Es führt mich in die Dunkelheit von RoyalFool (Die blutige Entscheidung) ================================================================================ Kapitel 3: Dunkle Träume ------------------------ Ich stand vor einem Gerichtssaal und wurde von verhüllten Gestalten in die Mitte des Raumes geführt, der nur dort kalt erleuchtet war. Ich sah dort einen Tisch stehen und auf diesem Tisch lag ein alter Hut. Der sprechende Hut. Obwohl niemand etwas sagte, wusste ich, was von mir erwartet wurde. Ich wollte den Hut nicht noch einmal aufsetzen. Ich hatte es doch geschafft, nach Slytherin zu kommen, wie meine Eltern von mir gewollt hatten! Bis jetzt hatte mich nie jemand direkt darauf angesprochen, warum der Hut damals gezögert hatte. Es gab auch andere Schüler, bei denen die Zuteilung zu einem Haus länger dauerte. Ich war davon ausgegangen, dass niemand darauf geachtet hatte oder es nur mir so lange vorgekommen war. Möchtest du nicht zu deinem Bruder nach Gryffindor? Ihn hätte ich ja ohne zu zögern nach Slytherin geschickt, wenn er nicht widersprochen hätte. Eigentlich ist es bei der Familie Black immer sehr einfach gewesen. Nur ihr zwei, ihr macht es kompliziert. Ich sah auf und erblickte am Richtertisch meine Eltern. Sie sahen streng herab und ich wusste, sie hätten lieber ihren älteren Sohn in Slytherin gesehen, der Zweitgeborene war nur Ersatz. Dabei gab ich mein Bestes, sie stolz zu machen. Und Sirius gab sein Bestes, rausgeworfen zu werden. Der Hut hatte Recht. Wir machten es kompliziert. Es war ein paar Tage her, dass einige Gryffindor-Schüler um Potter und Sirius Black herum verhindert hatten, dass Bellatrix mit ein paar Todessern durch ein Blutopfer-Ritual die mächtigen Bannkreise um die Schule schwächen konnte. Die Schülerin Mary war nicht getötet worden und der dunkle Lord hatte nicht die Möglichkeit, nach Belieben in Hogwarts einzudringen. Inzwischen hatten die Gerüchte über den Todesser-Angriff am Rande von Hogwarts auch den Tagespropheten erreicht. Ich konnte mir vorstellen, dass Dumbledore und das Lehrerkollegium von den Briefen besorgter Eltern regelrecht bombardiert wurden. Ich konnte nicht verstehen, wie der Schulleiter Übermut und Torheit mit so vielen Hauspunkten belohnen konnte. Das stachelte die Gryffindors doch nur weiter an, Blödsinn zu machen und auf ihr unverschämtes Glück zu vertrauen! Das würde sie noch Kopf und Kragen kosten! Potter würde Sirius nur weiter in jeden Schlamassel mit reinziehen. Und Sirius würde sich weiterhin keine Gedanken darum machen, was sein Verhalten für die Familie bedeutete! Bellatrix hatte ihn unter den Schülern erkannt und meinen Vater unter Druck gesetzt. Das konnte ich zwischen den Zeilen des ungewöhnlich strengen Briefes lesen, der mich an diesem Morgen erreichte. Immerhin schienen die Todesser ihm nichts angetan zu haben dafür, dass er seinen älteren Sohn nicht unter Kontrolle hatte! Gegen diese düsteren Befürchtungen waren die Schikanen meiner Mitschüler auszuhalten. Dafür, dass Severus weiterhin so viel mit dem Schlammblut Lily Evans zu tun hatte, riss er die Klappe ziemlich weit auf, was meine Blindheit und Weichheit meinem großen Bruder gegenüber anging. Dass Devon Avery sehr gehässig werden konnte, wusste ich. Ich wusste auch, dass er neidisch war, weil meine Familie nicht wie sein Vater das Familienerbe leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte. Ich versuchte, mich nicht zu sehr einschüchtern zu lassen und mir eine etwas dickere Haut zuzulegen. Ich durfte mir einfach keinen weiteren Fehler erlauben und musste unter Beweis stellen, dass ich trotz dieser einen Aktion mit dem Tarnumhang nicht so ein elender Blutsverräter war wie mein Bruder. Und dass ich im richtigen Haus untergekommen war. Diese Woche hatte ich kaum Lust auf irgendein Fach. Am liebsten hätte ich mich die ganze Zeit alleine zurückgezogen und meine Nase in Bücher gesteckt. Zur Ablenkung. Als Dumbledore bei einem Abendessen verkündete, dass wir nun alle, ob wir wollten oder nicht, an Muggelkunde teilnehmen sollten, stöhnte ich gemeinsam mit den meisten Slytherins genervt auf. Muggelkunde, dachte ich angewidert. Wieso gab es an dieser Schule Wahlfächer, wenn Dumbledore einem dann sowas aufzwang? Ätzend! „Als ob er uns dazu bringen könnte, Muggel plötzlich zu mögen, indem er uns ein zusätzliches Fach aufdrängt, das uns einen feuchten Kehricht interessiert!“, wurde geflucht. „Der Fluch wird nach hinten losgehen. Auch Dumbledore kann sich mal irren!“, zeterte eine weitere Stimme. „Ich werde für jedes Mal, wo ich unter dieser dummen Regel leiden muss, einen Muggel später foltern!“, grollte jemand. Ich mochte mich nicht umgucken, wer genau das nun gesagt hatte. Den Zorn konnte ich jedenfalls verstehen. Ich hatte auch besseres zu tun. Der Mitschüler konnte froh sein, dass kein Lehrer in der Nähe war und keiner, der petzen würde. „Meine Eltern werden sich sicher beschweren und Druck ausüben. Allzu lange wird Dumbledore diese Regelung sicher nicht durchsetzen können.“, meinte ich, als die Wut nicht mehr so sehr mein Hirn vernebelte. „Gute Idee, wir stiften alle unsere Eltern an, mit uns zu protestieren!“ Es fiel mir schwer, einzuschlafen. Ich wollte keine weiteren unangenehmen Träume. Sicher würde dieser Aushilfslehrer in Wahrsagen mir wieder eine düstere Zukunft prophezeien, bloß weil mein Nachname „Black“ lautete. Ich bekam jetzt schon Kopfschmerzen, wenn ich an die ganzen Räucherstäbchen im Klassenzimmer dachte! Ach, was soll´s, ich kenne doch selbst Möglichkeiten, über meine Zukunft zu spekulieren! Ich hatte sogar ein Set von meiner Mutter zum Runen werfen bekommen, weil sie stolz genug auf mich gewesen war, dass ich in Runenkunde so gute Noten hatte. Der Wurf der Nornen war am einfachsten. Ich schlich in den Gemeinschaftsraum, nahm mir ein schlichtes weißes Tuch und zog den Beutel mit den Holzstückchen, auf denen die Runen eingeritzt waren. Ich zog drei der Holzstückchen und warf sie mit einem geflüsterten „Rúnar, rádh rétt rádh!“ auf das Tuch. Sie bildeten die Eckpunkte eines Dreiecks. „Urdhr, Verdhandi, Skuld“, ordnete ich die Holzstücke Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu. Ich sah bereits, dass es kein guter Wurf war, zwei der drei Runen waren dunkle Stäbe, lagen also mit der Runenseite nach unten. Vergangenes konnte man kaum ändern, aber es mochte sich für immer auf die Gegenwart auswirken. Ich schlug die Rune nach, die etwas Negatives für meine Zukunft offenbaren könnte. Ich würde etwas wegen schlechtem Timing nicht schaffen. Da ich an den ewigen Streit mit meinem Bruder gedacht hatte, nahm ich an, dass eine Versöhnung durch schlechtes Timing gefährdet sein würde. Dass die Rune in meiner Gegenwart ein heller Stab war, tröstete mich nicht sonderlich. Frustriert schlug ich im nächsten Wahrsagen-Unterricht Professor Lovegoods Angebot aus, mir und meinem Bruder die Karten zu legen. Stattdessen lauschte ich den gehäuften Alptraum-Schilderungen der anderen Mitschüler. Auch meine Träume waren in letzter Zeit drückend, ich hatte es aber auf meine momentanen Probleme mit den Slytherins geschoben, die mir immer noch übel nahmen, meinem Bruder diesen blöden Tarnumhang zurückgegeben zu haben. Ich teilte meine Träume und Gedanken mit niemandem, denn ich traute im Moment niemandem hier. Das Gefühl von allgemeinem Misstrauen war sogar drückender, als die Ereignisse an sich erklären würden. Natürlich gab es kleine Lichtblicke. Vor Runenkunde begegnete ich der Ravenclaw Meaghan McCormack. Zwischen Ravenclaws und Slytherins herrschte nicht so eine erbitterte Rivalität wie zwischen Slytherin und Gryffindor. Außerdem war Meaghans Mutter eine berühmte Quidditch-Spielerin und spielte derzeit bei Pride of Portree. Meine Lieblingsmannschaft waren zwar die Montrose Magpies, aber ich war nicht so ein fanatischer Fan, dass ich alle anderen Mannschaften und Fans deshalb gleich anfeinden würde. „Ich habe im Tagespropheten gelesen, wie deine Mutter dich nach ihrem super Spiel grüßen lässt! Sie ist sicher viel unterwegs, als Profisportlerin, aber sie vergisst dich nicht.