Der Weg aus dem Kampf von Shirokko (Wenn Träume Berge versetzen) ================================================================================ Kapitel 37: Damenbesuch ----------------------- Kapitel 37 Damenbesuch „Si… Silia.“, murmelte er verwirrt, als er die Stimme erkannte, die seinen Namen rief. Mimoun hob die Hände, um seine kleine Schwester zu umarmen, doch auch dieses Mal ließ sie ihm keine Zeit zur Reaktion. Sie setzte sich auf, saß nun auf seinem Bauch, und trommelte mit ihren Fäusten auf seiner Brust herum. „Du verdammter Idiot. Nur Ärger hat man deinetwegen. Ist dir eigentlich bewusst, was du angerichtet hast?“ „Silia!“, wurde das Mädchen scharf von ihrer Mutter zurechtgewiesen. „Vergiss nicht, wo du dich hier befindest.“ Missgelaunt zog Silia ihre Nase kraus, bevor sie sich erhob und ihrem Bruder schwungvoll wieder auf die Beine half. Zum Abschluss verpasste sie ihm dennoch einen weiteren Hieb gegen die Schulter. Verständnislos starrte Mimoun erst seine Schwester, dann seine Mutter an. „Wie kommt ihr hierher?“, wollte er wissen. „Ich meine… nicht, dass ich mich nicht freuen würde, euch zu sehen, aber was tut ihr hier? Warum seid ihr hier?“ Cerel war inzwischen zu ihrem Sohn getreten und zog ihn in eine Umarmung, in die er sich genießend hineinlehnte. „Brauche ich denn einen Grund, um meine geliebten Kinder sehen zu wollen?“ Ein Räuspern ließ Mimoun aufsehen. Karo stand mit einer dampfenden Schüssel neben ihnen. Hastig löste er sich von seiner Mutter. „Meine Mutter Cerel und meine Schwester Silia.“, stellte er die beiden neu angekommenen Frauen vor. „Und das ist Karo. Schwester Asams und Enkelin Addars.“ „Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen.“, grüßte Karo und lächelte. „Sieht so aus, als müssten wir für zwei weitere Gäste decken.“ „Das ist nicht nötig.“, wehrte Cerel hastig ab. „Weder wollten wir Umstände machen, noch wollten wir lange bleiben. Wir wollten…“ „…mitessen.“, warf Karo ein und deutete auf die Hütte ihres Großvaters. „Kommt. Ihr seid herzlich eingeladen.“ Lachend ergriff Mimoun seine Mutter an der Hand und zog sie zu der Hütte. Silia setzte sich ebenfalls nur widerwillig in Bewegung. Das lag aber daran, dass sie gleich wieder diesem Magier begegnen musste. Karo trat vor ihnen durch die Lederplane. „Wir haben zwei weitere Gäste.“, kündigte sie innen an. Dhaôma beschäftigte sich unterdessen damit, Fiamma zu füttern. Und damit nicht so viel auf seinen Umhang tropfte, hatte er diesen und sein Hemd einfach ausgezogen. Es sorgte für allgemeine Erheiterung, denn das Baby war viel eher daran gelegen, an seinen Haaren zu nuckeln, als die Suppe wirklich zu essen. Jedes Mal, wenn sie den Löffel kommen sah, griff sie danach, hielt er sie davon ab, schwappte die Suppe über. Und er wurde immer verzweifelter, weil es bei Leoni und Seren viel besser klappte. Als die Ankündigung kam, sah er auf. Und wurde prompt daran erinnert, dass es nicht gut war, Babys aus den Augen zu lassen, denn Fiammas Hand traf den Löffel und dieser hüpfte ihm aus der Hand gegen seine Wange. „Nein…“, jammerte er, denn jetzt hatte er Suppe in den Haaren und das bedeutete schwimmen gehen. „Das ist doch nicht wahr!“ Gleich mehrfaches Lachen erklang. Mimoun, Cerel und der Hauptteil der Versammelten lachten aus Spaß an der Situation, Silia aus purer Schadenfreude. „Meine Mutter Cerel und meine Schwester Silia.“, stellte Mimoun unter heiterem Glucksen erneut die beiden Ankömmlinge vor. Dann trat er zu Dhaôma und ließ sich vor ihm auf ein Knie sinken. „Du hast da was.“, grinste er und fuhr mit einem Finger an der Wange seines Freundes entlang, um die aufgefangene Flüssigkeit anschließend abzulecken. „Lecker.“ Silias Lachen erstarb schlagartig und ihr Blick wurde finster, erst ein Knuff von ihrer Mutter rief ihr wieder ihre Umgebung ins Gedächtnis. „Cerel!“, rief Dhaôma erfreut und wäre fast aufgesprungen, wenn Mimoun ihn nicht so überrascht hätte, indem er sich so plötzlich neben ihn hockte. „Was machst du denn? Warn mich doch wenigstens vor.“, beschwerte er sich, aber die Freude vertrieb das nicht. Seine Augen leuchteten. „Jetzt können wir ihr Fiamma selbst vorstellen!