Es führt mich in die Dunkelheit von RoyalFool (Die blutige Entscheidung) ================================================================================ Kapitel 2: Geheime Briefe ------------------------- Potter mochte seine gerechte Strafe nach der Schlägerei bekommen haben, aber ich hatte mir von Professor Slughorn auch eine kleine wohlwollende Predigt anhören müssen, bevor ich zu Bett gehen durfte. Ich wich den unangenehmen Fragen zu meiner Familie so gut es ging aus. Wie konnte ein Lehrer nur immer so neugierig sein? Und warum löcherte er mich, wann mein Bruder mal der Einladung zum Slug Club folgen würde? Es fiel mir schwer, höflich zu bleiben und nicht völlig genervt die Flucht zu ergreifen. Nach unruhigem Schlaf blätterte ich lustlos im Tagespropheten, während ich aß und auf meine Post wartete. Meine Eltern schafften es irgendwie immer, sich über das meiste schnell informieren zu lassen, was mir in Hogwarts geschah und ich war nicht erpicht darauf, Kommentare zu meiner Niederlage zu bekommen. Vaters Brief verfolgte jedoch andere Interessen: Er machte mir deutlich, dass er nicht mehr lange seiner Frau Einhalt gebieten würde, um Sirius weitere Chancen einzuräumen. Wenn ich meinen älteren Bruder in der Familie behalten wollte, solle ich mich ein letztes Mal darum bemühen, ihn zu Vernunft zu bringen, auf dass er sich vor allem mit Mutter aussöhne. Ich nahm mir für diese Woche fest vor, meinem Bruder zu beweisen, dass die Familie Black längst nicht so schlimm war, wie Sirius es gerne unter den Gryffindors verbreitete. Ja, Mutter konnte sehr aufbrausend werden, das musste ich eingestehen. Sirius forderte es jedoch immer absichtlich heraus, da war ich mir sicher. Mutter war nicht der Typ, der Verständnis für jugendliche Rebellion und jugendlichen Leichtsinn aufbrachte, erst recht nicht, wenn es sich direkt gegen sie richtete. Ach, wie sollte ich diese beiden Streithähne dazu bringen, einander wenigstens mal zuzuhören? Zufälligerweise hatte ich Sirius für heute eh einen Brief geschrieben. Hauptsächlich warf ich ihm vor, dass er seinen Frust meistens an unserem armen Hauselfen Kracher ausließ und ich bat ihn, das in Zukunft zu unterlassen. Da ich der Meinung war, dass unsere Familienangelegenheiten kaum jemanden außerhalb der Familie etwas angingen, hatte ich meinen Brief durch unsichtbare Runen verflucht, auf das jeder, der unbefugt mitlas, eine rot anschwellende Nase bekam. Ich schielte verstohlen zum Tisch der Gryffindors. Ich hatte ja damit gerechnet, dass Potter den Fluch abbekommen würde, es bereitete mir jedoch diebisches Vergnügen, als auch der Vertrauensschüler Lupin sich plötzlich den Ärmel vor die Nase hielt und gemeinsam mit Potter die große Halle verließ. Selbst schuld, wenn man das Briefgeheimnis nicht achtete! Ich wollte gerade meinen zweiten Brief öffnen, als ich die Unruhe unter den anderen Slytherins bemerkte. Einer hatte einen Brief bekommen, der auf den ersten Blick ein echt schlechter und sicher nicht ernst gemeinter Liebesbrief war. Man riet ihm, ihn wegzuwerfen. Doch dann fiel ein anderer ungewöhnlicher Brief auf, der lediglich aus einem löchrigen Papier bestand. „Meine Cousine Bella und ich haben uns mal so geheime Botschaften geschrieben, erst kam ein normaler Brief und im nächsten Umschlag war der Schlüssel und wenn man das Papier passend angelegt hat, konnte man nur noch die eigentlich wichtigen Wörter lesen, die eine ganz andere Botschaft ergeben konnten…“ Ja, das war ein lustiges Spielchen gewesen. Tatsächlich schien Bellatrix der Jungsclique im Jahrgang über mir auf diesem Weg eine geheime Botschaft zugeschickt zu haben! Da die Briefe in diesem Schuljahr alle auf verdächtige Inhalte geprüft wurden… Was wollte sie von Hogwarts-Schülern? Leider hörte ich nur Bruchstücke, was Rosier mit den anderen leise besprach. Ich ahnte, dass die Todesser etwas vorhatten und dazu passte, dass die