“ Meaghan strahlte. Sie hatte ein ansteckendes Lächeln. Als Hüterin der Ravenclaws war sie mir auch schon aufgefallen. Sie war auf jeden Fall nicht nur in die Mannschaft gekommen, weil ihre Mutter berühmt war. „Was hast du für Runen vorbereitet?“, wechselte sie das Thema, als ein anderer Ravenclaw sich zu uns setzte. „Ich glaube, wir fangen heute ein neues Thema an. Schutzrunen oder so, ganz sicher bin ich mir auch nicht.“, musste ich gestehen. „Ich kann immer noch nicht flüssig genug Futhark schreiben, fürchte ich.“ Typisch Ravenclaw. Fleißig am Lernen und dann doch Panik, nicht gut genug zu sein. Mir kam der Gedanke, dass die Gerüchteküche von Hogwarts brodeln könnte, wenn ich öfter mal zufällig mit Meaghan reden würde. Was für ein alberner Gedanke! Er ließ mich die drückenden Träume vergessen, bis ich Florence, Evan und Devon im Gemeinschaftsraum über einem alten, zerfledderten Tagebuch brüten sah. „Der Zauberer beschreibt ähnliche Alpträume, wie wir heute in Wahrsagen besprochen haben! Sie scheinen nicht auf natürlichem Weg zu kommen…“, hörte ich Florence sagen. „Aber es fehlen noch zu viele Seiten, Peeves muss sie überall auf dem Schulgelände verstreut haben!“, fügte Evan hinzu. „Ich glaube, Potter hat heute in Wahrsagen mit Papierfetzen rumgeworfen. McCormack hat eine davon gelesen, die saß neben mir. Zeig mal… die Schrift könnte die gleiche sein! Vielleicht hat sie die Seite ja noch?“, mischte ich mich ein und lugte neugierig in das Buch. „Wenn wir alle zusammen suchen, müssten wir genug lose Seiten finden können!“ Ich strahlte, denn die gespannte Stimmung zwischen mir und ihnen schien sich zu lockern. „Wenn Potter und seine Freunde noch Seiten haben, werden wir auf dich zurückgreifen, kleiner Black.“ Mir war nicht aufgefallen, wie sie mich umzingelten, bis ich keinen Ausweg mehr sah. „Du möchtest doch beweisen, dass du kein kleiner Verräter bist und wirklich zu uns gehörst?“ Ich schluckte und nickte dann. Mist. Sie würden es nicht auf sich beruhen lassen. „Was wollt ihr denn?“, fragte ich möglichst gelassen und ein wenig patzig nach. „Du hast doch auch noch ein Hühnchen mit deinem Bruder zu rupfen. Hilf uns nur, ihn einmal von Potter wegzulocken.“ Ich runzelte die Stirn. Wollten sie wirklich nur meine Hilfe für eine kindische Racheaktion? „Severus hat bereits Vielsafttrank gebraut. Wir bräuchten nur ein Haar… Du kennst deinen Bruder von uns noch am besten. Schleich dich bei seinen Freunden ein, besorge die Seiten und guck, was sie sonst noch vorhaben und wenn deine Informationen was wert sind, vergessen wir, dass du deinem Bruder eine Chance zu viel gegeben hast!“ Devon lächelte zuckersüß, aber seine Körperhaltung war so bedrohlich, dass ich den Kopf einzog. „Okay…“, brummte ich. „Versprich, dass du ihnen diesmal keine geheimen Zettel schreibst!“, drängte Severus. „Jaa, man!“ Langsam konnte ich echt verstehen, warum mein Bruder Schniefelus so hasste. Im Laufe des Tages entdeckten wir weitere zerknüllte Seiten und Schnipsel. Meaghan und ihre beste Freundin händigten uns die Seiten aus, die sie hatten – im Gegenzug wollten sie auch einen Blick in das Tagebuch werfen dürfen. Ich fragte mich, ob ihre Geistererscheinung ebenfalls etwas mit den Alpträumen zu tun hatte, von denen Florence erzählt hatte. „Ich glaube ja, die sehen nur Geister und Mumien, weil Lovegood sie mit seinem komischen Räucherstäbchen zudröhnt!“, bemerkte Devon gehässig. „Jetzt scheinen uns nur noch die Seiten zu fehlen, die Peeves vielleicht noch hat und die von den Rumtreibern. Wir haben zwar diesen einen Ravenclaw drauf angesetzt, Reginald, aber wir sollten den Plan mit Regulus auch umsetzen. Sicher ist sicher. Die scheinen wieder was auszuhecken.“ Ich sah mich suchend auf dem Schulgelände um und entdeckte weit in der Ferne, halb hinter einem Gebüsch, eine kleine Bande Gryffindors, die die Rumtreiber sein könnten. „Wir brauchen einen besseren Plan. Sirius wird sich nicht bloß allein mit mir treffen, weil ich ihn drum bitte. Potter wird garantiert hinterherschleichen und das war´s dann mit eurem tollen Plan.“, gab ich zu Bedenken. Wir schlenderten ein paar Schritte weiter, hinter mir steckten Devon und Evan die Köpfe zusammen und berieten sich. „Wir warten einen passenden Zeitpunkt ab und dann inszenieren wir einen Streit! Du musst uns richtig anbrüllen und dann schubsen wir dich den Hang da runter, sodass die Rumtreiber das auf jeden Fall mitbekommen! Wenn sie dir helfen wollen, sag, dass sie sich nicht einmischen sollen. Wie du es so gern zu uns sagst.“ Ich verzog das Gesicht. „Und wenn ein Lehrer das mitbekommt?“, hielt ich gegen diesen Vorschlag. „Wir müssen einfach den richtigen Zeitpunkt abwarten!“ Ich werde mich meinem Bruder wegen schlechtem Timing nicht wieder annähern können, fuhr mir durch den Kopf, während wir unauffällig darauf warteten, dass Potter und Co wieder aus ihrem Gebüsch raus kämen. „Sie gehen zu den Ravenclaws! Am besten machen wir noch eine Runde hinter die Baumgruppe dort und wenn wir an der anderen Seite für sie wieder zu sehen sind, müssen wir schon mitten im Streit sein!“, bestimmte Evan Rosier. Ich fügte mich meinem Schicksal und legte mir zurecht, was ich den anderen an den Kopf werfen konnte, damit es glaubhaft wirkte. Es fiel mir gar nicht so schwer, Worte zu finden, mit denen ich die anderen tatsächlich wütend machen könnte. „Avery, du bist doch bloß neidisch, weil meine Familie sowohl reinblütig als auch im vollen Besitz ihrer Familienerbstücke ist!“, schleuderte ich Devon entgegen, als er wieder anfing, mich als Verräter zu beschimpfen. „Mein Vater mag ein Trottel sein, aber in meiner Familie sind wenigstens keine Blutsverräter!“, konterte er. „So, wie du dich benimmst, könnte man meinen, in deinen Familienstammbaum habe sich mindestens ein HÖHLENTROLL geschlichen!“, schrie ich erbost. „Jemand, der so unwürdig ist, hat nicht das Recht…“, hörte ich Rosier noch sagen, als Avery bereits auf mich zukam und grob schubste. Ich blieb stehen und spuckte ihm vor die Füße. Im nächsten Moment traf mich ein Faustschlag am Brustbein und ich taumelte zurück, rutschte auf feuchtem Moos aus und rollte wie geplant den Abhang etwas hinunter. Ich musste mich gar nicht umsehen, um zu wissen, dass unser Schauspiel ernst genommen wurde. Ich hörte Rufe und Schritte den Hang rauf kommen. „Was ist hier los? Regulus, bist du verletzt?“, kamen die bohrenden Fragen. Ich blieb kurz liegen, schniefte und sah dann kurz auf. Sirius war gekommen, Potter scheuchte die anderen Slytherins fort und ich erblickte sogar Meaghan und ihre Freundin. Gott, war das peinlich! „Schon ok, geht euch nichts an! Lasst mich doch einfach alle in Ruhe!“ Ich stand auf, wischte mir mit einer Handbewegung grob den Dreck von der Hose und floh Richtung Waldrand. „Regulus, warte! Lass mich dir doch helfen! Sag doch, wenn du Probleme hast!“ Ich drehte mich wütend um. „Seit wann hörst du zu, wenn es deiner Familie schlecht geht? Bleib doch lieber bei deinen Freunden!