Der Weg aus dem Kampf von Shirokko (Wenn Träume Berge versetzen) ================================================================================ Kapitel 23: Frei ---------------- Kapitel 23 Frei Mimoun machte sich, nachdem er seinen Freund den Kindern vorgeworfen hatte, auf, seine Familie zu begrüßen. Diese hatte ihn schon sehnsüchtig erwartet. Silia warf sich, wie immer; wenn er länger weg gewesen war, sofort an seinen Hals. Ihr hatte es gar nicht behagt, dass er zum Rat geflogen war, vor allem weil der Grund dafür das erneute Verschwinden ihres Bruders zur Folge haben würde. Seine Mutter sah ihn einfach nur sorgenvoll an. Mimoun schlang seine Arme um seine Schwester und zog sie fest an sich. „Es tut mir leid.“, murmelte er. „Wir werden gehen.“ Entgegen seiner Erwartungen fing Silia nicht an zu zetern und zu schimpfen, sondern verstärkte nur den Druck und schluchzte lautlos. Cerel lächelte traurig und nahm dann beide Kinder in den Arm. Mimoun fühlte sich elend. Schon wieder ließ er sie allein und im Ungewissen. Er würde zwar regelmäßig Nachrichten schicken, das es war aber nicht dasselbe, wie persönlich hier vorbei zu sehen. Es musste unerträglich für die beiden sein, ihn wieder gehen zu lassen. „Verzeiht.“, flüsterte er erneut. Den restlichen Tag verbrachte er damit, ihre Habseligkeiten zu packen und Vorbereitungen für die Reise zu treffen. Seine Mutter ging ihm dabei zur Hand, während Silia nur am Rand saß und beobachtete. Mimoun machte sich Sorgen. Sie sprach den ganzen Tag kein Wort und wirkte völlig in sich gekehrt. Auf seine Versicherung, er würde auf jeden Fall zurückkehren, lächelte sie nur traurig, schwieg aber. Als er mit Packen fertig war, sprach der junge Geflügelte mit mehreren Dorfmitgliedern, erklärte ihnen, dass sie wieder auf die Reise gehen würden. Und dass es diesmal vielleicht länger dauerte, bis er zurückkehrte. Er bat sie, sich um seine Familie zu kümmern, was sie ihm gern versprachen. Gegen Abend setzte er sich zu seiner Schwester, die noch immer wortlos in dem Vorraum hockte. Still lehnte sie sich an ihn und schloss die Augen. Als die Schritte des Magiers erklangen, hob sie kurz den Kopf, bevor sie sich mit einer fließenden Bewegung erhob. Ihr Ziel war der Magier. Das erkannte Mimoun zu spät, sonst hätte er sie noch im Ansatz aufgehalten. Ohne Dhaôma eine Chance zur Reaktion zu lassen, ergriff sie ihn am Kragen und funkelte ihn mit einer Mischung aus Wut und Schmerz an. „Sollte meinem Bruder deinetwegen irgendetwas zustoßen, werde ich dich finden. Ich werde dir das Leben zur Hölle machen und verlass dich drauf: Dein Leben wird lange währen, dafür sorge ich.“ Sie stieß den Magier von sich und verschwand in der Nacht. Dhaôma blickte ihr nach. Sie hatte ihn überrumpelt. Im Grunde verstand er nicht einmal den Zusammenhang. Als würde er Mimoun schaden… Entkräftet ließ er sich zu Boden sinken und legte Erdbeeren auf den Tisch. Sein Dankeschön an Mimoun. Mimoun schaute ihr mit gemischten Gefühlen hinterher. Bedauern, sie wieder hier zurückzulassen, Mitgefühl, weil er sie verstehen konnte, leise Wut, weil sie es schon wieder gewagt hatte, seinen Freund anzugreifen. Dann gerieten die Erdbeeren in sein Blickfeld und seine Gesichtszüge hellten sich auf. So wie Haru nach Himbeeren verrückt war, konnte man fast behaupten, dass er es nach Erdbeeren war. Hastig zuckte seine Hand nach vorne und fischte sich eine der Früchte heran. „Danke.“, nuschelte er selig mit vollem Mund. Lächelnd nickte Dhaôma und wandte sich dann an Cerel. Die Frau sah bekümmert aus. Schuldgefühle kamen in ihm hoch. „Mimoun hat es dir also schon gesagt.“ Sein Lächeln wurde mitleidig. „Es tut mir Leid.“ Er senkte den Kopf. Aber es hieß ja nicht, dass Mimoun nie wieder nach Hause kommen würde. „Du brauchst dich nicht entschuldigen.“, wehrte sie mit einem traurigen Lächeln ab. „Das ist nun einmal der Weg, für den er sich entschieden hat. So ungern ich ihn gehen lasse, eine Mutter wünscht sich für ihre Kinder, dass sie glücklich werden.“ Diese Mutter jedenfalls. Dhaôma nickte. „Ich weiß. Ich bringe ihn schon wieder zurück.“ Am besten im Winter, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass Mimoun gerne in einer Höhle eingeschneit war. Aber wenn er daran dachte, drängte sich ihm eine Frage auf, die all die Schüchternheit der ersten Tage zurückbrachte. Zweimal setzte er an, bevor er Worte fand, die seine Kehle überschreiten konnten. „Darf ich auch wiederkommen?