Schüler, die sich nach der Schule den Todessern anschließen wollten, sich beweisen sollten. Ich fragte mich, wie Bellatrix so etwas hier an der Schule unauffällig überprüfen wollte. Es ging wohl darum, einen Kelch zu beschaffen. Ein schwarzmagischer Gegenstand? Ein Bestandteil eines mächtigen Rituals? Vielleicht war es das Beste, wenn ich mich da raushielt, zumal der Brief sich nicht an mich richtete. Mir hatte Narcissa noch geschrieben, dass sie sich nun mit Lucius Malfoy verlobt hatte. Eine ehrenvolle Verbindung, ich freute mich aufrichtig für sie und verkündete diese frohe Botschaft den anderen Reinblütern am Tisch. Mit Cissy hatte ich mich immer am besten verstanden. Sie war weniger aufbrausend als meine Mutter oder ihre Schwester Bella und ähnlich wie ich war sie bereit, viele Kompromisse einzugehen, um den Frieden innerhalb der Familie zu wahren, egal wie viel sie dafür selbst zurückstecken musste. Sie hatte den typischen Stolz der Familie Black und hatte sich zugleich etwas Warmherziges bewahrt, das mich immer beruhigte und freute. Gewissermaßen war sie neben meinem Vater das größte Vorbild für mich. Und sie war eine der wenigen, die Bellatrix tatsächlich dämpfen konnte, wenn sie einen ihrer berüchtigten Wutausbrüche hatte. Immer, wenn gerade kein Unterricht war, zogen sich Evan Rosier, Florence Sinclair und Severus Snape zurück, offenbar um mehr über den Kelch, den sie Bella beschaffen sollten, in Erfahrung zu bringen. Es mag sein, dass hin und wieder ein weiterer Slytherin bei der Recherche half. Als ich jedoch hörte, dass der Kelch etwas mit Blutmagie und Opferritualen zu tun haben musste, wurde ich ein wenig unruhig. Ich kannte meine Cousine gut genug, um zu wissen, dass Sirius bei ihr nicht maßlos übertrieb, wenn er sie als verrückt mit einem Hang zur Blutrünstigkeit gegen Muggel und Schlammblüter beschimpfte. Wir waren doch hier in Hogwarts, ich hatte mich hier immer sicher gefühlt, natürlich spielten einige Schüler den anderen Streiche, manche dieser Streiche mochten sogar bösartig sein, beim Quidditch konnte es zu gefährlichen Fouls kommen, aber normalerweise schwebte man als Schüler nicht dauerhaft in der Gefahr, als Blutopfer missbraucht zu werden! Was, wenn wirklich von ihnen verlangt wurde, ein Schlammblut zu…? Ich mochte den Satz nicht zu Ende denken. Ich fühlte mich als Mitglied der alten und ehrwürdigen Familie Black als was Besseres, aber das hieß nicht, dass ich Muggelgeborene auf den Tod nicht ausstehen würde und ihnen gleich das Schlimmste wünschte! Ich behielt meine Bedenken für mich und beobachtete meine Mitschüler genauer. Severus Snape war ein Halbblut, das wusste ich. Sehr talentiert, viele hielten seine eigenbrötlerische Art für etwas gruselig, er hielt sich sehr bedeckt und Potter hegte eine persönliche Fehde gegen ihn. Das erste Mal achtete ich darauf, dass Severus im Unterricht kaum eine Gelegenheit ungenutzt ließ, mit dem Gryffindor-Mädchen Lily Evans was zusammen zu machen. Sie schienen sich schon länger zu kennen und konkurrierten als Streber ohne dass es zu fiesen Wortgefechten kam, wenn der eine dem anderen Hauspunkte vor der Nase wegschnappte. Er konnte nicht allzu sehr etwas gegen Schlammblüter haben, oder? In der Familie Black wurde außerhalb der Schule Legelimentik und Okklumentik früh gelernt. Es war gut, die Gedanken von Gegnern lesen zu können, ohne seine eigenen Gedanken dabei leichtfertig preiszugeben. Als kein Lehrer in der Nähe war, konzentrierte ich mich darauf, in Severus Gedankenwelt einzudringen. Ohne Erfolg. Das überraschte mich sehr. Woher konnte er das gelernt haben? Oder war es ein weiteres Talent? Er drehte sich mit zu Schlitzen verengten Augen zu mir um. Er hatte es bemerkt, er musste was über Okklumentik wissen! Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen und räusperte mich. „Tschuldigung.