“ Das schien ihn zu treffen. Es tat mir fast leid. Ich ging schnurstracks weiter. „Lass mich mit meinem Bruder reden. Allein. Ich komm später zurück…“ Sirius folgte mir. Tatsächlich. Allein. Und es fühlte sich so falsch an. Ich konnte nicht stehen bleiben, ich wollte mich nicht zu ihm umdrehen, ich wollte ihm nicht ins Gesicht sehen müssen. Wir entfernten uns von den anderen Mitschülern und selbst, als wir außer Sichtweite waren, schien Sirius noch darauf zu warten, dass ich von mir aus stehen blieb oder die unangenehme Stille unterbrach. Mein Mund fühlte sich trocken an. „Regulus…“ Sirius klang irgendwie müde und hilflos. So kannte ich ihn kaum. Ich spürte seine Hand sanft auf meiner Schulter. Nun blieb ich stehen und ließ zu, dass er sich vor mir stellte. „Rede doch mit mir. Ich könnte dir helfen! Wir könnten zusammen…“ Warum war er nicht immer so verständnisvoll? Nein, das war jetzt nur eine Maske, ein Spiel, Sirius wollte vor seinen Freunden nicht herzlos rüberkommen! Es wäre ziemlich herzlos, seinem kleinen Bruder nicht zu helfen, wenn er so offensichtlich von anderen Jungs geärgert und halb verprügelt wurde. Trotz dieses Gedankenganges fiel es mir nicht leicht, innerlich kalt gegen meinen Bruder zu sein. „Wie willst du mir denn helfen? Das ist doch nur wieder so ein falsches Versprechen, damit du dich als der Gute fühlen kannst…“, entgegnete ich bitter. Sirius verzog das Gesicht, schien sich aber zu bemühen, ruhig zu bleiben. „Bitte, Regulus. Worum ging es? Warum lässt du dir das gefallen? Setzen sie dich irgendwie unter Druck? Zwingen sie dich zu was, was du nicht möchtest?“ Wie treffend. Ich zuckte zusammen und sah Sirius dann schuldbewusst an. Ich hoffte ein wenig, dass er verstehen würde. Unauffällig zog ich meinen Zauberstab. „Petrificus totalus!“ Sirius machte ein überraschtes Gesicht, als er zu Boden ging. „Es tut mir leid“, sagte ich traurig, als ich auf ihn herab blickte. Dann sah ich mich um, die Mitverschwörer müssten bald mit dem Vielsafttrank nachkommen! Ich beugte mich zu Sirius herab, strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und tastete sanft nach einem Haar, das eh schon lose war. Auch, wenn er als Blutsverräter aus der Sicht eines konservativen Reinblüters Schmerzen verdient hätte. Ich nahm seinen Zauberstab an mich und verbarg meinen eigenen. Die Farbe meiner Schuluniform war leicht zu wechseln. Ich trat auf Severus zu, der mir einen Becher hinhielt. Ich ließ das Haar von meinem Bruder in die eklig brodelnde Flüssigkeit fallen. Es zischte, der Vielsafttrank war fertig. „Trink“, befahl man mir. Ich rümpfte die Nase und nahm einen kräftigen Zug. Ich spürte, wie mein Körper sich leicht veränderte. Mein Bruder und ich sahen uns ohnehin ähnlich, er war nur etwas größer und älter und fiel den Mädchen mehr auf. Ich würde sehr auf mein Verhalten achten müssen, damit ich keinen Verdacht erregte. Andererseits überlegte ich, ob es nicht besser wäre, den Rumtreibern irgendein Zeichen zu geben, damit sie weniger Grund haben würden, mir in Zukunft Ärger zu bereiten. Da fiel mir ein, dass ich noch den Ring trug, den Mutter mir als Zeichen geschickt hatte, dass ich im Moment der Anwärter auf den Rang als Erbe der Familie Black war, obwohl ich nicht der Erstgeborene war. Dieses dezente Zeichen hatte Sirius zeigen sollen, wie ernst es unseren Eltern war. Es hatte ihm Druck machen sollen. Ich hatte es ihm immer wieder gezeigt und ich war mir sicher, dass seine Freunde es mitbekommen haben mussten. Wahrscheinlich hatte Sirius sogar erwähnt, was diese albernen Gesten und das Schmuckstück zu bedeuten hatten. Wenn die Gryffindors also nur ein wenig auf Details achteten, müssten sie stutzig werden! Ich steckte meine linke Hand in die Tasche, um den Ring zu verbergen, damit die Slytherins mir dieses verräterische Zeichen nicht abnehmen würden. Sie achteten nicht darauf. Ich wurde prüfend gemustert, Rosier lockerte meine Krawatte und ich zog mir unordentlich das Hemd aus der Hose, wie Sirius es immer tat, um rebellischer zu wirken. Nun nickten die anderen und ich kehrte an Sirius Stelle zu den Rumtreibern zurück, die noch immer mit den Ravenclaws zusammensaßen. Potter sah auf, runzelte die Stirn, wandte sich aber wieder dem Tagespropheten zu, den er in den Händen hielt. Lupin und Evans schienen den Ravenclaws, darunter Meaghan, bei einem Rätsel zu helfen. Es lagen in einem Kreis Papierschnipsel mit Buchstaben verteilt und sie schienen daraus einen Satz entziffern zu wollen. Ich mochte Rätsel, aber ich war nicht hier, um ihnen dabei zu helfen. Es hätte nicht zu meiner jetzigen Rolle gepasst. Es wunderte mich etwas, dass die Rumtreiber mich nicht ansprachen. War Sirius nicht sowas wie ihr bester Freund? Waren sie nicht neugierig, was er mit Regulus besprochen hatte? Oder hatten sie doch genug Anstand, die Familienangelegenheiten von Sirius nicht öffentlich zu diskutieren? Oder war Potter beleidigt, dass Sirius seine Hilfe vorhin abgelehnt hatte? Ich musste einsehen, dass ich Sirius Freunde nicht genug kannte, um die Situation richtig einschätzen zu können. Mir fiel kein lockerer Spruch ein, der typisch Sirius gewesen wäre. Ich setzte mich und beobachtete erst einmal. Ich musste mir einen Überblick verschaffen und einen passenden Moment abwarten, mich in das Gespräch einzuklinken. Nervös spielte ich mit dem Ring. Ich hatte nicht ewig Zeit, die Wirkung des Trankes würde in spätestens einer Stunde nachlassen. Hier gab es nicht die Möglichkeit, den Rumtreibern persönliche Informationen zu entlocken. Es sah nicht so aus, als würden sie sich bald zurückziehen wollen, um unter sich zu sein. Mist. Immerhin würden die Slytherins mir daraus kaum einen Strick drehen können, wenn ihr Plan Lücken hatte und deshalb nicht aufging. Ich räusperte mich. „Po…“ Moment, Sirius würde seinen besten Kumpel niemals beim Nachnamen rufen! Gut, dass ich leise angefangen hatte, zu sprechen. „James, darf ich mal diese Zettel sehen?“ Potter sah auf. War das Misstrauen in seinem Blick? Er reichte mir die Zettel, ließ mich aber nicht aus den Augen. Ich konnte sie nicht einfach einstecken. Also las ich, um mir die wichtigen Informationen merken zu können, dann gab ich ihn zurück. Potter steckte ihn wieder in seine Hosentasche. In diesem Moment tauchte eine kleine Gruppe Slytherins auf, die laut nach Regulus riefen. Clever. „Black, was hast du mit deinem Bruder gemacht? Wo ist er?“ Ich stand auf und versuchte, so gelassen und cool wie Sirius zu wirken. „Ihr habt ihn doch beschimpft und den Hang runter geschubst! Mit mir reden wollte er nicht, er wollte allein sein. Versteckt sich bestimmt, taucht schon wieder auf…“ Ich zuckte mit den Schultern. Ich spürte etwas ungläubige Blicke auf mir. Ja, so gleichgültig konnte Sirius seiner Familie gegenüber sein. War jedenfalls mein Eindruck. Ich gab auf, mit den Rumtreibern ins Gespräch kommen zu wollen. War auch besser so, ich hatte dem Plan, sie auszuspionieren, ohnehin nur widerwillig zugestimmt. Devon Avery versuchte noch, mit „Sirius“, dem Ravenclaw Reginald und Aubrey um die Seiten zu verhandeln, gegen den Quaffel, den sie von Potter hatten. Der Deal wurde abgelehnt. Sicherlich, weil Aubrey noch sauer auf die Aktion war, wo einige Slytherins seinen Kopf ins Klo gesteckt hatten, um die Gryffindor-rote Haarfarbe auszuwaschen. In dem folgenden Gerangel hatten sie Aubreys Zauberstab konfisziert und er hatte dafür den von Evan Rosier in die Hände bekommen. Ich war zwar nicht dabei gewesen, aber ich hatte hinterher den Boten spielen müssen, auf dass die Zauberstäbe zurück getauscht werden konnten. Da mussten wir uns nun etwas anderes überlegen, an die fehlenden Seiten ranzukommen! Wir hatten noch Hoffnung, dass die Ravenclaws einen Weg für uns finden würden. Schließlich lief meine Zeit als Sirius langsam ab und ich verkündete, ich würde nun doch nach meinem Bruder suchen gehen. Man hielt mich nicht auf. Ich fragte mich, ob es Streit zwischen Potter und meinem Bruder gegeben hatte, dass Potter jetzt so distanziert wirkte. Oder er hatte einen Verdacht. War ihm mein Ring doch aufgefallen? Im Wald verwandelte ich mich zurück und änderte die Farbe meiner Robe wieder. Ich suchte die Stelle auf, wo ich Sirius zurückgelassen hatte. Er war fort und ich fand Bluttropfen im Laub. Ich spürte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend. Ich hatte ihn allein zurück gelassen, bewegungsunfähig und ohne Zauberstab, ohne Schutz! Wie dumm von mir! Mit wachsender Angst rannte ich los. Wo war Sirius? Ich musste ihn finden, mich entschuldigen, ihm helfen… Ich fand ihn, als er bereits den Waldrand erreicht hatte und von seinen Freunden bemerkt wurde. Ich versteckte mich hinter einem Baum. Die blutigen Striemen im Gesicht wirkten nicht, als habe ein wildes Tier sie ihm zugefügt. Ein Tier hätte meinen Klammerfluch auch nicht lösen können. Ich schloss die Augen. Es gab nur eine Lösung: Die Slytherins hatten ihm zugesetzt, während ich in seiner Gestalt unten bei seinen Freunden gesessen hatte! War das von Anfang an ihr eigentlicher Plan gewesen? Es würde zu ihnen passen. Sirius hatte Recht, manche Slytherins hatten eine grausame und hinterhältige Ader. Da war nichts Ehrenvolles dabei, einen wehrlosen zu verletzen und Brüder auf so eine Weise gegeneinander auszuspielen. Ich sah, wie Sirius Freunde sich besorgt zu ihm beugten und leise auf ihn einredeten. „Wer war das? Was ist passiert?