Mars von Selma ================================================================================ Kapitel 1: Lieferung -------------------- Der Fahrtwind strich durch Sinas schwarzes Haar und ließ es ein Stück weit vom Nacken abstehen, als sie sich auf dem Hoverboard einige Meter über dem sandigen Boden des Mars hinfort bewegte. Da Sina die vorgeschriebene Schutzbrille und auch die Maske trug, welche trotz der anhaltenden Terraforming-Bemühungen noch nötig war, stachen die kleinen Sandpartikel, welche sich in der dünnen Luft befanden nur auf den Stellen, wo die Haut frei lag, dennoch war das Ganze unangenehm genug, wenn es lang anhielt. Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie weiter geradeaus und versuchte die Haarsträhne auszublenden die zwischen Halbhelm und Brille eingeklemmt, von dem Wind vor ihren Augen hin und her bewegt wurde. Vielleicht wäre es wohl doch nicht verkehrt sie endlich abzuschneiden. Aber das sollte jetzt wohl eher das geringste Problem sein. Auf der virtuellen Oberfläche ihrer Brille näherte sich der Geschwindigkeitsmesser dem roten Bereich. Im Moment verbrauchte sie eindeutig zu viel Energie. Das würde später sicher Ärger mit dem Chef geben, der überhaupt nichts von Energieverschwendung hielt, aber genauso hasste er es, wenn Lieferungen zu spät den Kunden erreichten. So gesehen steckte Sina in einer Zwickmühle. Blieb halt nur zu hoffen, dass an ihrem Ziel Zeit genug blieb das Board aufzuladen. Allein schon bei dem Gedanken die Arbeiter darum bitten zu müssen, presste die junge Botin die Lippen aufeinander. Eigentlich trat sie die Lieferungen an den Nordpol des Planeten gerne an einen ihrer männlichen Kollegen ab. Denn die Arbeiter dort waren, was Frauen anging, doch ziemlich schwer zu händeln. Trotz Gleichstellung. Dort oben gab es leider einen akuten Mangel ihres Geschlechtes, was meistens in anzüglichen Bemerkungen und Angeboten endete. Und wenn sie diese Leute jetzt auch noch um einen Gefallen bitten musste, dann war sicherlich davon auszugehen, das sie eine Gegenleistung erwarteten und wie das auszusehen hatte, versuchte sie sich erst gar nicht auszumalen. Hastig schüttelte Sina den Kopf um die Gedanken los zu werden, und sich lieber wieder auf den Flug zu konzentrieren. Bald würde sie an einen großen Canyon kommen. Leider waren die Hoverboards nur für einen Einsatz von maximal zehn Meter über der Oberfläche ausgelegt, danach ging es solange abwärts, bis man wieder auf Grund stieß. Das konnte, je nach Höhe, sehr unangenehme Folgen haben. Entweder sie umflog die große Spalte, oder schaffte es genügend Geschwindigkeit aufzubauen um an der schmalsten Stelle direkt hinüber zu kommen. Eine kurze gedankliche Überlegung reichte, dass eine holografische Karte vor ihrem rechten Auge eingeblendet wurde und besagte Übergangsstelle anzeigte, dazu Entfernung und berechnete Höchstgeschwindigkeit. Nur zu genau wusste Sina, dass ihr Chef einen Tobsuchtsanfall bekommen würde, wüsste er, was sie jetzt plante. Aber zum einen steckte sie unter Termindruck und zum anderen wollte sie es ihren Kollegen beweisen, die schon oft genug damit geprahlt hatten, dass sie den Sprung bewältigten. Es hatte bei den Versuchen auch schon Tote unter den Lieferanten gegeben. Sina ging in die Hocke um den geringen Luftwiderstand noch weiter zu verringern. Schon fast aus einem Reflex heraus hielt sie den Atem an, obwohl das gar nicht nötig wäre, während sie die Stelle fixierte und das Board weiter beschleunigte. Doch kurz vor dem Absprung begann sich die Luftströmung zu verändern. Sina riss die Augen auf, als sich wie aus dem Nichts heraus ein großer Staubteufel genau zwischen ihr und der Sprungschanze aufbaute. Diese Dinger entstanden meist ohne Vorwarnung. Manchmal waren sie klein, aber sie konnten größer werden als eine ganze Siedlung und eben solche dann mühelos ausradieren, weshalb die meisten Siedler ihre Wohneinheiten in den Fels getrieben hatten, wo sie geschützter waren. Entsetzt fuhr Sina hoch. Hastig veränderte sie ihre Position und lehnte sich zur Seite um das Board herum zu reißen. Sie fluchte im Geiste. Sie war viel zu schnell. Das Ding war verdammt groß. Nie im Leben bekam sie das Board rechtzeitig zur Seite weg, das Ding da vorne würde ihr die Haut vom Körper fetzen und das war es dann. Der Antrieb des Boards heulte auf, als sie versuchte die Geschwindigkeit zu drosseln und das ausbrechende Gerät endlich zur Seite fort zu kriegen, während sie sich am Rand festkrallte um nicht hinunter zu fallen. Doch die schwere Ladung veränderte die Trägheit und so hielt Sina immer noch auf den Wirbel zu. Ihrem Mund entfuhr ein Schrei und sie hob eine Hand um ihr Gesicht zu schützen, als sie in den Staubteufel hinein driftete. Endlich kam ihr Board zum Stehen und erst, als es hart auf dem Boden aufsetzte und ihr fast die Finger einquetschte realisierte Sina, das sie noch am Leben war. Ihr Atem ging stoßweise und hastig, als sie langsam die Augen öffnete und realisierte, das sie noch an einem Stück war, während sich der