Der Weg aus dem Kampf von Shirokko (Wenn Träume Berge versetzen) ================================================================================ Kapitel 58: Streithähne ----------------------- Kapitel 58 Streithähne Was war hier nur vorgefallen? Sanft begannen seine Finger über den Rücken des Freundes zu streicheln, folgten teilweise gezielt den Linien. In kleinen Bewegungen wiegte er ihn hin und her und begann eine kleine Melodie zu summen, während er seinen Freund weinen ließ, ihm die Zeit ließ, sich wieder zu sammeln. Als würde der Himmel mit ihm fühlen, begann es nach einiger Zeit zu regnen, während Dhaôma sich langsam wieder beruhigte. Irgendwann verstummte auch Lulanivilay wieder und das Schluchzen wurde seltener. Langsam und mit monotoner Stimmlage erzählte Dhaôma, was in Mimouns Abwesenheit passiert war. Er begann bei Thenras Erzählung bezüglich der Halblinge, der schrecklichen Wahrheit hinter dem Verschwinden der Hanebito und der magieunbegabten Magier, fuhr fort mit deren Motiv, den Krieg anzustacheln, und endete damit, dass er sich nutzlos gefühlt hatte und dass er sich beweisen wollte, weswegen er Keithlyns Wunsch erfüllt hatte. Die Ausmaße der Katastrophe brachten ihn wieder zum Weinen, aber er erzählte Mimoun alles, was er selbst wusste. Während der Erzählung waren die Hände des Geflügelten immer seltener in Bewegung gewesen, nun lagen sie zu Fäusten geballt auf seinen Oberschenkeln. Für eine Frage, die man sich nur selbst beantworten konnte, wurden zwei Völker in den Untergang getrieben, wurden beide Seiten für ein grausames Werk missbraucht. Dieser Zirkel brachte ihn zur Weißglut. Mimoun bekam nicht mit, wie sich sein Gesicht immer weiter verfinsterte. Sein Blick war starr auf einen Punkt jenseits dieser Welt gerichtet. Und dann das hier Geschehene. Wie konnten diese Halblinge auch nur im Entferntesten denken, sie wären die Leidtragenden dieser Situation? Keithlyn, ja. Aber sie waren alle damit einverstanden gewesen. Wie konnten sie es wagen, Dhaôma für das Geschehene verantwortlich zu machen? Und wie konnten sie es wagen, ihn nun, da er ihre Hilfe brauchte, im Stich zu lassen, sich von ihm abzuwenden? „Kanntest du die Konsequenzen deines Handelns?“ Ein dunkles Knurren begleitete seine Wort, der Blick noch immer ins Nirgendwo gerichtet. Verstummend schüttelte Dhaôma den Kopf. Er spürte die Wut des Schwarzhaarigen und war sich einen Moment lang nicht sicher, ob es sich auf ihn bezog. Vorsichtig löste er sich von ihm. „Ich wusste nicht mal, ob es klappt. Ich wollte es nur versuchen, weil sie gesagt hat, ich könnte es schaffen. Dass es aus dem Ruder läuft, habe ich erst gemerkt, als sich die Magie verselbstständigte.“ Entschuldigend senkte er den Kopf und das offene, schwernasse Haar fiel ihm ins Gesicht. Das Lederband, das sie sonst zurückhielt, war schon lange kaputt. „Ich weiß, dass es blöd von mir war, etwas Magisches zu versuchen, das ich noch nie vorher getan habe, obwohl ich erst vor etwas mehr als einem halben Jahr Leoni erklärt habe, dass es zu Anfang immer etwas unvorhergesehen sein kann.“ „Hast du dich entschuldigt? Bei Keithlyn, meine ich. Und den Drachen?“ Diesmal nickte Dhaôma, aber seine Hände krampften sich zu Fäusten. In ihm wuchs die Verzweiflung, weil Mimoun wirklich wütend klang, weil er nur an ihm vorbeistarrte, weil er ihn nicht mehr halten wollte. Aber Lulanivilay hatte ihm vergeben, immerhin hatte er etwas ähnliches auch einmal durchlebt. Tyiasur wusste durch die Gedankenübertragung, dass er es nicht absichtlich getan hatte, zumal Dhaôma zu dem Zeitpunkt, als es wirklich gefährlich wurde, ohnmächtig gewesen war. Und Keithlyn hatte nur gesagt, dass die Schuld sie selbst treffe, weil sie nicht auf ihn hatte hören wollen, als er sagte, dass es vielleicht schief ging. War es zu viel zu hoffen, dass auch Mimoun ihm seine Dummheit vergeben konnte? „Dann hast du nichts Falsches getan, Dummkopf. Gib dir nicht die Schuld.“, urteilte Mimoun und legte eine Hand auf den braunen Haarschopf. Das Lächeln, dass er versuchte, war äußerst missglückt, da in ihm noch immer die Wut über das Erfahrene schwelte. „Und keine Angst. Ich werde ihnen nachher die Köpfe abreißen und wieder gerade rücken.“ Und da der Geflügelte sich nicht sicher war, ob Dhaôma verstand, was er damit ausdrücken wollte, fügte er hinzu: „Ich bin nicht böse auf dich. Ehrlich.“ Hoffnungsvoll blickte er auf und las in den grünen Augen, dass es der Wahrheit entsprach. Mimoun war wütend, aber nicht auf ihn. Erleichtert lächelte er. „Du darfst ihnen auch nichts tun. Sie waren wirklich nicht gemein zu mir. Xaira bringt mir sogar etwas zu essen, wenn ich nicht zu ihnen gehe. Und ich war immer mal wieder dort. Ich sagte doch schon, dass ich hier bin, weil ich es für besser halte.