Fallen Angel von Phoenixfedern ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Meine Welt war im Wandel. Alles, was ich einst kannte, war nicht mehr. Licht wandelte sich in Dunkelheit. Freude und Hoffnungen wurden zu Hass und Zerstörung. Freunde wurden zu Feinden und Feinde meine engsten Verbündeten. Mein Herz, einst voller Stolz, war nun ein Ort für Verachtung und Abscheu. Mein Lächeln verzerrte sich. Der Glanz in meinen Augen war auf ewig versiegt. Meine Seele färbte sich schwarz. Glaube und Hoffnungen waren auf immer verloren und nichts vermochte mir noch Wärme zu spenden… Alles hatte sich mit einem Schlag verändert. Und nichts würde diesen Prozess stoppen können. Zwei durchdringend goldene Augen starrten mir entgegen, so scharf und gleichzeitig so warm, als würde ihnen nie etwas entgehen. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine roten Lippen. Mein Blick war auf mein Spiegelbild gerichtet. Ich nahm eine leicht gekauerte Haltung ein, da ich meine beiden Arme auf dem Waschbecken vor mir abgestützt hatte. Mein schwarzes Haar umrahmte mein Gesicht wie Seide, fließend bahnte es sich einen Weg über meinen Körper und endete erst weit unter meiner Brust. Meine Haut verwandelte sich durch dieses Schwarz in puren Schnee. Unter meinem schwarzen Schopf befanden sich eine breite Stirn und scharfe Wangenknochen, kombiniert mit einem leicht rundlichen Kinn. Heute war ein wichtiger Tag. Nicht nur für mich, sondern für all meines Gleichen. Eine Versammlung war einberufen worden. Heute würde uns der große Plan offiziell vorgestellt werden… Ich trug zur Feier des Tages eine schwarze Lederhose, die sich straff um meine muskulösen Oberschenkel strafften, und ein weinrotes Hemd, das leicht im sanften Licht der Deckenlampe zu glänzen schien. Als Abschluss trug ich noch einen schwarzen Kapas, der durch eine silberne Brosche – einen Drache- zusammengehalten wurde und meine schwarzen Stiefel aus Leder, die mir weit über meine Knie reichten. Ich strafte meine Schultern, zog meine Kleidung zu Recht und wandte mich um. Von diesem Tag würde alles abhängen. Noch lange würde man von ihm berichten und über ihn Gedichte verfassen. Es war meine Chance. Meine Chance endlich die Rolle zu übernehmen, die mir so lange schon zu Stand. Nichts anderes hatte ich immer gewollt und nun war das Ziel zum Greifen nah. Das Lächeln verließ nicht meine Lippen, während ich durch die Flure des Palastes in Richtung Ratszimmer schritt. Die Stille um mich herum überraschte mich nur wenig, sodass ich leise meine Schritte an den kalten Wänden wiederhallen hören konnte. Am heutigen Tag würden sie alle versammelt sein. Sie würden da sein, um meinen Tag zu ehren und zu feiern. Meine Geburt stand unmittelbar bevor. Es dauerte nicht lange bis ich die goldene Flügeltür erreichte, die mich nur noch einen Schritt von meinem Begehren trennte. Sie war edel mit diversen Verschnörkelungen verziert, die, wenn man sie genauer betrachtete, zu einem Urwald von Ranken mit spitzen Dornen wurden, die sich alle in ihrer Mitte zu einer prächtigen Rose vereinten. Ich legte meine Hände auf jeweils eine Seite der Tür, ohne großen Widerstand schwang sie bei Seite und gab mir die Sicht auf den Saal preis, der nur so von Engeln wimmelte. Der Saal war genauso prunkvoll eingerichtet, wie die Flügeltür, die als Eingang diente. Säulengänge zierten jeweils die Seiten, an deren Schaft sich Efeuranken