Staubteufel genauso schnell wieder aufgelöst hatte, wie er entstanden war. Nur noch einzelne, langsam im Kreis tanzende Staubpartikel und einzelne, kleine fliegende Fetzen der Plane, welche eigentlich die Lieferung vor Wind und Sand schützen sollten, zeugten davon, dass hier eben noch etwas, normalerweise tödliches, gewesen war. Ein durchdringendes Fiepen in ihrem Ohr machte Sina darauf aufmerksam, dass sie hyperventilierte. Nur langsam wurde ihr klar, dass sie mitten hindurch gerauscht war, ohne das sie eine Verletzung davon trug. Das Herz schlug ihr immer noch bis zum Halse. Die Reste der Plane hingen seitlich vom Hoverboard herunter, an dieser Stelle hatten die Sachen den Halt verloren und waren vom Transportgerät herunter gefallen. Sinas Beine wurden weich und sie musste sich setzen, um nicht hinzufallen, dann wurde ihr schwarz vor Augen. Kapitel 2: Survived ------------------- „Hier drüben ist sie“, dumpf drang eine fremde Stimme an Sinas Ohren. Jemand rüttelte sie vorsichtig an der Schulter. Noch ganz benommen öffnete sie ihre Augen und war froh, über die Schutzbrille, denn darauf hatte sich eine kleine rote Staubanhäufung gebildet, die nun langsam herabrutschte, als sie versuchte sich aufzurichten. „Langsam“, meinte die Stimme erneut, die einem jungen Mann gehörte, welcher sich nun in ihr Blickfeld schob. Vorsichtig scannte er sie sie mit einem Handgerät ab und brummte dabei leise, bevor er es deaktivierte und wieder so in einen Beutel verstaute, das kein Staub daran gelangen konnte. „Keine Brüche, du hast verdammtes Glück gehabt Mädchen. Trotzdem, sei vorsichtig, wenn du dich jetzt aufrichtest.“ Sina schnaubte in ihre Maske. Mit dieser Aussage hatte er sich bei ihr schon ziemlich unten durch geschossen. Der sollte aufhören sie wie ein kleines Kind zu behandeln, der war vom Aussehen höchstens fünf Jahre älter als sie. Noch mehr Staub rieselte von ihrer Kleidung, als sie sich aufsetzte und im Hinterkopf fragte Sina sich langsam, wo das alles hergekommen war. Man könnte ja meinen, sie hätte ewig lange hier herum gelegen. Ihr Gegenüber begann leise zu lachen und richtete sich komplett auf, um ihr eine Hand hinzuhalten und Sina dann ebenfalls auf die Beine zu ziehen. Erst jetzt bemerkte sie auch, dass ihre Sachen, im Gegensatz zu der Plane kaum gelitten hatten. Wenigstens zitterten ihre Beine jetzt nicht mehr und die Kurierin blickte sich um. Als sie den Sonnenstand in der trüben Atmosphäre ausmachte, zog sie ihre Augenbrauen zusammen. Kein Wunder, dass man sie gesucht hatte. Sina vermutete dass sie locker zwei Stunden aus ihrem Zeitfenster heraus war, das sie brauchen durfte, um ihr Ziel zu erreichen. Diese dumme Ohnmacht hatte sie komplett für mehrere Stunden ausgenockt. Stöhnend fuhr sie sich mit einer Hand an den Kopf, was ihr einen fragenden, aber auch abschätzenden Seitenblick des Mannes einbrachte. „Schon gut. Geht schon.“ Wenigstens funktionierte das Display in ihrer Brille noch und ein kurzer Blick reichte, dass sie wusste, dass wenigstens acht Marsstunden seit ihrem Aufbruch vergangen waren. Mehrere Leute machten sich derweil an dem Hoverboard zu schaffen, sammelten die, teilweise verlorene Ladung wieder ein, und kontrollierten die Maschine auf Schäden. Ersatzteile waren hier schwer zu bekommen. Deshalb ging man lieber vorher auf Nummer sicher, bevor man ein Gerät wieder in Betrieb nahm, als das es von dem allgegenwärtigen Marsstaub zerstört wurde. Es gab nun mal Bereiche, da hatte der Dreck nichts zu suchen, auch wenn das bedeutete, dass sogar Pinsel und kleine Gebläse zum Einsatz kamen um die Sauberkeit wieder her zu stellen. Nur alle acht Marsjahre, wenn Erde und Mars sich am nächsten standen, gab es eine Materiallieferung von der Erde und diese fiel mit jedem Zyklus immer dürftiger aus. Meistens wurden auch die Schiffe ausgeschlachtet, denn alles konnte man hier oben verwenden. Zurück zur Erde wollte bisher niemand. Die ersten Siedler hatten sich für ein Marsleben entschieden und selbst, wenn jemand zurück wollte, es gab keinen Treibstoff. So würden wohl die Marsgeborenen kaum eine Chance erhalten die Wurzeln ihrer Vorfahren zu ergründen. „Mach langsam“, kam die Stimme von dem Mann wieder in ihre Gedanken, als sie sich auf ihr Hoverboard zubewegte. Sina blickte kurz über das Ausmaß der Schäden und kontrollierte die Steuereinheit, was ihr durchaus strafende Blicke der anderen Anwesenden einbrachte, die ebenfalls an dem Gerät arbeiteten. Doch Sina kümmerte sich nicht darum. Da die meisten Anzeigen soweit in Ordnung waren, wollte sie schnell weiter. „Könnt ihr das bitte später machen?“ Entgeisterte Blicke erntete Sina für diese Bitte. „Ihr Gefährt ist beschädigt und die Ladung fiel aus bisher ungeklärter Höhe auf den Boden. Beide müssen überprüft werden. Außerdem ist das Energielevel der Brennstoffzelle nicht mehr ausreichend um das Ziel auf normalem Weg zu erreichen.“ Wieder trat der Erstversorger von ihr in ihr Blickfeld und griff nach ihrem Arm. „Bitte lass sie ihre Arbeit tun. Niemand ist es geholfen, wenn einer von uns den Helden spielt und dann auch noch defekte Dinge abliefert, die vor Ort nicht repariert werden können.