“ Mimoun hatte dem Gespräch schweigend gelauscht und sah die Unsicherheit des Magiers. Er konnte nur still lächeln, während eine Beere nach der anderen ihren Weg in seinen Magen fand. Warum fiel es ihm nun auf einmal so schwer, eine einfache Frage zu stellen? „Ich würde mich jederzeit über einen Besuch von dir freuen.“, antwortete Cerel unterdessen. „Und würdest du nicht mehr hierher kommen, wären deine Anhänger dir ewig böse.“, fügte Mimoun grinsend hinzu. Es freute ihn wirklich, dass Dhaôma sich so gut mit seinem Dorf verstand. Ah, ja, das stimmte. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie mir nicht folgen dürfen. Sie wollten unbedingt mit.“ Er kicherte. „Ich freue mich, dass ich wieder kommen darf. Und dann aus eigener Kraft. Dann braucht Mimoun mir auch nicht mehr ständig bei allem zu helfen.“ Das verunsicherte Cerel. Sie hatte noch nie von einem Magier gehört, der fliegen oder aus eigener Kraft zu den Inseln gelangen konnte. Hilfe suchend sah sie zu ihrem Sohn, der angestrengt die letzte Beere von allen Seiten betrachtete, um herauszufinden, von welcher sie am besten zu vernaschen war. „Wie möchtest du aus eigener Kraft hierher kommen können? Magier können nicht fliegen.“, sprach sie ihre Gedanken also aus. „Eigene Kraft ist nicht ganz richtig.“, druckste Dhaôma herum. „Zumindest nicht, dass ich fliegen können werde. Nicht alleine.“ Er verstummte, sah sie an, dann holte er tief Luft. „Versprich, dass du mich nicht auslachst, wenn ich es dir sage, ja?“ „Warum sollte ich lachen?“, fragte sie verständnislos. Was auch immer es war, es war diesem Jungen ernst und wichtig. Dhaôma holte tief Luft, als er sie ganz ernst fixierte. Sein Bruder hatte ihn ausgelacht, seine Eltern ebenfalls. Als sein Vater noch gelebt hatte, hatte er ihm sogar verboten, je wieder solchen Unsinn zu erzählen. „Ich suche nach Drachen. Ich möchte ein Drachenreiter werden, die Gutes tun und Frieden bringen.“ Cerel lehnte sich zurück und schwieg. Ihr kam seine Bitte, nicht zu lachen, lächerlich vor. Das war etwas Großes, das er sich da vorgenommen hatte. Und selbst wenn schon seit Ewigkeiten kein Drache mehr gesichtet worden war, so deckte sich die Aussage des Magiers doch zum Teil mit dem, was Mimoun ihr über ihr weiteres Vorhaben erzählt hatte. Frieden bringen. Sie sah zu ihrem Sohn hinüber. Dieser wich ihrem Blick aus. Er hatte ihr diesen Teil vorenthalten, gerade weil Drachen gefährlich werden konnten, sollten sie tatsächlich auf ein lebendes Exemplar stoßen. Cerel wandte sich wieder Dhaôma zu und ihr ernstes Gesicht wurde weicher. „Um Frieden zu bringen, braucht ihr tatsächlich mächtige Verbündete.“, begann sie. „Aber geht beide bitte kein Risiko ein. Ich möchte euch gesund und wohlbehalten wieder sehen.“ „Keine Sorge.“ Dhaôma lächelte glücklich. Sie hatte nicht gelacht. „Ich werde weder mein und schon gar nicht sein Leben für diesen Traum opfern. Immerhin hat er mir meinen größten Traum schon erfüllt.“ Sowohl Mimoun als auch Cerel sahen den Magier aus erstaunten Augen an. Dann sahen sie einander an. Mimoun zuckte nur hilflos mit den Schultern. Bisher dachte er eigentlich, dass Drachenfinden Dhaômas größter Traum sei. „Und der wäre?“, fragte Mimoun zögerlich. Hitze stieg in Dhaômas Wangen. „Dass du mein Freund bist.“, sagte er. Diese Antwort machte auch Mimoun verlegen und er kratzte sich am Kopf. Was sollte er auch darauf antworten? Dabei war es doch verständlich. Zu lange war Dhaôma allein gewesen. „Ich werde dir jeden deiner Wünsche erfüllen.“, fügte er dennoch an. „Ich werde immer an deiner Seite sein.“ „Das weiß ich doch.“ Der Junge kicherte leise. „Das ist es, weshalb ich dich Freund nennen kann.“ War doch ganz einfach. Freunde waren füreinander da. Auch Cerel kicherte leise. Vor ihr saßen zwei unerfahrene Kinder, die das Leben und die Welt erforschen wollten. Schließlich schob sie den Jungen das Abendessen hin. „Los. Greift zu. Ihr solltet euch für eure Reise stärken.