“ Die Bilder und Gedanken, die Tyiasur ihm schickte, sprachen da eine andere Sprache. „Dann weißt du gar nicht, dass einige mit dem Gedanken gespielt haben, dich zu töten, damit sich das nicht wiederholt? Dass sie dich ausschimpfen, wenn deine Magie wieder ohne Kontrolle war, ist auch komplett an dir vorbei gegangen?“ Er schüttelte den Kopf. „Sie hatten nicht das Recht dazu. Du bist derjenige, der unter den Folgen zu leiden hat. Du hast sie immer unterstützt, ihnen immer geholfen, selbst das Risiko zu sterben bist du für sie eingegangen und kaum brauchst du Hilfe und Verständnis, lassen sie dich allein! Dafür verdienen sie sehr wohl eine Abreibung.“ „Töten?“ Erneut weiteten sich die braunen Augen. Das konnte doch nicht sein! Niemals hatte irgendjemand etwas in die Richtung angedeutet. „Woher willst du das wissen?“, fragte er, doch noch bevor die Worte ganz heraus waren, begegnete er Tyiasur blauem, ernstem Blick. Deswegen hatte Lulanivilay ihn nicht mehr zurück in die Höhlen gelassen. Um ihnen einfach die Gelegenheit nicht mehr zu geben. Konnte das wirklich sein? Ein kurzes Nicken des kleinen blauen Kopfes zerschmetterte seine heile Welt. „Wer? War es Thenra? Xaira? Keithlyn? Jii?“ Seine Hand zitterte. Wollte er es überhaupt wissen? „Das ist nicht so wichtig.“, wischte Mimoun die Frage beiseite. Dhaôma hatte es wohl wirklich nicht gewusst und vielleicht wäre es besser gewesen, es wäre so geblieben. „Ich werde mich dieses Problems annehmen und ja, es wird niemand ernsthaft zu Schaden kommen, versprochen.“ „Es ist wohl wichtig.“, murmelte Dhaôma. Er war am Boden zerstört. „Ich muss doch wissen, von wem ich mich fernhalten muss, sonst kann ich mein Versprechen nicht halten, nicht wahr? Nicht mehr verletzt werden, dir keine Sorgen bereiten. Wie soll das gehen, wenn ich nicht weiß, wer gefährlich ist?“ Abgesehen davon, dass ihm das bei Kekaras auch nicht viel gebracht hatte. „Ich sagte, sie haben mit dem Gedanken gespielt. Ich weiß nicht, ob sie es noch immer wollen, das werde ich nachher herausfinden, aber sicher hätten sie hundert Möglichkeiten dafür gefunden, es durchzuziehen. Sie hätten jemand anderen als Xaira schicken und das Essen vergiften können. Ein Angriff mit dem Bogen, was weiß ich.“ Nun mit einem sanften Lächeln strich er Dhaômas Wange entlang. „Ist dir schon einmal aufgefallen, dass immer, wenn ich nicht da bin, du in Lebensgefahr gerätst? Den ersten Winter warst du unter einer Lawine begraben, auf der Trainingsinsel war ich in dem Moment auch nicht in der Nähe und nun hier. Dich kann man echt nicht alleine lassen.“ Schuldbewusst lehnte sich Dhaôma gegen das Streicheln. „Es tut mir Leid. Ich möchte das nicht. Ich bemühe mich wirklich, das musst du mir glauben!“ Flehendlich sah er ihn an. „Ich weiß.“, murmelte Mimoun und zog Dhaôma wieder näher, hauchte einen keuschen Kuss auf die Wange des Magiers. „Ich habe nur Angst, dass dich irgendwann dein Glück verlässt. Was soll ich denn machen, wenn ich niemanden mehr habe, zu dem ich zurückkehren kann?“ Der Gedanke, Mimoun allein zurückzulassen, und das Bild, wie er einsam und verlassen auf weiter Flur stand, schnürte Dhaôma das Herz zusammen. Niemals könnte er das zulassen! Niemals! Er könnte es einfach nicht ertragen, ihn einsam zu wissen! Den Schmerz auf seinem Gesicht konnte er nicht verstecken, als er auf Mimouns Schoß zurückkletterte und ihn fest umarmte. Der sanfte Regen spülte seine Haare über Mimouns Schultern und Rücken, aber auch er konnte das Zittern nicht verbergen. „…nicht allein.“, wisperte er, viel zu leise, um gehört zu werden. „Ich lass dich bestimmt nicht allein.“ „Es ist alles okay.“, murmelte Mimoun und fuhr wieder über den Rücken seines Freundes. „Ich bin ja nun wieder da, um auf dich aufzupassen.“ Er spürte das Zittern unter seinen Fingern, bezog es aber auf eine andere Tatsache. Es regnete. Vielleicht entzog ihm diese Berieselung Wärme, auch wenn Mimoun die Umgebungstemperatur als recht angenehm empfand. „Vielleicht sollte ich auch schon damit anfangen. Raus aus den nassen Klamotten und rein ins Trockene.“ Schon schlüpften seine Finger an den Bund der Hose und begann daran herumzunesteln. „Ich muss nicht ins Trockene.“, murmelte Dhaôma. „Es ist irre warm. Und du klebst. Da tut dir das Wasser ganz gut.“ „Ist doch gut, wenn ich klebe. So klebst du auf jeden Fall an mir fest und ich muss mir keine unnötigen Gedanken machen.“, grinste Mimoun und drückte seinen Magier wieder an sich, nachdem seine Finger sich unverrichteter Dinge von der Hose entfernt hatten. Die Worte reizten den Braunhaarigen zum Kichern. Es tat so gut, dass Mimoun wieder da war. Er war richtig glücklich gerade. Wenn er recht darüber nachdachte, war es völlig egal, was passieren würde, was sie tun würden oder warum, solange Mimoun da war, erschien es einfach nicht mehr so schlimm, was alles passierte. „Danke.“, seufzte Dhaôma irgendwann. Seine Finger begaben sich auf Wanderschaft und streichelten den warmen Rücken. „Dass du wieder da bist.