“ Obwohl Sina sich aus seinem Griff befreien wollte, zog er sie ein Stück weiter, so das sie den Canyon sehen konnte. „Schon mal einen Blick riskiert? Ich weiß, dass Ihr an dieser Stelle gerne eine Abkürzung nehmt.“ Seine Hand deutete auf die Klippe und die junge Kurierin kniff die Augen zusammen. Etwas war anders. Gravierend anders. Ein weiterer Gedanke reichte, damit eine Holokarte sich über das reelle Sichtfeld schob. Das, was Sina darauf sah, ließ sie schlucken. Die Felsnadeln auf der anderen Seite, welchen in ihren Karten eingezeichnet waren, waren nicht mehr existent. Nie im Leben würde sie es ohne diese hinüber schaffen. Die Lieferantin spürte, wie ihre Beine wieder drohten unter ihrem Gewicht wieder weich zu werden, als ihr Bewusst wurde, dass sie jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit verdammt tief gefallen wäre, wenn dieses Wetterphänomen ihre Pläne nicht zerstört hätte. „Hey“, plötzlich spürte sie, wie sie ergriffen und mühelos hochgehoben wurde. Ihr Kopf ruckte herum. Der Mann hatte ihren Arm losgelassen und sie nun hoch genommen, so als habe er um ihren Zustand gewusst. Die Art und Weise, wie er sie dabei hielt, ließ vermuten, dass er erst vor kurzen auf dem Mars angekommen war und dadurch ihr gewisse Kraftvorteile besaß. Immerhin wog hier alles nur knapp ein Drittel. „Lassen Sie mich sofort runter“, fauchte Sina aufgebracht. Doch ihr Ersthelfer dachte nicht im Traum daran. „Die Felsen sind beim letzten Sturm abgebrochen. Bisher bestand jedoch kein Kontakt zur Zentrale um es weiter zu übermitteln. Deshalb hatten wir hier eine Wache aufgestellt, der Euch warnen sollte. Scheinbar hat er geschlafen.“ Das erklärte dann wohl auch warum man sie so schnell fand. Der Canyon lag schon etwas abseits der Siedlungen und nicht jeder war so verrückt und versuchte den Sprung. Kapitel 3: Polstation --------------------- Nach drei quälend langen Tagen durfte Sina endlich wieder Waren transportieren. Die lange Wartezeit war weniger ihren Verletzungen geschuldet, als viel mehr dem Hoverboard. An dem Gerät war mehr defekt gewesen, als auf den ersten Blick zu erahnen. Wenigstens war ihr die Lieferung nicht streitig gemacht worden, da von den wenigen anderen großen Hoverboards derzeit keines in dieser Region abkömmlich war. Das war Sina auch nur zu recht, denn sie hatte sich einiges wegen ihrer verbockten Zustellung anhören müssen und das war nicht nur ihr Chef der ihr sprichwörtlich wohl am liebsten Feuer unter dem Hintern gemacht hatte, sondern auch der Abgesandte der Obrigkeit in dieser Siedlung hatte sie zu einem Gespräch gebeten und ihr noch einmal nahe gelegt, dass sie ihre Aufgabe in der Kolonie auch ernst nehmen sollte. Sina wusste nicht, wie oft sie in den letzten Tagen gehört hatte, dass solch ein Projekt wie dieses hier nur funktionieren konnte, wenn jeder seine Aufgabe Ordnungsgemäß und mit größter Sorgfalt verrichtete und wenn das nicht schon allein nervig genug gewesen wäre, kamen dazu noch diese total verwirrenden Träume, die sie seit dem Vorfall hatte. Der Arzt, der sie daraufhin untersuchte meinte nur, dass es wohl eine Art ihres Geistes wäre, die Geschehnisse zu verarbeiten und dass sich dies schon wieder einpendeln würde. Sie solle sich nach der Lieferung mal ein paar Tage Auszeit gönnen und versuchen den Kopf klar zu bekommen. Dann würde sich das auch wieder geben. Aber im ersten Moment war sie einfach nur froh, als sie endlich auf ihr Hoverboard steigen konnte und die nötigen Checks vornahm, ehe sie die Schutzbrille und die Maske wieder zurechtrückte und dann Energie auf die Schubdüsen gab um abzuheben. Endlich kam sie fort von hier. Da draußen konnte ihr keiner mehr Anweisungen geben oder Vorwürfe machen, da war sie dann, wenigstens für ein paar Stunden, ihr eigener Chef. Während das Board langsam an Höhe gewann schloss sie kurz die Augen und atmete tief durch. Doch noch bevor sie losfliegen konnte, ertönte wieder eine Stimme von unten. „Hallo? Fliegst du zur Polstation?“ Sina blickte herunter und sah ein junges Mädchen das heftig mit den Armen winkte. Die Kleine blickte sie hoffnungsvoll an. „Ja das tu ich“, beantwortete sie ihr die Frage. „Ich hab zwar kein Geld, aber könntest du meinem Vater das hier mitnehmen?“ Das Mädchen hielt einen Speicherchip nach oben. „Ich kann auch anders bezahlen.“ Plötzlich waren in der anderen Hand zwei Rationsriegel. Unwillkürlich musste Sina leicht lächeln und drosselte die Energiezufuhr, so dass das Board wieder tiefer sank. Das junge Mädchen ging hinter einigen Kisten in Deckung, da einiges an Staub aufgewirbelt wurde, bis das Gerät wieder auf dem Boden ruhte. „Woran erkenne ich deinen Vater?