôma und Asam und war dort auch nicht wieder wegzubewegen. Er erzählte strahlend, dass er nur einen Versuch gebraucht hatte, das Feuer zu entfachen. Dann kam das Thema auf die Reise zu sprechen und die Halblinge erzählten ihre Geschichte ein weiteres Mal. Zusehends wurde es ungemütlicher am Tisch, bis Asam wutentbrannt seinen Teller auf den Tisch feuerte. „Wie können sie es wagen!“, explodierte er und Seren begann zu weinen. „Liebling.“, versuchte Leoni einzugreifen, aber diesmal war es unnütz. Asam war einfach stinksauer. „Ich kann nicht fassen, dass so etwas wirklich passiert! Magier sind Monster? Von wegen! Gegen diese Bestien sind sie nichts!“ „Asam!“, wies ihn Addar zurecht und warf einen schnellen Blick zu Dhaôma, der allerdings nur Seren zu beruhigen versuchte. Mimoun daneben hatte seine Tochter auch wieder im Arm und keiner schien sich daran zu stören. „So etwas wirst du als Anführer unseres Volkes und Vater von Fiamma nie wieder sagen!“ Der Blonde murrte etwas, aber er nickte und riss sich zusammen. „Ich will das nicht glauben. Das ist einfach ungeheuerlich!“ „Aber deswegen sind wir hier.“, meldete sich Dhaôma zu Wort. „Wir wollen, dass der Rat davon erfährt und wir mit ihm weitere Schritte absprechen können. Es wäre wichtig, Waffenstillstand zu erreichen, wenn wir gegen die Rädelsführer vorgehen wollen, ohne große Verluste zu verzeichnen.“ Addar nickte zufrieden. „Du hast dazu gelernt.“, bemerkte er, was Dhaôma vor Freude erröten lies. „Bei weitem noch nicht genug. Beim letzten Angriff sind wir einfach weggelaufen.“ „Weise Entscheidung, wenn du mich fragst.“, mischte sich Juuro ein und Xaira schilderte daraufhin den Vorfall. Das wiederum führte unweigerlich zu der Frage, warum, und einer knappen Antwort seitens Dhaôma, dass ihn sein Bruder vernichten wollte. Bestürzung wollte greifen, aber der Braunhaarige wischte sie schlichtweg beiseite, indem er erklärte, dass er das nicht so schlimm fand, weil sich im Grunde nichts geändert hätte. Er würde Radarr schon zur Vernunft bringen. Grüne Augen waren starr auf die kleine Magierin gerichtet. Seine Finger spielten mit ihren Händen. Nur langsam schlich sich sein Lächeln zurück. Er hatte auf einen gemütlichen Tag des Ankommens gehofft. Ein Tag ohne Nachdenken und Verpflichtung. Ohne Krieg und schlechte Nachrichten. „Nicht mehr lange, dann wird jeder Tag so sein.“, versprach Mimoun leise dem Kind, das ihn kaum beachtete, sondern wieder Tyiasur zu erlangen versuchte. Das kleine Mädchen entwand sich hartnäckig seinem Griff und tapste dem fliehenden Kaltblüter hinterher. Mimouns Blick glitt über die versammelten Familienmitglieder. Die Kinder waren verstört, obwohl nicht klar war, ob sie überhaupt die ganze Tragweite des hier Gehörten begriffen hatten. Früher hatte Addar besser darauf geachtet, dass der Nachwuchs nicht mit solchen Themen in Berührung kam. Seine Hand suchte den Nacken seines Freundes und begann ihn zärtlich zu kraulen. Nach allem, was bisher geschehen war, was er gehört und gesehen hatte, war sich Mimoun nicht sicher, ob sich dieser Kerl zur Vernunft bringen ließ. Dennoch schenkte er Dhaôma ein aufmunterndes Lächeln. Der Abend wurde trotz all der schlechten Nachrichten gesellig. Es musste nicht extra erwähnt werden, aber allen war klar, dass man noch am nächsten Tag die Vorbereitungen für eine Ratsversammlung treffen würde. Dort würde man erneut ihrer Geschichte lauschen und über das weitere Vorgehen beraten. Leoni und ihr Gefährte hatten diese Nacht seit langem mal wieder Zeit