“ Ich sah mich im Gang um und trat einen Schritt auf Severus zu, um ihm dann zuzuflüstern: „Ich weiß nicht, was genau Bella euch geschrieben hat oder was sie von euch will. Nimm dich vor ihr in Acht, besonders, wenn es um deine Einstellung zu… Schlammblütern geht. Lass sie nie in deine Gedanken schauen. Sie wird deine Schwächen schamlos ausnutzen.“ Langsam nickte der ältere Schüler, ich nahm es einfach als Dank. Hoffentlich blieb Severus auch darüber verschwiegen, dass ich diese kleine Warnung ausgesprochen hatte! Sonst würde Bella mir noch an die Gurgel springen, bei ihrem Temperament und so schnell, wie sie beleidigt sein konnte. Nun, wenn Severus mir aus diesen Worten allerdings einen Strick drehen würde, würden sich Bellas Worte bestätigen, dass man niemals jemandem einfach so vertrauen sollte. Wenn Severus mich als Verbündeten nicht wollte, würde ich dem Halbblut auch keine Träne nachweinen. Im Gegensatz zu Mitgliedern meiner eigenen Familie gab ich anderen, die mich enttäuschten, sehr selten eine zweite Chance, sich wieder mit mir gut zu stellen. Ein Black hatte es nicht nötig, anderen hinterher zu rennen und um Aufmerksamkeit zu buhlen. Wir waren eine anerkannte Familie, wir hatten die Geschicke der Zaubererwelt in England seit Jahrhunderten immer mit beeinflussen können, wir hatten unsere Kontakte und in der Regel waren wir es gewohnt, dass man sich um unsere Gunst bemühte. Selbst diejenigen, die wir als Blutsverräter aus dem Stammbaum strichen, wurden meist vom Rest der Gesellschaft noch aufgrund ihrer Talente und ihres Wissens geschätzt, weshalb ich mir um meinen Bruder keine allzu großen Sorgen machen bräuchte, sollte es mit ihm so weit kommen. Da ich viele Hausaufgaben machen musste und mich nebenbei privaten Studien widmete, gelang es mir gut, die Angelegenheit mit Bella und dem Kelch zu verdrängen. Daher überraschte es mich ziemlich, dass mein Bruder Sirius mich nach dem Slug Club abfing, um mit mir zu reden. Er sah aus, als wäre er in eine ernste Prügelei verwickelt worden. Ich fragte nach, wer ihn so zugerichtet habe, doch er winkte ab und zog mich in einen leereren Gang. „Weißt du was von einem Kelch?“ Ich blinzelte und spürte, wie mein Herz kurz aussetzte, nur um dann wie ein Vogel im Käfig zu flattern. Ich wusste, dass mein Mund dumm offen stand und ich sah in den grauen Augen meines Bruders, dass meine Sprachlosigkeit mich schon verriet. Leugnen konnte ich nicht mehr. „N-nicht viel, also, nur… Bella hatte einen verschlüsselten Brief…“ Ich sah auf den Schnitt an Sirius Wange und fragte mich, ob Bellatrix etwas mit seinen Verletzungen zu tun hatte. Hatte Sirius sich vom sicheren Schulgelände entfernt? Sie konnte ja wohl kaum einen Weg hinein gefunden haben! Nervös knetete ich meine Hände. Sirius packte mich fest am Arm und ich erwartete, dass er mich kräftig durchschütteln wollte. Doch er schien es sich anders zu überlegen. „Schüler sind in Gefahr, Regulus! Besonders Muggelgeborene! Du kennst Bella… Möchtest du wirklich, dass jemand stirbt, weil du weggesehen hast?“ Nein, nein, natürlich nicht, hätte ich am liebsten geschrien, doch kein Laut kam über meine Lippen. Ich starrte Sirius an und grübelte fieberhaft. Wenn ich petzte und jemand das herausfand, was wäre dann mit mir? Bella würde mich nicht davonkommen lassen. Vater hatte bereits ein etwas schwieriges Verhältnis zu den Todessern, da er selbst kein dunkles Mal wollte. Wenn sich auch noch sein zweiter Sohn allzu offen gegen sie stellte… Der Griff meines Bruders verstärkte sich um meinen Oberarm. Ganz leicht schüttelte ich den Kopf. Ich fühlte mich unglaublich schwach. „Wenn ich mehr herausfinden sollte… gebe ich dir vielleicht ein unauffälliges Zeichen. Pass bitte auf dich auf. Misch dich nicht ein, wenn es zu gefährlich wird! Und… könntest du dir im Gegenzug… vielleicht überlegen… ein bisschen weniger schlecht über deine Familie zu denken? Über mich?