“, fragte Sina, nachdem sie wieder herunter gestiegen war und sich das Mädchen wieder zurück traute. Etwas verunsichert, aber immer noch mit Hoffnung näherte sie sich Sina und zeigte ihr wieder den Chip, an dessen einem Ende ein kleiner Vogel aus blauem Stein an einer kurzen Kette baumelte. Wahrscheinlich ein Mitbringsel von der Erde, denn hier gab es so etwas sonst nicht. „Mein Vater hat mir das zum Geburtstag geschenkt. Der Vorarbeiter kennt es auch. Kannst du es mitnehmen? Er wird es schon wiedererkennen und sich zu erkennen geben. Bitte.“ Mit großen Augen sah sie Sina weiterhin an. Gespielt seufzend streckte sie die Hand aus. Wenn der Vorarbeiter den Vogel schon kannte, dann lag die Vermutung nahe, dass dieser Chip nicht zum ersten Mal zur Polstation wanderte. „Ich werde sehen, was ich machen kann, aber versprechen kann ich dir nichts.“ „Danke“, rief das Mädchen entzückt aus und umarmte Sina stürmisch. Kurz darauf stieg die Kurierin erneut auf und verließ die Siedlung endgültig. Der Himmel war nicht ganz so staubig und man konnte mehr von der Sonne sehen. Für Marsverhältnisse ein schöner Tag. Optimales Flugwetter. Weit und breit war kein Sandsturm oder Sandteufel zu sehen. Eine der seltenen Möglichkeiten mal so richtig Gas geben zu können. Immerhin hatte Sina auch noch so etwas wie einen Ruf zu verlieren, auch wenn dieser schon arg gelitten hatte. Der weite Blick hielt sich fast die Hälfte ihres Fluges, doch dann begann sich der Staub langsam zu verdichten und Sina bekam allmählich Sorgen, wie lange sie noch riskieren konnte ihre Reise mit maximaler Geschwindigkeit fortzusetzen. Selbst jetzt ließ sie das Hoverboard schon langsam absinken. Es war bekannt, das um die Polregionen nicht immer das beste Wetter herrschte, das war eigentlich schon so seitdem sie mit den Baumaßnahmen begonnen hatten. Einmal meinte ein Arbeiter, wohl mehr scherzhaft, dass der Planet wahrscheinlich etwas gegen diese Art von Eingriff hatte und sich so zur Wehr setzen wollte. Die Forscher schoben die Wetterveränderung lieber auf das verstärkte Feld Immerhin war die Aufgabe der Arbeiter an den Polen dafür zu sorgen, dass Magnetfeld des Planeten zu verstärken um schädliche Weltraumstrahlung zu minimieren. Dass der Planet durch die beiden riesigen Pylonen, die dazu an den magnetischen Polen aufgestellt worden waren, aussah, als hätte man einen Zahnstocher hindurch gejagt, war ein unschönes, aber nicht zu vermeidendes Nebenprodukt. Wieder reduzierte sie die Geschwindigkeit, als der Wind immer stärkere Böen mit sich brachte und Sina musste näher zum Boden um nicht mehr so angreifbar zu sein. Außerdem fiel es ihr durch den aufgewirbelten Sand immer schwerer, Äußerlichkeiten wahr zu nehmen und das letzte, was sie jetzt brauchen konnte war, das sie an der Station vorbei flog. Nach einer kurzen Kontaktaufnahme, mit einer sehr schlechten Verbindung, versprach man ihr, alle Lampen einzuschalten, damit sie sich orientieren könne. Eine Geste, die auch bitter nötig war, denn das Ganze wuchs sich immer mehr zu einem Sandsturm aus und wenn sie nicht bald etwas ausmachen konnte, wäre sie wohl gezwungen zu landen und abzuwarten, biss das gröbste vorbei war. Durch die Feldstärke nutzten ihre Sensoren ihr hier oben so ziemlich überhaupt nichts. Das war ein Blindflug, wie er im Buche stand. Auf genau das verspürte Sina aber absolut keine Lust mehr. Die ganze Sache dauerte ihr schon viel zu lange und wurde immer gefährlicher. Umso erleichtert war sie einige hellere Flecken zwischen all dem herumfliegenden Dreck ausmachen konnte und direkt darauf zu hielt. Erst wenige Schritte vor Erreichen der kantigen Bauten konnte sie deren Umrisse ausmachen. Erleichtert atmete Sina auf, als sie das Board zwischen einige der Hallen steuern konnte. Dort rieselte der Sand mehr herab, als das er peitschte. Jemand, der die Kennzeichnung des Vorfeldarbeiters trug kam auf sie zu. Das Gesicht der Person war durch die Schutzkleidung und Maske kaum auszumachen, als sie sich vorbeugte und ein ziemlich genervtes: „Na endlich“, zu ihr brüllte, damit sie es überhaupt hören konnte. Sina zuckte nur mit den Schultern und zeigte dem Mann ein kleines Strichcodehologramm, was er schnell einscannte. „Hat halt etwas gedauert, die Ersatzteile zu besorgen“, entgegnete sie bitter. Doch ihr Gegenüber ging schon gar nicht mehr darauf ein, sondern schritt zu einem großen Tor, das sich langsam zischend öffnete. Eine vorgeschobene Schleuse also. Stöhnend zog die Botin die Schutzbrille und den Helm näher zur Maske, bevor sie ihr Gefährt vorsichtig in das Innere der Schleuse navigierte. Im letzten Moment schaffte sie es das Board abzusenken und in den dafür vorgesehenen Halterungen zu verankern, bevor sich die großen Rotoren unterhalb des Bodens in Bewegung setzten. Jetzt kam der Teil, den Sina so gar nicht ab konnte. Auch sie hatte sich angegurtet und noch einmal überprüft, das ihre Kleidung fest am Körper saß und ihre Ohren geschützt waren, bevor der zweite Sturm des Tages über sie herein brach. Nur das dieser künstlich erzeugt und durchaus gewollt war. Diese Sicherheitsmaßnahme war nötig um zu verhindern, dass der feine Marsstaub in das Innere der Anlagen dringen konnte und dort wichtiges Gerät beschädigte. Aber es war nicht sehr angenehm. Schon