für sich, denn die Kleinsten konnten ruhigen Gewissens an Dhaôma und Mimoun weitergegeben werden, die beinahe schon traditionell Unterschlupf unter diesem Dach fanden. Die Halblinge fanden unter Entschuldigungen ein Nachtquartier in einer der anderen Hütten. Zufrieden kuschelte sich Mimoun an seine Familie. Schlafen konnte er aber nicht, sondern streichelte die kleinen Mädchen und versuchte sich jede Einzelheit von ihnen einzuprägen. Sie wurden so schnell groß. Und er verpasste die vielleicht wichtigsten Jahre. „Nicht mehr lange.“, flüsterte er erneut. Dhaôma war schon an der Schwelle zum Einschlafen, als er die Worte hörte. „Nicht mehr lange was?“ Verschlafen zwang er seine Augen wieder auf. „Was hast du gesagt?“ Er war hundemüde, nachdem er sich noch einmal um Addar gekümmert hatte. „Nicht mehr lange und ich kann meinen Winzling aufwachsen sehen. Wir verpassen so viel von dem, was sie lernt.“ Lächelnd blieb seine Hand auf Serens Bauch liegen, die eine von Dhaômas Strähnen fest umklammert hielt. „Sie werden so schnell groß.“ „Aso.“, murmelte er und kuschelte sich näher, ein glückliches Lächeln auf dem Gesicht. Seine Lippen bewegten sich noch ein wenig, aber er hatte vergessen, seine Stimme auch fließen zu lassen, als er ins Traumland hinüberwechselte. Irgendwann kam Kitty dazu und kuschelte sich in Dhaômas Kniekehlen, so weit weg von möglichen anderen wie sie konnte. Lange vor Morgengrauen war sie wieder verschwunden. Oh, wie hatte er diesen Weckdienst vermisst. Kleinkinder, die lautstark den Mangel an Aufmerksamkeit ihnen gegenüber kundtaten, und ein flinker Wirbelwind, der durch die Plane fegte und sich auf Dhaôma warf. „Los kommt. Wir müssen viel nachholen.“, forderte Amar energisch, die Kleinen ignorierend. Dafür war Mimoun fürsorglicher. Er strafte den Jungen mit einem bösen Blick und nahm beide Mädchen auf den Arm, nachdem er sich selbst aufgesetzt hatte. Sanft sprach er auf sie ein und verteilte leichte Küsschen auf blonde Haare. Wie erwartet brachte es gar nichts. Lachend schüttelte Dhaôma den Kopf. „Du weißt doch, Hunger tut weh. Nimm ihnen die Schmerzen und sie lassen sich beruhigen.“ Unheimlich froh drückte er seine Nase gegen Mimouns Hals, dicht unter dem Ohr, wo die Haut weicher war, dann wirbelte er hoch. „Und jetzt, Amar, werden wir Frühstück für alle vorbereiten. Ich bin mir sicher, sie freuen sich darüber. Du darfst auch wählen, welches Gemüse oder Obst du haben willst.“ „Kirschen!“, jubelte der Junge. „Wenn ich das mache, ist der Baum so gut wie tot. Er braucht Wärme, um weiterleben zu können, die hat er zur Zeit einfach nicht.“ Enttäuscht versuchte das Kind es mit dem Schmollblick, woraufhin Dhaôma ihn sich unter den Arm klemmte und Mimoun kurz winkte. „Na los, kleiner Feuerteufel, mach das Feuer wieder an und setz Wasser auf. Wenn alle Arbeit getan ist, werden wir spielen.“ „Das können doch die anderen machen.“ „Aber es macht doch Spaß, etwas dafür zu tun, dass andere lächeln.“ Das gab ihm zu denken. Ja, er mochte es, wenn alle glücklich waren. War es da wirklich so ein großes Opfer, wenn er ein bisschen Frühstück machte? „Sofort, Mama!“ Und schon wetzte er davon, um Wasser zu holen, während Dhaôma nur gespielt seine Faust schütteln konnte. Hinterherrufen kam nicht in Frage, schließlich würden sonst alle wach werden. Sein Beutelchen mit Samen lag neben dem Eingang, wo er ihn mit seiner Magie nicht zerstören konnte. Er sammelte ein paar Samen daraus hervor, dann machte er sich auf den Weg nach draußen. Seine Handlungen waren routiniert, sein Geist vier Meter weiter bei Mimoun, der die Kinder ruhig zu halten versuchte. Gestern hatte er gesehen, wo die Fleischsuppe aufbewahrt wurde, die die Kinder bekamen, also ließ er seine Magie ein wenig zu schnell wirken, um Mimoun schnell helfen zu können. Kitty kam und maunzte ihn kläglich an, was ihn zum Lachen brachte. „Du hast auch Hunger?