“ Und nach einem Blick auf die Kleine seufzte er. Sie war voller Suppe. „Auch wenn es Zeitpunkte gibt, an denen sie einen besseren Eindruck machen würde…“ Cerel lachte noch immer, wenn auch nun nur noch verhalten. Sie trat tiefer in den Raum und strich ihm zur Begrüßung kurz über den Kopf, bevor sie sich den Bewohnern der Hütte zuwandte. „Verzeiht bitte unser unangemeldetes Erscheinen. Es war nicht unsere Absicht, Euch diese Umstände zu machen.“ Sie verneigte sich leicht. „Und ich danke Euch für Eure freundliche Einladung.“ „Es ist eine Weile her. Ich freue mich, Euch wieder zu sehen.“, bemerkte Addar mit einem gütigen Lächeln und bat die beiden Frauen mit einer Handbewegung, an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Das Essen war bereits hergerichtet und zwei weitere Gedecke waren schnell organisiert worden. Kurz wurden diejenigen einander vorgestellt, die sich noch nicht begegnet waren, bevor Addar zum Essen mahnte. Für Gespräche war danach noch genügend Zeit. Vor Ungeduld beinahe platzend fuhr Dhaôma also fort, die kleine Magierin zu füttern, während er abwechselnd selbst immer wieder Suppe aß. Addar amüsierte sich über dieses Verhalten köstlich. Er hatte Dhaôma als einen besonnenen, ruhigen, jungen Mann kennen gelernt und dass er jetzt so hibbelig war, fand er lustig. Und Mimoun, der Tod und Verderben nicht fürchtete, wenn er unterwegs war, war jetzt und hier wieder ein kleiner Junge, der seine Mutter über alles anhimmelte. Kinder. Sie würden sich niemals ändern. „Hattet ihr eine gute Reise?“, wollte Asam wissen. „Oh, ich bin wirklich glücklich, dass ihr gekommen seid, denn ihr kennt Seren ja noch gar nicht. Und meine zweite Tochter, Fiamma, habt ihr auch noch nicht kennen gelernt!“ Er strahlte sie an und war kurz davor, die kleine Hanebito aus den Armen ihrer Mutter zu nehmen, doch diese schickte ihm einen vernichtenden Blick, denn sie war dabei, sie an Essen zu gewöhnen. Da sollte er nicht stören. „Es war zwar ein langer Weg, doch unsere Reise verlief angenehm und ohne Schwierigkeiten.“, erwiderte Cerel auf die Frage. Dafür, dass dieser junge Mann vor ihr einmal den Rat führen würde, hatte seine Gefährtin ihn aber gut im Griff. Sie warf einen kurzen Blick auf die Babys und lächelte. „Ja. Ihr habt zwei wirklich süße Mädchen.“ Mimouns Mutter beobachtete Dhaôma dabei, wie er das Kind versuchte zu füttern. Und ihr fiel auf, was ihr vorher nur am Rande bewusst gewesen war. Dieses Kind besaß keine Flügel. Die Erkenntnis stand ihr wohl ins Gesicht geschrieben, denn Mimoun begann zu lachen. „Das habe ich in dem Brief geschrieben. Du bist nun Großmutter… oder so ähnlich.“ „Was?“, platzte Silia dazwischen. Ihre Gesichtszüge waren komplett entgleist und sie bedachte das kleine Geschöpf mit einem abfälligen Blick. „Davon?“ „Hey, du!“, fauchte da Amar los, der bisher still die neuen Gäste betrachtet hatte. Sein Nackenhaar sah aus, als würde es sich sträuben, und er hatte sich halb erhoben. „Beleidige meine Cousine nicht!“ Leoni wollte ihn beruhigen, da mischte sich schon Asam ein. Nie zuvor hatte Dhaôma diesen Mann mit einem so wütenden Blick gesehen, aber jetzt schüchterte er ihn ein und das, obwohl es nicht ihm galt. „Dieses Kind…“, betonte er jede Silbe überdeutlich, während seine Augen Silias Blick wie kaltes Eis durchbohrten, „…ist meine Tochter. Sie wurde rechtmäßig von mir und meiner Frau adoptiert, da ihre wahren Eltern noch nicht dafür bereit waren, sie zu versorgen. Sie hat von Mimoun einen Namen erhalten und kein Geflügelter sollte es wagen, daran Anstoß zu nehmen!“ Silia presste die Lippen zusammen und saß stocksteif da. Dieser eben noch so freundliche Mann machte ihr nun Angst. Das würde sie natürlich nicht zeigen und so wurde ihr Gesichtsausdruck der eines bockigen Kindes. Mimoun hatte diesem Ding einen Namen gegeben. Das hieß, er war der Vater, nicht wahr? Sie sah ihren Bruder an und auch dieser erwiderte ihren Blick kalt. „Wage es nie wieder, ein böses Wort über meinen Winzling fallen zu lassen.“ Auch aus seiner Stimme war alle Freundlichkeit ihr gegenüber verschwunden. „Ich lasse dir eine Menge durchgehen, viel zu viel, meiner Meinung nach, aber alles hat seine Grenzen.“ „Wer bist du?“, fragte sie verstört. Dieser Mann konnte unmöglich ihr Bruder sein. Das war er nicht. So etwas würde er nie zu ihr sagen! „Solltest du nicht eher etwas anderes sagen?