nach wenigen Sekunden begann sie zu frösteln, denn der Wind war schneidend kalt, als er durch alles fuhr, das sich in dem Raum befand. Hier oben hielt man nicht viel vom vorwärmen der Gebläseluft, da die dazu nötige Energie anderweitig gebracht wurde. Das war halt ein anderer Schlag von Menschen, die an diesem Ort arbeiteten. Gerade als Sina meinte, es nicht länger aushalten zu können, wurden die Rotorblätter langsamer und der Luftstrom flachte ab. Vorsichtig richtete sie ihre Sachen wieder und sorgte so dafür, das auch die letzten Körner aus ihrer Kleidung fielen. Viel war es nicht mehr. Die junge Botin fröstelte immer noch, als sich endlich das Hintertor öffnete und jetzt etwas wärmere Luft in den Raum einströmte. Doch leiser wurde es jetzt nicht wirklich. Stattdessen produzierten die Maschinen hier drinnen und der Sturm der draußen an die Wände prasselte, einen dermaßen großen Lärm, dass fast ausnahmslos alle hier mit Gehörschutz herum liefen und sich über Halsfunk verständigten. Deshalb fiel es auch zuerst nicht auf, das Sina die Schleuse am passieren war und sie konnte das Board ohne Probleme befreien und wieder starten, wobei sie sich diesmal ganz auf die Instrumente verlassen musste, da sie die Antriebseinheit nicht mehr hören konnte. Erst, als jemand ihr Hoverboard zur Kenntnis nahm wurde sie endlich in Empfang genommen, wobei dieser kühler ausfiel, als sie erwartet hatte. Man wies sie an das Board in den hinteren Teil der Halle zu navigieren, wo andere Arbeiter zusammen kamen um augenblicklich mit der Entladung zu beginnen. „Hey, halt. Ich brauche noch die Unterschrift des Vorarbeiters“, rief Sina den Männern entgegen und einer deutete kurz in die Richtung der Büroräume, während sie sich jedoch bei ihrem Tun nicht dazu bemüßigt fühlten, inne zu halten, sondern weiter entluden. Schnaubend, als sie merkte, dass weiterer Protest wohl nichts bringen würde, ergriff Sina die Holoeinheit in der die Lieferung in vollem Umfang vermerkt war und machte sich auf den Weg zu den angezeigten Büroräumen. Aus dem Augenwinkel sah sie eine Reflektion auf einer der älteren Kisten. Dort lag, auf einem Stück Stoff eine runde, perfekt geschliffene Kugel. Kleine Lufteinschlüsse zogen sich fast durch das gesamte Innere. Das komische war, dass sich niemand darin zu spiegeln schien, denn obwohl die Kugel aus Kristall zu bestehen schien gab es keinerlei Lichtreflektion und dann schien es ihr, als haben sich für einen kurzen Moment einige der Luftblasen bewegt. Verwirrt ging sie auf dieses Ding zu, das an solch einem Ort absolut nicht hingehörte, doch noch bevor sie diese erreichen konnte, tippte Sina jemand auf die Schulter. „Hallo, wo wollen sie denn hin?“, stellte ein Arbeiter die Frage, als die junge Botin sich etwas vorbeugte „Ich?“, sie fuhr hoch und drehte den Kopf zu dem Anderen. „Nirgendwohin ich wollte nur gerade diese...“ Sinas Worte blieben ihr sprichwörtlich im Halse stecken, denn als sie den Kopf zurück drehte waren da nur noch Kisten. Weder die Kugel, noch das Stück Stoff, auf dem sie gelegen hatte waren länger präsent. „Alles in Ordnung?“, fragte der Arbeiter erneut. Diesmal schwang eine Spur von Sorge mit. Doch Sina schüttelte hastig den Kopf. „Tut mir leid. Ich muss mich verguckt haben. Ich dachte, ich hätte da was gesehen, das da nicht hingehört. War ein langer Flug.“ Sie streckte sich, wie zum Zeichen und gähnte ausgiebig so als wolle sie die Zweifel ihres Gesprächspartners dadurch zerstreuen, bevor sie wieder den Weg zu den Büros einschlug. Noch länger, als es ihr lieb war, spürte sie die Blicke des Arbeiters in ihrem Rücken und war froh, als sie den Bürobereich betreten konnte. Erfreulicherweise war es hier ruhiger, so das sie wenigstens die Maske und auch den Helm abnehmen konnte. Sina fuhr sich durch das Gesicht und seufzte leise. Das wurde immer unangenehmer. Irgendwie hatte diese Lieferung es echt in sich und sie war froh, wenn der Übergabeschein endlich unterzeichnet und sie auf dem Rückweg war, auch wenn der Sturm sicherlich dafür sorgen würde, dass noch etwas Zeit bis zur Abreise verging. Als sie ihre Jacke ebenfalls ablegen wollte, fiel der kleine Chip mit dem blauen Vogel heraus und für einen kurzen Moment huschte ein Lächeln über das Gesicht der Botin, der dann doch einer gewissen Ratlosigkeit wich. Schnell war die Jacke um die Hüften gebunden und der Chip so in die Brusttasche ihres Hemdes gesteckt, dass der Vogel weiter heraushing. Zum einen diente das ihrer Sicherheit, dass sie nicht noch am Ende vergaß den Chip abzugeben und vielleicht erkannte hier ja jemand den Vogel sogar wieder und konnte den Vater der Kleinen verständigen, dass Sina den Chip ihm persönlich übergeben konnte. Nur ungern machte sie den Weg über den Vorarbeiter. Persönliche Übergaben waren nun mal sicherer und sie wusste, dass es auch den Richtigen erreichte. Kapitel 4: Eindringling ----------------------- Die Büroräume waren, wie das meiste auf dieser Station, zweckmäßig ausgerichtet und weckten nicht unbedingt das Bedürfnis