“, fragte er leise. „Ich schaue gleich mal, ob du ein wenig haben kannst.“ Sie folgte ihm ins Haus und prallte vor dem Weinen zurück. Ihre Ohren legten sich an. „Hey, Kitty, kein Streit. Sie haben nur Hunger.“ Dann nahm er die Blase, in der die Suppe war, eine Schale und einen kleinen Brocken Fleisch, bevor er damit zu Mimoun zurückkehrte. „Was glaubst du, schaffst du beide oder soll ich dir helfen? Amar kümmert sich um das Frühstück.“ Kitty gab er das Fleisch, mit dem sie sich davonmachte, dann nahm er Mimoun eines der Kinder ab. Fiamma überließ er Mimoun. Der hatte mehr Erfahrung mit störrischen, spielenden Kindern. Und siehe da, das Schreien brach ab, sobald der erste Löffel im Mund verschwand. Seren sperrte brav den Schnabel auf. Fiamma dagegen griff nach dem Löffel und zog kräftig daran, um ihn schneller zu bekommen. Allein durch den Schwung landete die Hälfte davon auf Mimoun und ihr. „Feuer ist an, Wasser wird warm.“, teilte Amar mit. „Essen eure Freunde auch wieder hier?“ „Ich denke schon.“, antwortete Dhaôma sanft. Und als die Plane wieder an ihrem Platz hing, sah er zu Mimoun hinüber. „Es dauert ein paar Tage, bis der Rat zusammengerufen ist.“, begann er schwerfällig aber entschlossen. „Können wir zu Silia fliegen und sehen, ob sie gesund ist? Es bedrückt mich, dass wir das Versprechen nicht haben halten können.“ Mimouns Kopf ruckte hoch und spiegelte eine Mischung aus Unglauben und unbändiger Freude auf dem Gesicht wider. So sehr hatte er sich bemüht, Dhaôma die für ihn unangenehme Frau nicht zu erwähnen und er sprach dieses Thema von alleine an. Fiamma nutzte die Unachtsamkeit ihres Aufpassers aus, lehnte sich vor und angelte mit ihren kurzen Ärmchen nach der Schüssel. Nur knapp konnte eine Überschwemmungskatastrophe verhindert werden. „Kleiner Frechdachs.“, lachte er auf, bevor er sich wieder darauf konzentrierte, dem Kind die Suppe einzuflößen. Seine Gedanken waren aber nicht völlig auf sie konzentriert, da eine Frage im Raum stand, die beantwortet werden musste, und so ging noch einiges daneben. „Es war ein Versprechen, das ich gegeben habe. Du musst dich deswegen nicht schlecht fühlen. Ihr seid jetzt meine Familie. Ihr geht vor. Aber…“ Ein kurzes wehmütiges Lächeln huschte über das Gesicht des Geflügelten und seine Stimme war nur noch schwer hörbar. „…ich würde gerne bei ihr vorbeischauen.“ „Dann sollten wir das machen. Du weißt nie, was passiert, vielleicht ist das die letzte Gelegenheit. Und ich werde mitkommen. Wenn sie mich immer noch nicht sehen will, ziehe ich für die Tage bei Jadya oder Haru ein. Und wenn die Versammlung stattfindet, fliegen wir einfach von dort direkt dorthin.“ Dann runzelte er die Stirn. „Allerdings müsste ich wohl Lulanivilay fragen, ob er lieber hier bliebe. Hier hat er einen Unterstand und Fiamma. Und die Halblinge müssen mit zum Hohen Rat, da könnte er sie besser tragen als die Hanebito.“ Ah, Planen war einfach nicht seine große Stärke. Da zerbrach einem viel zu schnell der Kopf, weil so viele Eventualitäten abzudecken waren. „Oder je nachdem, wie lange es braucht, können ich und Lulanivilay auch nur für einen Tag bleiben, denn eigentlich würde ich auch gerne noch ein wenig bei Fiamma und Leoni sein, bevor wir wieder zu den Magiern fliegen.