“ Sie würden denken, ich hätte etwas damit zu tun! Zu Recht. Sie würden mir niemals glauben, dass ich es nicht gewusst hatte. Dass ich es nicht hatte ahnen können… Ich wünschte, ich hätte so tolle, loyale Freunde wie mein Bruder. Ich beneidete ihn. Aber bei allem, was Sirius unter seiner eigenen Familie erleiden musste, nur weil er andere Ansichten vertrat, konnte ich nicht drum herum, es ihm zu gönnen. Ich schob diese Gefühle beiseite, als Tränen in meine Augen stiegen. Ich sah, wie mein Bruder sich immer weiter von mir entfernte und diesmal hatte ich ohne jeden Zweifel selbst dazu beigetragen. Ich schlich mich weg und sobald ich mich sicher genug wähnte, rannte ich. Ich war allein und konnte mich meinen Gefühlen hingeben. Panik. Schuld. Wut. Trauer. Einsamkeit. Mein Sichtfeld verschwamm und ich spürte, wie dünne Äste in mein Gesicht peitschten. Ich wurde langsamer und schnappte nach Luft. Mein Herz pochte. Warum rannte ich davon? Ich konnte nicht vor dem davon rennen, was ich getan hatte. Ich konnte nicht vor meinen „Freunden“ davon rennen. Ich würde ihnen früher oder später wieder gegenübertreten und gestehen müssen, dass ich versagt hatte. Ich hatte die Seiten nicht von Potter bekommen und auch sonst keine für sie wertvollen Informationen. Und sie dürften nicht merken, dass es mir nicht einmal Leid tat. Ich kauerte mich hinter einen großen Baum und grübelte. Ich hatte noch Sirius Zauberstab und ich wollte ihn nicht meinen falschen Freunden als Druckmittel gegen meinen Bruder in die Hand geben. Sie hatten ihm für heute genug angetan. Ich hatte mich genug von ihnen ausnutzen lassen. Auch, wenn Sirius es nicht sehen würde, war ich im Zweifelsfall lieber meiner Familie gegenüber loyal als Mitschülern, nur, weil sie im selben Haus gelandet waren wie ich. Und noch hatte Vater ihn nicht aus der Familie verbannt. Noch gehörte er offiziell zur Familie. Niemand sonst hatte das Recht, sich da einzumischen! Ich verbarg Sirius Zauberstab unter meinem Umhang und holte meinen eigenen wieder hervor. Mir war unnatürlich kalt und ich spürte einen Druck auf meinem Brustkorb, der es mir schwerer machte, normal zu atmen. Erst, als ich in der Ferne Stimmen hörte, die meinen Namen riefen, ließ das unangenehme Gefühl nach. Ich musste mich konzentrieren, gleich glaubhaft rüberzukommen. Einige Minuten später zeigte ich mich Florence und Emma, so geknickt und zerknirscht, wie ich mich zum Teil wirklich fühlte. Ich schniefte und wischte mir mit dem Ärmel meiner Robe über die Augen. „Es… es tut mir leid…“, stammelte ich. „Ich hab nichts rausbekommen. Potter hat mir auch nicht die Seiten gegeben… Ihr seid bestimmt sauer! Dabei… dabei hab ich wirklich mein Bestes gegeben, wie Sirius zu wirken!“, fuhr ich fort. „Aber die Rumtreiber waren nicht allein, bei den ganzen anderen Schülern konnte ich ja wohl kaum… intime Fragen stellen oder so, ohne dass es… blöd gewirkt hätte…“ Florence legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Ist schon ok, du hast dich bemüht. Wir kommen anders an die Seiten.“ Ich hob den Kopf, hoffentlich sahen die Jungs das auch so! „Jemand wie du, aus so einer stolzen Familie, sollte nicht weinen!“, sagte Emma. Ich nickte hastig und wischte mir nochmal über die Augen, bevor ich wieder eine elegantere Körperhaltung annahm und meine Schultern straffte. „Komm, die anderen machen sich schon Sorgen!“ Sorgen? Ja, ganz bestimmt, dachte ich sarkastisch. Stumm folgte ich ihnen. Vor Evan und Devon wiederholte ich meine Entschuldigung. „Kein Ding, du hast die Mutprobe ja bestanden!“, meinte Devon gönnerhaft. Ich presste meine Lippen zusammen, um mir einen bissigen Kommentar zu verkneifen. Wie konnte er es wagen, so zu tun, als stünde er derart über mir? „Wo hast du Sirius Zauberstab?“, fragte Evan nach. Ich machte erschrocken große Augen. „Den Zauberstab? Den… den hab ich weggeworfen, irgendwo am Waldrand! Ich hab gesehen, wie Sirius blutüberströmt… da hab ich Panik bekommen, man würde mir das sicher anhängen, deshalb bin ich ja abgehauen und hab mich nicht sofort bei euch gemeldet…“ Ich sah ihnen an, dass sie mir zwar glaubten, aber durchaus kurz sauer über so eine überstürzte und dumme Reaktion waren. Ich musste eine Gelegenheit finden, den Zauberstab unauffällig loszuwerden, sodass Sirius ihn wiederbekam. Die Gryffindors fragte bereits nach dem Zauberstab! Ich konnte mich kaum einem von ihnen nähern, ohne Rache fürchten zu müssen für das, was Sirius passiert war. Ich sollte ihn jemandem von einem anderen Haus geben, jemandem, der neutraler war. Ich dachte an Meaghan. Womöglich hatte sie gesehen, wie Sirius verletzt zwischen den Bäumen hervorgestolpert war und hatte Gerüchte gehört, ich hätte ihm das angetan. Ich wollte nicht, dass sie dachte, ich sei ein schlechter Mensch. Ich wollte generell nicht, dass man mich für einen schlechten Menschen hielt! Ich fand es ja schon schlimm, wenn andere Zaubererfamilien ihre Hauselfen zu schlecht behandelten! Doch es ergab sich keine Möglichkeit, Meaghan abzufangen. Stattdessen lief mir ihre beste Freundin, Ana, wenn ich das richtig mitbekommen hatte, über den Weg. „Entschuldige…“, hielt ich sie auf. Ich sah mich kurz um, nicht, dass wir beobachtet wurden! Dann holte ich Sirius Zauberstab hervor. „Kannst du den Sirius geben?“ Sie sah mich überrascht an. „Ich… es tu mir leid. Ich wollte nicht, dass wieder so dumme Tauschgeschäfte gemacht werden und… ich hatte nichts damit zu tun, ehrlich, also dass er verletzt wurde! Sag niemandem was! Sag, du hättest… den Zauberstab am Waldrand gefunden! Ich, nun ja, ich habe behauptet, ich hätte ihn weggeworfen…“ Ich senkte beschämt den Blick. Sie nahm den Zauberstab an und ich fühlte mich wie von einer großen Last befreit. „Wenn du irgendwie Probleme hast…“, begann sie mit freundlicher, warmer Stimme. Schade, dass nicht alle Menschen so hilfsbereit und nett waren! Ich schüttelte den Kopf, ich durfte jetzt nicht schwach werden! „Danke… schon gut.“ Sie hakte nicht nach und verschwand mit dem Zauberstab im Gebäude. Der Rest des Tages zog träge an mir vorbei. Ich versuchte, nicht auf die Vorwürfe zu achten, die Sirius Freunde mir eher mit Blicken als mit Worten zuwarfen. Es fiel mir schwer, mich auf den Inhalt des Tagebuches zu konzentrieren, als Devon es uns vorlas. Es klang sehr düster. Und es fehlten nach wie vor Seiten. Außerdem war noch nicht sicher, ob wir dem gleichen Phänomen gegenüberstanden wie dieser Alfred J. Fry, der es geschrieben hatte. Eigentlich war Hogwarts ein magisch außerordentlich gut geschützter Ort. Wenn ich so darüber nachdachte, auszuschließen war nicht, dass der Versuch des dunklen Lords, hier einzudringen, nicht doch irgendeinen der Schutzringe soweit geschwächt hatte, dass doch eine dunkle Macht hindurch käme. Mir schauderte. Nachtmahr. Ein Wesen, das von Angst und Alpträumen angelockt wurde oder sie verstärkte und sich davon ernährte, hätte im Moment echt leichtes Spiel mit mir! Severus gab uns einen Trank, der jegliche Träume unterdrücken sollte. Wenn wirklich ein so gefährliches Wesen einen Weg in unsere Träume gefunden hatte, würde es nun zumindest weniger leicht Nahrung finden. Beim Abendessen geschah etwas, was meine Laune minimal hob. Das grüne Pesto schmeckte eigenartig süßlich zu den Nudeln, was schließlich auch einer meiner Mitschüler verwundert ansprach. Bei den Gryffindors hörte ich ein unterdrücktes Kichern. Sie mussten uns etwas ins Essen gemischt haben! Noch während ich darüber nachdachte, was es sein könnte, öffnete sich mein Mund und das Brüllen eines Löwen erfüllte die große Halle. Dreimal brüllte ich wie ein ausgewachsener Löwe, bei meinen Kameraden schien die Wirkung schwächer auszufallen. Bloß ein alberner Scherzartikel, eine Süßigkeit im Pesto. Obwohl ich als Slytherin Löwen nicht mögen sollte, schmunzelte ich über diesen kindischen Scherz und ich konnte die Sprüche der anderen ignorieren, wie eindeutig ein Löwe in mir stecken musste statt einer Schlange. In dem Gelächter hatte Remus Lupin sich herangeschlichen, ich bemerkte ihn, als er mir ein Haar ausriss. „Hey!