“ Ich wusste nicht, ob Sirius alles verstanden hatte, was ich stammelte. Immerhin ließ er mich los und gab mir noch einen geradezu freundschaftlichen Klaps auf den Rücken, bevor er verschwand. Nachdenklich rieb ich mir den Oberarm und fragte mich, warum mein Bruder nur unter solchen Umständen mit mir sprach. „Was wollte dein Bruder von dir?“ Ich zuckte zusammen und sah zu Rosier auf. „Ach… nichts. Ist mal wieder in ne Prügelei oder so verwickelt worden und schien zu denken, ich hätte jemanden gegen ihn aufgehetzt.“ Ich war ein wenig über mich selbst überrascht, wie schnell und einfach mir diese Lüge über die Lippen kam. „Was könnte er sonst von mir wollen?“ Ich war mir nicht sicher, ob die Neugier in meiner Stimme überzeugend genug war. „Mach dir nicht zu viele Gedanken, Kleiner.“ Ich nickte einfach mal. Bald wurde mir klar, dass Rosier mich wohl im Auge behalten wollte, denn er rief mich mehr als sonst zu seiner Clique dazu. Also beteiligte ich mich ein wenig daran, die Inschrift auf dem Obelisken inmitten eines alten keltischen Steinkreises zu entziffern, den sie am Rande des Geländes gefunden hatten und wo sie den Kelch vermuteten. Die Schrift war mir unbekannt und wir fanden in der Bibliothek kein Buch, das diese Schriftart komplett behandelte. Mit den Hinweisen sollte es jedoch möglich sein, den Text zu entschlüsseln. Wir beschäftigten uns natürlich nicht nur mit dem Auftrag. In Hogwarts gab es genug zu tun und Professor Slughorn hatte zusätzliche Hauspunkte versprochen, wenn wir ihm sämtliche Zaubertrankzutaten beschafften, die er auf einer Liste notiert hatte. Die Pflanzen und Käfer sollten auf dem Gelände und am Rande des verbotenen Waldes zu finden sein. Auf diesem Spaziergang fühlte ich mich deutlich wohler, bis wir am Waldrand verdächtiges Knacken hörten und Severus, der als letzter ging, plötzlich verschwunden war. Der verbotene Wald war nicht umsonst verboten, doch am helllichten Tag sollte sich am Waldrand kein gefährliches Wesen aufhalten! Gefährliche fleischfressende Schlingpflanzen befanden sich hier auch nicht. „Severus?“, riefen wir, erhielten jedoch keine Antwort. „Hey, das ist nicht witzig!“ Eigentlich war Severus nicht für dumme Streiche und alberne Scherze bekannt. „Wir bleiben zusammen und holen einen Lehrer.“, bestimmte unser Vertrauensschüler, als wir Schleifspuren entdeckten, die weiter in den Wald hinein führten. „Merkt euch die Stelle!“ Jede Minute, die verstrich, während wir auf das Schulgebäude zueilten, um einen Lehrer zu finden, machte ich mir größere Sorgen. Vielleicht hatte Sirius Recht und es ging mehr Dunkles in Hogwarts vor sich, als ich ahnen konnte. Womöglich waren wir tatsächlich alle in Gefahr und Sirius übertrieb ausnahmsweise nicht, nur weil Bella aufgetaucht war! Ich malte mir aus, was ich für Todesängste an Severus Stelle ertragen müsste, wäre ich derjenige gewesen, der von etwas Unbekanntem in den Wald verschleppt worden wäre. Hoffentlich konnten wir ihn retten! Egal, wie dringlich eine Angelegenheit war, Professor Slughorn konnte sich nur behäbig fortbewegen. Normalerweise mochte ich unseren Hauslehrer trotz seiner exzentrischen Art, jetzt hätte ich ihn allerdings am liebsten geschoben und ihm vom übermäßigen Verzehr kandierter Früchte für den Rest seines Lebens abgeraten. Mit Mühe verkniff ich mir unangebrachte Sprüche. Florence und Evan Rosier drängelten genug, bis wir die Stelle mit den Schleifspuren wieder erreichten und ihnen nun gemeinsam mit dem Professor folgten. Mit gezückten Zauberstäben schlichen wir zwischen den Bäumen entlang, bis die Spur einfach endete. Wir suchten den Waldboden in einem Umkreis weniger Meter ab, ob die Spur sich woanders fortsetzte. Wir sahen hoch in die Baumkronen, ob dort etwas mit dem Schüler hochgeklettert sein könnte. Ich lief zu der Stelle, wo die Spur aufhörte, um nachzusehen, ob dort noch irgendein Hinweis zu sehen war. Und stolperte über etwas. „Hier… ich glaube, hier liegt jemand?