“ „Lulanivilay bleibt hier.“, bestimmte Mimoun ernst. „Es ist immer noch sehr kalt. Er wird Fiamma brauchen und eine Reise kommt für sie derzeit nicht in Frage. Außerdem muss sie Addar auf seinem Flug unterstützen.“ Welch Wunder. Einen Bissen ohne große Alberei. „Aber bist du dir wirklich sicher, dass du mitkommen möchtest? Ich meine, es gibt für dich keinen Grund, dort zu sein. Zwar möchten dich die Plagen wieder sehen, aber das ließe sich auch einrichten, wenn es wieder wärmer ist. Dann kannst du Haru mit Himbeeren glücklich machen.“ Die Plane wurde zurückgeschlagen und Leoni kam in den Raum. Lachend nahm sie das von Fiamma verursachte Chaos zur Kenntnis. „Läuft wohl nicht so gut?“, kicherte sie und Mimoun hob bezeichnend den verschmierten Arm. „Es wird. Alles eine Frage der Übung.“, grinste er zurück. Dhaôma schwieg. Er wollte mit. Das hatte zwei Ursachen: er hatte es Haru und den anderen versprochen und er wollte nicht ohne Mimoun sein. Seit dem letzten Mal schwelte in ihm unterschwellig die Angst, dass das Schicksal es mit ihnen nicht so gut meinte. Wenn er sich erinnerte, wie oft einer von ihnen lebensgefährlich verletzt worden war, dann war es ein schieres Wunder, dass sie noch lebten. Aber Mimoun klang so, als wolle er alleine gehen. Er sagte ja, es gäbe keinen Grund. „Ihr gebt ein niedliches Bild ab.“, sagte Leoni verschmitzt. Sie brachte Dhaôma damit zum Lächeln. „Dhaôma, ich bin fertig mit Essen machen. Können wir jetzt spielen?“ „Aber absolut nicht. Weck die anderen. Nach dem Essen könnt ihr spielen.“ Und als Amar strahlend nachfragte, ob er sie wirklich wecken durfte, da musste sie lachen. „Wirklich…“, schüttelte sie den Kopf, als der Junge verschwand und man lautes Gebrüll im Haus hören konnte, mit dem er alle zu wecken gedachte. „Seit du wieder da bist, ist er so fügsam. Wie machst du das?“ Jetzt wirklich lachend zuckte Dhaôma die Schultern. „Keine Ahnung.“ „Na, wie auch immer. Kommt auch essen, ja?“ Und in diesem Moment stob Amar durch die Eingangstür davon. „Wo will er denn hin?“, fragte sie verblüfft. „Er wird Xaira, Juuro und Volta holen.“ „Was?“ „Er hatte gefragt, ob sie hier essen würden, und ich hab ja gesagt.“ Verstehend nickte sie und grinste. „Für dich macht er wirklich eine Menge.“ „Das nennt man Erziehung.“, sinnierte Mimoun an das kleine Mädchen auf seinem Schoß gewandt. „Mama weiß nämlich, wie man es richtig macht.“ Da er mit seinem Gesicht näher an sie heran gegangen war, patschte sie ihm begeistert auf die Wangen. Mit der Kleinen auf dem Arm erhob sich der Geflügelte und hielt für Dhaôma die Plane auf. Dabei fiel sein Blick auf das ganze Ausmaß, das Fiammas Esskultur hinterlassen hatte. Das würde er später bereinigen müssen. Bevor es jedoch zum Essen ging, musste er vorher sich selbst reinigen. Also drückte er seinen Winzling Dhaôma in die Hand. Auch wenn sie das Feuer beherrschte. Bei den sicherlich herrschenden Wassertemperaturen würde er sie nicht mitnehmen. „Ich bin gleich wieder da.“ Als Erklärung hob Mimoun ein wenig die bekleckerten Arme. „So sehe ich doch nicht mehr gut aus.“ „Ein bisschen Suppe ändert nichts an dir selbst.“, antwortete Dhaôma, aber er hielt ihn nicht auf, sondern winkte. Da er ihm den Schmutzfink überlassen hatte, sollte er sich nicht beschweren. Amar war wirklich fleißig gewesen. Die von Dhaôma gezogenen Rüben und Früchte lagen ordentlich auf dem Tisch, daneben getrocknetes Fleisch, das Wasser im Kessel dampfte bereits und die Hütte roch nach Thymian und Kamille. Und nach und nach kamen die Bewohner des Hauses aus ihren Schlafecken. „Sag mal, Dhaôma, hat sich bei euch beiden was verändert?