“ „Ich habe dich zu lange warten lassen, nicht wahr?“ Mimoun lehnte seinen Kopf gegen Dhaômas Schulter. Eine seiner Hände kroch höher und kraulte Dhaômas Nacken. Etwas polterte neben ihnen zu Boden. Es war der Esskorb, den Tyiasur ihnen gebracht hatte. Der Korb war auf die Seite gefallen und der Inhalt rollte heraus. „Da ihr wenigstens das ja nun geklärt habt, iss.“, verlangte der kleine Blaue. In den Klauen hielt er noch immer den für seinen Reiter so wichtigen Stein. Er hatte den Korb mit seinem Zähnen hierher geschleppt. Der Regen hatte ihm das ein wenig erleichtert. Mit einer Hand schob Mimoun das Brot wieder zurück, damit es nicht noch mehr einweichen konnte, als ohnehin schon, und griff sich ein wenig des Fleisches. Nun da er hier war, wieder bei seinen Freunden, wo er nicht mehr hetzen musste, spürte er erst den Hunger, der seinen Magen sich zusammenkrampfen ließ. Während sie aßen, hörte der Regen auf. Kurz bevor sie ihr Mahl beendeten, begann die Dämmerung. Da sich die Wolken verzogen, konnte man einen Großteil des Sonnenuntergangs beobachten, wie er sich farbenprächtig entfaltete und schließlich verschwand. Es war zu spät für Mimoun, um noch bei den Halblingen vorbeizuschneien, außerdem wollte Dhaôma ihn nicht gehen lassen. Viel lieber wollte er ihn bei sich haben, um die Ruhe zu genießen, die Mimoun in ihm auslöste. Sie redeten noch ein wenig. Dhaôma ließ Mimoun erzählen, wie es allen so ging. Er lachte leise, als er von Haru hörte. Sehnsucht nach diesen Tagen entfachte sich in ihm und er wollte am liebsten gleich selbst wieder zu ihnen. Sie schmiedeten Pläne, wobei sich sogar Lulanivilay beteiligte, aber sowohl Dhaôma als auch die anderen wussten, dass vorher etwas Wichtigeres getan werden musste. Sie mussten die Kämpfe endgültig stoppen, bevor sie sich die Zeit nahmen, den Frieden zu genießen. In dieser Nacht schlief Dhaôma zum ersten Mal seit langem ruhig und entspannt. Tyiasur sperrte seine Magie ein, damit nichts passieren konnte, aber der kleine Blaue bekam das Gefühl, dass seit Dhaômas Gedanken nicht mehr ausschließlich ins Negative drifteten, seit er sich entspannte, die Auswirkungen nachgelassen hatten. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass er Mimoun geheilt und damit weniger Kraft zur Verfügung hatte. Es dauerte lange, bis auch Mimoun sich Ruhe gönnte. Immer wieder fuhren seine Finger durch braune Strähnen und gedankenverloren nahmen seine grünen Augen jede Einzelheit seines Freundes in sich auf. Wie konnte jemand auch nur ansatzweise auf die Idee kommen, dass dieses unschuldige, herzensgute Geschöpf absichtlich jemandem schaden wollen würde? Wie konnten sie, wenn auch nur gedanklich, auf die Idee kommen, diesem sanften Wesen Schaden zuzufügen? Damit Dhaômas Schlaf nicht durch seine wieder wachsende Wut beeinflusst werden konnte, atmete Mimoun einmal tief durch und kuschelte sich an den Magier. Erfreute er sich lieber an der Tatsache ihn wieder in den Armen halten zu können. Schließlich dämmerte auch der Geflügelte ein. Zwar hatte er auf seiner Reise nur ungenügend Schlaf bekommen und war auch am Abend vorher sehr lange wach geblieben, dennoch konnte Mimoun an diesem Morgen nicht lange schlafen. Wieder begann er durch braune Strähnen zu fahren. Ein verträumtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, das er nicht bemerkte und das auch nicht verschwinden wollte. Dhaôma wachte davon auf. Es war angenehm und trotzdem schlug er die Augen auf. „Es ist schön, dass der Traum diesmal echt war.“, sagte er weich und drückte seine Nase gegen warme Haut, dann lachte er. „Du klebst immer noch. Gehen wir baden?“ „Ich geh schon vor.“ Die Erde bebte leicht, als Lulanivilay sich erhob und von dannen trottete. Offenbar hatte er wirklich nur darauf gewartet, dass sie wach wurden. „Nein.“, entgegnete Mimoun. „Sonst kommst du mir ja doch noch abhanden.“ Dennoch erhob er sich und reichte auch seinem Freund hilfreich die Hand. Nun da der Regen nicht mehr war, würde es wieder unerträglich warm werden. Eigentlich brachte ein Bad erst etwa um die Mittagszeit etwas, wenn er völlig im Wasser aufweichen konnte. Dennoch erfüllte er seinem Freund den Wunsch. „Du träumst also von mir?“, schmunzelte der junge Geflügelte. „Was denn? Sollte ich da etwas wissen?“ Errötend nahm der Braunhaarige die Hand an und zog sich hoch. „Ja, ich habe oft geträumt.“, antwortete er. „Dass du wieder zurückkommst. Dann war ich traurig, wenn ich aufgewacht bin. In diesen Momenten hätte ich gerne weitergeschlafen. Aber manchmal war es schlimm, weil ich sah, wie du stirbst. Das war schrecklich. Ich war immer froh, dass ich nur geträumt habe. Aber irgendwie… Ich war mir im Wachsein sicher, dass es dir gut geht. Aber vielleicht habe ich mir das nur eingeredet, denn Träume spiegeln das, was unterbewusst in dir ist, nicht wahr?