darin länger als nötig zu verweilen. Doch recht schnell musste Sina feststellen, dass die Unterzeichnung des Lieferscheins nicht so einfach war, wie ursprünglich gedacht, denn das Büro des Vorarbeiters war verweist. Wahrscheinlich machte er einen Kontrollgang. So blieb ihr erst einmal nichts anderes übrig, als zu warten. Sie zog sich an einem Wasserspender einen Becher und ließ sich auf einem der, in den Wänden versenkbaren, Sitzen nieder. Mit der Zeit wurde Sina ungeduldig, denn in diesem Abschnitt ließ sich irgendwie keine Menschenseele blicken. Niemanden, der vielleicht wissen konnte, wo der Vorarbeiter jetzt war. Ihr Rücken war schon völlig verspannt von dem Sitzen auf diesen unbequemen Stühlen, weshalb sie sich erhob und den Becher austrank. Langsam trat sie näher an die Tür heran, hinter welcher sich das Büro des Vorarbeiters befand. Zuerst dachte sie noch, dass das feine Zittern, welches sie mit einem Mal unter ihren Füßen verspürte auf überreizte Nerven zurückzuführen war, doch es wurde stärker. Das Wasser im nahen Wasserspender vibrierte ebenfalls und sie trat näher heran um es besser sehen zu können. Eigentlich dürfte der Sturm hier drin doch nicht für solche Vibrationen sorgen, oder? Jedenfalls schien es nicht ungewöhnlich hier zu sein, sonst gäbe es sicherlich schon einen Alarm. Als jedoch ein Rascheln hinzu kam, senkte Sina den Blick und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Das war doch Sand. Marssand, aber wo kam der her? Außerdem bewegte er sich, so als würde ihn ein beständiger Luftstrom durch den Gang blasen. Doch Sina konnte keinen Wind spüren. Langsam ging sie in die Knie und streckte die flache Hand aus um den Wind so erfühlen zu können. Sina konnte spüren, wie der Sand dabei über ihre Haut strich, doch den eigentlichen Wind, den sie sich erhofft hatte, konnte sie nicht erfühlen. Verwirrt sah sie auf diese seltsame Szene herab und realisierte auch erst nach einigen Sekunden das schleifende Geräusch, das entstand, wenn viele Sandkörner aneinander rieben und welches immer lauter wurde. Fast blieb der Botin der erschrockene Aufschrei im Halse stecken, als sie sich des langsam größer werdenden Staubteufels bewusst wurde, der gerade in einer vollkommen windstillen Umgebung entstand. Alles in ihrem Körper schrie das sie flüchten solle, doch sie konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Ihr Gehirn weigerte sich diese Tatsache zu akzeptieren. Alle Staubteufel entstanden aus Winden heraus... und wieder die Frage, wo dieser ganze Sand auf einmal herkommen konnte? Ein Alarm gellte los und endlich fiel diese Starre von Sina ab. Sofort stürzte sie aus dem Raum hinaus auf den Gang und nur weg von diesem Ding. Im Gang stieß sie mit jemandem zusammen. Beide verloren das Gleichgewicht und fielen zu Boden. Sina unterdrückte sich ein Stöhnen, als sie mit dem Ellenbogen gegen etwas spitzes prallte. Dass ihr der Chip dabei aus der Tasche glitt, bemerkte sie überhaupt nicht. Jemand ergriff sie und zog sie hoch. „Los, beweg dich. Ausruhen ist nicht. Wir haben Evakuierungsalarm.“ Sina knurrte leise, hütete sich aber davor etwas lauter zu werden. Eigentlich hatte sie hier nichts zu melden. Sie war nur ein Besucher. Doch dann spürte sie, dass sie den kleinen Vogel verloren hatte. Hastig tastete Sina ihre Kleidung ab, in der Hoffnung, dass sich der Kleine irgendwo verfangen hatte, aber leider vergebens. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen wollte Sina wieder umkehren, doch da ergriff man sie erneut. „Nicht da lang. Wir müssen in unsere ausgewiesene Evakuierungszone.“ Ein scharfer Schmerz schoss durch den lädierten Arm und veranlasste Sina scharf die Luft einzuziehen. „Aber ich habe etwas verloren...“ „Das kann warten. Du kennst die Anweisungen und die gelten auch für dich.“ Der Arbeiter zog sie unerbittlich weiter und Sina musste ihm folgen, ob sie wollte oder nicht. Im Geiste murrte sie leise. Die Luft in der Evakuierungshalle war schlecht. Der Raum war nicht besonders groß und gefühlt für die Masse an Menschen, nicht ausgelegt. Irgendwie schien niemand so recht zu wissen, warum der Alarm losgegangen war und so schwirrten verschiedenste Fragen, aber auch Theorien und Vermutungen durch den Raum. Auf die Idee, dass es vielleicht der Sandteufel in dem Büro gewesen sein könnte, kam niemand. Das konnte durchaus daran liegen, dass ihn außer Sina wohl auch niemand sonst gesehen hatte. Sie beschloss es erst einmal für sich zu behalten und abzuwarten. Schließlich wurde das Gebäude jetzt von speziell ausgebildeten und vorbereiteten Sicherheitskräften durchsucht. Selbst wenn der Wirbel sich auflöste, würden sie immer noch den Sand finden. Die Frage war nur, wie lange sie dafür brauchen würden, denn an einen Rückflug während der Marsnacht war nicht zu denken. Seufzend lehnte sie gegen die Wand und versuchte sich zu entspannen. So blieb ihr nachher wenigstens die Zeit nach dem Vogel zu suchen und ihn hoffentlich der richtigen Person zuzustellen. Nach einer Weile kam jemand in einem Schutzanzug in den Raum. Das allgemeine Gemurmel verstummte augenblicklich und machte einer angespannten Stille Platz. „Der Grund der Störung konnte noch nicht ermittelt werden, aber es wurden Spuren von Marssand gefunden. Wir werden ein Vakuum in den Hallen und den Büros erzeugen um das Leck zu finden. Deshalb können die Evakuierungsbereiche für diese Zeit nicht verlassen werden.