“, beschwerte ich mich und sah ihm böse nach. Was sollte denn das? Ob sie auch Vielsafttrank brauten und Gleiches mit Gleichem vergelten wollten? Das wäre doch echt dumm und auffällig! Nach dem Abendessen hatten wir noch eine Stunde Astronomie. Obwohl eine sternenklare Nacht war und ich den Text gründlich gelesen hatte, fiel es mir schwer, die Sternenbilder zu erkennen. Ich sah nur schön leuchtende Lichter am dunklen Himmel. Anderen Schülern schien es ähnlich zu gehen. Von den Gryffindors ging Unruhe aus, die ich auszublenden versuchte. „Was ist der Hauptstern des Sternenbildes Leo?“ – „Regulus!“ Ja, das hätte ich auch gewusst… Es war, als wolle die ganze Welt mir ausgerechnet heute unter die Nase reiben, dass ich nicht nach Slytherin gehörte und deshalb ebenso wenig wie Sirius ein guter Erbe des Hauses Black werden könnte! Meine Laune sank wieder. Ich stand in der kalten Düsternis und hielt eine Kerze in beiden Händen, die vergeblich flackernd versuchte, den Weg vor mir zu erhellen. Ich wusste nicht, wie ich hergekommen war und konnte mich keinen Schritt bewegen. Ich konnte nicht einmal den Kopf drehen, dabei bekam ich das unangenehme Gefühl, nicht allein zu sein. Etwas lauerte nur wenige Zentimeter außerhalb der Reichweite des Kerzenlichtes. Ich dachte daran, meinen Zauberstab zu zücken, aber ich wagte es nicht, aus Angst, eine falsche Bewegung könnte das Kerzenlicht löschen. Ich hielt sogar die Luft an. Ich wollte nicht blinzeln, aus Angst, genau in dem Moment könne etwas aus der Dunkelheit auftauchen. Eine menschliche Gestalt kam langsam auf mich zu. „Du bist zu weit gegangen.“ Es war Sirius! „Du bist nicht mehr mein Bruder. Du warst mir eh schon länger lästig, jetzt kannst du mir gestohlen bleiben! Hörst du? Du bist mir egal. Mach doch, was du willst. Ich habe Freunde. Und du? Verblendung und falsche Ideale. Anforderungen, die du nie erfüllen kannst. Erbärmlich. Ich bin der Erstgeborene, der talentiertere und beliebtere von uns beiden. Du bist nur der unliebsame Ersatz für unsere Eltern. Wenn du stirbst, wird keiner trauern.“ Sein Gesichtsausdruck war arrogant und kalt, wie ich es von Vater kannte. Seine Stimme war schneidend und herablassend, wie Mutter gerne sprach. Er hatte so viel von den beiden, er wäre wirklich der passendere Erbe. Ich war nur ein Würmchen, das immer im Schatten von Sirius Großartigkeit stehen würde. Und egal, wie gemein er zu mir wurde, ich wusste, ich hatte es nicht anders verdient, nach der feigen Aktion, zu der ich mich hatte anstiften lassen. Ich wollte mich nicht einmal mehr verteidigen. Ich sah ihn nur an, wie er mir den Rücken kehrte und wieder verschwand. Als nächstes tauchten zwei Gestalten auf, die ich bald als Evan Rosier und Severus Snape erkannte. Sie lachten mich aus. „Du willst ein Slytherin sein? Egal, wie hart du dich anstrengst, du wirst nie wirklich zu uns gehören! Wir kennen dein kleines Geheimnis. Tief im Herzen bist du ebenso ein Blutsverräter wie dein Bruder! Dafür werden wir dir das Leben zur Hölle machen. Freunde? Wir? Pah! Du kannst für uns die Drecksarbeit erledigen. Für uns den Kopf hinhalten. Du kannst dich für uns verbiegen, bis du zerbrichst! Schwächling. Der dunkle Lord hat in deiner Cousine eine treue Dienerin gefunden, wenn dein Vater nicht will und du dich nicht als würdig erweist…“ Die Worte hingen bedrohlich in der Luft. Nein, ich wollte nicht, dass meine Familie wegen mir Ärger mit dem dunklen Lord und seinen Todessern bekam! Angst schnürte mir die Kehle zu. Langsam ahnte ich, was hier abging! Ein Alptraum, aber er zeigte mir die Wahrheit. Severus hatte mir nicht den Trank des traumlosen Schlafes verabreicht. Es war ihnen egal, wenn der Nachtmahr mich leiden ließ und früher oder später gar tötete! Als die Gestalten der beiden Slytherins verschwanden, wartete ich ungeduldig darauf, dass ich mich wieder bewegen konnte oder der Traum sich wechselte. Dieser Alptraum war ja vorbei. „Du bist allein.“, raunte mir eine Frauenstimme von hinten ins Ohr. Meine Nackenhaare standen zu Berge und ein eisiger Schauer lief meinen Rücken hinab. Vor mir tauchte der Geist einer weißen, blutbefleckten Frau auf. „Niemand hält zu dir. Niemand wird dir helfen.“, fuhr sie fort und kicherte irre. „Aber es ist egal. Ich werde euch alle töten und du kannst nichts dagegen ausrichten.“ Ihr freundliches Lächeln war unerträglich. Ich bekam keine Luft mehr. „Hab keine Angst. Ich werde dein Leid fressen.“ Ihre eisigen Hände griffen nach meiner Wange und die Kerze erlosch. Mit einem Ruck setzte ich mich in meinem Bett auf. Gedämpft hörte ich das Prasseln von Regen und das Donnern eines Gewitters. Ich griff nach meinem Zauberstab und zog die Bettdecke enger um mich. Ich konnte wieder atmen. Erleichtert war ich nicht. Und schlafen konnte ich auch nicht mehr. Immer wieder spielten sich die Worte meines Alptraumes in meinem Kopf ab, sodass ich keinen anderen klaren Gedanken fassen konnte. Ich war einer der ersten, die am Frühstückstisch saßen und ich fühlte mich hundeelend. Ich hatte mich ordentlich angezogen und meine Haare gekämmt und hoffte inständig, dass das reichte, zu kaschieren, wie fertig ich aussah. Naja, vielleicht hatte ich es mir nur eingeredet, als ich vorm Spiegel stand und mich selbstkritisch gemustert hatte. Misstrauisch beäugte ich meine Mitschüler. Sie schienen nicht auf mich zu achten. Vielleicht erwarteten sie doch nicht, dass ich diese Nacht doch von Alpträumen heimgesucht heimgesucht worden war? Sie schienen gut geschlafen zu haben. Ich sollte dem Wesen keine zu große Macht über mich einräumen! Es war möglich, dass es versuchte, mich zu manipulieren. Als die Eulen mit den Briefen kamen, bekam ich wieder Zweifel. An mich war ein einfacher Zettel adressiert, der keinen Absender hatte und es stand eine kryptische Warnung darin, die mit „ein Freund“ unterschrieben war. Das konnte doch bloß ein schlechter Scherz sein! Wer schrieb sowas an mich? Düster sah ich mich um. Keiner achtete auf mich. Wenn jemand intrigierte, würde er doch meine Reaktion sehen wollen, oder nicht? In Zaubertränke nahmen wir nun Schlaftränke durch. Aufmerksam lauschte ich Profesor Slughorns Erklärungen, besonders, als er vom Trank des traumlosen Schlafes sprach. Ich hob die Hand. „Regulus Black, haben sie eine Frage?“ Ich nickte. „Professor Slughorn, gibt es Umstände, unter denen dieser Trank das Träumen doch nicht verhindern kann? Gibt es Zauber oder Wesen, die seine Wirkung umgehen können?“ Der Professor schien nicht mit einer solchen Frage gerechnet zu haben. Er sah mich ernst an und überlegte kurz. „Nun, wenn der Trank nicht richtig gebraut worden ist oder die Dosierung nicht stimmt, kann die Wirkung schwächer ausfallen. Es mag auch Zauberer geben, die die Träume anderer Zauberer beeinflussen können, aber derartige Magie wird in Hogwarts nicht gelehrt. Wesen wie der Alp könnten einem trotz Schlaftrank üble Träume bescheren, aber das ist wenig erforscht, da kann ich ihnen leider nicht mehr zu sagen. Ich glaube aber nicht, dass sie jemals in eine solche Situation kommen würden, wo das für sie relevant wäre…“ Slughorn achtete nicht mehr auf mich, als ich mein Gesicht verzog. Florence, die neben mir saß, bemerkte es und beugte sich zu mir. Ich musste mich jemandem anvertrauen! „Ich hatte heute wieder einen Alptraum. Und ich bin mir sicher… dass dieses Tagebuch relevant ist.