“ „Das heißt, du vertraust meinem Wort nicht? Wenn du im Unterbewusstsein träumst, ich wäre tot, vertraust du doch nicht darauf, dass ich wie versprochen zurückkehre.“ Das war ein wenig verletzend. Dhaôma zuckte mit den Schultern. „Du weißt, was mir passiert ist. Was auf unseren Reisen schon passiert ist. Wie schnell es gehen kann, dass man verletzt wird. Und du warst so lange allein.“ Er drehte sich weg. „Niemals Gewissheit zu haben, was mit dir ist, ist beunruhigend. Es ist nicht schön, zurückzubleiben, denn das einzige, das man dann tun kann, ist sich zu sorgen.“ Sanft griffen seine Hände nach Dhaômas, verwoben sich mit ihnen, doch er zwang seinen Freund nicht, sich zu ihm herumzudrehen. „Erinnerst du dich an den Sturm? Damals am Strand? Wir haben uns beide beinahe umgebracht, weil wir nicht mit Sicherheit wussten, ob es dem anderen gut ging. Schon damals haben wir festgestellt, dass wir mehr auf die Fähigkeiten des anderen vertrauen müssen.“ Vorsichtig fuhr seine Nase durch das weiche Haar. „Wir haben die Insel der Drachen überlebt, wir haben jetzt schon Unglaubliches geleistet. Keiner von uns beiden ist schwach. Wir können gut auf uns selbst aufpassen. Störend ist nur die leichte Neigung, sich ständig zu verletzen.“ Mimoun lachte leise. Ja, diese Angewohnheit war wirklich nervig. „Bis mich die wispernde Stimme verzweifelt rief, hatte ich keinen Grund zu glauben, es ginge euch schlecht. Und ich war nicht allein. Streckenweise ja, auf den Flügen. Doch ich war häufig bei Meinesgleichen. Oh. Das erinnert mich an...“ Hektisch löste er sich von seinem Magier und begann in seinen Habseligkeiten zu wühlen. Er hatte doch noch einen Brief von Addar und Familie mit auf den Weg bekommen. Den musste er noch überbringen. Triumphierend hielt der Geflügelte ihn in die Höhe. Neugierig hätte Dhaôma am liebsten danach gegriffen, aber etwas anderes war im Moment wichtiger. „Wir müssen baden gehen.“, sagte er und legte den Brief beiseite. „Vielen Dank für den Botendienst, aber das hier geht vor, okay?“ „Bah.“, murrte Mimoun, packte dann aber seinen Freund und trug ihn zum Wasser. Er watete nur wenige Schritte hinein, bevor er Dhaôma einfach hineinfallen ließ. „So. Du badest.“, stellte der Geflügelte fest, als sein Freund prustend wieder an die Oberfläche kam, und wandte sich schon um, das Wasser wieder zu verlassen. Doch der Magier ließ das nicht zu, so dass eine wilde Wasserschlacht entbrannte, nach der beide erschöpft aber glücklich in der Sonne lagen. Lange konnte Mimoun jedoch nicht liegen bleiben. Es gab da etwas, dass er dringend erledigen musste. Und zwar bevor seine ganze Wut verraucht war. Denn das schaffte Dhaôma. Seine bloße Anwesenheit brachte dem Geflügelten Frieden und Ausgeglichenheit. Und damit gerade das jetzt nicht seine Pläne durcheinander warf, klopfte er leicht auf den Bauch seines Freundes. „So. Ich geh jetzt mal die anderen begrüßen, bevor es zu warm wird, um sich zu bewegen.“ Sofort rappelte der Braunhaarige sich auf. „Ah, ich komme mit, ja?“, rief er und stolperte beinahe. Zum Glück konnte er sich an Mimouns Arm festhalten, so dass er nicht zu Boden ging. Und weil sich das einfach gut anfühlte, hielt er den Arm weiter fest. „Sag mal, du kommst mir schon wieder etwas größer vor.“ Seine Stirn legte sich in Falten. „Wann seid ihr Hanebito denn ausgewachsen?“ „Keine Ahnung.“, gestand Mimoun. Es war nie von Bedeutung. Dennoch hob er seine freie Hand und verglich seine Größe mit der Dhaômas. Stimmt. Er war tatsächlich größer als sein Freund. Ein winziges Bisschen. Aber wie groß er noch werden würde? Ihm war es egal. „Hast du Angst, dass du ewig zu mir aufschauen musst?“, stichelte er scherzhaft und löste sich endlich von dem Magier. Schnell schlüpfte der Geflügelte wieder in seine Sachen. Ab jetzt musste er Abstand zu seinem Freund halten, wollte er nicht inmitten der Halblinge die Hose verlieren. Es war bedauerlich, aber derzeit nicht zu ändern. Tyiasur reichte den Stein zurück, den er bis jetzt aufbewahrt hatte. Wieder einmal wurde das Oberteil Mimouns kürzer, um ein Band für das Schmuckstück zu liefern. Ein wenig abseits und mit leicht unglücklicher Miene sah er zu Dhaôma hinüber. Kuscheln war nun nicht mehr. Mit einem aufmunternden Lächeln strubbelte der Geflügelte seinem Freund durch die Haare. „Bist du soweit? Können wir los?“ Nickend schwang sich der Braunhaarige auf seinen Drachen, der nachlässig mit den Flügeln schlug. Es gab einige heftige Windstöße, bis er in der Luft war, Blumen knickten um und Steinchen und Sand flog davon. Aber einmal in der Luft war der große rotgrüne Drache leicht und wenig. „Was genau willst du denn mit den Halblingen besprechen?“, fragte Dhaôma laut, um Mimoun zu erreichen. „Ich würde gerne fragen, ob nicht ein paar uns begleiten wollen, damit die Magier und Hanebito die Geschichte mit der Ursache des Krieges auch glauben. Meinst du, sie stimmen dem zu?