“, fragte Cerel sanft. Hier unter fremdem Dach einen Streit anzufangen, konnte nicht gut enden. Doch ihre Tochter wandte nur verstockt das Gesicht ab. „Verzeiht bitte das ungebührliche Verhalten meiner Tochter.“, bat sie deshalb selbst mit einem leisen, gequälten Seufzen. „Es wird nicht noch einmal vorkommen.“ Asams Augen wandten sich kaum von dem schwarzhaarigen Mädchen ab. „Das wäre definitiv besser.“, sagte er dunkel und wirkte so hochmütig, dass seine Frau ihn zu sich heranzog. Leoni lächelte ihn liebevoll an. Dass ihr Mann die Kleine so vehement verteidigte, gefiel ihr. Das gleiche tat Dhaôma mit Amar, der sich nicht beruhigen wollte, bis der Braunhaarige ihn mit einem weichen Lächeln und einem sanften Kopfschütteln bedachte. Knurrig setzte der Junge sich wieder und stopfte Fleisch in seinen Mund, um weitere Verwünschungen zu unterbinden. In der Luft blieb dennoch diese unschöne Atmosphäre von bevorstehendem Gewitter haften. Es war wie eine Wand, die zwischen Silia und allen anderen stand. Letztlich sah sich Addar gezwungen, etwas Schlichtendes einzuwenden. „Esst lieber. Reden können wir später noch genug.“, wiederholte er und schob sich einen weiteren Löffel Suppe zwischen die Lippen. „Mit vollem Bauch sind die Gemüter träger und nicht so aufbrausend.“ Aber zumindest Dhaôma war das Lachen vergangen. In seinem Magen lag ein Stein aus einem Gefühl, das er nicht wirklich zulassen wollte. In diesem Dorf war Fiamma akzeptiert worden, wenn auch unter Vorbehalt. Jeder hatte sie einmal angesehen und die meisten hatten sie sogar mit ein paar freundlichen oder beschreibenden Worten bedacht, zwei Hanebito hatten sie sogar trotz aller widrigen Umstände adoptiert, aber Mimouns Schwester hielt noch immer an ihrem Hass gegen Magier fest, obwohl ihr Bruder inzwischen zwei zu Freunden hatte und damit bewies, dass sie nicht so böse waren, wie alle dachten. Warum musste sie ihnen das Leben so schwer machen? Um sich nichts anmerken zu lassen, beschäftigte er sich wieder mit der kleinen Magierin, die nicht mehr mit dem Löffel spielte, sondern aussah, als wolle sie gleich weinen. Wahrscheinlich spürte sie die dicke Luft. Und wahrscheinlich war das seine Schuld. Also konzentrierte er sich ganz auf sie, verbannte all seine negativen Gefühle in den Hintergrund, während er die Schüssel nun selbst leerte. Seine Finger streichelten ihren Bauch, was ihr deutlich gefiel. Als sie auf seinen Fingern zu kauen begann, ließ er sie, denn das machte sie immer glücklich. Eine Frage von Cerel ließ ihn dann wieder aufhorchen: „Wie kann ich Großmutter von Asams Kind sein?“ Sie lächelte verschmitzt. Offenbar wollte auch sie die gedrückte Atmosphäre lockern. Mimoun bedachte die Kleine in Dhaômas Armen mit einem zärtlichen Blick. „Oder so ähnlich, hab ich das eingeschränkt. Ich… wir haben sie gefunden, als sie völlig allein war. Leoni war die Einzige, die die Kleine retten konnte. Wir können sie weder mitnehmen, noch wüssten wir, wie sie zu versorgen und zu erziehen ist, aber dennoch ist sie irgendwie meine Kleine.“, versuchte der junge Geflügelte zu erklären. „Darum bin ich Großmutter - oder so ähnlich.“, wiederholte sie verstehend. „Darf ich sie dann auch mal halten?“ Prompt wurde Dhaôma rot vor Freude. Er entzog der Kleinen die Finger, was sie zum Quengeln brachte. „Nicht doch.“, sagte er leise und stupste ihr gegen die Wange. „Cerel ist nett, also keine Sorge.“ Dann stand er auf und brachte sie zu ihr, Silia konsequent ignorierend. „Es ist lange her, dass ich so etwas Kleines im Arm hatte.“, lächelte sie das Baby an. Sanft wiegte sie Fiamma auf dem Arm und bot ihre eigenen Finger zum Kauen an, die skeptisch gemustert wurden. „Entschuldigt mich bitte.“ So fest, wie Silia ihre Lippen zusammenpresste, war es ein Wunder, dass überhaupt Worte darüber kamen. Sie erhob sich nach einigen Augenblicken schweigenden Abwartens und als keine Einwände kamen, verließ sie beinahe fluchtartig die Hütte. Mimoun sah ihr schweigend nach und stieß ein trauriges Seufzen aus. „Ich kann verstehen, warum sie gerade so aufgebracht ist.“, begann Cerel leise, die Augen noch immer fest auf das Kind gerichtet. „In letzter Zeit kommen immer häufiger Anträge. Sie glaubt, dass es deinetwegen ist, dass man dich zur Familie zählen will, und nicht um ihretwillen.“ „Das gibt ihr nicht das Recht auf ein wehrloses Kind…“ „Ich weiß.