“, verlangte sie und Mimoun folgte der Anweisung. Mit Bedauern stellte er fest, dass er die Erdbeeren vielleicht bis zum Schluss hätte aufheben sollen. Das Essen verlief in Schweigen. Dhaôma war ausgepowert worden von den Kindern, dennoch beschloss er, am nächsten Tag noch einmal Regen zu rufen, bevor sie wieder lange Zeit kaum Wasser haben würden. An diesem Tag schlief er wunderbar. Bei Sonnenaufgang war er wach, stellte sich in die Mitte der Hütten und gab seiner Magie freie Bahn. Schon beim ersten Versuch hatte er festgestellt, dass er den Rest des Tages keine Kraft mehr für weitere Magie hatte, aber das brauchte er auch gar nicht. Er würde laufen. Bis er nicht mehr konnte! Der Regenguss durchweichte ihn völlig, wusch allen Schmutz von ihm, was er bei der Wärme genoss. Hochsommer war eine leidliche Zeit, auch wenn sie schöner war als der Winter. Hinter ihm wurden einige Lederhäute beiseite geschoben, ohne dass er es bemerkte. Blaue Augen betrachteten die leuchtenden Zeichen auf seinem Rücken, die Regentropfen so sehr ähnelten, und die verschwommenen auf seinen Schultern. Jadya war von dem unerwarteten Regen aufgewacht. Sie hatte sofort gewusst, dass der Magier wieder einen seiner unglaublichen Zauber wirkte. Sie beobachtete ihn gerne dabei. Seit er die Rosen hatte wachsen lassen, hatte er ihr Herz erobert. Die Erinnerung an ihren Vater, der ihr jedes Jahr zum Geburtstag einen Zweig der duftenden Blumen mitgebracht hatte, war damit wieder so lebendig wie kurz nach seinem Tod. Außerdem hatte er Mimouns Flügel wieder geheilt. Das, was sie nur provisorisch hatte richten können, hatte er vollendet. Er hatte ihrem Schwarm sein Leben zurückgegeben. Gleich zweimal. Seit Wochen arbeitete sie deshalb an einem Geschenk für ihn. Sie hatte Leder und Felle von jedem erfragt, der von Dhaôma profitiert hatte. Die einzige, die sich geweigert hatte, war Silia gewesen, alle anderen hatten etwas beigesteuert. Selbst die Kleinen. Elin hatte den Pelz ihrer ersten Beute bereitwillig gegeben. Und jetzt hatte sie gehört, dass er gehen würde. Er war wieder frei. Dank Mimoun. Es stimmte sie fröhlich und gleichzeitig traurig. Nicht zuletzt, da Mimoun mit ihm gehen würde. Silia schmollte deshalb und nervte mit ihrem Geheule, der Magier würde ihren Bruder wegnehmen. Sie sah auch nicht ein, dass er ihn ihr eigentlich wieder zurückgebracht hatte. Immerhin musste er nur wegen Dhaôma nicht zurück an die Front gegen die Magier. Sie wusste nicht, wann der Regen nachließ, doch als der Braunhaarige seine Hände endlich senkte und das stetige Rauschen langsam in ein gleichmäßiges Regnen überging, trat sie vor. „Dhaôma?“ Er drehte sich um. Und strahlte. Wie er immer strahlte, wenn ihn jemand ansprach. „Jadya! Guten Morgen. Du bist aber früh auf.“ „Na, das Kompliment gebe ich gerne zurück.“ Sie lächelte, als er zu kichern begann. Sie hatte von ihm erfahren, dass er sich das angewöhnt hatte, weil seine Familie um die Zeit noch schlief und er sich fort schleichen konnte. „Gehst du wirklich heute?“ Dhaôma sah sie an, sein Lächeln ging. Er wirkte bekümmert. „Es ist schon so spät im Jahr. Wenn ich noch ein Stück vorwärts kommen will, sollte ich gehen.“ „Aber kannst du nicht noch einen Tag warten? Dann könnten sie sich von dir verabschieden.“ „Aber ich komme doch wieder.“ „Ehrlich?“ „Cerel hat es mir erlaubt. Aber natürlich frage ich Oldon noch, ob ich darf.“ „Selbstverständlich darfst du.“, rief sie, doch die Entrüstung schwächte sich schnell in Milde. „Geh wenigstens erst gegen Mittag. Gib ihnen eine Chance, dir das auch zu sagen.“ Dhaôma musste wieder lächeln. „In Ordnung. Einverstanden. Danke, Jadya.“ „Wofür?“ „Dass du mir das gesagt hast. Ich war mir nicht sicher, ob es nicht sowieso als Flucht aufgefasst würde.“ „Viele werden so denken.“ „Das ist schade. Ich bin gerne hier oben.“ „Ehrlich?“ „Es ist doch schön, nicht?“ „Doch.“ Sie lachte leise. Seine Argumentation war genauso unvorhersehbar wie häufig. Und genauso direkt. „Nur von dir hätte ich das nicht gedacht.“ Sie strich sich einige Haare hinter das spitze Ohr, doch der sanfte Regen spülte sie wieder nach vorn. „Warum nicht?“ „Weil du hier gefangen warst. Weil du nicht weg konntest. Und weil es nicht ist wie unten.“ „Es hat andere Qualitäten. Die Aussicht ist toll und die Bewohner gefallen mir. Und die Kinder, die so gerne lernen, mag ich.“ Wieder lachte sie. So unbedarft! Sie trat zu ihm und umarmte ihn. „Pass gut auf Mimoun auf, ja? Er ist gut darin, in Schwierigkeiten zu geraten.“ „Mache ich. Versprochen.“ Jadya ließ ihn wieder los, ihre Wangen waren gerötet. „Danke. Und vergiss nicht: nicht vor Mittag!“ „Versprochen!“ Dhaôma winkte ihr nach, als sie zu den Gruben ging. Sie war lieb. Und hatte Mimoun gern. Das gleichmäßige Plätschern hatte ihn langsam aus seinen Träumen geholt. Träge sah Mimoun zur Decke und lächelte. Dhaôma gab wieder alles für das Dorf. Kurz streckte er sich und rollte sich auf die andere Seite. Auf den Regen lauschend döste er noch eine ganze Zeit vor sich hin. Erst als es nachzulassen begann, erhob er sich und wandte sich nach draußen. Dort sah er noch, wie Dhaôma von Jadya umarmt wurde, als sie sich schon von ihm löste, ihre Wangen gerötet. Mimoun runzelte die Stirn. Sollte sich da gerade etwas anbahnen? Nun, da sie gehen wollten? Als Jadya sich abwandte, trat er auf seinen Freund zu, grinste ihn an und nickte in die Richtung des davon eilenden Mädchens. „Sie ist ein liebes Mädchen, nicht wahr? Magst du sie?