“ Gut, dass Dhaôma gleich eine zweite Frage hinterher geworfen hatte. „Du hast erwähnt, dass sie bereits einmal einen Aufstand versucht haben und scheiterten. Wenn die Halblinge noch immer gewillt sind, dem Zirkel Einhalt zu gebieten, werden sie uns begleiten. Wir bieten ihnen jetzt bessere Ausgangsbedingungen als damals. Denn wenn wir es schaffen, Magier und Geflügelte zu überzeugen, hat der Zirkel beide Völker gegen sich stehen.“ Mit einer spielerischen Rolle flog er über Dhaôma hinweg auf dessen andere Seite. „Es gibt dann niemanden mehr, der uns stoppen könnte.“ Lachend lenkte Dhaôma Lulanivilay in eine Spirale, um über Mimoun zu fliegen. Es brauchte zwar seine ganze Kraft, um sich festzuhalten, aber es war es wert. Er war so glücklich, dass Mimoun wieder da war, dass der kurze Abstand zwischen ihnen schon zu viel war. „Dann werde ich sie fragen.“, rief er, bevor sich der Drache wieder richtig herum drehte. Sie kamen dem Dorf näher. Xaira stand auf dem Hügel in der Nähe und beobachtete sie. In ihr tat es weh. Hatte sie wirklich geglaubt, Dhaôma hätte in der Zeit, da Mimoun weg gewesen war, gelacht? Jetzt sah sie, dass es falsch gewesen war. Nicht wirklich glücklich. „Blindfisch.“, zischte sie, meinte damit sich, aber gleichzeitig auch Mimoun. Wie konnte dieser Kerl die Avancen übersehen, die ihm Dhaôma machte? Und wie konnte der Magier nicht begreifen, dass seine Liebe erwidert wurde? „Idioten! Alle beide.“ Bitter drehte sie sich weg, sah zu Keithlyn, die abseits zwischen den Bäumen stand und ebenfalls hinaufsah. „Wehe, du traust dich nicht, mit ihm zu sprechen. Ich werde richtig wütend, wenn das hier so weitergeht!“ Ertappt wich das Albinomädchen zurück, senkte schuldbewusst die Augen. „Aaaaargh!“, fuhr Xaira auf. „Macht doch alle, was ihr wollt! Richtet euch zugrunde und leidet! Ist mir doch egal!“ Sie fuhr auf dem Absatz herum und machte Anstalten, wutentbrannt abzurauschen, doch daraus wurde nichts, denn das Objekt ihres Ärgers landete genau vor ihr. „Ai, Xaira. Bist du okay?“ Naivling! „Sieht es so aus?“, fauchte sie und er sah sie bestürzt an. „Ich hasse es, dass ihr alle so verklemmt seid! Warum seid ihr so verbohrt und blind! Ist doch nicht zu fassen!“ Sie setzte ihren Weg fort, an Lulanivilay vorbei und in die Höhlen. Und sie war sich darüber bewusst, dass ein verwirrter Braunhaariger ihr nachblickte. Auch Mimoun sah ihr verständnislos nach. Aber es war auch nicht wichtig. Sie hatte er bereits am Vortag begrüßt und selbst wenn Xaira eine Furie und Giftspritze war, so wusste er doch, dass sie Dhaôma nicht schaden würde. Warum auch immer, diese Frau war seiner Schwester wirklich sehr ähnlich. Aber das war ja nicht wichtig. Lächelnd überblickte er die paar Gestalten, die sich versammelt hatten. Es waren bei weitem nicht alle hier. Bedauerlich. „Entschuldigt bitte, dass ich euch nicht schon gestern begrüßt habe. Ich freue mich, wieder hier zu sein.“ Kurz atmete Mimoun tief durch. „Und nun kommen wir zum angenehmen Teil der Unterhaltung.“ Innerhalb von Sekundenbruchteilen verschwand das Lächeln, seine Schwingen klappten bedrohlich auf und ihn umgab eine Aura aus Blutdurst. Seine Fingerknöchel ließ der junge Geflügelte erwartungsvoll knacken. „So. Wer hat es gewagt meinen Magier zu verletzen?“ Seine Stimme war pure Wut. Erschreckt starrte Dhaôma ihn an – das hatte er nicht kommen sehen. Aber er schüttelte die Lähmung seiner Gliedmaßen schnell ab und eilte dann zu ihm hin, um seinen Arm zu greifen. „Ich hab dir doch gesagt, dass mich niemand verletzt hat! Das war nicht ihre Schuld, sondern meine!“ „Und ich habe dir gestern schon erklärt, dass weder dich noch Keithlyn irgendeine Schuld trifft. Diesen Ausgang konntet ihr nicht voraussehen.“, widersprach Mimoun deutlich sanfter. „Aber dass diese Narren, obwohl sie einverstanden waren, dich dafür verantwortlich machen und dich solange triezen, bis du dich freiwillig wieder in die Einsamkeit flüchtest, werde ich ihnen nicht verzeihen. Ich habe dich hier in ihrer Obhut gelassen, weil ich ihnen vertraut habe.“ Die Todesandrohungen sprach er hier besser nicht erneut aus, wenn Dhaôma in der Nähe war. Aber diese speziellen Halblinge würde er sich separat noch zur Brust nehmen. „Du verstehst da auch etwas falsch.“, mischte sich Thenra ein. Die Alte hatte ein wenig gebraucht, um aus ihrer Höhle zu kommen, jetzt stützte sie sich auf Ula. „Wir haben ihn nicht getriezt. Ich hätte so etwas nicht geduldet.“ Und während Dhaôma Mimoun klarzumachen versuchte, dass sie Recht hatte, fühlten sich einige der Halblinge deutlich unwohl. Natürlich hatten sie darauf geachtet, dass es die Älteste nicht mitbekam, aber dafür hatte es meistens Xaira mitbekommen. Jii hatte seine Worte beinahe sofort bereut, als er gesehen hatte, wie Dhaôma gegangen war. Er hatte es nicht böse gemeint und nur nicht nachgedacht. Aber Grisu ballte die Hände zu Fäusten. In seinen Augen wäre es wirklich besser, wenn dieser verfluchte Magier nicht gekommen wäre. Dann wäre sein Mädchen jetzt nicht so seltsam. Dann wäre sie noch die Alte und würde sich nicht so reserviert benehmen. Und sie würde vor allem nicht dem Hanebito schöne Augen machen! „Dhaôma.