“, unterbrach Cerel ihren Sohn sanft. „Und ich denke, das weiß sie auch. Sie weiß nur nicht, wie mit der Situation umgehen.“ „Ich kann ihr nicht immer helfen. Sie muss endlich erwachsen werden.“ „Du bist ihr großer Bruder. Solltest du sie nicht dabei unterstützen, Ratschläge und Hinweise geben?“ „Wenn sie mal darauf hören würde“, murrte Mimoun und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Ihm war klar, was seine Mutter von ihm wollte. Und schließlich fügte er sich mit einem abgrundtiefen Seufzen. An Essen war nun sowieso nicht mehr zu denken. Cerel wandte sich mit einem Lächeln an Amar. „Du wirst immer gut auf die Kleinen Acht geben, nicht wahr?“ Eigentlich war es nicht Mimouns Aufgabe, seiner Schwester Ratschläge zum Erwachsenwerden zu geben. Das sollte sie selbst schaffen, zumal sie einen anderen Lebensweg einschlagen würde als Frau. Doch keiner mischte sich in diese Erziehungsmaßnahme ein. Und Amar war es auch eigentlich egal, was mit dieser doofen Frau passierte, also kümmerte er sich lieber um die nette. Stolz nickte er. „Ich lerne, wie man ein Baby versorgt! Weil, Mimoun und Dhaôma können das auch. Und sie ist schutzlos, wenn keiner ihr hilft. Und empfindlich.“ Und dann wurde er plötzlich rot und murmelte noch etwas in seinen Bart, was beim besten Willen keiner verstehen konnte. Cerel lachte. Das war sehr überzeugend. Und an Mimoun gewandt, meinte sie hoch amüsiert, dass er wohl Magier sammeln würde. „Ich glaube nicht, dass er das absichtlich macht.“, mischte sich Dhaôma spaßend ein. Jetzt, da Silia weg war, fühlte er sich schon nicht mehr so beklommen. „Das ist eher so, als zöge er sie an wie die Motten.“ „Ja.“, maulte Mimoun. Er war am Eingang stehen geblieben. Ihm war nicht nach lachen. Zu sehr belasteten ihn die Spannungen zwischen seinem Freund und seiner Schwester. „Genauso wie den dazu gehörigen Ärger.“ Nach einem tiefen Durchatmen trat der junge Geflügelte nach draußen. Es dauerte lange, bis er seine Schwester fand. Sie hatte sich bis zum entferntesten Punkt der Insel zurückgezogen. Und das Mädchen reagierte nicht auf seine Anwesenheit. Die Offensichtlichkeit, mit der sie versuchte, ihn zu ignorieren, war fast schon wieder amüsant. Selbst als er sich neben Silia an den Rand setzte und die Landschaft unter ihnen betrachtete, schwieg sie. „Wollen wir die Diskussion von vorne beginnen? Mal wieder?“, brach er schließlich das Schweigen, als es ihm zu dumm wurde. „Ich hab mich nicht mal mit dem Ersten abgefunden, da schleppst du schon den Nächsten an.“, fuhr sie ihn an, nur um dann wieder mit bockigem Gesicht in die andere Richtung zu schauen. „Und wahrscheinlich wirst du mir irgendwann an die Kehle gehen, weil ich dir jetzt schon sagen kann, dass es nicht bei den beiden bleiben wird.“, prophezeite er. „Schließlich planen wir, Frieden zu bringen.“ Mimoun griff nach dem Kinn seiner Schwester und zwang sie ihn anzusehen. „Findest du es falsch? Ich meine, dass ich mir Frieden wünsche?“ Sie schlug seine Hand beiseite und ließ sich vom Rand rutschen. Mimoun rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. Warum musste dieses Kind auch so verzogen sein? Er stieß sich ab und folgte ihr. Man spürte, dass sie sich alle Mühe gab, ihm zu entkommen, doch es fiel ihm leicht, sie einzuholen. Er besaß das bessere Training. Der junge Geflügelte ergriff sie am Bein und drängte das Mädchen auf die Ebenen hinab. Ohne ihr eine Chance zur Gegenwehr zu lassen, zwang er sie auf den Boden und verhinderte mit seinem ganzen Körpergewicht, dass sie ihm erneut entkommen konnte. „So. Und nun rede.“, verlangte er ungehalten. Silia wand sich unter ihm und fing schließlich an zu weinen, als ihr die Sinnlosigkeiten ihrer Bemühungen bewusst wurden. Er ließ ihr erst einmal die Zeit, sich wieder zu fassen. „Also?“, forderte er erneut, als sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Doch sie schwieg eisern. Seufzend löste er sich von ihr und setzte sich neben sie. Das Mädchen drehte sich so, dass sie ihm nun den Rücken zuwandte. „Soll das ewig so weitergehen? Willst du jeden tyrannisieren, der mir wichtig ist?“ Er redete gegen eine Wand. Das konnte nicht wahr sein! Sie war doch sonst nicht so auf den Mund gefallen. Warum konnte sie also jetzt nicht einfach sagen, was sie quälte? „Mutter hat erwähnt, dass du momentan viele Verehrer hast.