“, wollte er wissen. „Ja. Sie ist nett.“, sagte Dhaôma und wandte sich ihm zu. „Sie sagte, dass wir erst nach Mittag gehen dürfen. Sie will, dass wir uns verabschieden.“ Sein Kopf drehte sich zu den zerfasernden Wolken, aus denen nur noch sachter Regen fiel. „Mimoun, ich habe gar kein Dankeschön für sie. Dafür, dass sie mich hier aufgenommen haben. Ich meine, ich habe Regen gerufen, aber das kommt mir so gering vor.“ Schwer seufzte Mimoun, stemmte die Hände in die Hüften und scharrte mit den nackten Füßen im feuchten Untergrund. Der Blick, den er seinem Freund von unten zuwarf, war sehr ernst. „Du Riesenidiot.“, brummte er, trat einen weiteren Schritt auf Dhaôma zu und schlang seine Arme um dessen Körper, trug ihn empor. Weit über der Insel löste er eine Hand von seinem Freund und deutete nacheinander auf die Dinge, die er auflistete. „Wieder ergrünte Obstbäume und gedeihende Gärten. Fische im See. Regen, um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Du hast so viel für dieses Dorf getan, du Dummkopf. Was willst du denn noch tun?“ Mimoun landete wieder und stellte Dhaôma ab. „Du hast dich schon ausreichend bedankt, glaube mir.“ Zweifelnd nickte Dhaôma. Aber das war okay. Er hatte eh nichts Materielles zu geben, wenn seine Magie da ausreichte, sollte es ihm recht sein. Sie kehrten zurück in die Hütte, deckten den Tisch und warteten darauf, dass Cerel aufstand, was bei ihrer Aktivität nicht lange dauerte. Das Frühstück bestand aus den üblichen Trockenfrüchten und Fleisch und frischem Wasser. Dann packte ihnen Cerel Proviant für die nächsten Tage ein, genug, damit sie zwei Tage keine Jagd veranstalten mussten. Sogar zwei Wasserschläuche waren dabei, noch ungefüllt, damit die Reise zum Erdboden nicht so schwerwiegend war. Danach verabschiedete sich Dhaôma für einen Moment, weil er noch Oldon besuchen wollte, um ihn zu fragen, ob er wiederkommen durfte. Zu seiner Überraschung war das Dorf schon komplett auf den Beinen. Mimoun war ihm gefolgt. Nun, da es nichts mehr zu packen gab und alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, wollte er die letzten Augenblicke inmitten der Dorfgemeinschaft verbringen. Auch er war nicht minder erstaunt, als er alle versammelt sah. Obwohl. So erstaunlich war das eigentlich nicht. Der junge Geflügelte hatte ja am Vortag angekündigt, dass sie wieder gehen würden. Zwar war kein Zeitpunkt festgelegt worden, doch irgendwie schien jeder davon auszugehen, dass sie so schnell wie möglich von hier verschwinden wollten. Und natürlich wollten sie sich alle verabschieden. Das erfüllte Mimoun mit Wärme und Geborgenheit. Jadya zwinkerte ihnen zu, dann deutete sie auf Oldon, der noch etwas müde aussah. Es war allgemein bekannt, dass dem Alten die Hitze des Sommers gehörig zusetzte. Jetzt jedoch sah er ihnen entgegen. Dhaôma ging zu ihm und grüßte ihn freundlich. „Danke für die Abkühlung.“, antwortete der Alte. Seine Augen zeigten eine ungewöhnliche Tiefe. „Jadya hat erzählt, dass ihr schon heute Mittag gehen wollt.“ Der braunhaarige Magier nickte, bevor er genauso schüchtern wie bei Cerel den Kopf senkte und sich sammelte. „Darf ich wirklich wiederkommen?“, fragte er leise. Es rührte Oldon; das sah man deutlich. „Es freut mich zu hören, dass du freiwillig zurückkommen möchtest. Ich hatte mich schon gefragt, ob du deshalb so schnell verschwindest, weil du nicht mehr hier sein möchtest.“ „Das ist es nicht. Ich möchte gerne weiterreisen. Ich möchte die Schlucht des Todes besuchen und mich dort umsehen. Und ich möchte zum Großen Wasser.“ „Zum Großen Wasser könnten wir dich bringen. Es ist nur ein paar Tagesreisen von hier entfernt.“ Durch die Luft, das war Dhaôma bewusst. „Ich möchte es gerne aus eigener Kraft schaffen. Ich möchte mir beweisen, dass ich aus eigener Kraft meine Träume erreiche.“ Oldon nickte zustimmend. Die Antwort gefiel ihm. Früher war er auch so gewesen, hatte sich erproben wollen und seinem eigenen Weg folgen müssen. Das war der Grund, warum er Mimoun nun schon zum zweiten Mal gehen ließ. „Und wann werdet ihr wiederkommen? Wann können wir mit euch rechnen?“ „Ich weiß es noch nicht. Das kommt darauf an, wie schnell wir vorankommen.