“, versuchte Mimoun seinen Freund sanft zu unterbrechen. „Du magst vielleicht nicht hinter die Masken von Menschen sehen können, bist naiv genug, um alles zu glauben, aber vergiss bitte nicht, dass Tyiasur anwesend war.“ Ach was sollte es. „Und vergiss nicht, dass sie dich sogar töten wollten. Sie sollen zumindest ein schlechtes Gewissen kriegen und sich anständig entschuldigen.“ Betroffen ließ der Magier seinen Freund los. Er hatte das vergessen. Oder vielleicht traf verdrängt die Realität eher. Und im Grunde konnte und wollte er das auch nicht glauben. Als Thenra die Stimme erneut hob, sackte ihm das Herz in die Hose. „Ich kann nicht leugnen, dass das Thema aufgekommen ist, aber wir haben diejenigen bereits in ihre Schranken verwiesen und sie haben ihre Meinung geändert. Wie hätten wir zulassen können, dass einige aus Angst jemanden töten, der ihnen so viel Gutes zuteil werden ließ?“ Glücklich sah Dhaôma die alte Frau an. Sie war genauso gegen das Töten wie er. „Siehst du?“, fragte er Mimoun, doch er wurde von Xaira unterbrochen, die zurück war. „Mach dir nicht ins Hemd. Es gibt genug hier, die ihn mit ihrem Leben verteidigt hätten, nach allem, was er für unser Dorf getan hat.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und einige nickten. Zu viele hatten in den paar Wochen von den Reisenden profitiert, viele davon hatten Verletzungen geheilt bekommen, die anderweitig schwerer zu behandeln gewesen wären. Um Dhaômas Füße begannen Pflanzen zu gedeihen und zu sterben, als Tyiasur seine Fühler ausstreckte, um die Wahrhaftigkeit hinter den Worten zu erkunden. „Ich soll mir nicht ins Hemd machen?“, fuhr Mimoun auf. „Soll ich etwa nicht wütend werden, wenn ich erfahre, dass ihr ihn schneidet und maßregelt, nur weil er keine Kontrolle mehr über seine Magie besitzt? Er wollte euch helfen und muss nun mit den Konsequenzen leben. Findet ihr es gerecht, dass ihr Dhaôma dann auch noch dafür büßen lasst, anstatt ihm nun beizustehen, wo er Hilfe braucht? Seid ihr jemals auch nur ansatzweise auf den Gedanken gekommen, dass ihn das verletzen könnte? Ah nein. Natürlich nicht. Er besitzt ja so was wie Gefühle gar nicht. Er ist nur ein nützliches Werkzeug, das man wegschmeißt, wenn es kaputt gegangen ist!“ Dhaôma stand kurz vorm Weinen. Dass sein Freund sich so für ihn ins Zeug legte, ihn so verteidigte, freute ihn, aber er wollte keinen Streit. Er wollte nicht, dass das Wiedersehen von solchen unschönen Worten getrübt wurde. Und er wollte nicht, dass alle bestraft wurden, wo es doch ganz offensichtlich nur einige wenige betraf. Aber er konnte Mimoun nicht daran hindern, denn er hatte ihm versprochen, ihm nicht vorzuschreiben, wie er lebte, dass er ihm nicht verbieten würde, für ihn zu kämpfen. Xaira trat nach vorne, bis sie nur noch zwei Meter vor Mimoun stand. „Fällt dir eigentlich auf, was für einen Müll du hier redest?“, fragte sie scharf und ihr Gesicht war wutverzerrt wie Mimouns. „Wir lassen ihn fallen? Klingt ja großartig von dem Kerl, der ihn hier zurücklässt, weil er jemand anderen besuchen möchte, und nicht daran denkt, dass er Schwierigkeiten haben wird, überhaupt zu schlafen!“ Ihre Augen blitzten herausfordernd. „Und nur weil er jetzt seine Magie nicht mehr unter Kontrolle hat, werden wir ihn nicht mit Samthandschuhen anfassen, weil er so sehr zu bemitleiden ist. Das wäre ihm sicher nicht recht, oder?“ Schwierigkeiten zu schlafen? Kurz irrte sein verunsicherter Blick zu Dhaôma, bevor er sich der Frau vor sich zuwandte. „Ich habe euch das Wichtigste anvertraut, das ich habe. Und du kennst nicht das Gefühl, wenn die Familie, die du liebst, langsam zerbricht und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst! Du hast nicht das Recht, über mich zu urteilen!“, zischte er leise. „Und niemals habe ich verlangt, dass ihr ihn bemitleiden sollt. Himmel nein. Damit käme er ja noch schlechter zurecht. Ihr sollt Verständnis zeigen für die Situation, in der er momentan steckt.“ Sie schenkte ihm ein gruseliges Lächeln. „Verständnis? Was meinst du eigentlich, warum ich jeden Tag zu ihm gelaufen bin, um ihn zu versorgen?! Weil ich verstehe, dass er allein sein will, und um ihn zu überzeugen, zurückzukommen! Was kann ich dafür, dass er so stur ist?“ Neben ihnen zog Dhaôma den Kopf zwischen die Schultern. Er fühlte sich schuldig an diesem Streit, dabei verstand er nicht so genau, warum sich diese zwei lieben Menschen so angifteten. Zumal ihre Vorwürfe nicht gerechtfertigt waren. Weder war Mimoun daran Schuld, dass er nicht schlafen konnte, noch hatte Xaira ihn vernachlässigt. Mimoun Lächeln glich sich ihrem perfekt an. „Ich habe dich nie namentlich erwähnt. Ich habe niemanden namentlich erwähnt. Ich habe gehofft, dass sich die Richtigen angesprochen fühlen.