“, versuchte er das verstockte Mädchen aus der Reserve zu locken. Wütend sprang sie auf und funkelte ihn an. „Als wenn diese Idioten meinetwegen kommen würden!“, fauchte Silia ungehalten. „Hast du ihnen jemals die Chance gegeben, dich kennen zu lernen und ihre Motivation zu ändern?“, fragte ihr Bruder dreist nach. Ungerührt war er nach diesem Ausbruch sitzen geblieben. „Lass mich raten. Du hast einmal gefaucht und schon sind sie alle verschwunden. Kein Wunder, dass sich niemand für dich interessiert, wenn du so giftig zu allen bist.“ „Was würdest du denn tun?“, verlangte sie zu erfahren. Kurz zuckte er mit den Schultern. „Kennen lernen, wäre keine schlechte Idee. Vielleicht ist ja jemand Vernünftiges dabei.“ Nach einigen Schritten, die sie schweigend vor ihm im Gras auf und ab gelaufen war, ließ sie sich neben ihn fallen. „Es ist nicht so einfach.“ „Es ist nie einfach, neue Leute kennen zu lernen. Aber es lohnt sich. Man lernt viel dabei.“ „Redest du schon wieder von diesem Magier?“ Silia warf ihre Hände in die Luft. „Hör auf, mir zu sagen, dass ich mich mit ihm anfreunden soll.“ „Das habe ich gar nicht.“ Sanft schüttelte der junge Geflügelte den Kopf. „Ich spreche von meiner Reise im Allgemeinen. Ich bin durch so viele Dörfer gekommen, hab so viele unterschiedliche Personen kennen gelernt. Mit manchen konnte ich gut umgehen, mit anderen weniger. Mit denen konnte ich mich meistens aber irgendwie einigen. Was es für mich schwierig macht, ist die Tatsache, dass ich mit Dhaôma unterwegs bin. Alle sind auf ihn neugierig und sind deshalb häufig überfreundlich. Aber auch das ist eine Eigenschaft, die sich nach einigen Tagen des Besuchs meist legt. Dann erst kann man sehen, ob sich Freundschaft daraus entwickeln kann. Niemand kann auf den ersten Blick sagen, Ja, mit dem komm ich gut zurecht. Und manchmal werden diejenigen, denen du zu Anfang die größten Abneigungen entgegen bringst, zu deinen besten und verlässlichsten Freunden.“ Ein scheeler Seitenblick seiner Schwester ließ ihn lachen. „Ja. Jetzt rede ich von Dhaôma.“ Er strich ihr über den Kopf, griff eine Haarsträhne und begann diese zu zwirbeln. „Vielleicht solltest du deinen Verehrern eine Chance lassen. Wer weiß. Vielleicht…“ Weiter kam er nicht. Mit erschrockenen Augen sah er auf den Pfeil, der mit zitterndem Ende knapp neben ihnen im Boden stecken blieb, während das Mädchen kurz aufschrie und zurückzuckte. Ruckartig erhob er sich in die Hocke und spähte in alle Himmelsrichtungen und auch nach oben, um den Schützen auszumachen. Neben ihm keuchte Silia erneut erschrocken auf. „Achtung!“, rief sie und stieß ihn an der Schulter zur Seite. Erneut flog ein Pfeil, diesmal zwischen ihnen hindurch, und traf eine große, extrem ausgemergelte gelblichbraune Katze. Diese brüllte vor Schmerz, Wut und Hunger auf, doch den Schwung ihres Angriffs bremste das nicht. Silia, halb erhoben, um zu flüchten, wurde von ihr zu Boden gerissen. Knurrend wirbelte Mimoun herum und bohrte seine Krallen tief in den Leib des Raubtieres. Kurz darauf wurde ein weiterer Pfeil in die Brust des Tieres gesetzt. Er drang aber nicht tief genug ein. Dennoch genügte es, um dem Angreifer, die Sinnlosigkeit seines Handels klar zu machen. Unter Fauchen wandte er sich zur Flucht. Mimoun ließ das Raubtier flüchten. Er wandte sich seiner Schwester zu. Diese lag zitternd im Gras, die Arme blutig. „Silia.“ Sanft packte er sie an der Schulter und zog sie in eine sitzende Position. „Alles okay?“, wollte er wissen, während er begann, ihre Arme abzutasten. Der rechte war unversehrte. Silia musste ebenfalls zugekrallt haben und war mit dem Blut der Raubkatze besprenkelt. In den linken musste sich das Tier verbissen haben, denn er wies tiefe Löcher auf. „Entschuldigt.“ Mimoun sah auf und dem Sprecher entgegen, der sich heruntergebeugt hatte und den fehl gesetzten Pfeil aus dem Boden zog. Er erkannte ihn als ein Mitglied von Addars Dorf. „Verzeiht bitte, dass ich Euch gefolgt bin. Ihr seid ohne Bewaffnung auf die Ebenen hinunter. Und Ihr saht nicht aus, als könne man Euch allein lassen. Wir können nicht zulassen, dass unseren Gästen etwas zustößt.“ „Danke.“, unterbrach Mimoun den aufkommenden Redefluss. Sein Gegenüber schüttelte heftig den Kopf. „Ich hätte früher eingreifen, früher reagieren müssen.