“ In dem Tagebuch stand sehr deutlich, dass ein Nachtmahr noch ungemütlicher werden konnte, wenn man ihn zu offen benannte. „Er hat zu mir gesprochen. Er hat gedroht. Wir schweben alle in großer Gefahr! Wir sollten Dumbledore benachrichtigen… wenn es IHN nicht aufmerksam macht…“ Ernst nickte sie und gab an ihren Verlobten Evan weiter: „Wir müssen den Bannspruch finden, von dem im Tagebuch die Rede war! Regulus hatte einen Alptraum…“ Es wurde leise weiter getuschelt. Dann wandte sie sich wieder an mich. „Gab es in deinem Traum noch irgendwelche Hinweise?“ Ich überlegte, was ich preisgeben wollte. „Es kam eine weiße, blutüberströmte Frau drin vor. Ich glaube, das war er. Ich meine… haben die Ravenclaws nicht letztens in Wahrsagen von einer Geistererscheinung gesprochen? Wollten sie nicht mit anderen zusammen einer Geisterfrau helfen? Haben sie nicht… irgendwas recherchiert, wie jemand gestorben ist? Ich fürchte…“ Ihre Augen weiteten sich, als sie verstand, was ich andeutete. „Sollten wir sie nicht genauer fragen? Sie warnen?“, flüsterte ich. Sie schüttelte den Kopf. „Zu gefährlich. Wir reden ohnehin schon zu viel über ihn!“ Professor Slughorn unterbrach unser Getuschel mit einem strengen Blick. Wir sollten uns wieder auf den Unterricht konzentrieren, denn wir mussten jetzt einen Trank brauen. Dazu sollten wir in Gruppen draußen noch frische Zutaten sammeln und dann den Anweisungen im Buch folgen. In meiner Gruppe führte ich das Protokoll. Zwischen den Unterrichtseinheiten beschäftigten wir uns immer in kleinen Gruppen mit den Rätseln, denn die letzten Seiten des Tagebuchs waren magisch versiegelt, sodass nicht jeder das Ende lesen konnte. Sicherlich würde auch dort noch eine verschlüsselte Botschaft lauern. Niemand sollte anhand eines solchen Tagebuches denken, dass ein dunkles Wesen wie ein Nachtmahr leicht zu bannen sei, das führte nur dazu, dass Zauberer leichtsinnig wurden oder gar dachten, sie könnten ein derartiges Wesen zähmen oder für eigene Zwecke missbrauchen! Aber wir hatten gerade akut das Problem, höchstwahrscheinlich von einem Nachtmahr bedroht zu werden und wenn er einen Weg fand, den Schutz von Hogwartd endgültig zu durchbrechen… Vor Pflege magischer Geschöpfe machte ich einen kleinen Spaziergang durch die Sonne, um meine düsteren Gedanken loszuwerden. Ich bemerkte nicht, wie weit ich mich von meinen, nun ja, Freunden entfernte und dass mir Aubrey entgegen kam. „Du miese kleine Schlange!“ Ich blieb stehen und sah, wie der Hüter der Gryffindor-Mannschaft mit gezücktem Zauberstab auf mich zukam. Ich zückte meinen ebenfalls „Protego!“, rief ich vorsorglich. „Was willst du?“ Ich hatte gerade echt keinen Bock auf Streit! War er noch sauer wegen der Klo-Geschichte? Mit der hatte ich doch nichts zu tun gehabt! Oder war er gut genug mit Sirius befreundet, dass er die Gelegenheit nutzen wollte, mich dafür zu bestrafen, dass ich ihn in einen Hinterhalt gelockt hatte? Er schlug mir den Zauberstab aus der Hand. „Ich hab dir nichts getan!“, brüllte ich, so laut ich konnte. „Lass mich…“ Ich duckte mich unter einem Faustschlag weg und trat dann nach ihm. Selbstverteidigung war ja wohl erlaubt! Es machte Aubrey aber noch wütender. „Ihr habt meinen Kopf ins Klo gesteckt, ihr verdammten Bastarde!“ Hatte ich mir doch gedacht. „Damit hatte ich nichts zu tun!“ Trotzdem rollten wir schon über die Wiese und ich schlug mir das Knie an einem Stein auf. Dafür boxte ich ihm in den Bauch, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Sein Schlag traf mich am Kinn und ich biss mir selbst auf die Unterlippe. „Hilfe!“, schrie ich, bevor unsere Prügelei noch mehr eskalierte. „Fühlst dich wohl nur stark, wenn du nen Pulk von Slytherins um dich hast!“, warf Aubrey mir vor. „Fühlst dich wohl nur stark, wenn du kleineren auflauerst!“, konterte ich. „Regulus, ich rette dich!“ War das Devons Stimme? Ich drehte den Kopf und sah noch, wie er stolperte und halb auf uns beide drauf stürzte. Tolle Rettung. Aubrey und ich hatten beide unsere kleinen Blessuren und wurden beide zum nächstbesten Lehrer geschleift. Er bekam Punkte abgezogen, weil er die Schlägerei angefangen hatte, dann durften wir zu Madame Pomfrey und überlegen, ob wir zum jetzigen Unterrichtsfach nachkommen wollten. Ich wollte nicht und Aubrey wohl auch nicht. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich hinzulegen und ein halbes Stündchen Schlaf nachzuholen. „Hab ich dich echt so verletzt?“ Ich öffnete die Augen wieder und sah zu Aubrey, der nun wirklich ein schlechtes Gewissen zu haben schien. Ich schüttelte den Kopf. „Mir ging´s schon vorher nicht gut.“ Er hob eine Augenbraue. „Schlechtes Gewissen wegen dem, was du deinem Bruder angetan hast?“ Ich seufzte und senkte den Kopf. „Ich wusste es nicht, also, was sie vorhatten… aber ich hätte es mir denken können.“ Aubrey schwieg eine Weile. „Ich war echt sauer wegen der Sache, dass ein paar von euch sich über meine Haare lustig gemacht haben und…“ Ich nickte. „Kann ich verstehen. Hätte ich an deiner Stelle auch nicht sonderlich witzig gefunden.“ Irgendwie musste ich schmunzeln. „Aber ich würde mir die Haare auch nicht grün färben!“ Dieser kleine Scherz lockerte die Atmosphäre zwischen uns endgültig, zumindest für die Zeit jetzt im Krankenflügel. Ich wollte nicht über persönliche Probleme reden, also lenkte ich das Thema auf Quidditch. „Dass du Fan von der gleichen Mannschaft bist wie Potter…“, bemerkte Aubrey kopfschüttelnd. „Ich hab gehört, er wurde zu einem Probetraining eingeladen! Ein bisschen neidisch bin ich ja schon. Aber er ist nunmal gut, das kann man kaum bestreiten. Wenn er weniger Egotrips fahren würde…“ Da waren wir einer Meinung. Es tat gut, mal mit jemandem zu reden, ohne dass Reinblütigkeit oder das Haus eine zu große Rolle spielten. Wir waren doch beide nur Jungs, die auf eine Schule gingen und Quidditch mochten. Wir würden keine Freunde werden, aber bis aufs Blut verfeindet mussten wir auch nicht sein. Jedenfalls nicht außerhalb des Quidditchfeldes, dachte ich amüsiert. Man besuchte uns nicht im Krankenflügel und ich ließ mir Zeit, bis ich von mir aus zu meinen Mitschülern zurückkehrte. Sie waren vertieft in die Hinweise und Rätsel des Tagebuches und ich gab mein Bestes, zur Entschlüsselung der Informationen beizutragen. Es war nervenaufreibend. Einige Schriftzeichen waren uns komplett unbekannt und wir fanden in der Bibliothek kaum Hinweise. Uns lief die Zeit davon. Dass wir im Unterricht nicht fehlen konnten, machte die Zeit noch knapper! Von Peeves hatten die anderen noch die restlichen Tagebuchseiten bekommen und da war die Anleitung dabei, wie wir die Schrift auf den letzten Tagebuchseiten sichtbar machen könnten. Es war ein Rätsel, wo man den richtigen Zaubertrank aus mehreren Flaschen herausfinden musste, die aus dem Nichts auftauchten. Wenn man die falsche Flasche wählte, bestand die Gefahr, dass dort Gift drin war. Natürlich durfte ich als erster probieren, sobald wir uns einigermaßen sicher waren, das Rätsel richtig gelöst zu haben. Severus meinte, er habe für den Notfall einen Bezoar dabei oder könne einen besorgen. „Feiglinge…“, brummte ich und setzte die Flasche an den Mund. „Süß!