“ Herausfordernd verschränkte er seine Arme. Jetzt war der Zeitpunkt, wo Tyiasur sich zu Dhaôma flüchtete. Sein Reiter war auf Krawall gebürstet und da wollte er beim besten Willen nicht dazwischen geraten. „Sieht wohl so aus, als hätte ich Nummer Eins gefunden. Entgegen deiner Behauptungen anscheinend.“ „Wovon sprichst du?“, wollte sie misstrauisch wissen. „Wer ist Nummer Eins bei was?“ Dann wurden ihre Augen wieder schmal. „Und nur zu deiner Information: auch ich habe nie von allen gesprochen. Dass jemand von allen gemocht wird, ist schlicht utopisch zu glauben. Das sollte selbst jemandem wie dir, der sich offenbar allgemeiner Beliebtheit erfreut, klar sein!“ „Das weiß ich durchaus. Ich renne mit meinem Dickkopf häufig genug gegen Wände.“ Sein Lächeln wurde wieder ein wenig fies. „Und du bist auf meine Anschuldigungen am besten angesprungen. Und gerade wenn man die Wahrheit nicht verträgt, reagiert man besonders heftig darauf. So als Information für kleine Dummchen.“ „Ich geb dir gleich kleine Dumm…“, begann Xaira wutentbrannt, da unterbrach sie eine Erschütterung des Bodens. Im nächsten Moment schob sich Lulanivilay zwischen sie. „Ihr seid zu laut. Denkt nach, bevor ihr euch gegeneinander stellt. Ihr seid auf der gleichen Seite.“ Seine goldenen Augen blinzelten schläfrig und seine Stimme klang nicht so, als würde er sie wirklich zurechtweisen. „Ihr streitet nur gern.“ Ein wenig entfernt begannen einige zu lachen. Keithlyn, die sich schüchtern genähert hatte, Ula und Mihara, selbst das raue, papierartige Kichern von Thenra war zu hören. „Da gibt es nichts zu lachen.“, fluchte Mimoun lauthals in die Runde. Wie kam diese überdimensionale Eidechse dazu… Schmerzhaft zuckte der Geflügelte zusammen und wirbelte zu Tyiasur herum, starrte ihn an. Dieser war eindeutig wütend, wie die aufgestellten Stacheln bewiesen, ebenso das leise Fauchen. „Auch das muss einmal sein.“, erwiderte er auf Lulanivilays Feststellung hin, als er sich beschämt wieder dem großen Drachen zuwandte. „Entschuldige.“ Dann sah er an dem Drachen vorbei. „Und du hast schon wieder heftig reagiert.“, wies er Xaira darauf hin. „Weil du wie ein Berserker um dich schlägst.“, zuckte sie mit den Schultern. „Man kann auch ruhig miteinander reden, wenn man etwas klären will.“ Ihre braunen Locken wurden von einem Windstoß erfasst und legten sich dann über ihre rechte Schulter. „Sieh mal nach links. Fällt dir was auf?“ Nur widerwillig wurde der Anweisung Folge geleistet. Was sollte dort sein? Dhaôma stand neben ihm, den Wasserdrachen noch immer auf der Schulter tragend. Und sonst? Erst als Tyiasur dem Magier ins Gesicht stupste, wurde Mimoun bewusst, dass gerade diesem die Situation ganz und gar nicht behagen dürfte. Der unsichere Blick, der zwischen den Streithähnen hin und her irrte. Die geduckte Haltung, um möglichst unauffällig zu bleiben. Und dafür begann Mimoun Xaira zu hassen. Dass sie ihn extra darauf hinweisen musste, was er Dhaôma antat. Wie ein geprügelter Hund schlich der Geflügelte zu seinem Freund hinüber. „Zieh nicht so ein Gesicht.“, bat er leise. „Ich will sie doch nur ein wenig ärgern. Ich tu ihnen schon nicht weh.“ „Ich weiß.“ Genau aus diesem Grund hatte er nichts gesagt, hatte sie machen lassen. Dennoch gefiel es ihm nicht, dass sie wegen ihm – über ihn stritten. Er fühlte sich nicht so ungerecht behandelt, dass Mimoun oder Xaira ihn schützen müssten. Und wenn, dann sollten sie nicht gegeneinander sondern miteinander streiten. Ohne sein Zutun griff er nach Mimouns Hand und lächelte. „Danke, dass du dich sorgst.“ „Nicht schon wieder das.“, seufzte Xaira entnervt und schlug die Hand vor die Augen. Ihr ging dieses ziellose Geflirte der beiden gehörig auf den Geist. Die seltsam geladene Atmosphäre war gegangen, Mimouns Haltung nicht mehr so wütend, dass man befürchten müsste, dass er sie angriff, damit trauten sich einige der Halblinge näher heran. Jii schlug ihm auf die Schulter und begrüßte ihn, entschuldigte sich darüber hinaus noch einmal für seine unpassenden Worte, die er in geistiger Umnachtung gesprochen hatte, Thenra berührte Mimoun freundlich am Ellbogen und Keithlyn blieb in einiger Entfernung stehen und lächelte, bis er ihr seine gesamte Aufmerksamkeit schenkte. Ihre Wangen färbten sich rot, als sie die Flügel entfaltete und sie leicht bewegte. Ihre Arme gestreckt, drehte sie sich einmal im Kreis, strich sich dann ein paar der weißen Haare aus dem Gesicht, um ihm ihre Ohren zu zeigen. Es war das erste Mal seit der Katastrophe, dass sie aus sich herausging. Ein paar wirklich sehr leichte Kopfnüsse wurden verteilt, um zu zeigen, dass das Thema noch lange nicht gegessen war. Anschließend nahm sich Mimoun die Zeit Keithlyn genau zu betrachten. Sie hatte nun richtige Flügel, groß genug, das zierliche Mädchen zu tragen. Mit wenigen schnellen Schritten war er bei ihr und prüfte Beschaffenheit von Haut und Knochen. Dass sie so aussahen, als würden sie das Mädchen tragen, hieß noch lange nicht, dass es auch der Wahrheit entsprach. „Zeig mir, was du bereits kannst.