“ Inzwischen waren auch die anderen herangekommen, aber Dhaôma fühlte sich von ihnen nicht mehr bedroht. Es war ganz natürlich, dass sie alle da waren. Wie eine überdimensionale Familie. Haru zog an seinem Ärmel und sah ihn kläglich an. „Komm bald wieder!“, forderte er. Elin hatte Tränen im Gesicht und klammerte sich an ihren Vater. Als er sie ansah, versteckte sie sich, was ihm Leid tat. Jadya schob sich durch die Menge in den Kreis. Ein kurzer Blickwechsel und ein Nicken von Oldon und sie tippte Dhaôma an. „Wir wollen mittags zusammen unter den Obstbäumen essen. So, wie du es einmal vorgeschlagen hast.“ Die Kinder hatten ihr von der Idee erzählt und das Dorf hatte beschlossen, dass es eine schöne Art war, sie zu verabschieden. Es war zwar nicht üblich, mittags etwas zu essen, aber darum ging es nicht. „Und wir wollen dir etwas schenken. Jeder hat mitgeholfen, jeder hat etwas beigesteuert. Eigentlich solltest du es erst im Winter bekommen, weil Mimoun ja gesagt hat, dass du Kälte nicht so gut erträgst, aber wenn du gehen willst, bekommst du es eben schon heute.“ Mit einem weichen Lächeln hielt sie ihm ein in Leder geschlagenes Bündel hin. „Schau es dir an. Es ist, damit du dich an uns erinnerst.“ Mit roten Wangen nahm der Junge das Geschenk an und löste das Band, das es hielt. Hervor kam ein armlanger Poncho aus Pelz. Er war genauso bunt, wie sein Umhang früher gewesen war, und aus noch mehr verschiedenen Tierhäuten gefertigt. Das Leder war so weich wie das seiner neuen Kleider, aber er fühlte, dass es gegen Wasser behandelt worden war. „Danke!“, sagte er gerührt. „Das ist wirklich lieb von euch.“ Er drückte das Kleidungsstück fest an seine Brust und die Nase hinein, weil er vor Rührung nicht wusste, was er sagen sollte. Ihm wurde nicht so oft etwas geschenkt. Und noch nie war ihm etwas so wertvoll erschienen. „Ich passe gut darauf auf.“ Elin kämpfte sich auf den Boden und zerrte Dhaôma zu sich herunter. Sie wühlte kurz in dem Pelz, bevor sie auf einen Teil zeigte. „Der ist von mir!“, sagte sie stolz und er wuschelte ihr lachend durch das rote Haar. „War das nicht deine erste Beute?“ Er erinnerte sich daran, wie sie ihm das Kaninchen stolz gezeigt hatte. Sie nickte ernst. „Damit du weißt, dass ich dich gern habe.“ „Vielen Dank.“ Sie begann wieder zu weinen. „Ich will nicht, dass du gehst.“ Verzweifelt bittend sah sie ihn an. „Ich komme bestimmt wieder. Versprochen.“ Mimoun hatte sich die Szene schweigend angesehen und der Kloß in seinem Hals wuchs mit jeder Minute. Auch er hatte nichts von diesem Geschenk gewusst. Selbst hinter seinem Rücken hatten sie an dem Geschenk für Dhaôma gearbeitet. Und dann wollten sie noch ein gemeinsames Essen veranstalten. Sie hatten den Magier damit zu einem Teil des Dorfes gemacht. Er war endgültig ein Teil der Familie geworden. Der junge Geflügelte lächelte gerührt, als Elin auf den Teil zeigte, den sie beigesteuert hatte, und aus dem Lächeln wurde ein amüsiertes Schnauben, als Dhaôma erneut erwähnte, dass er wiederkommen würde. Eilig schritt er auf ihn zu, hockte sich neben ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. „Sag mal: Ich werde euch auch vermissen.“ Er grinste seinen Freund auffordernd an. Erstaunt weiteten sich seine Augen. Hatte er das nicht längst? Nur deshalb wollte er doch überhaupt wiederkommen! Aber er erinnerte sich daran, dass es manchmal anders auszudrücken war bei den Hanebito, dass man hier manchmal sehr direkt sein musste, um etwas zu sagen. „Ich werde euch auch vermissen.“, sagte er deshalb und drückte wieder den Poncho gegen seine Wangen. „Weil ich doch gerne hier bin.“ Zufrieden nickte Mimoun und sah dann zu den anderen empor, um ihre Reaktionen auf diese Aussage zu sehen. Die Kleinen kamen allesamt an und klammerten sich schluchzend an ihn, die Erwachsenen reagierten zurückhaltender, aber ebenso emotional. Ihnen schien diese Aussage tatsächlich nahe zu gehen, wie Mimoun sehr erfreut feststellte. „Na kommt.“, unterbrach Oldon schließlich die von Schluchzern der Kinder durchzogene Stille. „Für tränenreiche Abschiede haben wir nachher noch Zeit. Bereiten wir erst einmal die Feier vor.