“, verkündete ich dann erleichtert. Hätte er salzig geschmeckt, so wäre es laut dem Rätsel das Gift gewesen. Jeder, der einen Schluck des Trankes nahm, konnte nun die zuvor verborgene Schrift sehen. Sie führte uns zu einem Buch über altrömische Rituale und Schutzbanne. Dank meinem Vater kannte ich mich mit Schutzrunen und Bannzaubern schon einigermaßen aus und ich war mir ziemlich sicher, dass wir nicht von dem Nachtmahr selbst auf eine falsche Fährte gelockt worden waren. Aber das Ritual benötigte komplizierte und äußerst präzise Vorbereitungen. Wenn wir noch in dieser Nacht die Gefahr bannen wollten, bevor ein Schüler durch Alpträume in den Wahnsinn oder den Tod getrieben wurde, mussten wir jede freie Minute gut und gezielt nutzen. Zum Beispiel musste ein besonderes Salzgemisch hergestellt werden, um den Nachtmahren so lange festhalten zu können, bis wir das Ritual vollzogen hatten… Der Schulleiter machte sich in Hogwarts mal wieder rar, wahrscheinlich, weil das Ministerium ihn mal wieder um Hilfe gebeten hatte. Selbst so ein mächtiger Zauberer wie Dumbledore konnte nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Allzu lange ließ er Hogwarts und seine Schüler nie allein und ich betete, dass er auch diesmal noch rechtzeitig wieder auftauchen würde, sollte etwas schiefgehen. Dass tatsächlich etwas massiv schiefgehen könnte, wurde uns bewusst, als wir von Reginald Hinweise bekamen, dass der weibliche Geist eine gemischte Gruppe aus Ravenclaws und Gryffindors zu einem Ritual geführt hatte, das sie erlösen sollte. Es war NIE gut, ein Tor in die Welt der Geister zu öffnen, erst recht nicht, wenn man als Zauberer jung und unerfahren war. Man konnte nie wissen, was auf der anderen Seite darauf wartete, hereingelassen zu werden. Wieder merkte ich an, ob es nicht besser sei, die anderen unauffällig zu warnen. Ob sie uns glauben würden? Wo es so viele Vorurteile gegen uns Slytherins gab? Fraglich. Und wenn das zu einer Diskussion führen würde, war der Geist bzw. der Nachtmahr gewarnt. Wir wussten nicht zuletzt aus Pflege magischer Geschöpfe, wie gefährlich in die Ecke gedrängte wilde Tiere werden konnten! Bei diesem musste man damit rechnen, dass es intelligent war und all unsere Ängste kannte. Wenn die Angaben in dem Tagebuch stimmten, waren Nachtmahre außerdem Rudeltiere. Bei Merlins Bart, ich mochte nicht daran denken! Ich musste mich konzentrieren, ich durfte bei meinem Teil hinterher nichts falsch machen. Mir hatte der Nachtmahr sich gezeigt, wenn er wirklich die Geisterfrau war, mussten wir warten, bis sie sich wieder denjenigen zeigte, auf deren Hilfe sie hoffte. Nach meinem Alptraum wollte ich ihm nicht wieder begegnen, aber ich musste tapfer sein. Die Dämmerung setzte viel zu früh ein. Wir hatten nicht einmal Zeit, großartig zu proben, was wir beim Ritual machen mussten. Wir mussten uns also auf das Abgesprochene und unsere Aufgabenverteilung einigermaßen verlassen können. Ich hatte mir einen Spickzettel gemacht, auf den ich immer wieder draufschaute, obwohl ich mir sicher war, den Zauber zu können, mit dem ich den Nachtmahren aufspüren oder demaskieren könnte. Zur Not würde Evan den auch können. Wir hörten gedämpft, wie einige Schüler in einem Nebenraum nach dem Abendessen einen Gesang übten. „Open this portal and let the spirits pass“, verstand ich bei genauerem Lauschen. Ich bekam eine Gänsehaut. Wie um die Atmosphäre zu unterstreichen, hörte ich in der Ferne im Wald einen Wolf heulen. Gabriel Rookwood hatte Angst vor Wölfen, das merkte man ihm sofort an. „Das ist bestimmt ein Werwolf! Haben wir nicht sogar Vollmond?“ Wir wurden noch unruhiger. Die Schüler, die den Gesang geprobt hatten, schlichen sich aus dem Gebäude Richtung Waldrand, wir hinterher. „Das Geheul ist noch weit weg und kommt aus einer anderen Richtung!“, sagte Lucinda und ergriff beruhigend seine Hand. Ohne das Licht unserer Zauberstäbe zu entzünden versuchten wir, ohne zu stolpern den Weg zu finden. In der Ferne sahen wir zwischen den Bäumen, wie sich die Lichter der anderen entfernten. Wir durften den Anschluss nicht verlieren! Das Wolfsgeheul klang, als käme es nun doch näher. Wir beschleunigten unsere Schritte, bis wir beinahe alle über eine größere Wurzel stolperten. „Vorsicht!“, warnte einer zu spät und so gedämpft, dass ich die Stimme nicht erkannte. „Ist wer verletzt?“ Da sich keiner meldete, gingen wir nun wieder vorsichtiger weiter. Schließlich erreichten wir eine Lichtung, auf der das Beschwörungsritual aufgebaut wurde. Der Geist der Frau erschien bereits. „Das… das ist sie!“, hauchte ich alarmiert. „Warte noch…“, hörte ich Evan Rosiers Stimme. „Nein, besser zu früh als zu spät!“, hielt jemand leise dagegen. Mein Herz raste plötzlich, obwohl wir nicht gerannt waren. „Habt ihr das Salz bereit?“, vergewisserte ich mich. Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich auf die Lichtung trat, auf den Geist zu. „Wartet! Wisst ihr eigentlich, was ihr da tut?“ Die anderen Schüler sahen mich verständnislos an. Ich sah Lily Evans, auf die Potter so stand. Aber die Rumtreiber waren nicht dort. „Was machst du hier?“, fragte jemand abwehrend. Ich sah zu der Geisterfrau, deren schwarze Augen sich tief in mich bohrten. „Du wagst es?“ Ich war mir nicht sicher, ob alle diese Stimme hörten. „Ostende te mihi te ipsum!“ sagte ich und schwenkte den Zauberstab. Es passierte nichts, meine Hand zitterte wohl zu stark. Ich hörte ihre Stimme kalt lachen. Wieder bekam ich dieses unangenehme Gefühl, dass kalte Finger sich um meinen Hals legten und mir die Luft abschnürten. Ich wich zurück. Da brachen meine Mitstreiter aus dem Gebüsch hervor. „Ostende te mihi te ipsum!“, schallte Evan Rosiers Stimme gebierterisch über die Lichtung, als er hinter mir stand. Die weiße Frau schrie auf und grauer Neben stieg von ihr auf. „Es darf nicht entkommen!“, rief ich panisch. Flüche wurden auf die Gestalt geschleudert. Ich wusste nicht, dass sie auch Mitschüler trafen. Chaos brach aus. Irgendwie schafften die drei Leute mit dem Salz es, in der Hektik um das Wesen einen fast perfekten Kreis zu ziehen. Nun konnten wir alle die wahre Gestalt des Nachtmahrs sehen und sie war schrecklich. Ich stand sicher außerhalb des Schutzkreises, die Slytherins halfen den anderen Schülern, ebenfalls einen sicheren Abstand zu dem Wesen zu gewinnen. „Es ist ein Nachtmahr! Er ist in eure Träume eingedrungen und hat versucht, euch zu manipulieren! Ihr ward gerade dabei, ihn und womöglich mehr von seiner Sorte zu beschwören!“, versuchte ich, eilig eine Erklärung abzugeben. „Wir müssen ihn bannen und den Schutzzauber um Hogwarts erneuern!“ Wir stellten uns mit den Kerzen und Laternen um den Salzkreis herum auf. Jeder schaute nochmal auf seinen Zettel, welchen Satz er wie oft aufsagen musste. Wir stellten Augenkontakt her und Florence gab mit einem Nicken das Zeichen. Der Nachtmahr brüllte erbost und ich fragte mich, ob sich die anderen ebenso bedroht und an ihre Alpträume erinnert fühlten, wie ich. Meine Stimme zitterte, aber ich bemühte mich, mich nicht zu sehr zu verhaspeln. Da wir keine Zeit mehr gehabt hatten, zu proben, klang es längst nicht so gut wie der Gesang, den die anderen vorbereitet hatten und wir mussten darauf vertrauen, dass es reichte, den Nachtmahr lange genug in Schach zu halten, bis Dumbledore persönlich die Schutzzauber überprüfen und ausbessern konnte. Der Nachtmahr warf sich gegen die Barriere und einen Moment sah es so aus, als habe er eine winzige Lücke im Salzkreis gefunden. Unser Ritual war jedoch fast fertig, jetzt mussten wir nur abwarten, ob wir unser Ziel damit erreicht hatten. Zuerst geschah nichts. Dann stieg wieder mehr grauer, bedrohlicher Rauch von der finsteren Gestalt auf. Ich meinte, darin wieder meine Familie zu sehen, die sich von mir abwandte. Das Wesen gab einen markerschütternden Schrei von sich. Und zerfiel. Ich ließ vor Erleichterung beinahe die Kerze fallen, die ich in der Hand hielt und musste mich zusammen reißen, nicht zu sehr an den Alptraum zu denken, in dem ich auch eine Kerze gehalten hatte. Sonst hätte ich angefangen, zu weinen. „Was war das? Was habt ihr gemacht? Wo ist der Geist der Frau hin?