“, fragte Leoni, während sie dem Schwarzhaarigen nachsah. Mimoun wirkte anders. Dhaôma verhielt sich immer noch gleich, aber Mimoun hatte sich definitiv verändert. „Was meinst du?“, fragte er und sah von dem Kind auf, das er weiterfütterte, was inzwischen nicht mehr so einfach war, weil sie abgelenkt war. „Ich weiß nicht. Hat er es dir vielleicht gesagt?“ „Was denn?“ Sie verwirrte ihn. Was wollte sie von ihm wissen? „Ist nicht so wichtig.“ Abrupt drehte sie sich um, lachend mit der Hand wedelnd. „Also, was werdet ihr tun, bis der Rat zusammenkommt?“ Es war wohl die falsche Frage gewesen, stellte sie fest, als sein Blick dunkler wurde. „Das…“ Er wandte seinen Blick ab. „Das weiß ich noch nicht.“ Oha, war das vielleicht eine Wunde gewesen? Zum Glück verstand es Yaji perfekt, die Gedanken des Magiers auf sich zu lenken, denn sie zeigte ihm voller Stolz ihre erste Arbeit am Webrahmen, eines der Dinge, die ihnen Dhaôma in seiner freien Zeit beigebracht hatte. Der Weg zum See war nicht weit. Auch nahm Mimoun kein vollständiges Bad, sondern wusch nur die gröbsten Verunreinigungen von sich. Als er sich auf den Rückweg machte, flatterte ein aufgeregter Junge auf ihn zu und klettete sich an die Schulter des Drachenreiters. „Die Frau ist genauso wenig begeistert davon, von mir geweckt zu werden wie du.“, lachte Amar. „Aber sie kommen.“ Hinter ihm sah Mimoun bereits Juuro aus der Hütte treten. Mit einem Winken begrüßte er den Halbling und verschwand in der Hütte des Ältesten, ohne auf den Freund zu warten. Gleich hinter der Plane ließ er Amar auf den weich gepolsterten Boden plumpsen und ging zu Dhaôma, nachdem er ein fröhliches „Guten Morgen.“ in die Runde geschmissen hatte. Juuro trat zusammen mit Volta ein, der grinste, als er Amar zuzwinkerte. Ihm gefiel dieser Junge, denn er hatte Xaira zur Wut getrieben. Es war doch immer wieder spaßig zu sehen, wie sich andere das trauten. Als nächster wurde Addar hereingeführt, gestützt von Asam und Janna. Der alte Mann sah nicht so aus, als fiele ihm das Laufen besonders leicht. Es schien sogar schlimmer geworden zu sein seit ihrem letzten Besuch. „Addar, wenn Ihr wollt, werde ich mir Eure Beine noch einmal ansehen.“, bot Dhaôma besorgt an, was den Alten zum Lachen brachte. „Nachdem ihr ja jetzt ein wenig bleiben werdet, hätte ich darum sogar gebeten.“ Ächzend ließ er sich in die weichen Felle sinken und atmete einmal tief durch. „Vielleicht nach dem Frühstück.“ „Dann wäre da nur noch, dass euch auch die anderen sehen wollen. Wir dachten daran, vielleicht ein paar Häute aufzustellen und draußen ein Feuer zu machen, damit wir reden können, ohne jemanden auszuschließen.“ „Das können wir gerne machen.“, stimmte Dhaôma lächelnd zu. „Nach Eurer Behandlung.“ „Dann schicke ich gleich ein paar Leute los, die dafür sorgen, dass sich in acht Tagen der Rat versammelt.“ „Dauert das wirklich so lange?“, wollte Xaira wissen, die inzwischen auch dazu gestoßen war. „Wir können uns eine so lange Pause kaum erlauben.“ „Ja, tut mir Leid. Es sind viele Leute, die wir rufen müssen, es müssen viele Dinge vorbereitet werden.“, erklärte Asam ruhig. „Immerhin will keiner frieren.“ „Bei der Reinigung des Platzes kann ich helfen.“, grinste Dhaôma. „Ein paar Pflanzen jäten, ein bisschen Schnee und Eis entfernen…“ „Dann werde ich das denjenigen mitteilen, die dafür zuständig sind.