“ Viele der Erwachsenen nickten und verschwanden in den Hütten. Mimoun ließ sich endgültig neben Dhaôma auf den Boden sinken. Für sie wurde das Fest veranstaltet. Man wäre nicht erfreut, wenn er versuchen würde, zu helfen. Da konnten sie sich noch ein wenig mit den Kindern beschäftigen. Die Kinder vergaßen schnell, dass es eigentlich Dhaômas letzter Tag war. Sie spielten genauso ausgelassen wie immer, bis sie alle gerufen wurden. Dann war die Beklommenheit wieder da. Es war selbstverständlich, dass sie neben ihrem Spielkameraden saßen, genauso wie es selbstverständlich war, dass Silia neben Mimoun saß. Das Mädchen stellte ein derartig finsteres Gesicht zur Schau, dass jeder perfekt sehen konnte, dass sie absolut nicht damit einverstanden war, was hier geschah. Dhaôma verstand es, aber er fand es nicht in Ordnung. Ignorierte er es normalerweise, wenn ihn jemand nicht leiden konnte oder ihm Abneigung entgegenbrachte, so hätte er Silia wirklich gerne mal die Meinung gesagt, dass sie aufhören sollte, ihren Bruder in emotionale Ketten zu legen. Aber erstens ging ihn das Ganze nichts an und zweitens traute er sich nicht zu, gegen sie zu bestehen. Und solange Mimoun allein mit ihr klar kam, bedurfte es seiner Einmischung nicht. Trotzdem fiel es ihm ungewöhnlich schwer, ihr Verhalten zu übergehen. Es gab Hirsch. Und zur Feier des Tages gab es sogar ein Feuer, auf dem das Fleisch gegrillt wurde. Viele konnten zubereiteten Speisen noch immer nichts abgewinnen, aber einige waren durchaus auf den Geschmack gekommen, auch geräuchertes oder gegrilltes Fleisch zu sich zu nehmen. Und ein paar konnten sogar Dhaômas Gewürzen etwas abgewinnen. Insgesamt wurde es recht lustig und der braunhaarige Magier verspürte eine ganz eigene Magie an diesem Ort. Niemals hatte er sich irgendwo so willkommen gefühlt. Zuhause bei seiner Familie schon gleich gar nicht, aber selbst hier auf der Insel war er bisher eher ein Störenfried gewesen, aber seit er gesagt hatte, dass er freiwillig wiederkommen würde, war es anders. Die Atmosphäre hatte sich geändert, war angenehmer geworden. Vielleicht lag es daran, dass er jetzt kein Gefangener mehr war, vielleicht lag es daran, dass sie begriffen, dass er durchaus gehen konnte, vielleicht hatte er es auch bisher einfach übersehen, aber ihm gefiel die Veränderung. Sie macht es ihm leichter, zurückzukommen. Die Sonne überschritt den Zenit um ein gutes Stück, bevor sich die beiden loseisen konnten. Als Mimoun und Dhaôma schließlich aufstanden, waren selbst die Kinder ungewöhnlich zahm. Sie heulten nicht, sondern verlangten von Dhaôma nur mit gefassten Gesichtern, dass er sich beeilen sollte, ganz schnell zurückzukommen. Am besten noch vor dem Winter. Lächelnd schloss er sie in die Arme. Während sich Dhaôma von den Kindern verabschiedete, hatte sich Mimoun von seiner Familie wieder in die Rüstung helfen lassen. Erneut händigte Silia ihm ihre Kette aus. Nach dem letzten Zwischenfall fühlte sich Mimoun ein wenig unwohl. Diesmal würde er noch sorgfältiger auf den Stein aufpassen müssen. Dass sie diesen Anhänger sowieso aus der Hand gab, fand der junge Geflügelte schon ein wenig riskant. Wenn er daran dachte, was sie nun vorhatten. Nachdem er sich von seiner Familie und seinem Dorf verabschiedet hatte, wandte er sich Dhaôma zu und wartete, bis dieser ebenfalls fertig war. Nachdem er sich all ihre Habseligkeiten störungsfrei an den Körper gebunden hatte, hob er seinen Freund hoch. Mit einem letzten Gruß Dhaômas an das Dorf ließ sich Mimoun von der Kante kippen. Doch schnell spannte er seine Flügel auf. Zu anstrengend wäre spätes Abfangen. In Spiralen ließ er sich vom Wind gen Boden tragen. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie sich auch die Dorfgemeinschaft in die Luft erhoben hatte. Aber sie blieben zwischen den Inseln schwebend und winkten abschließend, was von Dhaôma für sie beide erwidert wurde. Da er wusste, dass dem Magier Laufen momentan wichtiger war als Vorwärtskommen, stellte er ihn beinahe direkt unter der Heimatinsel auf der Ebene ab. Bevor dieser aber um einen Teil des Gepäcks bitten konnte, erhob sich Mimoun wieder in die Luft und deutete in die entsprechende Richtung. Zuerst verzog Dhaôma etwas misstrauisch das Gesicht, aber dann befand er es als praktisch. Wie lange war es her, dass er laufen konnte? Einfach laufen? Ohne nach spätestens hundert Metern abbrechen zu müssen? Lachend winkte er nach oben zu Mimoun, dann rannte er los. In die angegebene Richtung. Bei jedem Schritt schlugen lange Gräser um seine Beine, während seine Füße sich kraftvoll vom Boden abdrückten. Es war egal, was irgendjemand denken mochte. Übermut hatte ihn fest im Griff, da war es auch egal, wenn eine kleine Felsspalte oder ein ausgetrockneter Fluss im Weg waren. Er sprang darüber oder hinein, um dem Lauf für einen kurzen Moment zu folgen. Nicht einmal die Hitze störte ihn wirklich. Es war ein tolles Gefühl, frei laufen zu können. Und es war faszinierend, wie lange er durchhielt. Die dünne