“, wurden wir nun mit misstrauischen Fragen gelöchert. Ich sah zu meinen Mitstreitern und trat dann vor, obwohl ich nicht sicher sein konnte, dass sie mir eher zuhören würden als einem der anderen Slytherins. Florence und Emma standen hinter mir. Das war ein gutes Gefühl. Ich gehörte irgendwie doch zum Team! Das gab mir das Selbstbewusstsein, das mir noch fehlte. „Wie ich bereits versucht habe, zu sagen… ein Nachtmahr hat versucht, nach Hogwarts einzudringen und sich in unseren Alpträumen einzunisten. Diese Wesen sind gefährlich und weitgehend unerforscht, sie scheinen von Angst zu leben.“ Das räumte die Skepsis in ihren Blicken nicht aus. „Uns erschienen die gehäuften Alpträume verdächtig. Dann fiel uns dieses Tagebuch in die Hände, in dem ein Zauberer ähnliche Phänomene beschrieb und zu recherchieren begann.“, ergänzte Florence meinen Erklärungsversuch. „Severus machte uns einen Trank des traumlosen Schlafes, um uns gegen Alpträume zu schützen. Wir konnten ja nicht sicher sein, ob unsere Alpträume den gleichen Ursprung hatten wie bei diesem Alfred Frey. Ich bekam dennoch einen schlimmen Alptraum, mir erschien die blutige weiße Frau auch! Doch anders als bei euch bat sie mich nicht um Hilfe. Sie drohte mir. Da hatten wir noch mehr den Verdacht, dass ein Nachtmahr hier eingedrungen sein könnte und dass er bereits bemerkt hatte, dass wir was gegen ihn versuchen könnten. Wir mussten also vorsichtiger vorgehen. Es tut uns leid, dass wir euch deshalb nicht einweihen konnten. Außerdem hat die weiße Frau euch sicherlich eine gute Geschichte aufgetischt, bis wir euch überzeugt hätten, hätte der Nachtmahr reagieren können! Und für unser Ritual war es wichtig, ihn erst einfangen zu können! Ihr habt also dazu beigetragen, dass wir diese Bedrohung abwenden konnten!“ Ich konnte nachvollziehen, dass die anderen sich jetzt echt blöd fühlten. Ausgenutzt, vorgeführt, aber sie konnten nichts dafür, dass sie von so einem Wesen nichts gewusst hatten und dafür würde niemand sie verspotten. Ich sah sie offen an und mein Blick traf den von Meaghan. „Du hast das Tagebuch doch auch gesehen und mal reingeguckt, als wir die fehlenden Seiten gesucht haben!“, erinnerte ich sie. Sie nickte. „Da wussten wir doch auch noch längst nicht alles… Ihr habt euer Beschwörungsritual bereits geprobt, als wir die letzten Vorkehrungen für den Bannspruch machen mussten. Ich weiß ja, dass ihr uns Slytherins immer vorwerft, zu viel mit den dunklen Künsten zu tun zu haben. Aber vielleicht ist es manchmal nicht schlecht, ein wenig darüber zu wissen…“ Meaghan, Ana und Lily tauschten Blicke aus, die darauf schließen ließen, dass sie zwischendurch misstrauisch gewesen sein mussten. „Heißt das, ihr seid jetzt die Retter?“, fragte ein Junge ungläubig. „Naja… keine Ahnung, vorerst vielleicht?“, entgegnete ich unsicher. „Wir sollten Dumbledore von dem Vorfall berichten, damit er sicher gehen kann…“, meinte Evan Rosier, unser Vertrauensschüler. „Am besten ein Vertrauensschüler aus jedem Haus? Oder aus jedem Haus einer, der dabei gewesen ist…“ Das war ein Vorschlag, den alle annehmen konnten. In der Ferne war wieder Wolfgeheul zu hören. „Wir sollten schleunigst zurück ins Schloss!“ Auf dem Rückweg blieben wir alle eng zusammen und gingen sehr gemischt. Slytherins, Ravenclaws und Gryffindors unterhielten sich leise weiter, Fragen wurden gestellt und Antworten wurden gegeben, auf dass wir alle ein möglichst vollständiges Bild bekommen konnten. So erfuhr ich auch mehr, wie der Geist die anderen mit seiner Geschichte überzeugt hatte. Hätte sich der Geist mir auf dieselbe Art gezeigt wie ihnen, hätte ich wohl auch Mitleid gehabt und versucht, ihn zu erlösen und dabei gesunde Vorsicht über Bord geworfen. Sobald wir sicher im Schulgebäude waren, suchten wir den erstbesten Lehrer auf. Wir mussten Dumbledore die ganze Geschichte erzählen, am besten sofort! Die Lehrer schickten uns alle zusammen in die große Halle, wo wir darauf warteten, dass Dumbledore zurückkehrte und die Vertrauensschüler zu sich rief. Zuerst saß ich zwischen Reginald und Meaghan und versuchte, ein lockeres Gespräch in Gang zu bringen, aber die Stimmung war allgemein drückend. Wahrscheinlich konnten wir alle erst richtig erleichtert sein, wenn Dumbledore persönlich verkündete, dass der Nachtmahr uns nie wieder schaden könnte. Ich stand auf und tigerte durch den großen Saal, dann fragte ich Rosier, was er Dumbledore genau erzählen würde. Ich machte noch eine Runde, weder Sirius noch seine Freunde schienen an dem Vorfall beteiligt gewesen zu sein. Dabei waren sie doch sonst so schrecklich neugierig! Ich setzte mich wieder zu Meaghan und bemerkte, dass Bertram Aubrey nun auch in der Nähe saß. Der war mir vorher gar nicht aufgefallen! Da wir uns bei Madame Pomfrey vertragen hatten, fühlte ich mich jetzt nicht unwohl in der Nähe des Gryffindors. Endlich wurden die Vertrauensschüler gerufen. Das würde sicher dauern. Ich überlegte gerade, ob sich die Zeit nicht mit einem weiteren Gespräch verkürzen ließ, da wurde die große Tür aufgestoßen und Sirius stolzierte mit hoch erhobenem Kopf und arrogantem Gesichtsausdruck herein. Was war denn in den Gefahren? Hinter ihm betraten Potter und Pettigrew ebenfalls die Halle. Potters düsterer Blick bohrte sich in Sirius Rücken und sie setzten sich an entgegengesetzte Ecken der Halle. Sirius schien Potter zu ignorieren, Potter starrte immer wieder böse zu meinem Bruder. Hatten die beiden besten Kumpels sich etwa zerstritten? Warum? Sirius hatte sich beinahe direkt neben mich gesetzt, aber er schien mich nicht bemerkt zu haben. Ich war kurz davor, die Chance zu nutzen, ihm den Floh ins Ohr zu setzen, dass er doch wieder zur Familie zurückkehren sollte. Wenn ich die Situation gut genug nutzte, könnte es sogar klappen! Meine Eltern würden sich freuen. Sie wären stolz auf mich. Warum zögerte ich dann? Ich sah zwischen Potter und Sirius hin und her. Es fühlte sich falsch an, dass die beiden nicht nebeneinander saßen. Sirius wirkte immer so glücklich, wenn er mit Potter rumalbern konnte. So wirkte er zuhause nie. Eigentlich wollte ich meinen Bruder glücklich sehen. Nein, er würde sich nie mit unseren Eltern vertragen, ohne dafür einen Großteil seines Charakters und seiner Ideale unterdrücken zu müssen. Er müsste sich verbiegen, bis er zerbrechen würde, so wie die Slytherins es zu mir in meinem Traum gesagt hatten. Es fühlte sich scheiße an, sich für andere verbiegen zu müssen. Ich gönnte es meinem Bruder, Freunde gefunden zu haben, für die er sich nicht so verstellen musste. Oder täuschte ich mich? Ich haderte mit mir, ob ich neugierig nachfragen sollte. Nein, es ging mich nichts an! Je weniger mein Bruder mir über seine Freunde erzählte, desto weniger konnte ich später verraten, wenn jemand nachfragte. Sirius schien echt gekränkt zu sein. Und wie ich ihn kannte, würde sein Stolz ihm im Weg stehen, wenn es darum ging, den ersten Schritt zu tun, um sich zu vertragen. Worte konnten so viel kaputt machen. Ebenso wie böse Blicke. Ehe ich mich versah, hatte ich eine Hand ausgestreckt, tätschelte meinen Bruder am Arm und beugte mich zu ihm. Es war mir egal, wie misstrauisch Potter zu uns rüber sah. „Freunde sind die Familie, die man sich aussuchen kann. Du weißt, dass ich zu unseren Eltern halte…“, flüsterte ich ihm traurig zu. Es klang wie ein Abschied. Es war ein Abschied. Ich musste lernen, meinen großen Bruder loszulassen. Es war besser für ihn, wenn ich ihn nicht weiter unnötig zurück hielt. Ich wollte nicht wissen, wie er reagierte und wandte ihm schnell den Rücken zu und ging. Dumbledore kehrte mit den Vertrauensschülern zurück und hielt eine Rede, deren Inhalt grob war, dass die Verteidigungsmechanismen von Hogwarts durch den Todesserangriff mehr gelitten hatten, als er geahnt hatte und dass wir dazu beigetragen hatten, die Sicherheitslücke zu entdecken und zu versiegeln. Jeder von uns bekam 5 Hauspunkte. Dann rief der Schulleiter mit ernster Stimme Potter und Sirius Black auf. Erneut fragte ich mich, was die angestellt haben mochten und ich schien nicht der einzige zu sein. Pettigrew dackelte hinter Potter her. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)