“ Wieder setzte Geraune ein, aber man bemerkte die angespannte Stimmung. Niemand hatte große Lust die nächsten Stunden an diesem Ort zu verbringen. „Können wir nicht wenigstens in unsere Unterkünfte?“ versuchte es jemand aus der Menge heraus. Doch der Sicherheitsmann schüttelte den Kopf. „Der Prozess wurde bereits eingeleitet und die Bereiche versiegelt.“ Sinas Kopf fiel zur Seite und sie Seufzte. Ja, das würde hier wirklich länger dauern. Diese ganze Lieferung stand wirklich unter einem schlechten Stern. Sie musste ihrem Chef bescheid sagen, dass sie hier wohl noch wenigstens die Nacht verbrachte, doch draußen tobte wohl immer noch der Sturm, denn es konnte einfach keine Verbindung etabliert werden. So blieb Sina nichts anderes übrig als abzuwarten und noch einige Stunden zusammen mit jeder menge Kerlen, schlechter Luft, Wasser und Notrationen in diesem Raum zu verbringen. Kapitel 5: Traum? ----------------- Die äußeren Umstände und die erzwungene Untätigkeit sorgten dafür, das Sina relativ schnell müde wurde und nach einiger Zeit gar nicht bemerkte, wie ihr Kopf zur Seite sank und sie langsam wegdämmerte. Plötzlich fand sie sich an einem komplett anderen Ort wieder. Als sie die Augen erneut öffnete und den Kopf zur Seite drehte erkannte sie, dass sie auf einer Wiese lag. Zwischen dem braun-grünlichen Moos wuchsen, nicht wenige, rötliche Halme in die Höhe und verliehen dem ganzen ein interessantes Farbenspiel. Ein nicht wirklich spürbarer Wind bewegte die Halme. Als die junge Botin sich erhob, konnte sie in der Nähe einen Fluss aus Gold erkennen. Jedenfalls schien es im ersten Moment so, aber wahrscheinlich lag es an dem seltsamen, surrealen Licht, welches von dem großen Glutball am Himmel zu ihr herab strahlte, wenn er nicht hin und wieder von einigen dünnen Wolken gedämpft wurde. Das hier war eigentlich die perfekte Landschaft die die Terraformer jetzt schon seit Jahren anstrebten zu erreichen. Vorsichtig setzte Sina einen Fuß vor den Anderen, während sie auf das Wasser zuging und dann eine Hand hinein tauchte. Durch die klare Oberfläche hindurch konnte sie kleinste Lebewesen erkennen, die sich hastig unter Steinen verbargen, als sie mit ihren Fingern das Wasser berührte. Eine leichte Strömung umspielte ihre Hand und das Wasser fühlte sich angenehm kühl auf der Haut an. Allerdings bemerkte sie nach einer Weile auch, dass sich das Wasser, da wo es ihre Hand umflossen hatte, farblich in einen Bronzeton gewechselt war. Ob dies so noch in Ordnung war, oder ob es geschah, weil sie einen Fremdkörper einbrachte konnte Sina nicht bestimmen und so zog sie dann doch lieber die Hand schnell wieder heraus. Sie verspürte das Bedürfnis dieses Ökosystem nicht zu beschädigen, auch wenn ein Teil ihres Geistes ihr gerade sagte, dass dies nur ein Traum sein konnte. Ein großer Schatten glitt über sie hinweg und veranlasste die Botin den Kopf zu heben. Über ihr glitt ein großes, ballonförmiges Wesen träge durch die Luft. Hin und wieder bewegte es ein Paar seiner Flügelartigen Auswüchse, die an 6 Stellen aus dem Körper heraus stachen. So wirklich erkennen, wo bei diesem Wesen eigentlich vorne oder hinten war, war von hier unten nicht möglich, da Sina die entsprechenden Anhaltspunkte fehlten. Dieses große Wesen umkreisten kleinere Flugobjekte, die sich immer wieder auf der Oberfläche des Großen niederließen. Auf die Distanz konnte Sina nicht erkennen, um was für Wesen es sich handelte. Jedenfalls schien es dem Großen nichts auszumachen, oder registrierte es sie vielleicht sogar überhaupt nicht? Es folgte weiter seiner Bahn und wurde langsam wieder kleiner. Ein leichter Wind kam auf und dann spürte sie plötzlich, wie sie etwas am Bein streifte. Als Sina wieder herab blickte, konnte sie Handgroße, geschwungene Blätter erkennen die durch den Wind vorangetrieben wurden. Eines dieser Blätter war an ihrer Hose haften geblieben und sie musste ein wenig am Stängel ziehen, bis sie es von dem Stoff gelöst hatte. Die Blattseiten waren mit kleinen Widerhaken versehen, die zwar nicht durch die Haut drangen, sich gleichwohl aber an ihrer Kleidung zu verhaken mochten. In der Richtung, aus der die Blätter gekommen waren, erhob sich ein kleiner, bläulicher Wald. Aus einem Gefühl heraus ging sie langsam darauf zu. Es schien fast so, als würde er sie förmlich anziehen und folgte einem schmalen Pfad immer tiefer hinein. Während der ganzen Zeit schien es als wolle der Wind ihren Gang untermalen, indem er die Blätter an den Bäumen beständig bewegte und so ein durchgängiges Rauschen erzeugte, was sie fast schon ein wenig irritierte, dann aber auch wieder beruhigte. Schließlich gab es auf dem