“, sagte ich und tastete das unsichtbare Hindernis hab und zog schließlich einen Umhang von dem dort stocksteif liegenden Severus. „Finite“, beendete Professor Slughorn den Klammerfluch, der Severus gefangen hielt. „Diesen Unsichtbarkeitsumhang nehme ich an mich.“ Severus erzählte, dass die sogenannten Rumtreiber, also voran Potter und Sirius, ihn im Wald überfallen hatten, als er von der Gruppe zurückgefallen war. Er sagte es zwar nicht in Gegenwart des Lehrers, aber die Blicke unter uns Schülern waren vielsagend. Sicher hatten sie versucht, Severus auszufragen. Und dann hatten sie ihren Erzfeind bewegungsunfähig im Wald unter dem Tarnumhang versteckt und waren einfach weggegangen, ohne darüber nachzudenken, was passieren könnte, wenn er nicht so schnell entdeckt worden wäre! Innerlich schüttelte ich den Kopf über so viel Unverantwortlichkeit. Da warfen die Gryffindors uns Slytherins fiese Streiche vor, waren selbst aber keinen Deut besser! Ich konnte mir vorstellen, dass es Severus nicht reichen würde, zu wissen, dass die beiden Unruhestifter für diese Aktion reichlich Ärger bekommen würden. Über die steigende Wahrscheinlichkeit, dass Potter tatsächlich für das nächste Quidditch-Spiel gesperrt blieb, konnte ich mich in Anbetracht der Ereignisse nicht besonders freuen. Kaum war Slughorn außer Hörweite, ging die Diskussion los, wie lange die Rumtreiber wohl schon den Tarnumhang hatten und wie viel sie durch Lauschen bereits herausgefunden hatten. „Tarnumhänge halten oft nur wenige Stunden, maximal ein paar Tage, hat Slughorn gesagt. Wo auch immer sie ihn herbekommen haben, so schnell werden sie keinen neuen bekommen. Und da wir jetzt davon wissen, dass sie schonmal einen hatten, können wir das nächste Mal, wenn wir uns außerhalb unseres Gemeinschaftsraumes belauscht fühlen, einen Aufspürzauber verwenden!“, versuchte ich, meine Mitschüler zu beruhigen. Ich war mir sicher, dass Potter und Sirius nicht so dumm sein konnten, einen Tarnumhang, der mehr als wenige Stunden halten könnte und der dementsprechend teuer gewesen sein müsste, bei einem so banalen Streich aufzugeben. Das schienen die anderen auch einzusehen und sie wandten sich wieder fieberhafter der Inschrift zu. Die Inschrift entpuppte sich als Rätsel und es wurde vermutet, dass das Lösungswort einen verborgenen Hohlraum im Stein öffnen würde und dass dort der Kelch sein müsste. Oder ein weiterer Hinweis, wo sich der Kelch wirklich befand. „Wir haben gleich Runenkunde.“, stellte ich mit einem Blick auf die Uhr fest. Da ich von zuhause aus schon früh einige alte Runen gelernt hatte, durfte ich hin und wieder im fortgeschrittenen alte Runen Kurs mitmachen, um besser gefördert zu werden. Die Blicke von Evan und Severus wandten sich mir zu und Florence lächelte leicht. „Die Gryffindors verdächtigen uns bereits, irgendwas zu planen… wie wäre es, wenn du ausnahmsweise zu spät zu Runen kommen würdest?“ Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch, obwohl ich sehr gut verstand, was sie damit andeuten wollten. Ich sollte zu dem Steinkreis gehen und mein Glück mit dem Lösungswort versuchen. Dabei wollte ich mit der Kelch-Sache doch eigentlich nichts zu tun haben! Widerwillig stimmte ich dem Plan zu. Ich könnte behaupten, das Lösungswort wäre falsch. Ich könnte gucken, ob ich einen anderen Kelch finde, aber ich wusste nicht, ob die anderen wussten, wie der echte Kelch aussehen müsste. Ich könnte direkt einen Lehrer aufsuchen und hinterher behaupten, ich wäre erwischt worden. Nein, egal, was mir einfiel, es endete damit, dass ich riesigen Ärger mit allen bekam. Ich konnte keinen Rückzieher mehr machen. Der goldene Kelch lag kalt und schwer in meinen Händen. Die eingravierten Bilder ließen mich erschauern. Dieser Kelch forderte ein Blutopfer! Ich spürte mächtige Magie in meinen Fingerspitzen kribbeln, vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein. Ich nahm extra einen Umweg zum Gemeinschaftsraum der Slytherins zurück, um unentdeckt zu bleiben. Dort versteckte ich den Kelch mit zitternden Fingern unter Averys Umhang, wie vereinbart. Mit gesenktem Kopf betrat ich den Klassenraum. „Entschuldigung, Professor. Peeves hat mich aufgehalten.