aus Marmor hinaufschlängelten und in einem korinthischen Kapitell endeten. Dem Eingang gegenüber befand sich ein Podest, das ebenfalls komplett aus Marmor bestand und in dessen Mitte sich ein eher schlichter, weißgoldener Thron hervorhob. Trotz der Menge konnte ich eine Gestalt deutlich erkennen. Er saß auf besagten Thron, dort oben auf dem Podest, hatte die Hände vor seinen Lippen geschürzt und betrachtete seine Anhänger in stillem Schweigen. Etwas in seinen Augen wollte mir nicht gefallen. Ich wusste nicht, was es war, aber in mir machte sich eine Unruhe breit, die ich auf diese Weise nicht kannte. Alle Blicke richteten sich auf mich, als ich eintrat. Anscheinend hatte man schon auf mich gewartet, dabei war ich wie immer pünktlich. Unzuverlässigkeit war keine Untugend, die ich zu meinen zählen konnte. Mir entging nicht die Spannung, die sich wie ein schwerer Nebel über die Engel legte. Ich konnte sie riechen und beinahe greifen. Ohne zu zögern bahnte ich mir einen Weg nach vorn. Als der Engel Gottes, der in der Gegenwart von diesem Vollmacht besaß, war es selbstverständlich für mich in der ersten Reihe zu stehen. Normalerweise würde ich meinen Platz neben ihn beanspruchen, aber etwas an ihm ließ mich zögern. Sein Blick lag abwartend und sogar leicht fragend auf meinem Haupt und drückte mich beinahe nieder, sodass die Unruhe in mir weiter stieg. Kurz zog ich eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. Neben mir registrierte ich, wie sich Michael, Raphael und Uriel zu mir gesellten und ihren Blick ebenfalls erwartungsvoll zu unseren Schöpfer erhoben. Dieser erhob sich schließlich von seinem Platz, breitete die Arme aus und ließ seinen Blick kurz über die Menge schweifen, bevor er mit tiefer Stimme zu sprechen begann: „Ihr seid alle so zahlreich erschienen, meine Geistkinder, um euch meinen Plan anzuhören. Vermutlich wird dem Einen oder Anderen dieser nicht neu erscheinen, aber heute ist der Tag, wo ich ihn euch formal vorstelle… Um die Unsterblichkeit und das ewige Leben der Menschen zustande zu bringen, gedenke ich den ewigen Plan der Erlösung einzurichten, der sich um die Entscheidungsfreiheit der Menschheit dreht, den Fall des Menschen voraussieht und einen Heiland vorsieht, der die Menschen von ihren Sünden erlöst.“ Kurz hielt er inne. Stille antwortete ihm. Erwartungsvolle Stille, die sich um ihn legen musste, wie eine eisige Hand. „Wen soll ich senden?“ Ich registrierte aus dem Augenwinkel, wie sich eine Gestalt aus der Menge löste und ein paar Stufen hinauf zum Thron erklomm, um schließlich bei der Hälfte inne zu halten. Er legte eine Hand auf seine Brust und richtete seine Augen direkt in die seines Vaters. Ich erkannte ihn sofort. Es war sein ältester Sohn… Unter den Engel war er als „Gott gleich“ bekannt und man hatte von Anfang an gewusst, dass er derjenige sein würde, der zu den Menschen geschickt würde. Musste ich erwähnen, dass mir diese Idee gar nicht schmeckte? Und ihn jetzt zu sehen, wie er so edel auf den Marmorstufen stand, in der Haltung eines Helden, schürte ihn mir einen solchen Hass, den ich kaum zu kontrollieren wusste. „Hier bin ich, sende mich. Vater, dein Wille geschehe, und dein sei die Herrlichkeit“, antwortete dieser dem Aufruf. Ich hörte, wie die Engel um mich herum sich zu freuen begannen. Mir schmeckte das Ganze überhaupt nicht. Es ging einfach alles zu schnell. Die Sache war viel zu