Luft hatte seine Lungen ausdauernder gemacht. Irgendwann wurde er langsamer, warf sich ins Gras und schloss schwer atmend die Augen. Er war ausgepowert und glücklich. Die ganze Zeit hielt sich Mimoun oberhalb des Magiers. Der Übermut und die gute Laune des unter ihm Rennenden übertrugen sich auch auf ihn. Ausgelassen schlug er Kapriolen, auch um nicht zu weit voraus zu fliegen. Als Dhaôma schließlich stoppte und sich ins Gras warf, landete der junge Geflügelte dicht neben ihm und befreite sich von seinem ganzen Ballast. Er selbst streckte sich nicht im Gras aus. Es reichte ihm inmitten der hohen Gräser zu sitzen und sich die Sonne auf die Haut brennen zu lassen. Seine Flügel spannte er wie einen riesigen Fächer auf, bewegte sie leicht, um Wind zu erzeugen. So versuchte er der Hitze Herr zu werden. Amüsiert funkelte er auf Dhaôma herab. Völlig erschöpft lag dieser da und rührte sich nicht mehr. „Fühlst du dich nun besser?“, fragte er zaghaft an. „Und wie!“ Der Junge lächelte ihn an, bevor er zu lachen anfing. „Ich hätte nie gedacht, dass rennen so einen Spaß macht. Und dass es mir wirklich noch einmal zu warm werden würde!“ So lange hatte er gefroren, dann war es angenehm geworden. Hier unten aber war es einfach nur zu warm. Mimoun rutschte ein wenig herum und spannte einen Flügel als Sonnenschutz über seinen Freund. Der andere fächelte ihnen weiterhin Luft zu, so gut es eben ging. „Dann sollten wir uns schnellstmöglich eine kühlere Gegend suchen. Oder zum Fluss kommen. Der verspricht Abkühlung.“ Es freute ihn zu hören, dass sich Dhaôma endlich wieder wohl zu fühlen schien. Träge nickte der andere, bevor er sich ruckartig aufsetzte. Sicher, der Fluss. Sie waren meilenweit davon entfernt. Er hatte keine Zeit, sich auszuruhen. Das konnte er im Winter machen! „Wie weit ist es bis zum Fluss? Kann ich das schaffen?“ „Wir sind einen ganzen Tag geflogen, falls du dich nicht mehr daran erinnern solltest. Und die Insel ist weiter gezogen. Schaffen wirst du es, keine Frage. Aber nicht mehr heute. Es wird zu Fuß sicher seine Zeit dauern.“, gab Mimoun zurück. Erschreckt hatte er den Flügel zurückgezogen, als sein Freund sich aufgesetzt hatte. Es kam zu unerwartet und beinahe wäre Dhaôma dagegen gestoßen. Er klappte beide wieder an und begab sich in die Hocke, die Arme auf den Oberschenkeln abgestützt. Nachdenklich nickte der Braunhaarige. Ja, er erinnerte sich. Aber das bedeutete, dass er dieses Jahr wohl kaum noch irgendwas schaffen konnte. Seufzend erhob er sich. „Tja, vielleicht kommen wir heute nicht bis dahin, aber wenn ich mich beeile wenigstens bis zum Winter. Oder überschätze ich mich da?“ Er fühlte sich entmutigt. Die Schlucht des Todes war doch schon in greifbarer Nähe gewesen, aber jetzt war selbst der Fluss in fast unerreichbare Ferne gerückt. Sein ungewollter Ausflug zu den Hanebito hatte ihn nicht nur zeitlich, sondern auch geographisch zurückgeworfen. Zweifelnd betrachtete der Geflügelte seinen Begleiter. Dieser sah gar nicht mehr nach Enthusiasmus und Elan aus, eher das Gegenteil. „Soll das etwa heißen, du gibst jetzt schon auf? Warum hab ich mir erst diese Mühe gemacht?“ Kopfschüttelnd erhob er sich ebenfalls. „Wenn du noch eine Weile aufs Laufen verzichtest und dich an mich dran hängst, zumindest streckenweise, können wir Zeit sparen. Nur wenn du willst, versteht sich.“ Das wäre natürlich praktisch, aber andererseits bedeutete es, dass er es eben nicht alleine schaffte, sondern Hilfe in Anspruch nahm, die über die einfache Freundschaft hinausging, oder? Andererseits bedeutete Zeit sparen, dass sie die verlorenen Monate aufholten. „Mimoun, was soll ich machen?“, wollte er wissen. „Ich verstehe nicht ganz.“, gestand Mimoun mit verschränkten Armen. „War mein Vorschlag vielleicht so… ich weiß nicht, abwegig ist irgendwie das falsche Wort.“ Tief holte Dhaôma Luft. Er hatte schon einmal versucht, Mimoun klar zu machen, dass er nicht gut darin war, Entscheidungen zu treffen, die auch andere betrafen. Also würde er das ein weiteres Mal probieren. „Ich möchte mein Ziel erreichen. Und das wenn möglich mit meiner eigenen Kraft. Aber ich will auch schnell vorwärts kommen und deine Hilfe in Anspruch nehmen, aber das ist mit all dem Gepäck nicht schön für dich. Und dann… Ist es nicht so, dass wir immer wieder hinauf müssen? Dass die Strecke, die ich laufe, nicht mehr die gleiche bleibt, dass der Weg immer wieder unterbrochen ist? Ich weiß nicht, was das Beste ist. Ich finde den richtigen Weg nicht mehr, der vorher so klar war. Auch, weil ich nicht weiß, ob dir gefällt, was ich sage. Und ob es nicht gefährlich ist für dich. Und…“ Er verstummte. Wieder einmal hatte er sich verrannt. In seiner Angst vor Silias Drohung, ihren Bruder nicht in Gefahr zu bringen. Wie sollte er eine Reise voller Ungewissheiten angehen, wenn er seinen Begleiter ununterbrochen schützen musste? Einen Moment lang ließ er die Worte auf sich wirken, dann nickte Mimoun. Das war also das Problem. „Gut. Fangen wir mit den kleinen Schwierigkeiten an.