“ Die Ausrede wurde angenommen, zumal ich nicht zu denen gehörte, die öfter zu spät kamen. Kurz bevor ich mich auf meinen Platz setzte, sah ich mich zu Sirius und seinen Freunden um. Unsere Blicke trafen sich. Er hatte sicher durchschaut, dass das mit Peeves nur eine Ausrede war. Ich konnte mich aber nicht zu offen mit ihm austauschen. Ich kaute leicht auf meiner Unterlippe und sah zur Tafel. Dann tat ich so, als würde ich mitschreiben, in Wahrheit verfasste ich allerdings in Runenschrift eine knappe Nachricht an Sirius. „Bruder, sie haben den Kelch. Ich glaube nun auch, dass Bella nichts Gutes damit vorhat. Bring dich nicht in Gefahr. Warne einen Lehrer. Regulus.“ Unter dem Tisch tippte ich die Notiz mit dem Zauberstab an, sodass die Runen verblassten. Erst, wenn Sirius das Papier berührte, würden die Buchstaben wieder sichtbar werden. Wie konnte ich meinem Bruder diese Nachricht am unauffälligsten zustecken? Ich kramte in meiner Tasche und mir fiel Vaters Brief wieder in die Hände. Ach, das musste ich Sirius auch noch ausrichten… Oh, DAS musste ich Sirius auch noch ausrichten! Unauffällig steckte ich meine Notiz mit in den Umschlag, auf dem das Familienwappen eindeutig prangte. Ungeduldig wartete ich auf das Ende der Stunde, um dann eilig meine Sachen zusammenzupacken und Sirius an der Tür aufzuhalten. „Hey! Nachricht von Vater. Ich dachte, bevor ich mir den Mund fusselig rede, kannst du den Brief genauso gut selber lesen. Du kannst doch lesen, oder?“ Ich hob arrogant das Kinn und streckte ihm den Brief hin. Einen Augenblick fürchtete ich, einen zu schneidenden und beleidigenden Tonfall gewählt zu haben. Meine Erleichterung, dass Sirius den Brief dennoch perplex annahm, überspielte ich, indem ich mich ruckartig umwandte und davonstolzierte. Ein gehässiges Lachen war Zeichen genug, dass meinen Mitschülern dieser Brief nicht verdächtig vorkam. Noch erleichterter war ich, als Sirius mir vorm Abendessen den Brief zurück gab, ohne dass jemand mich zu neugierig beäugte. Ich hoffte, dass man mir abnehmen würde, dass ich nur überprüfte, dass Sirius Vaters Brief nicht verunglimpft hatte. Niemand fragte. Ich fand eine kleine Notiz in der Handschrift meines Bruders: „Heute nach Anbruch der Dunkelheit Treffen an der Kreuzung im Wald. Komm allein und bring den Tarnumhang und den Kelch mit!“ Ich ächzte. Wie stellte der Hohlkopf sich das vor? Wahrscheinlich machte er sich gar keine Gedanken mehr über die Risiken und den Ärger, den man bekommen konnte, wenn man des Nachts allein umher schlich! Auch nicht jetzt, wo Dumbledore persönlich die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz seiner Schüler erhöht hatte. Ich hätte am liebsten heftig mit dem Kopf geschüttelt und Sirius den Stinkefinger gezeigt, aber als ich seinen hoffnungsvollen, bittenden Blick auf mich gerichtet sah, schmolz mein Ärger dahin. Ich wollte nicht als Feigling dastehen. Ich wollte meinen Bruder nicht im Stich lassen. Ich wollte ihm zeigen, wie sehr ich noch bereit war, um ihn zu kämpfen. Ich wollte ihn beeindrucken. Und ich wollte die Chance nutzen, mit ihm zu reden. Wenn ich auf ihn zukam, ihm einen so großen Gefallen tat, würde er mir sicher zuhören. Mehr verlangte ich doch nicht. Ich faltete den Brief kleiner und steckte ihn in eine Brusttasche. Die Hand über dem Herzen, das war ein Zeichen des Versprechens. Fast ein Schwur. Sirius würde heute Nacht auf mich warten. Ich entdeckte kurze Zeit später, dass ich mein Versprechen vorschnell gegeben hatte. Der Kelch war bereits fort und ich konnte nicht nachfragen, ohne selbst ausgefragt zu werden, warum es mich