voreilig beschlossen worden. Ich sollte erwählt werden, die Ehre besitzen für Gott auf die Erde zu kommen! Nicht er, der immer so guten Herzens war, dass es mich erschaudern ließ. Nicht er. Stille kehrte wieder ein, als ich schließlich meinen mutigen Schritt nach vorne wagte. Die Augen von Gott, die die ganze Zeit auf seinen Sohn gelegen hatten, richteten sich nun fragend auf mich. Aber da war noch etwas in seinen Augen, was mich kurz inne halten ließ. War das Enttäuschung in seinem Blick? Bedauern? Allein dieser Ausdruck brachte mich noch mehr zum kochen… Die Wut auf diesen Plan und auf seinen Sohn wuchs mit jeder Sekunde, wo diese traurigen Augen auf mir lagen, als würde er ein ungezogenes Kind erblicken. „Sende mich, anstelle von ihm. Ich will dein Sohn sein, und ich will die ganze Menschheit erlösen, dass auch nicht eine Seele verloren gehe. Erweise mir die Ehre, meine Rolle für dich zu erfüllen.“ Ich richtete mich in meiner vollkommenen Größe auf. Jeder sollte sehen, was für ein stolzer Engel ich war. Stolz, der zu sein, der ich war ohne von unserem Vater verbogen worden zu sein. Und mit dem gleichen Stolz trug ich meinen Plan dem Rat vor. In meinen Augen war ich der Erlöser und anscheinend war ich nicht alleine. „Ja, wählt ihn! Erwählt ihn!“ Hörte ich einige Engel hinter mir rufen, sodass sich ein Schmunzeln auf meine Lippen legte. Mein selbstgefälliger Blick richtete sich auf Gottes Sohn, dann auf diesen selbst. Und mit dem Bedauern in seinen Augen fing alles an. Ich wurde vom Rat abgelehnt… Und mit diesem Beschluss begann der Krieg. Krieg gegen Gottes Plan. Krieg gegen seinen einzigen Sohn. Krieg gegen den Vater und den heiligen Geist. Krieg gegen Michael, der seinesgleichen gegen mich in die Schlacht trug. Es war eine lange und harte Schlacht, doch letztendlich verlor ich. Zusammen mit meiner Schar, ein Drittel der Sterne vom Himmel, wurde ich auf die Erde hinabgestoßen. Ich fiel… Ich fiel tief in ein dunkles Loch, in meine Angst und in meine Verdammnis. Das Erste, was ich in meinem neuen Dasein verspürte war Hass. Hass und Verachtung gegenüber denjenigen, den ich immer vergöttert hatte. Streben nach Gottgleichheit… Stolz… Weigerung dem Menschen Respekt zu zollen… Willensfreiheit… Das waren meine Verbrechen. Ich rebellierte gegen meinen geliebten Vater, seinen Sohn und den Heiligen Geist, um den ewigen Plan der Erlösung zu vernichten. Und nun war ich verstoßen von meinem eigenen Vater, hinabgeschmettert von Erzengel Michael, gefallen mit flammenden Schwingen. Schwingen, die sich wie meine Seele in tiefes schwarz kleideten. Und nun lebte ich weiter als Wächter der Unterwelt. Eingekerkert in meinem eigenen Hass und dem Gefühl nach Rache, geleitet durch nackte Wut. Ich weinte meine letzten Tränen. Tränen aus purem Feuer, die sich tief in meine Seele brannten. Du wirst sehen, dass du mich nicht hättest verstoßen sollen. Du hättest mich lieben sollen, wie ich es verdiente. Du hättest mir die Aufgabe der Erlösung zu teil werden lassen müssen. Du, der die Menschen immer mehr liebte, als mich. Ich war der Lichtbringer, der Sohn der Morgenröte. Und nun war alles anders… Ich war der Antichrist, denn ich hasste ihn, dem du mehr Liebe zubrachtest, als mir. Abgewandt von Gott war ich das Böse, der Versucher. Ich war der Abgrund und das Chaos, der Herr der Finsternis. Mein Name war Lucifer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)