“, verlangte er lächelnd und zupfte an ihrem Ohr. Dieses Kind sah nun wirklich wie eine Geflügelte aus. Nichts erinnerte mehr an ihr Halblingsdasein. Das weißhaarige Mädchen wurde rot. „Gar nichts.“, gab sie zu. Unsicher erwiderte sie seinen Blick. „Du hattest doch gesagt, keine Flugversuche ohne dich. War das falsch? Hätte ich es üben dürfen?“ „Ich hatte gesagt, lass die Finger vom Gleiter.“, zuckte Mimoun beiläufig mit den Schultern. „Das hast du ja getan. Aber ich bin richtig stolz auf dich, dass du dennoch auf mich gewartet hast.“ Anerkennend streichelte er ihr über die weißen Haare. Dann klatschte Mimoun fordernd in die Hände. „Flattere mal ein wenig. Ich will mal sehen, inwieweit Dhaôma deine Muskeln ausgebildet hat.“ Sie wurde noch ein wenig röter, diesmal vor Aufregung, als sie die Flügel zaghaft bewegte. Vorsichtig steigerte sie die Kraft und spürte, wie der Wind sich in der zarten Haut fing, wie sie sich dehnte und Gewicht auf die Speichen legte. Ein kräftiger Stoß und sie schwebte in der Luft, bevor sie vor Schreck aufhörte und wieder auf den Füßen landete. Von sich selbst beeindruckt, dass es so gut funktionierte, bewegte sie die Flügel. „Es geht.“, wisperte sie und eine Träne der Erleichterung rollte über ihre Wange. Im nächsten Moment war sie aufgekratzt wie immer. „Mimoun, es geht! Hast du das gesehen?“ „Natürlich habe ich das gesehen.“, freute sich der Geflügelte, der sich völlig auf das Mädchen konzentrierte. „Aber du willst dich doch damit nicht zufrieden geben, oder? Also los.“ Damit schwang er sich in die Lüfte und erwartete das Mädchen nur wenige Meter über dem Boden. Ein wenig entfernt beobachtete Dhaôma das und freute sich wahnsinnig. Bis jetzt hatte er den Eindruck gehabt, dass sie es bereute, aber nun… „Es ist schön, sie so zu sehen, nicht wahr?“ Korkkan war neben ihn getreten. „Ich hatte mir Sorgen gemacht, aber ihr scheint es gut zu gehen.“ Sprachlos sah Dhaôma zu ihm und lächelte erneut. Es freute ihn, dass er nicht der einzige war. In ihm kribbelte etwas, das sich anfühlte, wie als wolle etwas Freiheit genießen, die ihm verwehrt gewesen war. Am liebsten wollte er hüpfen und springen und fliegen und lachen. Xaira trat zu ihnen hin und sie grinste. „Die erste hat den wichtigen Schritt geschafft.“, sagte sie stolz. „Sieh sie dir genau an. Das ist dein Werk.“ Wieder kribbelte es. Diesmal in den Fingerspitzen. „Aber jetzt bist du dran. Jetzt mach du den einen Schritt, okay?“ Sein Herz setzte einen Moment aus, dann nickte er. In ihm lief Energie über. Energie, die der Freude entsprang, dass sich alles zu lösen begann. „Du hast Recht. Ich darf nicht länger zaghaft sein.“ „Das will ich hören. Also los.“ Und sie schob ihn sanft in Mimouns Richtung. Zu ihrer Überraschung drehte sich Dhaôma direkt wieder um und ergriff ihre Hände. „Xaira, begleitest du uns zu den Hanebito und den Magiern? Ich bin sicher, Lulanivilay kann dich locker tragen! Und wenn du und vielleicht noch ein paar andere mitkommen, dann fällt es uns leichter, eure Geschichte zu verbreiten. Wir werden viel schneller Resultate erzielen und…“ Xaira war sprachlos. Sie hatte gewollt, dass er Mimoun endlich sagte, was er empfand, wie kam er jetzt auf so einen Humbug? „Was zum… Dhaôma!“, fuhr sie auf. „Das war nicht das, was ich meinte! Du solltest Mimoun endlich sagen, dass…“ „Er weiß es doch schon.“ Sein Lachen schnitt klar und hell durch die Luft und nahm ihr ihre Stimme. Wann hatte er das letzte Mal so gelacht. „Wir haben gestern darüber gesprochen und er hat zugestimmt, dass wir euch fragen. Und ich hätte eben gerne dich dabei.“ ‚Dich.’ Er wollte sie dabei haben. Xairas schwarzbraune Augen wurden feucht, obwohl sie wusste, dass er das nicht so meinte, wie sie es sich erhoffte. Im Grunde machte er gerade alles falsch, was man falsch machen konnte, aber dennoch… „Wann wollt ihr denn los?“, fragte sie und ihre Kehle war eng wie ein Strohhalm. „Sobald wie möglich. Vielleicht in fünf Tagen, vielleicht in zehn.“ Um sie herum wurde es laut, als einige applaudierten. Keithlyn war Mimoun gefolgt und landete kurz darauf in seinen Armen. Sie strahlte, als sie versuchte, sich abzustoßen, um noch ein wenig höher zu kommen. Sie war fürchterlich ungeschickt, aber man konnte sehen, dass ihre Flügel sie problemlos trugen, wenn sie nur ein wenig Übung bekam. „Korkkan! Korkkan! Schau, ich kann fliegen!“ Der Mann lachte und winkte zurück und wieder brach Beifall aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)