plötzlich interessierte. Unter dem Vorwand, mit jemandem über meine belastende familiäre Situation sprechen zu müssen, suchte ich Professor Slughorn auf, der mich freundlich in sein Büro ließ. Während er nach einem geeigneten beruhigenden Tee für den jungen Black in seinem persönlichen kleinen Vorratsraum suchte („Alkohol darf ich dir noch nicht anbieten…“), brach ich die Schublade auf, in der er konfiszierte Gegenstände aufbewahrte. Ich fand den Tarnumhang sofort und stopfte ihn eilig in meine Schultasche. „Danke, Professor. Ich dachte nur, es wäre hilfreich für mich, die Meinung eines Außenstehenden einzuholen. Was denken sie über meinen Bruder? Glauben sie, das ist bloß alles jugendlicher Leichtsinn und kindlicher Trotz, der sich noch auswachsen kann oder… passt er nicht zu unserer Familie?“ Ich schlürfte an dem Tee und bedachte meinen Hauslehrer mit einem gespielt interessierten Blick. „Nun, Regulus, eigentlich passt dein Bruder perfekt zu dem, wie sich eure Familie immer darstellt und wie ihr Ruf ist! Talentierter Zauberer, sehr beliebt unter den Mitschülern, hat viele Bewunderer, kann mitunter arrogant wirken…“ Ich wollte nicht hören, wie perfekt mein Bruder sich als Familienerbe eignen würde. Das wusste ich doch schon. „Es ist echt schade, dass ihr Bruder sich nie bei mir blicken lässt, obwohl ich schon länger versuche, ihn für meinen kleinen hausübergreifenden Club zu gewinnen.“ Ja, super, wollte Slughorn mir damit sagen, dass ich neben meinem Bruder nur zweite Wahl war? Ich verzog das Gesicht. „Vielleicht rühren die Spannungen in eurer Familie daher, dass sowohl deine Eltern als auch dein Bruder ziemliche Dickköpfe sein können…“, war der Teil des Monologs, in dem ich wieder aufhorchte und meine Chance gekommen sah, das Gespräch wieder selbst in die Hand zu nehmen. „Das mag sein, darüber habe ich auch schon nachgedacht! Im Moment scheint er sowas nicht hören zu wollen, aber vielleicht sieht er es eines Tages selbst ein. Ich meine, wenn er reifer ist. Das… beruhigt mich, danke. Ich fühle mich schon viel besser! Ich wollte sie auch nicht mit sowas albernem belästigen…“ Freundlich winkte der Professor ab. Ich sah in seinem Blick kurz aufblitzen, wie froh er war, dass ich ihm ein derartiges Vertrauen entgegenbrachte. Ich wusste, dass ich ein fester Bestandteil seiner Sammlung war. „Das nächste Mal wird die Mannschaft ihren Sucher sicher besser vor fiesen Fouls schützen!“ Ich hätte beinahe die Augen verdreht. Severus kam mir entgegen, aber ich schenkte ihm keine Beachtung. Der Tränke-Musterschüler lungerte öfter vor Slughorns Büro herum, bekam Extraaufgaben oder ließ sich Zutaten aushändigen, die Schüler außerhalb des Unterrichts nicht haben sollten. Ich zog mich in den Schlafsaal zurück und wartete lesend auf die Dunkelheit. Als es ruhig geworden war, kroch ich aus meinem Bett, schnappte mir meinen Zauberstab und klemmte mir den Tarnumhang unter den linken Arm. Auf Zehenspitzen verließ ich den Kerker und wagte erst wieder, normal zu atmen, als ich durch ein Fenster das Gebäude verlassen hatte. „Lumos!“, flüsterte ich und eilte dann über die Wiese auf den kleinen Waldweg zu. Nachts konnte es am Waldrand echt gruselig sein. Ich zuckte bei dem Schrei einer Eule zusammen. Ich hörte über mir die Blätter rascheln. Meine größte Sorge blieb allerdings, wie Sirius reagieren würde, sobald ich ihm sagte, dass ich den Kelch leider nicht bei mir hatte. Im Dunkeln fiel es mir schwerer, Entfernungen einzuschätzen. Allzu weit konnte es nicht mehr bis zum Treffpunkt sein, aber mein Lumos beleuchtete immer nur ein kleines Stück des Weges. „Sirius?“ Obwohl ich leise sprach, durchbrach dieses Wort unnatürlich die Stille. Ich lauschte auf eine Reaktion. Nichts. „Sirius?