Mars eigentlich keine solchen Bäume. Nachdem Sina eine Weile gelaufen war, erreichte sie eine Lichtung. Verschiedenste weiße Steine, in unterschiedlichen Größen, waren in einem Kreis umeinander gruppiert. Das alleine wäre sicherlich nicht weiter aufregend gewesen, wäre da nicht ein weiterer Stein in der Mitte des Kreises und auf diesem Stein ruhte ein Stück Stoff mit einer altbekannten Kristallkugel. Fasziniert trat sie näher und griff nach der Kugel um sie aus der Nähe zu betrachten. Diese hatte auch Lufteinschlüsse und sie wollte nun überprüfen, ob es sich um diejenige handelte, die sie schon einmal gesehen hatte. Recht schnell stellte sie fest, dass die Einschlüsse das gleiche Muster aufwiesen, an das sie sich erinnern konnte. Sina war so fixiert auf die Kugel, dass sie die Veränderungen zuerst gar nicht bemerkte, die um sie herum stattfanden. Erst als ein Rascheln von der Seite aus ertönte, schreckte sie auf und musste feststellen, dass sie nicht mehr alleine an diesem Ort war. Wesenheiten, die auf der Erde wohl in die Fabel- und Mythenwelt einordnen würde, hatten sich auf den umliegenden Steinen nieder gelassen und musterten sie nun. Obwohl diese Wesenheiten seltsam aussahen, stellenweise auch groß waren und damit sicherlich jeden in die Flucht schlagen könnten, empfand Sina keinerlei Furcht. Eher schien es so, als habe sich im Inneren dieses Kreises eine tiefe Ruhe breit gemacht. Da Sina die Kugel noch in der Hand hatte, lies sie sich langsam auf den mittleren Stein niedersinken, während sie die einzelnen Wesen genauer in Augenschein nahm. „Dann besteht vielleicht doch noch Hoffnung,“ ertönte plötzlich eine Stimme aus der Richtung eines Pantherartigen, mit Schwingen ausgestatten Wesen, das die Botin immer noch anblickte. Das Maul sah nicht danach aus, als könne es Worte formulieren, dennoch hatte Sina es verstanden. Als sie es genauer ansah, war sie fasziniert von den Augen, die eine tropfenförmige Iris besaßen, aber auch von dem seltsamen Fell, dass nur auf den ersten Moment beständig aussah, in Wirklichkeit aber in einer art Fluss zu sein schien. „Hoffnung?“ entfuhr es der Botin unbewusst fragend. „Wir haben euer Volk studiert, seitdem ihr auf unserer Welt gelandet seit.“ Als Sina das hörte beschlich sie ein gewisses Unwohlsein. „Du brauchst nicht Angst zu haben, kleines Wesen. Wir sind hier, weil wir eine wichtige Botschaft mitgeben müssen.“ Ein reptiloides Wesen weiter rechts zischte bei den Worten und ließ seine Zunge weit hervor schnellen, so als wolle es damit seinen Unmut kund tun. „Jedenfalls nicht im Moment,“ zischte es ohne dabei das Maul zu bewegen. „Für das, was sie uns antun sollten sie zur...“ Das reptiloide Wesen verstummte sofort, als es sich des warnenden Blickes des Pantherwesens gewahr wurde. Die Augen hatten sich stark zusammengezogen und es machte auf die Botin den Eindruck, dass diese Haltung absolut nichts Gutes zu bedeuten hatte. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum der Reptiloide nur wütend weiter züngelte, aber sonst nichts mehr von sich gab. Die Stimmung veränderte sich. Sinas Hände waren doch schwitzig geworden, weshalb sie diese nacheinander an ihrer Hose abwischte. Dabei bemerkte sie, wie die Wesen etwas verblassten. Zuerst hielt sie es nur für Einbildung, doch das Pantherwesen drehte sofort seinen Kopf zu ihr, als schien es zu merken, was passierte. „Bitte lass dich davon nicht verschrecken. Du darfst noch nicht gehen. Es ist wichtig, dass du bleibst. Denn was heute passiert, wird die Zukunft dieser Welt beeinflussen.“ Sina schluckte. Für einen Traum war das Ganze doch mittlerweile etwas zu seltsam, oder? Kaum, das sie beide Hände wieder an der Kugel hatte wurden die Wesen wieder schärfer. „Hab Dank,“ meinte das Pantherwesen und nickte ihr kurz zu. „Was ist das hier eigentlich?“ fragte sie nun doch. „Das ist kein normaler Traum, oder?“ Bei der Frage beobachtete Sina noch die anderen Wesen. Eines davon stach ihr besonders ins Auge. Es hatte einen humanoiden Körper, aber den Kopf eines Vogels und auch da wo die Arme sich befinden sollten, waren blaue Flügel, des weiteren wies es einen Affenschwanz auf und die Füße besaßen krallenartige Zehen. Doch genau dieses Wesen schien sich mehr für sich selbst zu interessieren, als für dass, was hier gerade passierte und begann sich am Flügel zu putzen. „Das ist eine Zwischenwelt. Jedenfalls nennt ihr das so.“ Das Pantherwesen streckte sich kurz und schüttelte seine Schwingen aus, bevor es sich wieder niederließ. „Wir versuchen schon seit längerem zu eurem Volk Kontakt herzustellen. Aber bisher habt ihr die Zeichen entweder übersehen, oder sie ignoriert.“ Es schnaubte, so als glaube es selbst nicht so ganz daran, was es da gerade sagte. So interpretierte Sina es, immerhin wusste sie nur zu gut, dass Menschen auch Weltmeister im Verdrängen sein konnten. „Jedenfalls können wir nicht zulassen, dass ihr so weitermacht mit dem, was ihr gerade tut, denn ihr vernichtet unser Volk.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)