“ „Aber…“ „Lass gut sein, Xaira.“, unterbrach sie Juuro. „Ein bisschen Pause und ein wenig Zeit unter gut gesinnten Menschen wird uns gut tun.“ Sie verzog das Gesicht. „Vielleicht schafft es Amar ja, Freundschaft mit dir zu schließen.“, frotzelte Volta. „Ich bin mir sicher, er gibt sich ganz viel Mühe.“ Mimoun konnte nur zustimmend nicken. Klar würde sich dieser Junge Mühe geben. Bei neuen Sachen und Herausforderungen war er mit Feuereifer dabei. Dann schweiften seine Gedanken ab und er begann nachzugrübeln. Acht Tage. Das hieß, er konnte hier noch einige Tage zur Ruhe kommen, bevor er sich aufmachte, sein Heimatdorf zu besuchen. Kurz glitt sein Blick zu Dhaôma. So gern hätte er ihn dabei, aber… Mit einem Ruck brachte sich Mimoun wieder in die Gegenwart. Was zählte war das Jetzt. Das Planen der nächsten Tage konnte er später in Ruhe mit Dhaôma erledigen. Da die Jüngsten bereits versorgt waren, verlief das Essen in ausgelassener Stimmung. Die Kinder waren unermüdlich am Plappern und Erzählen. Vor allem Amar beeilte sich und drängte seine beiden großen Freunde dazu, schneller zu essen, damit sie endlich raus konnten. Beinahe aus Protest und nur um ihn zu ärgern, ließ sich Mimoun extra Zeit. Mit eher gegenteiligem Effekt. „Dann spiel ich halt nur mit Dhaôma.“, bestimmte Amar und verlagerte seine ganze Aufmerksamkeit auf besagten Magier. Nicht einmal das Machtwort seiner Mutter konnte ihn wirklich zur Vernunft bringen. Er wollte raus. Er wollte endlich wieder mit Dhaôma spielen. Mimouns gespielt kummervolle Miene wurde ignoriert. Dhaôma ließ sich breitschlagen. Er wollte nicht, dass der Frieden allzu sehr gestört wurde, deshalb entschuldigte er sich. Addar versprach er, dass er, nachdem das Essen vollständig vorbei war, wiederkommen würde. Dann musste Amar eben kurz etwas anderes spielen. Es war richtiggehend anstrengend. Da waren so viele Leute, die mit ihm sprechen wollten, aber die Kinder ließen niemanden an ihn heran. Er musste sie alle auf später verschieben. Und letztendlich ersannen die Kinder ein ganz tolles Spiel: Dhaôma war ein feines Magierfräulein und Mimoun ein böser Troll, der sie fressen wollte. Ziel des Spiels: Mimoun von Dhaôma fernhalten, während man Dhaôma dazu brachte, ein Feines-Fräulein-Haus zu bauen. Er nutzte dazu Eis, das bei der Jahreszeit sicherlich länger halten würde. Aber Mimoun kam nicht. Die Burg aus Eis wurde immer größer, aber der Feind tauchte nicht auf. Juri und Yaji machten es sich zur Aufgabe, den Feind auszuspionieren, bis ihnen das zu langweilig wurde. Und weil Amar es lustig fand, wie Xaira reagierte, stahl er ihr ihre Tasche und versteckte sich damit im Eisschloss. Nun war der Teufel los. Die Kinder hatten alle Hände voll zu tun, Xaira aufzuhalten, denn die junge Frau war schnell und gewandt und machte beinahe ernst, um an Amar heranzukommen. Dementsprechend mussten auch die Kinder in die Vollen gehen, um gegen sie zu bestehen. Und Dhaôma stand im Eingang seines Eisschlosses und sah lachend dabei zu. Mimoun hatte in Ruhe sein Mahl beendet und ein wenig mit Addar und Asam geplauscht. Nun stand er hinter der Lederplane versteckt und lugte aus einem Spalt heraus, um die tobende Frau zu beobachten. „Sie hat deine Rolle eingenommen.“, merkte Asam an, der keine Probleme damit hatte, die Plane auf der anderen Seite komplett zur Seite zu schieben. „Und sie verkörpert sie gut.