“, rief ich ein wenig lauter. Wie einsam meine Stimme klang. Was, wenn Sirius verhindert war? Oder wenn er mich hereingelegt hatte? Zuzutrauen wäre es ihm! Ich beschleunigte meinen Schritt etwas, wie um so unangenehmen Gedanken zu entkommen. Allmählich meinte ich, die Kreuzung vor mir auszumachen. Das Sternenlicht wurde von weniger Geäst zurückgehalten. „Sirius!“ Ich sah eine andere Zauberstabspitze aufleuchten und eine dunkle Gestalt trat auf die Kreuzung. Als ich meinen Bruder zweifelsfrei erkennen konnte, lächelte ich. Er war gekommen und er war allein. „Ich habe den Tarnumhang…“, sagte ich schnell und streckte ihm den nicht mehr besonders ordentlich gefalteten Stoff entgegen. „Der Kelch, Regulus?“, hakte Sirius sofort nach, als er den Umhang entgegen nahm. „Es tut mir leid… er war nicht mehr da! Sie haben ihn sicher schon übergeben… habt ihr keinem Lehrer Bescheid gesagt?“, plapperte ich, bevor Sirius mir irgendeinen Vorwurf machen konnte. Ich sah mich nochmal um. „Ich hätte nie gedacht, dass du ohne Potter kommst!“ Denn das war auch eine große Befürchtung von mir gewesen. Der hätte jetzt sicher schon geschimpft und geflucht, dass ich den Kelch nicht hatte. Sirius grinste schief und zuckte mit den Achseln. „Bin immer wieder für Überraschungen gut. Wie konnte er nur immer so cool bleiben? „Weißt du, wo Mary ist?“ Ich blinzelte verwirrt. „Welche Mary?“ Irgendwie schien Sirius erleichtert zu sein, dass ich so wenig wusste, obwohl ich erwartet hatte, es würde ihn verärgern, je weniger ich ihm sagen konnte. „Geh zurück zum Schloss.“, wies Sirius mich an. Ich dachte, wir könnten uns mal unterhalten, wollte ich sagen. Stattdessen brachte ich nur „Und was ist mit dir?“ heraus. Ich wollte auf ihn zugehen. So leicht wollte ich mich diesmal nicht abwimmeln lassen! „Ich muss noch nach was suchen“, erklärte er mir ausweichend. Wir könnten zusammen suchen, hätte ich gerne vorgeschlagen. Aber seine Stimme klang so abweisend. Ich wollte ihn nicht nerven. Ich wusste, dass es keinen Zweck hatte, wenn er genervt war. Sicher würde er selbst weiter nach dem Kelch suchen. Oder nach dieser Mary. Mir fiel kein Argument ein, auf das er gehört hätte, sich nicht leichtfertig in Gefahr zu begeben. Ich war eben nicht so cool wie er. Mir fielen nicht immer passende Sprüche ein. Mir fiel es weniger leicht, andere Leute mit einem schiefen Grinsen für mich einzunehmen. Und mir war es auch nicht egal, wenn ich Ärger von Lehrern bekam. Also gab ich mit einem Nicken auf und kehrte Sirius den Rücken. „Du kleiner Verräter.“ Evan Rosier! Er musste mir gefolgt sein! Bedrohlich leuchteten weitere Zauberstäbe hinter dem Vertrauensschüler der Slytherins auf. Ich konnte nicht ausmachen, wie viele es waren. Wenn es zu einem Kampf kam, würden sie mich und meinen Bruder locker überwältigen! „I-ich habe mich doch nur mit meinem Bruder getroffen! Familienangelegenheit! Ich dachte, naja, wenn ich ihm seinen Scherzartikel zurückgebe, würde er…“ Ich wurde unterbrochen. „Dir zuhören? Pah! Wie naiv kann man sein?“ Ich ging rückwärts. In meinem Kopf spielte sich der alberne Wunschtraum ab, mein Bruder würde hinter mir stehen und mir helfen, die Situation zu erklären. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass auch Sirius nicht mehr alleine war. Er wurde von Potter und Lupin flankiert und dem Geraschel nach zu urteilen, waren dort noch mehr. Ich hörte nicht, was die beiden Parteien sich zubrüllten, obwohl ich allein zwischen ihnen stand. Voller Enttäuschung sah ich in das Gesicht meines Bruders und sah dieselbe Enttäuschung darin gespiegelt. Dabei war es doch eindeutig, dass ich die Slytherins nicht mit Absicht hergeführt hatte! Hörten er und seine Freunde nicht, wie ich gerade beschimpft wurde? Ich ließ meinen Zauberstab kraftlos an meiner Seite baumeln, obwohl ich sah, wie auf den gegnerischen Seiten die Zauberstäbe erhoben wurden. „Stupor!“, gellte es durch den Wald und ich wurde mindestens von einem Slytherin und einem Gryffindor getroffen, ehe ich zu Boden ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)