“ Der junge Mann mit den halblangen hellbraunen Haaren und den tiefen grünen Augen, ließ sich ebenfalls neben Silia ins Gras sinken, den Bogen neben sich gelegt. „Entschuldige.“, wandte er sich noch einmal direkt an sie. Vorsichtig ergriff er ihren verletzten Arm. „Zum Glück ist Dhaôma…“ Ruckartig wurde der Arm zurückgezogen. „Unsere Verletzungen sind früher auch verheilt, ohne das dieser Magier nachgeholfen hat.“, fauchte sie. Mimoun wollte sie zurechtweisen, doch der andere kam ihm zuvor. Er lächelte einfach nur. „Du hast Recht. Das war dumm von mir. Dennoch muss die Wunde versorgt werden, also kommt. Kehren wir zurück.“ Er griff nach ihrer unverletzten Hand und zog das plötzlich sprachlose Mädchen mit sich. Mimoun war zu überrascht von der Reaktion seiner Schwester. Wie hatte dieser Kerl sie so schnell ruhig gekriegt? Als er schließlich folgte, holte er schnell wieder auf. Jayan, wie sich der Mann zwischenzeitlich vorgestellt hatte, führte Silia zum See, damit sie die Kleider und sich von Blut befreien konnte, und ging selbst, um Eloyn zu verständigen. Diese versorgte die Wunde mit ruhigen, schnellen Fingern und gab Silia Anweisungen, wie damit weiter zu verfahren war. Da es sich nicht lohnte, sich heute auf den Heimweg zu machen, befahl sie dem Mädchen, am nächsten Morgen noch einmal bei ihr vorbei zu sehen. Mimoun blieb die ganze Zeit an der Seite seiner Schwester und führte sie anschließend in die Hütte zurück. Die ganze Zeit über hatte sie kaum ein Wort gesagt und auch jetzt blieb sie still. Als Mimoun gegangen war, herrschte Stille, die nicht lange hielt, denn Dhaômas Neugier und Freude über Cerels Auftauchen war allumfassend. „Woher wusstest du, dass wir hier sind? Und warum bist du überhaupt hier?“ „Die Kunde, dass du Addar Maral geheilt hast, hat sich schnell verbreitet.“, zuckte sie leichthin mit den Schultern. „Und da es nicht so aussah, als würdet ihr in absehbarer Zeit zu uns kommen, kamen wir eben euch besuchen.“ In dem Braunhaarigen stieg ein Gefühl auf, das reinem Glück am nächsten kam, von ihm aber weder in Worte gefasst werden konnte, noch verstanden wurde. Seine Wangen färbten sich rot und als Amar das sah, leuchteten seine Augen. „Dhaôma ist ja verlegen.“, freute er sich und warf sich auf den Magier. Aber bevor er einen Kampf starten konnte, zog ihn seine Mutter wieder von Dhaôma herunter. „Gib wenigstens heute Ruhe. Addar, Asam und Janna sind müde von der Reise und unser Gast ebenfalls.“ „Aber…“ „Er läuft dir nicht weg.“ Zumindest konnte sie sich das nicht vorstellen. Immerhin war jetzt Mimouns Mutter da, da hielt ihn sicher noch ein wenig mehr hier. „Wie wäre es, wenn du stattdessen ein wenig Wasser holen würdest?“ Begeistert sah er nicht aus, deswegen erhob sich Dhaôma. „Der Gedanke ist nicht schlecht, dann kann ich mir gleich die Haare waschen. Los, Amar.“ „Jawohl!“, rief dieser, plötzlich Feuer und Flamme parat bei Fuß stehend. Cerel lachte. „Das ändert sich wohl nie. So wie Mimoun Magier anzieht, ziehst du Kinder an.“ „Wie das Feuer die Motten.“, bestätigte er. „Wir sind gleich zurück, Cerel.“ „Geht nur. Asam, zeigt mir doch bitte auch Euer zweites Kind.“ Sie war neugierig auf die Kleine, die mit Hilfe Dhaômas das Licht der Welt erblickt hatte. „Und mich würde auch interessieren, wie Ihr es geschafft habt, ein Magierbaby zu adoptieren. Es gab doch sicher genügend Stimmen dagegen.“ Das würde Dhaôma auch brennend interessieren, aber wenn er die Antwort hören wollte, musste er sich beeilen. „Los, Amar, Wettrennen!“ Und schon lief er los, der Kleine hinterher und hintendrein Yaji und Juri. Jeder hatte sich einen Wasserschlauch gegriffen. „Er ist immer noch wie vor einem Jahr. Wenn es um ihn geht, spielt selbst das ungezogenste Kind mit.“, sinnierte Cerel, während sie ihnen hinterher sah. Als sie sich wieder den anderen zuwandte, erschrak sie beinahe, denn sie sah sich Asam entgegen, der ihr voller Stolz Seren hinhielt. „Ist sie nicht zuckersüß?“, fragte er mit glänzenden Augen und roten Wangen. „Und wie gut die beiden zusammenpassen. Sie sind beide blond und haben wunderschöne Gesichtchen und winzige Fingerchen.