“, begann er und klaubte sich einen Teil des Gepäcks zusammen. Nach einer einladenden Geste lief er in die einzuschlagende Richtung. „Ob es gefährlich für mich wird. Meine Güte, wir suchen Drachen. Natürlich wird es früher oder später gefährlich. Und zwar für uns beide. Ob mir gefällt, was du sagst…“ Mimoun stockte kurz in seiner Rede und sah Dhaôma lächelnd von der Seite her an. „Ich weiß nicht, wie häufig ich es schon gesagt habe, aber wenn du möchtest, sage ich es dir immer wieder aufs Neue: Ich bleibe bei dir, egal wohin dein Weg dich führt. Ich lasse dich niemals allein, werde immer an deiner Seite sein. Den Weg bestimmst du. Ich folge dir nur und unterstütze dich mit all meinen Kräften und Fähigkeiten.“ Erneut stockte er, um einen Schluck aus seiner Wasserflasche zu nehmen. Solange er nicht flog, wirkte die Sonne mit ihrer ganzen Kraft auf ihn. „Wenn dein Weg dir nicht mehr klar erscheint, bring ich dich eben schnellstmöglich zum Fluss zurück. Vielleicht findest du ihn dort wieder. Dort wurden wir ja unterbrochen. Die Regelmäßigkeit der Nachrichten bezieht sich auf Zeit, nicht auf Entfernung. Es ist egal wie weit du in der Zwischenzeit läufst. Und Dörfer unterbrechen unsere Reise maximal einen Tag. Da nicht festgelegt wurde, welche du begrünen sollst, nehmen wir die, die auf unserem Weg liegen. Hoch, rumzaubern, runter, ausruhen, weiter. Ist doch kein Problem.“ Schnell nahm Dhaôma den Rest der Sachen und folgte seinem Freund. Dessen Worte klangen so unkompliziert. Für Mimoun war immer alles ganz einfach. Sogar, dass er für ihn seine eigenen Wünsche zurückstellte. Lächelnd nickte der Junge. „Dann würde es mir, denke ich, gefallen, wenn du mich zum Fluss bringen könntest. Es ist wirklich zu warm hier. Und vielleicht hast du ja Recht und ich finde meinen Weg dort wieder.“ Seufzend betrachtete er sich seinen Freund. Ob Mimoun Hitze genauso gut ertrug wie Kälte? „Solange das okay ist für dich.“ Mit einem amüsierten Lächeln nickte Mimoun. Das war sein Magier. „Ein Stückchen dürfte ich heute noch schaffen. Und je schneller wir zum Fluss kommen, desto besser, finde ich.“ Der Geflügelte ruckelte wieder alle Habseligkeiten an seinem Körper zurecht und hob dann Dhaôma hoch. Für den Flug suchte er sich Luftströmungen, die in kühleren Höhen über das Land zogen. Nicht selten brachten sie ihn auch ein wenig von seinem Kurs ab, doch solange die Hauptrichtung bestehen blieb, reichte es. Fast zwei Stunden später musste er dann wieder landen. Hätte er nur den Magier zu tragen, hätte er noch einige Zeit durchhalten können, doch er trug noch Rüstung und Gepäck. „So. Das war’s für heute. Ab jetzt heißt es laufen.“, bestimmte er und reichte Dhaôma wieder seine Sachen. Die Sonne stand schon recht tief, dennoch beschlossen sie, noch ein wenig weiterzulaufen. Das lag nicht zuletzt an Dhaôma, der sich noch bewegen wollte. Als sie bei Sonnenuntergang endlich ein Lager aufschlugen, waren sie beide todmüde. Immerhin waren sie schon seit langer Zeit wach. Seine letzten Kräfte verwendete der Braunhaarige dafür, sein Abendbrot zu vertilgen und danach unter größter Anstrengung seine kleine Nase-Betäubungs-Blume wachsen zu lassen. Anschließend schloss er dankbar und zufrieden die Augen. „Es ist schön, wieder zu reisen. Ich habe das wirklich vermisst.“ „Ist mir gar nicht aufgefallen.“, murmelte Mimoun schmunzelnd für sich. Erschöpft hatte er sich dort, wo er gestanden hatte, im Gras ausgestreckt. Die Kühle der Nacht lag angenehm auf seiner Haut, auch wenn nicht viel zu der Hitze des Tages fehlte. Er wusste schon, warum sie sich im Sommer nicht übermäßig lange hier unten aufhielten. Diese Wärme war ja furchtbar. Diese und andere nutzlose Gedanken streiften durch seinen Geist als er langsam in einen traumlosen Schlaf driftete. Let me be your wings Let me lift you high above Everything we're dreaming of will soon be ours Anything that you desire Anything at all Everyday I'll take you higher And I'll never let you fall [Däumelinchen] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)