“, erwiderte Mimoun ungerührt. Kurz sahen sich die beiden Männer die spielenden Kinder an und fingen an mit kichern. Immer mehr Hausbewohner strebten nach draußen, um sich die Fähigkeiten und Ausdauer der Frau anzusehen. Da war etwas, das ihn störte. Mimoun konnte anfangs nicht genau sagen, was es war, aber da war ein Gefühl. Er drehte sich um und sah Leoni direkt in die blauen Augen. Das war es gewesen. Ihr nachdenklicher Blick, der sich in seinen Rücken gebohrt hatte. Er konnte sich denken, welches Thema sie bewegte. Nach einem abschließenden Blick nach draußen, ließ er sich neben ihr und den Kleinkindern nieder. Seren versuchte, auf seinen Schoß zu klettern und er half ihr dabei. Fiamma zerlegte das unter ihr befindliche Fell in seine haarigen Einzelteile. Die junge Frau schwieg, sah ihn nur weiter unverwandt an. „Du bist unmöglich.“, begann Mimoun leise, den Blick auf das Kind gerichtet, und sie seufzte entnervt. „Rede endlich…“, begann sie, wurde aber sofort von Mimoun unterbrochen. „Aber du bist die beste Freundin, die man sich wünschen kann.“ Er schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Es dauerte einen Augenblick, bis ihr dämmerte, worauf er hinauswollte. Erfreut klatschte sie in die Hände und hatte damit die Aufmerksamkeit beider Kinder. „Du hast…“, wieder beendete sie den Satz nicht, denn ihr Gesprächspartner nickte nur. Freudig fiel sie ihm um den Hals. „Wurde aber auch Zeit. Ihr habt uns fast wahnsinnig gemacht mit eurem ziellosen Geflirte. Ehrlich, wie kann man nur so blind sein?“ „Du wirst verlangt.“, kam die Warnung vom Eingang, als auch schon Juri durch die aufgehaltene Plane fegte. Das Mädchen ergriff den Arm des Drachenreiters und zerrte energisch daran. „Los komm endlich.“ Kinder hatten echt ein Timing. Mehr schlecht als recht setzte er Seren auf das Fell und folgte mit einem letzten dankbaren Lächeln zu Leoni dem bereits wieder verschwundenen Kind. Dhaôma schaffte es irgendwann, die Kinder dazu zu überreden, ihn zu Addar zu geleiten. Sie mussten ihn natürlich weiter beschützen, denn das war schließlich das Spiel, aber da er so gar nichts zu tun hatte, wollte er dem Herrscher einen Ehrbesuch abstatten. Sie gingen eifrig drauf ein. Amar schleppte auch die entführte Tasche mit und so war plötzlich Addars Haus das feurig umkämpfte. Unterdessen tauchte Dhaôma magisch in den Körper des alten Mannes, um zu sehen, was ihm fehlte. Tyiasur hatte seine Barriere ein zweites Mal gelöst und die Magie floss trotzdem frei, ohne Umwege zu machen. Er konnte nicht viel tun. Ein wenig Energie freisetzen, am Herzen eine Struktur verändern, aber das war es auch schon. Als er zurückkehrte und das bläuliche Leuchten erlosch, presste er nur die Lippen zusammen. „Ich kann nicht mehr tun.“ Die Worte wollten kaum über seine Lippen kommen. Das Knirschen seiner Zähne drang noch bis zu Addars Ohren. „Das macht nichts. Ich fühle mich schon viel besser.“, beruhigte er den braunhaarigen jungen Mann und tätschelte seinen Arm. „Vielen Dank.“ Dhaôma senkte den Kopf, schluckte, dann nickte er. „Gern geschehen.“ Janna und Leonie, die zugesehen hatten, wandten sich ihren Aufgaben zu, aber auch ihre Kehlen waren eng. Sie hatten verstanden, was Dhaôma hatte sagen wollen. Und weil Leoni nicht wollte, dass der Gast das mitbekam, drückte sie ihm die beiden eingepackten Babys in die Arme, damit er sie ein wenig spazieren trug. Vielleicht brachte ihn das auch ein wenig auf andere Gedanken, denn er sah aus, als wolle er gleich weinen. --------------------------- Addar *weint* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)