“ Etwas überfahren musste Cerel ein Lachen unterdrücken. Oja, das hatte Dhaôma beschrieben. So ein überlobender Vater! Aber er war ja schon ganz süß mit diesem anhimmelnden Blick. Das letzte Mal hatte sie so einen Blick gesehen, als ihr Mann Silia im Arm gehalten hatte. „Schaut Euch an, wie die Linie ihrer Nase in die Wangen übergeht! Sie wird einmal eine Schönheit!“ Und weil er schon einmal dabei war, fuhr er einfach gleich fort. „Seren wird einmal eine klassische Schönheit, so wie ihre Mutter. Ihre Augen machen jetzt schon den Sternen Konkurrenz und wenn sie erst einmal erwachsen ist, dann wird ihr die Männerwelt zu Füßen liegen. Und Fiammas Gesicht zeigt jetzt schon, dass sie einmal große Macht haben wird. Ihre Nase und die selten schmalen Wangenknochen verhelfen ihr mit Sicherheit zu einer ganz außergewöhnlichen, exotischen Schönheit. Und ich bin sicher, dass sie, wenn sie ihre Macht erst einmal beherrschen lernt, noch umso reizvoller werden wird!“ „Ihre Macht?“ „Sie wird einmal das Feuer bändigen, so wie es Dhaôma mit den Pflanzen macht.“ Er schwellte stolz die Brust. „Das bedeutet, sie kann Feuer machen und die Luft und das Wasser erwärmen, sie wird einmal ein charismatisches Kind, dem selbst Magier gerne zuhören werden!“ Wie kam es nur, dass er von vorhersehbaren Dingen immerzu zu solchen prophetischen Ideen sprang? Aber Feuer? „Ist das nicht gefährlich?“ „Nicht im geringsten!“, sprach Asam voller Überzeugung. „Sie wird von uns erzogen, also wird ihre Macht nicht zum Kämpfen oder Verletzen missbraucht!“ Fast klang er wütend, aber wieder war es nicht belegt. Leoni lächelte und gab nun an seiner statt kund, was Dhaôma ihr diesbezüglich erzählt hatte, nämlich, dass es darauf ankam, in welche Situationen sie geriet und dass sie früh begriff, was ihre Magie bedeutete. Sie stellte es so hin, als wäre das alles nicht so schlimm, so lange man auf sie Acht gab, aber das war bei ihren eigenen Kindern auch nicht anders. Beruhigt nickte Cerel, dann sah sie wieder auf die kleine Magierin in ihren Armen, die inzwischen schlief. Ihre Hand hielt ihren Finger, ihr Mund war leicht geöffnet. Und sie bot ein herziges Bild. Fand Asam offenbar auch, denn der Blick, der die Kleine traf, war derartig verliebt, dass es einfach nur herzerwärmend war. „Wie kam es denn nun zu der Adoption?“ Addar lächelte. „Es lag an ein paar Argumenten, die die beiden Jungen anbrachten. Da viele inzwischen darauf hoffen, dass es Dhaôma und Mimoun gelingt, Frieden zu schaffen, sollten wir unseren Teil leisten und unsere Kinder aus dem Krieg heraushalten. Und da sie noch ein Baby ist, werden wir es schon irgendwie schaffen, ihre Macht unter Kontrolle zu halten.“ Er kicherte, als Cerel ungläubig wirkte. „Tja, es hat sehr lange gedauert, ihnen diese Denkweise zu vermitteln, aber sie haben es schließlich alle eingesehen, so dass sie nun hier ist und auch bleibt.“ „Mir gefällt der Gedanke.“, sagte sie schließlich. „Es ist schön zu wissen, dass das Ende des Krieges absehbar wird.“ „Es wird trotzdem noch ein steiniger Weg.“, schränkte Asam diese Hoffnung ein. „Aber sehr viele sind inzwischen gewillt, auch ein wenig Anstrengung zu akzeptieren. Sie sehen Mimouns Vorbild und erkennen ihren Irrtum bezüglich ihrer Vorurteile gegen die Magier.“ „Das freut mich.“ „Ah, sie reden schon! Dhaôma!“ Yaji hüpfte im Eingang auf und ab und winkte wild nach draußen. „Und schon ist die Ruhe wieder vorbei.“, murmelte Karo. „Wollt Ihr den Jungen nicht hier bei uns lassen?“ „Das ist seine Entscheidung.“, wies Cerel das entschieden ab. „Aber es würde ihn wohl auch hier nicht lange halten. Er hat den Wind in der Seele, der ihn immer vorwärts treibt.“ Die anderen nickten nur wissend. Das war ihnen auch schon aufgefallen. Auch wenn es nur selten vorkam, ab und zu gab es auch bei ihnen jemanden, der dem Wind ähnlicher war als normalerweise. Auch jene zog es hinaus. Und selten kamen sie wieder zurück. Durch die Tür traten die Kinder, die Dhaôma zogen. Die braunen Haare waren nass und er wirkte, als würde er frieren. Aber das war auch kein Wunder, da seine Oberbekleidung noch immer zwischen ihnen lag. Jetzt hastete er zu seinem Hemd und zog es an, ließ den Poncho folgen. „Um nass herumzulaufen, ist es immer noch nicht warm genug.“, zitterte er. „Aber das versteht hier wohl keiner außer mir.“ „Ist eben so.“, stimmte Janna zu. „Hier.“ Und schon hielt sie ihm eine Decke hin. Dann bekam er von Asam noch Seren ihn den Arm gedrückt, so dass ihm bald wieder warm wurde. Währenddessen kreisten die Wasserschläuche. „Habt ihr jetzt schon gesagt, warum sie erlaubt haben, dass Fiamma bleiben darf?“, wollte Dhaôma bittend wissen und bekam ein Nicken zur Antwort. „Weil sie wollen, dass der Krieg beendet wird. So wie du hat sie die Aufgabe, unser Volk für eine neue Meinung über euch Magier zu sensibilisieren.“ „Ah.“ Der Braunhaarige schien sich zu freuen, sagte aber nichts weiter dazu. Dann wurden plötzlich die Felle zurückgeschlagen und Cerels Kinder kehrten wieder. Es sah aus, als hätte sich der Sturm gelegt, aber dennoch wünschte sich Dhaôma, dass er sich jetzt einfach zurückziehen und der Konfrontation mit diesem Biest entgehen konnte. Trotzdem rührte er sich nicht von der Stelle. Wie in ihrer eigenen Hütte über Wochen antrainiert, wich Silia dem Magier aus. Sie setzte sich neben ihre Mutter, ohne ihn eines Blickes zu würdigen oder sonst in irgendeiner Art Kenntnis von ihm zu nehmen. Mit gerunzelter Stirn sah sie auf das schlafende Kind hinab, enthielt sich klugerweise aber jeden Kommentars. Mimoun warf noch einen letzten sichernden Blick auf seine Schwester und streunte dann zu Dhaôma. Er rollte sich um ihn herum und legte seinen Kopf auf dessen Beine. Mit einem langen Seufzer entwich alle Luft aus seinen Lungen. Schweigend begann der Magier die schwarzen Haare zu streicheln, als wäre es das Natürlichste der Welt. Er wusste, was es in Mimouns Herzen ausgelöst haben musste, dass sie wieder einmal ihren Willen bekommen hatte, dass er wieder einmal nach ihrer Pfeife hatte tanzen müssen. Aber wie immer schwieg er dazu. Immerhin wurde es jetzt in seinem Rücken richtig warm. Und damit dieser Effekt noch ein wenig verstärkt wurde, lüftete er kurz seine Decke, so dass Mimouns Körperwärme jetzt direkt auf seinen Körper traf. Janna und Leoni konnten sich eines Grinsens nicht erwehren. Sie taten es wieder. Flirteten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Jedem fiel auf, dass Silia verletzt war. Und genauso fiel jedem auf, dass es Dhaôma nicht zu kümmern schien. Aber keiner fragte, warum. Die meisten konnten es sich denken. Das Thema wandte sich wieder den Besprechungen im Rat zu. Es ging darum, dass man weitere Teiche bestücken wollte und Gärten geplant hatte, die man dieses Mal mit eigener Saat hegen wollte. Eine größere Herde Antilopen zog gen Norden durch die Steppe und es war festgelegt worden, welche Tiere gejagt werden durften und welche nicht. Und ein Riesenadler war wieder einmal aufgetaucht und bedrohte die jüngeren Hanebito, weswegen das Fliegen ohne Aufsicht nicht mehr erlaubt war. Töten konnten sie das Tier nicht, denn in ihren Augen war es die Reingeburt des Windes und damit heilig. Es war besprochen worden, ihm eine Opfergabe anzubieten, damit er ihnen in diesem Jahr weniger Wind und mehr Regen schickte. Und als letztes war als gute Neuigkeit zu verzeichnen, dass in diesem Winter mehr Kinder geboren worden waren als in den letzten zwanzig Jahren. Die Gesamtzahl belief sich auf einhundertdrei. Man mochte es kaum glauben, dieses Jahr waren sogar einmal Zwillinge dabei. Nach fast einem Jahrhundert das erste Mal. Sie redeten lange. Mimoun rührte sich die ganze Zeit nicht von seinem Platz weg, döste immer wieder ein und verpasste so die Hälfte des Gesprächs. Cerel und Silia beteiligten sich an den Gesprächen, wobei das Mädchen stiller wurde, je weiter die Zeit voranschritt. „Verzeiht bitte.“, begann Cerel schließlich. „Aber es ist schon spät. Wir würden uns gerne schlafen legen, damit wir morgen zeitig los können.“ Karo erhob sich sofort. „Hier wäre es zu eng.“, erklärte sie mit einem bezeichnenden Blick auf Mimoun und Dhaôma. „Aber in einer der anderen Hütten dürfte sich ein Plätzchen für euch finden lassen. Damit verschwand sie aus der Hütte. Wenig später folgten die beiden Frauen, nachdem sie den Bewohnern eine geruhsame Nacht gewünscht hatten. Nach kurzem Zögern schloss sich Mimoun an. Er würde sehen, wo sie unterkamen und ob es ihnen gut ging. Als er anschließend zu seinen Freunden zurückkehrte, zog er sich ebenfalls wenig später zum Schlafen zurück, natürlich dicht gefolgt von Dhaôma. Mit Fiamma in ihrer Mitte schliefen sie schnell ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)